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Die Filmleute gingen nach hinten zur Aufnahme und ließen Mike Brixan mit dem Baron allein. Gregory Penne sah dem Mädchen mit glänzenden Augen nach. Als er sich umdrehte, bemerkte er Brixan und warf ihm einen kühlen und geringschätzigen Blick zu.

 

»Wer sind Sie?« fragte er, indem er den Detektiv von oben bis unten ansah.

 

»Ich bin ein Statist«, sagte Brixan.

 

»Ein Statist? So einer von der Komparserie? Die ihr Gesicht mit Farbe und Schminke bemalen? Das ist doch kein Beruf für einen Mann!«

 

»Es gibt noch schlechtere Berufe«, sagte Brixan, indem er seine Abneigung gegen den Mann niederkämpfte.

 

»Kennen Sie das kleine Mädel?« fragte der Baron. »Wie heißt sie doch gleich – Leamington?«

 

»Ich bin gut mit ihr befreundet«, log Brixan.

 

»Ach, sehen Sie mal an«, sagte der Baron und wurde plötzlich liebenswürdig. »Sie ist ein hübsches, nettes Ding. Eigentlich zu schade für eine Statistin. Kommen Sie doch einmal zum Abendessen mit ihr hierher.« Gregory zwinkerte ihm mit seinen geschwollenen Augenlidern zu. Brixan interessierte sich für diesen ungeschlachten Menschen mit den brutalen Instinkten, der anscheinend ein Sklave seiner Leidenschaften war – und doch war er zweifellos begabter als der Durchschnitt, denn er hatte früher einen hohen Posten bei der Regierung bekleidet.

 

»Müssen Sie jetzt mitspielen? Wenn nicht, dann kommen Sie doch mit mir nach oben und sehen Sie sich einmal meine Schwertersammlung an«, sagte der Baron.

 

Brixan fühlte, daß Gregory sich nur mit ihm anfreunden wollte, weil er gesagt hatte, daß er mit Helen gut bekannt sei.

 

»Nein, ich brauche jetzt nicht mitzuspielen«, antwortete er.

 

Für ihn konnte sich die Sache nicht besser entwickeln. Der Baron ahnte nicht, daß Brixan sich vorgenommen hatte, Griff Towers nicht eher zu verlassen, bevor er die seltsame Waffensammlung eingehend besichtigt hatte.

 

»Ja, sie ist ein sehr nettes, liebes Mädel.« Gregory Penne kam sofort wieder auf sein früheres Thema zurück, als sie auf das Haus zugingen.

 

»Wie ich schon vorher gesagt habe, eigentlich ist sie zu schade für eine Statistin. Sie ist jung, natürlich, bildet sich nichts ein, Und die Hauptsache – sie ist eine unberührte Unschuld. Alle diese aufgeklärten, schnippischen Mädels können mir gestohlen bleiben. Sie haben keinen Reiz mehr für mich. Wissen Sie, ein Mädchen muß so rein sein wie eine Frühlingsblume, wie ein zartes Veilchen oder ein Schneeglöckchen. Ich würde einen großen Strauß prächtigster Rosen für eine einzige dieser kleinen, süßen Waldblumen geben.«

 

Brixan fühlte sich angeekelt, und trotzdem hörte er Penne mit großem Interesse zu, obgleich seine Worte freche Gemeinheiten für ihn waren. Er mußte sich sehr zusammennehmen, um diesem Menschen nicht an die Gurgel zu fahren, als er neben ihm die Treppe emporstieg. Er kam sich wie ein begeisterter Zoologe vor, der sich mit Schlangen abgibt. Und dieser Vergleich gab ihm seine Selbstbeherrschung zurück.

 

Die große Eingangshalle, die sie jetzt betraten, war mit Fayenceplatten belegt, und als Brixan aufschaute, sah er, daß die ganzen Wände mit schönen Schwertern dekoriert waren.

 

Hunderte hingen an den Wänden, Krise, Klewangs, alte japanische Schwerter mit schöngeflochtenen Griffen, Zweihänder, die vor langer Zeit von Seeräubern im Kampf benützt wurden.

 

»Wie gefällt Ihnen das?« fragte Sir Gregory Penne mit dem Stolz eines begeisterten Sammlers. »Darunter ist keine Waffe, die Sie noch ein zweitesmal finden würden, mein Lieber. Und das ist nur der kleinere Teil meiner Sammlung.«

 

Er führte seinen Besuch einen breiten Gang entlang, der durch quadratische Fenster in gleichmäßigen Abständen erhellt wurde. Auch hier waren die Wände mit blitzenden Waffen geschmückt. Sir Gregory öffnete eine Tür und nötigte den anderen in einen großen Raum, der offenbar als Bibliothek diente, obgleich Brixan nur wenig Bücher sah. Es waren die üblichen Bände, die man überall auf den Landsitzen findet.

 

Über dem niedrigen Kamingesims hingen zwei große gekreuzte Schwerter. Brixan hatte derartige Waffen noch nie gesehen.

 

»Was sagen Sie dazu?«

 

Gregory Penne gab Brixan eines der beiden Schwerter von den silbernen Haken, an denen sie aufgehängt waren. Als er die Klinge aus der Scheide zog, blitze sie in der Sonne.

 

»Fassen Sie nicht an die Schneide, Sie werden sich sonst verletzen. Die Klinge ist so scharf, daß Sie ein Haar spalten können. Damit könnte ich im Nu Ihren Körper durchschlagen, und Sie würden noch gar nicht einmal wissen, was Ihnen passiert ist, wenn Sie umsinken.«

 

Plötzlich verdüsterte sich sein Gesicht. Er nahm Brixan das Schwert wieder ab, steckte es in die Scheide und hing es auf.

 

»Stammt dieses Schwert aus Sumatra?«

 

»Nein, es ist aus Borneo«, sagte der Baron kurz.

 

»Ach, das ist die Heimat der Kopfjäger?«

 

Sir Gregory schaute sich nach Brixan um und zog die Augenbrauen zusammen.

 

»Nein, es ist aus dem holländischen Teil von Borneo.« Anscheinend war irgendeine böse Geschichte mit der Waffe verknüpft, an die sich der Baron nicht gerne erinnerte. Lange Zeit blickte er schweigend in das kleine Feuer im Kamin.

 

»Ich tötete den Mann, dem es gehörte«, sagte er schließlich, und Mike war erstaunt, daß er mehr zu sich selbst als zu ihm sprach. »Ich hoffe wenigstens, daß er nicht mehr am Leben ist«, fügte er leise hinzu.

 

Als der Baron seinen Blick wieder hob, bemerkte Brixan, daß sich Furcht und Entsetzen darin spiegelten.

 

»Nehmen Sie Platz – wie ist doch gleich Ihr Name?« sagte er und zeigte auf zwei niedrige Sessel. »Wir wollen etwas trinken.«

 

Er drückte auf einen Knopf, und zu Brixans Verwunderung kam ein untersetzter, kupferfarbener Eingeborener herein, der bis zum Gürtel unbekleidet war. Gregory gab ihm einen Befehl in einer Sprache, die Brixan nicht verstand. Es war malaiisch, soviel er vermuten konnte. Der Diener verbeugte sich, indem er die Arme über der Brust kreuzte. Dann erhob er seine Hand und legte sie auf Stirn, Mund und Herz. Bald darauf kam er mit einem Tablett wieder, auf dem eine Karaffe und zwei kleine Gläser standen.

 

»Ich habe keine weißen Dienstboten, ich kann sie nicht ausstehen«, sagte Penne, indem er den Inhalt seines Glases mit einem Zug leerte. »Ich liebe Diener, die nicht stehlen und nicht klatschen. Sie können diese braunen Kerle prügeln, wenn sie sich nicht ordentlich benehmen, und Sie haben nachher keine Unannehmlichkeiten deshalb. Ich habe diesen Mann letztes Jahr in Sumatra in meine Dienste genommen, er ist der beste Diener, den ich jemals hatte.«

 

»Gehen Sie jedes Jahr nach Borneo?« fragte Brixan.

 

»Fast jedes Jahr. Ich habe eine eigene Jacht, die liegt im Hafen von Southampton. Wenn ich nicht wenigstens einmal im Jahr aus diesem verfluchten Land herauskomme, werde ich verrückt. Hier ist auch wirklich nichts los, gar nichts – haben Sie jemals diesen alten Narren, den Longvale, gesehen? Knebworth sagte mir, daß Sie auch bei ihm Aufnahmen machen werden das ist ein alter Esel, der sich wichtig macht. – In Gedanken lebt er in der Vergangenheit. Er kleidet sich, als ob er ein lebendes Reklamebild für eine bekannte Whiskymarke wäre. Nehmen Sie noch ein Glas!«

 

»Ich habe noch nicht ausgetrunken«, sagte Brixan lächelnd. Dabei sah er wieder auf das Schwert über dem Kamin. »Ist es schon sehr lange in Ihrem Besitz? Es sieht ziemlich neu aus.«

 

»Neu?« sagte der andere schnell. »Wo denken Sie hin! Die Waffe ist über dreihundert Jahre alt. Ich besitze sie allerdings erst ein Jahr.« Gregory änderte das Gesprächsthema plötzlich. »Wissen Sie, ich mag Sie gut leiden. Wenn ich jemanden sehe, dann weiß ich gleich, ob ich ihn gern habe oder ob er mir unangenehm ist. Sie müßten eigentlich nach dem Fernen Osten gehen, Sie könnten dort viel Geld machen. Ich habe zwei Millionen Vermögen dort zusammengebracht. Der Osten ist voller Wunder. Man kann dort Dinge erleben, die kaum glaublich sind.« Er drehte sich um und sah Brixan mit glänzenden Augen an.

 

»Da könnten Sie gute Diener kennenlernen«, sagte er langsam. »Wollen Sie einmal den besten Diener sehen, den es überhaupt gibt?«

 

Er sprach diese Worte mit einem gewissen Unterton, der Brixan nicht entging. Aber er nickte zustimmend.

 

»Wollen Sie den Sklaven sehen, der niemals fragt und niemals den Gehorsam verweigert? Der niemanden anders liebt als mich?« Dabei schlug er gegen seine Brust. »Und alle haßt, die ich hasse? – Sie sollen ihn kennenlernen, meinen treuen – Bhag.«

 

Er erhob sich, ging zum Schreibtisch und ergriff einen Hebel, den Brixan vorher an der Seite des Tisches bemerkt hatte. Als er ihn umlegte, öffnete sich ein Teil der Holzverkleidung in der Wand auf der anderen Seite des Raumes, und einige Augenblicke später sah Brixan dort eine düstere, schreckenerregende Gestalt. Mike Brixan unterdrückte nur mühsam einen Schrei.