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Als Mike fortging, fand er Stella vor der Tür am Eingang des Ateliers. Er erinnerte sich, daß sie zu Mittag nach Griff Towers eingeladen war. Zu seinem größten Erstaunen kam sie quer über die Straße auf ihn zu.

 

»Ich möchte Sie gerne sprechen, Mr. Brixan – ich ‚abe nach Ihnen hineingeschickt.«

 

»Dann ist Ihre Botschaft irrtümlicherweise Mr. Knebworth ausgerichtet worden«, sagte Mike lächelnd.

 

Sie zuckte die Achseln, um ihre Verachtung für Jack Knebworth und alles, was mit ihm zusammenhing, auszudrücken.

 

»Ich wollte nur Sie sprechen. Sind Sie nicht Detektiv?«

 

»Ja, das bin ich«, sagte Mike und war gespannt, was jetzt kommen sollte.

 

»Mein Wagen wartet hinter jener Ecke. Könnten Sie mit mir kommen?«

 

Mike zögerte. Er hätte zu gern Helen gesprochen, obwohl er ihr nichts Neues zu sagen hatte.

 

»Mit Vergnügen«, sagte er dann zu Stella.

 

Sie fuhr ihren Wagen mit großer Gewandtheit selbst und war anscheinend so darin vertieft, daß sie während der Fahrt nicht mit ihm sprach.

 

Von ihrem niedlichen, hübschen Wohnzimmer aus hatte er einen schönen Ausblick auf die South Downs. Er war gespannt auf das, was sie ihm zu erzählen hatte.

 

»Mr. Brixan, ich muß Ihnen etwas mitteilen, was Sie eigentlich wissen müssen.«

 

Ihr Gesicht war bleich und ihr Benehmen merkwürdig nervös.

 

»Ich weiß nicht, was Sie über mich denken, wenn ich es Ihnen gesagt habe, aber ich muß es eben wagen. Ich kann nicht länger darüber schweigen.«

 

Ein schrilles Klingeln in der Diele unterbrach sie.

 

»Das Telefon. Wollen Sie mich bitte einen Augenblick entschuldigen?«

 

Eilig ging sie hinaus und ließ die Tür leicht angelehnt. Mike hörte, daß sie schnell und ärgerlich antwortete. Dann war sie lange ruhig, sie hörte zu, ohne selbst zu sprechen. Etwa nach zehn Minuten kam sie wieder ins Zimmer. Ihre Augen glänzten, und ihre Wangen hatten sich gerötet.

 

»Würden Sie es sehr übelnehmen, wenn ich Ihnen meine Mitteilung erst später mache?«

 

Sie hatte mit Sir Gregory gesprochen, dessen war Brixan sicher, obgleich sie seinen Namen nicht erwähnt hatte.

 

»Solch eine günstige Gelegenheit wird sich nicht so bald wieder finden, Miss Mendoza«, sagte er ermutigend.

 

Sie biß sich auf die Lippen.

 

»Ja, ich weiß. Aber ich habe Gründe, warum ich im Augenblick nicht sprechen kann. Würden Sie mich morgen aufsuchen?«

 

»Gewiß«, sagte Mike höflich. Heimlich war er froh, daß er gehen konnte.

 

»Soll ich Sie zurückfahren?«

 

»Danke, nein, ich kann gehen.«

 

»Ich will Sie wenigstens bis zur Stadt bringen, ich fahre in der Richtung«, bat sie.

 

Natürlich mußte sie den Weg fahren, dachte Mike, wenn sie nach Griff Towers wollte. Er war seiner Sache so sicher, daß er sich nicht einmal die Mühe nahm, sie danach zu fragen. Als sie ihn bei seinem Hotel absetzte, wartete sie nicht einmal, bis er auf den Fußsteig gegangen war, sondern fuhr sofort weiter.

 

»Es ist ein Telegramm für Sie angekommen«, sagte der Portier. Er ging in das Büro des Geschäftsführers und kam mit einem braunen Umschlag zurück, den Mike eilig öffnete.

 

Im ersten Augenblick konnte er die verhängnisvolle Botschaft nicht begreifen, die das Telegramm enthielt. Erst als er sie zum zweitenmal las, wurde sie ihm verständlich:

 

›Kopf in der Nähe des Chobham Common heute am frühen Morgen gefunden. Sofort nach Polizeistation Leatherheed kommen.

 

Staines‹

 

 

Eine Stunde später brachte ihn ein Auto in rasender Fahrt dorthin. Staines wartete auf der Treppe auf ihn.

 

»Heute bei Tagesanbruch gefunden«, sagte er. »Der Mann ist bis jetzt noch nicht identifiziert.«

 

Er führte Mike zu einem Nebengebäude. In einem kleinen Raum stand mitten auf dem Tisch eine Kiste. Staines öffnete den Deckel, und Mike warf einen Blick auf das wachsbleiche Gesicht. Er wurde weiß bis in die Lippen.

 

»Großer Gott!« stieß er hervor.

 

Es war der Kopf von Lawley Foß.