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Jim Morlake war noch nie so langsam und nachdenklich nach Wold House gefahren wie an diesem Nachmittag. Er konnte sich wohl vorstellen, daß die Gesellschaft in Sussex ziemlich entrüstet war. Die Vikare und die Kirchenräte, die Herren und Damen des Landadels, die Lords und die Nachbarn, die ihm Einladungen hatten zukommen lassen, ja die Dorfbewohner selbst, die ihr Eigentum bedroht sahen, würden seine Verhaftung und die Worte des Richters als eine Katastrophe für ihn ansehen.

 

Er lächelte, als er an die Wirkung dachte, die der Prozeß auf diese Leute gehabt haben mußte. Sein Personal wurde sehr gut bezahlt und behandelt. Er hatte den Vorstand der kleinen Bankfiliale in Creith angewiesen, die Gehälter weiterzuzahlen und ebenso das nötige Geld, um den Haushalt aufrechtzuerhalten. Wie die Leute jetzt über ihn dachten, wußte er nicht, da er seit seiner Verhaftung nicht mehr mit Wold House in Verbindung gestanden hatte.

 

Und was er befürchtet hatte, trat ein: Bei seiner Ankunft kündigte das gesamte Personal und bat um sofortige Entlassung. Er kam dem Wunsch ohne Zögern nach, und als alle gegangen waren, schloß er die Tore und kehrte in sein leeres Haus zurück.

 

Binger konnte er nicht gut hierherrufen, weil der Mann die Londoner Wohnung in Ordnung halten mußte. Und Mahmet hatte wenig oder gar keine Ahnung von europäischer Küche, obwohl er vorzüglichen Kaffee zu bereiten verstand.

 

Jim wanderte durch das verlassene Haus. Alles war tadellos sauber, und sicher würde es auch für einige Tage so bleiben.

 

Es gab eigentlich keine andere Lösung, als nach London überzusiedeln, aber es reizte ihn, nun gerade hierzubleiben. Auf keinen Fall wollte er sich aus der Fassung bringen lassen.

 

Seine Lage gestaltete sich noch schwieriger, als sich die Kaufleute im Ort weigerten, ihm Waren zu liefern.

 

Am nächsten Mittag hatte er Keks, Tee und Schinken; abends gab es Keks und Tee ohne Schinken, und am Morgen darauf dieselbe Kombination, da er trotz allen Suchens keine anderen Vorräte finden konnte. Der Speisezettel war etwas eintönig, aber Jim fühlte sich ganz wohl dabei. In Hemdsärmeln kehrte er sein Zimmer und die Halle, machte selbst das Bett, reinigte auch die breiten Stufen vor der Haustür und benahm sich dabei so anstellig wie ein Dienstmädchen.

 

Am dritten Tag, als Tee und Keks doch schon etwas langweilig zu werden begannen, entdeckte er unverhofft ein Körbchen mit Eiern. Er machte sich allerdings nicht die Mühe, den Küchenherd anzufeuern, sondern setzte in seinem schon etwas unordentlich aussehenden Arbeitszimmer einen kleinen Spirituskocher in Brand. Er hatte Tee aufgebrüht, den Tisch mit der Morgenzeitung gedeckt und machte sich nun daran, Setzeier zu backen. Leider wußte er nur, daß dazu eine bestimmte Hitze, eine gewisse Menge Eier und eine Pfanne notwendig waren. Bald war denn auch der Raum mit Rauch gefüllt, und es roch nach angebrannten Eiern.

 

Plötzlich kam ein unerwarteter Besuch. Die Dame war durch die offene Vordertür eingetreten und stand nun im Gang, erstaunt über den Anblick, der sich ihr bot.

 

»Was machen Sie denn da?« fragte sie verwundert, trat schnell näher und nahm ihm die rauchende Pfanne aus der Hand. »Sie müssen doch erst Butter oder Fett hineintun!«

 

Er war sprachlos. Die letzte, die er hier in Wold House in diesem kritischen Augenblick erwartet hatte, war Jane Smith. Sie war es aber wirklich, hübscher als je in dem einfachen, blauen Kostüm und dem kleinen Hut.

 

»Wo kommen Sie denn her?«

 

»Aus dem Dorf. Es riecht aber fürchterlich hier – machen Sie doch das Fenster auf!«

 

»Warum – mögen Sie Eier nicht?«

 

»Verbrannte Eier?«

 

»Ich vermute, daß Sie wissen –«

 

»Ja, ich weiß.« Sie löschte den Spirituskocher und setzte die Pfanne beiseite. »Ich bin hergekommen, um mich einmal nach Ihnen umzusehen, Sie amerikanischer Waisenknabe!«