Lorenzen

Paul Lorenzen

Paul Lorenzen (* 24. März 1915 in Kiel, † 1. Oktober 1994 in Göttingen) war ein deutscher Philosoph, Wissenschaftstheoretiker, Mathematiker und Logiker. Er ist neben Wilhelm Kamlah Begründer der Erlanger Schule.

Besondere Arbeitsschwerpunkte Lorenzens waren die Sprachphilosophie und Logik, die Logische Propädeutik, Orthosprache und die dialogische Logik, die operative konstruktive Mathematik und Metamathematik, die Protophysik der Geometrie, der Zeit und der Stochastik, die Modallogik, normative Logik, Ethik und die Theorie der technischen und politischen Kultur.

Leben

Paul Lorenzen studierte Mathematik, Physik, Chemie und Philosophie in Kiel, Berlin und Göttingen. Hier promovierte er 1938 bei Helmut Hasse mit einer Arbeit zur Abstrakten Begründung der multiplikativen Idealtheorie. 1939 wurde er in Bonn Assistent von Wolfgang Krull. Er nahm am Krieg teil, während dem er seit 1942 als Lehrer an der Marineschule in Wesermünde eingesetzt war. Zurück in Bonn konnte er sich 1946 habilitieren, war 1948/49 kurz Gastdozent in Cambridge (England) und wurde 1952 apl. Professor.

In Kiel, wo er auch wissenschaftshistorisch tätig wurde, übernahm er 1956 eine ordentliche Professur für Philosophie. 1962 nahm er eine Berufung nach Erlangen an. Hier lehrten Kamlah und er in enger Kooperation – der sich als erstes die seinerzeit weithin bekannt gewordene „Logische Propädeutik“ verdankt – derart erfolgreich ein methodisches Denken, dass daraus eine Schule entstand, die heute unter verschiedenen Bezeichnungen (z.B. Erlanger Konstruktivismus) firmiert. 1980 wurde Lorenzen emeritiert. Die letzten Lebensjahre verbrachte er in Göttingen.

Erlanger Schule

Die Methodische Philosophie von Lorenzen und Kamlah hatte bis in die 1980er Jahren großen Erfolg und hohes Ansehen weit über die Grenzen Erlangens hinaus. Die Erlanger Schule suchte eine aufklärerische Neubegründung der Vernunft zwischen dem Kritischen Rationalismus Poppers sowie der von der Transzendentalpragmatik Karl-Otto Apels intendierten Letztbegründung und fand einen Koalitionspartner in der Frankfurter Schule („Große Koalition“) gegen den Szientismus und den Logischen Empirismus. Es gab in den späten 1960er Jahren Kongresse auf denen Jürgen Habermas und Lorenzen als Hauptredner auftraten.

Im Anschluss an Ludwig Wittgensteins Spätphilosophie geht es um eine Fundierung der Philosophie und Wissenschaftstheorie durch das Handeln. Hauptstränge der Erlanger Philosophie sind das zirkelfreie Prinzip der Methodischen Ordnung und die dialogische und reflexive Vernunft. Als Methodische Philosophie wird pointiert – ähnlich wie bei Fichte und Kant – eine subjektiv-kulturale synthetische Wissenschaftstheorie ausgearbeitet und einer objektiv-naturalen analytischen gegenüber gestellt. In der Erlanger Schule wurde das Wort „natürlich“ durch das Wort kultürlich ersetzt und sogar von einem Kulturalismus (Lorenzen) gesprochen.

In den 1970er Jahren bereits erhielten die ersten Mitarbeiter aus dem Erlanger Umfeld Berufungen und entwickelten die Erlanger Philosophie weiter: Jürgen Mittelstraß, Friedrich Kambartel und andere gingen an die Reformuniversität in Konstanz (geschichtlich und enzyklopädisch orientierte „Konstanzer Schule“), Christian Thiel ging nach Aachen und bekam später den Lehrstuhl Lorenzens in Erlangen, Peter Janich ging nach Marburg, wo er einen Methodischen Kulturalismus entwickelt, während Kuno Lorenz und Dietfried Gerhardus in Hamburg und später in Saarbrücken eine dialogisch-anthropologische Komponente der Erlanger Philosophie entwerfen.

Lorenzen selbst systematisierte sein Denken, das er zuletzt in seinem Lehrbuch der konstruktiven Wissenschaftstheorie zusammenfassend darstellte.

Logische Propädeutik

Als erstes Produkt der Zusammenarbeit mit Kamlah entstand 1967 die Logische Propädeutik. Vorschule des vernünftigen Redens. In ihr wird ein zirkelfreier Aufbau einer vernünftigen Sprache angestrebt. Dadurch wollten Lorenzen und Kamlah dem großen Sprachwirrwarr und den miteinander zerstrittenen philosophischen Richtungen entgegentreten, weil die Ursache für das Sprachwirrwarr in der Ungenauigkeit und der Zirkelhaftigkeit gesehen wurde. Berühmt ist Kamlahs Satz dies ist ein Fagott als Zeigehandlung. Es wird nicht mehr gedankenlos von Gegenständen gesprochen, sondern eine Lehre des verständlichen und im Hinblick auf Geltungsansprüche kontrollierbaren Redens und Argumentierens entwickelt.

War Lorenzen zur Zeit der Logischen Propädeutik noch Anhänger des Logischen Atomismus Bertrand Russells, so entwickelt er seit den 1970er Jahren (zum Leidwesen vieler seiner früheren Schüler) stattdessen ausgedehnte Elementarsätze mit Tatprädikatoren und Apprädikatoren. Sogar der Satz Tilman trägt schnell mit Eimern Wasser ins Haus gilt als Elementarsatz oder Primaussage.

Zur Logik

Lorenzen entwickelt zusammen mit Kuno Lorenz eine Dialogische Logik, bei der die logischen Operatoren (statt mit der Wahrheitstafel) mithilfe von Dialogen von Proponent und Opponent im Dialogspiel bestimmt werden.

Der Subjunktor (wenn – dann) wird dabei auf verschiedene Arten interpretierbar, je nachdem, welche Angriffs- und Verteidigungsregeln angesetzt werden. Bei einem nicht-klassischen Regelsatz sind während des Dialogs auch nicht-wahrheitsdefinite Aussagen erlaubt, obwohl am Ende immer abgeschlossene Dialoge stehen. Die verschiedenen Logiksysteme lassen sich durch Zusatz oder Wegnahme von Dialogregeln ineinander überführen.

Carl Friedrich von Weizsäcker hat einige dieser Gedanken Lorenzens für die Interpretation der Quantenphysik durch zeitliche Logik aufgenommen Quantenlogik).

Lorenzen führte die Quantorzeichen (Einsquantor: für ein) bzw. (Allquantor: für alle) ein, um die Verbindung zu den entsprechenden Junktoren zu erläutern und die Interpretation zu erleichtern, damit nicht immer der Fehler gemacht wird, aus der Formulierung der Quantoren auf die Existenz von etwas zu schließen.

Zur Mathematik

Lorenzen entwickelte schon früh eine operative Mathematik. Diese konstruktiv-kalkulatorische Mathematik beginnt nicht mit analytisch und axiomatisch vorgefundenen Zahlen, sondern mit einer Handlungsweise, nämlich dem kalkulatorisch konstruktiven Zählen (Kalkül).

Einschlägig ist der Lorenzensche Zählkalkül der Grundzahlen (wie Lorenzen statt natürliche Zahlen sagt, um das konstruierende Handeln vom Vorgefundenen abzugrenzen):

=> | (fang mit einem Strich an, also: 1 )
n => n| (wenn du beliebig viele Striche hast, füge einen weiteren an)

Auf diese Weise werden von uns Zahlen hergestellt: sie sind Produkte von Zähloperationen. Logik und Mathematik werden pragmatisch (Pragmatismus) als eine Lehre vom Operieren nach bestimmten Regeln verstanden. Auf dieser zunächst auch operativ, erst in den 1960er Jahren konstruktiv genannten Grundlage rekonstruierte Lorenzen die gesamte Mathematik bis zur klassischen Analysis, eine Mathematik, die nur mit dem auskommt, was man nachvollziehbar konstruieren kann.

Lorenzen entwickelte das Hilbertprogramm weiter und führte 1951 einen Widerspruchsfreiheitsbeweis für die verzweigte Typentheorie durch. Dieser Beweis erwies die Widerspruchsfreiheit von Teilen der klassischen Analysis. In seinem 1962 veröffentlichten Buch Metamathematik fasst er die Metamathematik als Mathematik der Metatheorien auf, wobei eine Metatheorie eine (konstruktive oder axiomatische) Theorie über axiomatische Theorien darstellt. Zur formalistischen Grundlagendiskussion um den Gödelschen Unvollständigkeitssatz fügte Lorenzen Beiträge bei, die zeigen, dass die konstruktive Mathematik als widerspruchsfrei bewiesen werden kann. Durch Verwendung der ?-Regel (unendliche Induktion) erhält man einen vollständigen Halbformalismus (Kurt Schütte) der Arithmetik. 1972 legte Lorenzen eine Kurzfassung vom Beweis des Gentzenschen Hauptsatzes vor, der besagt, dass die Schnittregel in den Logikkalkülen gültig ist. Das Ziel der Metamathematik Lorenzens war es, durch den Beweis der Widerspruchsfreiheit derkonstruktiven Mathematik auch den Beweis der Widerspruchsfreiheit der axiomatischen Mathematik zu führen, der in der axiomatischen Mathematik allein nach den Ergebnissen von Gödel nicht zu erhalten war.

War die Arbeit an der Widerspruchsfreiheit von der Weiterführung des Hilbertprogramms geprägt, so verfolgt die Rekonstruktion der Analysis (1965) das Ziel ein konstruktives Modell dafür vorzulegen. Dabei werden nicht alle üblichen Beweise übernommen, aber die klassischen Beweise so umgearbeitet, dass die Resultate erhalten bleiben. Aus Abstraktion aus Termen sind Cauchy-Folgen darstellbar, reelle Zahlen sind als Abstraktion aus konzentrierten Cauchy-Folgen rationaler Zahlen bestimmbar, deren Differenz eine Nullfolge ist (1978 Reclam, S. 65).

Noch im Ruhestand schrieb Lorenzen eine Elementargeometrie (1984). Er spricht dort von jeweils einer Menge der reellen Zahlen, die gerade als Basis notwendig ist (z.B. auch algebraische Körpererweiterungen mit transzendenten Zahlen) und nicht von der Menge „aller“ reellen Zahlen. Eine solche Sprechweise vermeidet die Paradoxien der Überabzählbarkeit, indem nur konstruierbare Listen von Zahlen und Funktionen verwendet werden, die man also kennt. Man erhält so die für praktische Anwendungen nötigen reellen Zahlen. Diagonalverfahren werden als Konstruktionstechnik interpretiert zu erweitern.

Protophysik

Mit Peter Janich und Rüdiger Inhetveen entwickelte Lorenzen eine umstrittene, Protophysik genannte, Vorphysik der Messinstrumente, in der man sich (vor den Messungen) Rechenschaft über die Bestimmung von Messinstrumenten verschafft und diese Bestimmungen später nicht revidiert. Im Anschluss an Kant und Dingler wurde dies für die Geometrie, die Zeitrechnung und die Wahrscheinlichkeitstheorie ausgearbeitet. Wenn Uhren als frei schubsynchrone Taktgeber definiert werden, bevor mit ihnen gemessen wird, so sind sie nicht mehr empirische Forschungsgegenstände, sondern Artefakte. Das Prinzip der methodischen (deshalb: Methodischer Konstruktivismus) Ordnung schreibt folgendes über Messinstrumente vor:

Die normierten Bestimmungen – so Lorenzen -, die die Herstellung von Messgeräten ermöglichen, können nicht durch Messungen widerlegt werden, die erst mit Hilfe dieser Messgeräte erhalten werden. Dieser Ansatz scheint dem Vorgehen in der Einsteinschen Relativitätstheorie zu widersprechen. – Dies hob die Philosophie also scheinbar über die empirische Physik.

Dass man dennoch die empirisch bestätigten Ergebnisse sogar der Allgemeinen Relativitätstheorie nicht bestreiten muss, hat Lorenzen später zu bedenken gegeben: Er vertritt dabei nicht die Mehrheitsmeinung der Physiker, dass die Konsequenz der Allgemeinen Relativitätstheorie eine tatsächliche Krümmung des Raums ist, sondern sieht im metrischen Tensor gik der Einsteinschen Feldgleichungen nur eine mathematische Beschreibung Inertialsysteme umzurechnen (vgl. Lorenzens Interpretation 1978 der Physik Steven Weinbergs).

Zur Modallogik

Aus der Modallogik entwickelt Lorenzen (anfangs mit Oswald Schwemmer> ab 1973) die Grundlagen für eine Hauptschule der Vernunft (Weiterführung der Propädeutik), die die technischen und politischen Wissenschaften begründen soll (konstruktive Wissenschaftstheorie). In dem, innerhalb der Erlanger Schule BI 700 (Verlagsnummer des Buches) genannten Buch wird eigens dafür eine Orthosprache entworfen.

Die in der Modallogik gemachten Aussagen sind Aussagen die relativ zu einem (vermeindlichen) Wissen gelten. Durch die Anwendung des Gentzenschen Hauptsatzes lassen sich modallogische Aussagen rechtfertigen, wenn die entsprechenden logischen Aussagen (ohne das relative Wissen) wahr sind. Das unterstellte Wissen kann weggeschnitten werden.

Die Modalworte kann und muss werden formal rekonstruiert. Die ontische und deontische Modallogik verfügt mit solchen Begriffen über technische und politische Kurzfassungen von Verlaufshypothesen:

Potentiell (biologisch-medizinisches kann): Aus einem Kirschkern kann ein Baum entstehen,
Handlungsvermögen: das Mädchen kann vom Sprungbrett springen,
Verlaufshypothesen (wie statt Naturgesetze gesagt wird): der Blitz kann einschlagen,
Technisches Können: das Auto kann gebaut werden,
Ethisch-politisches Dürfen: Tillmann darf das Feuer löschen

usw.

Entsprechend lassen sich zu den „kann“-Modalitäten „muss“-Modalitäten bilden.

Von Notwendigkeit etwa spricht man dabei gemäß eines vermeintlichen Wissens. Die verschiedenen Typen von Modalitäten spielen auch zusammen. Etwa in dem Satz: „Erreichbarkeit (menschliches Vermögen) impliziert Möglichkeit (technische kann-Hypothese)“.

Von der Ethik zur Politik

In den 1970er Jahren strebte Lorenzen mit Oswald Schwemmer eine vernünftige Begründung der Ethik an, verwarf dieses Ethik-Programm aber später als nicht theoriefähig.

Stattdessen sieht er in unserer posttraditionalen Kultur die Aufgabe, eine politische Theorie zu entwickeln, um Bürgerkriege zu vermeiden. Lorenzen entdeckt dabei in der Modallogik die begrifflichen Voraussetzungen für eine Grundlage (technischer und) politischer Theorie, die sich skizzenhaft etwa so charakterisieren läßt:

Menschen bilden mittels Verlaufshypothesen Zwecke ihres Handelns. Die können aber einander widersprechen. Bei einer Planung, etwa in einer Gruppe, schließen sich nämlich Vorgehensweisen gegeneinander aus. Lorenzen zitiert dazu gern das Kantsche Beispiel, dass nicht sowohl Franz I. als auch Karl V. Mailand bekommen können. Die Zwecke sind inkompossibel (unverträglich). Aber auch wenn man sich über die Zwecke, Aufgaben und Ziele einig ist, sind die Mittel manchmal umstritten. Wenn die Vorgehensweisen verträglich gemacht werden, überwindet sich jeder der Beteiligten für das gemeinsame Ziel. Wenn es klappt, wird „Transsubjektivität“ erreicht.

Werke

  • 1949 Über halbgeordnete Gruppen Springer, Berlin u. a.
  • 1951 Die Widerspruchsfreiheit der klassischen Analysis. Mathematische Zeitung 54: 1-24
  • 1951 Maß und Integral in der konstruktiven Analysis. Mathematische Zeitung 54: 275
  • 1951 Algebraische und Logische Untersuchungen über freie Verbände. The Journal of Symbolic Logik 16: 81-106
  • 1955 Einführung in die operative Logik und Mathematik. Springer, Berlin u. a.
  • 1958 Formale Logik. de Gruyter, Berlin (Sammlung Göschen Bd. 1176/1176a), engl. Formal Logic. Reidel, Dordrecht 1965; Formal Logic. (transl. by Frederick J. Crosson) Kluwer Academic Publishers 2004
  • 1960 Die Entstehung der exakten Wissenschaften. Springer, Berlin u. a., Nachdrucke .. 1985 ..
  • 1962 Metamathematik. Bibliographisches Institut, Mannheim, engl. Metamathematique (transl. by J. B. Grize)
  • 1965 Differential und Integral. Eine konstruktive Einführung in die klassische Analysis. Akademische Verlagsgesellschaft, Frankfurt; engl. Differential and Integral: A Constructive Introduction to Classical Analysis. University of Texas Press, Austin 1971
  • 1967 mit Wilhelm Kamlah: Logische Propädeutik oder Vorschule des vernünftigen Redens. Bibliographisches Institut, Mannheim (BI-HTB 227/227a):
  • 1968 Methodisches Denken. Frankfurt 1968
  • 1969 Normative Logic and Ethics. Bibliographisches Institut, Mannheim (BI-HTB 236)
  • 1973 mit Oswald Schwemmer: Konstruktive Logik, Ethik und Wissenschaftstheorie. Bibliographisches Institut, Mannheim u. a.
  • 1974 Konstruktive Wissenschaftstheorie. Suhrkamp, Frankfurt (stw 93)
  • 1978 Theorie der technischen und politischen Vernunft. Reclam, Stuttgart
  • 1978 mit Kuno Lorenz: Dialogische Logik. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt
  • 1984 Elementargeometrie. Das Fundament der Analytischen Geometrie. Bibliographisches Institut, Mannheim u. a.
  • 1985 Grundbegriffe technischer und politischer Kultur. Zwölf Beiräge. Suhrkamp, Frankfurt (stw 494)
  • 1987 Lehrbuch der konstruktiven Wissenschaftstheorie. Mannheim 1987; engl. Constructive Philosophy. (transl. by Karl Richard Pavlovic) Amherst 1987
  • 1992 Diesseits von Idealismus und Realismus in: Janich, Peter (Hrsg): Entwicklungen der methodischen Philosophie. Frankfurt

Literatur

  • Thiel, Chr.: Paul Lorenzen (1915-1994). – Bibliographie der Schriften von Paul Lorenzen. in: Journal for General Philosophy of Science 27 (1996),
  • Paul Bernays: Bemerkungen zu Lorenzen’s Stellungnahme in der Philosophie der Mathematik. in: Kuno Lorenz (Hrsg), Konstruktionen versus Positionen. Beiträge zur Diskussion um die konstruktive Wissenschaftstheorie. Band I: Spezielle Wissenschaftstheorie. de Gruyter, Berlin 1978
  • Rudolf Kötter und Rüdiger Inhetveen: Paul Lorenzen Philosophia Naturalis 32 (1995), 319-330
  • Florian Rötzer: Paul Lorenzen (Gespräch) in: ds. (Hrsg): Denken, das an der Zeit ist. Gespräche mit deutschen Philosophen. Suhrkamp, Frankfurt 1987 (es 1406)
  • Eberhard Scheibe: Nachruf Paul Lorenzen Jahrbuch der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, 1996, 251-259
  • Diane Loring Souvaine: Paul Lorenzen and constructive mathematics.
  • Christian Thiel: Lorenzen, Paul in: Jürgen Mittelstraß (Hrsg.): Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. Bd. 2, Bibliographisches Institut, Mannheim u.a 1984, S. 710-713
  • Carl Friedrich von Weizsäcker: Wahrnehmung der Neuzeit. Hanser, München u. a. 1983
  • Harald Wohlrapp: Paul Lorenzen, in: Bernd Lutz (Hrsg.): Metzler Philosophen Lexikon. Metzler, Stuttgart 3. Auflage, 2003, 420-424


Lossius

Johann Christian Lossius (1743 – 1813)

Johann Christian Lossius, geboren in Liebstedt, war Professor in Erfurt. Er ist ein Vertreter der deutschen Assoziationspsychologie. Er knüpft dabei an Hartley und Priestley an.

Lossius untersucht die Beziehungen des geistigen Lebens zu den Gehirnprozessen. Die Wahrheit ist nichts Metaphysisches, Absolutes, sondern eine Relation auf den, der denkt. Psychologisch ist sie das angenehme Gefühl aus der Zusammenstimmung der Schwingungen der Fibern im Gehirne.


Lotz

Johannes Baptist Lotz (geb. 1903)

Johannes Baptist Lotz ist ein Vertreter des Katholischen Existentialismus.

Lotze

Rudolph Hermann Lotze (1817 – 1881)

Nach Meinung des deutschen Philosophen und Logikers Rudolph Hermann Lotze kann das Bewußtsein nicht über die Grenzen dessen hinausgehen, was dem Subjekt bereits bekannt ist, da alle Kenntnisse des Menschen von der Außenwelt auf Vorstellungen über diese Welt beruhen, die im Menschen vorhanden sind. Lotze unterschied eine subjektive und eine objektive Seite der Gedanken.

Nach Lotze soll die Logik lehren in welchen Formen wir unsere Einzelvorstellungen verbinden und abändern müssen, damit wir aus gegebenen Tatsachen der Wahrnehmung andere nicht wahrgenommene oder zukünftige Tatsachen berechnen können. Die Logik ist nach Lotze unabhängig von der Psychologie.

In den Beziehungen zwischen den Begriffen unterschied er die Subordinierung, d. h. das Aufsteigen von der Art zur Gattung, und die Subsumtion, d. h. das Unterordnen einer Art unter ein Merkmal einer Gattung.

Bekannt ist seine Kritik an dem Gesetz vom Wechselverhältnis von Inhalt und Umfang eines Begriffes bei der Verallgemeinerung.

Lotze führt die Induktion auf die Deduktion zurück.

Seine Vorlesungen über Logik hörtenu. a. Vladislavlev, Troizki und Karinski.

Lotze hat den Begriff des Wertes in die philosophische Diskussion eingeführt.

Lubkin

Alexander Stepanowitsch Lubkin (1770 – 1815)

Der russische Philosoph und Logiker Alexander Stepanowitsch Lubkin unterrichtete Logik am Armeeseminar in Petersburg. Er war von 1812 bis zu seinem Tode Professor der Philosophie an der Universität Kasan.

Er definierte die Logik als jenen Teil der Anthropologie, der den Gebrauch der Verstandestätigkeit untersucht und Verfahren aufstellt, wie man die Verstandestätigkeit lenkt. Logik ist daher die Wissenschaft vom richtigen und begründeten Urteilen über die Dinge.

Das Wesen der Erkenntnis suchte Lubkin in der Einheit von Sinnlichem und Logischem.

Lubkin schlug eine eigene Klassifikation der Figuren des Syllogismus vor. Dabei geht er nicht davon aus, dass der Mittelbegriff gesetzt wird, sondern davon, wie er verwendet wird.

Wahrheit ist nach Lubkin die Ähnlichkeit unserer Gedanken mit den Gegenständen, an die wir denken. In seinen letzten Lebensjahren ließ er auch die religiöse Wahrheit zu.


Lukacs

György Lukacs (1885 – 1971)

Der ungarische Philosoph und Literaturwissenschaftler György Lukacs (auch Georg Lukacs) stammt aus jüdisch-bürgerlichem Hause.

Er studierte in Budapest, Berlin (bei Georg Simmel) und Heidelberg (bei Rickert, Lask und M. Weber).

Lukacs war 1919 Mitglied der ungarischen Revolutionsregierung. Als sie gestürzt wurde floh er nach Wien. Später hielt er sich in Moskau auf. 1944 kehrte Lukacs nach Ungarn zurück. Er war Professor für Ästhetik und Kulturphilosophie. 1956 nahm Lukacs am ungarischen Aufstand teil.

In seinen ästhetischen Schriften stellt Lukacs u. a. die literarischen Gattungen in einen sozialen Zusammenhang und verteidigt die (bürgerlich-)realistische Erzählweise gegen neuere Formen.

In Geschichte und Klassenbewusstsein (1923) legt er den Marxismus als eine Methode dar, die von der Idee der konkreten Totalität ausgeht. Nicht isoliert, sondern nur im Zusammenhang lässt sich etwas verstehen, so dass allein das Ganze die eigentliche Wirklichkeit ist. Dieser Gedanke wird mit dem Marxsche Topos des Proletariats verbunden. Das Proletariat vermag, sofern es Selbstbewusstsein, d. h. Klassenbewusstsein, erlangt, die Gesellschaft vom Standpunkt der Totalität oder des wahren Allgemeinen aus zu begreifen und umzugestalten. Dazu ist es in der Lage, weil es nicht von Sonderinteressen beherrscht wird.


Lukasiew

Jan Lukasiewicz (1878 – 1956)


Der polnische Logiker und Mathematiker Jan Lukasiewicz war von 1915-1939 Professor an den Universitäten von Lwow und Warschau und Mitbegründer der Lwow-Warschau-Schule der mathematischen Logik und Grundlagenforschung. Er gehörte auch dem Krakower Kreis an. Während der Besetzung Polens durch die Nazis wirkte er an der Warschauer Untergrunduniversität.

Ab 1949 wirkte er in Dublin (Irland).

Lukasiewicz gilt als ein hervorragender Kenner der griechischen Literatur über Logik.

Er veröffentlichte zahlreiche Arbeiten zur Aussagenlogik, insbesondere zur mehrwertigen, zur modalen und zur intuitionistischen Logik.

Von Lukasiewicz stammt die erste von der klassischen Logik abweichende und explizit als mehrwertige Logik präsentierte Aussagenlogik [1]. Diese Logik hatte einen zusätzlichen Quasiwahrheitswert. Diese Logik wurde von Lukasiewicz sehr bald verallgemeinert. Eine zusammenfassende Darstellung hat er gemeinsam mit Tarski veröffentlicht [2].

In seinen mehrwertigen Logiken verwendet &;ukasiewicz die heute als Lukasiewicz-Tarski-Negation und als Lukasiewicz-Tarski-Implikation bezeichneten Wahrheitswertfunktionen.

Von Lukasiewicz wurde die gelegentlich nach ihm benannte klammerfreie Notation der Ausdrücke eines Aussagenkalküls systematisch begründet und verwendet.

&;ukasiewicz entwickelte ein eigenes Verfahren zur Formalisierung der aristotelischen Syllogistik.

Literatur

  • M. Talasiewicz: Jan Lukasiewicz – The Quest for the Form of Science. In: Polish Philosophers of Science and Nature in the 20th Century. (Ed. by Wladyslaw Krajewski) Amsterdam-Atlanta 2000

[1] Lukasiewicz, J.: O logice trójwarto&;ciowej, Ruch Filozoficzny 5 1920, 170f.;
engl. in: Lukasiewicz, J.: Selected Works (ed. L. Borkowski) Amsterdam/London/Warschau 1970
[2] Lukasiewicz, J./Tarski, A.: Untersuchungen über den Aussagenkalkül, Comptes Rendus Séances Société des Sciences et Lettres Varsovie, Cl. III, 23 (1930), 30 – 50

Weblinks


Lukian

Lukianos aus Samosata (ca. 125 – 200)

Lukianos (lat. Lucianus; dt. Lukian) aus Samosata (Syrien) stammt aus einfachen Verhältnissen. Er war ursprünglich Advokat, später Rhetoriklehrer und durchzog als Prunkredner und Sophist mit Vortragsreisen, die ihm gute Einnahmen sicherten das römische Imperium. Im Alter nahm er eine Beamtenstelle bei römischen Statthalter in Ägypten an.

Lukianos verspottet in seinen Schriften sowohl den Aberglauben als die Dogmen und Überhebungen der Philosophen. Am meisten sympathisiert er mit Epikur und Platon.

An literarischen Formen verwendete er die Übungs- und Prunkrede, Erzählung, Brief, Gespräch (Hetären-, Götter- und Totengespräche), Diatribe u. a. Sein Verdienst ist u. a., den platonischen Dialog mit Komödienmotiven und der Satire des Menipos verbunden zu haben.


Lipps T

Theodor Lipps (geb. 1851)

Theodor Lipps ist einer der Hauptvertreter des Psychologismus. Lipps ist u. a. von Kant, Hume, Herbart, Fechner und Wundt beeinflußt.

Die Philosophie ist nach Lipps Geisteswissenschaft oder Wissenschaft der inneren Erfahrung.

Logik, Ethik und Ästhetik basieren auf der Psychologie. Die Logik ist eine psychologische Disziplin. Nicht der unmittelbare Bewußtseinsinhalt ist der Gegenstand, sondern das damit Gemeinte, das, worauf ich in meiner Vorstellung ziele.

Es gibt Stufen der Apriorität. Rein a priori sind die Urteile über die Zeit, aber nicht die über den Raum.

Die Psychologie will Lipps nicht als physiologische, sondern zunächst als reine Psychologie behandeln, als Wissenschaft vom individuellen Bewußtsein, von der Seele und den seelischen Erscheinungen, vom Vorkommen von Bewußtseinserlebnissen in Individuen.

Die Assoziationen, d. h. die Beziehungen zwischen Vorstellungen, sind der Ausdruck und die unmittelbare Betätigung der Einheit des Geistes. Die Assoziationsgesetze (der Ähnlichkeit und Gleichzeitigkeit) sind Gesetze der Vervollständigung zur Einheit.

Jedes psychische Geschehen hat den Charakter des Strebens.

Eine besteht ein Perseverationstendenz.

Lipps formuliert das Gesetz der psychischen Stauung.

Das Wollen ist das Streben, dass etwas geschehe durch mich, durch mein Zutun.

Eine fundamentale Rolle spielt bei Lipps die Apperzeption.

Das Webersche Gesetz ist nach Lipps wie bei Wundt ein Apperzeptionsgesetz.

Bezüglich der Raumvorstellung vertritt Lipps eine Verschmelzungstheorie. Der Raum ist psychologisch, die Form, in welcher gleichzeitige Gesichts- und Tastinhalte geordnet erscheinen. Auch die Zeitvorstellung beruht auf einer extensiven Verschmelzung. Es besteht ein Fortgang des psychischen Geschehens und ein Sichverweben der Momentanerlebnisse zu einem einheitlichen Zusammenhang. Die Stadien dieser Assimilation sind Temporalzeichen.

Das Ich ist nicht der bloße aktuelle Bewußtseinszusammenhang, sondern das diesen Erzeugende. Die Gefühle sind Ich-Erlebnisse, Symptome der Weisen, wie sich psychische Vorgänge zum Zusammenhang des seelischen Lebens verhalten oder stellen, wie sie sich in ihn einfügen.

Das Ich ist (psychologisch) der Zusammenhang von Möglichkeiten eines Bewußtseinslebens. Die Momentan-Iche verdichten sich zur einheitlichen Gesamtpersönlichkeit.

Das reale Ich ist die Seele selbst, als An sich des Gehirns.

Die Ethik ist auf einer Werttheorie zu gründen, die als reine Wertlehre auszubauen ist. Das Werten ist das Bewußtsein von der Weise, wie ein Erlebnis zu meiner seelischen Natur der einem Zug innerhalb derselben sich verhält. Bedingung des Wertbewusstseins ist die Wertapperzeption. Ein Ding hat einen Wert, sofern es die Eignung hat, ein Wertgefühl zu erzeugen. Die Wertung ist objektiv, wenn sie durch den Gegenstand selbst gefordert ist und auch das Gesetz des reinen Ich sie fordert.


Lipps

Hans Lipps (1889 – 1941)

Der Philosoph, Anthropologe und Logiker Hans Lipps stellte auf dem Gebiet der Sprachphilosophie eine Konzeption auf, nach der die Grundlage der Rede nicht die Logik der Sprache ist, sondern das, was man hinter den verschiedenen Wörtern vermutet.