Kamlah

Wilhelm Kamlah

Wilhelm Kamlah (* 3. September 1905 in ehem. Hohendorf, heute Neugatterleben an der Bode bei Bernburg/Harz, † 24. September 1976 in Erlangen) war ein deutscher Historiker, Theologe, Musikwissenschaftler und Philosoph.

Leben

Wilhelm Kamlah wurde als Sohn eines Pfarrers geboren und wuchs in Harsleben bei Halberstadt auf, wo er aufs Gymnasium ging. Von 1924 bis 1930 studierte er in Marburg, Tübingen, Heidelberg und Göttingen Musikwissenschaften, Geschichte, Philosophie und Theologie. Zu seinen Lehrern gehörte Rudolf Bultmann und Martin Heidegger. 1931 promovierte er in Göttingen bei dem Historiker Percy Ernst Schramm. Ab 1932 am Historischen Institut als Assistent tätig erhielt er 1934 wegen jüdischer Versippung Berufsverbot, führte seine historischen Studien zwar danach privat weiter fort, wirkte aber bis zu seiner Einziehung hauptsächlich als Leiter des von ihm 1926 gegründeten Motettenchors.

Im Krieg schwer verwundet konnte er nach dessen Ende in Göttingen als Privatdozent in Philosophie wieder tätig werden und – unterstützt von Werner Heisenberg und Carl Friedrich von Weizsäcker – sich habilitieren. Ab 1951 lehrte er als außerordentlicher Professor an der Technischen Hochschule Hannover, wo er erstmals Paul Lorenzen begegnete.

1954 wurde er zum Philosophieordinarius an der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen berufen, wo er bis 1970 tätig war und mit dem 1964 auf sein Betreiben ebenfalls dorthin berufenen Paul Lorenzen die Erlanger Schule begründete.

Seine fachliche Entwicklung wandte sich von theologischen Untersuchungen im Mittelalter anschließend zur Philosophie, worin durch Diskussionen mit Arnold Gehlen und Martin Heidegger eine philosophische Anthropologie entstand. Weitere Arbeitsgebiete erstreckten sich auf die Themen der Logik, der Sprach- und Wissenschaftskritik und der Entstehung des neuzeitlichen Denkens.

Philosophische Anthropogie und Ethik

Im Zentrum von Kamlahs Lehre vom Menschen steht zunächst die Bedürftigkeit des Menschen. Sein erster anthropologischer Satz lautet: Wir Menschen alle sind bedürftig. Demnach ist der Mensch stets verwickelt und involviert in sein Fragen und Handeln. Alle seine Handlungen beziehen sich stets auf seine Bedürftigkeit. Probleme, wie das der Willensfreiheit oder das Leib-Seele-Problem, sind nach Kamlah Scheinprobleme. Sie entstehen durch den Versuch, sich unter der Prämisse der res extensa dem Menschen zu nähern. Nicht durch die Addition des freien Willen zu den physikalischen Gegenständen gelangt man zum Menschen: Der Mensch ist stets schon erreicht. Von diesem ausgehend gelangt man durch Subtraktion von Leben und Sprache zu den Gegenständen der Physik.

Ein weiterer, wichtiger Begriff in Kamlahs Anthropologie ist das Widerfahrnis. Unter Widerfahrnissen versteht Kamlah Ereignisse, die dem Menschen geschehen, auch ohne dass er ein eigenes Erleben dieser Ereignisse hat. Ein Widerfahrnis ist z.B. eine unerwartet beglückende Liebe, ein Autounfall oder eine Krankheit. Ein Beispiel für ein pures Widerfahrnis ohne eigenes Erleben ist der eigene Tod. Die Widerfahrnisse stehen in einem Reaktionszusammenhang zu den Handlungen: Handlungen sind stets durch Widerfahrnisse bedingt. Laut Kamlah gibt es demnach keine puren Handlungen.

Ausgehend von seinem ersten anthropologischen Satz und der Konkretisierung dieses Satzes in der Feststellung, dass wir Menschen aufeinander angewiesen sind, entwirft Kamlah deduktiv seine normative Ethik. Er folgert aus den beiden Sätzen die praktische Grundnorm: Beachte, dass die anderen bedürftige Menschen sind wie du selbst, und handle demgemäß. Die Notwendigkeit dieser Folgerung ist die Einsicht, eine existenzielle Form des Verstehens. Die Einsicht kombiniert eigenen Erfahrungen im Umgang mit Handlungs- und Widerfahrnisprädikatoren mit einer gewissen Aufgeschlossenheit, sein Leben entsprechend der eigenen Lebenserfahrung, aber auch der von anderen Menschen, zu gestalten.

Ausgehend von der praktischen Grundnorm aber auch in Anlehnung an den kategorischen Imperativ von Kant fordert Kamlah die Verallgemeinerbarkeit und die Allgemeingültigkeit in seiner Ethik.

Kamlah betrachtet nicht nur die Frage Wie soll ich handeln? als Gegenstand der Ethik, sondern auch die Frage nach dem Leben-können: Wie lebe ich ein erfülltes Leben?. Die Frage nach dem Leben-können beantwortet er durch seine Eudämonie.

Ähnlich wie die Grundnorm der Ausgangspunkt für die normative Ethik ist, steht im Mittelpunkt der eudämonistischen Ethik die Grunderfahrung des Loslassens. Erst wer die Erfahrung des Loslassens von seiner selbstbefangenen Begehrlichkeit macht und bemerkt, dass dieses Loslassen ein Leben-können im Sinne eines ruhigen und gelassenen Lebens ermöglich, gelangt zur Grundeinsicht, zur Eudämonie.

Diese Ruhe der Seele stellt eine wichtige Lebensbedingung dar, neben den Gütern der Vitalität (insb. Nahrung, Kleidung, Wohnung etc.) und anderen Gütern, die nicht dogmatisch gesetzt werden dürfen. Für den Fall eines dauerhaften Verlustes der wichtigsten Lebensbedingungen kritisiert Kamlah die universell verneinende Moral gegenüber dem Freitod und plädiert für das Recht selbst den Zeitpunkt des eigenen Todes zu wählen.

Werke

  • 1935 Apokalypse und Geschichtstheologie. Die mittelalterliche Auslegung der Apokalypse vor Joachim von Fiore. Promotionsarbeit; Nachdruck 1965
  • 1940 Christentum und Selbstbehauptung. Historische und philosophische Untersuchungen zur Entstehung des Christentums und zu Augustins ‚Bürgschaft Gottes‘. erschien
  • 1951 unter dem Titel Christentum und Geschichtlichkeit.
  • 1949 Der Mensch in der Profanität. Versuch einer Kritik der profanen durch vernehmende Vernunft
  • 1960 Wissenschaft, Wahrheit, Existenz.
  • 1967 zus. mit Paul Lorenzen: Logische Propädeutik. Vorschule des vernünftigen Redens.
  • 1969 Utopie, Eschatologie, Geschichtsteleologie.
  • 1972 Philosophische Anthropologie: Sprachkritische Grundlegung und Ethik.
  • 1975 Von der Sprache der Vernunft. Philosophie und Wissenschaft in der neuzeitlichen Profanität.
  • 1976 Meditatio mortis. In: Hans Ebeling: Der Tod in der Moderne. Königstein/Ts.: 1979

Weblinks


Kanizsa

Gactano Kanizsa

Gactano Kanizsa ist ein Schüler von Benussi und damit ein Mitglied des italienischen Zweiges der Grazer Schule.

Weblinks


Jahn

Max Jahn (geb. 1853)

Max Jahn, geboren in Ronneburg, war Schuldirektor in Leipzig.

Jahn ist Herbartianer. Er versucht aber die experimentelle Psychologie zu nutzen.

Die Psychologie untersucht nach Jahn

  • die Erscheinungen unserer inneren Natur,
  • den gesetzmäßigen Verlauf der Erscheinungen,
  • zuletzt die Grundlage oder das Substrat der Erscheinungen


Johann I

Johannes Italus (Ende des 11. Jh.)

Der byzantinische Philosoph Johannes Italus ist ein Nachfolger von Michael Psellos.


Jakobson

Roman Jakobson (1896 – 1982)

Der russische Sprach- und Literaturwissenschaftler Roman Jakobson war von 1915 – 1920 eine führende Gestalt des Moskauer Linguistenkreises. Dieser Kreis war u. a. von Saussure und Husserls Phänomenologie beeinflußt.

1920 emigrierte Jakobson in die Tschechoslowakei und gehörte 1926 zu den Gründern der Prager Schule.

Er flüchtete 1939 (als Jude) über Dänemark und Norwegen nach Schweden und 1941 in die USA. Ab 1949 war er Professor in Harvard.

Sprachwissenschaftlich setzt Jakobson weitgehend die Arbeit Saussures fort. Er revidiert aber dessen Programm einer strukturellen Linguistik in entscheidenden Punkten. So will er langue und parole im Zusammenhang untersuchen.


Johann P

Johannes Philoponos (um 550 u. Z.)

Johannes Philoponos (Grammaticus) aus Alex- andrien war ein Schüler des Neuplatonikers Ammonius Hermiae.

Johannes Philoponos gehörte zur Partei der Monophysiten. Er verbindet Platonische mit Aristotelischen Positionen. Die Ideen fasst er als schöpferische Gedanken Gottes auf. Sie existieren als Urbilder vor ihren Abbildern. Individuen sind Substanzen.


James

William James (1842 – 1910)

Der amerikanische Philosoph und Psychologe William James war von 1880 bis 1907 Professor an der Harvard University.

Mit den psychologischen Theorien, die er in The Principles of Psychology (1890) entwickelt hat, nahm er Grundideen der Gestaltpsychologie und des Behaviorismus vorweg.

James entwickelte den Pragmatismus von Peirce weiter.

Erkenntnistheoretisch ist seine Position empiristisch. Die Grundlage der Erkenntnis liegt in den Sinneseindrücken und deren Beziehungen zueinander.

Wissenschaftliche Theorien müssen nach James instrumentalistisch ausgelegt werden, nämlich als intellektuelle Werkzeuge zur Steuerung künftigen Handelns, nicht als ewig gültige Wahrheiten über die Beschaffenheit der Natur. Den Wahrheitsbegriff erklärt James konsequent pragmatistisch.

Kriterium der Wahrheit ist für ihn die Nützlichkeit bzw. Vorteilhaftigkeit. Trotzdem vertritt James durch aus eine Korrespondenztheorie der Wahrheit, da er die Wahrheit als eine Eigenschaft unserer Ideen, als ihre Übereinstimmung mit der Wirklichkeit betrachtet. Die Definition von Wahrheit und das Wahrheitskriterium hängen bei James eng zusammen.

Die den Menschen umgebenden Dinge bezeichnete James als Erzeugnis des Bewußtseins.


Janet

Paul Janet (1823 – 1899)

Paul Janet war Professor in Straßburg und dann an der Sorbonne in Paris.

Janet bekämpft den Materialismus und den biologischen Mechanismus. Aus der Materie kann man nur etwas erklären, wenn man schon Kraft und Geist in sie hineingelegt hat. Materie ohne Kraft ist eine Abstraktion.

Er vertritt einen Spiritalismus, der die Tatsachen der Naturwissenschaften berücksichtigt und die Geltung von Zweckursachen im Leben und im Geist anerkennt. Die Seele ist eine mit dem Leibe in Wechselwirkung stehende immaterielle Kraft.


Janich

Peter Janich

Der Philosoph Peter Janich (* 1942) ist ist Mitbegründer und Vertreter des Methodischen Kulturalismus, eine Weiterführung des Erlanger Konstruktivismus.

Er entwickelte mit Paul Lorenzen und Rüdiger Inhetveen die Protophysik.

Janich lehrt in Marburg eine pragmatische und operationalistische Wissenschaftstheorie, die sich besonders mit den Grundlagen der Naturwissenschaften: Mathematik, Informatik, Biologie, Chemie und Psychologie beschäftigt.

Wissenschaft entsteht, gemäß Janich, durch Hochstilisierung von Lebenspraxen. Die Beurteilungsinstanz liegt dabei im Gelingen und im Erfolg des Handelns.

Werke

  • Die Protophysik der Zeit, 1969, Frankfurt 1980
  • Logisch-pragmatische Propädeutik, Weilerswist 2001
  • Das Maß der Dinge – Protophysik von Raum, Zeit und Materie, Frankfurt am Main 2002
  • Dirk Hartmann, Peter Janich: Methodischer Kulturalismus, Frankfurt am Main 2002
  • Peter Janich, Michael Weingarten: Wissenschaftstheorie der Biologie, Stuttgart 1999
  • Peter Janich: Kultur und Methode. Philosophie in einer wissenschaftliche geprägten Welt, Frankfurt am Main 2006

Weblinks


Janowsk

Sof’ja Aleksandrovna Janovskaja (1896 – 1966)

Die Mathematikerin und Logikerin S. A. Janovskaja (geb. Neimark) wurde im polnischen Pruzhany (heute Kobrin, Belorußland) geboren.

Sie beschäftigte sich mit der Geschichte, Methodologie und Philosophie der Mathematik und der mathematischen Logik.

Sie war Professorin für Mathematik an der Moskauer Staatsuniversität und wurde 1959 die erste Leiterin des neugegründeten Departments für mathematische Logik an dieser Universität.

Sie veranlaßte die Übersetzung grundlegender Werke der mathematischen Logik in die russische Sprache (Kleene, Church, Hilbert/ Ackermann, Tarski u. a.) In der Geschichte der Mathematik arbeitete sie über die ägyptische Mathematik, Zenon von Elea’s Paradoxa, Rolle, Descartes’s Geometrie und Lobachevsky’s Arbeiten zur nicht-euklidischen Geometrie.