Während der sechs Jahre, welche 1819 von 1825 trennen, war die Priorin von Klein-Picpus Fräulein von Blameur, die als Nonne Mutter Innocentia hieß. Eine ihrer Vorfahren hatte »das Leben der Heiligen vom Orden des heiligen Benedikt« geschrieben. Sie war wieder erwählt worden. Sie war eine Frau von sechszig Jahren, klein und dick. Ihre Stimme hörte sich an, als spräche sie aus einem gesprungenen Topf. Sonst war sie vortrefflich; die einzige heitere im ganzen Kloster und deshalb verehrt.

Mutter Innocentia war belesen, gelehrt, wußte viel, eine zuverlässige Beurtheilerin, hatte merkwürdige Geschichtskenntnisse, verstand etwas Lateinisch und Griechisch, viel Hebräisch und war mehr Benediktiner als Benediktinerin.

Die Subpriorin war eine alte, spanische, fast blinde Nonne, Mutter Cineres.

Mutter St. Mechtildis, welche mit der Leitung des Gesanges und des Chors beauftragt war, verwendete hierzu gern die Pensionärinnen. Gewöhnlich nahm sie sieben Mädchen, also eine ganze Tonleiter, Mädchen von zehn bis sechszehn Jahren, und stellte sie genau nach Stimme und Wuchs der Reihe nach neben einander. Das sah wie eine aus kleinen Mädchen gebildete Papagenopfeife aus, wie eine lebendige Panflöte von Engeln.

Alle Nonnen waren freundlich gegen alle Kinder, sie waren nur streng gegen sich selbst. Nur im Pensionat wurde geheizt und das Essen war, wenigstens im Vergleich zu dem im Kloster, schmackhaft und gewählt. Nur antwortete die Nonne niemals, wenn ein Kind bei ihr vorüberging und sie ansprach.

Diese Regel des Schweigens hatte bewirkt, daß im ganzen Kloster das Wort sich von den menschlichen Geschöpfen zurückgezogen und auf unbelebte Dinge sich übertragen hatte. Bald sprach die Kirchenglocke, bald die Schelle des Gärtners. Eine sehr laut schallende im ganzen Hause hörbare Klingel neben der Pförtnerin gab durch verschiedene Klänge, durch eine Art akustischer Telegraphie, alle Verrichtungen des materiellen Lebens an, sowie sie, wenn es nöthig war, die oder jene Bewohnerin des Klosters in das Sprechzimmer rief. Für jede Person und für jede Sache gab es ein besonderes Klingeln. Neunzehn Töne meldeten ein außerordentliches Ereigniß, nämlich die Oeffnung des Hauptthores, ein schreckliches mit Eisen beschlagenes, von Riegeln starrendes Brett, das sich nur vor dem Erzbischof in seinen Angeln bewegte.