Dieses Kloster, welches im Jahre 1824 schon seit vielen Jahren in der Picpus-Straße existirte, war eine Gemeinschaft von Bernhardinerinnen von der Regel Martin Vergas, welcher im Jahre 1425 diesen Ordenszweig nach den Grundsätzen des heiligen Benedikt zu Salamanka stiftete.

Die Bernhardiner-Benediktinerinnen dieser Regel essen das ganze Jahr über kein Fleisch, fasten nicht blos in den Fasten, sondern an vielen andern Tagen, stehen im besten Schlafe zwischen ein und drei Uhr früh auf, um das Brevier zu lesen und die Metten zu singen, schlafen ohne Rücksicht auf die Jahreszeit in wollenen Tüchern auf Stroh, nehmen nie ein Bad, brennen nie Feuer an, geißeln sich alle Freitage, beobachten die Regel des Schweigens, sprechen nur während der Erholungszeiten, die sehr kurz sind und tragen sechs Monate lang vom vierzehnten September, das ist vom Tage der Kreuzes-Erhöhung bis Ostern rauh wollene Hemden. Diese sechs Monate sind eine Ermäßigung: die Regel schreibt solche Hemden das ganze Jahr vor, in der Sommerhitze sind dieselben aber unerträglich und veranlaßten Fieber und Nervenkrämpfe. Man mußte deßhalb den Gebrauch beschränken. Selbst aber nach dieser Milderung haben die Nonnen vom vierzehnten September an, an welchem Tage sie die rauhen Hemden anlegen, drei bis vier Tage Fieber. Gehorsam, Armuth, Keuschheit, Ausdauer sind ihre durch die Regel noch sehr erschwerten Gelübde.

Die Priorin wird auf drei Jahre von den Müttern erwählt, welche die »Stimmmütter« heißen, weil sie eine Stimme im Kapitel haben. Nur zweimal kann eine Priorin wieder gewählt werden, so daß die Regierung einer Priorin sich auf neun Jahre beschränkt.

Den Geistlichen, welcher das Amt abhält, sehen sie niemals. Er ist ihnen stets durch einen neun Fuß hohen wollenen Vorhang verborgen. Bei der Predigt in der Kapelle ziehen sie den Schleier über das Gesicht. Sie müssen immer leise sprechen und beim Gehen die Augen niederschlagen und das Haupt senken. Nur ein einziger Mann darf in das Kloster eintreten, der Erzbischof der Diöcese.

Zwar ist noch ein anderer da, der Gärtner: das ist aber stets ein Greis. Auch haben wir bereits gesehen, wie die Nonnen vor seiner Nähe gewarnt werden.

Der Priorin sind sie unbedingten, blinden Gehorsam schuldig. Ohne ihre ausdrückliche Erlaubniß dürfen sie selbst nichts lesen oder schreiben.

Der Reihe nach hat eine Jede die reparatio 2 zu verrichten. Es ist dies ein Gebet für alle Sünden, alle Fehler, alle Ungehörigkeiten, alle Verletzungen, alle Unbilligkeiten und alle Verbrechen, die in der Welt begangen werden. Zwölf ganze Stunden lang hinter einander, von vier Uhr Abends bis vier früh, oder von vier Uhr früh bis vier Uhr Abends, kniet die Schwester, welche die reparatio verrichtet auf dem Stein vor der Monstranz mit gefalteten Händen, den Strick um den Hals. Wenn die Müdigkeit unerträglich wird, so legt sie sich glatt auf den Leib, mit dem Gesicht am Boden, die Arme gekreuzt, das ist ihre ganze Erleichterung. In dieser Stellung betet sie für alle Schuldigen der Welt. Das ist bis zur Erhabenheit großartig.

Da dieser Act vor einem Pfahl geschieht, auf welchem eine Kerze brennt, so sagt man sowohl die reparatio verrichten, als »am Pfahl sein.« Die Nonnen ziehen aus Demuth die letztere Bezeichnung vor, weil in ihr eine Idee von Strafe und Erniedrigung liegt.

Die reparatio nimmt die ganze Seele in Anspruch.

Die Nonne am Pfahl würde sich nicht umwenden und wenn der Blitz hinter ihr einschlüge.

Außerdem kniet eine Nonne stets vor der heiligen Monstranz. Sie hat eine Stunde dazubleiben. Sie lösen einander alle Stunden ab, wie wachestehende Soldaten. Das ist die »Ewige Anbetung.«

Sie nennen nichts mein. Sie besitzen nichts, sie dürfen auf nichts Werth legen. Sie sagen von Allem unser, z. B. unser Schleier, unser Rosenkranz; auch wenn sie von ihrem Hemd sprechen, sagen sie unser Hemd. Bisweilen fangen sie an sich an irgend einen kleinen Gegenstand, an eine geweihte Medaille zu gewöhnen. Sobald sie dies aber bemerken, müssen sie ihn weggeben. Sie erinnern sich der Worte der heiligen Therese, zu welcher eine vornehme Dame bei dem Eintritt in ihren Orden sagte: »Gestatten Sie Mutter, daß ich eine Bibel holen lasse, an welcher ich sehr hänge.« »Ha, Sie hängen an irgend etwas! In diesem Fall treten Sie nicht bei uns ein.«

Keine, welche es auch sein mag, darf ein Zimmer für sich haben. Sie wohnen in nicht geschlossenen Zellen. Wenn sie einander begegnen, so sagt die Eine: »Gelobt und angebetet sei das heilige Sacrament des Altars.« Die Andere antwortet: »In Ewigkeit.«

Wenn die Eine bei der Andern anklopft, findet dieselbe Ceremonie Statt. Kaum ist die Thür berührt, so hört man hinter derselben eine sanfte Stimme rasch sagen: »In Ewigkeit.«

Bei jedem Stundenschlage des Tags ertönen an dem Thurme der Kirche des Klosters noch drei Ergänzungsschläge. Auf dieses Zeichen unterbrechen Alle, die Priorin, die Stimmmütter, die, welche die Gelübde abgelegt haben, wie die Novizen das, was sie sagen, thun oder denken und alle sprechen gleichzeitig wenn es z. B. fünf Uhr ist: »Um fünf Uhr und zu, jeder Stunde sei gelobt und angebetet das heilige Sacrament des Altars.«

Die Nonnen von Klein-Picpus hatten unter ihrem Hochaltar ein Grabgewölbe für sich anlegen lassen. Die Regierung aber erlaubte nicht, daß Särge hineingestellt würden. Im Tode mußten sie also das Kloster verlassen. Das betrübte sie sehr und hatte sie in die größte Bestürzung versetzt.

Ein Mal wöchentlich versammelt sich das Kapitel. Die Priorin führt unter den beisitzenden Stimmmüttern den Vorsitz. Eine Schwester nach der andern kniet auf den Stein und bekennt mit lauter Stimme in Aller Gegenwart die Fehler und Sünden, welche sie in der Woche begangen hat. Die Stimmmütter berathschlagen nach jeder Beichte und sprechen dann laut die zuerkannte Buße aus.

Außer der lauten Beichte, für welche man alle etwas schwereren Fehler aufspart, haben sie für die geringeren Fehler die sogenannte Culpa. Die Culpa verrichten, heißt während des Gottesdienstes sich platt auf den Leib vor die Priorin legen, bis diese, welche nicht anders als »unsere Mutter« genannt wird, der Büßenden durch ein leises Klopfen auf den Lehnstuhl andeutet, daß sie aufstehen könne. Die Culpa Verrichtet man wegen sehr geringer Kleinigkeiten, wegen eines zerbrochenen Glases, eines zerrissenen Schleiers, einer unwillkürlichen Verspätigung um einige Secunden beim Gottesdienst, eines falschen Tons beim Gesang u. s. w. Die Culpa ist freiwillig: die Schuldige 3 selbst richtet und straft sich.

Die Priorin nur allein kann mit den Fremden verkehren. Die andern dürfen nur die nächsten Mitglieder ihrer Familie sehen und auch nur sehr selten. Wenn zufällig Jemand von außen sich meldet, um eine Nonne zu sehen, die er gekannt oder vielleicht geliebt hat, so veranlaßt das eine ganze Unterhandlung. Ist es eine Frau, so kann die Erlaubniß bisweilen gegeben werden. Die Nonne kommt und der Besuch spricht zu ihr durch den Laden, der nur für eine Mutter oder Schwester geöffnet wird. Selbstverständlich wird Männern die Erlaubniß stets versagt.

Das ist die durch Martin Vergas erschwerte Regel des heiligen Benedikt.

Die Nonnen sind nicht heiter, rosig frisch wie es oft jene der andern Orden sind. Sie sind bleich und ernst. In den Jahren von 1825 bis 1831 wurden drei wahnsinnig.

  1. Wiederherstellung, Versöhnung, Abbitte.
  2. Culpa heißt Schuld.