Wahrheit

In der Philosophie wird der Wahrheitsbegriff (engl. truth; franz. vérité; griech. aletheia; lat. veritas) zumeist prädikativ als Bestimmung von Urteilen, Aussagen oder Sätzen verwendet, manchmal auch in Bezug auf mentale Akte und Zustände.

Von der prädikativen Verwendung des Wahrheitsbegriffes ist die attributive und die substantive Verwendung zu unterscheiden.

In einem attributivem Gebrauch kann man von einem wahren Ereignis, einem wahren Leben, einem wahren Kunstwerk usw. reden, womit gemeint ist, dass das Ereignis, das Leben oder das Kunstwerk echt, wirklich oder gut sind. Häufig liegt diesem Begriff von Wahrheit die Vorstellung zugrunde, dass es für jedes Ding eine ideale Gestalt gebe und dass ein Ding um so wahrer werde, je näher es diesem Ideal kommt (vgl. z. B. Platon, Hegel und Kierkegaard).

In den Wahrheitstheorien wird zumeist der prädikative Gebrauch untersucht.

Mitunter wird die Lehre von der Wahrheit als Alethiologie bezeichnet.

Für die Unterscheidung der Theorien sind neben ihren Aussagen über die Wahrheit auch die Aussagen über die jeweils akzeptierten Wahrheitskriterien wesentlich.

Das Wahrheitskriterium ist dabei ein besonderes Kennzeichen, das wahre Urteile kennzeichnet und durch das deren Wahrheit festgestellt werden kann.

Rescher hat die Diskussion in der Wahrheitstheorie bereichert, indem er zwischen absoluten (guaranteeing) und zureichenden (authorizing) Wahrheitskriterien unterschied.

Ein zureichendes Kriteriums liegt vor, wenn ihm die Wahrheit legitim werden, aber nicht mit logischer Notwendigkeit folgt. Mit einem absoluten Wahrheitskriterium lässt sich auch die logische Notwendigkeit zeigen.

Folgt ein Satz mit logischer Notwendigkeit redet man auch von einer logischen Wahrheit (oder Tautologie). Ein Satz (Urteil) ist genau dann logisch wahr, wenn jeder Satz mit gleicher logischer Form wahr ist.

Die verschiedenen Wahrheitstheorien unterscheiden sich unter anderem danach, welchen Stellenwert sie dem Äquivalenzschema beimessen. Dieses Schema besagt: Es ist, dass p genau dann, wenn p. D. h., wenn man von einer Aussage behauptet, sie sei wahr, dann ist die auf diese Weise gebildete Aussage genau dann wahr, wenn die Ausgangsaussage wahr ist. Dieses Schema findet sich bereits bei Platon und wird bei Aristoteles wie folgt formuliert: Zu sagen nämlich, das Seiende sei nicht oder das Nicht-Seiende sei, ist falsch, dagegen zu sagen, das Seiende sei und das Nicht-Seiende sei nicht, ist wahr. (Aristoteles, Metaphysik 1011 b 26ff.).

D. h. falsch ist eine Aussage, welche von Seiendem aussage, es sei nicht, oder von Nicht-Seiendem, es sei. Wahr dagegen ist die Aussage, welche von Seiendem aussagt, dass es ist, und von Nicht-Seiendem, dass es nicht ist. Wahres oder Falsches aussagen heißt damit immer Sein oder Nichtsein aussagen, wobei sich dies immer auf Seiendes oder Nicht-Seiendes bezieht.

Vom Wahrheitsbegriff ist die Wahrhaftigkeit zu unterscheiden, die als das subjektive Für-Wahr-Halten der eigenen Aussage bestimmt werden kann.

Eine große Rolle spielen die Korrespondenztheorien (von lat. co-, mit, und respondere, antworten) oder Übereinstimmungstheorien der Wahrheit, nach welchen etwas wahr ist, wenn es dem entspricht oder mit dem übereinstimmt, von dem es ausgesagt wird. Dies nennt man bisweilen auch die klassische Definition der Wahrheit.

Die neuzeitliche Diskussion versucht vor allem zu klären, was es bedeutet, dass etwas mit etwas anderem übereinstimmt.

Putnam nennt die Auffassung, dass es eine sprach- und denkunabhängige Gesamtheit von Gegenständen gibt, die sich in genau einer vollständigen Theorie beschreiben lassen, wobei die der Theorie in einer Korrespondenz zu den beschriebenen Gegenständen besteht, metaphysischen Realismus.

Die Abbildungstheorien der Wahrheit sind eine Variante der Korrespondenztheorien. Sie fassen die Übereinstimmung als eine Art Abbildung (copy). Von diesem Typ ist z. B. die Wahrheitstheorie des Epikur.

Auch die antike Skepsis vertritt eine Korrespondenztheorie der Wahrheit.

Naess hat die skeptische Wahrheitstheorie in neuerer Zeit wieder in die Diskussion gebracht. Er geht – ganz im Stile der antiken Skepsis – davon aus, dass Wissen (knowledge) immer wahr ist. Würde dies verneint, müsste man zugeben, dass man Erkenntnisse besitzen kann, die unwahr sind. Weiter nimmt er an, dass bisher als bewiesen Angesehenes widerlegt werden kann, d. h. zwischen Beweisgründen und Wahrheit existiert eine Kluft. Dadurch wird es problematisch, ob wir von uns sagen können, dass wir Erkenntnis (Wissen) erreicht haben.

Gegen die Skeptiker wendet Rescher ein, dass die Gültigkeit logischer und begrifflicher Wahrheiten im Gegensatz zu der tatsächlicher Wahrheiten ohne externes Kriterium bestimmt werden kann. Dies ist aber, wenn überhaupt, lediglich ein Argument gegen den universellen und für einen partiellen und dies auch nur, wenn eine absolute und keine relative Skepsis vorliegt.

Gegen die Abbildungstheorien ist eingewendet worden, dass sie problematisch werden, sobald es um abstrakte Eigenschaften oder Funktionen geht (Röte, Mut, Kraft). William James hat zusätzlich eingewendet, dass diese Theorien eine paradigmatische Erkenntnissituation voraussetzt, in die sich Hypothesen, Modalitäten, Negationen und Generalisierungen nur schwer einfügen lassen.

Die Wahrheitstheorie des Pragmatismus (von griech. pragma, Wirksamkeit, Tun) vertritt die Auffassung, dass etwas wahr ist, wenn es in der Praxis fruchtbar bzw. nützlich ist. Dabei liegt zumindest bei William James durchaus eine Korrespondenztheorie vor. James betrachtet nämlich die Wahrheit als eine Eigenschaft unserer Ideen, als ihre Übereinstimmung mit der Wirklichkeit. Die Definition von Wahrheit und das Wahrheitskriterium hängen bei James eng zusammen. Auch Jerusalem vertritt eine pragmatische Wahrheitstheorie.

Russell hat gegen James eingewendet, dass man die Fragen, was Wahrheit ist und wie man wissen kann, ob unsere Meinungen wahr oder falsch sind streng voneinander trennen muss. Rescher verteidigt James, indem er den Unterschied zwischen absoluten (guaranteeing) und zureichenden (authorizing) Wahrheitskriterien betrachtet. Nach Rescher muss die pragmatische Wahrheitstheorie als eine Theorie des zureichenden Kriteriums betrachtet werden: Was funktioniert, kann legitim, aber nicht mit logischer Notwendigkeit als wahr angesehen werden.

James vertritt eine Konvergenzthese der Wahrheit: Für ihn ist die absolute Wahrheit ein idealer zukünftiger Konvergenzpunkt, in dem unsere heutigen relativen Wahrheiten aufgrund vervollständigter Erfahrung zu umfassender Weisheit aufgehoben sind.

Um den Terminus absolute Wahrheit richtig zu verstehen, muss man, wie Narski bemerkt, bedenken, dass dieser Terminus mehrere Bedeutungen hat:

  1. Absolute Wahrheit ist absolutes Wissen über die Wirklichkeit insgesamt, d. h. über die ganze Welt.
  2. Absolute Wahrheit ist jener Teil der relativen Wahrheiten, die erhalten bleiben und im Prozeß der Erkenntnisentwicklung anwächst.
  3. Absolutes Wissen ist endgültiges Wissen über einige bestimmte Aspekte der Wirklichkeit.
  4. Die absolute Wahrheit umfaßt gewisse unwiderlegbare Resultate der Erkenntnis über einzelne Seiten untersuchter Objekte oder Klassen von Objekten in Form von Konstatierungen und Beschreibungen.

Alle diese Bedeutungen stehen miteinander in Zusammenhang, aber nur in der ersten Bedeutung ist die absolute Wahrheit erschöpfendes, allgemeines, absolutes Wissen.

Eng verwandt mit dem Begriff der absoluten Wahrheit ist der Begriff der objektiven Wahrheit. Objektiv wahr ist eine Behauptung, deren Inhalt der Wirklichkeit, der objektiven Welt entspricht und nicht vom Wollen und Wünschen des erkennenden Subjekts abhängt. Es ist klar, dass nicht in allen Ontologien die Existenz objektiver Wahrheiten angenommen werden kann.

Mit dem Begriff der absoluten und der objektiven Wahrheit ist auch der Begriff der ewigen Wahrheit eng verwandt (lat.: aeternae veritates). Dieser Begriff der in einigen metaphysischen oder religiösen Schriften verwendet wird, geht davon aus, dass jede Wahrheit ewig sein muss, d. h. unveränderlich für alle Zeiten und unter allen Bedingungen. Wenn sich die Wahrheit später ändert, so das Argument, bedeutet das, dass das, was man als Wahrheit angenommen hatte, keine Wahrheit ist.

Russell stellt drei Forderungen auf, denen seiner Meinung nach jede Theorie der Wahrheit genügen muß:

  1. Es muss Falschheit geben können.
  2. Wahrheit und Falschheit sind Eigenschaften von Glaubensüberzeugungen oder Aussagen.
  3. Die Wahrheit oder Falschheit hängt immer von etwas ab, das jenseits des Glaubens liegt.

Russell vertritt nun eine Korrespondenz mit Fakten. Damit Falschheit möglich ist, darf das, womit der wahre Glaube übereinstimmt, nicht ein einzelnes Objekt sein. Der Glaube ist nach Russell ein Verhältnis zwischen dem Bewußtsein und einem Faktum, d. h. einem Komplex miteinander in Beziehung stehender Objekte. Ein Glaube ist wahr, wenn er mit dem assoziierenden Komplex, d. h. dem korrespondierenden Faktum, übereinstimmt, sonst ist er falsch.

Die Kritik an den Korrespondenztheorien der Wahrheit zielt in erster Linie darauf, dass die Aussagestruktur (z. B. das Verhältnis zwischen Subjekt und Prädikat in der Aussage Sokrates ist ein Mensch) von vollkommen anderer Art ist als die Strukturen und Relationen der Wirklichkeit, die Inhalt der Aussage sind. Weiter wurde geltend gemacht, dass Dinge oder Tatsachen nicht unabhängig von den spezifischen Ausdrücken identifizierbar sind, d. h. die Wirklichkeit und die Sprache nicht als zwei voneinander unabhängige Dimensionen faßbar sind, zwischen denen ein kontingentes (äußeres) Korrespondenzverhältnis bestünde. – Um diesen Einwänden gerecht zu werden, wurde etwa von Popper versucht, die Korrespondenztheorie in der Weise zu modifizieren, dass eine Aussage dann als wahr zu bezeichnen ist, wenn sie in irgendeiner Form mit einem Faktum korreliert.

Die Einwände gegen die verschiedenen Fassungen der Korrespondenztheorie wurden insbesondere von Brentano zu einer allgemeinen Kritik an dieser Theorie schlechthin erweitert: Die Theorie berücksichtige nicht verneinende Aussagen von der Art Es gibt keine Löwen auf Grönland, es sei denn, man führe eine unendliche Menge negativer Fakten ein. Weiter: Wenn die Wahrheit in einer Übereinstimmung zwischen der Aussage und der Wirklichkeit besteht, kann Wahrheit nicht erkannt werden. Denn um die Wahrheit zu erkennen, müsste ich etwas Wahres über die Übereinstimmungsrelation zwischen der Aussage und der Wirklichkeit sagen können, was aber die Gewißheit der Wahrheit einer neuen Aussage verlangte, die als wahre Aussage selbst mit irgendetwas übereinstimmen muss, was wiederum die Wahrheit einer dritten Aussage voraussetzte usw. in einem unendlichen Regreß.

Eine besondere Variante der Korrespondenztheorie ist die semantische Wahrheitstheorie Tarskis.

Das Wahrheitsprädikat in natürlichen Sprachen erlaubt Paradoxien der Form: P: Der mit ‚P‘ bezeichnete Satz ist falsch. Ein Satz dieses Typs ist die Antinomie des Lügners. Solche Paradoxien beruhen nach Tarski auf der semantischen Geschlossenheit natürlicher Sprachen, d. h. darauf, dass natürliche Sprachen semantische Prädikate wie wahr oder bedeutet enthalten. Semantische Prädikate aber betreffen das Verhältnis der Ausdrücke einer Sprache zu den mit Ausdrücken dieser Sprache bezeichneten Gegenständen. Um die entstehenden Paradoxien zu beseitigen, muss man – so Tarski – semantische Prädikate wie Ausdrücke einer anderen Sprache behandeln. Diese Sprache wird Metasprache genannt. Durch die Unterscheidung der Sprachebenen können die Paradoxien vermieden werden.

Die Definition eines Wahrheitsprädikates für eine Sprache in einer Metasprache ist nach Tarski adäquat, wenn aus ihr alle Sätze der Form x ist wahr genau dann, wenn p folgen, wobei x durch den Namen eines Satzes der Sprache und p durch die Übersetzung dieses Satzes in die Metasprache zu ersetzen ist. Einen solchen Satz betrachtet Tarski als partielle Definition des Wahrheitsprädikates der betreffenden Sprache. Tarski hat gezeigt, dass sich für bestimmte formale Sprachen endlicher Ordnung, die neben einfachen Prädikaten auch Quantoren und wahrheitsfunktionale Verknüpfungen enthalten können, ein Wahrheitsprädikat definieren lässt das seinem Kriterium (er nennt es Konvention W) entspricht.

Tarski wurde entgegengehalten, dass diese Formulierung der Korrespondenztheorie zwar korrekt, aber philosophisch gesehen in dem Sinn unzureichend sei, dass sie in solcher Formalisierung den Unterschied zwischen der Korrespondenztheorie und anderen Wahrheitsauffassungen verwische. Dies ist jedoch kein Einwand.

Ein anderes Argument gegen die semantische Wahrheitstheorie von Tarski ist, dass es zwar für formale Sprachen ganz brauchbar, aber philosophisch irrelevant sei, weil die Übersetzung von der Objekt- in die Metasprache die Kenntnis semantischer Relationen voraussetzt.

Es gibt eine Weiterentwicklung der semantischen Wahrheitstheorie von Kripke.

Eine Übertragung der Idee Tarskis auf natürliche Sprachen ist die Disqutationstheorie der Wahrheit (auch: Zitat-Tilgungs-Theorie der Wahrheit). Mit Es schneit ist wahr behauptet man nicht mehr, als dass es schneit. Wahr ist lediglich ein sprachliches Mittel zum semantischen Aufstieg von der Objekt in die Metasprache, um mit Hilfe des Namens eines Satzes (Es schneit.) dasselbe zu sagen wie mit dem benannten Satz. Im Falle der natürlichen Sprachen – so die Disquotationstheorie – verfügen wir nicht über eine vollständige Definition des Wahrheitsprädikats, sondern nur über einzelne Sätze, die der Konvention W folgen.

Austin stellt in seinem Aufsatz Wahrheit (1950) eine linguistisch überarbeitete Korrespondenztheorie der Wahrheit vor. Mir scheint es treffend, diesen Theorietyp konventionalistische Korrespondenztheorie der Wahrheit zu nennen. Für Austin ist Philosophie linguistische Analyse, in der die Mannigfaltigkeit sprachlicher Funktionen klargemacht wird. Eine Aussage (statement) hat noch andere Funktionen als wahr oder falsch zu sein. Bei Austin sind Aussagen und nicht Sätze (sentences) wie bei Tarski Kandidaten für die Prädikate wahr und falsch. Aussagen sind wahr, wenn sie durch Beschreibungskonventionen bezüglich der Worte (Sätze) mit dem Typus der vorgefundenen Situationen, Dinge, Ereignisse usw. verbunden sind, und wenn die Worte (Aussagen) durch Referenzkonventionen mit den vorgefundenen historischen Situationen etc. verbunden sind.

Strawson wendet ein, dass Fakten (Sachverhalte) und Dinge einen verschiedenen Status haben. Dinge (wie Tische) können z. B. zerbrechen oder verbrennen, Fakten dagegen (wie z. B. das Faktum, dass dieser Tisch rund ist) können wir nicht zerbrechen oder verbrennen. Fakten liegen vor oder nicht (doch wenn wir Dinge zerbrechen oder verbrennen, schaffen wir neue Fakten). Es sind Fakten und nicht Dinge, die Behauptungen wahr oder falsch machen.

Eine weitere Wahrheitstheorie ist die Kohärenztheorie der Wahrheit.

Putnams interner Realismus lässt sich als Wahrheitstheorie auffassen. Putnam vertritt die These, dass es mehrere zulässige Beschreibungen der Wirklichkeit geben kann, deren Wahrheit in ihrer rationalen Akteptierbarkeit besteht. Die Theorie läuft – wie mir scheint – auf eine Wahrheitstheorie hinaus, die den Vorstellungen einiger parakonsistenter Logiker entspricht. Man könnte diesem Ansatz eine kohärenztheoretische Interpretation geben, obwohl der Ansatz wie er hier angedeutet ist, noch nicht zwingend kohärenztheoretisch interpretiert werden muss.

Die Evidenztheorie der Wahrheit (von lat. evidentia; ex, heraus, und videre, sehen) bestimmt dasjenige als wahr, was aus der Sache heraus einleuchtet und sich uns entweder schlagartig, intuitiv und als gewiß zeigt (Brentano, Husserl), von uns in seiner Wesenheit ganzheitlich erschaut bzw. vernommen wird (M. Scheler H.-E. Hengstenberg) oder mittelbar durch Ableitung aus einem per se Einsichtigen gewiß wird.

Die Evidenz-Erfahrung kann als ein psychologischer Zustand gedeutet werden – was jedoch u. a. von Brentano und Husserl abgelehnt wird.

Brentano bestreitet, dass es überhaupt möglich ist, eine Theorie der Wahrheit zu entwickeln, die keinen Zirkelschluß enthält. Evidenz muss deshalb Grundbegriff einer Wahrheitstheorie sein.

Man kann eine objektiv, sachliche Evidenz (Sachverhaltsevidenz) und eine persönlich einsichtige Evidenz (Intuitionsevidenz) unterscheiden. Beide hängen voneinander ab.

Die Argumente gegen die Evidenztheorie der Wahrheit beruhen hauptsächlich auf der Kritik gegen den Begriff der Evidenz überhaupt.

Die antiken Skeptiker haben eine ausführliche Kritik der Evidenztheorie der Stoiker geliefert.

Russell wendet zudem gegen Evidenztheorien der Wahrheit ein, dass bei ihnen die Wahrheit und Falschheit eines Glaubens nicht von etwas abhängt, was jenseits des Glaubens liegt, sondern nur von internen Qualitäten wie Klarheit oder Bestimmtheit abhängen.

M. Schlick hat eingewendet, dass die Evidenzlehre … vor den Angriffen eines energischen Skeptizismus nicht schützen kann [2].

Husserl vertritt eine Variante der Evidenztheorie der Wahrheit, die phänomenologische Wahrheitstheorie. In seinem frühen Werk Das Ideal der Adäquation. Evidenz und Wahrheit (1901) ergibt sich die Wahrheit in Bezug auf Gegenstände und auf Begriffe durch eine Erfüllung, wobei das Gegebene als Gemeintes und das Gegebene als Selbstgegebenheit zusammenfallen. Die Wahrheit ist also eine Identität und diese Identität ergibt sich mit Evidenz. Evidenz wird dabei als Gewißheit verbürgende Erfahrung dieser Übereinstimmung verstanden.

Bei Heidegger wird die Evidenztheorie durch eine Theorie der Wahrheit ersetzt, die sich aus dem griech. Begriff der aletheia (von griech. a-, nicht, und lethein, verbergen) herleitet, d. h. Wahrheit wird als Unverborgenheit, Unverdecktheit, als das Entdeckte verstanden. Heidegger glaubt, damit den ursprünglichen voraristotelischen Wahrheitsbegriff der Griechen wiederentdeckt zu haben.

Die Konsensustheorie der Wahrheit (von lat. consensus, Übereinstimmung, Einigkeit) (auch: intersubjektive Wahrheitstheorie oder Konsenstheorie der Wahrheit) bestimmt Aussagen dann als wahr, wenn eine potentiell unendlich große Menge von Menschen unter idealen Kommunikationsbedingungen dieser Aussage allgemein zustimmen würde. Es werden für den Prozeß der Konsensbildung Gutwilligkeit, Sprachkundigkeit, Normalsinnigkeit und Vernünftigkeit gefordert.

Wahrscheinlich ist Protagoras von Abdera einer der ersten gewesen, die den Dialog als Mittel der Wahrheitsfindung diskutierten.

Ein Beispiel für eine Konsensustheorie ist die Wahrheitstheorie der Erlanger Schule. Ob eine Aussage wahr oder falsch ist, hängt nach der Theorie von Kamlah und Lorenzen nicht von der Aussage selbst ab. Die Aussage Sokrates ist ein Mensch ist wahr, wenn jeder kompetente Sprecher der Person mit dem Namen Sokrates dieses Prädikat (Mensch-Sein) zuspricht (bzw. zusprechen würde). Die Verifikation einer Aussage ist eine intersubjektive Angelegenheit. Kompetemz bedeutet hier, dass die Beteiligten sprach- und sachkundig sowie gutwillig sind, dass sie ihren Gesprächspartnern gegenüber aufgeschlossen sind und ihre Überlegungen nicht von Emotionen, Traditionen oder Gewohnheiten bestimmt werden. Der Konsens, der unter solchen Bedingungen erreicht wird, ist ein berechtigter Konsens. Durch ihn sind die behaupteten und diskutierten Aussagen verifiziert und die Aussagen können wahr genannt werden. Die Übereinstimmung besteht hier zwischen den vernünftigen Gesprächspartnern, nicht aber zwischen den Aussagen und der Wirklichkeit.

Gegen die Theorie der Erlanger Schule ist eingewendet worden, dass unklar ist, welches denn nun die genauen Kriterien der Vernünftigkeit sind und wie gesichert werden soll, dass es zu einem Konsens, zu einer Einigung kommt. Akzeptiert man, dass in der Realität nie die Vernünftigkeit gesichert werden kann, so gibt es keine Aussagen, deren Wahrheit wir mit Gewißheit erreichen können und das Ergebnis erinnert mich sehr an das der skeptischen Wahrheitstheorie.

Habermas verweist in seiner diskursiven Konsenstheorie auf einem im Diskurs durch die vier universalen Geltungsansprüche (Verständlichkeit, Wahrheit, Richtigkeit und Wahrhaftigkeit) notwendig unterstellte ideale Sprechsituation als Grundlage für einen berechtigten Konsens.

Bei Peirce und Apel werden Aspekte der pragmatischen Wahrheitstheorie mit der Konsensustheorie der Wahrheit verbunden.

Die Redundanztheorie der Wahrheit (von lat. redundantia, überströmende Fülle in der Rede) (auch: No-Truth-Theorie), die auf Ramsey zurückgeht, eliminiert die Ausdrücke wahr, falsch mit der Begründung, dass der Zusatz ist wahr zu einer Behauptung p nur wiederholt, dass p. Die Aussagefunktion p ist wahr meint nach dieser Theorie genau dasselbe wie p und ist demnach logisch überflüssig (redundant). Wahr ist aus logischer Sicht kein Prädikat und drückt keine Eigenschaft aus.

Gegen eine Redundanztheorie hat schon Tarski eingewendet, dass es Beispiele gibt, in denen die Elimination des Wahrheitsprädikates zu Problemen führt (Alle Konsequenzen einer wahren Aussage sind wahr, Die erste Aussage Platons ist wahr) und selbst wenn ein Wort (z. B. wahr) durch andere Worte definiert werden kann, heißt das noch nicht, dass es überflüssig ist.

Strawsons performative Theorie der Wahrheit (von engl. to perform, ausführen, durchführen), auch als die dito-Theorie der Wahrheit bezeichnet (von altital. gesagt), baut auf der Sprechakttheorie auf und ist eine Variante der Redundanztheorie. Mit der Aussage Es ist wahr, dass p wird nach dieser Theorie keine andere Aussage gemacht als mit p. Es wird aber eine andere Handlung vollzogen, nämlich üblicherweise die des Bestätigens oder Bekräftigens einer vorausgegangenen Aussage. Wahrheit ist damit ein performatives Wort. Das Wort wahr ist kein metasprachliches Prädikat, sondern mit Wörtern wie ja oder dito vergleichbar. Eine Behauptung oder Aussage als wahr zu bezeichnen, heißt also eigentlich nichts anderes, als sie bestätigen, was keine Beschreibung, sondern ein Tun ist.

Ähnlich wie die performative Wahrheitstheorie behauptet die prosentiale Theorie der Wahrheit, die von Grover, Camp und Belnap entworfen wurde, dass sich alle Verwendungsweisen von wahr auf solche Fälle zurückführen lassen, in denen wahr als unselbständiger Teil in Ausdrücken wie Das (gerade Gesagte) ist wahr (sog. Prosentenzen) vorkommt und damit zur indirekten Behauptung einer durch den Äußerungskontext festgelegten Aussage beiträgt. Der Gebrauch von ist wahr ist danach ein Ersatz für die in natürlichen Sprachen nicht übliche Quantifikation über Aussagenvariable.

Für Crusius ist die Denkbarkeit das Wahrheitskriterium. Wahr ist, was sich nicht anders denken lässt.

Literatur

  • A. J. Ayer: Sprache, Wahrheit und Logik, 1970
  • F. Brentano: Wahrheit und Evidenz, 1930
  • W. Franzen: Die Bedeutung von wahr und Wahrheit, 1982
  • J. Habermas: Wahrheitstheorien. In: Wirklichkeit und Reflexion, W. Schulz zum 60. Geb., 1973
  • M. Heidegger: Vom Wesen der Wahrheit, 1943
  • P. Horwich: Truth, 1990
  • R. L. Kirkham: Theories of Truth, 1992
  • G. Skirbekk (Hg.): Wahrheitstheorien, 1977
  • P. F. Strawson: Bedeutung und Wahrheit. In: Ders.: Logik und Linguistik, 1974
  • A. Tarski: Der Wahrheitsbegriff in den formalisierten Sprachen. In: K. Berka/ L. Kreiser (Hg.): Logik-Texte, 1971
  • Thomas von Aquin: Von der Wahrheit, 1985
  • E. Tugendhat: Der Wahrheitsbegriff bei Husserl und Heidegger, 1967

[1] Schlick, M.: Allgemeine Erkenntnislehre. 1918, 21925, Nachdruck 1979, 141f., 146
[2] vgl. Schlick, M.: Allgemeine Erkenntnislehre. 1918, 21925, Nachdruck 1979, 141ff.