Franz Brentano (1838 – 1917)

Seine Erziehung und Ausbildung erhielt der Philosoph und Psychologe Franz Brentano in einer streng katholischen Atmosphäre in Aschaffenburg. Später studierte er in einem Lyzeum sowie in München, Würzburg, Berlin, Münster und Mainz Philosophie.

Sehr früh befasste er sich mit Aristoteles und studierte unter anderem auch ein Semester in Berlin beim Aristoteles-Kenner Trendelenburg.

In Münster wollte er bei dem Neuthomisten Franz Jakob Clemens über Francisco Suárez promovieren. Nach dem Tod von F. J. Clemens reichte Brentano 1862 seine Dissertation Von der mannigfachen Bedeutung des Seienden nach Aristoteles in Tübingen ein und promovierte dort in absentia. In der Dissertation bemüht sich Brentano die aristotelische Kategorientafel abzuleiten und ihre Vollständigkeit zu erweisen. Dabei vertritt er unter Rückgriff auf Thomas von Aquin einen ontologischen Ansatz.

Brentano wurde 1864 katholischer Priester und habilitiert 1867 in Würzburg mit der Schrift Die Psychologie des Aristoteles insbesondere seine Lehre vom nous poietikos.

Gegen Eduard Zeller argumentierend, kommt Brentano in einer an Thomas von Aquin anknüpfenden Argumentation, zu dem Ergebnis, dass Aristoteles die Unsterblichkeit der menschlichen Seele angenommen hat und nicht widersprüchlich ist.

In Brentanos Schrift A. Comte und die positive Philosophie (1869) wird deutlich, dass Brentano unter dem Einfluss der Lektüre von Comte beginnt, an der Akt-Potenz-Lehre des Aristoteles zu zweifeln.

1872 wurde Brentano außerordentlicher Professor in Würzburg. 1873 legte er sein Amt als Priester nieder, aus Protest gegen das Dogma der Unfehlbarkeit des Papstes.

Zu seinen Würzburger Schülern gehören Carl Stumpf, Anton Marty, Hermann Schell und sein Neffe Georg Hertling.

1874 wurde Brentano orendlicher Professor für Philosophie in Wien. Er musste die Stellung aber schon 1880 aufgeben. Danach lehrte er in Wien als Privatdozent (1880-95).

Brentano beeinflußte Meinong, Husserl, Twardowski, T. Masaryk, C. Ehrenfels und F. Hillebrand.

Sein Begriff der beschreibenden (im Gegensatz zur experimentellen) Psychologie ähnelt bereits dem Phänomenologie-Begriff des frühen Husserl.

In seiner Psychologie vom empirischen Standpunkt (1874, verb. Fassung 1911) unterscheidet Brentano zwischen physischen und psychischen Phänomenen (vgl. 1. Bd., 2. Buch, 1. Kap.). Die psychischen Phänomene zeichnen sich durch Intentionalität aus, d. h. ihr Gerichtetsein auf einen Gegenstand. Dieser Gegenstand muss nicht zwangsläufig außerhalb des Bewußtseins existieren.

Nach den verschiedenen Formen von Intentionalität lassen sich die psychischen Phänomene in drei Gruppen einteilen:

  1. Vorstellungen, wor unter sowohl Akustisches und Optisches als auch Ideen und Gedanken zu rechnen sind. Gegenstand ist in diesen Fällen etwas rein Bewußtseinsimmanentes.
  2. Urteile, die eine intellektuelle Stellungnahme zum Gegenstand des Bewußtseins beinhalten.
  3. Gemütstätigkeiten, also Liebe und Haß im weiten Sinn. Sie stellen ein gefühlsmäßiges Verhältnis zum Bewußtseinsobjekt her.

Auf den Gegensatz von Liebe und Haß sucht Brentano die Moralphilosophie zu gründen. Die Äußerung A ist gut bedeutet: Es ist unmöglich, A auf unrichtige Weise zu lieben.

Die Vorstellungen sind die fundamentalen psychischen Phänomene; denn man kann sich nicht urteilend oder gefühlsmäßig zu etwas verhalten, wenn es nicht im Bewußtsein gegeben, also vorgestellt ist.

In dem posthum erschienenen Werk Wahrheit und Evidenz (1930) unterscheidet Brentano zwischen unmittelbar und mittelbar evidenten Urteilen. Es gibt zwei Arten unmittelbarer Evidenz:

  1. Urteile der inneren Wahrnehmung, also darüber, wie ich selbst etwas erlebe (z. B. Jetzt sehe ich etwas Rotes);
  2. Verstandeserkenntnisse (z. B. Zwei Dinge sind mehr als eins).

Alle evidenten Urteile sind wahr, aber nicht alle wahren Urteile sind evident. Allerdings enthält Wahrheit einen Hinweis auf Evidenz; denn ein wahres Urteil behauptet genau das, was eine Person mit Evidenz behaupten würde.

Werke

  • Von der mannigfachen Bedeutung des Seienden nach Aristoteles, 1862 (Repr. 1962)
  • Psychologie vom empirischen Standpunkt, 1874 (21955)
  • Vom Ursprung sittlicher Erkenntnis, 1889 (41955)
  • Grundlegung und Aufbau der Ethik, 1952
  • Religion und Philosophie, 1954
  • Die Lehre vom richtigen Urteil, 1956
  • Grundzüge der Ästhetik, 1959
  • Wahrheit und Evidenz 1964
  • Philosophische Untersuchungen zu Raum, Zeit und Kontinuum, 1976

Online-Texte

Literatur

  • E. Campos: Die Kantkritik Brentanos, 1979
  • R. M. Chisholm/R. Haller: Die Philosophie Franz Brentanos, 1978
  • D. Münch: Brentano, Franz. In: Metzler Philosophen Lexikon. 1995, 142 – 146
  • W. Stegmüller: Philosophie der Evidenz: Franz Brentano. In: Ders.: Hauptströmungen der Gegenwartsphilosophie, 61976

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