Skeptizismus

Arten der Skepsis

Richtungen der antiken Skepsis

Nach Pyrrhon von Elis wird eine Richtung der antiken Skepsis auch Pyrrhonische Skepsis genannt und der akademischen Skepsis gegenübergestellt. Allerdings wurden die Akademiker in der Antike nicht zu den Skeptikern gerechnet. Aulus Gellius (Mitte des 2. Jh. u. Z.) ist der früheste Autor, der bezeugt, pyrrhonische Philosophen "würden skeptikoi genannt" und der beobachtet, dass die Bezeichnung auch für die Akademiker gebraucht werden könne [3].

Sextus Empiricus hat den Unterschied von pyrrhonischer und akademischer Skepsis ausführlich dargelegt [4].

Entscheidend scheint mir – neben den Unterschieden in der Ethik – folgender Unterschied: "Die Neue Akademie, obwohl sie sagt, alles sei unerkennbar, unterscheidet sich von den Skeptikern vielleicht eben darin, dass sie behauptet, alles sei unerkennbar. Denn sie sagt hierüber mit Sicherheit aus, während der Skeptiker mit der Möglichkeit rechnet, dass einiges auch erkannt wird." [5].

Der pyrrhonischen Skepsis werden neben Pyrrhon von Elis auch Timon von Phleius und Numenios zugerechnet.

Der Name der akademischen Skepsis ist von der Neuen Akademie, einer Fortführung der platonischen Akademie, abgeleitet.

Zur akademischen Skepsis zählt man u. a. Arkesilaos, Karneades und Kleitomachos.

Genau genommen gab es innerhalb des antiken Skeptizismus eine weitere Schule, nämlich die von Ainesidemos begründete und im 2. Jahrhundert u. Z. von Sextus Empiricus ausführlich dargestellte, jüngere skeptische Schule. Zu dieser Schule gehörte z. B. Agrippa.

Sextus Empiricus bemerkt, dass einige die kyrenaische Schule der Skepsis zugerechnet haben, da sie wie die pyrrhonischen Skeptiker nur die Empfindungserlebnisse zu erkennen behaupten [6].

In der Antike gibt es eine weitere philosophische Schule (Sextus Empiricus nennt sie die Protagoraische Schule [7]), die Gemeinsamkeiten mit der pyrrhonischen Skepsis zu haben scheint, aber von Sextus Empiricus nicht der Skepsis zugerechnet wird. Sicherlich war die Philosophie des Protagoras nicht konsequent skeptisch, aber sie liefert ein Argument für die Skepsis, das allerdings soweit ich sehe, von den antiken Skeptikern nicht aufgegriffen wurde. Protagoras sagt, so Sextus Empiricus, dass die Materie in Fluß sei, sich die Sinne ständig umbildeten und die Wahrnehmung der Menschen sich daher veränderte. Bei Protagoras werde damit, so Sextus Empiricus weiter, der Mensch zum Kriterium des Seienden [8]. Gerade die sich ständig verändernde Welt, ließ sich aber als Argument für eine sich vielleicht ständig ändernde Wahrheit und damit deren Unerkennbarkeit anführen. Dies geschah aber – um es zu wiederholen – in der Antike nicht.

Renaissance-Skepsis

In Frankreich entwickelt sich am Ende des 16. Jahrhundert eine skeptische Strömung. Die wichtigsten Repräsentanten der Renaissanceskepsis sind M. de Montaigne, Marie le Jars de Gournay P. Charron und F. Sanchez. Wahrscheinlich entwickelte sich in Frankreich der Skeptizismus, da dort die Scholastik besonders stark war und die Naturforschung behinderte. Außerdem waren die Religionskriege dort besonders stark. Der Calvinismus und die katholische Religion relativierten sich gegenseitig.

Universelle und partielle Skepsis

Nach dem Kriterium auf welche Urteile sich die Skepsis bezieht lässt sich die universelle Skepsis von der partiellen Skepsis unterscheiden.

Der universelle Skeptizismus (auch: epistemologischer Skeptizismus, genereller Skeptizismus) richtet sich gegen die Erkennbarkeit der Wahrheit jedes Urteils. Dieser Richtung ist die pyrrhonische Skepsis zuzurechnen. J. F. Budde nennt sie in einer Arbeit von 1698 allgemeinen Skeptizismus [9]. Wolfgang Stegmüller nennt sie Universalskepsis [10].

Die verschiedenen Bezeichnungen (bis auf die des epistemologischen Skeptizismus) gehen wohl auf die gemeinsame lateinische Wurzel universalis zurück.

In neuerer Zeit hat K. Lehrer diese Art des Skeptizismus verteidigt und stellt fest, "that we do not know anything" seine "stronger form of scepticism" ist [11].

Die Varianten des partiellen Skeptizismus beschränken sich auf einen bestimmten Typ von Aussagen oder Urteilen (z. B. apriorische) bzw. auf einen bestimmten Erkenntnisbereich (z. B. der ethische Skeptizismus (moral scepticism), der juristische, der ästhetische, der pädagogoische, der logische, der metaphysisch-theologische und der wissenschaftstheoretische Skeptizismus).

In seiner Philosophiegeschichte von 1703 nennt J. F. Budde die partielle Skepsis gemäßigten Skeptizismus [12]. A. G. Baumgarten übernahm Buddes Unterscheidung von allgemeinem und besonderem (particularis) Skeptizismus [13]. Stegmüller redet vom Partialsekptizismus [14].

In der bereits genannten Arbeit von 1698 nennt J. F. Budde diese Richtung der Skepsis besonderen Skeptizismus und differenziert zwischen dem theologischen (Spinoza, Hobbes) und dem philosophischen Skeptizismus, der wiederum in den physischen und den moralischen Skeptizismus eingeteilt wird. Letzteren unterteilt er in sechs Arten. Als Vertreter des moralischen Skeptizismus betrachtet er Pyrrhon, Epikur, Cicero, Seneca, Aristoteles und Thomas von Aquin.

Die akademische Skepsis und die jüngere, skeptische Schule sind zum partiellen Skeptizismus zu zählen.

Der logische Skeptizismus hält die Begründung logischer Schlußverfahren für unmöglich.

Der metaphysisch-theologische Skeptizismus bezieht sich auf übersinnliche, transzendente Gegenstände. In diese Richtung gehören E. Mach, B. Russell und R. Carnap, die die Möglichkeit metaphysischer (nicht-empirischer) Erkenntnisse bestritten (logische Tautologien und analytisch wahre Sätze ausgenommen).

Absolute und relative Skepsis

Der Skeptizismus lässt sich weiterhin in einen absoluten und einen relativen einteilen. Beide Varianten treten sowohl mit dem universellen als auch mit dem partiellen Skeptizismus zusammen auf.

Die absolute Skepsis behauptet, dass die Wahrheit schlechthin, d. h. für jedermann, unerkennbar sei.

Die relative Skepsis bezieht sich dagegen nur auf den gegenwärtigen Zustand des Skeptikers und läßt offen, ob eine Wahrheit schlechthin unerkennbar sei. Der relative Skeptiker sagt nur, daß ihm die Wahrheit bisher verwehrt war, obgleich sie ihm zu einem späteren Zeitpunkt oder jemand anderem erreichbar sein mag.

Sextus Empiricus hat mehrere Stellen, die nahelegen, dass die pyrrhonische Skepsis eine relative Skepsis war. So findet sich bei ihm eine Stelle über den Unterschied zwischen der kyrenaischen Schule und der pyrrhonischen Skepsis: "Sodann halten wir uns hinsichtlich der dogmatischen Aussage über die äußeren Gegenstände zurück, während die Kyrenaiker behaupten, sie seien ihrer Natur nach unerkennbar." [15].

Erkenntnisskeptizismus, Wahrheitsskeptzismus

Wolfgang Stegmüller hat darauf hingewiesen, dass man den Skeptizismus auch ohne Bezug auf den Wahrheitsbegriff definieren kann. Man kann, und so kam die Skepsis in der Antike gewöhnlich daher, die Existenz wahrer Aussagen akzeptieren und die Aussagen dennoch für unerkennbar halten. Wir werden diese Perspektive wie Stegmüller als Erkenntnisskeptizismus bezeichnen [16].

Unter Wahrheitsskeptizismus hat Wolfgang Stegmüller einen Skeptizismus verstanden, der dadurch gekennzeichnet ist, dass er bestreitet, dass es so etwas wie Wahrheit gibt [17]. Diese Auffassung wurde von den antiken Skeptikern nicht vertreten, spielt aber in der heutigen Diskussion eine große Rolle.

Genau genommen ist jeder Wahrheitsskeptizismus auch ein Erkenntnisskeptizismus, denn Erkennbarkeit setzt – zumindest in gewöhnlichem Verständnis – Wahrheit voraus.