10. Kapitel
10. Kapitel
Der Dritte Makedonische Krieg
Philippos von Makedonien war empfindlich gekränkt durch die Behandlung, die er nach dem Frieden mit Antiochos von den Römern erfahren hatte; und der weitere Verlauf der Dinge war nicht geeignet, seinen Groll zu beschwichtigen. Seine Nachbarn in Griechenland und Thrakien, großenteils Gemeinden, die einst vor dem makedonischen Namen nicht minder gezittert hatten wie jetzt vor dem römischen, machten es sich wie billig zum Geschäft, der gefallenen Großmacht all die Tritte zurückzugeben, die sie seit Philippos‘ des Zweiten Zeiten von Makedonien empfangen hatten; der nichtige Hochmut und der wohlfeile antimakedonische Patriotismus der Hellenen dieser Zeit machte sich Luft auf den Tagsatzungen der verschiedenen Eidgenossenschaften und in unaufhörlichen Beschwerden bei dem römischen Senat. Philippos war von den Römern zugestanden worden, was er den Ätolern abgenommen habe; allein förmlich an die Ätoler angeschlossen hatte sich in Thessalien nur die Eidgenossenschaft der Magneten, wogegen diejenigen Städte, die Philippos in zwei anderen der thessalischen Eidgenossenschaften, der thessalischen im engeren Sinn und der perrhaebischen, den Ätolern entrissen hatte, von ihren Bünden zurückverlangt wurden aus dem Grunde, daß Philippos diese Städte nur befreit, nicht erobert habe. Auch die Athamanen glaubten ihre Freiheit begehren zu können; auch Eumenes forderte die Seestädte, die Antiochos im eigentlichen Thrakien besessen hatte, namentlich Aenos und Maroneia, obwohl ihm im Frieden mit Antiochos nur der Thrakische Chersonesos ausdrücklich zugesprochen war. All diese Beschwerden und zahllose geringere seiner sämtlichen Nachbarn, über Unterstützung des Königs Prusias gegen Eumenes, über Handelskonkurrenz, über verletzte Kontrakte und geraubtes Vieh strömten nach Rom; vor dem römischen Senat mußte der König von Makedonien von dem souveränen Gesindel sich verklagen lassen und Recht nehmen oder Unrecht, wie es fiel; er mußte sehen, daß das Urteil stets gegen ihn ausfiel, mußte knirschend von der thrakischen Küste, aus den thessalischen und perrhaebischen Städten die Besatzungen wegziehen und die römischen Kommissare höflich empfangen, welche nachzusehen kamen, ob auch alles vorschriftsmäßig ausgeführt sei. Man war in Rom nicht so erbittert gegen Philippos wie gegen Karthago, ja in vieler Hinsicht dem makedonischen Herrn sogar geneigt; man verletzte hier nicht so rücksichtslos wie in Libyen die Formen, aber im Grunde war die Lage Makedoniens wesentlich dieselbe wie die von Karthago. Indes Philippos war keineswegs der Mann, diese Pein mit phönikischer Geduld über sich ergehen zu lassen. Leidenschaftlich wie er war, hatte er nach seiner Niederlage mehr dem treulosen Bundesgenossen gezürnt als dem ehrenwerten Gegner, und seit langem gewohnt, nicht makedonische, sondern persönliche Politik zu treiben, hatte er in dem Kriege mit Antiochos nichts gesehen als eine vortreffliche Gelegenheit, sich an dem Alliierten, der ihn schmählich im Stich gelassen und verraten hatte, augenblicklich zu rächen. Dies Ziel hatte er erreicht; allein die Römer, die sehr gut begriffen, daß den Makedonier nicht die Freundschaft für Rom, sondern die Feindschaft gegen Antiochos bestimmte, und die überdies keineswegs nach solchen Stimmungen der Neigung und Abneigung ihre Politik zu regeln pflegten, hatten sich wohl gehütet, irgend etwas Wesentliches zu Philippos‘ Gunsten zu tun, und hatten vielmehr die Attaliden, die von ihrer ersten Erhebung an mit Makedonien in heftiger Fehde lagen und von dem König Philippos politisch und persönlich aufs bitterste gehaßt wurden, die Attaliden, die unter allen östlichen Mächten am meisten dazu beigetragen hatten, Makedonien und Syrien zu zertrümmern und die römische Klientel auf den Osten auszudehnen, die Attaliden, die in dem letzten Krieg, wo Philippos es freiwillig und loyal mit Rom gehalten, um ihrer eigenen Existenz willen wohl mit Rom hatten halten müssen, hatten diese Attaliden dazu benutzt, um im wesentlichen das Reich des Lysimachos wieder aufzubauen, dessen Vernichtung der wichtigste Erfolg der makedonischen Herrscher nach Alexander gewesen war, und Makedonien einen Staat an die Seite zu stellen, der zugleich ihm an Macht ebenbürtig und Roms Klient war.
Dennoch hätte vielleicht, wie die Verhältnisse einmal standen, ein weiser und sein Volk mit Hingebung beherrschender Regent sich entschlossen, den ungleichen Kampf gegen Rom nicht wieder aufzunehmen; allein Philippos, in dessen Charakter von allen edlen Motiven das Ehrgefühl, von allen unedlen die Rachsucht am mächtigsten waren, war taub für die Stimme sei es der Feigheit, sei es der Resignation, und nährte tief im Herzen den Entschluß, abermals die Würfel zu werfen. Als ihm wieder einmal Schmähungen hinterbracht wurden, wie sie auf den thessalischen Tagsatzungen gegen Makedonien zu fallen pflegten, antwortete er mit der Theokritischen Zeile, daß noch die letzte Sonne nicht untergegangen sei39.
Philippos bewies bei der Vorbereitung und der Verbergung seiner Entschlüsse eine Ruhe, einen Ernst und eine Konsequenz, die, wenn er in besseren Zeiten sie bewährt hätte, vielleicht den Geschicken der Welt eine andere Richtung gegeben haben würden. Namentlich die Fügsamkeit gegen die Römer, mit der er sich die unentbehrliche Frist erkaufte, war für den harten und stolzen Mann eine schwere Prüfung, die er doch mutig ertrug – seine Untertanen freilich und die unschuldigen Gegenstände des Haders, wie das unglückliche Maroneia, büßten schwer den verhaltenen Groll. Schon im Jahre 571 (183) schien der Krieg ausbrechen zu müssen; aber auf Philippos‘ Geheiß bewirkte sein jüngerer Sohn Demetrios eine Ausgleichung des Vaters mit Rom, wo er einige Jahre als Geisel gelebt hatte und sehr beliebt war. Der Senat, namentlich Flamininus, der die griechischen Angelegenheiten leitete, suchte in Makedonien eine römische Partei zu bilden, die Philippos‘ natürlich den Römern nicht unbekannte Bestrebungen zu paralysieren imstande wäre, und hatte zu deren Haupt, ja vielleicht zum künftigen König Makedoniens, den jüngeren, leidenschaftlich an Rom hängenden Prinzen ausersehen. Man gab mit absichtlicher Deutlichkeit zu verstehen, daß der Senat dem Vater um des Sohnes willen verzeihe; wovon natürlich die Folge war, daß im königlichen Hause selbst Zwistigkeiten entstanden und namentlich des Königs älterer und vom Vater zum Nachfolger bestimmter, aber in ungleicher Ehe erzeugter Sohn Perseus in seinem Bruder den künftigen Nebenbuhler zu verderben suchte. Es scheint nicht, daß Demetrios sich in die römischen Intrigen einließ; erst der falsche Verdacht des Verbrechens zwang ihn, schuldig zu werden, und auch da beabsichtigte er, wie es scheint, nichts weiter als die Flucht nach Rom. Indes Perseus sorgte dafür, daß der Vater diese Absicht auf die rechte Weise erfuhr; ein untergeschobener Brief von Flamininus an Demetrios tat das übrige und lockte dem Vater den Befehl ab, den Sohn aus dem Wege zu räumen. Zu spät erfuhr Philippos die Ränke, die Perseus gesponnen hatte, und der Tod ereilte ihn über der Absicht, den Brudermörder zu strafen und von der Thronfolge auszuschließen. Er starb im Jahre 575 (179) in Demetrias, im neunundfünfzigsten Lebensjahre. Das Reich hinterließ er zerschmettert, das Haus zerrüttet, und gebrochenen Herzens gestand er sich ein, daß all seine Mühsal und all seine Frevel vergeblich gewesen waren.
Sein Sohn Perseus trat darauf die Regierung an, ohne in Makedonien oder bei dem römischen Senat Widerspruch zu finden. Er war ein stattlicher Mann, in allen Leibesübungen wohl erfahren, im Lager aufgewachsen und des Befehlens gewohnt, gleich seinem Vater herrisch und nicht bedenklich in der Wahl seiner Mittel. Ihn reizten nicht der Wein und die Frauen, über die Philippos seines Regiments nur zu oft vergaß; er war stetig und beharrlich wie sein Vater leichtsinnig und leidenschaftlich. Philippos, schon als Knabe König und in den ersten zwanzig Jahren seiner Herrschaft vom Glück begleitet, war vom Schicksal verwöhnt und verdorben worden; Perseus bestieg den Thron in seinem einunddreißigsten Jahr, und wie er schon als Knabe mitgenommen worden war in den unglücklichen römischen Krieg, wie er aufgewachsen war im Druck der Erniedrigung und in dem Gedanken einer nahen Wiedergeburt des Staates, so erbte er von seinem Vater mit dem Reich seine Drangsale, seine Erbitterung und seine Hoffnungen. In der Tat griff er mit aller Entschlossenheit die Fortsetzung des väterlichen Werkes an und rüstete eifriger, als es vorher geschehen war, zum Kriege gegen Rom; kam doch für ihn noch hinzu, daß es wahrlich nicht die Schuld der Römer war, wenn er das makedonische Diadem trug. Mit Stolz sah die stolze makedonische Nation auf den Prinzen, den sie an der Spitze ihrer Jugend stehen und fechten zu sehen gewohnt war; seine Landsleute und viele Hellenen aller Stämme meinten in ihm den rechten Feldherrn für den nahen Befreiungskrieg gefunden zu haben. Aber er war nicht, was er schien; ihm fehlte Philipps Genialität und Philipps Spannkraft, die wahrhaft königlichen Eigenschaften, die das Glück verdunkelt und geschändet, aber die reinigende Macht der Not wieder zu Ehren gebracht hatte. Philippos ließ sich und die Dinge gehen; aber wenn es galt, fand er in sich die Kraft zu raschem und ernstlichem Handeln. Perseus spann weite und feine Pläne und verfolgte sie mit unermüdlicher Beharrlichkeit; aber wenn die Stunde schlug und das, was er angelegt und vorbereitet hatte, ihm in der lebendigen Wirklichkeit entgegentrat, erschrak er vor seinem eigenen Werke. Wie es beschränkten Naturen eigen ist, ward ihm das Mittel zum Zweck; er häufte Schätze auf Schätze für den Römerkrieg und als die Römer im Lande standen, vermochte er nicht von seinen Goldstücken sich zu trennen. Es ist bezeichnend, daß nach der Niederlage der Vater zuerst eilte, die kompromittierenden Papiere in seinem Kabinett zu vernichten, der Sohn dagegen seine Kassen nahm und sich einschiffte. In gewöhnlichen Zeiten hätte er einen König vom Dutzendschlag so gut und besser wie mancher andere abgeben können; aber er war nicht geschaffen, ein Unternehmen zu leiten, das von Haus aus verloren war, wenn nicht ein außerordentlicher Mann es beseelte.
Makedoniens Macht war nicht gering. Die Ergebenheit des Landes gegen das Haus der Antigoniden war ungebrochen, das Nationalgefühl hier allein nicht durch den Hader politischer Parteien paralysiert. Den großen Vorteil der monarchischen Verfassung, daß jeder Regierungswechsel den alten Groll und Zank beseitigt und eine neue Ära anderer Menschen und frischer Hoffnungen heraufführt, hatte der König verständig benutzt und seine Regierung begonnen mit allgemeiner Amnestie, mit Zurückberufung der flüchtigen Bankerottierer und Erlaß der rückständigen Steuern. Die gehässige Härte des Vaters brachte also dem Sohn nicht bloß Vorteil, sondern auch Liebe. Sechsundzwanzig Friedensjahre hatten die Lücken in der makedonischen Bevölkerung teils von selbst ausgefüllt, teils der Regierung gestattet, hierfür als für den eigentlichen wunden Fleck des Landes ernstliche Fürsorge zu treffen. Philippos hielt die Makedonier an zur Ehe und Kinderzeugung; er besetzte die Küstenstädte, aus denen er die Einwohner in das Innere zog, mit thrakischen Kolonisten von zuverlässiger Wehrhaftigkeit und Treue; er zog, um die verheerenden Einfälle der Dardaner ein für allemal abzuwehren, gegen Norden eine Scheidewand, indem er das Zwischenland jenseits der Landesgrenze bis an das barbarische Gebiet zu Einöde machte, und gründete neue Städte in den nördlichen Provinzen. Kurz, er tat Zug für Zug dasselbe für Makedonien, wodurch später Augustus das Römische Reich zum zweitenmal gründete. Die Armee war zahlreich – 30 000 Mann, ohne die Zuzüge und die Mietstruppen zu rechnen – und die junge Mannschaft geübt durch den beständigen Grenzkrieg gegen die thrakischen Barbaren. Seltsam ist es, daß Philippos nicht wie Hannibal es versuchte, sein Heer römisch zu organisieren; allein es begreift sich, wenn man sich erinnert, was den Makedoniern ihre zwar oft überwundene, aber doch noch immer unüberwindlich geglaubte Phalanx galt. Durch die neuen Finanzquellen, die Philippos in Bergwerken, Zöllen und Zehnten sich geschaffen hatte, und den aufblühenden Ackerbau und Handel war es gelungen, den Schatz, die Speicher und die Arsenale zu füllen; als der Krieg begann, lag im makedonischen Staatsschatz Geld genug, um für das dermalige Heer und für 10000 Mann Mietstruppen auf zehn Jahre den Sold zu zahlen und fanden sich in den öffentlichen Magazinen Getreidevorräte auf ebenso lange Zeit (18 Mill. Medimnen oder preußische Scheffel) und Waffen für ein dreifach so starkes Heer, als das gegenwärtige war. In der Tat war Makedonien ein ganz anderer Staat geworden, als da es durch den Ausbruch des zweiten Krieges mit Rom überrascht ward; die Macht des Reiches war in allen Beziehungen mindestens verdoppelt – mit einer in jeder Hinsicht weit geringeren hatte Hannibal es vermocht, Rom bis in seine Grundfesten zu erschüttern.
Nicht so günstig standen die äußeren Verhältnisse. Es lag in der Natur der Sache, daß Makedonien jetzt die Pläne von Hannibal und von Antiochos wieder aufnehmen und versuchen mußte, sich an die Spitze einer Koalition aller unterdrückten Staaten gegen Roms Suprematie zu stellen; und allerdings gingen die Fäden vom Hofe zu Pydna nach allen Seiten. Indes der Erfolg war gering. Daß die Treue der Italiker schwankte, ward wohl behauptet; allein es konnte weder Freund noch Feind entgehen, daß zunächst die Wiederaufnahme der Samnitenkriege nicht gerade wahrscheinlich sei. Die nächtlichen Konferenzen makedonischer Abgeordneter mit dem karthagischen Senat, die Massinissa in Rom denunzierte, konnten gleichfalls ernsthafte und einsichtige Männer nicht erschrecken, selbst wenn sie nicht, wie es sehr möglich ist, völlig erfunden waren. Die Könige von Syrien und Bithynien suchte der makedonische Hof durch Zwischenheiraten in das makedonische Interesse zu ziehen; allein es kam dabei weiter nichts heraus, als daß die unsterbliche Naivität der Diplomatie, die Länder mit Liebschaften erobern zu wollen, sich einmal mehr prostituierte. Den Eumenes, den gewinnen zu wollen lächerlich gewesen wäre, hätten Perseus‘ Agenten gern beseitigt; er sollte auf der Rückkehr von Rom, wo er gegen Makedonien gewirkt hatte, bei Delphi ermordet werden, allein der saubere Plan mißlang.
Von größerer Bedeutung waren die Bestrebungen, die nördlichen Barbaren und die Hellenen gegen Rom aufzuwiegeln. Philippos hatte den Plan entworfen, die alten Feinde Makedoniens, die Dardaner in dem heutigen Serbien, zu erdrücken durch einen anderen, vom linken Ufer der Donau herbeigezogenen, noch wilderen Schwarm deutscher Abstammung, den der Bastarner, sodann mit diesen und der ganzen dadurch in Bewegung gesetzten Völkerlawine selbst nach Italien auf dem Landweg zu ziehen und in die Lombardei einzufallen, wohin er die Alpenpässe bereits erkunden ließ – ein großartiger, Hannibals würdiger Entwurf, welchen auch ohne Zweifel Hannibals Alpenübergang unmittelbar angeregt hat. Es ist mehr als wahrscheinlich, daß hiermit die Gründung der römischen Festung Aquileia zusammenhängt, die eben in Philippos‘ letzte Zeit fällt (573 181) und nicht paßt zu dem sonst von den Römern bei ihren italischen Festungsanlagen befolgten System. Der Plan scheiterte indes an dem verzweifelten Widerstand der Dardaner und der mitbetroffenen nächstwohnenden Völkerschaften; die Bastarner mußten wieder abziehen und der ganze Haufen ertrank auf der Heimkehr unter dem einbrechenden Eise der Donau. Der König suchte nun wenigstens unter den Häuptlingen des illyrischen Landes, des heutigen Dalmatiens und des nördlichen Albaniens, seine Klientel auszubreiten. Nicht ohne Perseus‘ Vorwissen kam einer derselben, der treulich zu Rom hielt, Arthetauros, durch Mörderhand um. Der bedeutendste von allen, Genthios, der Sohn und Erbe des Pleuratos, stand zwar dem Namen nach gleich seinem Vater in Bündnis mit Rom, allein die Boten von Issa, einer griechischen Stadt auf einer der dalmatinischen Inseln, berichteten dem Senat, daß König Perseus mit dem jungen, schwachen, trunkfälligen Menschen in heimlichem Einverständnis stehe und Genthios‘ Gesandte in Rom dem Perseus als Spione dienten.
In den Landschaften östlich von Makedonien gegen die untere Donau zu stand der mächtigste unter den thrakischen Häuptlingen, der Fürst der Orysen und Herr des ganzen östlichen Thrakiens von der makedonischen Grenze am Hebros (Maritza) bis an den mit griechischen Städten bedeckten Küstensaum, der kluge und tapfere Kotys, mit Perseus im engsten Bündnis; von den anderen kleineren Häuptlingen, die es hier mit Rom hielten, ward einer, der Fürst der Sagäer, Abrupolis, infolge eines gegen Amphipolis am Strymon gerichteten Raubzugs von Perseus geschlagen und aus dem Lande getrieben. Von hierher hatte Philipp zahlreiche Kolonisten gezogen und standen Söldner zu jeder Zeit in beliebiger Zahl zu Gebot.
Unter der unglücklichen hellenischen Nation ward von Philippos und Perseus lange vor der Kriegserklärung gegen Rom ein zwiefacher Propagandakrieg lebhaft geführt, indem man teils die nationale, teils – man gestatte den Ausdruck – die kommunistische Partei auf die Seite Makedoniens zu bringen versuchte. Daß alle national Gesinnten unter den asiatischen wie unter den europäischen Griechen jetzt im Herzen makedonisch waren, versteht sich von selbst; nicht wegen einzelner Ungerechtigkeiten der römischen Befreier, sondern weil die Herstellung der hellenischen Nationalität durch eine fremde den Widerspruch in sich selbst trug, und jetzt, wo es freilich zu spät war, jeder es begriff, daß die abscheulichste makedonische Regierung minder unheilvoll für Griechenland war als die aus den edelsten Absichten ehrenhafter Ausländer hervorgegangene freie Verfassung. Daß die tüchtigsten und rechtschaffensten Leute in ganz Griechenland gegen Rom Partei ergriffen, war in der Ordnung; römisch gesinnt war nur die feile Aristokratie und hier und da ein einzelner ehrlicher Mann, der ausnahmsweise sich über den Zustand und die Zukunft der Nation nicht täuschte. Am schmerzlichsten empfand dies Eumenes von Pergamon, der Träger jener fremdländischen Freiheit unter den Griechen. Vergeblich behandelte er die ihm unterworfenen Städte mit Rücksichten aller Art; vergeblich buhlte er um die Gunst der Gemeinden und der Tagsatzungen mit wohlklingenden Worten und noch besser klingendem Golde – er mußte vernehmen, daß man seine Geschenke zurückgewiesen, ja daß man eines schönen Tages im ganzen Peloponnes nach Tagsatzungsbeschluß alle früher ihm errichteten Statuen zerschlagen und die Ehrentafeln eingeschmolzen habe (584 170), während Perseus‘ Name auf allen Lippen war; während selbst die ehemals am entschiedensten antimakedonisch gesinnten Staaten, wie die Achäer, über die Aufhebung der gegen Makedonien gerichteten Gesetze berieten; während Byzantion, obwohl innerhalb des Pergamenischen Reiches gelegen, nicht von Eumenes, sondern von Perseus Schutz und Besatzung gegen die Thraker erbat und empfing, und ebenso Lampsakos am Hellespont sich dem Makedonier anschloß; während die mächtigen und besonnenen Rhodier dem König Perseus seine syrische Braut, da die syrischen Kriegsschiffe im Ägäischen Meer sich nicht zeigen durften, mit ihrer ganzen prächtigen Kriegsflotte von Antiocheia her zuführten und hochgeehrt und reich beschenkt, namentlich mit Holz zum Schiffbau, wieder heimkehrten; während Beauftragte der asiatischen Städte, also der Untertanen des Eumenes, in Samothrake mit makedonischen Abgeordneten geheime Konferenzen hielten. Jene Sendung der rhodischen Kriegsflotte schien wenigstens eine Demonstration; und sicher war es eine, daß der König Perseus unter dem Vorwand einer gottesdienstlichen Handlung bei Delphi den Hellenen sich und seine ganze Armee zur Schau stellte. Daß der König sich auf diese nationale Propaganda bei dem bevorstehenden Kriege zu stützen gedachte, war in der Ordnung. Arg aber war es, daß er die fürchterliche ökonomische Zerrüttung Griechenlands benutzte, um alle diejenigen, die eine Umwälzung der Eigentums- und Schuldverhältnisse wünschten, an Makedonien zu ketten. Von der beispiellosen Überschuldung der Gemeinden wie der einzelnen im europäischen Griechenland, mit Ausnahme des in dieser Hinsicht etwas besser geordneten Peloponnes, ist es schwer, sich einen hinreichenden Begriff zu machen; es kam vor, daß eine Stadt die andere überfiel und ausplünderte, bloß um Geld zu machen, so zum Beispiel die Athener Oropos, und bei den Ätolern, den Perrhaebern, den Thessalern lieferten die Besitzenden und die Nichtbesitzenden sich förmliche Schlachten. Die ärgsten Greueltaten verstehen sich bei solchen Zuständen von selbst; so wurde bei den Ätolern eine allgemeine Versöhnung verkündet und ein neuer Landfriede gemacht, einzig zu dem Zweck, eine Anzahl von Emigranten ins Garn zu locken und zu ermorden. Die Römer versuchten zu vermitteln; aber ihre Gesandten kehrten unverrichteter Sache zurück und meldeten, daß beide Parteien gleich schlecht und die Erbitterung nicht zu bezähmen sei. Hier half in der Tat nichts anderes mehr als der Offizier und der Scharfrichter; der sentimentale Hellenismus fing an, ebenso grauenvoll zu werden, wie er von Anfang an lächerlich gewesen war. König Perseus aber bemächtigte sich dieser Partei, wenn sie den Namen verdient, der Leute, die nichts, am wenigsten einen ehrlichen Namen zu verlieren hatten, und erließ nicht bloß Verfügungen zu Gunsten der makedonischen Bankerottierer, sondern ließ auch in Larisa, Delphi und Delos Plakate anschlagen, welche sämtliche wegen politischer oder anderer Verbrechen oder ihrer Schulden wegen landflüchtig gewordene Griechen aufforderten, nach Makedonien zu kommen und volle Einsetzung in ihre ehemaligen Ehren und Güter zu gewärtigen. Daß sie kamen, kann man sich denken; ebenso daß in ganz Nordgriechenland die glimmende soziale Revolution nun in offene Flammen ausschlug und die national-soziale Partei daselbst um Hilfe zu Perseus sandte. Wenn die hellenische Nationalität nur mit solchen Mitteln zu retten war, so durfte bei aller Verehrung für Sophokles und Pheidias man sich die Frage erlauben, ob das Ziel des Preises wert sei.
Der Senat begriff, daß er schon zu lange gezögert habe und daß es Zeit sei, dem Treiben ein Ende zu machen. Die Vertreibung des thrakischen Häuptlings Abrupolis, der mit den Römern in Bündnis stand, die Bündnisse Makedoniens mit den Byzantiern, Ätolern und einem Teil der böotischen Städte waren ebensoviel Verletzungen des Friedens von 557 (197) und genügten für das offizielle Kriegsmanifest; der wahre Grund des Krieges war, daß Makedonien im Begriff stand, seine formelle Souveränität in eine reelle zu verwandeln und Rom aus dem Patronat über die Hellenen zu verdrängen. Schon 581 (173) sprachen die römischen Gesandten auf der achäischen Tagsatzung es ziemlich unumwunden aus, daß ein Bündnis mit Perseus mit dem Abfall von dem römischen gleichbedeutend sei. Im Jahr 582 (172) kam König Eumenes persönlich nach Rom mit einem langen Beschwerdenregister und deckte die ganze Lage der Dinge im Senat auf, worauf dieser wider Erwarten in geheimer Sitzung sofort die Kriegserklärung beschloß und die Landungsplätze in Epeiros mit Besatzungen versah. Der Form wegen ging noch eine Gesandtschaft nach Makedonien, deren Botschaft aber derart war, daß Perseus, erkennend, daß er nicht zurück könne, die Antwort gab, er sei bereit, ein neues wirklich gleiches Bündnis mit Rom zu schließen, allein den Vertrag von 557 (197) sehe er als aufgehoben an, und die Gesandten anwies, binnen drei Tagen das Reich zu verlassen. Damit war der Krieg tatsächlich erklärt. Es war im Herbst 582 (172); wenn Perseus wollte, konnte er ganz Griechenland besetzen und die makedonische Partei überall ans Regiment bringen, ja vielleicht die bei Apollonia stehende römische Division von 5000 Mann unter Gnaeus Sicinius erdrücken und den Römern die Landung streitig machen. Allein der König, dem schon vor dem Ernst der Dinge zu grauen begann, ließ sich mit seinem Gastfreund, dem Konsular Quintus Marcius Philippus, über die Frivolität der römischen Kriegserklärung in Verhandlungen ein und sich durch diese bestimmen, den Angriff zu verschieben und noch einmal einen Friedensversuch in Rom zu machen, den, wie begreiflich, der Senat nur beantwortete mit der Ausweisung sämtlicher Makedonier aus Italien und der Einschiffung der Legionen. Zwar tadelten die Senatoren der älteren Schule die „neue Weisheit“ ihres Kollegen und die unrömische List; allein der Zweck war erreicht und der Winter verfloß, ohne daß Perseus sich rührte. Desto eifriger nutzten die römischen Diplomaten die Zwischenzeit, um Perseus eines jeden Anhaltes in Griechenland zu berauben. Der Achäer war man sicher. Nicht einmal die Patriotenpartei daselbst, die weder mit jenen sozialen Bewegungen einverstanden war noch überhaupt sich weiter verstieg als zu der Sehnsucht nach einer weisen Neutralität, dachte daran, sich Perseus in die Arme zu werfen; und überdies war dort jetzt durch römischen Einfluß die Gegenpartei ans Ruder gekommen, die unbedingt sich an Rom anschloß. Der Ätolische Bund hatte zwar in seinen inneren Unruhen von Perseus Hilfe erbeten; aber der unter den Augen der römischen Gesandten gewählte neue Strateg Lykiskos war römischer gesinnt als die Römer selbst. Auch bei den Thessalern behielt die römische Partei die Oberhand. Sogar die von Alters her makedonisch gesinnten und ökonomisch aufs tiefste zerrütteten Böoter hatten in ihrer Gesamtheit sich nicht offen für Perseus erklärt; doch ließen wenigstens drei ihrer Städte, Thisbae, Haliartos und Koroneia auf eigene Hand sich mit Perseus ein. Da auf die Beschwerde des römischen Gesandten die Regierung der böotischen Eidgenossenschaft ihm den Stand der Dinge mitteilte, erklärte jener, daß sich am besten zeigen werde, welche Stadt es mit Rom halte und welche nicht, wenn jede sich einzeln ihm gegenüber ausspreche; und daraufhin lief die Böotische Eidgenossenschaft geradezu auseinander. Es ist nicht wahr, daß Epaminondas‘ großer Bau von den Römern zerstört worden ist; er fiel tatsächlich zusammen, ehe sie daran rührten, und ward also freilich das Vorspiel für die Auflösung der übrigen, noch fester geschlossenen griechischen Städtebünde40. Mit der Mannschaft der römisch gesinnten böotischen Städte belagerte der römische Gesandte Publius Lentulus Haliartos, noch ehe die römische Flotte im Ägäischen Meer erschien.
Chalkis ward mit achäischer, die orestische Landschaft mit epeirotischer Mannschaft, die dassaretischen und illyrischen Kastelle an der makedonischen Westgrenze von den Truppen des Gnaeus Sicinius besetzt, und sowie die Schiffahrt wieder begann, erhielt Larisa eine Besatzung von 2000 Mann. Perseus sah dem allem untätig zu und hatte keinen Fußbreit Landes außerhalb seines eigenen Gebietes inne, als im Frühling oder nach dem offiziellen Kalender im Juni 583 (171) die römischen Legionen an der Westküste landeten. Es ist zweifelhaft, ob Perseus namhafte Bundesgenossen gefunden haben würde, auch wenn er soviel Energie gezeigt hätte, als er Schlaffheit bewies; unter diesen Umständen blieb er natürlich völlig allein, und jene weitläufigen Propagandaversuche führten vorläufig wenigstens zu gar nichts. Karthago, Genthios von Illyrien, Rhodos und die kleinasiatischen Freistädte, selbst das mit Perseus bisher so eng befreundete Byzanz, boten den Römern Kriegsschiffe an, welche diese indes ablehnten. Eumenes machte sein Landheer und seine Schiffe mobil. König Ariarathes von Kappadokien schickte ungeheißen Geiseln nach Rom. Perseus‘ Schwager, König Prusias II. von Bithynien, blieb neutral. In ganz Griechenland rührte sich niemand. König Antiochos IV. von Syrien, im Kurialstil „der Gott, der glänzende Siegbringer“ genannt zur Unterscheidung von seinem Vater, dem „Großen“, rührte sich zwar, aber nur um dem ganz ohnmächtigen Ägypten während dieses Krieges das syrische Küstenland zu entreißen.
Indes wenn Perseus auch fast allein stand, so war er doch ein nicht verächtlicher Gegner. Sein Heer zählte 43000 Mann, darunter 21000 Phalangiten und 4000 makedonische und thrakische Reiter, der Rest größtenteils Söldner. Die Gesamtmacht der Römer in Griechenland betrug zwischen 30- und 40000 Mann italischer Truppen, außerdem über 10000 Mann numidischen, ligurischen, griechischen, kretischen und besonders pergamenischen Zuzugs. Dazu kam die Flotte, die nur 40 Deckschiffe zählte, da ihr keine feindliche gegenüberstand – Perseus, dem der Vertrag mit Rom Kriegsschiffe zu bauen verboten hatte, richtete erst jetzt Werften in Thessalonike ein –, die aber bis 10000 Mann Truppen an Bord hatte, da sie hauptsächlich bei Belagerungen mitzuwirken bestimmt war. Die Flotte führte Gaius Lucretius, das Landheer der Konsul Publius Licinius Crassus. Derselbe ließ eine starke Abteilung in Illyrien, um von Westen aus Makedonien zu beunruhigen, während er mit der Hauptmacht wie gewöhnlich von Apollonia nach Thessalien aufbrach. Perseus dachte nicht daran, den schwierigen Marsch zu stören, sondern begnügte sich, in Perrhaebien einzurücken und die nächsten Festungen zu besetzen. Am Ossa erwartete er den Feind und unweit Larisa erfolgte das erste Gefecht zwischen den beiderseitigen Reitern und leichten Truppen. Die Römer wurden entschieden geschlagen. Kotys mit der thrakischen Reiterei hatte die italische, Perseus mit der makedonischen die griechische geworfen und zersprengt; die Römer hatten 2000 Mann zu Fuß, 2000 Reiter an Toten, 600 Reiter an Gefangenen verloren und mußten sich glücklich schätzen, unbehindert den Peneios überschreiten zu können. Perseus benutzte den Sieg, um auf dieselben Bedingungen, die Philippos erhalten hatte, den Frieden zu erbitten; sogar dieselbe Summe zu zahlen war er bereit. Die Römer schlugen die Forderung ab; sie schlossen nie Frieden nach einer Niederlage, und hier hätte der Friedensschluß allerdings folgeweise den Verlust Griechenlands nach sich gezogen. Indes anzugreifen verstand der elende römische Feldherr auch nicht; man zog hin und her in Thessalien, ohne daß etwas von Bedeutung geschah. Perseus konnte die Offensive ergreifen; er sah die Römer schlecht geführt und zaudernd; wie ein Lauffeuer war die Nachricht durch Griechenland gegangen, daß das griechische Heer im ersten Treffen glänzend gesiegt habe – ein zweiter Sieg konnte zur allgemeinen Insurrektion der Patriotenpartei führen und durch die Eröffnung eines Guerillakrieges unberechenbare Erfolge bewirken. Allein Perseus war ein guter Soldat, aber kein Feldherr wie sein Vater; er hatte sich auf einen Verteidigungskrieg gefaßt gemacht, und wie die Dinge anders gingen, fand er sich wie gelähmt. Einen unbedeutenden Erfolg, den die Römer in einem zweiten Reitergefecht bei Phalanna davontrugen, nahm er zum Vorwand, um nun doch, wie es beschränkten und eigensinnigen Naturen eigen ist, zu dem ersten Plan zurückzukehren und Thessalien zu räumen. Das hieß natürlich soviel, als auf jeden Gedanken einer hellenischen Insurrektion verzichten; was sonst sich hätte erreichen lassen, zeigt der dennoch erfolgte Parteiwechsel der Epeiroten. Von beiden Seiten geschah seitdem nichts Ernstliches mehr; Perseus überwand den König Genthios, züchtigte die Dardaner und ließ durch Kotys die römisch gesinnten Thraker und die pergamenischen Truppen aus Thrakien hinausschlagen. Dagegen nahm die römische Westarmee einige illyrische Städte, und der Konsul beschäftigte sich damit, Thessalien von den makedonischen Besatzungen zu reinigen und sich der unruhigen Ätoler und Akarnanen durch Besetzung von Ambrakia zu versichern. Am schwersten aber empfanden den römischen Heldenmut die unglücklichen böotischen Städte, die mit Perseus hielten; die Einwohner sowohl von Thisbae, das sich ohne Widerstand ergab, sowie der römische Admiral Gaius Lucretius vor der Stadt erschien, wie von Haliartos, das ihm die Tore schloß und erstürmt werden mußte, wurden von ihm in die Sklaverei verkauft, Koroneia von dem Konsul Crassus gar der Kapitulation zuwider ebenso behandelt. Noch nie hatte ein römisches Heer so schlechte Mannszucht gehalten wie unter diesen Befehlshabern. Sie hatten das Heer so zerrüttet, daß auch im nächsten Feldzug 584 (170) der neue Konsul Aulus Hostilius an ernstliche Unternehmungen nicht denken konnte, zumal da der neue Admiral Lucius Hortensius sich ebenso unfähig und gewissenlos erwies wie sein Vorgänger. Die Flotte lief ohne allen Erfolg in den thrakischen Küstenplätzen an. Die Westarmee unter Appius Claudius, dessen Hauptquartier in Lychnidos im dassaretischen Gebiet war, erlitt eine Schlappe über die andere; nachdem eine Expedition nach Makedonien hinein völlig verunglückt war, griff gegen Anfang des Winters der König mit den an der Südgrenze durch den tiefen, alle Pässe sperrenden Schnee entbehrlich gewordenen Truppen den Appius seinerseits an, nahm ihm zahlreiche Ortschaften und eine Menge Gefangene ab und knüpfte Verbindungen mit dem König Genthios an; ja er konnte einen Versuch machen, in Ätolien einzufallen, während Appius sich in Epeiros von der Besatzung einer Festung, die er vergeblich belagert hatte, noch einmal schlagen ließ. Die römische Hauptarmee machte ein paar Versuche, erst über die Kambunischen Berge, dann durch die thessalischen Pässe in Makedonien einzudringen, aber sie wurden schlaff angestellt und beide von Perseus zurückgewiesen. Hauptsächlich beschäftigte der Konsul sich mit der Reorganisierung des Heeres, die freilich auch vor allen Dingen nötig war, aber einen strengeren Mann und einen namhafteren Offizier erforderte. Abschied und Urlaub waren käuflich geworden, die Abteilungen daher niemals vollzählig; die Mannschaft ward im Sommer einquartiert, und wie die Offiziere im großen Stil, stahlen die Gemeinen im kleinen; die befreundeten Völkerschaften wurden in schmählicher Weise beargwohnt – so wälzte man die Schuld der schimpflichen Niederlage bei Larisa auf die angebliche Verräterei der ätolischen Reiterei und sandte unerhörterweise deren Offiziere zur Kriminaluntersuchung nach Rom; so drängte man die Molotter in Epeiros. durch falschen Verdacht zum wirklichen Abfall; die verbündeten Städte wurden, als wären sie erobert, mit Kriegskontributionen belegt, und wenn sie auf den römischen Senat provozierten, die Bürger hingerichtet oder zu Sklaven verkauft – so in Abdera und ähnlich in Chalkis. Der Senat schritt sehr ernstlich ein41: er befahl die Befreiung der unglücklichen Koroneier und Abderiten und verbot den römischen Beamten, ohne Erlaubnis des Senats Leistungen von den Bundesgenossen zu verlangen. Gaius Lucretius ward von der Bürgerschaft einstimmig verurteilt. Allein das konnte nicht ändern, daß das Ergebnis dieser beiden ersten Feldzüge militärisch null, politisch ein Schandfleck für die Römer war, deren ungemeine Erfolge im Osten nicht zum wenigsten darauf beruhten, daß sie der hellenischen Sündenwirtschaft gegenüber sittlich rein und tüchtig auftraten. Hätte an Perseus‘ Stelle Philippos kommandiert, so würde dieser Krieg vermutlich mit der Vernichtung des römischen Heeres und dem Abfall der meisten Hellenen begonnen haben; allein Rom war so glücklich, in den Fehlern stets von seinen Gegnern überboten zu werden. Perseus begnügte sich in Makedonien, das nach Süden und Westen eine wahre Bergfestung ist, gleichwie in einer belagerten Stadt sich zu verschanzen.
Auch der dritte Oberfeldherr, den Rom 585 (169) nach Makedonien sandte, Quintus Marcius Philippus, jener schon erwähnte ehrliche Gastfreund des Königs, war seiner keineswegs leichten Aufgabe durchaus nicht gewachsen. Er war ehrgeizig und unternehmend, aber ein schlechter Offizier. Sein Wagestück, durch den Paß Lapathus westlich von Tempe den Übergang über den Olympos in der Art zu gewinnen, daß er gegen die Besatzung des Passes eine Abteilung zurückließ und mit der Hauptmacht durch unwegsame Abhänge nach Herakleion zu den Weg sich bahnte, wird dadurch nicht entschuldigt, daß es gelang. Nicht bloß konnte eine Handvoll entschlossener Leute ihm den Weg verlegen, wo dann an keinen Rückzug zu denken war, sondern noch nach dem Übergang stand er mit der makedonischen Hauptmacht vor sich, hinter sich die stark befestigten Bergfestungen Tempe und Lapathus, eingekeilt in eine schmale Strandebene und ohne Zufuhr wie ohne Möglichkeit zu fouragieren, in einer nicht minder verzweifelten Lage, als da er in seinem ersten Konsulat in den ligurischen Engpässen, die seitdem seinen Namen behielten, sich gleichfalls hatte umzingeln lassen. Allein wie damals ihn ein Zufall rettete, so jetzt Perseus‘ Unfähigkeit. Als ob er den Gedanken nicht fassen könne, gegen die Römer anders als durch Sperrung der Pässe sich zu verteidigen, gab er sich seltsamerweise verloren, sowie er die Römer diesseits derselben erblickte, flüchtete eiligst nach Pydna und befahl, seine Schiffe zu verbrennen und seine Schätze zu versenken. Aber selbst dieser freiwillige Abzug der makedonischen Armee befreite den Konsul noch nicht aus seiner peinlichen Lage. Er ging zwar ungehindert vor, mußte aber nach vier Tagemärschen wegen Mangels an Lebensmitteln sich wieder rückwärts wenden; und da auch der König zur Besinnung kam und schleunigst umkehrte, um in die verlassene Position wieder einzurücken, so wäre das römische Heer in große Gefahr geraten, wenn nicht zur rechten Zeit das unüberwindliche Tempe kapituliert und seine reichen Vorräte dem Feind überliefert hätte. Die Verbindung mit dem Süden war nun zwar dadurch dem römischen Heere gesichert; aber auch Perseus hatte sich in seiner früheren wohlgewählten Stellung an dem Ufer des kleinen Flusses Elpios stark verbarrikadiert und hemmte hier den weiteren Vormarsch der Römer. So verblieb das römische Heer den Rest des Sommers und den Winter eingeklemmt in den äußersten Winkel Thessaliens; und wenn die Überschreitung der Pässe allerdings ein Erfolg und der erste wesentliche in diesem Krieg war, so verdankte man ihn doch nicht der Tüchtigkeit des römischen, sondern der Verkehrtheit des feindlichen Feldherrn. Die römische Flotte versuchte vergebens Demetrias zu nehmen und richtete überhaupt gar nichts aus. Perseus‘ leichte Schiffe streiften kühn zwischen den Kykladen, beschützten die nach Makedonien bestimmten Kornschiffe und griffen die feindlichen Transporte auf. Bei der Westarmee stand es noch weniger gut; Appius Claudius konnte mit seiner geschwächten Abteilung nichts ausrichten, und der von ihm begehrte Zuzug aus Achaia ward durch die Eifersucht des Konsuls abgehalten zu kommen. Dazu kam, daß Genthios sich von Perseus durch das Versprechen einer großen Geldsumme hatte erkaufen lassen, mit Rom zu brechen, und die römischen Gesandten einkerkern ließ; worauf übrigens der sparsame König es überflüssig fand, die zugesicherten Gelder zu zahlen, da Genthios nun allerdings ohnehin gezwungen war, statt der bisherigen zweideutigen eine entschieden feindliche Stellung gegen Rom einzunehmen. So hatte man also einen kleinen Krieg mehr neben dem großen, der nun schon drei Jahre sich hinzog. Ja hätte Perseus sich von seinem Golde zu trennen vermocht, er hätte den Römern noch gefährlichere Feinde erwecken können. Ein Keltenschwarm unter Clondicus, 10000 Mann zu Pferde und ebenso viele zu Fuß, bot in Makedonien selbst sich an, bei ihm Dienste zu nehmen; allein man konnte sich über den Sold nicht einigen. Auch in Hellas gärte es so, daß ein Guerillakrieg sich mit einiger Geschicklichkeit und einer vollen Kasse leicht hätte entzünden lassen; allein da Perseus nicht Lust hatte zu geben und die Griechen nichts umsonst taten, blieb das Land ruhig.
Endlich entschloß man sich in Rom, den rechten Mann nach Griechenland zu senden. Es war Lucius Aemilius Paullus, der Sohn des gleichnamigen Konsuls, der bei Cannae fiel; ein Mann von altem Adel, aber geringem Vermögen und deshalb auf dem Wahlplatz nicht so glücklich wie auf dem Schlachtfeld, wo er in Spanien und mehr noch in Ligurien sich ungewöhnlich hervorgetan. Ihn wählte das Volk für das Jahr 586 (168) zum zweitenmal zum Konsul seiner Verdienste wegen, was damals schon eine seltene Ausnahme war. Er war in jeder Beziehung der rechte: ein vorzüglicher Feldherr von der alten Schule, streng gegen sich und seine Leute und trotz seiner sechzig Jahre noch frisch und kräftig, ein unbestechlicher Beamter – „einer der wenigen Römer jener Zeit, denen man kein Geld bieten konnte“, sagt ein Zeitgenosse von ihm – und ein Mann von hellenischer Bildung, der noch als Oberfeldherr die Gelegenheit benutzte, um Griechenland der Kunstwerke wegen zu bereisen.
Sowie der neue Feldherr im Lager bei Herakleion eingetroffen war, ließ er, während Vorpostengefechte im Flußbett des Elpios die Makedonier beschäftigten, den schlecht bewachten Paß bei Pythion durch Publius Nasica überrumpeln; der Feind war dadurch umgangen und mußte nach Pydna zurückweichen. Hier, am römischen 4. September 586 (168) oder am 22. Juni des Julianischen Kalenders – eine Mondfinsternis, die ein kundiger römischer Offizier dem Heer voraussagte, damit kein böses Anzeichen darin gefunden werde, gestattet hier die genaue Zeitbestimmung – wurden beim Tränken der Rosse nach Mittag zufällig die Vorposten handgemein, und beide Teile entschlossen sich, die eigentlich erst auf den nächsten Tag angesetzte Schlacht sofort zu liefern. Ohne Helm und Panzer durch die Reihen schreitend ordnete der greise Feldherr der Römer selber seine Leute. Kaum standen sie, so stürmte die furchtbare Phalanx auf sie ein; der Feldherr selber, der doch manchen harten Kampf gesehen hatte, gestand später ein, daß er gezittert habe. Die römische Vorhut zerstob, eine paelignische Kohorte ward niedergerannt und fast vernichtet, die Legionen selbst wichen eilig zurück, bis sie einen Hügel erreicht hatten, bis hart an das römische Lager. Hier wandte sich das Glück. Das unebene Terrain und die eilige Verfolgung hatte die Glieder der Phalanx gelöst; in einzelnen Kohorten drangen die Römer in jede Lücke ein, griffen von der Seite und von hinten an, und da die makedonische Reiterei, die allein noch hätte Hilfe bringen können, ruhig zusah und bald sich in Massen davonmachte, mit ihr unter den ersten der König, so war in weniger als einer Stunde das Geschick Makedoniens entschieden. Die 3000 erlesenen Phalangiten ließen sich niederhauen bis auf den letzten Mann; es war, als wolle die Phalanx, die ihre letzte große Schlacht bei Pydna schlug, hier selber untergehen. Die Niederlage war furchtbar; 20000 Makedonier lagen auf dem Schlachtfeld, 11000 wurden gefangen. Der Krieg war zu Ende, am fünfzehnten Tage nachdem Paullus den Oberbefehl übernommen hatte; ganz Makedonien unterwarf sich in zwei Tagen. Der König flüchtete mit seinem Golde – noch hatte er über 6000 Talente (10 Mill. Taler) in seiner Kasse – nach Samothrake, begleitet von wenigen Getreuen. Allein da er selbst von diesen noch einen ermordete, den Euandros von Kreta, der als Anstifter des gegen Eumenes versuchten Mordes zur Rechenschaft gezogen werden sollte, verließen ihn auch die königlichen Pagen und die letzten Gefährten. Einen Augenblick hoffte er, daß das Asylrecht ihn schützen werde; allein selbst er begriff, daß er sich an einen Strohhalm halte. Ein Versuch, zu Kotys zu flüchten, mißlang. So schrieb er an den Konsul; allein der Brief ward nicht angenommen, da er sich darin König genannt hatte. Er erkannte sein Schicksal und lieferte auf Gnade und Ungnade den Römern sich aus mit seinen Kindern und seinen Schätzen, kleinmütig und weinend, den Siegern selbst zum Ekel. Mit ernster Freude und mehr der Wandelbarkeit der Geschicke als dem gegenwärtigen Erfolg nachsinnend empfing der Konsul den vornehmsten Gefangenen, den je ein römischer Feldherr heimgebracht hat. Perseus starb wenige Jahre darauf als Staatsgefangener in Alba am Fuciner See42; sein Sohn lebte in späteren Jahren in derselben italischen Landstadt als Schreiber.
So ging das Reich Alexanders des Großen, das den Osten bezwungen und hellenisiert hatte, 144 Jahre nach seinem Tode zugrunde.
Damit aber zu dem Trauerspiel die Posse nicht fehlte, ward gleichzeitig auch der Krieg gegen den „König“ Genthios von Illyrien von dem Prätor Lucius Anicius binnen dreißig Tagen begonnen und beendet, die Piratenflotte genommen, die Hauptstadt Skodra erobert, und die beiden Könige, der Erbe des großen Alexander und der des Pleuratos, zogen nebeneinander gefangen in Rom ein.
Es war im Senat beschlossen worden, daß die Gefahr nicht wiederkehren dürfe, die Flamininus‘ unzeitige Milde über Rom gebracht hatte. Makedonien ward vernichtet. Auf der Konferenz zu Amphipolis am Strymon verfügte die römische Kommission die Auflösung des festgeschlossenen, durch und durch monarchischen Einheitsstaates in vier, nach dem Schema der griechischen Eidgenossenschaften zugeschnittene republikanisch-föderative Gemeindebünde, den von Amphipolis in den östlichen Landschaften, den von Thessalonike mit der chalkidischen Halbinsel, den von Pella an der thessalischen Grenze und den von Pelagonia im Binnenland. Zwischenheiraten unter den Angehörigen der verschiedenen Eidgenossenschaften waren ungültig, und keiner durfte in mehr als einer derselben ansässig sein. Alle königlichen Beamten sowie deren erwachsene Söhne mußten das Land verlassen und sich nach Italien begeben, bei Todesstrafe – man fürchtete noch immer, und mit Recht, die Zuckungen der alten Loyalität. Das Landrecht und die bisherige Verfassung blieb übrigens bestehen; die Beamten wurden natürlich durch Gemeindewahlen ernannt und innerhalb der Gemeinden wie der Bünde die Macht in die Hände der Vornehmen gelegt. Die königlichen Domänen und die Regalien wurden den Eidgenossenschaften nicht zugestanden, namentlich die Gold- und Silbergruben, ein Hauptreichtum des Landes, zu bearbeiten untersagt; doch ward 596 (138) wenigstens die Ausbeutung der Silbergruben wieder gestattet43. Die Einfuhr von Salz, die Ausfuhr von Schiffbauholz wurden verboten. Die bisher an den König gezahlte Grundsteuer fiel weg, und es blieb den Eidgenossenschaften und den Gemeinden überlassen, sich selber zu besteuern; doch hatten diese die Hälfte der bisherigen Grundsteuer nach einem ein für allemal festgestellten Satz, zusammen jährlich 100 Talente (170000 Taler), nach Rom zu entrichten44. Das ganze Land ward für ewige Zeiten entwaffnet, die Festung Demetrias geschleift; nur an der Nordgrenze sollte eine Postenkette gegen die Einfälle der Barbaren bestehen bleiben. Von den abgelieferten Waffen wurden die kupfernen Schilde nach Rom gesandt, der Rest verbrannt.
Man erreichte seinen Zweck. Das makedonische Land hat zweimal noch auf den Ruf von Prinzen aus dem alten Herrscherhause zu den Waffen gegriffen, und ist übrigens von jener Zeit bis auf den heutigen Tag ohne Geschichte geblieben.
Ähnlich ward Illyrien behandelt. Das Reich des Genthios ward in drei kleine Freistaaten zerschnitten; auch hier zahlten die Ansässigen die Hälfte der bisherigen Grundsteuer an ihre neuen Herren, mit Ausnahme der Städte, die es mit den Römern gehalten hatten und dafür Grundsteuerfreiheit erhielten – eine Ausnahme, die zu machen Makedonien keine Veranlassung bot. Die illyrische Piratenflotte ward konfisziert und den angeseheneren griechischen Gemeinden an dieser Küste geschenkt. Die ewigen Quälereien, welche die Illyrier den Nachbarn namentlich durch ihre Korsaren zufügten, hatten hiermit wenigstens auf lange hinaus ein Ende.
Kotys in Thrakien, der schwer zu erreichen und gelegentlich gegen Eumenes zu brauchen war, erhielt Verzeihung und seinen gefangenen Sohn zurück.
So waren die nördlichen Verhältnisse geordnet und auch Makedonien endlich von dem Joch der Monarchie erlöst – in der Tat, Griechenland war freier als je, ein König nirgend mehr vorhanden.
Aber man beschränkte sich nicht darauf, Makedonien Sehnen und Nerven zu zerschneiden. Es war im Senat beschlossen, die sämtlichen hellenischen Staaten, Freund und Feind, ein für allemal unschädlich zu machen und sie miteinander in dieselbe demütige Klientel hinabzudrücken. Die Sache selbst mag sich rechtfertigen lassen; allein die Art der Ausführung namentlich gegen die mächtigeren unter den griechischen Klientelstaaten ist einer Großmacht nicht würdig und zeigt, daß die Epoche der Fabier und Scipionen zu Ende ist. Am schwersten traf dieser Rollenwechsel denjenigen Staat, der von Rom geschaffen und großgezogen war, um Makedonien im Zaum zu halten, und dessen man jetzt nach Makedoniens Vernichtung freilich nicht mehr bedurfte, das Reich der Attaliden. Es war nicht leicht, gegen den klugen und besonnenen Eumenes einen erträglichen Vorwand zu finden, um ihn aus seiner bevorzugten Stellung zu verdrängen und ihn in Ungnade fallen zu lassen. Auf einmal kamen um die Zeit, da die Römer im Lager bei Herakleion standen, seltsame Gerüchte über ihn in Umlauf; er stehe mit Perseus im heimlichen Verkehr; plötzlich sei seine Flotte wie weggeweht gewesen; für seine Nichtteilnahme am Feldzug seien ihm 500, für die Vermittlung des Friedens 1500 Talente geboten worden, und nur an Perseus‘ Geiz habe sich der Vertrag zerschlagen. Was die pergamenische Flotte anlangt, so ging der König mit ihr, als die römische sich ins Winterquartier begab, gleichfalls heim, nachdem er dem Konsul seine Aufwartung gemacht hatte. Die Bestechungsgeschichte ist so sicher ein Märchen wie nur irgendeine heutige Zeitungsente; denn daß der reiche, schlaue und konsequente Attalide, der den Bruch zwischen Rom und Makedonien durch seine Reise 582 (172) zunächst veranlaßt hatte, und fast deswegen von Perseus‘ Banditen ermordet worden wäre, in dem Augenblick, wo die wesentlichen Schwierigkeiten eines Krieges überwunden waren, an dessen endlichem Ausgang er überdies nie ernstlich gezweifelt haben konnte, daß er seinen Anteil an der Beute seinem Mörder um einige Talente verkauft und das Werk langer Jahre an eine solche Erbärmlichkeit gesetzt haben sollte, ist denn doch nicht bloß gelogen, sondern sehr albern gelogen. Daß kein Beweis weder in Perseus‘ Papieren noch sonst sich vorfand, ist sicher genug; denn selbst die Römer wagten nicht, jene Verdächtigungen laut auszusprechen. Aber sie hatten ihren Zweck. Was man wollte, zeigt das Benehmen der römischen Großen gegen Attalos, Eumenes‘ Bruder, der die pergamenischen Hilfstruppen in Griechenland befehligt hatte. Mit offenen Armen ward der wackere und treue Kamerad in Rom empfangen und aufgefordert, nicht für seinen Bruder, sondern für sich zu bitten – gern werde der Senat ihm ein eigenes Reich gewähren, Attalos erbat nichts als Aenos und Maroneia. Der Senat meinte, daß dies nur eine vorläufige Bitte sei und gestand sie mit großer Artigkeit zu. Als er aber abreiste, ohne weitere Forderungen gestellt zu haben, und der Senat zu der Einsicht kam, daß die pergamenische Regentenfamilie unter sich nicht so lebe, wie es in den fürstlichen Häusern hergebracht war, wurden Aenos und Maroneia zu Freistädten erklärt. Nicht einen Fußbreit Landes erhielten die Pergamener von der makedonischen Beute; hatte man nach Antiochos‘ Besiegung Philippos gegenüber noch die Formen geschont, so wollte man jetzt verletzen und demütigen. Um diese Zeit scheint der Senat Pamphylien, über dessen Besitz Eumenes und Antiochos bisher gestritten, unabhängig erklärt zu haben. Wichtiger war es, daß die Galater, bisher im wesentlichen in der Gewalt des Eumenes, nachdem derselbe den pontischen König mit Waffengewalt aus Galatien vertrieben und im Frieden ihm die Zusage abgenötigt hatte, mit den galatischen Fürsten keine Verbindung ferner unterhalten zu wollen, jetzt, ohne Zweifel rechnend auf die zwischen Eumenes und den Römern eingetretene Spannung, wenn nicht geradezu von diesen veranlaßt, sich gegen Eumenes erhoben, sein Reich überschwemmten und ihn in große Gefahr brachten. Eumenes erbat die römische Vermittlung; der römische Gesandte war dazu bereit, meinte aber, daß Attalos, der das pergamenische Heer befehligte, besser nicht mitgehe, um die Wilden nicht zu verstimmen, und merkwürdigerweise richtete er gar nichts aus, ja er erzählte bei der Rückkehr, daß seine Vermittlung die Wilden erst recht erbittert habe. Es währte nicht lange, so ward die Unabhängigkeit der Galater von dem Senat ausdrücklich anerkannt und gewährleistet. Eumenes entschloß sich, persönlich nach Rom zu gehen und im Senat seine Sache zu führen. Da beschloß dieser plötzlich, wie vom bösen Gewissen geplagt, daß Könige künftig nicht mehr nach Rom sollten kommen dürfen, und schickte ihm nach Brundisium einen Quästor entgegen, ihm diesen Senatsbeschluß vorzulegen, ihn zu fragen, was er wolle, und ihm anzudeuten, daß man seine schleunige Abreise gern sehen werde. Der König schwieg lange; er begehre, sagte er endlich, weiter nichts und schiffte sich wieder ein. Er sah, wie es stand: die Epoche der halbmächtigen und halbfreien Bundesgenossenschaft war zu Ende; es begann die der ohnmächtigen Untertänigkeit.
Ähnlich erging es den Rhodiern. Ihre Stellung war ungemein bevorzugt; sie standen mit Rom nicht in eigentlicher Symmachie, sondern in einem gleichen Freundschaftsverhältnis, das sie nicht hinderte, Bündnisse jeder Art einzugehen und nicht nötigte, den Römern auf Verlangen Zuzug zu leisten. Vermutlich war eben dies die letzte Ursache, weshalb ihr Einverständnis mit Rom schon seit einiger Zeit getrübt war. Die ersten Zerwürfnisse mit Rom hatten stattgefunden infolge des Aufstandes der nach Antiochos‘ Überwindung ihnen zugeteilten Lykier gegen ihre Zwingherren, die sie (576 178) als abtrünnige Untertanen in grausamer Weise knechteten; diese aber behaupteten, nicht Untertanen, sondern Bundesgenossen der Rhodier zu sein und drangen damit im römischen Senat durch, als derselbe aufgefordert war, den zweifelhaften Sinn des Friedensinstruments festzustellen. Hierbei hatte indes ein gerechtfertigtes Mitleid mit den, arg gedrückten Leuten wohl das meiste getan; wenigstens geschah von Rom nichts weiter, und man ließ diesen wie anderen hellenischen Hader gehen. Als der Krieg mit Perseus ausbrach, sahen ihn die Rhodier zwar wie alle übrigen verständigen Griechen ungern, und namentlich Eumenes als Anstifter desselben war übel berufen, so daß sogar seine Festgesandtschaft bei der Heliosfeier in Rhodos abgewiesen ward. Allein dies hinderte sie nicht, fest an Rom zu halten und die makedonische Partei, die es wie allerorts so auch in Rhodos gab, nicht an das Ruder zu lassen; die noch 585 (169) ihnen erteilte Erlaubnis, Getreide aus Sizilien auszuführen, beweist die Fortdauer des guten Vernehmens mit Rom. Plötzlich erschienen kurz vor der Schlacht bei Pydna rhodische Gesandte im römischen Hauptquartier und im römischen Senat mit der Erklärung, daß die Rhodier nicht länger diesen Krieg dulden würden, der auf ihren makedonischen Handel und auf die Hafeneinnahme drücke, und daß sie der Partei, die sich weigere, Frieden zu schließen, selbst den Krieg zu erklären gesonnen seien, auch zu diesem Ende bereits mit Kreta und mit den asiatischen Städten ein Bündnis abgeschlossen hätten. In einer Republik mit Urversammlungen ist vieles möglich; aber diese wahnsinnige Intervention einer Handelsstadt, die erst beschlossen sein kann, als man in Rhodos den Fall des Tempepasses kannte, verlangt eine nähere Erklärung. Den Schlüssel gibt die wohl beglaubigte Nachricht, daß der Konsul Quintus Marcius, jener Meister der „neumodischen Diplomatie“, im Lager bei Herakleion, also nach Besetzung des Tempepasses, den rhodischen Gesandten Agepolis mit Artigkeiten überhäuft und ihn unter der Hand ersucht hatte, den Frieden zu vermitteln. Republikanische Verkehrtheit und Eitelkeit taten das übrige; man meinte, die Römer gäben sich verloren, man hätte gern zwischen vier Großmächten zugleich den Vermittler gespielt – Verbindungen mit Perseus spannen sich an; rhodische Gesandte von makedonischer Gesinnung sagten mehr, als sie sagen sollten; und man war gefangen. Der Senat, der ohne Zweifel größtenteils selbst von jenen Intrigen nichts wußte, vernahm die wundersame Botschaft mit begreiflicher Indignation und war erfreut über die gute Gelegenheit zur Demütigung der übermütigen Kaufstadt. Ein kriegslustiger Prätor ging gar so weit, bei dem Volk die Kriegserklärung gegen Rhodos zu beantragen. Umsonst beschworen die rhodischen Gesandten einmal über das andere kniefällig den Senat, der hundertundvierzigjährigen Freundschaft mehr als des einen Verstoßes zu gedenken; umsonst schickten sie die Häupter der makedonischen Partei auf das Schafott oder nach Rom; umsonst sandten sie einen schweren Goldkranz zum Dank für die unterbliebene Kriegserklärung. Der ehrliche Cato bewies zwar, daß die Rhodier eigentlich gar nichts verbrochen hätten und fragte, ob man anfangen wolle, Wünsche und Gedanken zu strafen und ob man den Völkern die Besorgnis verargen könne, daß die Römer sich alles erlauben möchten, wenn sie niemanden mehr fürchten würden. Seine Worte und Warnungen waren vergeblich. Der Senat nahm den Rhodiern ihre Besitzungen auf dem Festland, die einen jährlichen Ertrag von 120 Talenten (200000 Taler) abwarfen. Schwerer noch fielen die Schläge gegen den rhodischen Handel. Schon die Verbote der Salzeinfuhr nach und der Ausfuhr von Schiffbauholz aus Makedonien scheinen gegen Rhodos gerichtet. Unmittelbarer noch traf den rhodischen Handel die Errichtung des delischen Freihafens; der rhodische Hafenzoll, der bis dahin jährlich 1 Mill. Drachmen (286000 Taler) abgeworfen hatte, sank in kürzester Zeit auf 150000 Drachmen (43000 Taler). Überhaupt aber waren die Rhodier in ihrer Freiheit und dadurch in ihrer freien und kühnen Handelspolitik gelähmt, und der Staat fing an zu siechen. Selbst das erbetene Bündnis ward anfangs abgeschlagen und erst 590 (164) nach wiederholten Bitten erneuert. Die gleich schuldigen, aber machtlosen Kreter kamen mit einem derben Verweis davon.
Mit Syrien und Ägypten konnte man kürzer zu Werke gehen. Zwischen beiden war Krieg ausgebrochen, wieder einmal über Koilesyrien und Palästina. Nach der Behauptung der Ägypter waren diese Provinzen bei der Vermählung der syrischen Kleopatra an Ägypten abgetreten worden; was der Hof von Babylon indes, der sich im faktischen Besitz befand, in Abrede stellte. Wie es scheint, gab die Anweisung der Mitgift auf die Steuern der koilesyrischen Städte die Veranlassung zu dem Hader und war das Recht auf syrischer Seite; den Ausbruch des Krieges veranlaßte der Tod der Kleopatra im Jahr 581 (173), mit dem spätestens die Rentenzahlungen aufhörten. Der Krieg scheint von Ägypten begonnen zu sein; allein auch König Antiochos Epiphanes ergriff die Gelegenheit gern, um das traditionelle Ziel der Seleukidenpolitik, die Erwerbung Ägyptens, während der Beschäftigung der Römer in Makedonien noch einmal – es sollte das letzte Mal sein – anzustreben. Das Glück schien ihm günstig. Der damalige König von Ägypten, Ptolemaeos VI. Philometor, der Sohn jener Kleopatra, hatte kaum das Knabenalter überschritten und war schlecht beraten; nach einem großen Sieg an der syrisch-ägyptischen Grenze konnte Antiochos in demselben Jahr, in welchem die Legionen in Griechenland landeten (583 171), in das Gebiet seines Neffen einrücken und bald war dieser selbst in seiner Gewalt. Es gewann den Anschein, als gedenke Antiochos unter Philometors Namen, sich in den Besitz von ganz Ägypten zu setzen; Alexandreia schloß ihm deshalb die Tore, setzte den Philometor ab und ernannte an seiner Stelle den jüngeren Bruder, Euergetes II. oder der Dicke genannt, zum König. Unruhen in seinem Reiche riefen den syrischen König aus Ägypten ab; als er zurückkam, hatten in seiner Abwesenheit die Brüder sich miteinander vertragen, und er setzte nun gegen beide den Krieg fort. Wie er eben vor Alexandreia stand, nicht lange nach der Schlacht von Pydna (586 168), traf ihn der römische Gesandte Gaius Popillius, ein harter, barscher Mann, und insinuierte ihm den Befehl des Senats, alles Eroberte zurückzugeben und Ägypten in einer bestimmten Frist zu räumen. Der König erbat sich Bedenkzeit; aber der Konsular zog mit dem Stabe einen Kreis um ihn und hieß ihn sich erklären, bevor er den Kreis überschreite. Antiochos erwiderte, daß er gehorche und zog ab nach seiner Residenz, um dort als der Gott, der glänzende Siegbringer, der er war, die Bezwingung Ägyptens nach römischer Sitte zu feiern und den Triumph des Paullus zu parodieren.
Ägypten fügte sich freiwillig in die römische Klientel; aber auch die Könige von Babylon standen hiermit ab von dem letzten Versuch, ihre Unabhängigkeit gegen Rom zu behaupten. Wie Makedonien im Krieg des Perseus, so machten die Seleukiden im koilesyrischen den gleichen und gleich letzten Versuch, sich ihre ehemalige Macht wiederzugewinnen; aber es ist bezeichnend für den Unterschied der beiden Reiche, daß dort die Legionen, hier das barsche Wort eines Diplomaten entschied.
In Griechenland selbst waren als Verbündete des Perseus, nachdem die böotischen Städte schon mehr als genug gebüßt hatten, nur noch die Molotter zu strafen. Auf geheimen Befehl des Senats gab Paullus an einem Tage siebzig Ortschaften in Epeiros der Plünderung preis und verkaufte die Einwohner, 150000 an der Zahl, in die Sklaverei. Die Ätoler verloren Amphipolis, die Akarnanen Leukas wegen ihres zweideutigen Benehmens; wogegen die Athener, die fortfuhren, den bettelnden Poeten ihres Aristophanes zu spielen, nicht bloß Delos und Lemnos geschenkt erhielten, sondern sogar sich nicht schämten, um die öde Stätte von Haliartos zu petitionieren, die ihnen denn auch zuteil ward. So war etwas für die Musen geschehen, aber mehr war zu tun für die Justiz. Eine makedonische Partei gab es in jeder Stadt und also begannen durch ganz Griechenland die Hochverratsprozesse. Wer in Perseus‘ Heer gedient hatte, ward sofort hingerichtet; nach Rom ward beschieden, wen die Papiere des Königs oder die Angabe der zum Denunzieren herbeiströmenden politischen Gegner konpromittierten – der Achäer Kallikrates und der Ätoler Lykiskos zeichneten sich aus in diesem Gewerbe. So wurden die namhafteren Patrioten unter den Thessalern, Ätolern, Akarnanen, Lesbiern und so weiter aus der Heimat entfernt; namentlich aber über tausend Achäer, wobei man nicht so sehr den Zweck verfolgte, den weggeführten Leuten den Prozeß, als die kindische Opposition der Hellenen mundtot zu machen. Den Achäern, die wie gewöhnlich sich nicht zufrieden gaben, bis sie die Antwort hatten, die sie ahnten, erklärte der Senat, ermüdet durch die ewigen Bitten um Einleitung der Untersuchung, endlich rundheraus, daß bis auf weiter die Leute in Italien bleiben würden. Sie wurden hier in den Landstädten interniert und leidlich gehalten, Fluchtversuche indes mit dem Tode bestraft; ähnlich wird die Lage der aus Makedonien weggeführten ehemaligen Beamten gewesen sein. Wie die Dinge einmal standen, war dieser Ausweg, so gewaltsam er war, noch der erträglichste und die enragierten Griechen der Römerpartei sehr wenig zufrieden damit, daß man nicht häufiger köpfte. Lykiskos hatte es deshalb zweckmäßig gefunden, in der Ratsversammlung vorläufig 500 der vornehmsten Männer der ätolischen Patriotenpartei niederstoßen zu lassen; die römische Kommission, die den Menschen brauchte, ließ es hingehen und tadelte nur, daß man diesen hellenischen Landesgebrauch durch römische Soldaten habe vollstrecken lassen. Aber man darf glauben, daß sie zum Teil, um solche Greuel abzuschneiden, jenes italische Internierungssystem aufstellte. Da überhaupt im eigentlichen Griechenland keine Macht auch nur von der Bedeutung von Rhodos oder Pergamon bestand, so bedurfte es hier einer Demütigung weiter nicht, sondern was man tat, geschah nur, um Gerechtigkeit, freilich im römischen Sinne, zu üben und die ärgerlichsten Ausbrüche des Parteihaders zu beseitigen.
Es waren hiermit die hellenistischen Staaten sämtlich der römischen Klientel vollständig untertan geworden und das gesamte Reich Alexanders des Großen, gleich als wäre die Stadt seiner Erben Erbe geworden, an die römische Bürgergemeinde gefallen. Von allen Seiten strömten die Könige und die Gesandten nach Rom, um Glück zu wünschen, und es zeigte sich, daß niemals kriechender geschmeichelt wird, als wenn Könige antichambrieren. König Massinissa, der nur auf ausdrücklichen Befehl davon abgestanden war, selber zu erscheinen, ließ durch seinen Sohn erklären, daß er sich nur als den Nutznießer, die Römer aber als die wahren Eigentümer seines Reiches betrachte und daß er stets mit dem zufrieden sein werde, was sie ihm übrig lassen würden. Darin war wenigstens Wahrheit. König Prusias von Bithynien aber, der seine Neutralität abzubüßen hatte, trug die Palme in diesem Wettkampf davon; er fiel auf sein Antlitz nieder, als er in den Senat geführt ward, und huldigte den „rettenden Göttern“. Da er so sehr verächtlich war, sagt Polybios, gab man ihm eine artige Antwort und schenkte ihm die Flotte des Perseus.
Der Augenblick wenigstens für solche Huldigungen war wohlgewählt. Von der Schlacht von Pydna rechnet Polybios die Vollendung der römischen Weltherrschaft. Sie ist in der Tat die letzte Schlacht, in der ein zivilisierter Staat als ebenbürtige Großmacht Rom auf der Walstatt gegenübergetreten ist; alle späteren Kämpfe sind Rebellionen oder Kriege gegen Völker, die außerhalb des Kreises der römisch-griechischen Zivilisation stehen, gegen sogenannte Barbaren. Die ganze zivilisierte Welt erkennt fortan in dem römischen Senat den obersten Gerichtshof, dessen Kommissionen in letzter Instanz zwischen Königen und Völkern entscheiden, um dessen Sprache und Sitte sich anzueignen fremde Prinzen und vornehme junge Männer in Rom verweilen. Ein klarer und ernstlicher Versuch, sich dieser Herrschaft zu entledigen, ist in der Tat nur ein einziges Mal gemacht worden, von dem großen Mithradates von Pontos. Die Schlacht bei Pydna bezeichnet aber auch zugleich den letzten Moment, wo der Senat noch festhält an der Staatsmaxime, wo irgend möglich jenseits der italischen Meere keine Besitzungen und keine Besatzungen zu übernehmen, sondern jene zahllosen Klientelstaaten durch die bloße politische Suprematie in Ordnung zu halten. Dieselben durften also weder sich in völlige Schwäche und Anarchie auflösen, wie es dennoch in Griechenland geschah, noch aus ihrer halbfreien Stellung sich zur vollen Unabhängigkeit entwickeln, wie es doch nicht ohne Erfolg Makedonien versuchte. Kein Staat durfte ganz zugrunde gehen, aber auch keiner sich auf eigene Füße stellen; weshalb der besiegte Feind wenigstens die gleiche, oft eine bessere Stellung bei den römischen Diplomaten hatte als der treue Bundesgenosse, und der Geschlagene zwar aufgerichtet, aber wer selber sich aufrichtete, erniedrigt ward – die Ätoler, Makedonien nach dem Asiatischen Krieg, Rhodos, Pergamon machten die Erfahrung. Aber diese Beschützerrolle ward nicht bloß bald den Herren ebenso unleidlich wie den Dienern, sondern es erwies sich auch das römische Protektorat mit seiner undankbaren, stets von vorn wieder beginnenden Sisyphusarbeit als innerlich unhaltbar. Die Anfänge eines Systemwechsels und der steigenden Abneigung Roms, auch nur Mittelstaaten in der ihnen möglichen Unabhängigkeit neben sich zu dulden, zeigen sich schon deutlich nach der Schlacht von Pydna in der Vernichtung der makedonischen Monarchie. Die immer häufigere und immer unvermeidlichere Intervention in die inneren Angelegenheiten der griechischen Kleinstaaten mit ihrer Mißregierung und ihrer politischen wie sozialen Anarchie, die Entwaffnung Makedoniens, wo doch die Nordgrenze notwendig einer anderen Wehr als bloßer Posten bedurfte, endlich die beginnende Grundsteuerentrichtung nach Rom aus Makedonien und Illyrien sind ebensoviel Anfänge der nahenden Verwandlung der Klientelstaaten in Untertanen Roms.
Werfen wir zum Schluß einen Blick zurück auf den von Rom seit der Einigung Italiens bis auf Makedoniens Zertrümmerung durchmessenen Lauf, so erscheint die römische Weltherrschaft keineswegs als ein von unersättlicher Ländergier entworfener und durchgeführter Riesenplan, sondern als ein Ergebnis, das der römischen Regierung sich ohne, ja wider ihren Willen aufgedrungen hat. Freilich liegt jene Auffassung nahe genug – mit Recht läßt Sallustius den Mithradates sagen, daß die Kriege Roms mit Stämmen, Bürgerschaften und Königen aus einer und derselben uralten Ursache, aus der nie zu stillenden Begierde nach Herrschaft und Reichtum hervorgegangen seien; aber mit Unrecht hat man dieses durch die Leidenschaft und den Erfolg bestimmte Urteil als eine geschichtliche Tatsache in Umlauf gesetzt. Es ist offenbar für jede nicht oberflächliche Betrachtung, daß die römische Regierung während dieses ganzen Zeitraums nichts wollte und begehrte als die Herrschaft über Italien, daß sie bloß wünschte, nicht übermächtige Nachbarn neben sich zu haben, und daß sie, nicht aus Humanität gegen die Besiegten, sondern in dem sehr richtigen Gefühl, den Kern des Reiches nicht von der Umlage erdrücken zu lassen, sich ernstlich dagegen stemmte, erst Afrika, dann Griechenland, endlich Asien in den Kreis der römischen Klientel hineinzuziehen, bis die Umstände jedesmal die Erweiterung des Kreises erzwangen oder wenigstens mit unwiderstehlicher Gewalt nahelegten. Die Römer haben stets behauptet, daß sie nicht Eroberungspolitik trieben und stets die Angegriffenen gewesen seien; es ist dies doch etwas mehr als eine Redensart. Zu allen großen Kriegen mit Ausnahme des Krieges um Sizilien, zu dem Hannibalischen und dem Antiochischen nicht minder als zu denen mit Philippos und Perseus, sind sie in der Tat entweder durch einen unmittelbaren Angriff oder durch eine unerhörte Störung der bestehenden politischen Verhältnisse genötigt und daher auch in der Regel von ihrem Ausbruch überrascht worden. Daß sie nach dem Sieg sich nicht so gemäßigt haben, wie sie vor allem im eigenen Interesse Italiens es hätte tun sollen, daß zum Beispiel die Festhaltung Spaniens, die Übernahme der Vormundschaft über Afrika, vor allem der halb phantastische Plan, den Griechen überall die Freiheit zu bringen, schwere Fehler waren gegen die italische Politik, ist deutlich genug. Allein die Ursachen davon sind teils die blinde Furcht vor Karthago, teils der noch viel blindere hellenische Freiheitsschwindel; Eroberungslust haben die Römer in dieser Epoche so wenig bewiesen, daß sie vielmehr eine sehr verständige Eroberungsfurcht zeigen. Überall ist die römische Politik nicht entworfen von einem einzigen gewaltigen Kopfe und traditionell auf die folgenden Geschlechter vererbt, sondern die Politik einer sehr tüchtigen, aber etwas beschränkten Ratsherrenversammlung die, um Pläne in Caesars oder Napoleons Sinn zu entwerfen, der großartigen Kombination viel zu wenig und des richtigen Instinkts für die Erhaltung des eigenen Gemeinwesens viel zu viel gehabt hat. Die römische Weltherrschaft beruht in ihrem letzten Grunde auf der staatlichen Entwicklung des Altertums überhaupt. Die alte Welt kannte das Gleichgewicht der Nationen nicht und deshalb war jede Nation, die sich im Innern geeinigt hatte, ihre Nachbarn entweder geradezu zu unterwerfen bestrebt, wie die hellenischen Staaten, oder doch unschädlich zu machen, wie Rom, was denn freilich schließlich auch auf die Unterwerfung hinauslief. Ägypten ist vielleicht die einzige Großmacht des Altertums, die ernstlich ein System des Gleichgewichts verfolgt hat; in dem entgegengesetzten trafen Seleukos und Antigonos, Hannibal und Scipio zusammen, und wenn es uns jammervoll erscheint, daß all die andern reich begabten und hochentwickelten Nationen des Altertums haben vergehen müssen, um eine unter allen zu bereichern, und daß alle am letzten Ende nur entstanden scheinen, um bauen zu helfen an Italiens Größe und, was dasselbe ist, an Italiens Verfall, so muß doch die geschichtliche Gerechtigkeit es anerkennen, daß hierin nicht die militärische Überlegenheit der Legion über die Phalanx, sondern die notwendige Entwicklung der Völkerverhältnisse des Altertums überhaupt gewaltet, also nicht der peinliche Zufall entschieden, sondern das unabänderliche und darum erträgliche Verhängnis sich erfüllt hat.
- Ηδη γάρ φράσδη πάνθ‘ άλιον άμμι δεδύκειν. (1, 102).
- Die rechtliche Auflösung der Böotischen Eidgenossenschaft erfolgte übrigens wohl noch nicht jetzt, sondern erst nach der Zerstörung Korinths (Paus. 7, 14, 4; 16, 6.)
- Der kürzlich aufgefundene Senatsbeschluß vom 9. Oktober 584 (170), der die Rechtsverhältnisse von Thisbae regelt (Eph. epigr. 1872, S. 278 f.; AM 4, 1889, S. 235f.), gibt einen deutlichen Einblick in diese Verhältnisse.
- Daß die Römer, um zugleich ihm das Wort zu halten, das ihm sein Leben verbürgte, und Rache an ihm zu nehmen, ihn durch Entziehung des Schlafs getötet, ist sicher eine Fabel.
- Die Angabe Cassiodors, daß im Jahre 596 (158) die makedonischen Bergwerke wieder eröffnet wurden, erhält ihre nähere Bestimmung durch die Münzen. Goldmünzen der vier Makedonien sind nicht vorhanden; die Goldgruben also blieben entweder geschlossen oder es wurde das gewonnene Gold als Barren verwertet. Dagegen finden sich allerdings Silbermünzen des ersten Makedoniens (Amphipolis), in welchem Bezirk die Silbergruben belegen sind; für die kurze Zeit in der sie geschlagen sein müssen (596-608 158-146) ist die Zahl derselben auffallend groß und zeugt entweder von einem sehr energischen Betrieb der Gruben oder von massenhafter Umprägung des alten Königgeldes.
- Wenn das makedonische Gemeinwesen durch die Römer der „herrschaftlichen Auflagen und Abgaben entlastet ward“ (Polyb. 37, 4), so braucht deshalb noch nicht notwendig ein späterer Erlaß dieser Steuer angenommen zu werden; es genügt zur Erklärung von Polybios‘ Worten, daß die bisher herrschaftliche jetzt Gemeindesteuer ward. Der Fortbestand der der Provinz Makedonien von Paullus gegebenen Verfassung bis wenigstens in die augustische Zeit (Liv. 45, 32; Iust. 33, 2) würde freilich sich auch mit dem Erlaß der Steuer vereinigen lassen.