8. Kapitel
Die östlichen Staaten und der Zweite Makedonische Krieg
Das Werk, welches König Alexander von Makedonien begonnen hatte, ein Jahrhundert zuvor, ehe die Römer in dem Gebiet, das er sein genannt, den ersten Fußbreit Landes gewonnen, dies Werk hatte im Verlauf der Zeit, bei wesentlicher Festhaltung des großen Grundgedankens, den Orient zu hellenisieren, sich verändert und erweitert zu dem Aufbau eines hellenisch-asiatischen Staatensystems. Die unbezwingliche Wander- und Siedellust der griechischen Nation, die einst ihre Handelsleute nach Massalia und Kyrene, an den Nil und in das Schwarze Meer geführt hatte, hielt jetzt fest, was der König gewonnen hatte, und überall in dem alten Reich der Achämeniden ließ unter dem Schutz der Sarissen griechische Zivilisation sich friedlich nieder. Die Offiziere, die den großen Feldherrn beerbten, vertrugen allmählich sich untereinander und es stellte ein Gleichgewichtssystem sich her, dessen Schwankungen selbst eine gewisse Regelmäßigkeit zeigen. Von den drei Staaten ersten Ranges, die demselben angehören, Makedonien, Asien und Ägypten, war Makedonien unter Philippos dem Fünften, der seit 534 (220) dort den Königsthron einnahm, im ganzen, äußerlich wenigstens, was es gewesen war unter dem zweiten Philippos, dem Vater Alexanders: ein gut arrondierter Militärstaat mit wohlgeordneten Finanzen. An der Nordgrenze hatten die ehemaligen Verhältnisse sich wiederhergestellt, nachdem die Fluten der gallischen Überschwemmung verlaufen waren; die Grenzwache hielt die illyrischen Barbaren wenigstens in gewöhnlichen Zeiten ohne Mühe im Zaum. Im Süden war Griechenland nicht bloß überhaupt von Makedonien abhängig, sondern ein großer Teil desselben: ganz Thessalien im weitesten Sinn von Olympos bis zum Spercheios und der Halbinsel Magnesia, die große und wichtige Insel Euböa, die Landschaften Lokris, Doris und Phokis, endlich in Attika und im Peloponnes eine Anzahl einzelner Plätze, wie das Vorgebirge Sunion, Korinth, Orchomenos, Heräa, das triphylische Gebiet – alle diese Land- und Ortschaften waren Makedonien geradezu untertänig und empfingen makedonische Besatzung, vor allen Dingen die drei wichtigen Festungen Demetrias in Magnesia, Chalkis auf Euböa und Korinth, „die drei Fesseln der Hellenen“. Die Macht des Staates aber lag vor allem in dem Stammland, in der makedonischen Landschaft. Zwar die Bevölkerung dieses weiten Gebiets war auffallend dünn; mit Anstrengung aller Kräfte vermochte Makedonien kaum soviel Mannschaft aufzubringen als ein gewöhnliches konsularisches Heer von zwei Legionen zählte, und es ist unverkennbar, daß in dieser Hinsicht sich das Land noch nicht von der durch die Züge Alexanders und den gallischen Einfall hervorgebrachten Entvölkerung erholt hatte. Aber während im eigentlichen Griechenland die sittliche und staatliche Kraft der Nation zerrüttet war und dort, da es mit dem Volke doch vorbei und das Leben kaum mehr der Mühe wert schien, selbst von den Besseren der eine über dem Becher, der andere mit dem Rapier, der dritte bei der Studierlampe den Tag verdarb, während im Orient und in Alexandreia die Griechen unter die dichte einheimische Bevölkerung wohl befruchtende Elemente aussäen und ihre Sprache wie ihre Maulfertigkeit, ihre Wissenschaft und Afterwissenschaft dort ausbreiten konnten, aber ihre Zahl kaum genügte, um den Nationen die Offiziere, die Staatsmänner und die Schulmeister zu liefern, und viel zu gering war, um einen Mittelstand rein griechischen Schlages auch nur in den Städten zu bilden, bestand dagegen im nördlichen Griechenland noch ein guter Teil der alten kernigen Nationalität, aus der die Marathonkämpfer hervorgegangen waren. Daher rührt die Zuversicht, mit der die Makedonier, die Ätoler, die Akarnanen, überall wo sie im Osten auftreten, als ein besserer Schlag sich geben und genommen werden, und die überlegene Rolle, welche sie deswegen an den Höfen von Alexandreia und Antiocheia spielen. Die Erzählung ist bezeichnend von dem Alexandriner, der längere Zeit in Makedonien gelebt und dort Landessitte und Landestracht angenommen hat, und nun, da er in seine Vaterstadt heimkehrt, sich selber einen Mann und die Alexandriner gleich Sklaven achtet. Diese derbe Tüchtigkeit und der ungeschwächte Nationalsinn kamen vor allem dem makedonischen als dem mächtigsten und geordnetsten der nordgriechischen Staaten zugute. Wohl ist auch hier der Absolutismus emporgekommen gegen die alte gewissermaßen ständische Verfassung; allein Herr und Untertanen stehen doch in Makedonien keineswegs zueinander wie in Asien und Ägypten, und das Volk fühlt sich noch selbständig und frei. In festem Mut gegen den Landesfeind, wie er auch heiße, in unerschütterlicher Treue gegen die Heimat und die angestammte Regierung, in mutigem Ausharren unter den schwersten Bedrängnissen steht unter allen Völkern der alten Geschichte keines dem römischen so nah wie das makedonische, und die an das Wunderbare grenzende Regeneration des Staates nach der gallischen Invasion gereicht den leitenden Männern wie dem Volke, das sie leiteten, zu unvergänglicher Ehre.
Der zweite von den Großstaaten, Asien, war nichts als das oberflächlich umgestaltete und hellenisierte Persien, das Reich des „Königs der Könige“, wie sein Herr sich, bezeichnend für seine Anmaßung wie für seine Schwäche, zu nennen pflegte, mit denselben Ansprüchen von Hellespont bis zum Pandschab zu gebieten und mit derselben kernlosen Organisation, ein Bündel von mehr oder minder abhängigen Dependenzstaaten, unbotmäßigen Satrapien und halbfreien griechischen Städten. Von Kleinasien namentlich, das nominell zum Reich der Seleukiden gezählt ward, war tatsächlich die ganze Nordküste und der größere Teil des östlichen Binnenlandes in den Händen einheimischer Dynastien oder der aus Europa eingedrungenen Keltenhaufen, von dem Westen ein guter Teil im Besitz der Könige von Pergamon, und die Inseln und Küstenstädte teils ägyptisch, teils frei, so daß dem Großkönig hier wenig mehr blieb als das innere Kilikien, Phrygien und Lydien und eine große Anzahl nicht wohl zu realisierender Rechtstitel gegen freie Städte und Fürsten – ganz und gar wie seiner Zeit die Herrschaft des deutschen Kaisers außer seinem Hausgebiet bestellt war. Das Reich verzehrte sich in den vergeblichen Versuchen, die Ägypter aus den Küstenlandschaften zu verdrängen, in dem Grenzhader mit den östlichen Völkern, den Parthern und Baktriern, in den Fehden mit den zum Unheil Kleinasiens daselbst ansässig gewordenen Kelten, in den beständigen Bestrebungen, den Emanzipationsversuchen der östlichen Satrapen und der kleinasiatischen Griechen zu steuern, und in den Familienzwisten und Prätendentenaufständen, an denen es zwar in keinem der Diadochenstaaten fehlt, wie überhaupt an keinem der Greuel, welche die absolute Monarchie in entarteter Zeit in ihrem Gefolge führt, allein die in dem Staate Asien deshalb verderblicher waren als anderswo, weil sie hier bei der losen Zusammenfügung des Reiches zu der Abtrennung einzelner Landesteile auf kürzere oder längere Zeit zu führen pflegten.
Im entschiedensten Gegensatz gegen Asien war Ägypten ein festgeschlossener Einheitsstaat, in dem die intelligente Staatskunst der ersten Lagiden unter geschickter Benutzung des alten nationalen und religiösen Herkommens eine vollkommen absolute Kabinettsherrschaft begründet hatte und wo selbst das schlimmste Mißregiment weder Emanzipations- noch Zerspaltungsversuche herbeizuführen vermochte. Sehr verschieden von dem nationalen Royalismus der Makedonier, der auf ihrem Selbstgefühl ruhte und dessen politischer Ausdruck war, war in Ägypten das Land vollständig passiv, die Hauptstadt dagegen alles und diese Hauptstadt Dependenz des Hofes; weshalb hier mehr noch als in Makedonien und Asien die Schlaffheit und Trägheit der Herrscher den Staat lähmte, während umgekehrt in den Händen von Männern, wie der erste Ptolemaeos und Ptolemaeos Euergetes, diese Staatsmaschine sich äußerst brauchbar erwies. Zu den eigentümlichen Vorzügen Ägyptens vor den beiden großen Rivalen gehört es, daß die ägyptische Politik nicht nach Schatten griff, sondern klare und erreichbare Zwecke verfolgte. Makedonien, die Heimat Alexanders; Asien, das Land, in dem Alexander seinen Thron gegründet hatte, hörten nicht auf, sich als unmittelbare Fortsetzungen der alexandrischen Monarchie zu betrachten und lauter oder leiser den Anspruch zu erheben, dieselbe wenn nicht her-, so doch wenigstens darzustellen. Die Lagiden haben nie eine Weltmonarchie zu gründen versucht und nie von Indiens Eroberung geträumt; dafür aber zogen sie den ganzen Verkehr zwischen Indien und dem Mittelmeer von den phönikischen Häfen nach Alexandreia und machten Ägypten zu dem ersten Handels- und Seestaat dieser Epoche und zum Herrn des östlichen Mittelmeeres und seiner Küsten und Inseln. Es ist bezeichnend, daß Ptolemaeos III. Euergetes alle seine Eroberungen freiwillig an Seleukos Kallinikos zurückgab bis auf die Hafenstadt von Antiocheia. Teils hierdurch, teils durch die günstige geographische Lage kam Ägypten den beiden Kontinentalmächten gegenüber in eine vortreffliche militärische Stellung zur Verteidigung wie zum Angriff. Während der Gegner selbst nach glücklichen Erfolgen kaum imstande war, das ringsum für Landheere fast unzugängliche Ägypten ernstlich zu bedrohen, konnten die Ägypter von der See aus nicht bloß in Kyrene sich festsetzen, sondern auch auf Kypros und den Kykladen, auf der phönikisch-syrischen und auf der ganzen Süd- und Westküste von Kleinasien, ja sogar in Europa auf dem thrakischen Chersonesos. Durch die beispiellose Ausbeutung des fruchtbaren Niltals zum unmittelbaren Besten der Staatskasse und durch eine die materiellen Interessen ernstlich und geschickt fördernde und ebenso rücksichtslose wie einsichtige Finanzwirtschaft war der alexandrinische Hof seinen Gegner auch als Geldmacht beständig überlegen. Endlich die intelligente Munifizenz, mit der die Lagiden der Tendenz des Zeitalters nach ernster Forschung in allen Gebieten des Könnens und Wissens entgegenkamen und diese Forschungen in die Schranken der absoluten Monarchie einzuhegen und in die Interessen derselben zu verflechten verstanden, nützte nicht bloß unmittelbar dem Staat, dessen Schiff- und Maschinenbau den Einfluß der alexandrinischen Mathematik zu ihrem Frommen verspürten, sondern machte auch diese neue geistige Macht, die bedeutendste und großartigste, welche das hellenische Volk nach seiner politischen Zersplitterung in sich hegte, soweit sie sich überhaupt zur Dienstbarkeit bequemen wollte, zur Dienerin des alexandrinischen Hofes. Wäre Alexanders Reich stehengeblieben, so hätte die griechische Kunst und Wissenschaft einen Staat gefunden, würdig und fähig, sie zu fassen; jetzt wo die Nation in Trümmer gefallen war, wucherte in ihr der gelehrte Kosmopolitismus, und sehr bald ward dessen Magnet Alexandreia, wo die wissenschaftlichen Mittel und Sammlungen unerschöpflich waren, die Könige Tragödien und die Minister Kommentare dazu schrieben und die Pensionen und Akademien florierten.
Das Verhältnis der drei Großstaaten zueinander ergibt sich aus dem Gesagten. Die Seemacht, welche die Küsten beherrschte und das Meer monopolisierte, mußte nach dem ersten großen Erfolg, der politischen Trennung des europäischen Kontinents von dem asiatischen, weiter hinarbeiten auf die Schwächung der beiden Großstaaten des Festlandes und also auf die Beschützung der sämtlichen kleineren Staaten, während umgekehrt Makedonien und Asien zwar auch untereinander rivalisierten, aber doch vor allen Dingen in Ägypten ihren gemeinschaftlichen Gegner fanden und ihm gegenüber zusammenhielten oder doch hätten zusammenhalten sollen.
Unter den Staaten zweiten Ranges ist für die Berührungen des Ostens mit dem Westen zunächst nur mittelbar von Bedeutung die Staatenreihe, welche vom südlichen Ende des Kaspischen Meeres zum Hellespont sich hinziehend das Innere und die Nordküste Kleinasiens ausfüllt: Atropatene (im heutigen Aserbeidschan südwestlich vom Kaspischen Meer), daneben Armenien, Kappadokien im kleinasiatischen Binnenland, Pontos am südöstlichen, Bithynien am südwestlichen Ufer des Schwarzen Meeres – sie alle Splitter des großen Perserreiches und beherrscht von morgenländischen, meistens altpersischen Dynastien, die entlegene Berglandschaft Atropatene namentlich die rechte Zufluchtsstätte des alten Persertums, an der selbst Alexanders Zug spurlos vorübergebraust war, und alle auch in derselben zeitweiligen und oberflächlichen Abhängigkeit von der griechischen Dynastie, die in Asien an die Stelle der Großkönige getreten war oder sein wollte.
Von größerer Wichtigkeit für die allgemeinen Verhältnisse ist der Keltenstaat in dem kleinasiatischen Binnenland. Hier mitten inne zwischen Bithynien, Paphlagonien, Kappadokien und Phrygien hatten drei keltische Völkerschaften, die Tolistoager, Tectosagen und Trocmer sich ansässig gemacht, ohne darum weder von der heimischen Sprache und Sitte noch von ihrer Verfassung und ihrem Freibeuterhandwerk zu lassen. Die zwölf Vierfürsten, jeder einem der vier Kantone eines der drei Stämme vorgesetzt, bildeten mit ihrem Rate von dreihundert Männern die höchste Autorität der Nation und traten auf der „heiligen Stätte“ (Drunemetum) namentlich zur Fällung von Bluturteilen zusammen. Seltsam wie diese keltische Gauverfassung den Asiaten erschien, ebenso fremdartig dünkte ihnen der Wagemut und die Landsknechtsitte der nordischen Eindringlinge, welche teils ihren unkriegerischen Nachbarn die Söldner zu jedem Krieg lieferten, teils die umliegenden Landschaften auf eigene Faust plünderten oder brandschatzten. Diese rohen aber kräftigen Barbaren waren der allgemeine Schreck der verweichlichten umwohnenden Nationen, ja der asiatischen Großkönige selbst, welche, nachdem manches asiatische Heer von den Kelten war aufgerieben worden, und König Antiochos I. Soter sogar im Kampf gegen sie sein Leben verloren hatte (493 261) zuletzt selber zur Zinszahlung sich verstanden.
Dem kühnen und glücklichen Auftreten gegen diese gallischen Horden verdankte es ein reicher Bürger von Pergamon, Attalos, daß er von seiner Vaterstadt den Königstitel empfing und ihn auf seine Nachkommen vererbte. Dieser neue Hof war im kleinen was der alexandrinische im großen; auch hier war die Förderung der materiellen Interessen, die Pflege von Kunst und Literatur an der Tagesordnung und das Regiment eine umsichtige und nüchterne Kabinettspolitik, deren wesentlicher Zweck war, teils die Macht der beiden gefährlichen festländischen Nachbarn zu schwächen, teils einen selbständigen Griechenstaat im westlichen Kleinasien zu begründen. Der wohlgefüllte Schatz trug viel zu der Bedeutung dieser pergamenischen Herren bei; sie schossen den syrischen Königen bedeutende Summen vor, deren Rückzahlung später unter den römischen Friedensbedingungen eine Rolle spielte, und selbst Gebietserwerbungen gelangen auf diesem Wege, wie zum Beispiel Aegina, das die verbündeten Römer und Ätoler im letzten Krieg den Bundesgenossen Philipps, den Achäern, entrissen hatten, von den Ätolern, denen es vertragsmäßig zufiel, um 30 Talente (51000 Taler) an Attalos verkauft ward. Indes trotz des Hofglanzes und des Königstitels behielt das pergamenische Gemeinwesen immer etwas vom städtischen Charakter, wie es denn auch in seiner Politik gewöhnlich mit den Freistädten zusammenging. Attalos selbst, der Lorenzo de‘ Medici des Altertums, blieb sein lebelang ein reicher Bürgersmann, und das Familienleben der Attaliden, aus deren Hause ungeachtet des Königstitels die Eintracht und Innigkeit nicht gewichen war, stach sehr ab gegen die wüste Schandwirtschaft der adligeren Dynastien.
In dem europäischen Griechenland waren außer den römischen Besitzungen an der Ostküste, von denen in den wichtigsten, namentlich in Kerkyra römische Beamte residiert zu haben scheinen, und dem unmittelbar makedonischen Gebiet noch mehr oder minder imstande, eine eigene Politik zu verfolgen, die Epeiroten, Akarnanen und Ätoler im nördlichen, die Böoter und Athener im mittleren Griechenland und die Achäer, Lakedämonier, Messenier und Eleer im Peloponnes. Unter diesen waren die Republiken der Epeiroten, Akarnanen und Böoter in vielfacher Weise eng an Makedonien geknüpft, namentlich die Akarnanen, weil sie der von den Ätolern drohenden Unterdrückung einzig durch makedonischen Schutz zu entgehen vermochten; von Bedeutung war keine von ihnen. Die inneren Zustände waren sehr verschieden; wie es zum Teil aussah, dafür mag als Beispiel dienen, daß bei den Böotern, wo es freilich am ärgsten zuging, es Sitte geworden war, jedes Vermögen, das nicht in gerader Linie vererbte, an die Kneipgesellschaften zu vermachen, und es für die Bewerber um die Staatsämter manches Jahrzehnt die erste Wahlbedingung war, daß sie sich verpflichteten, keinem Gläubiger, am wenigsten einem Ausländer, die Ausklagung seiner Schuldner zu gestatten.
Die Athener pflegten von Alexandreia aus gegen Makedonien unterstützt zu werden und standen im engen Bunde mit den Ätolern; auch sie indes waren völlig machtlos, und fast nur der Nimbus attischer Kunst und Poesie hob diese unwürdigen Nachfolger einer herrlichen Vorzeit unter einer Reihe von Kleinstädten gleichen Schlages hervor.
Nachhaltiger war die Macht der ätolischen Eidgenossenschaft; das kräftige Nordgriechentum war hier noch ungebrochen, aber freilich ausgeartet in wüste Zucht- und Regimentlosigkeit – es war Staatsgesetz, daß der ätolische Mann gegen jeden, selbst gegen den mit den Ätolern verbündeten Staat als Reisläufer dienen könne, und auf die dringenden Bitten der übrigen Griechen, dies Unwesen abzustellen, erklärte die ätolische Tagsatzung, eher könne man Ätolien aus Ätolien wegschaffen als diesen Grundsatz aus ihrem Landrecht. Die Ätoler hätten dem griechischen Volke von großem Nutzen sein können, wenn sie ihm nicht durch diese organisierte Räuberwirtschaft, durch ihre gründliche Verfeindung mit der achäischen Eidgenossenschaft und durch die unselige Opposition gegen den makedonischen Großstaat noch viel mehr geschadet hätten.
Im Peloponnes hatte der Achäische Bund die besten Elemente des eigentlichen Griechenlands zusammengefaßt zu einer auf Gesittung, Nationalsinn und friedliche Schlagfertigkeit gegründeten Eidgenossenschaft. Indes die Blüte und namentlich die Wehrhaftigkeit derselben war trotz der äußerlichen Erweiterung geknickt worden durch Aratos‘ diplomatischen Egoismus, welcher den Achäischen Bund durch die leidigen Verwicklungen mit Sparta und die noch leidigere Anrufung makedonischer Intervention im Peloponnes der makedonischen Suprematie so vollständig unterworfen hatte, daß die Hauptfestungen der Landschaft seitdem makedonische Besatzungen empfingen und dort jährlich Philippos der Eid der Treue geschworen wurde. Die schwächeren Staaten im Peloponnes, Elis, Messene und Sparta, wurden durch ihre alte, namentlich durch Grenzstreitigkeiten genährte Verfeindung mit der achäischen Eidgenossenschaft in ihrer Politik bestimmt und waren ätolisch und antimakedonisch gesinnt, weil die Achäer es mit Philippos hielten. Einige Bedeutung unter diesen Staaten hatte einzig das spartanische Soldatenkönigtum, das nach dem Tode des Machanidas an einen gewissen Nabis gekommen war; er stützte sich immer dreister auf die Vagabunden und fahrenden Söldner, denen er nicht bloß die Häuser und Äcker, sondern auch die Frauen und Kinder der Bürger überwies, und unterhielt emsig Verbindungen, ja schloß geradezu eine Assoziation zum Seeraub auf gemeinschaftliche Rechnung mit der großen Söldner- und Piratenherberge, der Insel Kreta, wo er auch einige Ortschaften besaß. Seine Raubzüge zu Lande wie seine Piratenschiffe am Vorgebirge Malea waren weit und breit gefürchtet, er selbst als niedrig und grausam verhaßt; aber seine Herrschaft breitete sich aus, und um die Zeit der Schlacht bei Zama war es ihm sogar gelungen, sich in den Besitz von Messene zu setzen.
Endlich die unabhängigste Stellung unter den Mittelstaaten hatten die freien griechischen Kaufstädte an dem europäischen Ufer der Propontis sowie auf der ganzen kleinasiatischen Küste und auf den Inseln des Ägäischen Meeres; sie sind zugleich die lichteste Seite in dieser trüben Mannigfaltigkeit des hellenischen Staatensystems, namentlich drei unter ihnen, die seit Alexanders Tode wieder volle Freiheit genossen und durch ihren tätigen Seehandel auch zu einer achtbaren politischen Macht und selbst zu bedeutendem Landgebiet gelangt waren: Byzantion, die Herrin des Bosporos, reich und mächtig durch die Sundzölle und den wichtigen Kornhandel nach dem Schwarzen Meer; Kyzikos an der asiatischen Propontis, die Tochterstadt und die Erbin Milets, in engsten Beziehungen zu dem Hofe von Pergamon, und endlich und vor allen Rhodos. Die Rhodier, die gleich nach Alexanders Tode die makedonische Besatzung vertrieben hatten, waren durch ihre glückliche Lage für Handel und Schiffahrt Vermittler des Verkehrs in dem ganzen östlichen Mittelmeer geworden und die tüchtige Flotte wie der in der berühmten Belagerung von 450 (304) bewährte Mut der Bürger setzten sie in den Stand, in jener Zeit ewiger Fehden aller gegen alle vorsichtig und energisch eine neutrale Handelspolitik zu vertreten und wenn es galt zu verfechten; wie sie denn zum Beispiel die Byzantier mit den Waffen zwangen, den rhodischen Schiffen Zollfreiheit im Bosporos zu gestatten, und ebensowenig den pergamenischen Dynasten das Schwarze Meer zu sperren erlaubten. Vom Landkrieg hielten sie sich dagegen womöglich fern, obwohl sie an der gegenüberliegenden karischen Küste nicht unbeträchtliche Besitzungen erworben hatten, und führten ihn, wenn es nicht anders sein konnte, mit Söldnern. Nach allen Seiten hin, mit Syrakus, Makedonien und Syrien, vor allem aber mit Ägypten standen sie in freundschaftlichen Beziehungen und genossen hoher Achtung bei den Höfen, so daß nicht selten in den Kriegen der Großstaaten ihre Vermittlung angerufen ward. Ganz besonders aber nahmen sie sich der griechischen Seestädte an, deren es an den Gestaden des Pontischen, Bithynischen und Pergamenischen Reiches wie auf den von Ägypten den Seleukiden entrissenen kleinasiatischen Küsten und Inseln unzählige gab, wie zum Beispiel Sinope, Herakleia Pontike, Kios, Lampsakos, Abydos, Mytilene, Chios, Smyrna, Samos, Halikarnassos und andere mehr. Alle diese waren im wesentlichen frei und hatten mit ihren Grundherren nichts zu schaffen, als die Bestätigung ihrer Privilegien von ihnen zu erbitten und höchstens ihnen einen mäßigen Zins zu entrichten; gegen etwaige Übergriffe der Dynasten wußte man bald schmiegsam, bald energisch sich zu wehren. Hauptsächlich hilfreich hierbei waren die Rhodier, welche zum Beispiel Sinope gegen Mithradates von Pontos nachdrücklich unterstützten. Wie fest sich unter dem Hader und eben durch die Zwiste der Monarchen die Freiheiten dieser kleinasiatischen Städte gegründet hatten, beweist zum Beispiel, daß einige Jahre nachher zwischen Antiochos und den Römern nicht über die Freiheit der Städte selbst gestritten ward, sondern darüber, ob sie die Bestätigung ihrer Freibriefe vom König nachzusuchen hätten oder nicht. Dieser Städtebund war wie in allem so auch in dieser eigentümlichen Stellung zu den Landesherren eine förmliche Hansa, sein Haupt Rhodos, das in Verträgen für sich und seine Bundesgenossen verhandelte und stipulierte. Hier ward die städtische Freiheit gegen die monarchischen Interessen vertreten, und während um die Mauern herum die Kriege tobten, blieb hier in verhältnismäßiger Ruhe Bürgersinn und bürgerlicher Wohlstand heimisch, und es gediehen hier Kunst und Wissenschaft, ohne durch wüste Soldatenwirtschaft zertreten oder von der Hofluft korrumpiert zu werden.
Also standen die Dinge im Osten, als die politische Scheidewand zwischen dem Orient und dem Okzident fiel und die östlichen Mächte, zunächst Philippos von Makedonien, veranlaßt wurden, in die Verhältnisse des Westens einzugreifen. Wie es geschah und wie der Erste Makedonische Krieg (540-549 214-205) verlief, ist zum Teil schon erzählt und angedeutet worden, was Philippos im Hannibalischen Kriege hätte tun können und wie wenig von dem geschah, was Hannibal hatte erwarten und berechnen dürfen. Es hatte wieder einmal sich gezeigt, daß unter allen Würfelspielen keines verderblicher ist als die absolute Erbmonarchie. Philippos war nicht der Mann, dessen Makedonien damals bedurfte; indes eine unbedeutende Natur war er nicht. Er war ein rechter König, in dem besten und dem schlimmsten Sinne des Wortes. Das lebhafte Gefühl, selbst und allein zu herrschen, war der Grundzug seines Wesens; er war stolz auf seinen Purpur, aber nicht bloß auf ihn, und er durfte stolz sein. Er bewies nicht allein die Tapferkeit des Soldaten und den Blick des Feldherrn, sondern auch einen hohen Sinn in der Leitung der öffentlichen Angelegenheiten, wo immer sein makedonisches Ehrgefühl verletzt ward. Voll Verstand und Witz gewann er, wen er gewinnen wollte, vor allem eben die fähigsten und gebildetsten Männer, so zum Beispiel Flamininus und Scipio; er war ein guter Gesell beim Becher und den Frauen nicht bloß durch seinen Rang gefährlich. Allein er war zugleich eine der übermütigsten und frevelhaftesten Naturen, die jenes freche Zeitalter erzeugt hat. Er pflegte zu sagen, daß er niemand fürchte als die Götter; aber es schien fast, als seien diese Götter dieselben, denen sein Flottenführer Dikäarchos regelmäßige Opfer darbrachte, die Gottlosigkeit (Asebeia) und der Frevel (Paranomia). Weder das Leben seiner Ratgeber und der Begünstiger seiner Pläne war ihm heilig, noch verschmähte er es, seine Erbitterung gegen die Athener und Attalos durch Zerstörung ehrwürdiger Denkmäler und namhafter Kunstwerke zu befriedigen; es wird als Staatsmaxime von ihm angeführt, daß, wer den Vater ermorden lasse, auch die Söhne töten müsse. Es mag sein, daß ihm nicht eigentlich die Grausamkeit eine Wollust war; allein fremdes Leben und Leiden war ihm gleichgültig, und die Inkonsequenz, die den Menschen allein erträglich macht, fand nicht Raum in seinem starren und harten Herzen. Er hat den Satz, daß für den absoluten König kein Versprechen und kein Moralgebot bindend sei, so schroff und grell zur Schau getragen, daß er eben dadurch seinen Plänen die wesentlichsten Hindernisse in den Weg legte. Einsicht und Entschlossenheit kann niemand ihm absprechen; aber es ist damit in seltsamer Weise Zauderei und Fahrigkeit vereinigt; was vielleicht zum Teil dadurch sich erklärt, daß er schon im achtzehnten Jahr zum absoluten Herrscher berufen ward und daß sein unbändiges Wüten gegen jeden, der durch Widerreden und Widerraten ihn in seinem Selbstregieren störte, alle selbständigen Ratgeber von ihm verscheuchte. Was alles in seiner Seele mitgewirkt haben mag, um die schwache und schmähliche Führung des Ersten Makedonischen Krieges hervorzurufen, läßt sich nicht sagen – vielleicht jene Lässigkeit der Hoffart, die erst gegen die nahegerückte Gefahr ihre volle Kraft entwickelt, vielleicht selbst Gleichgültigkeit gegen den nicht von ihm entworfenen Plan und Eifersucht auf Hannibals ihn beschämende Größe. Gewiß ist, daß sein späteres Benehmen nicht den Philippos wiedererkennen läßt, an dessen Saumseligkeit Hannibals Plan scheiterte.
Philippos schloß den Vertrag mit den Ätolern und den Römern 548/49 (206/05) in der ernsten Absicht, mit Rom einen dauernden Frieden zu machen und sich künftig ausschließlich den Angelegenheiten des Ostens zu widmen. Es leidet keinen Zweifel, daß er Karthagos rasche Überwältigung ungern sah; es kann auch sein, daß Hannibal auf eine zweite makedonische Kriegserklärung hoffte und daß Philippos im stillen das letzte karthagische Heer mit Söldnern verstärkte. Allein sowohl die weitschichtigen Dinge, in die er mittlerweile im Osten sich einließ, als auch die Art der Unterstützung und besonders das völlige Stillschweigen der Römer über diesen Friedensbruch, da sie doch nach Kriegsgründen suchten, setzen es außer Zweifel, daß Philippos keineswegs im Jahre 551 (203) nachholen wollte, was er zehn Jahre zuvor hätte tun sollen.
Er hatte sein Auge nach einer ganz anderen Seite gewendet. Ptolemaeos Philopator von Ägypten war 549 (205) gestorben. Gegen seinen Nachfolger Ptolemaeos Epiphanes, ein fünfjähriges Kind, hatten die Könige von Makedonien und Asien Philippos und Antiochos sich vereinigt, um den alten Groll der Kontinentalmonarchien gegen den Seestaat gründlich zu sättigen. Der ägyptische Staat sollte aufgelöst werden, Ägypten und Kypros an Antiochos, Kyrene, Ionien und die Kykladen an Philippos fallen. Recht in Philippos‘ Art, der über solche Rücksichten lachte, begannen die Könige den Krieg, nicht bloß ohne Ursache, sondern selbst ohne Vorwand, „eben wie die großen Fische die kleinen auffressen“. Die Verbündeten hatten übrigens richtig gerechnet, besonders Philippos. Ägypten hatte genug zu tun, sich des näheren Feindes in Syrien zu erwehren, und mußte die kleinasiatischen Besitzungen und die Kykladen unverteidigt preisgeben, als Philippos auf diese als auf seinen Anteil an der Beute sich warf. In dem Jahr, wo Karthago mit Rom den Frieden abschloß (553 201), ließ derselbe eine von den ihm untertänigen Städten ausgerüstete Flotte Truppen an Bord nehmen und an der thrakischen Küste hinauf segeln. Hier ward Lysimacheia der ätolischen Besatzung entrissen, und Perinthos, das zu Byzanz im Klientelverhältnis stand, gleichfalls besetzt. So war mit den Byzantiern der Friede gebrochen, mit den Ätolern, die soeben mit Philippos Frieden gemacht, wenigstens das gute Einvernehmen gestört. Die Überfahrt nach Asien stieß auf keine Schwierigkeiten, da König Prusias von Bithynien mit Makedonien im Bunde war; zur Vergeltung half Philippos ihm die griechischen Kaufstädte in seinem Gebiet bezwingen. Kalchedon unterwarf sich. Kios, das widerstand, wurde erstürmt und dem Boden gleich, ja die Einwohner zu Sklaven gemacht – eine zwecklose Barbarei, über die Prusias selbst, der die Stadt unbeschädigt zu besitzen wünschte, verdrießlich war und die die ganze hellenische Welt aufs tiefste erbitterte. Besonders verletzt noch waren abermals die Ätoler, deren Strateg in Kios kommandiert hatte, und die Rhodier, deren Vermittlungsversuche von dem König schnöde und arglistig vereitelt worden waren. Aber wäre auch dies nicht gewesen, es standen die Interessen aller griechischen Kaufstädte auf dem Spiel. Unmöglich konnte man zugeben, daß die milde und fast nur nominelle ägyptische Herrschaft verdrängt ward durch das makedonische Zwingherrentum, mit dem die städtische Selbstregierung und der freie Handelsverkehr sich nimmermehr vertrug; und die furchtbare Behandlung der Kianer zeigte, daß es hier sich nicht um das Bestätigungsrecht der städtischen Freibriefe handelte, sondern um Tod und Leben für einen und für alle. Schon war Lampsakos gefallen und Thasos behandelt worden wie Kios; man mußte sich eilen. Der wackere Strateg von Rhodos, Theophiliskos, ermahnte seine Bürger der gemeinsamen Gefahr durch gemeinsame Abwehr zu begegnen und nicht geschehen zu lassen, daß die Städte und Inseln einzeln dem Feinde zur Beute würden. Rhodos entschloß sich und erklärte Philippos den Krieg. Byzanz schloß sich an; ebenso der hochbejahrte König Attalos von Pergamon, Philippos‘ persönlicher und politischer Feind. Während die Flotte der Verbündeten sich an der äolischen Küste sammelte, ließ Philippos durch einen Teil der seinigen Chios und Samos wegnehmen. Mit dem anderen erschien er selbst vor Pergamon, das er indes vergeblich berannte; er mußte sich begnügen, das platte Land zu durchstreifen und an den weit und breit zerstörten Tempeln die Spuren makedonischer Tapferkeit zurückzulassen. Plötzlich brach er auf und ging wieder zu Schiff, um sich mit seinem Geschwader, das bei Samos stand, zu vereinigen. Allein die rhodisch-pergamenische Flotte folgte ihm und zwang ihn zur Schlacht in der Meerenge von Chios. Die Zahl der makedonischen Deckschiffe war geringer, allein die Menge ihrer offenen Kähne glich dies wieder aus und Philippos‘ Soldaten fochten mit großem Mute; doch unterlag. er endlich. Fast die Hälfte seiner Deckschiffe, vierundzwanzig Segel, wurden versenkt oder genommen, 6000 makedonische Matrosen, 3000 Soldaten kamen um, darunter der Admiral Demokrates, 2000 wurden gefangen. Den Bundesgenossen kostete der Sieg nicht mehr als 800 Mann und sechs Segel. Aber von den Führern der Verbündeten war Attalos von seiner Flotte abgeschnitten und gezwungen worden, sein Admiralschiff bei Erythrae auf den Strand laufen zu lassen; und Theophiliskos von Rhodos, dessen Bürgermut den Krieg und dessen Tapferkeit die Schlacht entschieden hatte, starb den Tag nach derselben an seinen Wunden. So konnte, während Attalos‘ Flotte in die Heimat ging und die rhodische vorläufig bei Chios blieb, Philippos, der fälschlich sich den Sieg zuschrieb, seine Fahrt weiter fortsetzen und sich nach Samos wenden, um die karischen Städte zu besetzen. An der karischen Küste lieferten die Rhodier, diesmal von Attalos nicht unterstützt, der makedonischen Flotte unter Herakleides ein zweites Treffen bei der kleinen Insel Lade vor dem Hafen von Milet. Der Sieg, den wieder beide Teile sich zuschrieben, scheint hier von den Makedoniern gewonnen zu sein, denn während die Rhodier nach Myndos und von da nach Kos zurückwichen, besetzten jene Milet und ein Geschwader unter dem Ätoler Dikäarchos die Kykladen. Philippos inzwischen verfolgte auf dem karischen Festland die Eroberung der rhodischen Besitzungen daselbst und der griechischen Städte; hätte er Ptolemaeos selbst angreifen wollen und es nicht vorgezogen, sich auf die Gewinnung seines Beuteanteils zu beschränken, so würde er jetzt selbst an einen Zug nach Ägypten haben denken können. In Karien stand zwar kein Heer den Makedoniern gegenüber, und Philippos durchzog ungehindert die Gegend von Magnesia bis Mylasa; aber jede Stadt in dieser Landschaft war eine Festung, und der Belagerungskrieg zog sich in die Länge, ohne erhebliche Resultate zu geben oder zu versprechen. Der Satrap von Lydien, Zeuxis, unterstützte den Bundesgenossen seines Herren ebenso lau, wie Philippos sich lau in der Förderung der Interessen des syrischen Königs bewiesen hatte, und die griechischen Städte gaben Unterstützung nur aus Furcht oder Zwang. Die Verproviantierung des Heeres ward immer schwieriger; Philippos mußte heute den plündern, der ihm gestern freiwillig gegeben hatte, und dann wieder gegen seine Natur sich bequemen zu bitten. So ging allmählich die gute Jahreszeit zu Ende, und in der Zwischenzeit hatten die Rhodier ihre Flotte verstärkt und auch die des Attalos wieder an sich gezogen, so daß sie zur See entschieden überlegen waren. Es schien fast, als könnten sie dem König den Rückzug abschneiden und ihn zwingen, Winterquartier in Karien zu nehmen, während doch die Angelegenheiten daheim, namentlich die drohende Intervention der Ätoler und der Römer, seine Rückkehr dringend erheischten. Philippos sah die Gefahr; er ließ Besatzungen, zusammen bis 3000 Mann, teils in Myrina, um Pergamon in Schach zu halten, teils in den kleinen Städten um Mylasa: Iassos, Bargylia, Euromos, Pedasa, um den trefflichen Hafen und einen Landungsplatz in Karien sich zu sichern; mit der Flotte gelang es ihm bei der Nachlässigkeit, mit welcher die Bundesgenossen das Meer bewachten, glücklich die thrakische Küste zu erreichen und noch vor dem Winter 553/54 (201/00) zu Hause zu sein.
In der Tat zog sich gegen Philipp im Westen ein Gewitter zusammen, welches ihm nicht länger gestattete, die Plünderung des wehrlosen Ägyptens fortzusetzen. Die Römer, die in demselben Jahre endlich den Frieden mit Karthago auf ihre Bedingungen abgeschlossen hatten, fingen an, sich ernstlich um diese Verwicklungen im Osten zu bekümmern. Es ist oft gesagt worden, daß sie nach der Eroberung des Westens sofort daran gegangen seien, den Osten sich zu unterwerfen; eine ernstliche Erwägung wird zu einem gerechteren Urteil führen. Nur die stumpfe Unbilligkeit kann es verkennen, daß Rom in dieser Zeit noch keineswegs nach der Herrschaft über die Mittelmeerstaaten griff, sondern nichts weiter begehrte, als in Afrika und in Griechenland ungefährliche Nachbarn zu haben; und eigentlich gefährlich für Rom war Makedonien nicht. Seine Macht war allerdings nicht gering und es ist augenscheinlich, daß der römische Senat den Frieden von 548/49 (206/05), der sie ganz in ihrer Integrität beließ, nur ungern gewährte; allein wie wenig man ernstliche Besorgnisse vor Makedonien in Rom hegte und hegen durfte, beweist am besten die geringe und doch nie gegen Übermacht zu fechten genötigte Truppenzahl, mit welcher Rom den nächsten Krieg geführt hat. Der Senat hätte wohl eine Demütigung Makedoniens gern gesehen; allein um den Preis eines in Makedonien mit römischen Truppen geführten Landkrieges war sie ihm zu teuer, und darum machte er nach dem Rücktritt der Ätoler sofort freiwillig Frieden auf Grundlage des Status quo. Es ist darum auch nichts weniger als ausgemacht, daß die römische Regierung diesen Frieden in der bestimmten Absicht schloß, den Krieg bei gelegenerer Zeit wieder zu beginnen, und sehr gewiß, daß augenblicklich bei der gründlichen Erschöpfung des Staats und der äußersten Unlust der Bürgerschaft auf einen zweiten überseeischen Krieg sich einzulassen, der Makedonische Krieg den Römern in hohem Grade unbequem kam. Aber jetzt war er unvermeidlich. Den makedonischen Staat, wie er im Jahre 549 (205) war, konnte man sich als Nachbar gefallen lassen; allein unmöglich durfte man gestatten, daß derselbe den besten Teil des kleinasiatischen Griechenlands und das wichtige Kyrene hinzuerwarb, die neutralen Handelsstaaten erdrückte und damit seine Macht verdoppelte. Es kam hinzu, daß der Sturz Ägyptens, die Demütigung, vielleicht die Überwältigung von Rhodos auch dem sizilischen und italischen Handel tiefe Wunden geschlagen haben würden; und konnte man überhaupt ruhig zusehen, wie der italische Verkehr mit dem Osten von den beiden großen Kontinentalmächten abhängig ward? Gegen Attalos, den treuen Bundesgenossen aus dem Ersten Makedonischen Krieg, hatte Rom überdies die Ehrenpflicht zu wahren und zu hindern, daß Philippos, der ihn schon in seiner Hauptstadt belagert hatte, ihn nicht von Land und Leuten vertrieb. Endlich war der Anspruch Roms, den schützenden Arm über alle Hellenen auszustrecken, keineswegs bloß Phrase; die Neapolitaner, Rheginer, Massalioten und Emporiten konnten bezeugen, daß dieser Schutz sehr ernst gemeint war, und gar keine Frage ist es, daß in dieser Zeit die Römer den Griechen näher standen als jede andere Nation und wenig ferner als die hellenisierten Makedonier. Es ist seltsam, den Römern das Recht zu bestreiten, über die frevelhafte Behandlung der Kianer und Thasier in ihren menschlichen wie in ihren hellenischen Sympathien sich empört zu fühlen. So vereinigten sich in der Tat alle politischen, kommerziellen und sittlichen Motive, um Rom zu dem zweiten Kriege gegen Philippos zu bestimmen, einem der gerechtesten, die die Stadt je geführt hat. Es gereicht dem Senat zur hohen Ehre, daß er sofort sich entschloß und sich weder durch die Erschöpfung des Staates noch durch die Impopularität einer solchen Kriegserklärung abhalten ließ, seine Anstalten zu treffen – schon 553 (201) erschien der Proprätor Marcus Valerius Laevinus mit der sizilischen Flotte von 38 Segeln in der östlichen See. Indes war die Regierung in Verlegenheit, einen ostensibeln Kriegsgrund ausfindig zu machen, dessen sie dem Volk gegenüber notwendig bedurfte, auch wenn sie nicht überhaupt viel zu einsichtig gewesen wäre, um die rechtliche Motivierung des Krieges in Philippos‘ Art gering zu schätzen. Die Unterstützung, die Philippos nach dem Frieden mit Rom den Karthagern gewährt haben sollte, war offenbar nicht erweislich. Die römischen Untertanen in der illyrischen Landschaft beschwerten sich zwar schon seit längerer Zeit über die makedonischen Obergriffe. Schon 551 (203) hatte ein römischer Gesandter an der Spitze des illyrischen Aufgebots Philippos‘ Scharen aus dem illyrischen Gebiet hinausgeschlagen und der Senat deswegen den Gesandten des Königs 552 (202) erklärt, wenn er Krieg suche, werde er ihn früher finden, als ihm lieb sei. Allein diese Übergriffe waren eben nichts als die gewöhnlichen Frevel, wie Philippos sie gegen seine Nachbarn übte; eine Verhandlung darüber hätte im gegenwärtigen Augenblick zur Demütigung und Sühnung, aber nicht zum Kriege geführt. Mit den sämtlichen kriegführenden Mächten im Osten stand die römische Gemeinde dem Namen nach in Freundschaft und hätte ihnen Beistand gegen den Angriff gewähren können. Allein Rhodos und Pergamon, die begreiflicherweise nicht säumten, die römische Hilfe zu erbitten, waren formell die Angreifer, und Ägypten, wenn auch alexandrinische Gesandte den römischen Senat ersuchten, die Vormundschaft über das königliche Kind zu übernehmen, scheint doch auch nicht eben sich beeilt zu haben, durch Anrufung unmittelbarer römischer Intervention zwar die augenblickliche Bedrängnis zu beendigen, aber zugleich der großen westlichen Macht das Ostmeer zu öffnen. Vor allen Dingen aber hätte die Hilfe für Ägypten zunächst in Syrien geleistet werden müssen und würde Rom in einen Krieg mit Asien und Makedonien zugleich verwickelt haben, was man natürlich um so mehr zu vermeiden wünschte, als man fest entschlossen war, wenigstens in die asiatischen Angelegenheiten sich nicht zu mischen. Es blieb nichts übrig, als vorläufig eine Gesandtschaft nach dem Osten abzuordnen, um teils von Ägypten zu erlangen, was den Umständen nach nicht schwer war, daß es die Einmischung der Römer in die griechischen Angelegenheiten geschehen ließ, teils den König Antiochos zu beschwichtigen, indem man ihm Syrien preisgab, teils endlich den Bruch mit Philippos möglichst zu beschleunigen und die Koalition der griechisch-asiatischen Kleinstaaten gegen ihn zu fördern (Ende 553 201). In Alexandreia erreichte man ohne Mühe, was man wünschte; der Hof hatte keine Wahl und mußte dankbar den Marcus Aemilius Lepidus aufnehmen, den der Senat abgesandt hatte, um als „Vormund des Königs“ dessen Interessen zu vertreten, soweit dies ohne eigentliche Intervention möglich war. Antiochos löste zwar seinen Bund mit Philipp nicht auf und gab den Römern nicht die bestimmten Erklärungen, welche sie wünschten; übrigens aber, sei es aus Schlaffheit, sei es bestimmt durch die Erklärung der Römer, in Syrien nicht intervenieren zu wollen, verfolgte er seine Pläne daselbst und ließ die Dinge in Griechenland und Kleinasien gehen.
Darüber war das Frühjahr 554 (200) herangekommen, und der Krieg hatte aufs neue begonnen. Philippos warf sich zunächst wieder auf Thrakien, wo er die sämtlichen Küstenplätze, namentlich Maroneia, Aenos, Eläos, Sestos besetzte; er wollte seine europäischen Besitzungen vor einer römischen Landung gesichert wissen. Alsdann griff er an der asiatischen Küste Abydos an, an dessen Gewinn ihm gelegen sein mußte, da er durch den Besitz von Sestos und Abydos mit seinem Bundesgenossen Antiochos in festere Verbindung kam und nicht mehr zu fürchten brauchte, daß die Flotte der Bundesgenossen ihm den Weg nach oder aus Kleinasien sperre. Diese beherrschte das Ägäische Meer, nachdem das schwächere makedonische Geschwader sich zurückgezogen hatte; Philippos beschränkte zur See sich darauf, auf dreien der Kykladen, Andros, Kythnos und Paros, Besatzungen zu unterhalten und Kaperschiffe auszurüsten. Die Rhodier gingen nach Chios und von da nach Tenedos, wo Attalos, der den Winter über bei Aegina gestanden und mit den Deklamationen der Athener sich die Zeit vertrieben hatte, mit seinem Geschwader zu ihnen stieß. Es wäre wohl möglich gewesen, den Abydenern, die sich heldenmütig verteidigten, zu Hilfe zu kommen; allein die Verbündeten rührten sich nicht, und so ergab sich endlich die Stadt, nachdem fast alle Waffenfähigen im Kampf vor den Mauern und nach der Kapitulation ein großer Teil der Einwohner durch eigene Hand gefallen waren, der Gnade des Siegers; sie bestand darin, daß den Abydenern drei Tage Frist gegeben wurden, um freiwillig zu sterben. Hier im Lager von Abydos traf die römische Gesandtschaft, die nach Beendigung ihrer Geschäfte in Syrien und Ägypten die griechischen Kleinstaaten besucht und bearbeitet hatte, mit dem König zusammen und entledigte sich ihrer vom Senat erhaltenen Aufträge: der König solle gegen keinen griechischen Staat einen Angriffskrieg führen, die dem Ptolemaeos entrissenen Besitzungen zurückgeben und wegen der den Pergamenern und Rhodiern zugefügten Schädigung sich ein Schiedsgericht gefallen lassen. Die Absicht des Senats, den König zur förmlichen Kriegserklärung zu reizen, ward nicht erreicht; der römische Gesandte Marcus Aemilius erhielt vom König nichts als die feine Antwort, daß er dem jungen schönen römischen Mann wegen dieser seiner drei Eigenschaften das Gesagte zugute halten wolle.
Indes war mittlerweile die von Rom gewünschte Veranlassung von einer anderen Seite her gekommen. Die Athener hatten in ihrer albernen und grausamen Eitelkeit zwei unglückliche Akarnanen hinrichten lassen, weil dieselben sich zufällig in ihre Mysterien verirrt hatten. Als die Akarnanen in begreiflicher Erbitterung von Philippos begehrten, daß er ihnen Genugtuung verschaffe, konnte dieser das gerechte Begehren seiner treuesten Bundesgenossen nicht weigern und gestattete ihnen, in Makedonien Mannschaft auszuheben und damit und mit ihren eigenen Leuten ohne förmliche Kriegserklärung in Attika einzufallen. Zwar war dies nicht bloß kein eigentlicher Krieg, sondern es ließ auch der Führer der makedonischen Schar, Nikanor, auf die drohenden Worte der gerade in Athen anwesenden römischen Gesandten sofort seine Truppen den Rückmarsch antreten (Ende 553 201). Aber es war zu spät. Eine athenische Gesandtschaft ging nach Rom, um über den Angriff Philipps auf einen alten Bundesgenossen Roms zu berichten, und aus der Art, wie der Senat sie empfing, sah Philippos deutlich, was ihm bevorstand; weshalb er zunächst, gleich im Frühling 554 (200) seinen Oberbefehlshaber in Griechenland, Philokles, anwies, das attische Gebiet zu verwüsten und die Stadt möglichst zu bedrängen.
Der Senat hatte jetzt, was er bedurfte, und konnte im Sommer 554 (200) die Kriegserklärung „wegen Angriffs auf einen mit Rom verbündeten Staat“ vor die Volksversammlung bringen. Sie wurde das erstemal fast einstimmig verworfen; törichte oder tückische Volkstribunen querulierten über den Rat, der den Bürgern keine Ruhe gönnen wolle; aber der Krieg war einmal notwendig und genau genommen schon begonnen, so daß der Senat unmöglich zurücktreten konnte. Die Bürgerschaft ward durch Vorstellungen und Konzessionen zum Nachgeben bewogen. Es ist bemerkenswert, daß diese Konzessionen wesentlich auf Kosten der Bundesgenossen erfolgten. Aus ihren im aktiven Dienst befindlichen Kontingenten wurden – ganz entgegen den sonstigen römischen Maximen – die Besatzungen von Gallien, Unteritalien, Sizilien und Sardinien, zusammen 20000 Mann, ausschließlich genommen, die sämtlichen vom Hannibalischen Krieg her unter Waffen stehenden Bürgertruppen aber entlassen; nur Freiwillige sollten daraus zum Makedonischen Krieg aufgeboten werden dürfen, welches denn freilich, wie sich nachher fand, meistens gezwungene Freiwillige waren – es rief dies später im Herbst 555 (199) einen bedenklichen Militäraufstand im Lager von Apollonia hervor. Aus neu einberufenen Leuten wurden sechs Legionen gebildet, von denen je zwei in Rom und in Etrurien blieben und nur zwei in Brundisium nach Makedonien eingeschifft wurden, geführt von dem Konsul Publius Sulpicius Galba.
So hatte sich wieder einmal recht deutlich gezeigt, daß für die weitläufigen und schwierigen Verhältnisse, in welche Rom durch seine Siege gebracht war, die souveränen Bürgerversammlungen mit ihren kurzsichtigen und vom Zufall abhängigen Beschlüssen schlechterdings nicht mehr paßten und daß deren verkehrtes Eingreifen in die Staatsmaschine zu gefährlichen Modifikationen der militärisch notwendigen Maßregeln und zu noch gefährlicherer Zurücksetzung der latinischen Bundesgenossen führte.
Philippos‘ Lage war sehr übel. Die östlichen Staaten, die gegen jede Einmischung Roms hätten zusammenstehen müssen und unter anderen Umständen auch vielleicht zusammengestanden wären, waren hauptsächlich durch seine Schuld so untereinander verhetzt, daß sie die römische Invasion entweder nicht zu hindern oder sogar zu fördern geneigt waren. Asien, Philipps natürlicher und wichtiger Bundesgenosse, war von ihm vernachlässigt worden und überdies zunächst durch die Verwicklung mit Ägypten und den syrischen Krieg an tätigem Eingreifen gehindert. Ägypten hatte ein dringendes Interesse daran, daß die römische Flotte dem Ostmeer fern blieb; selbst jetzt noch gab eine ägyptische Gesandtschaft in Rom sehr deutlich zu verstehen, wie bereit der alexandrinische Hof sei, den Römern die Mühe abzunehmen, in Attika zu intervenieren. Allein der zwischen Asien und Makedonien abgeschlossene Teilungsvertrag über Ägypten warf diesen wichtigen Staat geradezu den Römern in die Arme und erzwang die Erklärung des Kabinetts von Alexandreia, daß es in die Angelegenheiten des europäischen Griechenlands sich nur mit Einwilligung der Römer mischen werde. Ähnlich, aber noch bedrängter gestellt waren die griechischen Handelsstädte, an ihrer Spitze Rhodos, Pergamon, Byzanz; sie hätten unter anderen Umständen ohne Zweifel das Ihrige getan, um den Römern das Ostmeer zu verschließen, aber Philippos‘ grausame und vernichtende Eroberungspolitik hatte sie zu einem ungleichen Kampf gezwungen, in den sie ihrer Selbsterhaltung wegen alles anwenden mußten, die italische Großmacht zu verwickeln. Im eigentlichen Griechenland fanden die römischen Gesandten, die dort eine zweite Ligue gegen Philippos zu stiften beauftragt waren, gleichfalls vom Feinde wesentlich vorgearbeitet. Von der antimakedonischen Partei, den Spartanern, Eleern, Athenern und Ätolern, hätte Philippos die letzten vielleicht zu gewinnen vermocht, da der Friede von 548 (206) in ihren Freundschaftsbund mit Rom einen tiefen und keineswegs aufgeheilten Riß gemacht hatte; allein abgesehen von den alten Differenzen, die wegen der von Makedonien der ätolischen Eidgenossenschaft entzogenen thessalischen Städte Echinos, Larissa Kremaste, Pharsalos und des phthiotischen Thebae zwischen den beiden Staaten bestanden, hatte die Vertreibung der ätolischen Besatzungen aus Lysimacheia und Kios bei den Ätolern neue Erbitterung gegen Philippos hervorgerufen. Wenn sie zauderten, sich der Ligue gegen ihn anzuschließen, so lag der Grund wohl hauptsächlich in der fortwirkenden Verstimmung zwischen ihnen und den Römern.
Bedenklicher noch war es, daß selbst unter den fest an das makedonische Interesse geknüpften griechischen Staaten, den Epeiroten, Akarnanen, Böotern und Achäern, nur die Akarnanen und Böoter unerschüttert zu Philippos standen. Mit den Epeiroten verhandelten die römischen Gesandten nicht ohne Erfolg und namentlich der König der Athamanen, Amynander, schloß an Rom sich fest an. Sogar von den Achäern hatte Philippos durch die Ermordung des Aratos teils viele verletzt, teils überhaupt einer freieren Entwicklung der Eidgenossenschaft wieder Raum gegeben; sie hatte unter Philopömens (502-571 252-183, Strateg zuerst 546 208) Leitung ihr Heerwesen regeneriert, in glücklichen Kämpfen gegen Sparta das Zutrauen zu sich selber wiedergefunden und folgte nicht mehr, wie zu Aratos‘ Zeit, blind der makedonischen Politik. Einzig in ganz Hellas sah die achäische Eidgenossenschaft, die von Philippos‘ Vergrößerungssucht weder Nutzen noch zunächst Nachteil zu erwarten hatte, diesen Krieg vom unparteiischen und nationalhellenischen Gesichtspunkte an; sie begriff, was zu begreifen nicht schwer war, daß die hellenische Nation damit den Römern selber sich auslieferte, sogar ehe diese es wünschten und begehrten, und versuchte darum, zwischen Philippos und den Rhodiern zu vermitteln; allein es war zu spät. Der nationale Patriotismus, der einst den Bundesgenossenkrieg beendigt und der. ersten Krieg zwischen Makedonien und Rom wesentlich mit herbeigeführt hatte, war erloschen; die achäische Vermittlung blieb ohne Erfolg, und vergeblich bereiste Philippos die Städte und Inseln, um die Nation wieder zu entflammen – es war das die Nemesis für Kios und Abydos. Die Achäer, da sie nicht ändern konnten und nicht helfen mochten, blieben neutral.
Im Herbst des Jahres 554 (200) landete der Konsul Publius Sulpicius Galba mit seinen beiden Legionen und 1000 numidischen Reitern, ja sogar mit Elefanten, die aus der karthagischen Beute herrührten, bei Apollonia; auf welche Nachricht der König eilig vom Hellespont nach Thessalien zurückkehrte. Indes teils die schon weit vorgerückte Jahreszeit, teils die Erkrankung des römischen Feldherrn bewirkten, daß zu Lande dies Jahr nichts weiter vorgenommen ward als eine starke Rekognoszierung, bei der die nächstliegenden Ortschaften, namentlich die makedonische Kolonie Antipatreia, von den Römern besetzt wurden. Für das nächste Jahr ward mit den nördlichen Barbaren, namentlich mit Pleuratos, dem damaligen Herrn von Skodra, und dem Dardanerfürsten Bato, die selbstverständlich eilten, die gute Gelegenheit zu nutzen, ein gemeinschaftlicher Angriff auf Makedonien verabredet.
Wichtiger waren die Unternehmungen der römischen Flotte, die 100 Deck- und 80 leichte Schiffe zählte. Während die übrigen Schiffe bei Kerkyra für den Winter Station nahmen, ging eine Abteilung unter Gaius Claudius Cento nach dem Peiräeus, um den bedrängten Athenern Beistand zu leisten. Da Cento indes die attische Landschaft gegen die Streifereien der korinthischen Besatzung und die makedonischen Korsaren schon hinreichend gedeckt fand, segelte er weiter und erschien plötzlich vor Chalkis auf Euböa, dem Hauptwaffenplatz Philipps in Griechenland, wo die Magazine, die Waffenvorräte und die Gefangenen aufbewahrt wurden und der Kommandant Sopater nichts weniger als einen römischen Angriff erwartete. Die unverteidigte Mauer ward erstiegen, die Besatzung niedergemacht, die Gefangenen befreit und die Vorräte verbrannt; leider fehlte es an Truppen, um die wichtige Position zu halten. Auf die Kunde von diesem überfall brach Philippos in ungestümer Erbitterung sofort von Demetrias in Thessalien auf nach Chalkis, und da er hier nichts von dem Feind mehr fand als die Brandstätte, weiter nach Athen, um Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Allein die Überrumpelung mißlang und auch der Sturm war vergeblich, so sehr der König sein Leben preisgab; das Herannahen von Gaius Claudius vom Peiräeus, des Attalos von Aegina her zwangen ihn zum Abzug. Philippos verweilte indes noch einige Zeit in Griechenland; aber politisch und militärisch waren seine Erfolge gleich gering. Umsonst versuchte er die Achäer für sich in Waffen zu bringen; und ebenso vergeblich waren seine Angriffe auf Eleusis und den Peiräeus sowie ein zweiter auf Athen selbst. Es blieb ihm nichts übrig, als seine begreifliche Erbitterung in unwürdiger Weise durch Verwüstung der Landschaft und Zerstörung, der Bäume des Akademos zu befriedigen und nach dem Norden zurückzukehren. So verging der Winter. Mit dem Frühjahr 555 (199) brach der Prokonsul Publius Sulpicius aus seinem Winterlager auf, entschlossen, seine Legionen von Apollonia auf der kürzesten Linie in das eigentliche Makedonien zu führen. Diesen Hauptangriff von Westen her sollten drei Nebenangriffe unterstützen: in nördlicher Richtung der Einfall der Dardaner und Illyrier, in östlicher ein Angriff der kombinierten Flotte der Römer und der Bundesgenossen, die bei Aegina sich sammelte; endlich von Süden her sollten die Athamanen vordringen und, wenn es gelang, sie zur Teilnahme am Kampfe zu bestimmen, zugleich die Ätoler. Nachdem Galba die Berge, die der Apsos (jetzt Beratinó) durchschneidet, überschritten hatte und durch die fruchtbare dassaretische Ebene gezogen war, gelangte er an die Gebirgskette, die Illyrien und Makedonien scheidet und betrat, diese übersteigend, das eigentliche makedonische Gebiet. Philippos war ihm entgegengegangen; allein in den ausgedehnten und schwach bevölkerten Landschaften Makedoniens suchten sich die Gegner einige Zeit vergeblich, bis sie endlich in der lynkestischen Provinz, einer fruchtbaren aber sumpfigen Ebene, unweit der nordwestlichen Landesgrenze aufeinandertrafen und keine 1000 Schritt voneinander die Lager schlugen. Philippos‘ Heer zählte, nachdem er das zur Besetzung der nördlichen Pässe detachierte Korps an sich gezogen hatte, etwa 20000 Mann zu Fuß und 2000 Reiter; das römische war ungefähr ebenso stark. Indes die Makedonier hatten den großen Vorteil, daß sie, in der Heimat fechtend und mit Weg und Steg bekannt, mit leichter Mühe den Proviant zugeführt erhielten, während sie sich so dicht an die Römer gelagert hatten, daß diese es nicht wagen konnten, zu ausgedehnter Fouragierung sich zu zerstreuen. Der Konsul bot die Schlacht wiederholt an, allein der König versagte sie beharrlich und die Gefechte zwischen den leichten Truppen, wenn auch die Römer darin einige Vorteile erfochten, änderten in der Hauptsache nichts. Galba war genötigt, sein Lager abzubrechen und anderthalb Meilen weiter bei Oktolophos ein anderes aufzuschlagen, von wo er leichter sich verproviantieren zu können meinte. Aber auch hier wurden die ausgeschickten Abteilungen von den leichten Truppen und der Reiterei der Makedonier vernichtet; die Legionen mußten zu Hilfe kommen und trieben dann freilich die makedonische Vorhut, die zu weit vorgegangen war, mit starkem Verlust in das Lager zurück, wobei der König selbst das Pferd verlor und nur durch die hochherzige Hingebung eines seiner Reiter das Leben rettete. Aus dieser gefährlichen Lage befreite die Römer der bessere Erfolg der von Galba veranlaßten Nebenangriffe der Bundesgenossen oder vielmehr die Schwäche der makedonischen Streitkräfte. Obwohl Philippos in seinem Gebiet möglichst starke Aushebungen vorgenommen und römische Überläufer und andere Söldner hinzugeworben hatte, hatte er doch nicht vermocht, außer den Besatzungen in Kleinasien und Thrakien, mehr als das Heer, womit er selbst dem Konsul gegenüberstand, auf die Beine zu bringen, und überdies noch, um dieses zu bilden, die Nordpässe in der pelagonischen Landschaft entblößen müssen. Für die Deckung der Ostküste verließ er sich teils auf die von ihm angeordnete Verwüstung der Inseln Skiathos und Peparethos, die der feindlichen Flotte eine Station hätten bieten können, teils auf die Besatzung von Thasos und der Küste und auf die unter Herakleides bei Demetrias aufgestellte Flotte. Für die Südgrenze hatte er gar auf die mehr als zweifelhafte Neutralität der Ätoler rechnen müssen. Jetzt traten diese plötzlich dem Bunde gegen Makedonien bei und drangen sofort mit den Athamanen vereinigt in Thessalien ein, während zugleich die Dardaner und Illyrier die nördlichen Landschaften überschwemmten und die römische Flotte unter Lucius Apustius, von Kerkyra aufbrechend, in den östlichen Gewässern erschien, wo die Schiffe des Attalos, der Rhodier und der Istrier sich mit ihr vereinigten.
Philippos gab hiernach freiwillig seine Stellung auf und wich in östlicher Richtung zurück: ob es geschah, um den wahrscheinlich unvermuteten Einfall der Ätoler zurückzuschlagen oder um das römische Heer sich nach und ins Verderben zu ziehen oder um je nach den Umständen das eine oder das andere zu tun, ist nicht wohl zu entscheiden. Er bewerkstelligte seinen Rückzug so geschickt, daß Galba, der den verwegenen Entschluß faßte, ihm zu folgen, seine Spur verlor und es Philippos möglich ward, den Engpaß, der die Landschaften Lynkestis und Eordäa scheidet, auf Seitenwegen zu erreichen und zu besetzen, um die Römer hier zu erwarten und ihnen einen heißen Empfang zu bereiten. Es kam an der von ihm gewählten Stelle zur Schlacht. Aber die langen makedonischen Speere erwiesen sich unbrauchbar auf dem waldigen und ungleichen Terrain; die Makedonier wurden teils umgangen, teils durchbrochen und verloren viele Leute. Indes wenn auch Philippos‘ Heer nach diesem unglücklichen Treffen nicht länger imstande war, den Römern das weitere Vordringen zu wehren, so scheuten sich doch diese selber in dem unwegsamen und feindlichen Land, weiteren unbekannten Gefahren entgegenzuziehen, und kehrten zurück nach Apollonia, nachdem sie die fruchtbaren Landschaften Hochmakedoniens Eordäa, Elimea, Orestis verwüstet und die bedeutendste Stadt von Orestis, Keletron (jetzt Kastoria auf einer Halbinsel in dem gleichnamigen See), sich ihnen ergeben hatte – es war die einzige makedonische Stadt, die den Römern ihre Tore öffnete. Im illyrischen Land ward die Stadt der Dassaretier, Pelion, an den oberen Zuflüssen des Apsos, erstürmt und stark besetzt, um auf einem ähnlichen Zug künftig als Basis zu dienen.
Philippos störte die römische Hauptarmee auf ihrem Rückzug nicht, sondern wandte sich in Gewaltmärschen gegen die Ätoler und Athamanen, die in der Meinung, daß die Legionen den König beschäftigten, das reiche Tal des Peneios furcht- und rücksichtslos plünderten, schlug sie vollständig und nötigte, was nicht fiel, sich einzeln auf den wohlbekannten Bergpfaden zu, retten. Durch diese Niederlage und ebenso sehr durch die starken Werbungen, die in Ätolien für ägyptische Rechnung stattfanden, schwand die Streitkraft der Eidgenossenschaft nicht wenig zusammen. Die Dardaner wurden von dem Führer der leichten Truppen Philipps, Athenagoras, ohne Mühe und mit starkem Verlust über die Berge zurückgejagt. Die römische Flotte richtete auch nicht viel aus; sie vertrieb die makedonische Besatzung von Andros, suchte Euböa und Skiathos heim und machte dann Versuche auf die chalkidische Halbinsel, die aber die makedonische Besatzung bei Mende kräftig zurückwies. Der Rest des Sommers verging mit der Einnahme von Oreos auf Euböa, welche durch die entschlossene Verteidigung der makedonischen Besatzung lange verzögert ward. Die schwache makedonische Flotte unter Herakleides stand untätig bei Herakleia und wagte nicht den Feinden das Meer streitig zu machen. Frühzeitig gingen diese in die Winterquartiere, die Römer nach dem Peiräeus und Kerkyra, die Rhodier und Pergamener in die Heimat.
Im ganzen konnte Philipp zu den Ereignissen dieses Feldzuges sich Glück wünschen. Die römischen Truppen standen nach einem äußerst beschwerlichen Feldzug im Herbst genau da, von wo sie im Frühling aufgebrochen waren, und ohne das rechtzeitige Dareinschlagen der Ätoler und die unerwartet glückliche Schlacht am Paß von Eordäa hätte von der gesamten Macht vielleicht kein Mann das römische Gebiet wiedergesehen. Die vierfache Offensive hatte überall ihren Zweck verfehlt und Philippos sah im Herbste nicht bloß sein ganzes Gebiet vom Feind gereinigt, sondern er konnte noch einen, freilich vergeblichen, Versuch machen, die an der ätolisch-thessalischen Grenze gelegene und die Peneiosebene beherrschende feste Stadt Thaumakoi den Ätolern zu entreißen. Wenn Antiochos, um dessen Kommen Philippos vergeblich zu den Göttern flehte, sich im nächsten Feldzug mit ihm vereinigte, so durfte er große Erfolge erwarten. Es schien einen Augenblick, als schicke dieser sich dazu an; sein Heer erschien in Kleinasien und besetzte einige Ortschaften des Königs Attalos, der von den Römern militärischen Schutz erbat. Diese indes beeilten sich nicht, den Großkönig jetzt zum Bruch zu drängen; sie schickten Gesandte, die in der Tat es erreichten, daß Attalos‘ Gebiet geräumt ward. Von daher hatte Philippos nichts zu hoffen.
Indes der glückliche Ausgang des letzten Feldzugs hatte Philipps Mut oder Übermut so gehoben, daß, nachdem er der Neutralität der Achäer und der Treue der Makedonier sich durch die Aufopferung einiger festen Plätze und des verabscheuten Admirals Herakleides aufs neue versichert hatte, im nächsten Frühling 556 (198) er es war, der die Offensive ergriff und in die atintanische Landschaft einrückte, um in dem engen Paß, wo sich der Aoos (Viosa) zwischen den Bergen Aeropos und Asmaos durchwindet, ein wohlverschanztes Lager zu beziehen. Ihm gegenüber lagerte das durch neue Truppensendungen verstärkte römische Heer, über das zuerst der Konsul des vorigen Jahres, Publius Villius, sodann seit dem Sommer 556 (198) der diesjährige Konsul Titus Quinctius Flamininus den Oberbefehl führte. Flamininus, ein talentvoller, erst dreißigjähriger Mann, gehörte zu der jüngeren Generation, welche mit dem altväterischen Wesen auch den altväterischen Patriotismus von sich abzutun anfing und zwar auch noch an das Vaterland, aber mehr an sich und an das Hellenentum dachte. Ein geschickter Offizier und besserer Diplomat, war er in vieler Hinsicht für die Behandlung der schwierigen griechischen Verhältnisse vortrefflich geeignet; dennoch wäre es vielleicht für Rom wie für Griechenland besser gewesen, wenn die Wahl auf einen minder von hellenischen Sympathien erfüllten Mann gefallen und ein Feldherr dorthin gesandt worden wäre, den weder feine Schmeichelei bestochen noch beißende Spottrede verletzt hätte, der die Erbärmlichkeit der hellenischen Staatsverfassungen nicht über literarischen und künstlerischen Reminiszenzen vergessen und der Hellas nach Verdienst behandelt, den Römern aber es erspart hätte, unausführbaren Idealen nachzustreben.
Der neue Oberbefehlshaber hatte mit dem König sogleich eine Zusammenkunft, während die beiden Heere untätig sich gegenüberstanden. Philippos machte Friedensvorschläge; er erbot sich, alle eigenen Eroberungen zurückzugeben und wegen des den griechischen Städten zugefügten Schadens sich einem billigen Austrag zu unterwerfen; aber an dem Begehren, altmakedonische Besitzungen, namentlich Thessalien, aufzugeben, scheiterten die Verhandlungen. Vierzig Tage standen die beiden Heere in dem Engpaß des Aoos, ohne daß Philippos wich oder Flamininus sich entschließen konnte, entweder den Sturm anzuordnen oder den König stehenzulassen und die vorjährige Expedition wieder zu versuchen. Da half dem römischen General die Verräterei einiger Vornehmer unter den sonst gut makedonisch gesinnten Epeiroten, namentlich des Charops, aus der Verlegenheit. Sie führten auf Bergpfaden ein römisches Korps von 4000 Mann zu Fuß und 300 Reitern auf die Höhen oberhalb des makedonischen Lagers und wie alsdann der Konsul das feindliche Herr von vorn angriff, entschied das Anrücken jener unvermutet von den beherrschenden Bergen herabsteigenden römischen Abteilung die Schlacht. Philippos verlor Lager und Verschanzung und gegen 2000 Mann und wich eilig zurück bis an den Paß Tempel die Pforte des eigentlichen Makedoniens. Allen anderen Besitz gab er auf bis auf die Festungen; die thessalischen Städte, die er nicht verteidigen konnte, zerstörte er selbst – nur Pherae schloß ihm die Tore und entging dadurch dem Verderben. Teils durch diese Erfolge der römischen Waffen, teils durch Flamininus‘ geschickte Milde bestimmt, traten zunächst die Epeiroten vom makedonischen Bündnis ab. In Thessalien waren auf die erste Nachricht vom Siege der Römer sogleich die Athamanen und Ätoler eingebrochen, und die Römer folgten bald; das platte Land war leicht überschwemmt, allein die festen Städte, die gut makedonisch gesinnt waren und von Philippos Unterstützung empfingen, fielen nur nach tapferem Widerstand oder widerstanden sogar dem überlegenen Feind; so vor allem Atrax am linken Ufer des Peneios, wo in der Bresche die Phalanx statt der Mauer stand. Bis auf diese thessalischen Festungen und das Gebiet der treuen Akarnanen war somit ganz Nordgriechenland in den Händen der Koalition.
Dagegen war der Süden durch die Festungen Chalkis und Korinth, die durch das Gebiet der makedonisch gesinnten Böoter miteinander die Verbindung unterhielten, und durch die achäische Neutralität noch immer wesentlich in makedonischer Gewalt, und Flamininus entschloß sich, da es doch zu spät war, um dies Jahr noch in Makedonien einzudringen, zunächst Landheer und Flotte gegen Korinth und die Achäer zu wenden. Die Flotte, die wieder die rhodischen und pergamenischen Schiffe an sich gezogen hatte, war bisher damit beschäftigt gewesen, zwei kleinere Städte auf Euböa, Eretria und Karystos, einzunehmen und daselbst Beute zu machen; worauf beide indes ebenso wie Oreos wieder aufgegeben und von dem makedonischen Kommandanten von Chalkis, Philokles, aufs neue besetzt wurden. Die vereinigte Flotte wandte sich von da nach Kenchreae, dem östlichen Hafen von Korinth, um diese starke Festung zu bedrohen. Von der anderen Seite rückte Flamininus in Phokis ein und besetzte die Landschaft, in der nur Elateia eine längere Belagerung aushielt; diese Gegend, namentlich Antikyra am Korinthischen Meerbusen, war zum Winterquartier ausersehen. Die Achäer, die also auf der einen Seite die römischen Legionen sich nähern, auf der anderen die römische Flotte schon an ihrem eigenen Gestade sahen, verzichteten auf ihre sittlich ehrenwerte, aber politisch unhaltbare Neutralität; nachdem die Gesandten der am engsten an Makedonien geknüpften Städte Dyme, Megalopolis und Argos die Tagsatzung verlassen hatten, beschloß dieselbe den Beitritt zu der Koalition gegen Philippos. Kykliades und andere Führer der makedonischen Partei verließen die Heimat; die Truppen der Achäer vereinigten sich sofort mit der römischen Flotte und eilten, Korinth zu Lande einzuschließen, welche Stadt, die Zwingburg Philipps gegen die Achäer, ihnen römischerseits für ihren Beitritt zu dem Bunde zugesichert worden war. Die makedonische Besatzung indes, die 1300 Mann stark war und großenteils aus italischen Überläufern bestand, verteidigte entschlossen die fast uneinnehmbare Stadt; überdies kam von Chalkis Philokles herbei mit einer Abteilung von 1500 Mann, die nicht bloß Korinth entsetzte, sondern auch in das Gebiet der Achäer eindrang und im Einverständnis mit der makedonisch gesinnten Bürgerschaft ihnen Argos entriß. Allein der Lohn solcher Hingebung war, daß der König die treuen Argeier der Schreckensherrschaft des Nabis von Sparta auslieferte. Diesen, den bisherigen Bundesgenossen der Römer, hoffte er nach dem Beitritt der Achäer zu der römischen Koalition zu sich hinüberzuziehen; denn er war hauptsächlich nur deshalb römischer Bundesgenosse geworden, weil er in Opposition zu den Achäern und seit 550 (204) sogar in offenem Kriege mit ihnen sich befand. Allein Philippos‘ Angelegenheiten standen zu verzweifelt, als daß irgend jemand jetzt sich auf seine Seite zu schlagen Lust verspürt hätte. Nabis nahm zwar Argos von Philippos an, allein er verriet den Verräter und blieb im Bündnis mit Flamininus, welcher in der Verlegenheit, jetzt mit zwei untereinander im Krieg begriffenen Mächten verbündet zu sein, vorläufig zwischen den Spartanern und Achäern einen Waffenstillstand auf vier Monate vermittelte.
So kam der Winter heran. Philippos benutzte ihn abermals, um womöglich einen billigen Frieden zu erhalten. Auf einer Konferenz, die in Nikäa am Malischen Meerbusen abgehalten ward, erschien der König persönlich und versuchte, mit Flamininus zu einer Verständigung zu gelangen, indem er den petulanten Übermut der kleinen Herren mit Stolz und Feinheit zurückwies und durch markierte Deferenz gegen die Römer als die einzigen ihm ebenbürtigen Gegner von diesen erträgliche Bedingungen zu erhalten suchte. Flamininus war gebildet genug, um durch die Urbanität des Besiegten gegen ihn und die Hoffart gegen die Bundesgenossen, welche der Römer wie der König gleich verachten gelernt hatten, sich geschmeichelt zu fühlen; allein seine Vollmacht ging nicht so weit wie das Begehren des Königs: er gestand ihm gegen Einräumung von Phokis und Lokris einen zweimonatlichen Waffenstillstand zu und wies ihn in der Hauptsache an seine Regierung. Im römischen Senat war man sich längst einig, daß Makedonien alle seine auswärtigen Besitzungen aufgeben müsse; als daher Philippos‘ Gesandte in Rom erschienen, begnügte man sich zu fragen, ob sie Vollmacht hätten, auf ganz Griechenland, namentlich auf Korinth, Chalkis und Demetrias zu verzichten, und da sie dies verneinten, brach man sofort die Unterhandlungen ab und beschloß die energische Fortsetzung des Krieges. Mit Hilfe der Volkstribunen gelang es dem Senat, den so nachteiligen Wechsel des Oberbefehls zu verhindern und Flamininus das Kommando zu verlängern; er erhielt bedeutende Verstärkung, und die beiden früheren Oberbefehlshaber Publius Galba und Publius Villius wurden angewiesen, sich ihm zur Verfügung zu stellen. Auch Philippos entschloß sich, noch eine Feldschlacht zu wagen. Um Griechenland zu sichern, wo jetzt alle Staaten mit Ausnahme der Akarnanen und Böoter gegen ihn in Waffen standen, wurde die Besatzung von Korinth bis auf 6000 Mann verstärkt, während er selbst, die letzten Kräfte des erschöpften Makedoniens anstrengend und Kinder und Greise in die Phalanx einreihend, ein Heer von etwa 26000 Mann, darunter 16000 makedonische Phalangiten, auf die Beine brachte. So begann der vierte Feldzug 557 (197). Flamininus schickte einen Teil der Flotte gegen die Akarnanen, die in Leukas belagert wurden; im eigentlichen Griechenland bemächtigte er sich durch List der böotischen Hauptstadt Thebae, wodurch sich die Böoter gezwungen sahen, dem Bündnis gegen Makedonien wenigstens dem Namen nach beizutreten. Zufrieden, hierdurch die Verbindung zwischen Korinth und Chalkis gesprengt zu haben, wandte er sich nach Norden, wo allein die Entscheidung fallen konnte. Die großen Schwierigkeiten der Verpflegung des Heeres in dem feindlichen und großenteils öden Lande, die schon oft die Operationen gehemmt hatten, sollte jetzt die Flotte beseitigen, indem sie das Heer längs der Küste begleitete und ihm die aus Afrika, Sizilien und Sardinien gesandten Vorräte nachführte. Indes die Entscheidung kam früher, als Flamininus gehofft hatte. Philippos, ungeduldig und zuversichtlich wie er war, konnte es nicht aushalten, den Feind an der makedonischen Grenze zu erwarten; nachdem er bei Dion sein Heer gesammelt hatte, rückte er durch den Tempepaß in Thessalien ein und traf mit dem ihm entgegenrückenden feindlichen Heer in der Gegend von Skotussa zusammen. Beide Heere, das makedonische und das römische, das durch Zuzüge der Apolloniaten und Athamanen und die von Nabis gesandten Kretenser, besonders aber durch einen ansehnlichen ätolischen Haufen verstärkt worden war, zählten ungefähr gleich viel Streiter, jedes etwa 26000 Mann; doch waren die Römer an Reiterei dem Gegner überlegen. Vorwärts Skotussa, auf dem Plateau des Karadagh, traf während eines trüben Regentages der römische Vortrab unvermutet auf den feindlichen, der einen zwischen beiden Lagern gelegenen, hohen und steilen Hügel, die Kynoskephalae genannt, besetzt hielt. Zurückgetrieben in die Ebene, erhielten die Römer Verstärkung aus dem Lager von den leichten Truppen und dem trefflichen Korps der ätolischen Reiterei und drängten nun ihrerseits den makedonischen Vortrab auf und über die Höhe zurück. Hier aber fanden wiederum die Makedonier Unterstützung an ihrer gesamten Reiterei und dem größten Teil der leichten Infantrie; die Römer, die unvorsichtig sich vorgewagt hatten, wurden mit großem Verlust bis hart an ihr Lager zurückgejagt und hätten sich völlig zur Flucht gewandt, wenn nicht die ätolischen Ritter in der Ebene den Kampf so lange hingehalten hätten, bis Flamininus die schnell geordneten Legionen herbeiführte. Dem ungestümen Ruf der siegreichen, die Fortsetzung des Kampfes fordernden Truppen gab der König nach und ordnete auch seine Schwerbewaffneten eilig zu der Schlacht, die weder Feldherr noch Soldaten an diesem Tage erwartet hatten. Es galt, den Hügel zu besetzen, der augenblicklich von Truppen ganz entblößt war. Der rechte Flügel der Phalanx unter des Königs eigener Führung kam früh genug dort an, um sich ungestört auf der Höhe in Schlachtordnung zu stellen; der linke aber war noch zurück, als schon die leichten Truppen der Makedonier, von den Legionen gescheucht, den Hügel heraufstürmten. Philipp schob die flüchtigen Haufen rasch an der Phalanx vorbei in das Mitteltreffen, und ohne zu erwarten, bis auf dem linken Flügel Nikanor mit der anderen, langsamer folgenden Hälfte der Phalanx eingetroffen war, hieß er die rechte Phalanx mit gesenkten Speeren den Hügel hinab sich auf die Legionen stürzen und gleichzeitig die wieder geordnete leichte Infanterie sie umgehen und ihnen in die Flanke fallen. Der am günstigen Orte unwiderstehliche Angriff der Phalanx zersprengte das römische Fußvolk, und der linke Flügel der Römer ward völlig geschlagen. Auf dem anderen Flügel ließ Nikanor, als er den König angreifen sah, die andere Hälfte der Phalanx schleunig nachrücken; sie geriet dabei auseinander, und während die ersten Reihen schon den Berg hinab eilig dem siegreichen rechten Flügel folgten und durch das ungleiche Terrain noch mehr in Unordnung kamen, gewannen die letzten Glieder eben erst die Höhe. Der rechte Flügel der Römer ward unter diesen Umständen leicht mit dem feindlichen linken fertig; die Elefanten allein, die auf diesem Flügel standen, vernichteten die aufgelösten makedonischen Scharen. Während hier ein fürchterliches Gemetzel entstand, nahm ein entschlossener römischer Offizier zwanzig Fähnlein zusammen und warf sich mit diesen auf den siegreichen makedonischen Flügel, der, den römischen linken verfolgend, so weit vorgedrungen war, daß der römische rechte ihm im Rücken stand. Gegen den Angriff von hinten war die Phalanx wehrlos und mit dieser Bewegung die Schlacht zu Ende. Bei der vollständigen Auflösung der beiden Phalangen ist es begreiflich, daß man 13000 teils gefangene, teils gefallene Makedonier zählte, meistens gefallene, weil die römischen Soldaten das makedonische Zeichen der Ergebung, das Aufheben der Sarissen, nicht kannten; der Verlust der Sieger war gering. Philippos entkam nach Larissa und nachdem er alle seine Papiere verbrannt hatte, um niemanden zu kompromittieren, räumte er Thessalien und ging in seine Heimat zurück.
Gleichzeitig mit dieser großen Niederlage erlitten die Makedonier noch andere Nachteile auf allen Punkten, die sie noch besetzt hielten: in Karien schlugen die rhodischen Söldner das dort stehende makedonische Korps und zwangen dasselbe, sich in Stratonikeia einzuschließen; die korinthische Besatzung ward von Nikostratos und seinen Achäern mit starkem Verlust geschlagen, das akarnanische Leukas nach heldenmütiger Gegenwehr erstürmt. Philippos war vollständig überwunden; seine letzten Verbündeten, die Akarnanen, ergaben sich auf die Nachricht von der Schlacht bei Kynoskephalae.
Es lag vollständig in der Hand der Römer, den Frieden zu diktieren: sie nutzten ihre Macht, ohne sie zu mißbrauchen. Man konnte das Reich Alexanders vernichten; auf der Konferenz der Bundesgenossen ward dies Begehren von ätolischer Seite ausdrücklich gestellt. Allein was hieß das anders als den Wall hellenischer Bildung gegen Thraker und Kelten niederreißen? Schon war während des eben beendigten Krieges das blühende Lysimacheia auf dem Thrakischen Chersonesos von den Thrakern gänzlich zerstört worden – eine ernste Warnung für die Zukunft. Flamininus, der tiefe Blicke in die widerwärtigen Verfehdungen der griechischen Staaten getan hatte, konnte nicht die Hand dazu bieten, daß die römische Großmacht für den Groll der ätolischen Eidgenossenschaft die Exekution übernahm, auch wenn nicht seine hellenischen Sympathien für den feinen und ritterlichen König ebenso sehr gewonnen gewesen wären wie sein römisches Nationalgefühl verletzt war durch die Prahlerei der Ätoler, der „Sieger von Kynoskephalae“, wie sie sich nannten. Den Ätolern erwiderte er, daß es nicht römische Sitte sei, Besiegte zu vernichten, übrigens seien sie ja ihre eigenen Herren und stehe es ihnen frei, mit Makedonien ein Ende zu machen, wenn sie könnten. Der König ward mit aller möglichen Rücksicht behandelt, und nachdem er sich bereit erklärt hatte, auf die früher gestellten Forderungen jetzt einzugehen, ihm von Flamininus gegen Zahlung einer Geldsumme und Stellung von Geiseln, darunter seines Sohnes Demetrios, ein längerer Waffenstillstand bewilligt, den Philippos höchst nötig brauchte, um die Dardaner aus Makedonien hinauszuschlagen.
Die definitive Regulierung der verwickelten griechischen Angelegenheiten ward vom Senat einer Kommission von zehn Personen übertragen, deren Haupt und Seele wieder Flamininus war. Philippos erhielt von ihr ähnliche Bedingungen, wie sie Karthago gestellt worden waren. Er verlor alle auswärtigen Besitzungen in Kleinasien, Thrakien, Griechenland und auf den Inseln des Ägäischen Meeres; dagegen blieb das eigentliche Makedonien ungeschmälert bis auf einige unbedeutende Grenzstriche und die Landschaft Orestis, welche frei erklärt ward – eine Bestimmung, die Philippos äußerst empfindlich fiel, allein die die Römer nicht umhin konnten, ihm vorzuschreiben, da bei seinem Charakter es unmöglich war, ihm die freie Verfügung über einmal von ihm abgefallene Untertanen zu lassen. Makedonien wurde ferner verpflichtet, keine auswärtigen Bündnisse ohne Vorwissen Roms abzuschließen noch nach auswärts Besatzungen zu schicken; ferner nicht außerhalb Makedoniens gegen zivilisierte Staaten noch überhaupt gegen römische Bundesgenossen Krieg zu führen und kein Heer über 5000 Mann, keine Elefanten und nicht über fünf Deckschiffe zu unterhalten, die übrigen an die Römer auszuliefern. Endlich trat Philippos mit den Römern in Symmachie, die ihn verpflichtete, auf Verlangen Zuzug zu senden, wie denn gleich nachher die makedonischen Truppen mit den Legionen zusammen fochten. Außerdem zahlte er eine Kontribution von 1000 Talenten (1700000 Taler).
Nachdem Makedonien also zu vollständiger politischer Nullität herabgedrückt und ihm nur so viel Macht gelassen war, als es bedurfte, um die Grenze von Hellas gegen die Barbaren zu hüten, schritt man dazu, über die vom König abgetretenen Besitzungen zu verfügen. Die Römer, die eben damals in Spanien erfuhren, daß überseeische Provinzen ein sehr zweifelhafter Gewinn seien, und die überhaupt keineswegs des Ländererwerbes wegen den Krieg begonnen hatten, nahmen nichts von der Beute für sich und zwangen dadurch auch ihre Bundesgenossen zur Mäßigung. Sie beschlossen, sämtliche Staaten Griechenlands, die bisher unter Philippos gestanden, frei zu erklären; und Flamininus erhielt den Auftrag, das desfällige Dekret den zu den Isthmischen Spielen versammelten Griechen zu verlesen (558 196). Ernsthafte Männer freilich mochten fragen, ob denn die Freiheit ein verschenkbares Gut sei und was Freiheit ohne Einigkeit und Einheit der Nation bedeute; doch war der Jubel groß und aufrichtig, wie die Absicht aufrichtig war, in der der Senat die Freiheit verlieh32.
Ausgenommen waren von dieser gemeinen Maßregel nur die illyrischen Landschaften östlich von Epidamnos, die an den Herrn von Skodra, Pleuratos, fielen und diesen, ein Menschenalter zuvor von den Römern gedemütigten Land- und Seeräuberstaat wieder zu der mächtigsten unter all den kleinen Herrschaften in diesen Strichen machten; ferner einige Ortschaften im westlichen Thessalien, die Amynander besetzt hatte und die man ihm ließ, und die drei Inseln Paros, Skyros und Imbros, welche Athen für seine vielen Drangsale und seine noch zahlreicheren Dankadressen und Höflichkeiten aller Art zum Geschenk erhielt. Daß die Rhodier ihre karischen Besitzungen behielten und Aegina den Pergamenern blieb, versteht sich. Sonst ward den Bundesgenossen nur mittelbar gelohnt durch den Zutritt der neu befreiten Städte zu den verschiedenen Eidgenossenschaften. Am besten wurden die Achäer bedacht, die doch am spätesten der Koalition gegen Philippos beigetreten waren; wie es scheint, aus dem ehrenwerten Grunde, daß dieser Bundesstaat unter allen griechischen der geordnetste und ehrbarste war. Die sämtlichen Besitzungen Philipps auf dem Peloponnes und dem Isthmos, also namentlich Korinth, wurden ihrem Bunde einverleibt. Mit den Ätolern dagegen machte man wenig Umstände; sie durften die phokischen und lokrischen Städte in ihre Symmachie aufnehmen, allein ihre Versuche, dieselbe auch auf Akarnanien und Thessalien auszudehnen, wurden teils entschieden zurückgewiesen, teils in die Ferne geschoben, und die thessalischen Städte vielmehr in vier kleine selbständige Eidgenossenschaften geordnet. Dem Rhodischen Städtebund kam die Befreiung von Thasos und Lemnos, der thrakischen und kleinasiatischen Städte zugute.
Schwierigkeit machte die Ordnung der inneren Verhältnisse Griechenlands, sowohl der Staaten zueinander, als der einzelnen Staaten in sich. Die dringendste Angelegenheit war der zwischen den Spartanern und Achäern seit 550 (204) geführte Krieg, dessen Vermittlung den Römern notwendig zufiel. Allein nach vielfachen Versuchen, Nabis zum Nachgeben, namentlich zur Herausgabe der von Philippos ihm ausgelieferten achäischen Bundesstadt Argos zu bestimmen, blieb Flamininus doch zuletzt nichts übrig, als dem eigensinnigen kleinen Raubherrn, der auf den offenkundigen Groll der Ätoler gegen die Römer und auf Antiochos‘ Einrücken in Europa rechnete und die Rückstellung von Argos beharrlich weigerte, endlich von den sämtlichen Hellenen auf einer großen Tagfahrt in Korinth den Krieg erklären zu lassen und mit der Flotte und dem römisch-bundesgenössischen Heere, darunter auch einem von Philippos gesandten Kontingent und einer Abteilung lakedämonischer Emigranten unter dem legitimen König von Sparta, Agesipolis, in den Peloponnes einzurücken (559 195). Um den Gegner durch die überwältigende Übermacht sogleich zu erdrücken, wurden nicht weniger als 50000 Mann auf die Beine gebracht und mit Vernachlässigung der übrigen Städte sogleich die Hauptstadt selbst umstellt; allein der gewünschte Erfolg ward dennoch nicht erreicht. Nabis hatte eine beträchtliche Armee, bis 15000 Mann, darunter 5000 Söldner, ins Feld gestellt und seine Herrschaft durch ein vollständiges Schreckensregiment, die Hinrichtung in Masse der ihm verdächtigen Offiziere und Bewohner der Landschaft, aufs neue befestigt. Sogar als er selber nach den ersten Erfolgen der römischen Armee und Flotte sich entschloß, nachzugeben und die von Flamininus ihm gestellten verhältnismäßig sehr günstigen Bedingungen anzunehmen, verwarf „das Volk“, das heißt das von Nabis in Sparta angesiedelte Raubgesindel, nicht mit Unrecht die Rechenschaft nach dem Siege fürchtend und getäuscht durch obligate Lügen über die Beschaffenheit der Friedensbedingungen und das Heranrücken der Ätoler und der Asiaten, den von dem römischen Feldherrn gebotenen Frieden, und der Kampf begann aufs neue. Es kam zu einer Schlacht vor den Mauern und zu einem Sturm auf dieselben; schon waren sie von den Römern erstiegen, als das Anzünden der genommenen Straßen die Stürmenden wieder zur Umkehr zwang. Endlich nahm denn doch der eigensinnige Widerstand ein Ende. Sparta behielt seine Selbständigkeit und ward weder gezwungen, die Emigranten wieder aufzunehmen, noch dem Achäischen Bunde beizutreten; sogar die bestehende monarchische Verfassung und Nabis selbst blieben unangetastet. Dagegen mußte Nabis seine auswärtigen Besitzungen, Argos, Messene, die kretischen Städte und überdies noch die ganze Küste, abtreten, sich verpflichten, weder auswärtige Bündnisse zu schließen noch Krieg zu führen und keine anderen Schiffe zu halten als zwei offene Kähne, endlich alles Raubgut wieder abzuliefern, den Römern Geiseln zu stellen und eine Kriegskontribution zu zahlen. Den spartanischen Emigranten wurden die Städte an der lakonischen Küste gegeben und diese neue Volksgemeinde, die im Gegensatz zu den monarchisch regierten Spartanern sich die der „freien Lakonen“ nannte, angewiesen, in den Achäischen Bund einzutreten. Ihr Vermögen erhielten die Emigrierten nicht zurück, indem die ihnen angewiesene Landschaft dafür als Ersatz angesehen ward; wogegen verfügt wurde, daß ihre Weiber und Kinder nicht wider deren Willen in Sparta zurückgehalten werden sollten. Die Achäer, obwohl sie durch diese Verfügung außer Argos noch die freien Lakonen erhielten, waren dennoch wenig zufrieden; sie hatten die Beseitigung des gefürchteten und gehaßten Nabis, die Rückführung der Emigrierten und die Ausdehnung der achäischen Symmachie auf den ganzen Peloponnes erwartet. Der Unbefangene wird indes nicht verkennen, daß Flamininus diese schwierigen Angelegenheiten so billig und gerecht regelte, wie es möglich ist, wo zwei beiderseits unbillige und ungerechte politische Parteien sich gegenüberstehen. Bei der alten und tiefen Verfeindung zwischen den Spartanern und Achäern wäre die Einverleibung Spartas in den Achäischen Bund einer Unterwerfung Spartas unter die Achäer gleichgekommen, was der Billigkeit nicht minder zuwiderlief als der Klugheit. Die Rückführung der Emigranten und die vollständige Restauration eines seit zwanzig Jahren beseitigten Regiments würde nur ein Schreckensregiment an die Stelle eines anderen gesetzt haben; der Ausweg, den Flamininus ergriff, war eben darum der rechte, weil er beide extreme Parteien nicht befriedigte. Endlich schien dafür gründlich gesorgt, daß es mit dem spartanischen See- und Landraub ein Ende hatte und das Regiment daselbst, wie es nun eben war, nur der eigenen Gemeinde unbequem fallen konnte. Es ist möglich, daß Flamininus, der den Nabis kannte und wissen mußte, wie wünschenswert dessen persönliche Beseitigung war, davon abstand, um nur einmal zu Ende zu kommen und nicht durch unabsehbar sich fortspinnende Verwicklungen den reinen Eindruck seiner Erfolge zu trüben; möglich auch, daß er überdies an Sparta ein Gegengewicht gegen die Macht der Achäischen Eidgenossenschaft im Peloponnes zu konservieren suchte. Indes der erste Vorwurf trifft einen Nebenpunkt und in letzterer Hinsicht ist es wenig wahrscheinlich, daß die Römer sich herabließen, die Achäer zu fürchten.
Äußerlich wenigstens war somit zwischen den kleinen griechischen Staaten Friede gestiftet. Aber auch die inneren Verhältnisse der einzelnen Gemeinden gaben dem römischen Schiedsrichter zu tun. Die Böoter trugen ihre makedonische Gesinnung selbst noch nach der Verdrängung der Makedonier aus Griechenland offen zur Schau; nachdem Flamininus auf ihre Bitten ihren in Philippos‘ Diensten gestandenen Landsleuten die Rückkehr verstattet hatte, ward der entschiedenste der makedonischen Parteigänger, Brachyllas, zum Vorstand der Böotischen Genossenschaft erwählt und auch sonst Flamininus auf alle Weise gereizt. Er ertrug es mit beispielloser Geduld: indes die römisch gesinnten Böoter, die wußten, was nach dem Abzug der Römer ihrer warte, beschlossen den Tod des Brachyllas, und Flamininus, dessen Erlaubnis sie sich dazu erbitten zu müssen glaubten, sagte wenigstens nicht nein. Brachyllas ward demnach ermordet; worauf die Böoter sich nicht begnügten, die Mörder zu verfolgen, sondern auch den einzeln durch ihr Gebiet passierenden römischen Soldaten auflauerten und deren an 500 erschlugen. Dies war denn doch zu arg; Flamininus legte ihnen eine Buße von einem Talent für jeden Soldaten auf, und da sie diese nicht zahlten, nahm er die nächstliegenden Truppen zusammen und belagerte Koroneia (558 196). Nun verlegte man sich auf Bitten; in der Tat ließ Flamininus auf die Verwendung der Achäer und Athener gegen eine sehr mäßige Buße von den Schuldigen ab, und obwohl die makedonische Partei fortwährend in der kleinen Landschaft am Ruder blieb, setzten die Römer ihrer knabenhaften Opposition nichts entgegen als die Langmut der Übermacht. Auch im übrigen Griechenland begnügte sich Flamininus, soweit es ohne Gewalttätigkeit anging, auf die inneren Verhältnisse namentlich der neubefreiten Gemeinden einzuwirken, den Rat und die Gerichte in die Hände der Reicheren und die antimakedonisch gesinnte Partei ans Ruder zu bringen und die städtischen Gemeinwesen dadurch, daß er das, was in jeder Gemeinde nach Kriegsrecht an die Römer gefallen war, zu dem Gemeindegut der betreffenden Stadt schlug, möglichst an das römische Interesse zu knüpfen. Im Frühjahr 560 (194) war die Arbeit beendigt: Flamininus versammelte noch einmal in Korinth die Abgeordneten der sämtlichen griechischen Gemeinden, ermahnte sie zu verständigem und mäßigem Gebrauch der ihnen verliehenen Freiheit und erbat sich als einzige Gegengabe für die Römer, daß man die italischen Gefangenen, die während des Hannibalischen Krieges nach Griechenland verkauft worden waren, binnen dreißig Tagen ihm zusende. Darauf räumte er die letzten Festungen, in denen noch römische Besatzung stand, Demetrias, Chalkis nebst den davon abhängigen kleineren Forts auf Euböa, und Akrokorinth, also die Rede der Ätoler, daß Rom die Fesseln Griechenlands von Philippos geerbt, tatsächlich Lüge strafend, und zog mit den sämtlichen römischen Truppen und den befreiten Gefangenen in die Heimat.
Nur von der verächtlichen Unredlichkeit oder der schwächlichen Sentimentalität kann es verkannt werden, daß es mit der Befreiung Griechenlands den Römern vollkommen ernst war, und die Ursache, weshalb der großartig angelegte Plan ein so kümmerliches Gebäude lieferte, einzig zu suchen ist in der vollständigen sittlichen und staatlichen Auflösung der hellenischen Nation. Es war nichts Geringes, daß eine mächtige Nation das Land, welches sie sich gewöhnt hatte, als ihre Urheimat und als das Heiligtum ihrer geistigen und höheren Interessen zu betrachten, mit ihrem mächtigen Arm plötzlich zur vollen Freiheit führte und jeder Gemeinde desselben die Befreiung von fremder Schatzung und fremder Besatzung und die unbeschränkte Selbstregierung verlieh; bloß die Jämmerlichkeit sieht hierin nichts als politische Berechnung. Der politische Kalkül machte den Römern die Befreiung Griechenlands möglich, zur Wirklichkeit wurde sie durch die eben damals in Rom und vor allem in Flamininus selbst unbeschreiblich mächtigen hellenischen Sympathien. Wenn ein Vorwurf die Römer trifft, so ist es der, daß sie alle und vor allem den Flamininus, der die wohlbegründeten Bedenken des Senats überwand, der Zauber des hellenischen Namens hinderte, die Erbärmlichkeit des damaligen griechischen Staatenwesens in ihrem ganzen Umfang zu erkennen, und daß sie all den Gemeinden, die mit ihren in sich und gegeneinander gärenden ohnmächtigen Antipathien weder zu handeln noch sich ruhig zu halten verstanden, ihr Treiben auch ferner gestatteten. Wie die Dinge einmal standen, war es vielmehr nötig, dieser ebenso kümmerlichen als schädlichen Freiheit durch eine an Ort und Stelle dauernd anwesende Übermacht ein- für allemal ein Ende zu machen; die schwächliche Gefühlspolitik war bei all ihrer scheinbaren Humanität weit grausamer, als die strengste Okkupation gewesen sein würde. In Böotien zum Beispiel mußte Rom einen politischen Mord, wenn nicht veranlassen, doch zulassen, weil man sich einmal entschlossen hatte, die römischen Truppen aus Griechenland wegzuziehen und somit den römisch gesinnten Griechen nicht wehren konnte, daß sie landüblicher Weise sich selber halfen. Aber auch Rom selbst litt unter den Folgen dieser Halbheit. Der Krieg mit Antiochos wäre nicht entstanden ohne den politischen Fehler der Befreiung Griechenlands, und er wäre ungefährlich geblieben ohne den militärischen Fehler, aus den Hauptfestungen an der europäischen Grenze die Besatzungen wegzuziehen. Die Geschichte hat eine Nemesis für jede Sünde, für den impotenten Freiheitsdrang wie für den unverständigen Edelmut.