Mit Erlaubniß des französischen Lesers sei es gesagt, daß das schönste Wort, welches vielleicht je ein Franzose ausgesprochen, nicht einmal wiederholt werden kann; daß es verboten ist, das Erhabene in die Geschichte niederzulegen. Wir haben uns auf unsre Gefahr von diesem Verbot dispensirt.
Unter jenen Riesen gab es einen Titanen und dieser war Cambronne.
Was giebt es Größeres, als dieses Wort zu sagen und dann zu sterben! Denn sterben heißt, sterben wollen, es ist nicht seine Schuld, wenn er die Kanonade überlebt.
Der Mann, welcher die Schlacht von Waterloo gewonnen hat, ist nicht der fliehende Napoleon, nicht Wellington, welcher um 4 Uhr zu weichen begann und um 5 Uhr verzweifelte; es ist nicht Blücher, der sich gar nicht geschlagen hat! Der Mann, welcher die Schlacht von Waterloo gewonnen hat, ist Cambronne. Ein solches Wort dem euch tödtenden Donner ins Gesicht zu schleudern, heißt siegen. Diese Antwort der Catastrophe geben, dieses dem Schicksal ins Gesicht sagen, ironisch im Grabe zu sein, in einer Silbe die europäische Coalition zu ertränken, aus dem Letzten der Worte das Erste zu machen, Leonidas durch Rabelais zu vervollständigen, auf eigene Faust Waterloo mit einem Fastnachtsdienstag zu beschließen, diesen Sieg in ein letztes, unmöglich auszusprechendes Wort zusammen zu fassen, den Boden unter den Füßen zu verlieren und dabei die Geschichte im Auge zu behalten, nach solcher Metzelei die Lacher für sich zu haben – das ist ungeheuer, es ist eine dem Blitz angethane Beschimpfung, das ist äschyleische Größe. Das Wort Cambronnes brach verachtungsvoll hervor aus der Brust, in welcher der Todeskampf wüthete. Wer hat gesiegt? Wellington? Nein, denn ohne Blücher wäre er verloren gewesen. Blücher? Nein, denn wenn Wellington nicht begonnen hätte, hätte er nicht endigen können. Dieser Cambronne, welcher in der letzten Stunde erscheint, dieser unbekannte Soldat, dieser unendlich kleine Kriegsmann fühlt, daß die Catastrophe eine Lüge enthalt, welche ihn doppelt peinigt. Und in dem Augenblicke, wo er darüber vor Zorn außer sich geräth, bietet man ihm zum Hohn das Leben. Wie sollte er da nicht auffahren! Da suchte er nach einem Worte, wie man nach einem Schwerte sucht. Der Schaum kommt ihm auf die Lippen und dieser Schaum ist das Wort. Vor diesem großen und doch mittelmäßigen Siege, vor diesem Siege ohne Sieger richtet sich dieser Verzweifelte in die Höhe, er unterliegt der Massenhaftigkeit, er constatirt aber ihr Nichts. Und das heißt, Sieger sein.
Auf das Wort Cambronne’s antwortete die englische Stimme: »Feuer!« Die Batterien flammten, der Hügel zitterte, ein letztes schreckliches Geheul entstieg allen diesen Rachen von Erz. Eine ungeheure Rauchwolke, matt erleuchtet von dem aufgehenden Mond, rollte dahin. Als der Rauch sich verzog, war nichts mehr da. Jener ungeheure Ueberrest war vernichtet, die Garde war todt.
So endeten die französischen Legionen, welche höher zu stellen sind als die römischen, zu Mont-Saint-Jean auf der von Regen und Blut getränkten Erde an der Stelle, wo heut zu Tage 4 Uhr früh, pfeifend und lustig mit der Peitsche knallend der Postillon mit der Post, welche von Nivelles kommt, vorüberfährt.