40. Kapitel


Von allerhand, was diese Aventüre und denkwürdige Geschichte angeht und betrifft

In Wahrheit und Wirklichkeit muß ein jeglicher, der an solcherlei Geschichten wie dieser Gefallen findet, dem Sidi Hamét, ihrem ursprünglichen Verfasser, dankbar sein ob der Sorgsamkeit, mit der er selbst die kleinsten Sechzehntelnoten von ihrer Melodie uns hören läßt und auch am Geringfügigsten nicht vorbeigeht, ohne es klar ans Licht zu ziehen. Er zeigt uns die Gedanken, zieht den Vorhang von den Gebilden der Phantasie, antwortet auf die stillen Einwürfe des Lesers, hellt die Zweifel auf, entscheidet im Streit der Meinungen und Behauptungen und läßt selbst den wißbegierigsten Menschen die Atome des Gewünschten deutlich erschauen. O berühmter Schriftsteller! O beglückter Don Quijote! O ruhmreiche Dulcinea! O Sancho, du witziger Kopf! Ihr alle miteinander, und jeder für sich, möchtet ihr unzählige Jahrhunderte leben zum Vergnügen und allgemeinen Zeitvertreib aller Lebenden!

Es sagt nun die Geschichte, daß Sancho, wie er die Schmerzenreich in Ohnmacht sinken sah, ausrief: »Bei meiner Ehre als ehrlicher Mann und bei der Seel und Seligkeit all meiner Vorvordern, der Pansas, schwör ich, ein Abenteuer wie dieses hab ich nie gehört noch gesehen, noch ist dergleichen mir von meinem Herrn je erzählt worden noch ihm jemals in den Sinn gekommen. Daß doch, denn ich will dir nicht fluchen, tausend Teufel dich holten, du Zauberer und Riese Malambruno! Hast du denn für diese armen Sünderinnen keine andre Art Bestrafung gefunden, als sie zu bebarten? Ei, wär es nicht besser und für sie viel passender gewesen, ihnen die Nase von unten bis oben zu schlitzen, wenn sie auch nachher beim Sprechen genäselt hätten, als ihnen Bärte anzusetzen? Ich will wetten, sie haben nicht einmal Geld, um einen Bartscherer zu bezahlen.«

»So ist es in der Tat, Señor«, antwortete eine von den zwölfen, »wir haben kein Geld, um uns den Bart putzen zu lassen; und darum sind etliche von uns aus Sparsamkeit auf gepichtes Linnen oder Pechpflaster gekommen, das wir fest ans Gesicht drücken; und wenn wir es dann mit einem Ruck abreißen, so sind wir auf der Stelle sauber und glatt wie der Boden eines steinernen Mörsers. Obschon es in Candaya Weiber gibt, die von Haus zu Haus gehen, um die Härchen aus der Haut zu zupfen und die Augenbrauen zu glätten und allerhand Salben, wie Frauen sie brauchen, zu besorgen, so haben doch wir, die Kammerfrauen unsrer Prinzessin, ihnen nie Zutritt ins Schloß gestatten mögen; denn meist sind es herabgekommene Weiber, die zu uns heraufkommen wollten, sie bieten allerhand Mittel feil und sind feile Vermittlerinnen. Wenn uns vom Señor Don Quijote nicht Hilfe wird, so wird man uns mit Bärten zu Grabe tragen.«

»Ich will mir den meinigen«, versetzte Don Quijote, »im Maurenlande ausraufen lassen, wenn ich euch nicht von den eurigen helfe.«

In diesem Augenblick kam die Trifaldi aus ihrer Ohnmacht wieder zu sich und sagte: »Das liebliche Geläut dieser Verheißung, mannhafter Ritter, ist mitten in meiner Ohnmacht mir ins Ohr gedrungen und hat bewirkt, daß ich wieder zu mir kam und all meiner Sinne mächtig wurde; und so flehe ich Euch abermals an, o ruhmbekränzter Fahrender, o unbezähmbarer Mann, Euer gnadenreiches Versprechen zur Tat zu machen.«

»An mir soll es nicht fehlen«, erwiderte Don Quijote; »sagt mir, Señora, was ich tun soll; der Geist ist willig und gleich bereit, Euch zu dienen.«

»Die Sache ist die«, antwortete die Schmerzenreich, »daß es von hier bis zum Königreich Candaya, wenn man zu Lande reist, fünftausend Meilen weit ist, etwa zwei mehr oder weniger, wenn man aber durch die Luft und in gerader Linie reist, so sind es dreitausendzweihundertundsiebenundzwanzig. Auch ist noch zu bemerken, daß Malambruno mir sagte, wenn das Schicksal mir den Ritter, unsern Befreier, bescheren würde, so wolle er ihm einen besonderen Reitgaul schicken, einen weit tüchtigeren und nicht so bösartigen, als sonst die Mietgäule sind, denn es soll jenes nämliche hölzerne Pferd sein, auf welchem der tapfere Peter die schöne Magelone entführte, welches Pferd mittels eines Zapfens gelenkt wird, den es auf der Stirn hat und der als Zaum dient, und es fliegt mit solcher Geschwindigkeit durch die Lüfte, daß es aussieht, als ob der Teufel selber es holte. Dieses besagte Pferd ist nach der alten Sage von dem Zauberer Merlin angefertigt. Er lieh es dem Peter, der sein Freund war, und der machte auf ihm große Reisen und raubte, wie gesagt, die schöne Magelone; er führte sie auf der Kruppe durch die Lüfte, und alle, die ihm vom Erdboden aus nachsahen, sperrten Mund und Nase auf. Aber er lieh das Pferd nur, wem er hold war oder wer ihn am besten bezahlte, und seit dem großen Peter haben wir bis heute von keinem vernommen, der das Pferd bestiegen hätte. Aus Merlins Besitz hat Malambruno es mit seinen Künsten entführt und hat es jetzt in seiner Gewalt und bedient sich seiner auf den Reisen, die er alle Augenblicke durch verschiedene Teile der Welt unternimmt; heut ist er hier und morgen in Frankreich und nächsten Tages in Potosi. Und das Gute dabei ist, daß das besagte Pferd weder frißt noch schläft noch beschlagen werden muß; und es geht ohne Flügel einen solchen Paßgang in den Lüften, daß der Reiter, den es trägt, eine Tasse Wasser in der Hand halten kann, ohne einen Tropfen zu verschütten, so sachte und ruhig zieht es seines Weges; weshalb auch die schöne Magelone soviel Vergnügen daran fand, auf ihm zu reiten.«

Hier fiel Sancho ein: »Was den ruhigen Gang anbetrifft, geht nichts über meinen Esel. Zwar geht er nicht durch die Lüfte, aber auf dem Erdboden, da will ich ihn mit jedem Paßgänger in der Welt um die Wette gehen lassen.«

Alles brach in Lachen aus, und die Schmerzenreich fuhr fort: »Und dies besagte Pferd wird, sofern Malambruno wirklich unser Unglück zu beenden gewillt ist, spätestens eine halbe Stunde nach Anbruch der Dunkelheit vor unsern Augen dastehen; denn er hat mir bedeutet, zum Zeichen, daß ich den von mir gesuchten Ritter gefunden habe, wolle er mir so rasch als möglich das Pferd dahin senden, wo dieser Ritter sich befinde.«

»Und wie viele haben auf dem Pferd Platz?« fragte Sancho.

Die Schmerzenreich antwortete: »Zwei Personen, eine auf dem Sattel und eine auf der Kruppe, und meistenteils sind diese zwei Personen Ritter und Schildknappe, falls es kein Fräulein zu entführen gilt.«

»Da möchte ich wohl wissen, Señora Schmerzenreich«, sagte Sancho, »wie das Pferd heißt.«

»Es heißt nicht Pegasus wie das Roß des Bellerophon«, antwortete die Schmerzenreich, »auch nicht Bukephalus wie das Pferd Alexanders des Großen oder Brigliadoro wie das des rasenden Roldán; auch nicht Bajardo wie das des Rinald von Montalbán oder Frontino wie das von Rüdiger; noch Bootes oder Peritoa wie die Rosse des Sonnengottes oder Orelia wie das Roß, auf welchem der unglückliche Don Rodrigo, der letzte Gotenkönig, in die Schlacht zog, wo er Leben und Thron verlor.«

»Ich will wetten«, sprach Sancho, »wenn man ihm keinen von den berühmten Namen jener weltbekannten Gäule gegeben hat, so heißt es auch sicher nicht wie meines Herrn Pferd Rosinante, das für sich allein alle bei weitem übertrifft, die Ihr genannt habt.«

»So ist’s«, entgegnete die Gräfin im Barte; »aber immerhin paßt sein Name sehr gut, denn es heißt Holzzapferich der Geflügelte, und dieser Name stimmt dazu, daß es von Holz ist, und auch zu dem Zapfen, den es auf der Stirn trägt, und zu der Leichtigkeit, mit der es von dannen fährt; und daher kann es, soviel den Namen betrifft, sich wohl mit dem berühmten Rosinante messen.«

»Der Name gefällt mir nicht schlecht«, versetzte Sancho; »aber mit was für einem Zaum oder was für einem Halfterstrick wird das Pferd gelenkt?«

»Ich habe es schon gesagt«, antwortete die Trifaldi, »mit dem Zapfen; je nachdem diesen der Ritter, der darauf reitet, nach der einen oder andern Seite dreht, muß das Pferd hin, wo er will, sei es hoch in den Lüften, sei es nah an der Erde, gewissermaßen den Boden fegend, sei es zwischen beidem in der richtigen Mitte, die man ja bei jedem wohlüberlegten Vorhaben suchen und einhalten muß.«

»Das möcht ich wohl mit ansehen«, entgegnete Sancho; »aber wenn einer meint, ich würde hinaufsteigen in den Sattel oder auf die Kruppe, da könnte er ebensogut Birnen vom Ulmenbaum holen wollen. Das wäre schön! Wenn ich mich kaum auf meinem Grauen halten kann, auf meinem Sattel, der weicher ist als Seide, und da sollten sie jetzt verlangen, ich soll mich auf einer bretternen Kruppe oben halten, ohne Kissen und Polster! Gott’s Blitz, es fällt mir gar nicht ein, mich rädern zu lassen, um jemandem seinen Bart abzunehmen, wer’s auch sei! Jeder soll sich den Bart scheren lassen, wie’s ihm am besten paßt, ich aber denke nicht dran, meinen Herrn auf einer so weiten Reise zu begleiten; zumal ich doch für das Abscheren dieser Bärte sicherlich nicht so nötig bin wie zur Entzauberung unsres Fräuleins Dulcinea.«

»Freilich seid Ihr es, Freund«, entgegnete die Trifaldi, »und so sehr, daß wir ohne Euch bestimmt nichts ausrichten würden.«

»Zu Hilfe, ihr Leute des Königs!« rief Sancho. »Was gehen die Abenteuer der Ritter die Schildknappen an? Wenn die Ritter solche glücklich bestehen, sollen sie den Ruhm davontragen, und wir, wir sollen die Mühsal tragen? Herrgott im Himmelreich! Ja, wenn es noch wenigstens bei den Geschichtsschreibern hieße: Der und jener Ritter hat dies und jenes Abenteuer glücklich bestanden, aber mit Hilfe des N. N., seines Schildknappen, ohne den er es nicht zu bestehen vermocht hätte! Aber was soll man sagen, wenn sie ganz kurz hinschreiben: ›Don Paralipómenon von den drei Sternen bestand glücklich das Abenteuer mit den sechs Ungeheuern‹, ohne daß die Person seines Schildknappen, der bei allem zugegen war, auch nur genannt wird, gerade als wäre er gar nicht auf der Welt gewesen! Jetzt, werte Herrschaften, sag ich noch einmal, mein Herr mag allein hinziehen, und wohl bekomm es ihm; ich aber bleibe hier bei meiner gnädigen Frau Herzogin. Auch wäre es ja möglich, daß er bei seiner Rückkehr die Angelegenheit des Fräulein Dulcinea ums Drittel oder ums Fünftel gebessert fände; denn ich gedenke, wenn ich Zeit und nichts zu tun habe, mir eine Tracht Hiebe zu geben, daß kein Härchen mehr auf der Haut wachsen soll.«

»Trotz alledem müßt Ihr ihn begleiten, wenn es nötig sein sollte, biederer Sancho«, erklärte die Herzogin, »weil Euch Biedermänner darum bitten werden. Wegen Eurer törichten Angst dürfen die Gesichter dieser Damen nicht so behaart bleiben; das wäre wirklich ein übler Kasus.«

»Hier sag ich nochmals: Zu Hilfe, ihr Leute des Königs!« entgegnete Sancho. »Wenn dieses Liebeswerk für züchtige Fräulein oder für Mädchen aus der Waisenschule getan werden sollte, könnte sich der Mensch auf jederlei Mühsal einlassen; aber um diesen Kammerfrauen den Bart wegzuschaffen, das ist zu stark! Säh ich sie doch lieber alle mit Bärten, alle, von der größten bis zur kleinsten, von der verzwicktesten Zimperliese bis zur aufgedonnertsten Madam!«

»Ihr steht Euch schlecht mit den Kammerfrauen, Freund Sancho«, sagte die Herzogin; »Ihr haltet es allzusehr mit dem Apotheker von Toledo. Ihr habt wahrlich nicht recht; es sind Kammerfrauen in meinem Hause, die ein Muster aller Kammerfrauen sein können, und hier ist meine Doña Rodríguez, die mir gewiß nicht die Möglichkeit lassen wird, was andres zu sagen.«

»Mag Euer Exzellenz immerhin was andres sagen«, versetzte die Rodríguez, »Gott weiß von allem das Wahre; und mögen wir Kammerfrauen nun gut oder böse, bärtig oder glatthäutig sein, auch uns haben unsre Mütter zur Welt geboren wie alle andern Weiber; und da Gott uns auf die Welt gesetzt hat, so weiß er schon warum, und an seine Barmherzigkeit halte ich mich und an niemandes Bart.«

»Nun gut, Señora Rodríguez und Señora Trifaldi nebst Gesellschaft«, sprach Don Quijote, »ich hoffe zum Himmel, er wird mit erbarmendem Auge auf Euer Leid herabsehen und Sancho wird tun, was ich ihm gebiete. Käme nur der Holzzapferich! Sähe ich mich schon dem Malambruno gegenüber! Ich weiß, es gibt kein Schermesser auf Erden, das Eure Herrlichkeiten leichter scheren könnte als mein Schwert dem Malambruno seinen Kopf von den Schultern. Gott duldet die Bösen, aber nicht ewig.«

»Ach!« sagte jetzt die Schmerzenreich, »mögen alle Sterne in den Himmelskreisen auf Eure Hoheit, mutbeseelter Ritter, mit gnädigen Augen herabsehen und in Euer Gemüt alles Heil und alle Tapferkeit eingießen, auf daß Ihr Schild und Schirm seiet des kammerfraulichen Geschlechtes, des vielgeschmähten und niedergedrückten, des von Apothekern verabscheuten, des von Schildknappen gelästerten, des von jugendlichen Hausdienern verhöhnten! Wehe der Schelmin, die in der Blüte ihres Alters nicht lieber eine Nonne werden wollte als eine Kammerfrau! Wir unglückliches Kammergesinde! Wenn wir auch in gerader Linie von Hektor dem Trojaner herkommen, so werden unsre Herrschaften doch nie aufhören, uns Worte wie ›will Sie wohl!‹ ins Gesicht zu schleudern, gerade als dächten sie, durch so etwas Königinnen zu werden. O du Riese Malambruno, der du, wenn auch ein Zauberer, doch in deinen Versprechungen höchst zuverlässig bist, sende uns alsbald den unvergleichlichen Holzzapferich, damit unser Unglück ein Ende nehme; denn wenn die Hitze hereinbricht und diese unsere Bärte noch stehen, weh dann unserm Geschicke!«

Die Trifaldi sagte das mit so schmerzlichem Ausdruck, daß sie allen Anwesenden Tränen aus den Augen entlockte und selbst diejenigen Sanchos mit Naß füllte; und er nahm sich in seinem Herzen vor, seinen Herrn bis an das äußerste Ende der Welt zu begleiten, falls es wirklich hierauf ankäme, um diese ehrwürdigen Angesichter von ihrem Werg zu erlösen.

41. Kapitel


Von der Ankunft des Holzzapferich, benebst dem Ausgang dieser weitläufigen Aventüre

Mittlerweilen kam die Nacht heran und mit ihr der vorbestimmte Augenblick, wo das berühmte Pferd Holzzapferich anlangen sollte, dessen langes Ausbleiben Don Quijote schon beunruhigte; denn es deuchte ihn, da Malambruno mit dessen Zusendung zögerte, so sei entweder er nicht der Ritter, dem dies Abenteuer vorbehalten sei, oder aber Malambruno wage nicht, sich mit ihm auf einen Zweikampf einzulassen. Aber siehe, da traten urplötzlich vier wilde Männer in den Garten, sämtlich mit grünem Efeu bekleidet, und auf ihren Schultern trugen sie ein großes hölzernes Pferd. Sie stellten es aufrecht auf den Boden, und einer von den wilden Männern sprach: »Auf dieses Holzgerüste steige der Ritter, der Mut dazu hat.«

»Also steige ich nicht darauf«, sagte Sancho, »denn ich habe keinen Mut und bin kein Ritter.«

Der wilde Mann fuhr fort: »Und auf die Kruppe setze sich der Schildknappe, sofern der Ritter einen hat, und er vertraue dem mannhaften Malambruno, denn wenn nicht von seinem Schwerte, wird er von keinem andern gefährdet werden, ebensowenig wie von sonst irgendwelcher Bosheit. Er braucht nur diesen Zapfen, den das Pferd auf seinem Nacken hat, zu drehen, und es wird sie beide durch die Lüfte hintragen, wo Malambruno sie erwartet; aber damit ihnen der Aufstieg und die Höhe des Weges keinen Schwindel verursachen, müssen sie sich die Augen verbinden, bis das Pferd wiehert; das wird das Zeichen sein, daß sie ihre Reise vollendet haben.«

Mit diesen Worten ließen die viere den Holzzapferich stehen und kehrten mit höflichem Gebaren zurück des Weges, woher sie gekommen. Als die Schmerzenreich das Pferd erblickte, sprach sie unter Tränen zu Don Quijote: »Heldenhafter Ritter, Malambruno hat Wort gehalten, das Pferd ist zur Stelle, unsre Bärte wachsen noch immer, und eine jegliche von uns, mit jedem Haar in unsern Bärten flehen wir zu dir, sie uns zu scheren und zu schneiden, da du nun ja nichts weiter zu tun hast, als mit deinem Knappen das Pferd zu besteigen und diese Reise von so neuer Art glücklich zu beginnen.«

»Das werde ich tun, Frau Gräfin Trifaldi«, sprach Don Quijote, »und zwar mit großer Bereitwilligkeit und noch größerer Freudigkeit, ohne daß ich mich erst damit aufhalte, ein Kissen zu nehmen oder Sporen anzuschnallen, weil ich mich nicht aufhalten mag; so großen Drang fühl ich, Euch, Señora, und diese sämtlichen Kammerfrauen glattgeschoren und mit sauberm Kinn zu sehen.«

»Ich aber werde das nicht tun«, versetzte Sancho, »weder mit großer noch mit kleiner Bereitwilligkeit, in keinerlei Weise; und wenn wirklich diese Schererei nicht vor sich gehen kann, ohne daß ich mich auf die Kruppe setze, so mag mein Herr sich nur nach einem andern Schildknappen als Begleiter umtun und diese Damen nach einer andren Manier, sich die Gesichter glattzuputzen. Ich bin kein Hexenmeister, der sein Vergnügen daran hat, in den Lüften herumzufahren. Und was werden meine Insulaner sagen, wenn sie erfahren, daß ihr Statthalter droben in den Lüften spazierenfährt? Und dann noch mehr, nämlich da es dreitausend und soviel mehr Meilen von hier bis Candaya sind, so wird es, wenn das Pferd müde oder der Riese ärgerlich wird, länger als ein halb Dutzend Jahre dauern, bis wir heimkehren, und da wird es keine Insuln und keine Insulten mehr in der Welt geben, die etwas von mir wissen wollen. Und sintemalen man gemeiniglich sagt: Wer zaudert, der scheitert, und: Schenkt dir einer die Kuh, lauf mit dem Strick herzu, so bitt ich die Bärte dieser Damen, mich zu entschuldigen. In Rom ist es dem heiligen Petrus am wohlsten; ich meine, mir ist es am wohlsten in diesem Hause, wo man mir soviel Gnaden erweist und von dessen Herrn ich das hohe Glück erhoffe, Statthalter zu werden.«

Darauf sagte der Herzog: »Freund Sancho, die Insul, die ich Euch versprochen habe, läuft oder schwimmt Euch nicht davon, sie hat so tiefe Wurzeln in die Abgründe der Erde getrieben, daß man sie mit aller erdenklichen Anstrengung nicht herausreißen oder an eine andre Stelle bringen kann. Und da Ihr wohl wißt, daß ich weiß, wie es unter den höheren Ämtern keines gibt, das man nicht gewissermaßen mittels einer Art von Bestechung erlangt, bei dem einen mit mehr, bei dem andern mit weniger, so besteht diejenige, die ich mir für Eure Statthalterschaft geben lassen will, darin, daß Ihr mit Eurem Herrn Don Quijote hinzieht, um dies denkwürdige Abenteuer zum Ende und Ziel zu führen. Und ob Ihr nun auf dem Holzzapferich in der kurzen Frist zurückkehrt, die seine Schnelligkeit verheißt, oder ob Euch Euer feindseliges Geschick zu Fuße zurückführt, als Pilger von Herberge zu Herberge und von Schenke zu Schenke ziehend, stets findet Ihr, wann auch Eure Rückkehr stattfinde, Eure Insul da, wo Ihr sie gelassen habt, und Eure Insulaner vom nämlichen Wunsche beseelt, den sie immer gehegt, Euch als ihren Statthalter zu begrüßen, und mein Wille wird der nämliche bleiben; und setzet keinen Zweifel in diese Versicherung, denn Ihr würdet sonst meinem Wunsch, Euch gefällig zu sein, damit zu nahe treten.«

»Nicht weiter, Señor«, sprach Sancho; »ich bin ein armer Schildknappe, und meine Schultern können soviel Freundlichkeit nicht tragen. So mag denn mein Herr aufsitzen, so mag man mir meine Augen verbinden und mich Gott dem Herrn befehlen; auch möge man mich wissen lassen, ob ich, wann wir in jenen Vogelflughöhen dahinziehen, mich Gott unsrem Herrn anbefehlen oder die Engel anrufen darf, mir beizustehen.«

Hierauf antwortete die Trifaldi: »Sancho, freilich dürft Ihr Euch Gott befehlen oder wem Ihr möget, denn Malambruno, obschon ein Zauberer, ist ein Christ und betreibt seine Zaubersachen mit vielem Verständnis und großer Einsicht, ohne sich mit jemandem zu überwerfen.«

»Wohlauf denn«, sagte Sancho, »Gott steh mir bei und die Heilige Dreifaltigkeit von Gaeta.«

»Seit der denkwürdigen Aventüre mit den Walkmühlen«, sprach Don Quijote, »hab ich Sancho nie in solcher Angst gesehen wie jetzt, und wenn ich so an Vorbedeutungen glaubte wie andre, würde mir sein Kleinmut allerhand Bedenklichkeit in den Kopf setzen. Aber komm Er einmal hierher, Sancho; mit Erlaubnis dieser Herrschaften habe ich Ihm ein paar Worte unter uns zu sagen.«

Damit führte er Sancho beiseite in ein Gebüsch des Gartens, ergriff seine beiden Hände und sagte zu ihm: »Du siehst nun, Freund Sancho, welch ferne Reise unser wartet, und Gott weiß, wann wir von ihr zurückkehren oder welche Gelegenheit und Zeit uns dieses Unternehmen lassen wird. Darum möchte ich, du zögest dich jetzt in dein Gemach zurück, als ob du etwas für die Reise Nötiges holen wolltest, und gäbst dir da im Handumdrehen auf Rechnung der dreitausenddreihundert Hiebe, zu denen du dich verpflichtet hast, mindestens fünfhundert; die hast du dann schon einmal hinter dir, und frisch gewagt ist halb gewonnen.«

»Bei Gott«, entgegnete Sancho, »Euer Gnaden ist wohl nicht recht bei Troste. Das klingt gerade, wie man gemeiniglich sagt: ›Du siehst, ich bin in Eile, und verlangst von mir die Jungfernschaft!‹ Jetzt, wo ich auf einem bloßen Brett reiten soll, will Euer Gnaden, ich soll meine Sitzteile erst verdonnern? Wahrlich, wahrlich, Euer Gnaden ist nicht bei Verstand. Ziehen wir jetzt hin, diese Kammerfrauen zu scheren, und bei der Rückkehr, das versprech ich Euer Gnaden als Ehrenmann, will ich meine Verpflichtung so schnell abdienen, daß Euer Gnaden zufrieden sein wird, und mehr brauche ich Euch nicht zu sagen.«

Don Quijote erwiderte: »Nun denn, mit diesem Versprechen, mein guter Sancho, will ich mich zufriedengeben; ich glaube, du wirst es erfüllen, denn wenn auch dein Witz oft gar dürr ist, so bleibt doch deine Wahrheitsliebe immer grün.«

»Ich bin nicht grün«, entgegnete Sancho, »sondern braun; wäre ich aber auch gescheckt, so würde ich doch mein Wort halten.«

Und hiermit gingen sie zurück zur Gesellschaft, um den Holzzapferich zu besteigen; und beim Aufsteigen sprach Don Quijote: »Verbinde Er sich die Augen, Sancho, und steige Er auf, Sancho; denn wer aus so fernen Landen nach uns sendet, der tut es nicht, um uns zu hintergehen, schon um des geringen Ruhmes willen, der ihm daraus erwachsen kann, jemanden zu hintergehen, der ihm vertraut. Wenn aber auch alles ganz gegen meine Erwartung ausfallen sollte, so kann der Ruhm, dies Heldenstück unternommen zu haben, durch keine Bosheit je verdunkelt werden.«

»Auf denn, Señor!« sprach Sancho; »die Bärte und Tränen dieser Damen sitzen mir tief im Herzen, und kein Bissen wird mir schmecken, bis ich sie wieder in ihrer ursprünglichen glatten Haut sehe. Sitzt auf, gnädiger Herr, und verbindet Euch zuerst die Augen, denn wenn ich auf der Kruppe sitzen soll, so ist klar, daß der zuerst aufsteigen muß, der in den Sattel kommt.«

»So ist es in der Tat«, erwiderte Don Quijote. Darauf nahm er ein Schnupftuch aus der Tasche und bat die Schmerzenreich, ihm die Augen gut zu verbinden. Nachdem sie jedoch dies getan, band er es sich wieder auf und sagte: »Wenn ich mich recht entsinne, habe ich im Vergil die Geschichte vom trojanischen Palladium gelesen, einem hölzernen Roß, das die Griechen der Göttin Pallas zur Opfergabe darbrachten und dessen Bauch mit gewaffneten Rittern angefüllt war, die nachher Troja den Untergang brachten; und so wird es geraten sein, erst einmal nachzusehen, was der Holzzapferich in seinem Magen hat.«

»Das ist nicht nötig«, versetzte die Schmerzenreich; »ich bürge für ihn und ich weiß, daß Malambruno nichts vom Heimtücker oder vom Verräter an sich hat. Steigt nur ohne die geringste Furcht auf, und wenn Euch etwas geschieht, so komme alles Böse auf mein Haupt.«

Don Quijote hatte das Gefühl, wenn er noch irgend etwas in betreff seiner persönlichen Sicherheit sagen würde, so könnte dies seinen Heldenmut in übles Licht stellen, und daher stieg er ohne weitere Worte auf den Holzzapferich und befühlte den Zapfen, der sich leicht herumdrehen ließ; da er keine Steigbügel hatte und ihm die Beine herunterhingen, sah er geradeso aus wie eine Figur aus einem römischen Triumphzug auf einem flämischen Teppich. Sehr widerwillig und zögernd, kam Sancho zum Aufsteigen herbei, und als er sich so gut wie möglich auf der Kruppe zurechtgesetzt, fand er sie ziemlich hart, wenigstens sicherlich nicht weich, und bat den Herzog, man möchte ihn womöglich mit einem Kissen oder einem Polster versorgen, und wenn es auch vom Staatssessel der Frau Herzogin oder aus dem Bett eines Hausdieners wäre, denn die Kruppe dieses Pferdes scheine eher von Marmelstein als von Holz.

Hierauf entgegnete die Trifaldi, Holzzapferich leide kein Sattelzeug und keinerlei Zierat auf sich; was er aber tun könnte, sei, nach Weiberart aufzusitzen, da werde er die Härte des Holzes nicht so sehr spüren.

Sancho tat also, sagte Lebewohl und ließ sich die Augen verbinden, band sie sich aber gleich wieder auf, schaute alle im Garten Anwesenden gerührt und mit Tränen an und bat sie, ihm in diesem gefahrvollen Augenblick mit etlichen Vaterunser und Avemarias beizuspringen, auf daß Gott auch ihnen jemanden sende, der diese Gebete für sie hersage, wenn sie dereinst in ähnliche Gefahr kämen.

Da sprach Don Quijote: »Du Erzdieb, stehst du etwa unter dem Galgen oder nah dem Ende deines Lebens, daß du solche flehentlichen Bitten gebrauchst? Sitzest du nicht, feiges Geschöpf, auf demselben Platz, den die schöne Magelone eingenommen hat und von welchem sie abstieg, nicht um ins Grab zu kommen, sondern um Königin von Frankreich zu werden, wenn die Geschichtsbücher nicht lügen? Und ich, der ich dir zur Seite sitze, kann ich mich nicht dem streitbaren Peter an die Seite stellen, der einst am selben Platz gesessen hat wie ich? Umhülle dir die Augen, umhülle sie dir, mutlose Bestie, und laß deine Furchtsamkeit nicht auf deine Lippen heraustreten, wenigstens nicht in meiner Gegenwart.«

»Verbindet mir also die Augen«, entgegnete Sancho, »und da man nicht will, daß ich mich Gott befehle oder ihm von andern anbefohlen werde, was Wunder, wenn ich fürchte, daß ein ganzes Heer von Teufeln hier umgeht und uns nach Peralvillo schleppen will?«

So ließen sie sich denn die Augen verbinden, und sobald Don Quijote spürte, daß er richtig saß, fühlte er an den Zapfen, und kaum hatte er die Finger an ihn gelegt, da erhoben die sämtlichen Kammerfrauen und anderen Anwesenden ihre Stimmen und riefen: »Gott sei dein Führer, heldenhafter Ritter! Gott sei mit dir, tapferer Knappe! Schon, schon zieht ihr in jenen Lüften hin und durchschifft sie rascher beflügelt als ein Pfeil; schon beginnt ihr Staunen und Verwunderung bei allen zu erregen, die euch von der Erde aus mit ihren Blicken folgen. Halte dich fest, heldenkühner Sancho, du beginnst zu wanken; gib acht, daß du nicht fällst, denn dein Fall wäre schrecklicher als der jenes vermessenen Knaben, der den Wagen des Sonnengottes, seines Vaters, lenken wollte.«

Sancho vernahm die Zurufe und drückte sich fest an seinen Herrn, umschlang ihn mit den Armen und sprach zu ihm: »Señor, wie können die dort sagen, daß wir so hoch hinziehen, wenn doch ihre Worte bis hierher schallen und es sich nicht anders anhört, als ob sie dicht neben uns sprächen?«

»Stoße dich nicht daran, Sancho«, erwiderte Don Quijote, »denn da all dieses und diese ganze Luftreise außerhalb des gewöhnlichen Laufs der Dinge liegen, wirst du tausend Meilen weit sehen und hören, was du nur immer willst. Drücke mich auch nicht so stark, du wirfst mich hinab; und ich weiß in der Tat nicht, worüber du dich so ängstigst und entsetzest, denn ich kann beschwören, ich habe all meiner Lebtag kein Tier von ruhigerem Gang bestiegen; es ist gerade, als ob wir uns nicht von der Stelle bewegten. Verbanne, Freund, die Furcht; denn die Sache geht aufs beste, und wir haben den Wind im Rücken.«

»Das ist wahr«, erwiderte Sancho; »von dieser Seite her weht ein so starker Wind, daß es geradeso ist, als bliesen mir tausend Blasebälge ins Gesicht.«

Und so war es wirklich; es wurde ihnen aus großen Blasebälgen Luft zugeweht. Dies Abenteuer war vom Herzog und der Herzogin und vom Haushofmeister so gut angelegt worden, daß nicht das geringste Erfordernis zu seiner Vollständigkeit fehlte.

Als nun Don Quijote sich vom Winde heftig angeweht spürte, sagte er: »Ohne Zweifel, Sancho, müssen wir schon in die zweite Luftregion gekommen sein, wo der Hagel und der Schnee erzeugt werden. Der Donner, Blitz und Wetterstrahl entstehen in der dritten Region, und wenn wir auf diese rasche Weise immer höher steigen, so müssen wir baldigst in die Region des Feuers gelangen, und ich weiß nicht, wie ich die Kraft dieses Zapfens mäßigen soll, damit wir nicht zu einer Höhe steigen, wo wir verbrennen.«

Don Quijote

Jetzt hielt man ihnen von weitem an einem Stabe Flocken Werg entgegen, die leicht anzuzünden und auszulöschen waren, und machte ihnen die Gesichter damit heiß. Sancho spürte die Hitze und schrie: »Ich will mich totschlagen lassen, wenn wir nicht schon in der Gegend des Feuers oder ganz nahe daran sind, denn ein groß Stück vom Bart ist mir schon angebrannt. Ich möchte mir am liebsten das Schnupftuch herunterreißen, um zu sehen, wo wir sind!«

»Tu das nicht«, versetzte Don Quijote, »und denk an die wahre Geschichte vom Lizentiaten Torralva, den die Teufel im Flug auf einem Rohrstab reitend und mit geschlossenen Augen durch die Luft führten, und in zwölf Stunden gelangte er nach Rom und stieg an der Torre di Nona hernieder, was eine Straße der Stadt ist, und da sah er all das Getümmel und den Sturm und den Tod des Konnetabel von Bourbon, und am Morgen war er schon wieder in Madrid zurück, wo er alles erzählte, was er gesehen hatte; er sagte auch, daß ihn beim Reiten durch die Luft der Teufel die Augen öffnen hieß, und er öffnete sie wirklich und sah sich nach seiner Meinung so nahe bei der Mondscheibe, daß er sie hätte greifen können und daß er nicht nach der Erde zu blicken wagte, um nicht schwindlig zu werden. Sonach, Sancho, ist gar kein Grund, unsre Binde abzunehmen; jener, der die Sorge für uns übernommen hat, hat die Verantwortung für uns zu tragen. Vielleicht auch machen wir jetzt Vorstöße in die Luft und steigen in die Höhe, um dann mit einem Male auf das Königreich Candaya hinabzustoßen, wie die Jagdfalken oder Habichte auf den Reiher herabstoßen, um ihn zu packen, wenn er auch noch so hoch in die Lüfte steigen will. Und wiewohl es uns so vorkommt, als seien wir noch keine halbe Stunde vom Garten weggeflogen, so müssen wir dennoch, glaube ich, einen weiten Weg zurückgelegt haben.«

»Mag das sein, wie es will«, entgegnete Sancho Pansa; »ich kann nur so viel sagen, wenn das Fräulein Magellan oder Magelone mit diesem Sitz auf der Kruppe zufrieden war, so muß sie nicht gar so zart von Gliedern gewesen sein.«

Diesem ganzen Gespräch der beiden Tapfern hörten der Herzog und die Herzogin zu sowie die andern im Garten Anwesenden, und alle hatten das größte Vergnügen daran, und da man jetzt das seltsame und trefflich angelegte Abenteuer zu Ende bringen wollte, so legte man mittels einiger Flocken Werg Feuer an den Schwanz des Holzzapferich, und da das Pferd mit prasselnden Raketen angefüllt war, so flog es mit gewaltigem Krachen in die Luft und warf Don Quijote und Sancho halb versengt zu Boden. Inzwischen war bereits die bärtige Schar der Kammerfrauen und die Trifaldi und alles aus dem Garten verschwunden, und die andern im Garten noch Weilenden lagen wie ohnmächtig auf der Erde hingestreckt. Don Quijote und Sancho erhoben sich in übler Verfassung vom Boden, schauten sich nach allen Seiten um und wurden von Bestürzung erfaßt, als sie so viele Leute auf der platten Erde liegen sahen; aber ihr Erstaunen stieg noch höher, als sie seitwärts auf einer Stelle des Gartens einen Speer im Boden und an ihm ein glänzend weißes Pergament an zwei grünseidenen Schnüren hängen sahen, worauf mit großen goldenen Buchstaben das Folgende geschrieben stand:

Der ruhmstrahlende Ritter Don Quijote von der Mancha hat die Aventüre mit der Gräfin Trifaldi, sonst auch genannt die Kammerfrau Schmerzenreich, und Genossen glücklich bestanden und schon dadurch zu Ende geführt, daß er sich vorgenommen, sie zu vollenden. Malambruno erklärt sich für befriedigt, und alles sei ganz nach seinem Wunsche erledigt, und die Gesichter der Kammerfrauen sind bereits wieder glatt und sauber, und das Königspaar Don Clavijo und Antonomásia befindet sich in seinem früheren Zustand. Und sobald die Geißelung des Schildknappen vollbracht ist, wird sich die weiße Taube von den pesthauchenden Jagdfalken, die sie verfolgen, befreit und in den geliebten Armen ihres girrenden Täuberichs sehen. Denn also ist es verordnet durch den gelahrten Merlin, den obersten Zaubermeister aller Zauberkünstler.

Als nun Don Quijote die Inschrift des Pergaments gelesen hatte, begriff er sofort, daß hier von Dulcineas Entzauberung die Rede war; und nachdem er dem Himmel vielfach dafür gedankt, daß er mit so wenig Gefahr ein so großes Heldenwerk vollbracht und den Gesichtern der ehrwürdigen Kammerfrauen – die bereits nicht mehr zu sehen waren – ihre frühere Glätte wiedergegeben, schritt er zu der Stelle hin, wo der Herzog und die Herzogin noch in tiefer Ohnmacht lagen, ergriff den Herzog bei der Hand und sprach zu ihm: »Frischauf, mein trefflicher Fürst, guten Mut, guten Mut! Denn alles ist nichts! Das Abenteuer ist schon beendet ohne jemandes Schaden, wie es deutlich die Schrift zeigt, die dort an der Stange hängt.«

Der Herzog kam allmählich, wie noch in schwerem Traum befangen, wieder zu sich, und auf dieselbe Art und Weise die Herzogin, und ebenso alle anderen, die im Garten hingestreckt lagen, mit so lebhaften Zeichen des Erstaunens, ja des Entsetzens, daß man schier meinte, es sei ihnen das im Ernste begegnet, was sie so gut im Scherz zu spielen wußten.

Der Herzog las den Zettel mit halb geschlossenen Augen, eilte sogleich mit offenen Armen auf Don Quijote zu, ihn zu begrüßen, und sagte ihm, er sei der beste Ritter, der je auf Erden gelebt habe. Sancho suchte mit den Augen ringsherum nach der Schmerzenreich, um zu sehen, wie ihr Gesicht sich ohne Bart ausnehme und ob sie ohne diesen wirklich so schön sei, wie ihr ganzes stattliches Wesen verhieß; man sagte ihm aber, als der Holzzapferich brennend aus der Luft herabgefahren und auf den Erdboden gestürzt sei, da sei der Trupp Kammerfrauen mit der Trifaldi verschwunden und sie seien nun bereits glattgeschoren und ohne Stoppeln.

Die Herzogin fragte Sancho, wie es ihm auf der weiten Reise ergangen sei. Sancho antwortete: »Ich, Señora, spürte, daß wir, wie mein Herr mir sagte, durch die Region des Feuers flogen, und da wollte ich mir die Augen ein wenig aufbinden; aber mein Herr, den ich um Erlaubnis dazu bat, gab es nicht zu. Ich indessen, der ich in mir, ich weiß nicht was für ein paar Körnlein Neugier und Wissensdrang habe, gerade das zu erfahren, was man mir verwehrt und verbietet, ich habe mir ganz sachte, und ohne daß einer es sehen konnte, das Tüchlein dicht an der Nase ein klein bißchen von den Augen geschoben und nach der Erde hinuntergeblickt, und da kam es mir vor, daß die ganze Erde nicht größer war als ein Senfkorn und die Leute, die sich auf ihr herumtrieben, wenig größer als eine Haselnuß, woraus man sehen kann, wie hoch wir damals geflogen sein mußten.«

Darauf sprach die Herzogin: »Freund Sancho, überlegt Euch, was Ihr sagt; wie es mich bedünkt, habt Ihr die Erde nicht gesehen, sondern nur die Menschen, die sich auf ihr bewegten; und es ist klar, wenn die Erde Euch wie ein Senfkorn vorkam und jeder Mensch wie eine Haselnuß, so mußte ja ein Mensch allein schon die ganze Erde bedecken.«

»Das ist wahr«, erwiderte Sancho, »aber trotzdem habe ich ein Eckchen von ihr erblickt und habe sie ganz gesehen.«

»Bedenket, Sancho«, entgegnete die Herzogin, »wer ein Eckchen von etwas erblickt, sieht nicht das Ganze von dem, was er betrachtet.«

»Von derlei Betrachtungen verstehe ich nichts«, versetzte Sancho; »ich weiß nur, daß es gut wäre, wenn Eure Herrlichkeit im Sinn hielte, daß wir mittels Zauberei geflogen sind und ich also mittels Zauberei ganz wohl die ganze Erde sehen konnte und die Menschen alle, von wo aus ich dieselben auch betrachtet haben mag. Und wenn mir das nicht geglaubt wird, so wird mir Euer Gnaden auch nicht glauben, daß ich, als ich mir einmal das Tuch dicht an den Augenbrauen wegschob, mich so nah beim Himmel gesehen habe, daß es von mir bis zu ihm anderthalb Spannen weit war, und ich kann’s beschwören, Señora, er ist groß über alle Maßen. Nun trug es sich auch zu, daß wir in die Gegend kamen, wo sich die sieben Zicklein befinden, und bei Gott und meiner Seelen Seligkeit, sowie ich sie sah, denn als Kind bin ich in meiner Heimat ein Ziegenhüter gewesen, befiel mich die Lust, mich eine Weile mit ihnen zu unterhalten, und hätte ich dem nicht nachgegeben, so glaub ich, es hätte mir das Herz abgedrückt. Ich mach mich also dran und drauflos, und was tu ich? Ohne jemandem ein Wort zu sagen, auch meinem Herrn nicht, bin ich sachte und still vom Holzzapferich abgestiegen und hab mich mit den Zicklein unterhalten. Das sind wahre Goldveigelein, wahre Blumen an Schönheit! Beinahe dreiviertel Stunden, und der Holzzapferich rührte sich nicht von der Stelle und tat keinen Schritt vorwärts.«

»Und während der wackere Sancho sich mit den Ziegen unterhielt«, fragte der Herzog, »womit unterhielt sich der Señor Don Quijote?«

Darauf antwortete Don Quijote: »Da all diese Dinge und die Vorgänge solcher Art außerhalb der natürlichen Ordnung der Dinge sind, so ist es nicht besonders zu verwundern, wenn Sancho sagt, was er sagt; von mir aber muß ich sagen, daß ich mir das Tuch weder nach oben noch nach unten wegschob und weder Himmel noch Erde, weder Meer noch Ufer erblickt habe. Allerdings spürte ich, daß ich durch die Region der Luft schwebte und sogar der des Feuers nahe kam; aber daß wir über diese hinausgekommen wären, das kann ich nicht glauben. Denn da die Region des Feuers zwischen dem Mondhimmel und der letzten Luftregion ist, so konnten wir zu dem Himmel, wo sich die sieben Zicklein befinden, nicht hingelangen, ohne zu verbrennen; und da wir nicht angebrannt sind, so hat Sancho entweder gelogen oder geträumt.«

»Ich lüge nicht und träume nicht«, entgegnete Sancho; »oder aber fragt mich nur nach den Merkzeichen der besagten Zicklein, und ihr werdet erkennen, ob ich die Wahrheit sage oder nicht.«

»So sagt die Merkzeichen, Sancho«, sprach die Herzogin.

»Zwei von ihnen«, erwiderte Sancho, »sind grün, zwei rot, zwei blau, und eines ist buntgefleckt.«

»Das ist eine neue Art Ziegen«, bemerkte der Herzog, »und auf dieser unserer Erde kommen solche Farben nicht vor, ich meine Ziegen von solchen Farben.«

»Das ist sehr klar«, sagte Sancho; »es muß doch ein Unterschied sein zwischen den himmlischen und denen auf Erden.«

»Sagt mir, Sancho«, fragte der Herzog, »habt Ihr dort unter jenen Ziegen auch einen Geißbock gesehen?«

»Nein, Señor«, antwortete Sancho; »aber ich habe sagen hören, es komme kein Bock über die Hörner des Mondes hinaus.«

Man mochte ihn nicht weiter über seine Reise ausfragen, denn es kam ihnen vor, als hätte Sancho einen hinreichend langen Faden gesponnen, um daran durch alle Himmel hindurchzuspazieren und von allem, was dort vorging, Bericht zu geben, ohne einen Fuß aus dem Garten gesetzt zu haben.

Genug, dies war das Ende des Abenteuers mit der Kammerfrau Schmerzenreich, das dem herzoglichen Paare nicht nur für jetzt, sondern für ihr ganzes Leben Stoff zum Lachen gab und Sancho Stoff, jahrhundertelang zu erzählen, wenn er so lang gelebt hätte. Don Quijote aber trat dicht an Sancho heran und flüsterte ihm ins Ohr: »Sancho, da Er will, ich soll Ihm glauben, was Er im Himmel gesehen hat, so will ich, Er soll mir glauben, was ich in der Höhle des Montesinos gesehen. Mehr sag ich Ihm nicht.«

42. Kapitel


Von den guten Lehren, so Don Quijote seinem Sancho Pansa gab, nebst andern wohlerwogenen Dingen

Der Herzog und die Herzogin fanden solches Vergnügen an dem Ausgang des Abenteuers mit der Schmerzenreich, daß sie sich vornahmen, noch mehr Possenstreiche zu spielen; sie sahen, daß sie die rechten Leute dazu hatten, die Späße für Ernst zu nehmen. Nachdem sie daher ihren Plan entworfen sowie Anweisungen ihren Dienern und Untertanen erteilt hatten, wie sie sich gegenüber Sancho bei dessen Statthalterschaft über die versprochene Insul verhalten sollten, sagte der Herzog zu Sancho am Tage nach der Luftfahrt des Holzzapferich, er möge sich zurechtmachen und herrichten, um die Reise zu seinem Statthalterposten anzutreten, denn seine Insulaner erwarteten ihn bereits sehnlich wie einen Maienregen.

Sancho verbeugte sich tief und sagte: »Seit ich vom Himmel herabgefahren bin und seit ich von dessen hohem Dach die Erde betrachtet und sie so klein gesehen habe, seitdem hat sich meine früher so große Lust, Statthalter zu werden, einigermaßen abgekühlt; denn was ist’s schon für eine hohe Stellung, auf einem Senfkorn den Befehl zu führen, oder was für eine Würde und Herrschaft, ein halb Dutzend Menschen von der Größe einer Haselnuß zu regieren? Denn eine größere Anzahl schien mir auf der ganzen Erde nicht vorhanden. Wenn Euere Herrlichkeit geruhen wollte, mir so ein ganz klein Teilchen vom Himmel zu schenken, wenn’s auch nicht größer wär als eine halbe Meile, ich nähm es bei weitem lieber als die größte Insul auf der Welt.«

»Bedenkt, Freund Sancho«, entgegnete der Herzog, »ich kann keinem ein Teil vom Himmel geben, wäre es auch nicht größer als eines Nagels Breite; dem lieben Gott allein ist die Spendung solcher Gnaden und Hulden vorbehalten. Was ich zu geben vermag, geb ich Euch, nämlich eine echte rechte Insul, rund und gesund und in schönster Ordnung und über die Maßen fruchtbar und ergiebig, allwo Ihr, wenn Ihr es am rechten Ende anzufangen wißt, nebst den Schätzen der Erde die des Himmels einheimsen könnt.«

»Wohlan«, versetzte Sancho, »so mag denn die Insul nur herankommen; ich will mir alle Mühe geben, ein solcher Statthalter zu sein, daß ich allen Schelmen zu Trotz in den Himmel gelange; und dies tue ich nicht aus Gierde, meinen niederen Stand zu verlassen oder mich zu höherer Stufe zu erheben, sondern weil ich einmal versuchen möchte, wie es schmeckt, Statthalter zu sein.«

»Wenn Ihr es einmal gekostet habt, Sancho«, sprach der Herzog, »so werdet Ihr Euch alle Finger nach dem Statthaltertum lecken, weil es eine gar süße Sache ist, zu befehlen und gehorcht zu bekommen. Ganz gewiß, sobald Euer Herr einmal Kaiser wird – und nach dem Gange, den seine Angelegenheiten gehen, wird er das ohne Zweifel –, dann wahrlich wird ihm das keiner mehr nach Belieben entreißen, und es wird ihm in der Seele schmerzen und weh tun, daß er so lange Zeit hingehen ließ, bis er es geworden.«

»Señor«, entgegnete Sancho, »ich denke mir, es ist was Schönes, zu befehlen, wäre es auch nur über eine Herde Schafe.«

»Mit Euch will ich leben und sterben, Sancho, Ihr versteht von allem etwas«, sagte der Herzog darauf. »Ich hoffe, Ihr werdet ein solcher Statthalter, wie Euer Verstand verheißt; und lassen wir es dabei bewenden und merkt Euch, daß Ihr morgen die Statthalterschaft auf der Insul übernehmen sollt; und heut nachmittag wird man Euch mit der schicklichen Kleidung versehen, die Ihr tragen sollt, sowie mit allem anderen, was zu Eurer Reise nötig.«

»Möge man mich kleiden, wie man will«, sagte Sancho; »wie ich auch angezogen bin, werde ich immer Sancho Pansa bleiben.«

»Ganz richtig«, versetzte der Herzog. »Allein die Kleidung muß sich nach dem Amt oder Stande richten, dem man angehört; es wäre nicht passend, wenn ein Rechtsgelehrter sich wie ein Soldat trüge oder ein Soldat wie ein Priester. Ihr, Sancho, sollt halb als studierter Beamter, halb als Kriegshauptmann gekleidet gehen, weil auf der Insul, die ich Euch verleihe, die Waffen so notwendig sind wie die Wissenschaft und die Wissenschaft wie die Waffen.«

»Wissenschaft«, entgegnete Sancho, »deren hab ich gar wenig, denn ich kann nicht einmal das Abc; aber es ist mir schon genug, das Kruzifix vorn im Abc-Buch im Gedächtnis zu haben, um ein guter Statthalter zu sein. Was die Waffen angeht, will ich die führen, die man mir in die Hand gibt, bis ich tot hinfalle, und Gottes Wille sei vor allem!«

»Mit einem so guten Gedächtnis«, sagte der Herzog, »kann Sancho niemals fehlgehen.«

Hier kam Don Quijote herzu, und als er hörte, was vorging und wie schleunig Sancho nach seiner Statthalterschaft abgehen solle, nahm er ihn mit des Herzogs Erlaubnis bei der Hand und ging mit ihm in sein Zimmer, da er ihm Rat erteilen wollte, wie er sich in seinem Amte zu verhalten habe. Als sie nun eingetreten, schloß er die Tür hinter sich zu, zwang Sancho beinahe mit Gewalt, sich neben ihn zu setzen, und sprach zu ihm mit gemessener Stimme: »Unendlichen Dank sage ich dem Himmel, Freund Sancho, daß, ehe und bevor ich auf meinen Wegen irgendein glückliches Los gefunden, dir das glückliche Los entgegengekommen ist, um dich zu grüßen und aufzusuchen. Ich, der ich zu Zeiten meines Wohlergehens dir den Lohn deiner Dienste angewiesen hatte, sehe mich erst in den Anfängen des Emporkommens, du aber siehst vor der Zeit und gegen das Gesetz der Vernunft deine Wünsche mit Erfüllung gekrönt. Andre bestechen, überlaufen die Leute, bewerben sich, stehen früh auf, bitten, drängen beharrlich und erreichen nicht, wonach sie streben; und da kommt ein anderer, und ohne zu wissen, wann und wie, hat er unversehens Stelle und Amt, wonach soviel andre getrachtet. Hier paßt es wohl, wenn man sagt: Nur Glück oder Unglück entscheiden bei Bewerbungen. Du, der du meiner Meinung nach ein Schafskopf bist, der weder früh aufsteht noch die Nächte durchwacht noch irgend Fleiß und Mühe an irgend etwas wendet – bloß weil dich der Hauch des fahrenden Rittertums berührt hat, wachst du eines Morgens auf als der Statthalter einer Insul, gerade als ob das nur ein Pfifferling wäre. Dies alles sag ich dir, mein Sancho, auf daß du die empfangene Gnade nicht deinen Verdiensten zuschreibest, sondern dem Himmel Dank sagest, der alles so milde fügt, und Dank auch sagest dem hohen Range, den der Beruf des fahrenden Rittertums einnimmt. Wenn du sonach dein Gemüt geneigt hast, meinen Worten gläubig zu horchen, so sei, o mein Sohn, achtsam auf mich, deinen Cato, der dich beraten und dir Polarstern und Führer sein will, um dich zu leiten und herauszuführen zu sicherem Hafen aus diesem stürmischen Meere, in dessen Weite jetzt dein Schifflein hinaussegeln will; denn Ämter und hohe Stellen sind nichts anderes als ein tiefes Meer der Wirrsale.

Zum ersten, o mein Sohn, mußt du Gott fürchten, denn in Gottesfurcht besteht alle Weisheit, und bist du weise; so kannst du in nichts fehlgehen.

Zum zweiten mußt du im Auge behalten, wer du bist, und solchergestalt bestrebt sein, dich selbst zu erkennen, was die schwerste Kenntnis ist, die sich denken läßt. Aus der Kenntnis deiner selbst folgt sofort, daß du dich nicht aufblasen sollst wie der Frosch, der dem Ochsen an Größe gleich sein wollte; denn tätest du das, so würde die Erinnerung, daß du daheim die Schweine gehütet hast, dir das häßliche Füßepaar sein zum Pfauenrad deiner Torheit.«

»Das ist wahr«, entgegnete Sancho; »aber da war ich noch ein Junge; nachher, als ich beinah schon ein Männlein geworden, hab ich Gänse gehütet, nicht Schweine. Aber ich glaube, das gehört nicht hierher, denn nicht alle, die regieren oder statthaltern, kommen aus königlichem Geschlecht.«

»Ganz richtig«, versetzte Don Quijote; »deshalb müssen Leute von nicht edlem Ursprung zu der ernsten Würde des Amtes, das sie ausüben, eine milde Freundlichkeit gesellen, damit diese, von Klugheit geleitet, die hämische Nachrede von ihnen fernhalte, welcher kein Stand leicht entgeht.

Zeige dich stolz, Sancho, auf deine niedere Herkunft und halte es nicht für unter deiner Würde, zu sagen, daß du von Bauern stammst; wenn man sieht, daß du dich dessen nicht schämst, wird es keinem einfallen, dich damit beschämen zu wollen, und sei lieber als Niedriggeborener ein braver Mann denn in Hochmut ein Sünder. Zahllos sind die Männer von einfacher Herkunft, die zur höchsten, der päpstlichen oder kaiserlichen Würde emporgestiegen sind, und von dieser allbekannten Tatsache könnte ich dir so viele Beispiele anführen, daß sie dich ermüden würden.

Sieh, Sancho, wenn du die Tugend zur Richtschnur deines Handelns nimmst und deinen Ruhm darin suchst, tugendsame Taten zu verrichten, brauchst du die nicht zu beneiden, die statt solcher Taten nur Fürsten und Herren zu Ahnen haben; denn das Blut wird ererbt, und die Tugend wird erworben, und die Tugend hat ihren Wert für sich allein, das Blut für sich allein hat jedoch keinen.

Da dem nun so ist, sage ich: falls dich etwa auf der Insul einer deiner Verwandten besuchen sollte, darfst du ihn nicht abweisen oder beschämen, vielmehr mußt du ihn willkommen heißen, gut aufnehmen und freundlich behandeln; damit gehorchst du den Geboten des Himmels, der nicht will, daß jemand etwas verachte, was er geschaffen hat, und wirst dem genügen, was du der weisen Ordnung der Natur schuldig bist.

Wenn du deine Frau mit dir nimmst – denn es ist nicht gut, daß, wer einem Regierungsamt vorsteht, lange Zeit ohne sein eigenes Weib lebe –, so belehre sie, unterweise sie und schleife ihr ihre anfängliche Roheit ab, denn soviel ein verständiger Statthalter vor sich zu bringen weiß, das alles verdirbt und verbringt ein rohes dummes Weib.

Würdest du etwa Witwer – was ja immerhin möglich ist – und wolltest mit dem höheren Amte auch bei der Wahl einer Lebensgefährtin höher gehen, nimm keine solche, die du als Köder und Angelrute und zu jener Heuchelrede benutzest: Ich nehme nichts, ich will nichts, aber werft mir’s in die Kapuze! Denn wahrlich, ich sage dir, für alles, was eines Richters Frau annimmt, muß dereinst der Mann Rechenschaft geben bei der allgemeinen Rechnungslegung, wo er im Tode die Rechnungen vierfach zahlen muß, die er im Leben nicht auf seinen eigenen Beutel übernommen hat.

Nie leite dich das Gesetz der eigenen Willkür, welchem gewöhnlich die Dummen folgen, die sich für gescheit halten.

Die Tränen des Armen sollen bei dir mehr Mitleid, aber nicht mehr Gerechtigkeit finden als die Beweisgründe des Reichen.

Suche die Wahrheit unter den Versprechungen und Geschenken des Reichen herauszufinden ebenso wie unter dem Schluchzen und dem aufdringlichen Bitten des Armen.

Wo die Billigkeit walten kann und darf, da belaste den Verbrecher nicht mit der ganzen Strenge des Gesetzes; der Ruf des strengen Richters ist keineswegs besser als der des mitleidigen.

Solltest du jemals den Stab der Gerechtigkeit beugen, so beuge ihn nicht unter dem Gewicht eines Geschenkes, sondern unter dem der Barmherzigkeit.

Solltest du einmal in der Rechtssache eines Feindes von dir ein Urteil fällen müssen, so halte deine Gedanken fern von dem dir zugefügten Unrecht und richte sie einzig und allein auf die wahren Umstände des Falls.

Nie soll dich deine eigne Leidenschaft blind machen in einer fremden Sache; für die Fehler, die du in ihr begehen würdest, gibt es keine Abhilfe, und wenn es eine solche gäbe, so doch nur auf Kosten deines Ansehens und sogar deines Geldbeutels.

Wenn ein schönes Weib kommt und verlangt Gerechtigkeit von dir, wende die Augen ab von ihren Tränen und die Ohren von ihren Seufzern und erwäge mit Ruhe und Muße den sachlichen Inhalt ihres Gesuches, wenn du nicht willst, daß deine Vernunft in ihren Tränen ertrinke und deine Rechtlichkeit in ihren Seufzern.

Wen du mit Werken strafen mußt, den mißhandle nicht mit Worten; denn für den Unglücklichen ist die körperliche Strafe schon genug ohne die Zugabe harter Worte.

Den Angeklagten, den du verurteilen mußt, betrachte als einen Unglücklichen, der den Bedingungen unsrer verderbten Natur unterworfen ist, und in allem, was von dir aus geschehen kann, ohne der Sache des Gegners Unrecht zu tun, zeige dich ihm mildherzig und erbarmend; denn obschon Gottes Eigenschaften alle gleich groß sind, so ist’s doch nach unsrer Anschauung die Barmherzigkeit, die mehr glänzt und hervorstrahlt als die Gerechtigkeit.

Wenn du diese Vorschriften und diese Lehren befolgst, dann, Sancho, werden deiner Tage viele sein, dein guter Name wird ewig, dein Lohn in erwünschter Fülle, deine Glückseligkeit unsäglich sein; du wirst deine Kinder nach Wunsch verheiraten, sie und deine Enkel werden Adelsrang und Güter besitzen; du wirst leben in Frieden, den Menschen ein Wohlgefallen, und bei den letzten Schritten auf deiner Lebensbahn wird dich der nahende Schritt des Todes in freundlichem und ausgereiftem Alter treffen, und es werden die zarten lieben Hände deiner Urenkelchen dir die Augen schließen.

Was ich dir bis jetzt gesagt habe, sind Lehren, die deiner Seele zur Zierde gereichen sollen; höre nun die, so zur Zier deines Körpers dienen sollen.«

4. Kapitel


Wo Sancho Pansa dem Baccalaureus auf seine Zweifel und Fragen Auskunft erteilt, benebst andern Begebnissen, so wissens- und erzählenswert sind

Sancho Pansa kehrte zum Hause Don Quijotes und zu dem vorigen Gespräch zurück und sprach: »Wie der Herr Sansón gesagt hat, wünschte man zu wissen, von wem und wie und wann der Esel mir gestohlen worden. Zur Antwort hierauf sag ich: In der nämlichen Nacht, wo wir auf der Flucht vor der Heiligen Brüderschaft uns in die Sierra Morena begaben, nach jenem Abenteuer mit den Galeerensklaven, das uns teuer zu stehen kam, und nach jenem andern mit dem Leichnam, den man gen Segovia führte, verbargen mein Herr und ich uns in einem Dickicht, wo wir beide – mein Herr auf seine Lanze gelehnt und ich auf meinem Grauen sitzend –, zerschlagen und gerädert von den erlebten Streithändeln, uns dem Schlaf ergaben, als ob wir auf einem halben Dutzend Matratzen lägen. Ich besonders schlief so fest, daß irgendeiner, wer es auch gewesen sein mag, Gelegenheit fand, sich heranzuschleichen und mir vier Knüppel unter die vier Seiten meines Sattels zu schieben, so daß ich darauf sitzen blieb wie auf einem Gaul, während er mir den Grauen unter dem Leibe wegmauste, ohne daß ich es merkte.«

»Das ist was Leichtes und nicht zum erstenmal geschehen«, fiel Don Quijote ein; »denn das nämliche geschah dem Sacripant, dem bei der Belagerung von Albraca der berüchtigte Dieb Brunell mit demselben Kunststück den Gaul zwischen den Beinen wegstahl.«

»Es wurde Morgen«, fuhr Sancho fort, »und kaum hatte ich mich ein wenig gestreckt, so fielen die Knüppel unter dem Sattel zusammen, und ich tat einen schweren Fall auf den Boden, Ich sah mich nach dem Esel um und fand ihn nirgends; Tränen traten mir in die Augen, und ich erhob ein solches Klagelied, daß der Verfasser unserer Geschichte, wenn er es nicht ins Buch gesetzt hat, sicher sein kann, daß er nie was Gutes hineingesetzt hat. Nach Verlauf von soundso viel Tagen, als wir mit der gnädigen Prinzessin Mikomikona des Weges zogen, gewahrte ich plötzlich meinen Esel wieder und sah, daß auf ihm in Zigeunertracht jener Ginés de Pasamonte ritt, jener Spitzbube und Erzschurke, den mein Herr und ich von der Kette frei gemacht hatten.«

»Nicht darin liegt der Fehler«, entgegnete Sansón, »sondern darin, daß, ehe der Esel wieder zum Vorschein gekommen, der Verfasser sagt, daß Sancho auf dem nämlichen Esel einherritt.«

»Darauf«, sagte Sancho, »kann ich nichts anderes sagen, als daß der Geschichtsschreiber sich geirrt hat oder daß der Setzer einen Fehler gemacht hat.«

»So ist es ohne Zweifel«, sprach Sansón, »aber was habt Ihr mit den hundert Goldtalern gemacht?«

»Vertan sind sie«, antwortete Sancho. »Ich habe sie zu meinem eigenen Nutzen und zu Nutz und Frommen von Frau und Kindern verwendet, und sie sind schuld daran, daß meine Frau die Wege und Fahrten, die ich in Diensten meines Herrn Don Quijote getan, geduldig erträgt; denn wäre ich nach Verfluß so langer Zeit ohne einen Pfennig und ohne den Esel heimgekehrt, so wäre es mir schlecht ergangen. Will nun einer noch mehr von mir wissen, hier steh ich und bin bereit, einem jeden, selbst dem König, Rede zu stehen, und niemanden geht es etwas an, ob ich was mitbrachte oder nichts mitbrachte, was ausgab oder nichts ausgab. Denn sollten die Prügel, die ich auf den Reisen bekam, mir in Geld bezahlt werden, und wenn jeder Hieb auch nur zu vier Maravedís taxiert würde, so wären noch einmal hundert Goldtaler nicht genug, um mir auch nur die Hälfte zu bezahlen; und es greife jeder in seinen Busen und lasse sich nicht beigehen, weiß für schwarz und schwarz für weiß auszugeben; denn am Ende ist jeder, wie Gott ihn geschaffen hat, und oftmalen noch viel schlechter.«

»Ich will den Verfasser der Geschichte darauf aufmerksam machen«, sprach Carrasco, »wenn er sie nochmals drucken läßt, daß er nicht vergißt, was der wackere Sancho gesagt hat; dadurch wird sie ein gut Stück mehr an Wert gewinnen, als sie jetzt hat.«

»Gibt es sonst noch was in dem Buche zu verbessern, Herr Baccalaureus?« fragte Don Quijote.

»Gewiß wird sich noch was finden«, antwortete jener; »allein es wird wohl nichts von solcher Wichtigkeit sein wie die erwähnten Stellen.«

»Ob der Verfasser wohl einen zweiten Teil verspricht?« fragte Don Quijote weiter.

»Freilich verspricht er ihn«, antwortete Sansón, »allein er sagt, er habe noch nicht herausgebracht, in wessen Händen sich die Handschrift befindet, und so wissen wir nicht, ob er herauskommen wird oder nicht. Und sowohl aus diesem Grunde als auch deshalb, weil einige sagen, die zweiten Teile taugen selten etwas, und andere, es ist schon genug von Don Quijotes Geschichten geschrieben, vermutet man, es werde überhaupt ein zweiter Teil nicht kommen; wiewohl andre, die mehr auf dem Altar des heitern Jovis als des finstern Saturn opfern, dagegen meinen: Nur immer her mit noch mehr Donquijoterien! Don Quijote soll nur immer auf Feinde anstürmen, und Sancho Pansa soll plaudern; und mag es sein, was und wie es sein mag, wir haben unsere Freude daran.«

»Und was hat der Verfasser vor?« fragte Don Quijote.

»Was?« entgegnete Sansón; »im Augenblick, wo er die Geschichte auffindet, der er allerorten mit außerordentlichstem Bemühen nachspürt, wird er sie auf der Stelle in Druck geben, und zwar mehr um des Vorteils willen, der ihm aus der Herausgabe erwächst, als durch irgendwelche Lobeserhebungen angetrieben.«

Darauf sagte Sancho: »Geld und Gewinn hat der Verfasser im Auge? Da wär’s ein Wunder, wenn ihm was Rechtes gelingen sollte; denn da wird er nichts tun als sich überhaspeln und hudeln wie ein Schneider am Vorabend des Osterfestes, und Arbeiten, die man in aller Eile fertigt, werden nie mit der Vollkommenheit zu Ende geführt, die sie erfordern. Der Herr Maure, oder was er sonst ist, soll sich ja recht genau überlegen, was er tun will; ich und mein Herr werden ihm so vielen Trödelkram von Abenteuern und mannigfachen Begebnissen an die Hand geben, daß er imstande sein soll, nicht nur den zweiten Teil, sondern deren hundert zu schreiben. Der gute Mann denkt sicher, wir liegen hier auf der Bärenhaut; aber er soll uns nur einmal auf den Zahn fühlen, da wird er schon sehen, ob einer wackelt. Ich aber sage nur so viel: Wenn mein Herr meinen Rat annähme, so müßten wir schon draußen auf freiem Felde einherziehen, um Unbilden wiedergutzumachen und Unrecht zurechtzubringen, wie es Sitte und Brauch der braven fahrenden Ritter ist.«

Sancho hatte noch nicht ausgeredet, da drang ihnen Rosinantes Gewieher in die Ohren; dies Wiehern nahm Don Quijote für eine glückliche Vorbedeutung und beschloß alsbald, nach drei oder vier Tagen eine neue Ausfahrt zu unternehmen. Er entdeckte sein Vorhaben dem Baccalaureus und bat ihn um Rat, in welchem Landstrich er seine Fahrten beginnen solle. Dieser antwortete ihm, seine Meinung sei, er solle nach dem Königreich Aragon, und zwar nach Zaragoza, ziehen, wo in wenigen Tagen festliche Kampfspiele zur Feier des Sankt-Georgen-Tages stattfinden sollten, und bei diesen könne er Ruhm gewinnen vor allen aragonischen Rittern, was soviel heißen würde, als vor allen Rittern auf Erden. Er pries seinen Entschluß als höchst ehrenvoll und mannhaft, warnte ihn aber, er möge, wenn er Gefahren entgegengehe, mehr auf seiner Hut sein, da sein Leben nicht ihm angehöre, sondern allen jenen, die seiner bedürften, um von ihm bei ihren Bedrängnissen in Schutz und Schirm genommen zu werden.

»Das gerade verwünsche ich ja immer, Herr Sansón«, fiel hier Sancho ein, »daß mein Herr auf hundert Männer in Waffen so losstürzt wie ein gefräßiges Jüngelchen auf ein halb Dutzend Marzipanpüppchen. Sackerlot, Herr Baccalaur! Ja, es gibt Zeiten, draufloszustürzen, und Zeiten, zurückzuweichen; und es darf nicht immer heißen: Santiago und Spanien, drauflos!, zumal ich habe sagen hören – und ich glaube, von meinem Herrn selbst, wenn mich mein Gedächtnis nicht täuscht –, daß zwischen den beiden äußersten Gegensätzen, nämlich dem Feigling und dem tollkühnen Waghals, die Tapferkeit die rechte Mitte ist. Und wenn dem so ist, so will ich nicht, daß er ohne Grund fliehen soll, aber auch nicht, daß er zum Angriff stürzt, wenn die Übermacht ein anderes Verhalten erfordert. Vor allem aber tue ich meinem Herrn zu wissen: wenn er mich mitnehmen will, so kann das nur unter der Bedingung sein, daß er allein alles auszufechten hat und daß ich zu weiter nichts verpflichtet bin, als für seine Person zu sorgen, nämlich ihn sauberzuhalten und zu verpflegen; denn darin will ich gewiß das Menschenmögliche tun. Wenn aber einer glaubt, ich sollte je Hand ans Schwert legen, und wäre es auch gegen räuberische Bauernkerle mit Axt und Eisenhut, der ist auf dem Holzweg. Ich, Herr Sansón, denke gar nicht daran, Ruhm zu erwerben als ein großer Held, sondern als der beste und getreuste Schildknappe, der jemals in fahrenden Ritters Diensten gewesen, und wenn mein Herr Don Quijote in Anerkennung meiner vielen und treuen Dienste mir eine beliebige Insul von den vielen schenken will, die, wie er sagt, draußen in der Welt zu finden sind, so werde ich selbige als große Gnade annehmen, und wenn er sie mir nicht schenkt, nun gut, ich bin einmal auf der Welt, und es soll der Mensch sich nicht auf den Menschen verlassen, sondern auf Gott, und außerdem wird mein Brot auch ohne Statthaltern mir ebenso gut und vielleicht noch besser schmecken, als wenn ich Statthalter wäre. Und kann ich etwa wissen, ob der Teufel nicht schon daran ist, mir bei dem Statthaltern ein Bein zu stellen, daß ich strauchle und falle und mir die Backenzähne einschlage? Als Sancho bin ich geboren, als Sancho will ich sterben. Wenn aber bei alledem, so ganz im guten und im stillen, ohne viel Bemühen und ohne viele Fährlichkeit, der Himmel mir irgendwo eine Insul oder was anderes der Art bescheren wollte, so bin ich nicht so dumm, es abzulehnen; denn es heißt im Sprichwort: Schenkt dir einer die Kuh, so lauf mit dem Strick herzu; und: Kommt das Glück gegangen, so sollst du es dir einfangen.«

»Freund Sancho«, versetzte Carrasco, »Ihr habt wie ein Professor gesprochen; aber trotz alledem baut auf Gott und auf Señor Don Quijote, der Euch ein Königreich und nicht bloß eine Insul schenken wird.«

»Zuviel ist ganz dasselbe wie zuwenig«, erwiderte Sancho. »Jedoch kann ich dem Herrn Carrasco sagen: wenn mein Herr mir ein Königreich schenken sollte, so würde es nicht in einen durchlöcherten Sack gesteckt werden; denn ich habe mir den Puls gefühlt und mich gesund genug gefunden, um Königreiche zu regieren und über Insuln den Statthalter abzugeben. Auch hab ich das schon früher meinem Herrn des öftern gesagt.«

»Bedenkt aber, Sancho«, sprach Sansón, »ein anderes Amt, ein anderer Sinn; und es wäre ja möglich, wenn Ihr einmal Statthalter seid, so kennt Ihr die Mutter nicht mehr, die Euch geboren.«

»Das ist von jenen Leuten zu verstehen«, entgegnete Sancho, »die auf einem Strohbündel zur Welt gekommen sind, und nicht von solchen, die ein paar Zoll Fett vom echten alten Christen auf der Seele sitzen haben wie ich. Nein! Oder seht Euch doch mein ganzes Wesen näher an, ob es derart ist, gegen irgendwen Undank zu üben.«

»Gott geb es«, sprach Don Quijote; »es wird sich alles schon finden, wann die Statthalterei kommt, und es bedünkt mich, ich sehe sie schon ganz nahe winken.«

Hierauf wendete er sich an den Baccalaureus mit der Bitte, wenn er ein Dichter sei, so möge er ihm die Gunst erweisen, ihm über den Abschied, den er von seiner Gebieterin Dulcinea von Toboso zu nehmen gedenke, einige Verse zu dichten, und möge darauf bedacht sein, an den Anfang einer jeden Zeile einen Buchstaben aus ihrem Namen zu setzen, so daß zuletzt, wenn man die Buchstaben aneinanderreihe, der Name Dulcinea von Toboso zu lesen sei.

Der Baccalaureus antwortete, obschon er nicht zu den berühmten Dichtern gehöre, die es in Spanien gebe, deren, wie die Leute sagen, nur drei und ein halber an der Zahl seien, so würde er doch sicher nicht unterlassen, die Reimzeilen in der gewünschten Versart niederzuschreiben. Indessen finde er eine große Schwierigkeit, sie so abzufassen, weil die Buchstaben, die den Namen bildeten, siebzehn an der Zahl seien, und wenn er kastilianische Strophen zu je vier Versen schreiben wollte, so würde ein Buchstabe zuviel sein, und schriebe er Strophen zu je fünf Versen, die man Décimas oder Redondillas nennt, so wären es drei Buchstaben zuwenig. Aber dessenungeachtet wollte er sich alle Mühe geben, um einen Buchstaben so gut wie möglich zwischen die andern einzuschieben, so daß der Name Dulcinea von Toboso dennoch in die vier kastilianischen Vierzeiler ginge.

»Auf alle Fälle muß es so geschehen«, sprach Don Quijote, »denn wenn der Name nicht klar und unverkennbar dasteht, so wird kein Frauenzimmer glauben, daß die Verse für sie geschrieben worden sind.«

Sie ließen es dabei bewenden und kamen überein, daß die Ausfahrt in acht Tagen stattfinden solle. Don Quijote schärfte dem Baccalaureus ein, sie geheimzuhalten, besonders vor dem Pfarrer und Meister Nicolas und seiner Nichte und der Haushälterin, damit sie seinem rühmlichen und mannhaften Entschluß keine Hindernisse bereiteten. Carrasco versprach alles, nahm hiermit Abschied und forderte Don Quijote auf, ihm bei Gelegenheit von all seinen guten oder schlimmen Erlebnissen Nachricht zu geben. Hiermit sagten sie einander Lebewohl, und Sancho ging heim, um das für seine Reise Erforderliche herzurichten.

37. Kapitel


Allwo die fürtreffliche Aventüre mit der Kammerfrau Schmerzenreich fortgesetzt wird

Hocherfreut waren der Herzog und die Herzogin, zu sehen, wie bereitwillig Don Quijote auf ihren Plan einging. Sancho aber sagte dazu: »Ich möchte nicht, daß diese geehrte Kammerfrau meiner versprochenen Statthalterschaft einen Stein in den Weg legt; denn ich habe einen Toledaner Apotheker, der wie ein Starmatz schwatzte, sagen hören, wo Zofen und Kammerfrauen dabei seien, da könne nichts Gutes herauskommen. Gott steh mir bei, wie übel war selbiger Apotheker auf die Kammerfrauen zu sprechen! Woraus ich denn entnehme, sintemal alle Kammerfrauen lästig und unangenehm sind, wes Ranges und Standes sie sein mögen: was werden erst die schmerzenreichen sein, welches diese Gräfin mit den drei Falten oder den drei Schleppen sein soll? Denn bei mir zulande ist Falten und Schleppe, Schleppe und Falten alles einerlei.«

»Schweige, Freund Sancho«, fiel Don Quijote ein; »denn sintemal diese geehrte Kammerfrau von so fernen Landen kommt, um mich aufzusuchen, wird sie wohl nicht zu denen gehören, die der Apotheker in seinem Register hatte, und dies um so gewisser, als diese eine Gräfin ist, und wenn Gräfinnen als Kammerfrauen dienen, so kann dies sicher nur bei einer Königin oder Kaiserin sein, und in ihrem eignen Hause sind sie höchste Gebieterinnen und lassen sich selbst von Kammerfrauen bedienen.«

Darauf versetzte Doña Rodríguez, die zugegen war: »Meine gnädige Frau Herzogin hat Kammerfrauen in ihren Diensten, die Herzoginnen sein könnten, wenn das Glück es nur wollte; aber wohin des Königs Wille geht, dahin wird das Gesetz gedreht; und keiner soll den Kammerfrauen was Böses nachsagen, vorab den alten und den unverheirateten. Denn wiewohl ich beides nicht bin, kann ich’s doch begreifen und habe doch eine Vorstellung davon, wieviel eine noch unverheiratete Kammerdame vor einer verwitweten voraushat; wer uns aber zwacken und scheren will, dem bricht und sticht die Schere in Hand und Finger.«

»Nichtsdestoweniger gibt es bei den Kammerfrauen viel zu scheren«, entgegnete Sancho, »nach dem, was mein Barbier sagt, gerade wie es besser ist, den Reis nicht umzurühren, wenn er sich auch unten am Topf ansetzen will.«

»Die Schildknappen«, entgegnete Doña Rodríguez, »sind uns beständig so feind, daß sie, da sie stets in den Vorzimmern als Kobolde herumgeistern und uns auf Schritt und Tritt zu Gesicht bekommen, all die Augenblicke, wo sie nicht beten – und dieser Augenblicke sind viele! –, darauf verwenden, uns zu lästern, uns bis auf die Haut auszuziehen und unsern guten Ruf ins Grab zu legen. Aber diesen Holzklötzen auf zwei Beinen, denen sag ich ernstlich: Mag es sie noch so sehr ärgern, so werden wir nach wie vor auf der Welt sein und in vornehmen Häusern leben, und sollten wir auch vor Hunger sterben und unsre zarten oder nicht zarten Glieder mit einem schwarzen Nonnenrock bedecken müssen, wie man am Tag einer Prozession einen Misthaufen mit einem Teppich zudeckt. Wahrhaftig, wenn es mir nur gestattet wäre oder die Gelegenheit es erheischte, würde ich nicht nur den Anwesenden, sondern der ganzen Welt klarmachen, daß es keine gute Eigenschaft gibt, die sich nicht bei einer Kammerfrau findet.«

»Ich glaube«, sagte die Herzogin, »meine brave Doña Rodríguez hat recht und sehr recht; aber sie wartet wohl am besten eine gelegene Zeit ab, um ihre und der andern Kammerfrauen Sache zu führen, die üble Meinung jenes bösen Apothekers zuschanden zu machen und auch diejenige, die der große Sancho Pansa in seinem Busen hegt, mit der Wurzel herauszureißen.«

Darauf entgegnete Sancho: »Seit ich mit Statthalteraussichten schwanger gehe, ist mir der Schildknappenschwindel vergangen, und ich gebe für alle Kammerfrauen unter der Sonne nicht einen Holzapfel«.

Sie hätten das Kammerfrauengespräch noch weiter fortgesetzt, wenn sie nicht abermals den Pfeifer und die Trommler gehört hätten, woraus sie denn entnahmen, daß die Kammerfrau Schmerzenreich im Anzug sei. Die Herzogin fragte den Herzog, ob es sich wohl schicke, ihr zur Begrüßung entgegenzugehen, da sie doch eine Gräfin und vornehme Person sei.

»Soweit sie was von einer Gräfin an sich hat«, entgegnete Sancho, ehe noch der Herzog antworten konnte, »da halte ich zwar für gut, wenn von dessentwegen Eure Hoheiten ihr entgegengehen; aber von wegen der Kammerfrau, da bin ich der Meinung, Ihr dürft nicht einen einzigen Schritt gehen.«

»Wer heißt dich, Sancho, dich da hineinzumischen?« sagte Don Quijote.

»Wer, Señor?« antwortete Sancho; »ich, ich mische mich hinein, und ich darf mich wohl hineinmischen als ein Schildknappe, der die Regeln der Höflichkeit in Euer Gnaden Schule gelernt hat; denn Euer Gnaden ist der höflichste und wohlgesittetste Ritter in der ganzen Höflichkeitswelt. Auch pflegt man ja in derlei Dingen, wie ich aus Euer Gnaden Mund gehört, mit einer Karte zuviel ebensoleicht zu verlieren als mit einer Karte zuwenig; und Gelehrten ist gut predigen.«

»Es ist ganz so, wie Sancho sagt«, versetzte der Herzog; »wir wollen abwarten, wie die Gräfin aussieht, und danach wollen wir bemessen, wieviel Höflichkeit ihr gebührt.«

Indem schritten die Trommler und der Pfeifer herein wie das erstemal. Und hiermit beschließt der Verfasser dieses kurze Kapitel und fängt das folgende an, worin er dasselbe Abenteuer fortsetzt, welches eines der bemerkenswertesten in dem ganzen Buche ist.

38. Kapitel


Allwo Bericht gegeben wird vom Berichte, welchen die Kammerfrau Schmerzenreich über ihr eigenes Mißgeschick erstattet hat

Hinter den trübseligen Musikern schritten nun in den Garten herein etwa zwölf Kammerfrauen, in zwei Reihen verteilt, alle in weite Nonnenkleider gehüllt, die dem Anscheine nach von gewalktem Wollstoff waren, mit weißen Schleiern von dünnem Musselin, so lang, daß sie bloß den untern Saum des Kleides sehen ließen. Hinter ihnen kam die Gräfin Trifaldi einher, die der Kammerjunker Trifaldin Weißbart an der Hand führte; gekleidet war sie in feinsten schwarzen Zwilch, der nicht gekrempelt war, und war er das schon gewesen, so hätte sich jede Flocke an dem Zeug so dick wie eine Kichererbse gezeigt, und zwar wie eine jener großen Kichererbsen aus Martos; die Schleppe – oder Falte oder Schoß oder wie man es nennen will – lief in drei Spitzen aus, die von den Händen dreier ebenfalls in Trauer gekleideter Edelknaben getragen wurden; diese drei Spitzen, welche spitze Winkel bildeten, stellten eine in die Augen fallende geometrische Figur dar. Und daraus schlossen alle, welche die drei spitzwinkligen Rockfalten oder Schöße betrachteten, sie müsse deshalb die Gräfin Trifaldi heißen; das ist ungefähr, als wenn wir sagten: die Gräfin mit den drei Falten. Und Benengelí bemerkt, dies ist in der Tat der Fall gewesen und sie habe mit ihrem wirklichen Namen Gräfin Lobuna, Wolfhausen, geheißen, und zwar aus dem Grunde, weil in ihrer Grafschaft viele lobos, das ist Wölfe, hausten; und wenn anstatt der Wölfe es Füchse, zorros, gewesen wären, so würde man sie Gräfin Zorruna, Fuchshausen, geheißen haben, weil es dortzulande der Brauch ist, daß die Herrschaften ihre Namen von den Dingen entlehnen, woran ihre Güter besonders reich sind. Indessen hat diese Gräfin, um der neuen Mode ihrer Falte oder Schleppe Eingang zu verschaffen, den Namen Lobuna oder Wolfhausen aufgegeben und den Namen Trifaldi oder Dreischlepp angenommen.

Die zwölf Kammerfrauen und die Gräfin kamen in feierlichem Prozessionsschritt einher, die Gesichter mit Schleiern bedeckt, die schwarz, aber nicht wie der des Trifaldin durchsichtig waren, sondern so dicht, daß man nicht hindurchsehen konnte. Sobald die kammerfrauliche Truppe aufmarschiert war, standen der Herzog, die Herzogin und Don Quijote auf und ebenso die andern alle, die dem langsam schreitenden Aufzug zusahen. Die zwölf Kammerfrauen machten halt und bildeten ein Spalier, durch welches die Schmerzenreich hinschritt, ohne daß Trifaldin sie von der Hand ließ. Als der Herzog, die Herzogin und Don Quijote dies sahen, gingen sie ihr etwa zwölf Schritte weit entgegen, um sie zu begrüßen. Sie warf sich jetzt auf die Knie nieder und sprach mit einer Stimme, die eher grob und rauh als fein und zart war: »Eure Hoheiten wollen geruhen, diesem Eurem Diener, ich will sagen dieser Eurer Dienerin, nicht so große Höflichkeit zu erweisen, denn sintemal ich so schmerzenreich bin, würde ich nicht imstande sein, meiner Schuldigkeit zu genügen, dieweil mein nie erhörtes und nie geschautes Mißgeschick mir meinen Verstand, ich weiß nicht wohin, entführt hat, jedenfalls sehr weithin, denn je mehr ich ihn suche, desto weniger kann ich ihn wiederfinden.«

»Ohne Verstand wäre der, Frau Gräfin«, entgegnete der Herzog, »der nicht aus Eurem ganzen Wesen Euren großen Wert ersähe, welcher, auch ohne daß man mehr von Euch erblickt, würdig ist, alle Perlen der Höflichkeit und alle Blüte wohlgezogenster und feinster Förmlichkeiten zu empfangen.«

Alsbald zog er sie an der Hand empor und führte sie zu einem Sitze neben der Herzogin, welche sie ebenfalls mit großer Höflichkeit begrüßte. Don Quijote schwieg, und Sancho starb schier vor Begierde, das Gesicht der Trifaldi und irgendeiner ihrer vielen Kammerfrauen zu sehn; allein dies war nicht möglich, bis sie später aus eigenem Antrieb und freiem Willen sich entschleierten.

Als nun alles ruhig geworden und tiefes Schweigen beobachtete, in Erwartung, wer dasselbe zuerst brechen würde, da war es die Kammerfrau Schmerzenreich, die das Gespräch mit folgenden Worten eröffnete: »Ich hege die Zuversicht, allermächtigster Herr und allerschönste Herrin und ihr, allerverständigste Anwesende, daß meine Allerbedrängtestheit in Euren alleredelsten Herzen einen nicht weniger freundlichen als großsinnigen und schmerzenreichen Empfang finden wird: denn selbige ist solcher Art, daß sie ausreicht, zu rühren Marmelsteine, zu schmelzen Demanten und den Stahl der allerhärtesten Herzen von der Welt. Doch bevor sie in den Bereich Eures Gehörs, um nicht zu sagen Eurer Ohren dringt, möchte ich wohl, daß Ihr mich wissend machet, ob in diesem Verein, Kreis und geselligem Zirkel der allerseelenreinste Ritter Don Quijote von der allergemanschtesten Mancha anwesend ist, imgleichen sein allerschildknapplichster Sancho Pansa.«

»Der Pansa ist hier«, sagte Sancho, eh noch ein andrer antworten konnte, »und der Don Allerquijotischste ebenfalls; und mithin, allerschmerzenreichste kammerfraulichste Dame, könnt Ihr sagen, was Euch allerbeliebtest; wir alle sind eifrigst und allerbereitest, Euch aufs allerdienerischste allergefälligst zu sein.«

Jetzt erhob sich Don Quijote, und sich zur schmerzenreichen Kammerfrau wendend, sprach er: »Wenn Eure Bedrängnisse, hochbedrängte Dame, sich irgendwelche Hoffnung der Abhilfe versprechen können von irgendwelcher Tapferkeit oder Heldenhaftigkeit irgendwelchen fahrenden Ritters – allhie ist die meinige, die, obschon schwach und gering, ganz Euren Diensten geweiht werden soll. Ich bin Don Quijote von der Mancha, dessen Aufgabe es ist, aller Art von Hilfsbedürftigen beizustehn, und so habt Ihr nicht nötig, Señora, um jemandes Wohlwollen zu werben oder erst nach Vorreden zu suchen, sondern nur, ganz einfach und ohne Umschweife, Eure Leiden zu erzählen, denn Euch hören die Ohren solcher, die, wenn sie ihnen nicht abzuhelfen vermögen, doch sie schmerzlich mitfühlen werden.«

Als dies die schmerzenreiche Kammerfrau hörte, machte sie Miene, sich zu Don Quijotes Füßen werfen zu wollen, ja sie warf sich wirklich vor sie hin, gab sich alle Mühe, sie mit den Armen zu umschlingen, und sagte: »Vor diese Füße und Beine werfe ich mich hin, o unbesiegter Ritter, denn sie sind die Träger und Säulen der fahrenden Ritterschaft; diese Füße will ich küssen, an deren Schritten die Rettung aus meinem Unglück hängt und geknüpft ist. O fahrender Held, dessen wirkliche und wahre Kampfestaten jene fabelhaften der Amadíse, Esplandiane und Belianíse hinter sich lassen und verdunkeln!«

Jetzt wandte sie sich von Don Quijote hinweg zu Sancho Pansa, ergriff seine Hände und sprach zu ihm: »O du, redlichster Schildknappe, so jemals in gegenwärtigen oder in vergangenen Jahrhunderten fahrenden Rittern bedienstet gewesen, du, dessen Vortrefflichkeit größer ist als der Bart Trifaldins, meines Geleiters, der allhier zugegen ist! Wohl magst du dich rühmen, daß du, indem du dem großen Don Quijote dienst, dem Inbegriff der gesamten Ritterwelt dienest, welche jemals auf Erden das Waffenwerk hat betrieben. Ich beschwöre dich bei allem, was du deiner eignen allergetreusten Vortrefflichkeit schuldest, daß du mir ein trefflicher Fürbitter bei deinem Dienstherrn seiest, auf daß er sofort einer allerdemütigsten und allerunglücklichsten Gräfin wie mir seine Hilfe zuwenden wolle.«

Sancho entgegnete hierauf: »Ob meine Vortrefflichkeit, Herrin mein, so groß und umfänglich ist wie der Bart Eures Kammerjunkers, da liegt mir entsetzlich wenig dran; wenn dereinst meine Seele aus diesem Leben scheidet, dann möge sie in Kinn- und Knebelbart stolzieren, denn das ist von Wichtigkeit; aber um die Bärte im Diesseits kümmre ich mich nicht. Allein auch ohne diesen ganzen Schwindel und ohne dieses demütige Flehen bitte ich meinen Herrn – der mich, ich weiß es, sehr lieb und mich gerade zu einem gewissen Handel sehr nötig hat –, daß er Euer Gnaden in allem, was er vermag, helfen und beistehen möge. Also wolle Euer Gnaden Dero Bedrängnis auspacken und sie uns erzählen und uns nur gewähren lassen, wir werden uns schon alle miteinander verständigen.«

Über all dieses wollten Herzog und Herzogin schier vor Lachen bersten, da sie ja selbst um das Geheimnis dieses Abenteuers wußten, und sie lobten im stillen den Witz und die Verstellungskunst der Trifaldi. Diese aber setzte sich wieder und sprach: »In dem weitberühmten Königreich Candaya, das zwischen dem großen Trapobana und dem Südmeer liegt, zwei Meilen jenseits des Kap Comorin, führte die Herrschaft die Königin Doña Maguncia, die Witwe des Königs Archipél, ihres Herrn und Gemahls. In dieser Ehe bekamen und erzeugten sie die Infantin Antonomásia, die Erbin des Reiches, welche Infantin Antonomásia unter meiner Leitung und Lehre erzogen wurde und heranwuchs, dieweil ich die älteste und vornehmste unter den Kammerfrauen ihrer Mutter war. Es fügte sich nun, wie die Tage kamen und gingen und das Kindlein Antonomásia das Alter von vierzehn Jahren erreichte, daß es eine so vollkommene Schönheit besaß, daß die Natur sie nicht auf eine noch vollkommenere Stufe zu erheben vermochte. Wollen wir nun sagen, daß ihr Verstand noch etwas feuchtnasig war? Nein, sie war so verständig wie schön; ja sie war die Allerschönste auf Erden und ist es noch, wenn nicht etwa die mißgünstigen Schicksalsgötter ihres Lebens Faden schon abgeschnitten haben. Jedoch sie werden es nicht getan haben; der Himmel wird nicht zugeben, daß der Erde so großes Leid geschehe, wie es geschähe, wenn von der schönsten Rebe auf Erden die Traube unreif abgepflückt würde.

In diese Schönheit, in diese von meiner unbeholfenen Zunge nie nach Gebühr gepriesene Schönheit verliebten sich eine unendliche Anzahl Prinzen, sowohl einheimische als auch fremde, und unter ihnen wagte auch ein schlichter Edelmann am Hofe seine Gedanken zum Himmel so hoher Huldseligkeit emporzuheben, im Vertrauen auf seine Jugendblüte und seine Stattlichkeit, auf seine großen Talente und seine Liebenswürdigkeit, die Gewandtheit und die glücklichen Anlagen seines Geistes; denn ich tue Euern Hoheiten kund – wenn es Hochdenselben nicht unangenehm ist –, daß er die Gitarre spielte, als wenn er ihr Sprache verliehe, und daß er ferner ein Poet und ein ausgezeichneter Tänzer war und Vogelkäfige so schön zu fertigen verstand, daß er damit sein Brot hätte verdienen können, wenn er in Not geraten wäre: lauter Eigenschaften und Vorzüge, die ausgereicht hätten, einen Berg zu erschüttern, geschweige denn ein zartes Mägdlein.

Indessen hätten all seine Artigkeiten und gewinnende Anmut, seine ganze Liebenswürdigkeit und seine Talente ihm wenig oder nichts geholfen, die Festung meiner kleinen Prinzessin zu erobern, wenn der unverschämte Spitzbube sich nicht des Mittels bedient hätte, zuerst mich selber zu erobern. Der Räuber und gewissenlose Strolch wollte zuerst meine Neigung gewinnen und meinen Sinn bestechen, damit ich als ein schlechter Burgvogt ihm die Schlüssel der Burg ausliefern sollte, die ich hütete. Kurz, er beschmeichelte meinen Geist und eroberte meine Zuneigung mit, ich weiß nicht was für Spielsächelchen und Flittern, die er mir schenkte. Was mich aber ganz besonders dahin brachte, mich vor ihm zu beugen und daniederzuwerfen, das waren die Verse, die ich ihn eines Abends vor meinem Fenstergitter singen hörte, das auf ein Gäßchen hinausging, wo er harrend stand; und wenn ich mich recht entsinne, lauteten sie folgendermaßen:

Tiefe Wunden mir geschlagen
Hat die süße Feindin mein,
Und zu mehren meine Pein,
Soll ich dulden und nicht klagen.

Dieses Lied schien mir ein wahres Juwel und seine Stimme Honigseim, und seit ich gesehen, in welches tiefe Weh ich durch diese und ähnliche Verse gefallen, habe ich mir überlegt, daß aus jedem rechten wohlgeordneten Gemeinwesen die Dichter verbannt werden müßten, wie schon Plato angeraten, zum mindesten die lüsternen, weil sie Verse schreiben, nicht wie die vom Markgrafen von Mantua, welche die Kinder und Weiber ergötzen und zum Weinen bringen, sondern Spitzfindigkeiten, die wie ein sacht ins Fleisch gleitender Dorn sich Euch durch die Seele bohren und sie wie ein Blitzstrahl versehren und nur das äußere Gewand unversehrt lassen. Ein andermal wieder sang er:

Komm, o Tod, schweb leis hernieder,
Daß dein Nahn mir unbewußt,
Denn des Sterbens süße Lust
Gibt mir sonst das Leben wieder.

Und noch andere Verschen und Lieder solcher Art, die, wenn die Männer sie uns singen, ins Herze dringen, und wenn sie sie uns schreiben, uns die Seele aufregen. Wie aber erst, wenn sie sich so tief vor uns demütigen, eine gewisse Art von Versen zu dichten, die in Candaya damals üblich waren und welchen sie den Namen Seguidillas gaben? Da hüpften die Herzen, da spürte man Kitzel, zu lachen, da zappelten die Glieder ohne Aufhören, da befiel quecksilbriges Zittern alle Sinne. Und deshalb sage ich, meine Herrschaften, solche Minnesänger sollte man von Rechts wegen auf die Eidechseninseln verbannen. Aber sie selbst tragen nicht die Schuld, sondern die Einfaltspinsel, die ihnen Lob spenden, und die Närrinnen, die ihnen Glauben schenken.

Wäre ich die redliche Aufseherin gewesen, die ich hätte sein sollen, so hätte sein hohles Wortgedrechsel mein Herz nicht rühren dürfen, ich hätte es nicht für Wahrheit halten dürfen, wenn er zu mir sagte: ›Ich lebe in stetem Sterben, ich brenne im Frost, in Feuersglut friere ich, ich hoffe sonder Hoffnung, ich scheide und bleibe zugleich‹, nebst andern Unmöglichkeiten derselben Gattung, von denen ihre Schriften voll sind. Und vollends, wenn sie uns den Phönix Arabiens, die Krone Ariadnes, die Pferde des Sonnengottes, des Südens Perlen, Tibars Gold und den Balsam von Pancaya verheißen! Da lassen sie erst recht ihrer Feder freien Lauf, weil es sie gar wenig kostet zu versprechen, was sie zu halten weder gedenken noch vermögen.

Aber wohin verirre ich mich? Weh mir Unglücklichen! Welche Torheit, welcher Wahnsinn reißt mich hin, fremde Sünden zu erzählen, wo ich soviel von den meinigen zu sagen habe? O ich aber- und abermal Unglückselige! Nicht die Verse haben mich besiegt, sondern meine eigne Einfalt; nicht seine Lieder haben mich schwach werden lassen, sondern mein eigner Leichtsinn; meine zu große Unerfahrenheit und meine zu geringe Überlegung haben den Schritten Don Clavijos, dies ist der Name des besagten Ritters, den Weg geöffnet und den Pfad gebahnt. Und so ward ich die Vermittlerin, daß er einmal, ja vielmals im Gemach der durch mich, nicht durch ihn betrogenen Antonomásia als ihr rechtmäßig erklärter Gatte weilen durfte; denn bin ich auch eine Sünderin, so hätte ich doch nie zugegeben, daß er, ohne ihr Ehegemahl zu sein, ihr nur bis an den Rand ihrer Schuhsohlen nahe gekommen wäre. Nein, nein, das nicht; bei allen Händeln solcher Art, wenn ich mich damit befassen soll, muß die Heirat vorangehn. Bei diesem Handel war nur ein böser Umstand; nämlich die Ungleichheit des Standes; denn Don Clavijo war ein einfacher Edelmann, die Infantin Antonomásia aber die Erbin des Königreichs, wie ich schon gesagt habe. Eine Zeitlang blieb dieser gefährliche Handel verborgen und mit dem Mantel meiner schlauen Vorsicht bedeckt, bis es mir vorkam, als müsse ihn doch, ich weiß nicht was für ein Anschwellen von Antonomásias Leibe sehr bald aller Welt offenbaren. Diese Besorgnis veranlaßte uns drei zu einer geheimen Beratung, und wir beschlossen, noch ehe der schlimme Handel ans Licht käme, solle Don Clavijo bei dem geistlichen Gericht Antonomásia zur Ehefrau begehren, gestützt auf ein Eheversprechen, das die Infantin ihm ausgestellt hatte; mein schlauer Geist hatte es so bündig und fest aufgesetzt, daß selbst Simsons Stärke es nicht hätte zerreißen können. Die Schritte bei Amt wurden getan, der Vikar beim geistlichen Gericht prüfte das Eheversprechen; besagter Vikar nahm der Prinzessin die Beichte ab, sie beichtete ohne alle Umstände, er ließ sie im Hause eines hochgeachteten Hofrichters in Verwahr halten.«

Hier fiel Sancho ein: »Auch in Candaya gibt es Hofrichter, Poeten und Seguidillas? Sonach kann ich drauf schwören, daß die Welt überall ein und dieselbe ist. Aber Señora Trifaldi, Euer Gnaden wolle sich was sputen, denn es wird spät, und ich kann’s nicht länger aushalten, daß ich den Ausgang der gar so langen Geschichte erfahre.«

»Ich will mich sputen«, antwortete die Gräfin.

39. Kapitel


Wo die Trifaldi ihre erstaunliche und denkwürdige Geschichte fortsetzt

An jedem Worte, das Sancho sprach, hatte die Herzogin ebensoviel Vergnügen als Don Quijote Ärger; er gebot ihm Schweigen, und die Schmerzenreich fuhr fort und sprach: »Endlich, nach vielen Fragen und Aussagen, da die Infantin beständig auf ihrem Kopfe blieb, ohne von ihrer gleich von vornherein gegebenen Erklärung abzugehn, fällte das geistliche Gericht seinen Spruch zugunsten Don Clavijos und überantwortete sie ihm zu seiner rechtmäßigen Gemahlin, worüber die Königin Doña Maguncia so großen Verdruß empfand, daß wir sie begruben, eh drei Tage vorüber waren.«

»Da mußte sie wohl gestorben sein?« bemerkte Sancho.

»Das ist klar«, entgegnete Trifaldin; »in Candaya werden nicht die Lebendigen begraben, sondern die Toten.«

»Man hat’s schon erlebt, Herr Kammerjunker«, versetzte Sancho, »daß einer, der in Ohnmacht lag, begraben wurde, weil man glaubte, er wäre tot; und ich meine, die Königin hätte lieber in Ohnmacht fallen sollen als sterben; denn solange einer noch lebt, kann zu vielen Dingen Rat werden, und der verrückte Streich der Infantin war doch nicht so arg, daß man ihn sich so tief zu Herzen nehmen mußte. Hätte sich das Fräulein mit einem Pagen oder sonst mit einem Diener an ihrem Hofe verheiratet, was schon oft vorgekommen ist, wie ich mir hab sagen lassen, dann freilich war das Unglück nicht mehr gutzumachen; aber daß sie sich mit einem Ritter verheiratet hat, der von so feiner, vornehmer Art und so verständig, wie er uns eben geschildert worden – wahrhaftig, wahrhaftig, obzwar es eine Dummheit war, so war sie doch nicht so groß, wie man sich’s denkt. Denn nach den Regeln meines Herrn, der hier zugegen ist und mir keine Lüge erlauben würde, so wie aus Studenten Bischöfe werden, so können Ritter, zumal die fahrenden, Könige und Kaiser werden.«

»Du hast recht, Sancho«, sprach Don Quijote; »denn ein fahrender Ritter, wenn er nur ein paar Fingerbreit Glück hat, besitzt in seinem inneren Werte die nächsten Ansprüche, der höchste Herr auf der Welt zu werden. Aber das Fräulein Schmerzenreich wolle gefälligst fortfahren, denn mir schwant, es bleibt ihr noch das Bittere zu erzählen von dieser bis hierhin süßen Geschichte.«

»Und ob!« erwiderte die Gräfin; »und ob noch das Bittere erübrigt! Und zwar so bitter, daß im Vergleich damit Koloquinten süß und Oleanderblätter wohlschmeckend sind. Nachdem die Königin gestorben, also nicht in Ohnmacht gefallen war, begruben wir sie, und kaum hatten wir sie mit Erde bedeckt und kaum ihr das letzte Lebewohl gesagt, ach!

Quis talia fando temperet a lacrimis?

da, auf einem hölzernen Pferde sitzend, erschien über der Grabstätte der Königin der Riese Malambruno, Maguncias leiblicher Vetter, der nicht nur ein grausamer Mensch, sondern auch noch ein Zauberer ist; und um Don Clavijo für seine Vermessenheit zu strafen sowie aus Ärger über Antonomásias Maß- und Zuchtlosigkeit verzauberte er beide auf der Grabstätte selbst und bannte sie da fest, sie in einen Affen aus Erz verwandelt und ihn in ein scheußliches Krokodil aus einem unbekannten Metall; und zwischen beiden ein Gedenkmal, ebenfalls aus Metall; mit einer Inschrift in syrischer Sprache, die, auf candayisch und jetzt auf spanisch wiedergegeben, folgenden Spruch enthält:

Nicht eher wird dies vermessene Liebespaar
seine frühere Gestalt wiedererlangen,
bis der kriegsmutige Manchaner sich mit mir im
Einzelkampfe misset, denn seiner
Heldenhaftigkeit allein will das Geschick dies
nie noch dagewesene Abenteuer vorbehalten.

Dies vollbracht, zog er seinen breiten ungeheuren Säbel aus der Scheide, packte mich an den Haaren und machte Miene, als wolle er mir die Gurgel durchschneiden und mir, Rumpf und Stumpf, den Kopf abhauen. Ich erstarrte vor Angst, die Zunge klebte mir am Gaumen, ich war außer mir; aber dabei nahm ich dennoch alle Kraft zusammen und beschwor ihn mit zitternder, kläglicher Stimme so, daß er die Vollziehung einer so strengen Strafe einstweilen vertagte. Endlich hieß er sämtliche Kammerfrauen des Palastes vor sich bringen, es waren dies die hier anwesenden, und nachdem er uns unsere Schuld mit großer Übertreibung zu Gemüte geführt und die Sinnesart der Kammerfrauen, ihre argen Ränke und noch ärgeren Anschläge tüchtig gescholten und allen die Schuld aufgebürdet hatte, die doch nur die meinige war, sagte er, er wolle uns nicht mit der Todesstrafe büßen lassen, sondern mit andern lang wirksamen Strafen, die uns für immer bürgerlich tot machen sollten. Und im Nu und im nämlichen Augenblick, als das letzte Wort gesprochen, fühlten wir alle, wie sich uns die Poren im Antlitz öffneten und wie es uns im ganzen Gesicht wie mit Nadelspitzen stach. Sogleich fuhren wir mit den Händen über Kinn und Wangen und fanden uns in dem Zustande, welchen ihr jetzt sehen sollt.«

Und die Schmerzenreich und die andern Kammerfrauen hoben sofort die Schleier, in die sie bisher verhüllt waren, und ließen ihre Gesichter, ganz mit Bärten bewachsen, sehen, hier mit blonden, dort mit schwarzen, hier mit weißen, dort mit grauen. Über diesen Anblick zeigten sich der Herzog und die Herzogin höchlich verwundert, Don Quijote und Sancho starr vor Erstaunen und alle anderen Anwesenden außer sich vor Überraschung.

Und die Trifaldi fuhr fort: »Solchergestalt hat uns der feige Bösewicht, der Schelm von Malambruno, mißhandelt, hat die Zartheit und schwellende Weichheit unsrer Angesichter mit der struppigen Rauheit dieser Borsten überdeckt. O wollte der Himmel, er hätte uns lieber mit seinem ungeheuern Säbel die Hirnschale eingeschlagen, als daß er das Licht unserer Wangen mit diesem üblen Werg überschattet hätte, das uns nun umhüllt! Denn, meine Herrschaften, wenn wir uns die Sache recht überlegen – und was ich anitzo sagen will, da möchte ich, daß bei meinen Worten meine Augen zu lebendigen Bronnen würden; allein die ständige Betrachtung unseres Unglücks und all die Meere von Tränen, die diese Augen bisher schon herniedergeregnet haben, die haben ihnen alles Naß entzogen und sie so trocken gemacht wie Stroh, und mithin will ich es ohne Tränen sagen –, so sag ich denn: wohin soll eine Kammerfrau mit Bart sich wenden? Welchen Vater oder welche Mutter wird es ihrer erbarmen? Wer wird ihr Hilfe spenden? Denn sogar wenn sie eine glatte Haut hat und selbige mit tausenderlei Salben und Pomaden martert, findet sie kaum einen, der sie mag; was aber soll sie anfangen, wenn sie ein Gesicht aufweist, das zum Buschwald geworden? O werte Kammerfrauen und Gefährtinnen! In einem unseligen Augenblicke sind wir zur Welt geboren, zu unglücklicher Stunde haben unsre Väter uns gezeugt!«

Und bei diesen Worten war es, als wolle sie in Ohnmacht fallen.

34. Kapitel


Welches berichtet, wie man Kunde erhielt, auf welche Weise die unvergleichliche Dulcinea solle entzaubert werden, eine der preisenswertesten Aventüren in diesem Buche

Groß war das Vergnügen, das der Herzog und die Herzogin an der Unterhaltung mit Don Quijote und Sancho Pansa fanden; sie wurden dadurch in ihrem Vorhaben bestärkt, die beiden mit ein paar lustigen Streichen anzuführen, die ganz wie Abenteuer aussähen und wirkten, und was ihnen Sancho Pansa von der Höhle des Montesinos erzählt hatte, diente ihnen als Ausgangspunkt, um dem fahrenden Paar einen Possen von ganz besondrer Art zu spielen. Worüber sich indessen die Herzogin am meisten wunderte, war, daß Sanchos Einfalt so weit ging, zuletzt an Dulcineas Verzauberung als eine unfehlbare Wahrheit zu glauben, während er doch selbst bei dieser Sache der Zauberkünstler und der Anstifter gewesen.

Nachdem sie nun ihren Dienern Anweisung erteilt hatten, was sie alles tun sollten, führten sie Don Quijote sechs Tage später zu einer Treibjagd mit einem solchen Gefolge von Jägern und Schützen, wie es nur ein gekrönter König hätte mitführen können. Sie gaben Don Quijote einen Jagdanzug und Sancho gleichfalls einen solchen von feinstem grünem Tuch; allein Don Quijote wollte ihn nicht anlegen, weil er nächster Tage zum rauhen Waffenhandwerk zurückkehren müsse und keinen Kleiderkasten noch Schränke mitnehmen könne. Sancho jedoch nahm den ihm geschenkten an in der Absicht, ihn bei der ersten besten Gelegenheit zu verkaufen.

Als nun der erwartete Tag herangekommen war, legte Don Quijote seine Rüstung an, Sancho aber sein Jagdkleid, und auf seinem Grauen, von dem er sich, obschon man ihm ein Pferd gab, nicht trennen wollte, mischte er sich unter die Schar der Jäger. Die Herzogin erschien in prächtigem Aufzug, und Don Quijote führte aus lauter Höflichkeit und feiner Sitte ihren Zelter am Zügel, obwohl der Herzog es nicht zugeben wollte. Endlich kamen sie zu einem Gehölz zwischen zwei sehr hohen Bergen, wo, nachdem die Jagdstände besetzt und die Treiber ordentlich verteilt waren, die Jagd mit großem Hallo, Rufen und Schreien begann, so daß einer den andern vor lauter Hundegebell und dem Schall der Hifthörner nicht hören konnte. Die Herzogin stieg ab. Einen scharfen Jagdspieß in der Hand, stellte sie sich an einem Punkt auf, wo sie wußte, daß Wildsauen zu wechseln pflegten. Auch der Herzog und Don Quijote stiegen ab und stellten sich ihr zur Seite. Sancho nahm seinen Posten hinter ihnen allen, ohne von seinem Grauen abzusteigen, den er nicht unbeschützt zu lassen wagte, damit ihm nichts zustieße.

Kaum hatten sie Posten gefaßt und sich mit zahlreichen Dienern im Flügel aufgestellt, als ein ungeheurer Keiler, von den Hunden gehetzt und von den Jägern verfolgt, gegen sie heranstürzte, die Zähne und Hauer wetzend und Schaum aus dem Rachen sprühend. Sobald Don Quijote ihn erblickte, nahm er den Schild in den Arm, zog das Schwert und trat vor, um ihn anrennen zu lassen, und das nämliche tat der Herzog mit seinem Jagdspieß. Allen aber wäre die Herzogin zuvorgekommen, wenn der Herzog sie nicht daran gehindert hätte. Nur Sancho, als er das gewaltige Tier zu Gesicht bekam, ließ seinen Grauen im Stich, rannte aus Leibeskräften davon und wollte auf eine hohe Eiche klettern, aber es gelang ihm nicht; vielmehr, als er schon bis zur Mitte des Baumes gestiegen war und, einen Ast ergreifend, sich abarbeitete, um auf den Gipfel zu gelangen, da sah er sich so vom Glück verlassen und so vom Mißgeschick heimgesucht, daß der Ast brach und er beim Herabfallen an einem Aststummel hängenblieb, ohne zum Boden hinabgelangen zu können. Wie er sich nun in solcher Lage sah, den grünen Jagdrock zerrissen, und es ihn deuchte, wenn das grimme Tier bis zu dieser Stelle käme, so könnte es zu ihm hinaufreichen, begann er so durchdringend zu schreien und so gewaltig um Hilfe zu rufen, daß alle, die ihn hörten und ihn nicht sahen, glaubten, er stecke einer wilden Bestie zwischen den Zähnen. Doch der Keiler mit den mächtigen Hauern wurde endlich durchbohrt vom Eisen zahlreicher Jagdspieße, die man ihm entgegenstreckte; und als Don Quijote seine Augen nach Sanchos Geschrei hinwendete, sah er ihn mit dem Kopf nach unten an der Eiche hangen, und bei ihm stand der Graue, der ihn in seinem Unglück nicht im Stiche lassen wollte. Auch sagt Sidi Hamét, er habe gar selten Sancho Pansa ohne den Esel und den Esel ohne Sancho Pansa gesehen; so große Freundschaft und Treue bewahrten sie einander.

Don Quijote kam herbei und holte Sancho vom Baume herunter, und als dieser sich frei und auf dem sicheren Boden sah, betrachtete er die Risse in seinem Jagdrock, und es tat ihm in der Seele weh, denn er meinte, er besitze in dem Rock ein Rittergut.

Indem brachte man den gewaltigen Keiler, auf einem Saumtier querüber liegend und mit Büscheln Rosmarin und Myrtenzweigen bedeckt, als Siegesbeute nach einem großen Jagdzelt, das mitten im Gehölze aufgeschlagen war. Hier fand man die Tische schon in Ordnung und das Mahl bereit, so kostbar und großartig, daß man daran wohl die hohe Würde und Prachtliebe des Gastgebers erkennen konnte. Sancho zeigte der Herzogin die offenen Wunden seines zerrissenen Kleides und sagte: »Wäre dies eine Jagd auf Hasen oder Kleingeflügel gewesen, dann wäre mein Rock vor solchen Nöten sicher geblieben. Ich weiß wirklich nicht, was man für Vergnügen daran haben kann, zu warten, bis so eine Bestie herankommt, die, wenn sie euch mit einem Hauer trifft, euch das Leben nehmen kann. Ich erinnere mich, ich habe einmal eine alte Romanze singen hören, in der es heißt:

Mögen dich die Bären fressen,
Gleich wie Fávila den Hehren.«

»Dieser Fávila war ein gotischer König«, sagte Don Quijote, »den ein Bär auffraß, als er jagen ging.«

»Das sag ich ja gerade«, versetzte Sancho; »ich kann es nicht leiden, wenn sich die Fürsten und Könige in dergleichen Gefahren begeben, einem Vergnügen zuliebe, das meiner Meinung nach keines sein sollte, da es darin besteht, ein Tier umzubringen, das gar nichts Böses getan hat.«

»Im Gegenteil, Ihr seid im Irrtum, Sancho«, entgegnete der Herzog; »denn die hohe Jagd ist eine körperliche Übung, die für Könige und Fürsten notwendiger ist als irgendeine. Die Jagd ist ein Abbild des Kriegs, bei ihr haben wir gar manche Kriegslist, manchen schlauen Anschlag und Hinterhalt, um den Feind ohne Gefahr zu besiegen; bei ihr erduldet man die strengste Kälte und unerträgliche Hitze und vergißt Schlaf und Müßiggang; die Kräfte werden gestärkt und die Glieder geschmeidig gemacht – kurz, es ist eine Leibesübung, die vielen Vergnügen macht und keinem schadet; und das beste daran ist, daß sie nicht für jedermann ist, wie es die übrigen Arten der Jagd sind, ausgenommen die Falkenjagd, die auch nur für Könige und große Herren ist. Also, werter Sancho, ändert Eure Ansicht, und wenn Ihr einmal Statthalter seid, beschäftigt Euch mit der Jagd, und Ihr werdet sehen, für einen ausgelegten Groschen trägt sie Euch hundert ein.«

»Das nicht«, entgegnete Sancho. »Was ein guter Statthalter ist, bleibt daheim, mag nicht hinaus, bricht lieber das Bein und bleibt zu Haus. Das wär nicht übel, wenn die Geschäftsleute zu ihm kämen, ganz müde vom Weg, und er wäre im Wald, sich zu erlusten; da ging’s mit dem Statthaltern schön bergab! Meiner Treu, Jagd und sonstiger Zeitvertreib sind gewiß eher für Tagediebe da als für Statthalter. Womit ich mich aber zu unterhalten gedenke, das ist das Trumpfspiel an den vier hohen Festtagen und Kegelschieben an Sonn- und kleinen Feiertagen, denn all das Jagen widersteht meinem Sinn und geht mir wider das Gewissen.«

»Gott gebe, daß es sich so bewähre, Sancho«, meinte der Herzog, »denn vom Gesagt zum Getan ist’s eine lange Bahn.«

»Mag sie so lang sein, wie sie mag«, versetzte Sancho; »den guten Zahler drückt kein Pfand, und besser schafft, wem Gott beisteht, als wer noch so früh aufsteht; und der Bauch ernährt die Füße, nicht aber die Füße den Bauch. Damit will ich sagen: wenn Gott mir beisteht und ich tue nach Wissen und Gewissen meine Pflicht, so werde ich gewiß beim Regieren meinen Weg besser finden als ein Jagdfalke. Oder es soll mir einer einmal auf den Zahn fühlen, und da kann er sehen, ob ich zubeiße oder nicht!«

»Vermaledeit sollst du sein von Gott und all seinen Heiligen, vermaledeiter Sancho«, sprach Don Quijote. »Wann wird einmal der Tag kommen, wie ich dir schon so oft gesagt habe, wo ich dich einen glatten zusammenhängenden Satz ohne Sprichwörter sagen höre? Wollen doch Eure Hoheiten diesen Toren gehen lassen, verehrte Herrschaften; er wird Euren Geist wie zwischen Mühlsteinen nicht zwischen zwei, sondern zwischen zweitausend Sprichwörtern zerreiben, die er so passend und so im richtigen Augenblick beibringen wird, so wahr Gott ihm Gesundheit verleihen möge – oder mir, wenn ich sie anhören wollte.«

»Sancho Pansas Sprichwörter«, bemerkte die Herzogin, »sind zwar zahlreicher als die des griechischen Komturs, aber darum nicht weniger zu schätzen wegen der Kürze ihres kernigen Ausdrucks. Von mir wenigstens kann ich sagen, daß sie mir mehr Vergnügen machen als andere, auch wenn diese passender beigebracht und schicklicher angewendet würden.«

Unter diesen und andern unterhaltenden Gesprächen begaben sie sich aus dem Zelte in den Wald, und mit dem Absuchen verschiedener Jagdstände verging ihnen der Tag, und es brach die Dunkelheit über sie herein. Jedoch war der Abend nicht so hell und nicht so ruhig, wie es die Jahreszeit erheischte – es war nämlich um die Mitte des Sommers –, vielmehr herrschte ein gewisses Helldunkel, das dem Vorhaben des herzoglichen Paares äußerst dienlich war. Kurz vor der Dämmerung schien nämlich mit einemmal der Wald auf allen vier Seiten in Brand zu stehen, und plötzlich hörte man hier und dort, hüben und drüben, unzählige Schlachthörner und andres Kriegsgetöne, als ob zahlreiche Reiterscharen den Wald durchzögen. Der Schein des Feuers, der Klang der kriegerischen Instrumente blendete und betäubte Augen und Ohren der Umstehenden, ja aller, die sich im Walde befanden.

Alsbald hörte man tausendfaches La-Illáh-il-Alláh nach Art der Mauren, wenn sie in die Schlacht ziehen; es erschollen Trompeten und Zinken, wirbelten Trommeln, erklangen Pfeifen, alle fast auf einmal, so anhaltend und so stürmisch, daß man nicht hätte bei Sinnen sein müssen, um nicht von Sinnen zu kommen bei dem wirren Zusammenklang so vieler Instrumente. Der Herzog war ganz außer sich, die Herzogin war starr, Don Quijote in großer Verwunderung, Sancho zitterte, ja selbst die Mitwisser erschraken. Mit der Furcht, die sie packte, kam über sie eine tiefe Stille, und zugleich ritt ein Postillon in der Tracht eines Dämons vor sie hin, der ein ungeheures ausgehöhltes Ochsenhorn blies, das einen heiser schnarrenden entsetzlichen Ton von sich gab.

»Holla, Freund Kurier«, rief der Herzog, »wer seid Ihr, und wohin wollt Ihr?«

Darauf antwortete der Kurier mit grausiger und wilder Stimme: »Ich bin der Teufel; ich suche den Don Quijote von der Mancha. Die Leute, die da heranziehen, sind sechs Scharen Zauberer, welche auf einem Triumphwagen die unvergleichliche Dulcinea von Toboso mit sich führen; sie kommt verzaubert daher mit dem tapferen Franzosen Montesinos, um Don Quijote anzuweisen, wie besagtes Fräulein zu entzaubern sei.«

»Wenn Ihr der Teufel wäret, wie Ihr sagt und wie Euer Aussehen zeigt«, sprach der Herzog, »hättet Ihr bereits den Ritter Don Quijote von der Mancha erkannt, da Ihr ihn vor Euch habt.«

»Bei Gott und meinem Gewissen«, antwortete der Teufel, »ich habe nicht darauf achtgegeben, denn ich muß meine Gedanken nach allen Seiten auf so vielerlei Sachen richten, daß mir die Hauptsache, derentwegen ich herkam, in Vergessenheit geraten ist.«

»Ganz gewiß«, sprach Sancho, »muß dieser Teufel ein braver Kerl und frommer Christ sein, sonst tät er nicht bei Gott und seinem Gewissen schwören. Jetzt bin ich überzeugt, daß es sogar in der Hölle brave Leute gibt.«

Alsbald wandte der Teufel sein Antlitz dem Ritter Don Quijote zu und sprach, ohne abzusteigen: – »Zu dir, dem Löwenritter, – könnte ich dich doch in den Klauen der Löwen sehen! –, sendet mich der unglückselige, aber tapfere Ritter Montesinos und läßt dir in seinem Namen sagen, just an dem Orte, wo ich dich finden würde, sollest du ihn erwarten, dieweil er die Dame mit sich führt, die man Dulcinea von Toboso benennet, auf daß er dir die Weisung erteile, wie ihre Entzauberung zu bewerkstelligen ist. Und weil mein Kommen weiter keinen Zweck hat, ist meines Bleibens länger nicht. Dich mögen Teufel geleiten wie ich, gute Engel aber diese Herrschaften!«

Darauf blies er wieder sein ungeheuerliches Horn, wendete den Rücken und zog von dannen, ohne eine Antwort abzuwarten. In neues Erstaunen gerieten hier alle, besonders Sancho und Don Quijote: Sancho, weil er sah, daß der Wahrheit zum Trotz Dulcinea verzaubert sein sollte; Don Quijote, weil er noch immer nicht zur Gewißheit kommen konnte, ob seine Erlebnisse in der Höhle des Montesinos Wirklichkeit seien oder nicht. Während er noch immer in diesen Gedanken verzückt war, fragte ihn der Herzog: »Gedenket Euer Gnaden zu warten, Señor Don Quijote?«

»Warum nicht?« antwortete er; »hier will ich unverzagt und starkmütig warten, und käm auch die ganze Hölle, mich anzufallen. «

»Ich aber«, sagte Sancho, »wenn ich wieder einen Teufel zu sehen und ein Horn zu hören bekomme wie vorhin, dann warte ich hier am Ort so gewiß, als ich jetzt draußen bei den Truppen in Flandern stehe.«

Unterdessen war die Nacht tiefer hereingebrochen, und es begannen zahlreiche Lichter durch den Wald zu irren, geradeso wie am Himmel die trockenen Ausdünstungen der Erde umherschweifen, welche unsern Augen wie fallende Sterne erscheinen. Zugleich vernahm man ein grausiges Gepolter, ähnlich dem jener schweren Balkenräder, die man an Ochsenkarren sieht und vor deren fortwährendem heftigem Stoßen und Knarren, wie man sagt, die Wölfe und Bären flüchten, wenn es solche da gibt, wo diese Karren vorüberfahren. Zu diesem ganzen Unwetter kam noch eines, das alles andre übertobte: es schien nämlich geradeso, als ob auf allen vier Seiten des Waldes zugleich vier Treffen oder Schlachten geliefert würden, denn an einer Seite erscholl das mächtige Donnern furchtbarer Geschütze, anderwärts wurde aus unzähligen Musketen gefeuert, schier dicht dabei erschollen die Rufe der kämpfenden Krieger, weiterhin hörte man aufs neue das La-Illáh-il-Alláh der Söhne Hagars. Kurz, die Jagd- und Waldhörner, die Ochsenhörner; die Trompeten, die Oboen und Zinken, die Trommeln, das Geschütz, die Musketen und vor allem das erschreckliche Knarren und Dröhnen der Karren, das alles zusammen bildete ein so wirres, so grausiges Gelärm, daß Don Quijote all seine Herzhaftigkeit zu Hilfe nehmen mußte, um es auszuhalten. Aber Sanchos Mut sank danieder, er fiel ohnmächtig der Herzogin gerade in die Schöße ihres Gewandes; sie fing ihn darin auf und befahl eiligst, ihm Wasser ins Gesicht zu spritzen.

Das geschah, und er kam wieder zu sich, im Augenblick, wo gerade einer der Karren mit den knarrenden Rädern dort bei dem Jagdstand anlangte. Es zogen ihn vier langsam schreitende Ochsen, alle prächtig mit schwarzen Schabracken behangen; an jedem Horn trugen sie eine brennende Wachsfackel festgebunden, und oben auf dem Karren war ein hoher Sitz angebracht, auf dem ein ehrwürdiger Greis saß mit einem Barte, weißer als Schnee und so lang, daß er ihm bis unter den Gürtel reichte; bekleidet war er mit einem langen Mantel von schwarzem Barchent. Da der Karren mit zahllosen Lichtern besteckt war, konnte man alles darauf Befindliche erkennen und unterscheiden. Den Karren führten vier scheußliche Teufel, in den nämlichen Barchent gekleidet, mit so scheußlichen Gesichtern, daß Sancho, nachdem er sie einmal angeblickt, die Augen schloß, um sie nicht noch einmal zu sehen. Als nun der Karren ganz herangekommen war, erhob sich der ehrwürdige Greis von seinem Sitze, stellte sich aufrecht und rief mit mächtiger Stimme: »Ich bin der Zauberer Lirgandéo«; und der Karren zog fürbaß, ohne daß der Greis ein Wort hinzugefügt hätte.

Diesem Karren folgte ein andrer von gleicher Art, auf dem wieder ein Greis thronend saß; dieser ließ den Karren halten und sprach mit nicht minder feierlichem Ton: »Ich bin der Zauberer Alquife, der vertraute Freund Urgandas der Unerkannten.« – Und er zog fürbaß.

Alsbald kam ein dritter Karren, von außen und innen wie der vorige; aber auf dem Throne saß kein Greis wie die andern, sondern ein kräftiger Mann von bösartigem Aussehen, der, als er herannahte, wie die andern aufstand und mit einer noch rauheren, teuflischeren Stimme sprach: »Ich bin Arkalaus der Zauberer, der Todfeind des Amadís von Gallien und seiner ganzen Sippschaft.« – Und er zog fürbaß.

Nicht weit von da machten die drei Karren halt, das widerwärtige Gelärm ihrer Räder hörte auf, und man vernahm dafür ein andres, nicht Gelärm, sondern Getöne, von einer süßen und wohlklingenden Musik herrührend. Darob ward Sancho froh und hielt es für ein gutes Zeichen, und er sprach daher zur Herzogin, von der er sich keinen Augenblick und keinen Schritt weit entfernte: »Señora, wo Musik ist, da kann nichts Böses sein.«

»Auch wo Licht und Helle ist«, erwiderte die Herzogin.

Darauf entgegnete aber Sancho: »Licht gibt auch das Feuer und Helle der Scheiterhaufen, wie wir es an den Flammen sehen, die uns umringen, und es wäre wohl möglich, daß sie uns verbrennen; aber die Musik ist immer ein Zeichen der Freuden und Festlichkeiten.«

»Das wird sich finden«, sagte Don Quijote, der alles mit angehört hatte; und er sagte wahr, wie sich in folgendem Kapitel zeigen wird.

35. Kapitel


Wo über die Weisung, die Don Quijote betreffs der Entzauberung Dulcineas erhielt, weiter berichtet wird, nebst anderen, staunenswerten Begebnissen

Nach dem Takte der lieblichen Musik kam ein Karren oder Wagen auf sie zu, einer von der Art, die man Triumphwagen nennt, von sechs grauen Maultieren gezogen, die mit weißem Linnen behangen waren. Auf jeglichem saß ein Kerl, aussehend wie einer, der zur Kirchenbuße geführt wird, das heißt ebenfalls weißgekleidet und mit einer großen brennenden Wachsfackel in der Hand. Der Karren war zwei- oder auch dreimal so groß als die vorigen, und an den Seiten, sowie oben darauf, befanden sich noch zwölf solcher Bußbrüder in schneeweißen Kitteln, alle mit brennenden Fackeln, ein Anblick, der ebenso wunderbar wie schauerlich war; und auf einem hohen Throne saß eine Maid, gehüllt in zahllose Schleier aus Silberflor, durch welche allwärts zahllose Goldflitter hindurchglitzerten, so daß ihr Gewand wenn nicht reich, so doch blendend war. Ihr Angesicht war in einen feinen durchsichtigen Schleier gehüllt, dessen Gewebe nicht hinderte, daß man ein wunderschönes Mädchengesicht erblickte, und die vielen Lichter gestatteten es, dessen Schönheit und Alter zu erkennen, das zwischen zwanzig und siebzehn Jahren zu liegen schien. Neben ihr saß eine Gestalt, in ein langes Schleppkleid bis über die Füße gehüllt, den Kopf mit einem schwarzen Schleier bedeckt. Im Augenblick aber, wo der Wagen dem herzoglichen Paare und Don Quijote gegenüber hielt, schwiegen die Oboen und gleich darauf die Harfen und Lauten, die auf dem Karren erklangen, und die Gestalt im Schleppkleide erhob sich, schlug das Gewand nach beiden Seiten auseinander, nahm den Schleier vom Kopf und zeigte sich allen Augen als die leibhaftige Gestalt des Todes, des häßlichen Gerippes. Darüber empfand Don Quijote Mißbehagen, Sancho zitterte vor Furcht, und auch Herzog und Herzogin zeigten sich ein wenig ängstlich.

Dieser lebendige Tod erhob sich, stellte sich aufrecht und begann mit einer Stimme, die ziemlich schläfrig, und einer Sprache, die gerade nicht sehr aufgeweckt war, folgendermaßen zu reden:

»Ich bin Merlin, der, wie in den Geschichten
Es heißt, den Teufel selbst zum Vater hatte;
’s ist Lüge, die allmählich Glauben fand.
Ich bin der Fürst der Zauberkunst, der König
Und Inbegriff von Zoroasters Weisheit,
Im Kampf stets mit der Feindschaft der Jahrhunderte,
Die zu verdunkeln trachtet die gewaltgen
Großtaten der beherzten fahrenden Ritter,
Die ich in Liebe stets gehegt und hege.

Und wenn auch allezeit die weisen Zaubrer,
Die Magier oder Magiker, die schlauen,
Hart von Gemüte sind und rauh und strenge,
Das meine doch ist weich und mild und liebreich,
Und allem Volke wohlzutun geneiget.

Es drang zu Plutos traurig dunkeln Höhlen
(Wo meine Seele sich damit vergnügte,
Zu ziehn gewisse Linien und Figuren)
Der Schmerzensruf der Jungfrau ohnegleichen,
Der schönen Dulcinea von Toboso.

Ihr Unglück samt Verzauberung vernahm ich,
Und die Verwandelung aus edler Dame
Zu einer Bäuerin vom Dorf; mich schmerzt‘ es,
Und ich durchblättert‘ hunderttausend Bücher,
Die meine teuflisch argen Künste lehren,
Und sperrte meinen Geist dann in den hohlen
Raum dieses grimmen schrecklichen Gerippes
Und komme nun, das Rettungsmittel spendend,
Das hilfreich solchem Schmerz und solchem Wehe.

Du aber, Ruhm und Ehr all derer, welche
Sich kleiden ins Gewand von Stahl und Demant,
Du Licht und Leuchte, Leitstern, Pfad und Führer
All jener, die, sich dumpfem Schlaf entreißend
Und trägen Daunen, eifrig sich bereiten,
Das unerträglich harte Werk zu üben
Der blutigen und drückend schweren Waffen:

Dir sag ich, edler Mann, du nie so würdig,
Wie dir gebührt, gepriesner, du mannhafter
Zugleich und hochverständiger Don Quijote,
O du, der Mancha Glanz, der Stern Hispaniens:
Damit sie ihren früheren Zustand wieder
Erlangen möge, sie, die ohnegleichen,
Die hohe Dulcinea von Toboso,
Ist’s nötig, daß sich selbst dein Knappe Sancho
Dreitausend Hiebe und dreihundert gebe
Hier auf sein mächtig Paar Sitzteile, beide
Den Lüften ganz entblößt, und zwar so kräftig,
Daß ihn die Hiebe brennen, schmerzen, ärgern.
Dies ist Beschluß all jener Zaubrer, deren
Gewalt die Maid mit solchem Gram beschwerte,
Und dies ist meines Kommens Zweck, Verehrte.«

»Hol mich der und jener!« rief Sancho; »dreitausend Hiebe? Auch nur drei gebe ich mir ebensowenig wie drei Dolchstöße. Hol der Teufel diese Entzauberungs-Manier; ich weiß nicht, was meine Sitzteile mit den Zaubersachen zu tun haben. Bei Gott, wenn der Herr Merlin keine andre Manier gefunden hat, das Fräulein Dulcinea von Toboso zu entzaubern, kann sie verzaubert in die Grube fahren.«

»Wahrlich, ich will Ihn fassen«, rief Don Quijote, »Er Bauernlümmel, Er Knoblauchfresser, und will Ihn an einen Baum anbinden, nackt und bloß, wie Er aus dem Mutterleib gekommen, und will Ihm, ich sage nicht dreitausenddreihundert, sondern scchstausendsechshundert Hiebe aufmessen, und die sollen so gut sitzen, daß Er sich dreitausenddreihundertmal schütteln kann und schüttelt sie nicht ab; und sag Er mir kein Wort, oder ich reiße Ihm die Seele aus dem Leib!«

Als Merlin das hörte, sagte er: »Nein, so darf es nicht sein, denn die Hiebe, die er empfangen soll, darf er nur aus freiem Willen und nicht mit Gewalt bekommen und nur dann, wann er es will, da ihm keine Frist dazu gesetzt ist. Jedoch wenn er die ihm auferlegte Pön mit der Hälfte dieser Prügel abkaufen will, darf er sie sich von fremder Hand geben lassen, wenn es auch eine etwas schwere Hand sein sollte.«

»Weder fremde noch eigene Hand, weder eine schwere noch eine beschwerte«, entgegnete Sancho; »mich soll keine Hand berühren. Hab ich vielleicht das Fräulein Dulcinea von Toboso auf die Welt gesetzt, daß meine Sitzteile büßen sollen, was ihre Augen gesündigt haben? Mein Herr, der Ritter, ist der Mann dazu, denn sie ist ein Teil von ihm selbst; da er sie auf Schritt und Tritt ›mein Leben‹ und ›meine Seele‹ nennt, seine Stütze und seinen Stab, so kann und soll er sich die Hiebe für sie aufstreichen und alle erforderlichen Maßregeln zu ihrer Entzauberung vornehmen; aber ich mir Hiebe versetzen? Da sei Gott für!«

Kaum hatte Sancho ausgesprochen, als die Maid im Silbergewand, die bei Merlins Geist saß, sich erhob, den dünnen Schleier zurückschlug und ein Antlitz zeigte, das allen mehr als allzu reizend erschien; dann aber wendete sie sich mit der dreisten Unbefangenheit eines Mannes geradeswegs an Sancho und sprach mit einer nicht gerade weiblichen Stimme: »O du unglückseliger Schildknappe, du Waschlappenseele, du Herz von Eichenholz, du Gemüt von Kiesel und Feuerstein! Wenn man dir geböte, du Schelm, du frecher Geselle, du solltest dich von einem hohen Turme herabstürzen; wenn man von dir verlangte, du Feind des Menschengeschlechts, du solltest ein Dutzend Kröten, zwei Dutzend Eidechsen und drei Dutzend Schlangen aufessen; wenn man dir zumuten wollte, du solltest dein Weib und deine Kinder mit einem grausigen scharfen Mohrensäbel morden, da war’s kein Wunder, wenn du dich sträubtest und wehrtest. Aber aus dreitausenddreihundert Hieben sich was zu machen, die doch der nichtsnutzigste Schulknabe allmonatlich bekommt, das erstaunt, erschüttert, entsetzt die erbarmungsreichen Herzen derer, so es anhören, ja all jener, die einst im Verlauf der Zeiten dessen Kunde erlangen werden. Wende, o du elende und herzverhärtete Bestie, wende, sag ich, diese deine scheuen Eulenaugen, wende sie auf die Pupillen meiner Äuglein hier, die vergleichbar funkelnden Sternen, und du wirst sehen, wie sie Tränen vergießen, Tropfen um Tropfen und Bäche auf Bäche, die da Furchen und Pfade und Wege eingraben auf den holden Fluren meiner Wangen. Erbarme dich, du böswilliges Ungetüm, meines blühenden Alters, das die Zwanzig noch nicht erreicht hat, denn ich zähle erst neunzehn Jahre, und das sich verzehren und welken muß unter der Rinde einer Bauerndirne, die ackert und pflügt; und wenn ich anitzo nicht als solche erscheine, so ist’s eine besondere Gnade, die mir der hier gegenwärtige Señor Merlin nur deshalb erwiesen hat, damit meine Reize dich erweichen mögen; können doch die Tränen einer schmerzbedrückten Schönheit Felsen in Baumwollflocken und Tiger in Lämmer verwandeln. Haue dir, haue dir auf dein strotzendes Fleisch, du ungezähmtes Untier, und reiß aus seiner Trägheit heraus deinen Mut, der dich bis jetzt nur zum Essen und immer Essen antreibt, und setze in Freiheit die Glätte meiner Haut, die Zartheit meiner Gestaltung und die Reize meines Angesichts. Und willst du dich nicht um meinetwillen erweichen und zur Vernunft bringen lassen, so tu es um dieses armen Ritters willen, den du hier dir zur Seite siehst; um deines Freundes willen, sag ich, denn ich sehe seine Seele ihm schon quer in der Kehle stecken, keine zehn Zoll weit von den Lippen, und sie wartet nur auf deine grausame oder freundliche Antwort, um entweder zum Munde herauszufahren oder wieder in den Magen zurückzukehren.«

Als Don Quijote das hörte, fühlte er sich an die Kehle und sagte, zum Herzog gewendet: »Bei Gott, Señor, Dulcinea hat wahr geredet; hier hab ich die Seele quer in der Kehle sitzen wie die Nuß an der Armbrust.«

»Was sagt Ihr aber dazu, Sancho?« fragte die Herzogin.

»Ich sage, Señora«, antwortete Sancho, »was die Hiebe angeht: Da sei Gott für!«

»Da sei Gott vor, müßt Ihr sagen, Sancho, und nicht so, wie Ihr Euch ausdrückt«, sprach der Herzog.

»Laßt mich, bitt ich Eure Hoheit«, entgegnete Sancho; »ich bin jetzt nicht in der Stimmung, auf Spitzfindigkeiten zu sehen oder auf einen Buchstaben mehr oder weniger, denn ich bin so verstört über die Hiebe, die ich bekommen oder mir selber aufmessen soll, daß ich nicht weiß, was ich sage und was ich tue. Aber ich möchte wohl von meinem gnädigen Fräulein, dem Fräulein Dulcinea von Toboso, hören, wo sie ihre besondere Manier zu bitten gelernt hat. Sie kommt und verlangt von mir, ich soll mir die Haut mit Hieben zerfetzen, und heißt mich eine Waschlappenseele und ein ungezähmtes Untier nebst einem ganzen Haufen von ähnlichen Schimpfnamen, der Teufel mag sie sich gefallen lassen. Hab ich etwa Haut und Fleisch von Erz? Oder steht bei mir etwas auf dem Spiel, ob sie entzaubert oder nicht entzaubert wird? Was für einen Korb mit Weißzeug, Hemden, Kopftüchern und Socken, obgleich ich dergleichen nicht trage, bringt sie mir her, um mich freundlich zu stimmen? Nichts als ein Schimpfwort über das andere, während sie doch das Sprichwort kennt, das hierzulande bräuchlich ist: Ein Esel mit Gold beladen klettert leicht über den Berg, und Geschenke sprengen Felsen, und auf Gott sollst du vertrauen und mit der Keule hauen; und ein Hab-ich ist mehr wert als zwei Hätt-ich. Und hier der Señor, mein Dienstherr, der mir gütlich über den Berg helfen sollte, und sollte mich hätscheln, damit ich weich würde wie Wolle und gekrempelte Baumwolle, der sagt, wenn er mich zu fassen kriegt, will er mich nackt und bloß an einen Baum anbinden und mir doppelt so viele Hiebe geben. Und doch hätten diese Herrschaften in ihrem großen Mitleid bedenken sollen, daß sie nicht nur einem Schildknappen, sondern einem Statthalter zumuten, sich durchzuhauen; wie man zum Durstigen sagt: Trinke mit Sauerkirschen! Ihr sollt lernen, Schwerenot! Ihr sollt erst lernen, wie man zu bitten hat und wie man zu verlangen hat und wie man sich höflich benimmt; denn eine Zeit ist nicht wie die andere, und die Menschen sind nicht immer bei guter Laune. Jetzt im Augenblick möcht ich bersten vor Leid, weil ich meinen grünen Rock zerfetzt an mir sehe, und da kommen sie und verlangen von mir, ich soll mich aus freiem Willen hauen, während mein freier Wille so wenig damit zu tun hat, als daß ich ein Kazike werde.«

»Nun dann, Freund Sancho«, sprach der Herzog, »wenn Ihr nicht doch noch weich werdet wie eine reife Feige, wahrlich, da sollt Ihr die Statthalterschaft nicht bekommen. Das wäre nicht übel, daß ich meinen Insulanern einen Statthalter schickte, der grausam und steinernen Herzens ist und den weder die Tränen bedrängter Jungfrauen rühren noch die Bitten verständiger, hochgebietender und alterfahrener Zauberer und Weiser. Mit einem Wort, Sancho, entweder Ihr müßt Euch Eure Hiebe aufzählen oder sie aufgezählt bekommen, oder Ihr könnt kein Statthalter werden.«

»Señor«, entgegnete Sancho, »könnte ich nicht zwei Tage Frist bekommen, um zu bedenken, was für mich am besten ist?«

»Nein, unter keiner Bedingung«, fiel Merlin jetzt ein; »hier auf der Stelle muß festgesetzt werden, was aus diesem Handel werden soll. Entweder kehrt Dulcinea in die Höhle des Montesinos und in ihren vorigen Zustand als Bäuerin zurück, oder aber sie wird in ihrer gegenwärtigen Gestalt in die elysäischen Gefilde entrückt, wo sie weilen und erwarten wird, daß die Zahl der Hiebe erfüllt werde.«

»Auf, guter Sancho«, sprach die Herzogin, »zeigt guten Mut und ein gutes Herz und Dankbarkeit für das Brot, das Ihr bei Eurem Herrn Don Quijote gegessen habt, dem wir alle zu Diensten und gefällig sein müssen für seine guten Eigenschaften und seine hohen Rittertaten. Gebt Euer Jawort, lieber Junge, zu dieser Prügelsuppe, und mag der Teufel zum Teufel fahren und die Furcht zu den Hasenfüßen, denn guter Mut überwindet böses Geschick, wie Ihr wohl wisset.«

Auf diese Ansprache antwortete Sancho mit einer ganz abwegigen Frage, die er an Merlin richtete: »Sagt mir doch, Señor Merlin, wie der Teufel als Kurier herkam, brachte er meinem Herrn eine Meldung vom Señor Montesinos, nämlich er trug ihm in dessen Namen auf, ihn hier zu erwarten, weil er zur Entzauberung des Fräuleins Dulcinea Anstalt treffen solle; bis jetzt aber haben wir weder den Montesinos gesehen noch irgend etwas, das ihm ähnlich sieht.«

Darauf antwortete Merlin: »Der Teufel, Freund Sancho, ist ein dummer Kerl und der allergrößte Spitzbube. Ich habe ihn ausgeschickt, um Euern Herrn aufzusuchen; aber nicht mit einer Meldung von Montesinos, sondern von mir; denn Montesinos weilt ruhig in seiner Höhle, wo er auf seine Entzauberung bedacht ist oder, richtiger gesagt, auf sie wartet; denn es fehlt nur noch der Schwanz, so ist ihm die ganze Haut abgezogen. Ist er Euch etwas schuldig oder habt Ihr ein Geschäft mit ihm, so will ich ihn Euch dahin schaffen und zur Stelle bringen, wohin Ihr ihn nur immer haben wollt. Für jetzt aber gebt endlich das Jawort zu Eurer Geißelung und glaubt mir, sie wird Euch zu großem Heil gereichen, sowohl für die Seele als auch für den Leib: für die Seele um der Nächstenliebe willen, mit der Ihr sie verrichten werdet; für den Leib, weil ich weiß, Ihr seid vollblütig von Natur, und es kann Euch keinen Schaden tun, Euch ein wenig Blut abzuzapfen.«

»Es gibt viel Ärzte auf der Welt, selbst die Zauberer sind Ärzte«, versetzte Sancho. »Aber da alle mir dasselbe sagen, wiewohl ich meinesteils es nicht einsehe, so sag ich denn, ich bin’s zufrieden, mir die dreitausenddreihundert Hiebe zu geben unter der Bedingung, daß ich sie mir geben darf, wann und wo ich will, und daß man mir keine Vorschriften macht von wegen bestimmter Tage und Fristen; und alsdann will ich danach trachten, meine Schuld so bald als möglich loszuwerden, auf daß die Welt endlich die Schönheit des Fräuleins Dulcinea von Toboso zu genießen bekomme, sintemal sie ja nun offenbar und ganz entgegen meiner eigenen früheren Ansicht wirklich schön ist. Eine weitere Bedingung ist, daß ich nicht gehalten bin, die Geißel so zu brauchen, daß Blut fließt und daß, wenn auch einmal ein paar Hiebe leicht fallen wie beim Mückenscheuchen, sie mir doch in Anrechnung zu bringen sind. Item, wenn ich mich verzählen sollte, so muß der Señor Merlin, der ja alles weiß, das Zählen selber übernehmen und mich benachrichtigen, ob etliche fehlen oder ob etliche zuviel sind.«

»Über das Zuviel wird es keiner Benachrichtigung bedürfen«, entgegnete Merlin; »denn sobald die Zahl voll ist, so wird im Nu und ohne daß man sich’s versieht, das Fräulein Dulcinea entzaubert sein und voll Erkenntlichkeit den biedern Sancho aufsuchen und ihm Dank und auch Belohnung für das gute Werk spenden. Also braucht Ihr Euch nicht um das Zuviel oder Zuwenig zu sorgen, und Gott verhüte, daß ich jemanden betröge, wär es auch nur um ein Haar seines Hauptes.«

»Nun wohlan, in Gottes Namen«, sagte Sancho; »ich willige in mein eigen Unglück ein; ich erkläre, ich nehme die Buße an unter den festgesetzten Bedingungen.«

Kaum hatte Sancho diese letzten Worte gesprochen, so begann aufs neue die Musik der Oboen zu ertönen, abermals begannen unzählige Musketen zu feuern, und Don Quijote fiel um Sanchos Hals und gab ihm tausend Küsse auf Stirn und Wangen. Die Herzogin und der Herzog und alle Umstehenden bezeigten große Freude; der Karren setzte sich in Bewegung, und beim Vorüberfahren neigte die schöne Dulcinea ihr Haupt vor dem herzoglichen Paare und machte vor Sancho eine tiefe Verbeugung.

Und jetzt kam schon eiligen Schrittes die heiter lächelnde Morgenröte; die Blümlein des Feldes erschlossen sich und reckten die Köpfchen empor, und die flüssigen Kristalle der Bächlein, zwischen weißen und grauen Kieseln hinmurmelnd, eilten hinab, um den ihnen entgegenharrenden Strömen ihren Zoll zu entrichten; die Erde so freudig, der Himmel so hell, die Luft so rein, das Licht so heiter, jedes für sich allein und alles vereint deutete mit voller Gewißheit darauf, daß der Tag, der bereits auf Aurorens Schleppe trat, nicht minder hell und heiter sein würde. Die herzoglichen Gatten aber, zufrieden mit ihrer Jagd und vergnügt über die geschickte und geglückte Ausführung ihres Planes, kehrten zu ihrem Schlosse zurück mit dem Vorsatz, noch mehr solcher lustiger Streiche zu spielen. Denn es gab für sie nichts Ernstes, das ihnen größere Ergötzlichkeit schaffen konnte als diese Scherze.

36. Kapitel


Darin das seltsamliche und bis heut unerhörte Abenteuer mit der Kammerfrau Schmerzenreich, sonst auch Gräfin Trifaldi geheißen, berichtet wird, benebst einem Brief, welchen Sancho Pansa an seine Frau Teresa Pansa geschrieben

Der Herzog hatte einen Haushofmeister, der große Lust an Scherzen hatte und stets heiterer Laune war. Er war es, der die Rolle des Merlin gespielt und alle Vorkehrungen zum vorigen Abenteuer getroffen, die Verse verfaßt und einen Edelknaben die Rolle der Dulcinea hatte spielen lassen. Jetzt, unter Mitwirkung seiner Herrschaft, traf er nun Anstalt zu einem andern Abenteuer von so komischer und kunstvoller Erfindung, wie man sich nur denken kann.

Am folgenden Tage richtete die Herzogin an Sancho die Frage, ob er das Werk der Buße schon begonnen habe, das er für Dulcineas Entzauberung vollbringen solle. Er bejahte dies und erklärte, er habe sich diese Nacht schon fünf Hiebe gegeben. Die Herzogin fragte: »Womit denn?« Er antwortete: »Mit der Hand.«

»Das«, sagte die Herzogin, »heißt eher sich mit der Hand klatschen als sich Hiebe aufmessen. Ich glaube, mit einem so gelinden Verfahren wird sich der weise Merlin nicht zufriedengeben. Es wird erforderlich sein, daß der wackere Sancho etwa eine Stachel- oder Knotengeißel anwendet, die man gehörig fühlt; denn sollen die Buchstaben fest sitzen, muß der Buckel Blut schwitzen, und so billig ist die Erlösung einer hohen Dame wie Dulcinea nicht zu haben und nicht um so geringen Preis. Auch möge Sancho bedenken, daß gute Werke, wenn sie schlaff und lau verrichtet werden, unverdienstlich und wertlos sind.«

Sancho entgegnete darauf: »Wolle mir Eure Herrlichkeit eine richtige Geißel oder einen Strick geben, dann will ich mir damit Hiebe aufzählen, wenn es mir nur nicht allzu weh tut; denn ich tue Euer Gnaden zu wissen, wenn ich auch ein Bauer bin, hat meine Haut doch mehr von Baumwolle an sich als von Esparto, und es wäre nicht recht, mich für einen andern gar zu zerfleischen.«

»Ganz recht«, versetzte die Herzogin, »ich will Euch morgen eine Geißel geben, die für Euch gerade wie gemacht ist und die sich mit der Zartheit Eurer Haut so gut vertragen soll, als wären es leibliche Geschwister.«

Hierauf sagte Sancho: »Liebste Herzens-Herzogin, Eure Hoheit muß auch wissen, daß ich meiner Frau Teresa Pansa einen Brief geschrieben habe, der ihr alles kundtut, was mir begegnet ist, seit ich von ihr Abschied genommen. Hier hab ich ihn vorn auf der Brust, es fehlt weiter nichts daran als die Aufschrift. Ich wünschte, Euer Wohlverständigkeit möchte ihn lesen, weil ich meine, er stimmt völlig zum Statthalterwesen, ich meine, zu der Art, wie Statthalter schreiben müssen.«

»Und wer hat ihn denn aufgesetzt?« fragte die Herzogin.

»Wer sollte ihn denn aufgesetzt haben als ich armer Sündenmensch?« antwortete Sancho.

»Habt Ihr ihn denn auch selber geschrieben?« sagte die Herzogin.

»Da ist kein Gedanke daran«, antwortete Sancho, »denn ich kann weder lesen noch schreiben, wenn ich auch meinen Namen unterzeichnen kann.«

»Wir wollen ihn ansehen«, versetzte die Herzogin; »ganz gewiß habt Ihr in dem Briefe die Eigentümlichkeit und Tüchtigkeit Eurer Geistesgaben an den Tag gelegt.«

Sancho zog einen offenen Brief aus dem Busen hervor; die Herzogin nahm ihn und las folgendes:

Brief Sancho Pansas an seine Frau Teresa Pansa

Kriegt ich Hiebe schwer und mächtig, ritt ich auch einher gar prächtig; hab ich eine schöne Statthalterschaft, so kostet’s mich auch schöne Geißelhiebe. Das, meine Teresa, wirst du für jetzt nicht verstehen; ein andermal sollst du’s erfahren. Du mußt wissen, Teresa, daß ich mich entschlossen habe, du sollst in der Kutsche fahren, das ist die Hauptsache, denn jede andre Art fortzukommen ist gerade, als wenn man auf allen vieren kriecht. Du bist eines Statthalters Frau; sieh, ob jemand wagen wird, dich in die Ferse zu beißen. Hier schicke ich dir ein grünes Jägerkleid, meine gnädige Frau Herzogin hat mir’s geschenkt; mach es zurecht, daß es Rock und Leibchen für unsre Tochter gibt. Don Quijote, mein Dienstherr, ich hab hierzulande sagen hören, er wäre ein Narr voller Gescheitheit und ein Tollhäusler voll hübscher Einfalle und ich stünde nicht hinter ihm zurück. Wir sind in der Höhle des Montesinos gewesen, und der weise Zauberer Merlin hat ein Auge auf mich geworfen behufs Entzauberung der Dulcinea von Toboso, die dorten bei Euch Aldonza Lorenzo heißt. Mit dreitausenddreihundert Geißelhieben weniger fünf, die ich mir geben soll, soll sie aus aller Verzauberung sein, so wie ihre leibliche Mutter gewesen. Sag aber niemandem etwas davon, denn willst du um Rat deine Nachbarn fragen, wird einer weiß, der andre schwarz sagen. Heut über etliche Tage will ich nach meiner Statthalterei abgehen, und ich hab die allergrößte Lust, mir ein tüchtiges Stück Geld zu machen, denn es ist mir gesagt worden, jeder neue Statthalter geht mit demselben Verlangen hin. Ich will der Statthalterei den Puls fühlen und dir dann Nachricht geben, ob du kommen und bei mir bleiben sollst oder nicht. Unser Grauer befindet sich wohl und schickt dir viele Grüße, und ich gedenke ihn nicht von mir zu lassen, und wenn man mich zum Großtürken machen wollte. Die Herzogin, meine Gebieterin, küßt dir die Hände tausendmal, schick ihr dafür zweitausend Handküsse zurück; es gibt ja nichts, was weniger kostet und mehr einträgt als höfliche Manieren, wie mein Herr sagt. Es hat Gott nicht gefallen, mir abermals einen Mantelsack mit abermals hundert Goldstücken zu bescheren wie den von dazumal; aber das braucht dir keinen Kummer zu machen, Teresa mein, denn wer im Turme Sturm läutet, ist sicher vor der Gefahr draußen, und im letzten Aufwasch findet sich alles bei der Statthalterei. Aber es hat mir große Sorge gemacht, daß die Leute mir sagen, wenn ich sie einmal geschmeckt habe, würde ich mir danach alle Finger aufessen; und wenn das der Fall wäre, würde sie mich nicht billig zu stehen kommen. Zwar stehen sich die Lahmen und die Krüppel mit dem, was sie erbetteln, nicht schlechter als die Domherren mit ihrer Pfründe. Mithin wirst du sicher auf die eine oder die andre Art reich werden und im Glück sitzen. Solches Glück wolle Gott dir verleihen und mir Leben und Gesundheit zu deinem Besten.
Gegeben auf diesem Schlosse, am 20. Julius 1614
Dein Mann, der Statthalter Sancho Pansa

Als die Herzogin den Brief zu Ende gelesen, sprach sie zu Sancho: »In zwei Punkten ist der wackere Statthalter ein wenig irregegangen. Erstens, wenn er sagt oder zu verstehen gibt, diese Statthalterschaft sei ihm für die Geißelhiebe gegeben worden, die er sich aufmessen soll, während er doch weiß und es nicht leugnen kann, daß, als der Herzog, mein Gemahl, sie ihm versprach, man noch nicht einmal im Traum daran dachte, daß es Geißelhiebe auf der Welt gäbe. Der andre Punkt ist, daß er sich in dem Brief sehr habgierig zeigt, und ich möchte nicht, daß er sich in den Finger schneidet; Habsucht zerreißt den Sack, und unter einem habgierigen Statthalter kann das Recht nicht seine rechte Statt finden.«

»So hab ich das nicht gemeint, Señora«, entgegnete Sancho; »und wenn Euer Gnaden meint, selbiger Brief wäre nicht so, wie er sein soll, so braucht’s nichts weiter, als ihn zu zerreißen und einen andern zu schreiben, und da wär’s möglich, er würde noch schlechter, wenn’s meinem eignen Hirnkasten überlassen bleibt.«

»Nein, nein«, versetzte die Herzogin, »der Brief ist gut so, und der Herzog soll ihn auch lesen.«

Hiermit begaben sie sich in den Garten, wo man diesen Tag die Tafel halten wollte. Die Herzogin zeigte dem Herzog Sanchos Brief, der ihm den größten Spaß machte. Es wurde gespeist, und nachdem abgedeckt war und die Gastgeber sich geraume Zeit an Sanchos gewürzter Unterhaltung ergötzt hatten, vernahm man plötzlich den schwermütig klagenden Ton einer Querpfeife und den Schall einer heiseren gedämpften Trommel. In allen Gesichtern zeigte sich der Ausdruck der Bestürzung ob dieser mißtönigen kriegerischen und trübseligen Musik; am meisten bei Don Quijote, der es vor lauter Unruhe nicht auf seinem Stuhl aushalten konnte. Von Sancho braucht man nichts weiter zu sagen, als daß die große Angst ihn zu seiner gewöhnlichen Zufluchtsstätte trieb, nämlich in die nächste Nähe oder hinter die Rockschöße der Herzogin; denn das Getön, das sich hören ließ, war wirklich und wahrhaftig höchst kläglich und wehmütig. Als sie nun alle so in gespannter Erwartung dastanden, sahen sie, wie zwei Männer in den Garten traten und näher kamen, beide in Trauergewändern, so lang und tief herunterfallend, daß sie ihnen auf dem Boden nachschleiften, und diese Männer schlugen zwei große Trommeln, die ebenfalls schwarz verhängt waren. Ihnen zur Seite schritt der Pfeifer, raben- und pechschwarz wie die andern beiden. Auf diese dreie folgte ein Mann von riesenhafter Gestalt, in einen gleichfalls dunkelschwarzen Talar nicht sowohl gekleidet als auch vielmehr vermummt, dessen Schleppe wie bei den andern vor Länge ganz ungeheuerlich aussah. Über dem Talar ging ihm rings um die Hüften und quer über die Brust ein Wehrgehenk, ebenfalls schwarz, von dem ein übermäßig langer und breiter Pallasch herabhing, daran das Gefäß und die Beschläge und die Scheide schwarz waren. Er trug das Gesicht mit einem durchsichtigen schwarzen Schleier bedeckt, durch den ein ungewöhnlich langer schneeweißer Bart hindurchschimmerte. Seine Schritte bewegten sich nach dem Schall der Trommeln mit ernster Würde und Gelassenheit. Alles in allem war die Größe seiner Gestalt, sein gemessener Schritt, seine schwarze Tracht und sein Geleite ganz dazu angetan, jeden ängstlich zu machen, und machte wirklich jeden ängstlich, der ihn ansah und nicht kannte.

Mit diesem langsamen Gange und gelassenen Gebaren näherte er sich und warf sich auf die Knie vor dem Herzog, der ihn mit den andern Anwesenden stehend erwartete. Allein der Herzog wollte ihm durchaus nicht eher zu reden gestatten, bis er sich vom Boden erhöbe. Die riesige Schreckgestalt tat also, und sobald er sich aufgerichtet, hob er den Schleier von seinem Angesicht und ließ den greulichsten, längsten, weißesten, dichtesten Bart sehen, den bis jetzt Menschenaugen erschaut hatten, und sofort aus seiner breiten gewaltigen Brust eine tiefe klangvolle Stimme heraufholend und herauspressend und die Augen auf den Herzog heftend, sprach er: »Erhabenster und großmächtiger Herr, man nennt mich Trifaldin den Weißbart; ich bin Kammerjunker bei der Gräfin Trifaldi, die auch den Namen die Kammerfrau Schmerzenreich trägt; und von dieser bringe ich Euer Hoheit eine Botschaft, nämlich daß Euer Herrlichkeit geruhen möchte, ihr Vergunst und Urlaub zu gewähren, daß sie nahen dürfe, Euch ihr Leid und Weh kundzutun, welches wohl das unerhörteste und wundersamste Leid und Weh ist, so die leidvollste Phantasie auf Erden sich erdenken kann. Und zuvörderst begehrt sie zu vernehmen, ob in diesem Eurem Schlosse der mannhafte und nie besiegte Ritter Don Quijote von der Mancha weilt; denn sie ist auf der Suche nach ihm, zu Fuße und mit nüchternem Magen, vom Königreich Candaya bis zu diesem Eurem Herzogtum, was man für ein Wunder oder für ein Werk der Zauberei halten kann und muß. Sie harret an der Pforte dieser Feste oder dieses Lustschlosses und erwartet, um einzutreten, nur Eure Gutheißung. Ich habe gesprochen.«

Hierauf räusperte er sich, strich sich den Bart von oben bis unten mit beiden Händen und blieb in Ruhe und Schweigsamkeit der Antwort des Herzogs gewärtig, welche also lautete: »Bereits, mein wackerer Kammerjunker Trifaldin Weißbart, ist’s viele Tage her, seit wir Kunde von dem Mißgeschick unsrer Frau Gräfin Trifaldi haben, welche die Zauberer mit dem Namen Kammerfrau Schmerzenreich belegt haben. Allerdings könnt Ihr, staunenswerter Kammerjunker, ihr sagen, sie möge eintreten, und es befinde sich hier der mannhafte Ritter Don Quijote von der Mancha, von dessen großherzigem Sinne sie sich mit vollster Zuversicht jeden Schutz und jede Hilfe versprechen darf; und imgleichen könnt Ihr auch in meinem Namen ihr sagen, wenn sie meines Beistandes bedürfen sollte, so solle er ihr nicht fehlen; denn ihr ihn zu gewähren, bin ich schon darum verpflichtet, weil ich ein Ritter bin, in dessen Beruf es liegt und dem es zukommt, aller Art Frauen zu beschirmen, insbesondere würdige Damen, so verwitwet und an Ehre oder Gut geschädigt und schmerzenreich sind, wie es Hochdero Gnaden zweifelsohne sein muß.«

Trifaldin, da er solches vernommen, bog die Knie bis zum Boden, gab dem Pfeifer nebst den Trommlern ein Zeichen, aufzuspielen, ging unter derselben Musik und mit demselben Schritt, wie er hereingekommen, wieder zum Garten hinaus und ließ alle Anwesenden voller Verwunderung zurück ob seines Aussehens und seines Gebarens. Jetzt wendete sich der Herzog zu Don Quijote und sagte ihm: »Auf die Dauer, ruhmvoller Ritter, können die Finsternisse der Bosheit und Unwissenheit doch das Licht der Tapferkeit und Tugend nicht verdecken und verdunkeln. Ich sage dies, dieweil es kaum sechs Tage her ist, seit Eure Fürtrefflichkeit in diesem Schlosse weilt, und schon aus fernen und entlegenen Landen, nicht in Staatswagen oder auf Dromedaren, sondern zu Fuß und nüchternen Magens, kommen die Mühseligen und Beladenen, Euch aufzusuchen, voll Zuversicht, in diesem mächtigen Arme Hilfe zu finden für ihre Nöte und Drangsale; also ist’s dank Euren hohen Heldentaten, deren Ruhm über alle bis heute entdeckten Erdstriche verbreitet ist.«

»Ich möchte wohl, Herr Herzog«, entgegnete Don Quijote, »jener heilige Mann, der Geistliche, der neulich bei der Tafel so bösen Willen und so argen Groll gegen die fahrende Ritterschaft an den Tag legte, wäre hier zugegen, auf daß er mit seinen eignen Augen sähe, ob solche Ritter in der Welt nötig sind; jetzt könnte er mit Händen greifen, daß die, so in außergewöhnlichem Grade bedrängt und des Trostes bar sind, ihre Zuflucht in hochwichtigen Fällen und im schlimmsten Unglück nicht in den Häusern der Studierten noch der Dorfküster suchen noch bei dem Ritter, der es nie über die Gemarkung seines Dorfes hinausgebracht, noch bei dem müßigen Hofmann, der sich lieber nach Neuigkeiten umtut, um sie zu erzählen und zu verbreiten, als selber Werke und Taten zu verrichten, damit andre sie erzählen und niederschreiben. Zuflucht in Nöten, Hilfe in Bedrängnissen, Beschirmung der Jungfrauen, Trost der Witwen, das findet sich bei keinerlei Art von Menschen besser als bei den fahrenden Rittern; und daß ich es bin, dafür sag ich dem Himmel unendlichen Dank, und für hohen Gewinn erachte ich jegliche Widerwärtigkeit und Drangsal, die mich in diesem so ehrenvollen Berufe treffen könnte. So komme denn diese Kammerfrau und begehre, was ihr beliebt; ich biete ihr Hilfe und Rettung in der Kraft meines Arms und in der furchtlosen Entschlossenheit meines kampfbegierigen Geistes.«