25.

Wronskiy und Anna verlebten, in unveränderten Verhältnissen, und ohne Maßregeln für die Ehescheidung zu ergreifen, den ganzen Sommer und einen Teil des Herbstes auf dem Lande. Sie waren unter sich einig geworden, nicht von hier weggehen zu wollen, fühlten beide aber, je länger sie einsam waren, besonders im Herbste und wenn kein Besuch da war, daß sie diese Lebensweise nicht würden ertragen können und ändern müßten.

Ihr Leben war so, wie man es besser nicht wünschen konnte; reicher Überfluß, Gesundheit, ein Kind war da und beide hatten ihre Beschäftigung. Anna beschäftigte sich, wenn kein Besuch da war, mit sich selbst und sehr viel mit Lektüre von Romanen und ernsten Büchern, welche in der Mode waren. Sie verschrieb alle Bücher, von denen sie sich entsann, Günstiges in den ausländischen Zeitungen und Journalen die sie erhielt, gelesen zu haben, und las dieselben mit jener Aufmerksamkeit für das Gelesene, welche nur in der Einsamkeit vorhanden zu sein pflegt. Außerdem aber studierte sie alles, womit sich Wronskiy befaßte, nach Büchern oder Fachjournalen, sodaß er sich oft mit landwirtschaftlichen, architektonischen, ja selbst bisweilen mit sportsmännischen und Pferdezucht betreffenden Fragen an sie wandte. Er erstaunte über ihr Wissen, ihr Gedächtnis, und wünschte anfänglich, noch zweifelnd, Bestätigungen; sie fand dann auch in den Büchern das, wonach er gefragt und zeigte es ihm.

Die Einrichtung des Hospitals beschäftigte sie gleichfalls. Sie leistete nicht nur Beistand, sondern richtete vieles selbst ein, oder sann es aus. Ihre Hauptsorge aber bildete – sie selbst; insofern sie Wronskiy teuer war, insofern sie ihm alles ersetzte, was er aufgegeben hatte. Wronskiy schätzte diesen zum einzigen Ziel ihres Lebens gewordenen Wunsch – den, ihm nicht nur zu gefallen, sondern ihm auch zu dienen, aber zugleich dabei fühlte er sich doch bedrückt von den Liebesbanden mit denen sie sich bemühte, ihn zu umstricken.

Je mehr Zeit verging, wünschte er weniger sich von ihnen zu befreien und herauszukommen, als zu versuchen und zu prüfen, ob sie seine Freiheit wirklich einschränkten. Wäre nicht dieser immer stärker werdende Wunsch, frei zu sein, der, nicht jedesmal eine Scene zu haben, wenn er zu einer Gerichtssitzung, zu einem Rennen in die Stadt fahren mußte, gewesen, so würde Wronskiy mit seinem Dasein völlig zufrieden gewesen sein.

Die Rolle, welche er sich erwählt hatte, die Rolle des reichen Grundbesitzers, aus denen der Kern der russischen Aristokratie bestehen müsse, war ihm nicht nur völlig nach Geschmack, sie machte ihm sogar jetzt, nachdem er ein halbes Jahr darin gelebt hatte, ein mehr und mehr wachsendes Vergnügen. Auch sein Werk, welches ihn mehr und mehr beschäftigte und anzog, gedieh vortrefflich. Trotz der ungeheuren Summen, welche ihn das Krankenhaus, die Maschinen, die aus der Schweiz verschriebenen Kühe und vieles andere kosteten, war er sicher, daß er sein Vermögen nicht zerrüttete, sondern vielmehr vergrößerte. Wo es sich um Einkünfte, Waldverkäufe, Getreidelieferungen, Wolle, Landverpachtung handelte, war Wronskiy hart wie ein Kieselstein, und verstand es, auf den Preis zu halten. In Sachen seiner großen Landwirtschaft befolgte er, sowohl auf diesem, wie auf seinen übrigen Gütern, die einfachsten, die gefahrlosesten Methoden, und war höchst sparsam und haushälterisch in den wirtschaftlichen Kleinigkeiten. Bei aller Schlauheit und Gewandtheit seines Deutschen, der ihn in Ankäufe zu verwickeln suchte und jede Berechnung so aufstellte, daß anfangs bei weitem mehr nötig war, dann aber erwog, daß es möglich sei, das Nämliche auch billiger machen, und dabei noch einen Gewinn erzielen zu können, gab Wronskiy diesem in nichts nach.

Er hörte seinen Verwalter an, frug ihn aus und stimmte ihm nur dann bei, wenn das zu Verschreibende oder neu Einzurichtende das allerneueste, in Rußland noch unbekannt, und imstande war, Bewunderung zu erwecken. Im übrigen verstand er sich zu einer großen Ausgabe nur dann, wenn flüssiges Geld vorhanden war, und kümmerte sich, indem er die Ausgabe machte, um alle Einzelheiten, bestand auch darauf, nur das Allerbeste für sein Geld zu erhalten; sodaß er, demzufolge sein Vermögen offenbar nicht zerrüttete, sondern vergrößerte.

Im Monat Oktober waren die Adelswahlen im Gouvernement von Kaschin, in welchem sich die Güter Wronskiys, Swijashskiys, Koznyscheffs, Oblonskiys und ein kleiner Teil von denen Lewins befanden.

Diese Wahlen zogen infolge mannigfacher Umstände und in Anbetracht der Persönlichkeiten, welche daran teilnahmen, die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich. Man sprach viel von ihnen und bereitete sich darauf vor. Die Bewohner von Moskau, Petersburg, Fremde, die noch nicht bei den Wahlen gewesen waren, kamen zu denselben.

Wronskiy hatte Swijashskiy schon längst versprochen, dazu kommen zu wollen. Noch vorher fuhr Swijashskiy, welcher Wosdwishenskoje häufig besuchte zu Wronskiy.

Am Vorabend des nämlichen Tages war zwischen Wronskiy und Anna fast ein Streit wegen der geplanten Reise entstanden. Es war gerade die langweiligste, schwerste Zeit auf dem Dorfe, die Herbstzeit, und, auf den Kampf vorbereitet, machte Wronskiy mit einem ernsten und kühlen Ausdruck, mit welchem er vorher noch nie zu Anna gesprochen hatte, derselben Mitteilung von seiner Abreise.

Zu seiner Verwunderung nahm Anna indessen diese Nachricht sehr ruhig auf, und frug nur, wenn er zurückkehren werde. Aufmerksam betrachtete er sie, da er diese Ruhe nicht begriff. Sie lächelte zu seinem Blick. Er kannte ihre Fähigkeit, sich in sich selbst zurückzuziehen, und wußte, daß dies nur dann der Fall war, wenn sie bei sich selbst etwas beschlossen hatte, ohne ihm von ihren Plänen Kenntnis zu geben. Er fürchtete dies, doch wünschte er so sehr, eine Scene zu vermeiden, daß er sich den Anschein gab zu glauben – und teilweise glaubte er es auch aufrichtig – was er ja wünschte – sie sei einsichtsvoll.

»Ich hoffe, du wirst dich nicht langweilen.«

»Ich hoffe es,« sagte Anna, »gestern habe ich eine Kiste Bücher von Gautier erhalten. Nein, ich werde mich nicht langweilen.«

»Sie wünscht diesen Ton festzuhalten; um so besser,« dachte er, »es wäre ja doch sonst immer ein und dasselbe,« und fuhr, ohne sie zu einer aufrichtigen Erklärung aufgefordert zu haben, zu den Wahlen.

Es war dies zum erstenmal seit Beginn ihres Verhältnisses, daß er sich von ihr trennte, ohne sich völlig mit ihr ausgesprochen zu haben.

Einerseits beunruhigte ihn dies, andererseits fand er, daß es so besser sei. »Es wird ihr dies im Anfang, wie jetzt, etwas Unklares, Geheimnisvolles sein, aber später wird sie sich daran gewöhnen. Jedenfalls kann ich ihr alles bieten, nur nicht meine männliche Unabhängigkeit,« dachte er.

15.

Nachdem Lewin sein Weib hinaufbegleitet hatte, begab er sich in die Gemächer Dollys. Darja Aleksandrowna ihrerseits war den ganzen Tag in großer Erbitterung gewesen. Sie ging im Zimmer auf und ab und sprach zornig zu ihrem in der Ecke stehenden weinenden kleinen Töchterchen.

»Den ganzen Tag wirst du in der Ecke stehen und allein zu Mittag essen; du sollst nicht eine einzige Puppe mehr zu sehen bekommen und auch kein neues Kleid laß ich dir machen,« sprach sie, gar nicht mehr wissend, womit sie sie noch weiter strafen sollte. »Nein, ist das ein häßliches Kind!« wandte sie sich zu Lewin. »Woher kommen bei ihr diese schlimmen Neigungen?«

»Was hat sie denn begangen?« sagte ziemlich gleichgültig Lewin, der sich über seine eigene Angelegenheit Rats zu erholen gewünscht hatte, und dem es daher verdrießlich war, daß er zur unrechten Zeit kam.

»Sie sind mit Grischa nach den Himbeeren gegangen und dort – ich kann dir gar nicht sagen, was sie gethan hat! Tausendmal bedauere ich Miß Elliot. Die jetzige Gouvernante übt um keinen Preis Aufsicht. Sie ist eine Maschine. Figurez vous, que la petite« – und Darja Aleksandrowna erzählte das Vergehen Maschas.

»Dies beweist noch gar nichts; dies sind durchaus keine häßlichen Neigungen, es ist einfach Mitleid,« beruhigte sie Lewin.

»Aber du bist wie mißgestimmt? Weshalb kamst du?« frug Dolly, »wie geht es drüben?«

An dem Tone dieser Frage hörte Lewin, daß es ihm leicht sein würde, zu sagen, was er zu sagen beabsichtigte.

»Ich war nicht drüben, ich war mit Kity allein im Garten. Wir haben uns ein zweites Mal gezankt, seit – Stefan gekommen ist.« –

Dolly blickte ihn mit klugen, verständnisvollen Augen an.

»Nun, sag‘ mir, Hand aufs Herz, wäre etwa nicht – nicht bei Kity, sondern bei jenem Herrn ein Ton, welcher unangenehm werden kann, nicht nur unangenehm, sondern furchtbar, verletzend für einen Gatten?

»Das heißt – wie soll ich sagen – du bleibst stehen, in der Ecke!« – wandte sie sich zu Mascha, welche, ein kaum bemerkbares Lächeln auf dem Gesicht der Mutter gewahrend, sich umgedreht hatte; »die Meinung der Welt wäre die, daß er sich benimmt, wie sich alle jungen Männer benehmen. Il fait la cour à une jeune et jolie femme, ein Mann von Welt aber darf nur geschmeichelt sein hiervon.«

»Ja, ja,« versetzte Lewin düster, »aber hast du es bemerkt?«

»Nicht nur ich, auch Stefan hat es bemerkt. Er hat mir nach dem Thee offen gesagt, je crois, que Wjeslowskiy fait un petit brin de cour à Kity.“

»Schön; jetzt bin ich beruhigt. Ich werde ihn davonjagen,« sagte Lewin.

»Was willst du, hast du den Verstand verloren?« rief Dolly mit Schrecken. »Was thust du, Konstantin, komme zur Besinnung!« sagte sie dann lachend – »jetzt kannst du zu Fanny gehen« – wandte sie sich zu Mascha. – »Nein; wenn du schon willst, so werde ich es Stefan sagen; er mag ihn mit fortnehmen. Man kann ja sagen, du erwartetest Gäste. Überhaupt gehört er ja nicht zu unserem Hause.«

»Nein; das sage ich auch.«

»Aber du wirst Händel suchen?«

»Keineswegs. Mir wird es so ganz lieb sein,« sagte Lewin, in der That mit heiter glänzenden Augen. »Nun aber vergieb ihr, Dolly; sie wird es nicht wieder thun,« sagte er zu der kleinen Sünderin, die nicht zu Fanny ging und unentschlossen vor der Mutter stand von unten her schielend und wartend, und ihren Blick suchend.

Die Mutter schaute sie an. Das Kind begann zu schluchzen und vergrub das Gesicht zwischen die Kniee der Mutter, Dolly aber legte ihre hagere, zarte Hand auf des Kindes Haupt.

»Was ist denn Gemeinsames zwischen uns und ihm?« dachte Lewin, und ging, um Wjeslowskiy aufzusuchen.

Als er durch das Vorzimmer ging, befahl er anzuspannen, um auf die Station fahren zu können.

»Es ist gestern die Feder gebrochen,« antwortete der Diener.

»Dann nehmt den Tarantaß, aber schnell! Wo ist der Besuch?«

Sie gingen nach seinem Zimmer.

Lewin traf Wasjenka gerade, als dieser, der seine Sachen aus dem Koffer ausgepackt und neue Romanzen aufgeschlagen hatte, Gamaschen zum Reiten anprobierte.

Lag nun im Gesicht Lewins etwas Besonderes, oder empfand Wasjenka selbst, daß ce petit brin de cour, den er angestiftet, in dieser Familie unstatthaft wäre; genug, er wurde ein wenig – soviel dies eben ein Weltmann werden kann – verlegen beim Eintritt Lewins.

»Ihr wollt in Gamaschen reiten?«

»Ja; das ist bei weitem sauberer,« sagte Wasjenka, den feisten Fuß auf einen Stuhl stellend, und die unterste Schnalle zumachend, wobei er heiter lächelte.

Er war unzweifelhaft ein ganz guter Mensch und that Lewin leid. Dieser kämpfte mit sich selbst, als Herr des Hauses, als er die Schüchternheit im Blick Wasjenkas wahrnahm.

Auf dem Tische lag ein Stück eines Stockes, den sie am Morgen beim Turnen zusammen zerbrochen hatten, indem sie probierten, den Barren zu heben. Lewin nahm den Trümmer in die Hand und begann, da er nicht wußte, wie er anfangen sollte, das zersplitterte Ende rund herum abzubrechen.

»Ich wollte –« er verstummte, sagte aber dann plötzlich, Kitys gedenkend und alles dessen, was geschehen war, und ihm entschlossen in die Augen blickend, »ich habe befohlen, für Euch anspannen zu lassen.«

»Was heißt das?« begann Wasjenka voll Verwunderung, »wohin soll es gehen?«

»Ihr sollt zur Bahn fahren,« sagte Lewin finster, die Spitze des Stockes abzupfend.

»Verreist Ihr, oder ist etwas vorgefallen?«

»Es ist das vorgefallen, daß ich Besuch erwarte,« sprach Lewin, schneller und schneller mit den starken Fingern die Zacken des zersplitterten Stockes abbrechend. »Oder vielmehr ich erwarte nicht Besuch, und es ist nichts vorgefallen, aber ich ersuche Euch, abzureisen. Ihr mögt Euch meine Unhöflichkeit erklären, wie Ihr wollt.«

Wasjenka richtete sich auf.

»Ich bitte Euch, mir zu erklären,« sprach er mit Würde, endlich begreifend.

»Ich kann Euch nicht erklären,« fuhr Lewin, gedämpften Tones und langsam sprechend fort, sich bemühend, das Beben seiner Kinnbackenmuskeln zu verbergen, »und es ist auch besser für Euch, nicht zu fragen.«

Da sämtliche zersplitterte Enden bereits abgebrochen waren, machte sich Lewin mit den Fingern an die dicken Enden, riß den Stock auseinander und hob das hingefallene Stück sorgsam auf.

Wahrscheinlich mochte der Anblick dieser straffangestrengten Hände, dieser Muskeln da, welche er heute früh beim Turnen befühlt hatte, der blitzenden Augen, der gedämpften Stimme und der bebenden Kinnbacken Wasjenka mehr als Worte überzeugen; er verbeugte sich, nachdem er die Achseln gezuckt und verächtlich gelächelt hatte.

»Kann ich nicht Oblonskiy sehen?«

Das Achselzucken und Lächeln brachten Lewin nicht auf, »was bleibt ihm weiter übrig?« dachte dieser.

»Ich werde ihn sofort zu Euch schicken.«

»Was ist das für ein Unsinn,« sagte Stefan Arkadjewitsch der von dem Freunde erfahren hatte, daß man ihn aus dem Hause jage, zu Lewin, als er diesen im Garten fand, wo er, die Abfahrt des Gastes erwartend, spazieren ging.

» Mais c’est ridicule! Was für eine Fliege hat dich denn gestochen. Mais c’est du dernier ridicule! Was ist dir darin erschienen, daß ein junger Mann« –

Die Stelle, an welcher Lewin die Fliege gestochen hatte, schmerzte aber offenbar noch, da derselbe abermals bleich wurde, als Stefan Arkadjewitsch ihm die Ursache klarmachen wollte, und diesen hastig unterbrach.

»Bitte, erkläre mir keine Ursache! Ich kann nicht anders! Es thut mir sehr leid um deinet- und seinetwillen, aber ihm, glaube ich, verursacht es kein großes Herzeleid, abreisen zu müssen, während mir und meiner Frau seine Gegenwart unangenehm ist.«

»Es ist dies aber eine Beleidigung für ihn! Et puis c’est ridicule!«

»Auch für mich ist es beleidigend und peinlich! Und doch bin ich an nichts schuld, und habe keinen Grund, leiden zu sollen!«

»Das hätte ich nicht von dir erwartet! On peut être jaloux, mais à ce point, c’est du dernier ridicule!«

Lewin wandte sich schnell um und ging von ihm hinweg in die Tiefe der Allee, wo er seinen Spaziergang allein auf und abwärts fortsetzte. Bald vernahm er das Rollen des Tarantaß und sah hinter den Bäumen hervor, wie Wasjenka, auf Heu sitzend, denn leider gab es keine Sitzbank in dem Tarantaß, mit seiner schottischen Mütze, von den Stößen in die Höhe schnellend, durch die Allee fuhr.

»Was giebt es denn noch?« dachte Lewin, als ein Diener, der aus dem Hause eilte, den Tarantaß halten ließ. Es war der Maschinist, den Lewin gänzlich vergessen hatte. Nachdem derselbe gegrüßt hatte, sprach er etwas mit Wasjenka, stieg darnach aus den Tarantaß und sie fuhren zusammen ab.

Stefan Arkadjewitsch und die Fürstin waren verstimmt von der Handlungsweise Lewins. Auch dieser selbst fühlte sich nicht nur im höchsten Grade » ridicule«, sondern auch schuldig und beschimpft; als er sich aber vergegenwärtigte, was er und sein Weib gelitten hatten, gab er sich, indem er sich selbst frug, wie er ein zweites Mal handeln würde, die Antwort, daß er es ganz wieder so gemacht hätte.

Trotz alledem war zu Ende dieses Tages jedermann, mit Ausnahme der Fürstin, welche Lewin sein Verfahren nicht verzeihen konnte, außergewöhnlich lebhaft und heiter, gleichwie Kinder nach einer Bestrafung oder Erwachsene nach einem wichtigen offiziösen Empfang, so daß abends in der Abwesenheit der Fürstin von der Entfernung Wasjenkas gesprochen wurde, wie von einem längst geschehenen Vorfall.

Auch Dolly, welche von ihrem Vater die Gabe besaß, humoristisch zu erzählen, brachte Warenka zu dem herzlichsten Lachen, als sie zum dritten oder vierten Mal, mit immer neuen humoristischen Zuthaten berichtete, wie sie gerade dabei gewesen sei, ihre neuen Halbstiefeln des Gastes halber anzulegen und schon in den Salon gegangen sei, als sie plötzlich das Kreischen einer alten Karrete vernommen hätte. Und wer hätte darin gesessen? Wasjenka, mit der schottischen Mütze und den Romanzen, mit den Reitgamaschen, auf dem Heu.

»Hätte er nur wenigstens den Wagen anspannen lassen! Aber nein! und dann hörte ich »halt!« – Nun, denke ich, man hat Mitleid mit ihm bekommen! Ich sehe nach; da setzt man noch den dicken Deutschen zu ihm und fährt ihn weiter. Aus war es mit meinen hübschen schottischen Bändern.«

16.

Darja Aleksandrowna führte ihre Absicht aus und reiste zu Anna.

Es that ihr sehr leid, die Schwester erbittern und etwas thun zu müssen, was deren Gatten unangenehm war; sie begriff, wie sehr recht die Lewin hatte, mit dem Wunsche, keine Beziehungen mit den Wronskiy zu Pflegen, allein sie erachtete es für ihre Pflicht, zu Anna zu kommen, und ihr zu zeigen, daß ihre Gefühle sich nicht verändern könnten trotz der Veränderung ihrer Lage.

Um bei dieser Reise nicht von den Lewin abhängen zu müssen, sandte Darja Aleksandrowna nach ihrem Dorfe, um Pferde mieten zu lassen; doch Lewin, der hiervon erfahren hatte, kam, um ihr Vorwürfe zu machen.

»Warum denkst du, daß mir deine Reise unangenehm sei? Ja, und selbst wenn sie mir unangenehm wäre, so wäre sie es mir dadurch noch mehr, daß du nicht meine Pferde nimmst,« sagte er. »Du hast mir nicht ein einziges Mal gesagt, daß du entschieden fahren wolltest. Und nun auf dem Dorfe Pferde zu mieten, ist erstens unangenehm für mich, und dann, was die Hauptsache ist, man mietet sie, aber sie bringen dich nicht hin. Ich habe doch Pferde; und wenn du mich nicht böse machen willst, so nimmst du sie.«

Darja Aleksandrowna mußte einwilligen, und am festgesetzten Tag hatte Lewin für seine Schwägerin ein Viergespann von Pferden und einen Vorspann aus Zug- und Reitpferden gewählt, bereit gemacht, der nicht sehr schön, aber doch imstande war, Darja Aleksandrowna in einem Tage an ihr Ziel zu bringen.

Jetzt, wo Pferde sowohl für die Fürstin, welche abreiste, wie für die Wehfrau gebraucht wurden, war das eine schwierige Aufgabe für Lewin gewesen, doch konnte derselbe der Pflicht der Gastfreundschaft Folge leistend, nicht zugeben, daß Darja Aleksandrowna von seinem Hause aus Pferde mietete, und außerdem wußte er auch, daß die zwanzig Rubel, welche man von Darja Aleksandrowna für die Fahrt verlangte, für dieselbe von großer Bedeutung waren; die Finanzverhältnisse Darja Aleksandrownas, welche sich in sehr schlechtem Zustande befanden, wurden von den Lewin empfunden, als wären es ihre eigenen.

Darja Aleksandrowna fuhr nach dem Rate Lewins noch vor der Morgenröte ab. Der Weg war gut, der Wagen ging ruhig, die Pferde liefen munter und auf dem Bocke saß noch außer dem Kutscher, an Stelle eines Dieners, der Comptoirschreiber, der von Lewin der Sicherheit halber mitgesandt worden war. Darja Aleksandrowna träumte und erwachte erst, als sie schon zu der Poststation gekommen war, wo die Pferde gewechselt werden mußten.

Nachdem sie den Thee bei jenem nämlichen begüterten Großbauern, bei welchem Lewin auf seiner Fahrt zu Swijashskiy gerastet hatte, eingenommen, und sich mit den Weibern über die Kinder, mit dem Alten über den Grafen Wronskiy unterhalten hatte, den jener sehr lobte, fuhr Darja Aleksandrowna um zehn Uhr weiter. Zu Hause hatte sie, vor Sorgen um ihre Kinder, nie Zeit zu denken. Dafür aber häuften sich jetzt erst, auf dieser vierstündigen Fahrt, alle die vorher unterdrückt gewesenen Gedanken plötzlich in ihrem Kopfe, und sie überdachte ihr ganzes Leben, wie sie es noch nie zuvor gethan, und von den verschiedensten Seiten aus. Ihr selbst kamen ihre eigenen Gedanken seltsam vor.

Im Anfang dachte sie ihrer Kinder, um die sie sich, obwohl ihr die Fürstin, wie besonders Kity – auf diese verließ sie sich vielmehr – versprochen hatten, nach ihnen zu sehen, gleichwohl beunruhigte.

»Wie wenn Mascha wiederum dumme Streiche machte, wenn den Grischa ein Pferd schlüge und der Magen Lilys noch mehr verdorben würde.«

Dann aber begannen die Fragen der Gegenwart sich mit denen der nächsten Zukunft abzulösen. Sie dachte jetzt daran, daß man in Moskau für diesen Winter eine neue Wohnung mieten, die Möbel im Salon umtauschen und der ältesten Tochter einen Pelz fertigen lassen müsse. Darnach tauchten die Fragen der entfernten Zukunft vor ihr auf; wie sie ihre Kinder in die Welt einführen würde, »mit den Mädchen ist es noch nichts«, dachte sie, »aber mit den Knaben?«

»Gut; ich beschäftige mich jetzt mit Grischa, aber ich kann es doch nur deshalb, weil ich selbst jetzt kein Kind unter dem Herzen trage. Auf Stefan läßt sich natürlich nicht rechnen. Jedoch mit Hilfe guter Menschen werde ich sie schon erziehen; und wenn wieder einmal eine Geburt« – ihr kam der Gedanke, wie ungerecht der Ausspruch sei, daß der Fluch auf dem Weibe liege, daß sie in Schmerzen Kinder gebäre. »Die Geburt selbst hat nichts zu sagen, aber das Austragen – das ist das Qualvolle,« dachte sie, sich ihrer letzten Schwangerschaft und des Todes dieses letzten Kindes erinnernd. Es fiel ihr auch das Gespräch mit der jungen Frau auf dem Posthof wieder ein. Auf ihre Frage, ob sie Kinder habe, hatte dieselbe ganz heiter geantwortet: »Ich hatte ein Mädchen, aber Gott hat es erlöst, ich habe es zu den Fasten begraben.«

»Hast du es sehr betrauert?« hatte Darja Aleksandrowna weiter gefragt.

»Wozu betrauern? Der Alte hat Enkel, und zwar viel. Man hat doch nur Sorge dabei, und kann weder arbeiten noch sonst etwas thun, sondern ist nur gebunden.«

Diese Antwort war Darja Aleksandrowna abstoßend erschienen, ungeachtet des gutmütigen Äußeren der jungen Frau, jetzt aber vergegenwärtigte sie sich unwillkürlich diese Worte. Es lag auch ein Teil von Wahrheit in diesen cynischen Äußerungen.

»Und im allgemeinen,« dachte Darja Aleksandrowna, auf ihr ganzes Leben während der fünfzehn Jahre ihrer Ehe zurückblickend, »Schwangerschaft, Übelkeiten, Stumpfsinn, Gleichgültigkeit für alles, und hauptsächlich Ruin der Schönheit. Kity, die junge, hübsche Kity, auch sie war häßlich geworden, ich aber werde in der Schwangerschaft ungeschlacht, ich weiß es. Geburten, Leiden, undenkbare Schmerzen; dann jene letzte Minute – hierauf aber die Ernährung, alle die schlaflosen Nächte, diese furchtbaren Schmerzen« –

Darja Aleksandrowna erbebte schon vor der Erinnerung an den Schmerz einer aufgehenden Brustwarze, den sie fast bei jedem Kind gehabt hatte. »Dann kommen die Kinderkrankheiten, diese ewige Angst, dann die Gedanken wegen schlimmer Neigungen« – sie dachte an das Vergehen der kleinen Mascha in den Himbeeren – »der Unterricht, das Latein, alles das so unverständlich und schwierig. Und außer dem allen noch die Möglichkeit des Todes eben dieser Kinder!«

Und wiederum tauchte in ihrer Phantasie die ewig ihr Mutterherz drückende, herbe Erinnerung an den Tod ihres letzten Knaben auf, der noch an der Brust gelegen hatte, und an der Krippe gestorben war. Sie dachte an sein Begräbnis, die allgemeinherrschende Gleichgültigkeit für jenes kleine rosengeschmückte Grab, an ihren herzzerreißenden, vereinsamten Schmerz über der bleichen, kleinen Stirn mit den hohen Schläfen, über dem geöffneten, verwundert scheinenden Mündchen, welches aus dem Sarge herausschaute, als man denselben mit einem Rosendeckel und einem Kreuz bedeckte.

»Und warum alles das? Was folgt aus alledem? Daß ich, ohne einen Augenblick Ruhe zu haben, bald in gesegneten Umständen, bald ein Kind nährend, ewig mich ereifernd, schaltend, mich selbst und andere folternd, dem Manne zuwider, mein Leben hinlebe, und mir unglückliche, schlecht erzogene und unbemittelte Kinder aufwachsen?

»Und jetzt – wäre nicht dieser Sommer bei den Lewin, ich wüßte nicht, wie wir ihn verleben sollen. – Natürlich sind Konstantin und Kity so zartfühlend, daß sie es uns nicht merken lassen, aber es kann doch nicht so fortgehen! Sie werden Kinder bekommen und uns nicht mehr unterstützen können; sind sie doch schon jetzt in Bedrängnis. Und was kann Papa, der für sich fast nichts mehr übrig behalten hat, noch helfen? Die Verhältnisse liegen so, daß ich die Kinder nicht allein erziehen kann, nur mit Hilfe anderer, und mit eigener Erniedrigung. Und nehmen wir selbst den glücklichsten Fall; sollten mir keine Kinder mehr sterben und sollte ich sie erziehen können, so werden sie im besten Falle doch nur höchstens keine Taugenichtse werden. Das ist alles, was ich wünschen kann. Und dafür so viele Qualen, so viele Mühen! Ein ganzes, verlorenes Leben!« –

Und wieder fiel ihr ein, was die junge Frau gesagt hatte, wiederum war es ihr widerlich, daran zu denken; und gleichwohl mußte sie doch zugeben, daß in jenen Worten ein Stück rauher Wahrheit lag.

»Ist es denn noch weit, Michail?« frug Darja Aleksandrowna den Comptoirdiener, um sich ihren Gedanken, die sie bange machten, zu entreißen.

»Von diesem Dorfe sollen es noch sieben Werst sein!«

Der Wagen fuhr in der Dorfgasse über eine kleine Brücke. Über die Brücke ging geräuschvoll und lustig schwatzend ein Haufe frohgelaunter Weiber. Die Weiber blieben auf der Brücke stehen, neugierig den Wagen betrachtend. Alle ihr zugewandten Gesichter erschienen Darja Aleksandrowna gesund, heiter, neckisch für sie in ihrer Lebenslust. »Sie alle leben, und freuen sich ihres Lebens,« fuhr Darja Aleksandrowna in ihrem Gedankengang fort, an den Weibern vorüberfahrend, einen Berg hinauf und dann im Trab wieder weiter, angenehm gewiegt auf den geschmeidigen Federn der alten Kutsche, »ich aber, wie aus einem Gefängnis hinausgelassen aus jener Welt, die mich mit ihren Sorgen ertötet, komme nur jetzt auf einen Augenblick zur Besinnung. Sie alle leben doch; diese Weiber, die Schwester Nataly, Warenka, Anna, zu der ich fahre, – nur ich lebe nicht! –

Anna greifen sie an; aber warum? Bin ich denn besser? Ich habe zwar wenigstens einen Mann, den ich liebe. Wäre es nicht so, wie wollte ich lieben, aber ich liebe ja ihn; während Anna den ihren nicht geliebt hat. Wessen ist sie nun schuldig? Sie will leben! Gott hat uns das in die Seele gelegt! Es ist sehr Wohl möglich, daß ich das Nämliche gethan hätte. Und bis heute weiß ich noch nicht, ob ich Wohl daran that, ihr in jener furchtbaren Zeit gehorcht zu haben, als sie zu mir nach Moskau kam. Damals hätte ich meinen Gatten verlassen und ein neues Leben beginnen müssen. Ich hätte lieben können und wahr geliebt werden können! Und ist es nun etwa besser geworden? Ich achte ihn nicht! Ich brauche ihn aber,« dachte sie ihres Gatten, »und so dulde ich ihn. Ist das etwa besser? Damals konnte ich noch gefallen, da hatte ich noch meine Schönheit,« fuhr Darja Aleksandrowna fort, zu sinnen, und sie hätte gern einmal in den Spiegel geblickt. In ihrem Reisesack befand sich ein kleiner Reisespiegel, und sie wollte ihn hervorholen, doch indem sie auf die Rücken des Kutschers und des schaukelnden Comptoirdieners blickte, fühlte sie, daß es ihr fatal sein müßte, wenn einer der beiden sich umschaute; und sie holte den Spiegel nicht hervor.

Aber auch wenn sie nicht in den Spiegel blickte, meinte sie, sei es jetzt noch nicht zu spät; und sie dachte an Sergey Iwanowitsch, der besonders liebenswürdig gegen sie war, an den Freund Stefans, den guten Turowzyn der mit ihr zusammen ihre Kinder beim Scharlachfieber gepflegt hatte und in sie verliebt war. Und noch ein ganz junger Mann war da, welcher, wie ihr der Gatte im Scherz gesagt, gefunden hatte, sie sei schöner, als alle ihre Schwestern. Die leidenschaftlichsten und unmöglichsten Romane tauchten vor Darja Aleksandrowna auf. »Anna hat recht gehandelt, und ich werde ihr nie den geringsten Vorwurf mehr machen. Sie ist glücklich, begründet das Glück eines andern Menschen, ist nicht abgestumpft, wie ich, sondern wahrhaftig so, wie sie immer war, frisch, verständig und empfänglich für alles,« dachte Darja Aleksandrowna und ein schlaues Lächeln kräuselte ihre Lippen, namentlich, weil sie an den Roman Annas denkend, sich ähnlich dazu für sich selbst einen eigenen, fast ebensolchen Roman erdachte, mit einem erdichteten Musterhelden, der in sie verliebt war. Ebenso wie Anna, gestand sie alles ihrem Gatten, und die Verwunderung und Bestürzung Stefan Arkadjewitschs bei dieser Nachricht nun machte sie lächeln.

In solchen Träumereien gelangten sie zu dem Scheideweg, welcher von der Landstraße ab nach Wosdwishenskoje führte.

5.

In der Kirche befand sich ganz Moskau an Verwandten und Bekannten. Während der Ceremonie der Trauung, in der glänzend erleuchteten Kirche, im Kreise der geputzten Damen und jungen Mädchen, der Herren in weißen Krawatten, in Fräcken und Uniformen war ununterbrochen eine leise Konversation geführt worden, die namentlich die Herren anregten, während die Damen in der Beobachtung aller Einzelheiten einer sie stets ja sehr fesselnden heiligen Handlung versunken waren.

In dem Kreise der der Braut zunächst Stehenden befanden sich deren beide Schwestern, Dolly und die ältere, ruhige und schöne Lwowa, die aus dem Auslande gekommen war.

»Was ist das für ein Mary-Kostüm in Veilchenblau; gerade als wäre es schwarz – zu einer Hochzeit« – sprach die Korsunskaja.

»Die einzige Rettung für ihren Teint,« antwortete die Trubezkaja. »Mich wundert, daß man die Trauung abends ausgeführt hat – das ist so kaufmännisch« –

– »Aber schöner. Auch ich bin abends getraut worden,« antwortete die Korsunskaja und seufzte, als sie daran dachte, wie schön sie an jenem Tage, wie lächerlich verliebt in sie ihr Mann damals gewesen war, und wie jetzt so alles ganz anders geworden sei.

»Man sagt, daß jemand der mehr als zehnmal Brautführer gewesen ist, nicht heirate; ich wollte es heute zum zehntenmale sein, um mich in Furcht zu setzen, allein die Stelle war besetzt,« sprach Graf Sinjawin zu der hübschen jungen Fürstin Tscharskaja, die Absichten auf ihn hatte.

Die Tscharskaja antwortete ihm nur mit einem Lächeln. Sie blickte auf Kity, und dachte daran, wie und wann sie selbst mit dem Grafen Sinjawin an Kitys Stelle sein würde, und wie sie diesen dann an seinen jetzigen Scherz erinnern wollte.

Schtscherbazkiy sagte dem alten Fräulein Nikolajewa, daß er den Kranz auf Kitys Chignon setzen werde, damit sie glücklich werde.

»Es ist gar nicht nötig einen Chignon aufzusetzen,« antwortete die Nikolajewa, die schon längst entschlossen war, daß, wenn sie der alte Witwer, nach welchem sie angelte, heiraten sollte, die Trauung die allereinfachste sein sollte. »Ich liebe dieses ,fast‘ nicht.«

Sergey Iwanowitsch sprach mit Darja Dmitriewna, sie scherzend versichernd, daß die Sitte, nach der Vermählung abzureisen, deswegen so verbreitet sei, weil Neuvermählte stets kein gutes Gewissen hätten.

»Euer Bruder kann stolz sein. Es ist wunderbar, wie schön sie ist. Ich glaube, Ihr beneidet ihn?«

»Ich habe das schon durchgemacht, Darja Dmitrjewna,« antwortete er und sein Gesicht nahm unerwartet einen trüben und ernsten Ausdruck an.

Stefan Arkadjewitsch erzählte nun seiner Schwägerin einen schlechten Witz über eine Ehescheidung.

»Man muß den Kranz zurechtrücken,« antwortete diese, ohne ihn zu hören.

»Wie schade, daß sie so angegriffen aussieht,« sagte die Gräfin Nordstone zu der Lwowa. »Und gleichwohl wiegt er ihren kleinen Finger nicht auf. Nichtwahr?«

»O, mir gefallt er sehr gut; aber nicht deswegen etwa, weil er mein künftiger beau frère ist,« antwortete die Lwowa, »und wie schön er sich hält! Es ist so schwer, sich in solch einer Situation gut zu halten und nicht komisch zu werden. Er aber ist nicht komisch, nicht steif, er ist offenbar ergriffen.«

»Ihr habt dies wahrscheinlich erwartet?«

»Fast so. Sie hat ihn stets geliebt.«

»Nun, beobachten wir, wer von ihnen zuerst auf den Teppich tritt. Ich habe es Kity geraten.«

»Gleichviel,« antwortete die Lwowa, »wir sind doch alle die untergebenen Weiber; es liegt dies doch einmal in unserer Rasse.«

»Ich bin aber doch vorsätzlich zuerst mit Wasiliy darauf getreten; und Ihr Dolly?«

Dolly stand neben ihnen, sie hörte wohl, antwortete aber nicht; sie war tief gerührt. Die Thränen standen ihr in den Augen und sie hatte kein Wort reden können, ohne in Thränen auszubrechen. Sie freute sich über Kity und Lewin; in ihrer Erinnerung zu der eigenen Trauung zurückkehrend, blickte sie nach dem wonneglänzenden Stefan Arkadjewitsch, vergaß alles Gegenwärtige und dachte nur ihrer ersten unschuldigen Liebe. Sie dachte nicht allein an sich, sondern auch an alle nahestehenden oder ihr bekannten Frauen. Sie erinnerte sich ihrer in jener einzigen, für sie so feierlichen Zeit, da sie ebenso wie Kity unter dem Kranze gestanden hatte mit Liebe, Hoffnung und Bangen im Herzen, sich lossagend von der Vergangenheit und in eine geheimnisvolle Zukunft eintretend. In der Zahl aller dieser Bräute, die ihr ins Gedächtnis kamen, sah sie auch ihre geliebte Anna, über deren vermutliche Trennung sie unlängst die Einzelheiten gehört hatte. Auch sie hatte rein in den Pomeranzenblüten und dem Schleier da gestanden. Und jetzt? »Furchtbar seltsam« – sagte sie.

Aber nicht nur die Schwestern, auch die Freundinnen und weiblichen Verwandten folgten allen Einzelheiten der heiligen Handlung; auch die fremden Frauen, die Zuschauerinnen beobachteten voll Aufregung, mit stockendem Atem, in der Furcht, eine einzige Bewegung verlieren zu können, den Ausdruck der Mienen des Bräutigams und der Braut, und antworteten ärgerlich den gleichgültigen Reden der gleichgültigen Männer gar nicht, oder überhörten sie oft sogar, wenn dieselben scherzhafte oder nebensächliche Bemerkungen fallen ließen.

»Weshalb sieht sie so verweint? Folgt sie ihm gezwungen?«

»Was, gezwungen einem so schönen Manne! Ist er nicht ein Fürst?«

»Das ist Wohl seine Schwester dort im weißen Atlaskleid? Höre nur, wie der Diakonus plärrt ,und sie soll ihren Mann fürchten‘.«

»Sind sie denn fremd?«

»Nein, es sind synodale.«

»Ich habe einen Diener gefragt. Er sagte, daß der Bräutigam die Braut sogleich mit sich auf sein Gut nehmen würde. Er soll unendlich reich sein, heißt es. Deswegen hat man ihm auch die Braut gegeben.«

»Nicht doch, das Paar ist so schön.«

»Und da habt Ihr nun gestritten, Marja Wasiljewna, daß die Kanarienvögel wegflögen. Sieh die dort, es soll eine Gesandtin sein, wie gewählt« –

»Die Braut ist doch zu lieblich, wie ein geputztes Lämmchen. Was Ihr auch sagen mögt; es ist doch schade um sie.«

So schwatzte der Haufe der Zuschauerinnen durcheinander, dem es gelungen war, durch die Thüren der Kirche hereinzuschlüpfen.

17.

Der Kutscher hielt das Viergespann an und blickte nach rechts, auf ein Roggenfeld hinaus, auf welchem Bauern bei einem Wagen saßen. Der Comptoirdiener wollte abspringen, besann sich aber anders und rief befehlerisch einem Bauern zu, ihn zu sich heranwinkend. Der leichte Wind, welcher während der Fahrt geweht, hatte sich gelegt, als sie anhielten; die Bremsen hatten sich an die heftig abwehrenden, schweißbedeckten Pferde festgesetzt. Das metallisch von dem Wagen herübertönende Geräusch des Sensendängelns verstummte. Einer der Bauern erhob sich und kam zum Wagen.

»He, bist wohl vertrocknet!« rief der Comptoirdiener gereizt dem langsam über die Erdhügel des nicht ausgefahrenen, trockenen Weges mit den nackten Füßen schreitenden Bauern zu, »So lauf doch!«

Ein kraushaariger Alter, das Haar mit Lindenbast aufgebunden und mit von Schweiß dunkelgefärbtem gekrümmten Rücken, beschleunigte seinen Schritt, trat an den Wagen heran und faßte mit der gebräunten Hand an die Seite des Wagens.

»Wollt Ihr nach Wosdwishenskoje?, auf den Herrenhof? Zum Grafen?« wiederholte er, »dann fahrt nur so! Macht die Wendung nach links, dann gerade aus und Ihr kommt gerade darauf. Zu wem wollt Ihr denn? Zum Herrn selbst?« »Ist denn Eure Herrschaft zu Haus, Freund?« frug Darja Aleksandrowna ausweichend, ohne zu wissen, wie sie, selbst dem Bauern gegenüber, nach Anna fragen sollte.

»Er ist Wohl daheim,« sagte der Bauer einen Schritt vortretend und dabei mit den nackten Füßen im Staube eine deutliche Spur seiner Fußsohle mit den fünf Zehen hinterlassend. »Er wird Wohl zu Haus sein,« wiederholte er, augenscheinlich mit großer Lust, ein Gespräch zu beginnen. »Gestern sind erst Gäste gekommen. Gäste – es war eine Menge – Was willst du!« – wandte er sich nach einem Burschen um, der ihm vom Wagen her etwas zuschrie. »Sie sind kaum erst alle zu Pferde hier vorbeigekommen, um eine Schnittmaschine zu besichtigen. Jetzt werden sie Wohl zu Hause sein. Wo kommt Ihr denn her?«

»Wir sind von weiter weg,« sagte der Kutscher, auf den Bock steigend, »also es ist nicht weit?«

»Wie ich sage; dort! Wie Ihr eben fahrt« – sagte er, mit der Hand nach der Seite des Wagens deutend.

Ein junger, gesunder und stämmiger Bursche kam auch heran.

»Wie, haben wir keine Arbeit auf Rechnung der Ernte?« frug derselbe.

»Weiß nicht, mein Lieber! Wie gesagt, wenn du dich links hältst, kommst du gerade drauf,« sprach der Bauer, der augenscheinlich ungern die Reisenden fortließ und mit ihnen schwatzen wollte.

Der Kutscher fuhr weiter, doch kaum hatten sie eingelenkt, als der Bauer rief: »Halt! He, Freund! Halt an!« Eine zweite Stimme rief ebenso. Der Kutscher hielt an.

»Da kommen sie selbst. Dort sind sie!« rief der Bauer. »Dort sind sie!« fügte er hinzu, auf vier Reiter und zwei Personen in einem Wagen weisend, welche den Weg daherkamen.

Es war Wronskiy mit seinem Jockey, Wjeslowskiy und Anna zu Pferde, die Fürstin Barbara und Swijashskiy im Wagen. Sie waren spazieren geritten, und wollten die Arbeit der neu eingeführten Erntemaschinen besichtigen.

Als die Equipage stand, kamen die Reiter im Schritt heran. Voran ritt Anna neben Wjeslowskiy. Sie ritt in ruhigem Schritt eine kleine englische Vollblutstute mit gestrählter Mähne und gestutztem Schweif. Annas schönes Haupt mit den unter dem hohen Hut hervordringenden schwarzen Haaren, ihre vollen Schultern, die schmale Taille in der schwarzen Amazone und ihr ruhiger graziöser Sitz frappierten Dolly.

Im ersten Augenblick erschien es ihr unpassend, daß Anna ritt. Mit der Vorstellung vom Reiten der Damen verband sich nach dem Begriff Darja Aleksandrownas auch die einer jugendlichen flatterhaften Koketterie, die nach ihrer Meinung mit der Lage Annas nicht harmonierte; doch als sie diese in der Nähe sah, söhnte sie sich sofort mit ihrem Reiten aus, denn selbst bei ihrer Eleganz, war alles an ihr so einfach, ruhig und würdevoll in Haltung und Kleidung, sowie auch in ihren Bewegungen, daß nichts natürlicher erscheinen konnte.

Neben Anna auf einem grauen feurigen Kavalleriepferd, welches die starken Füße hochwarf und augenscheinlich mit sich kokettierte, ritt Wasjenka Wjeslowskiy in seiner schottischen Mütze mit den wehenden Bändern, und Darja Aleksandrowna konnte sich ein Lächeln nicht verbeißen, als sie ihn erkannte.

Hinter ihnen ritt Wronskiy; er saß auf einem dunkelbraunen Vollblut, welches sichtlich vom Galopp aufgeregt war; um es zu halten, arbeitete er mit den Zügeln.

Nach ihm kam ein kleiner Mensch in Jockeykostüm. Swijashskiy mit der Fürstin in einem neuen Wagen, der von einem starken schwarzen Traber gezogen wurde, folgten den Reitern.

Das Gesicht Annas, als sie die in dem kleinen, alten Wagen in die Ecke geschmiegte Gestalt Dollys erkannte, erglänzte von freudigem Lächeln. Sie stieß einen Schrei aus, erbebte im Sattel und setzte das Pferd in Galopp. Als sie am Wagen angelangt war, sprang sie ohne Beistand ab und eilte, ihre Amazone aufnehmend, Dolly entgegen.

»Ich dachte es Wohl, wagte es aber nicht zu denken! Welche Freude! Du vermagst dir meine Freude nicht vorzustellen,« sagte sie, sich bald mit dem Gesicht an Dolly schmiegend, und sie küssend, bald sich entfernend und sie mit einem Lächeln betrachtend. »Das ist eine Freude, Aleksey!« sprach sie, sich nach Wronskiy umblickend, der vom Pferde gestiegen war und zu ihnen herankam.

Wronskiy trat, den grauen hohen Hut abnehmend, zu Dolly.

»Ihr könnt nicht glauben, wie erfreut wir über Eure Ankunft sind,« sagte er, seinen Worten ein besonderes Gewicht verleihend und lächelnd dabei seine festen weißen Zähne zeigend.

Wasjenka Wjeslowskiy nahm, ohne vom Pferde zu steigen, die Mütze ab und bewillkommnete den Besuch, freudig die Bänder über seinem Kopfe schwingend.

»Dies ist die Fürstin Barbara,« antwortete Anna auf den fragenden Blick Dollys, als der Wagen herangekommen war.

»Ah,« sagte Darja Aleksandrowna, und ihr Gesicht drückte unwillkürlich Mißvergnügen aus.

Die Fürstin Barbara war die Tante ihres Gatten und sie kannte sie lange, achtete sie aber nicht. Wußte sie doch, daß die Fürstin Barbara ihr ganzes Leben als Konkubine reicher Verwandter verbracht hatte. Daß sie aber jetzt bei Wronskiy lebte, einem ihr fremden Mann, dies verletzte in Hinsicht auf die Familie ihres Gatten. Anna bemerkte den Ausdruck im Gesicht Dollys und wurde verlegen; sie errötete, ließ ihre Amazone aus den Händen gleiten und stolperte über dieselbe.

Darja Aleksandrowna begab sich zu dem stehen gebliebenen Wagen und begrüßte kühl die Fürstin Barbara. Swijashskiy war ihr gleichfalls bekannt. Er frug, wie sich sein Freund und Sonderling mit seiner jungen Frau befinde und schlug den Damen, mit einem schnellen Blick auf die nicht gerade dampfenden Pferde und den Wagen mit den ausgebesserten Seiten, vor, in der Equipage zu fahren.

»Ich hingegen werde in diesem Vehikel fahren,« sagte er, »das Pferd ist sanft und die Fürstin fährt ausgezeichnet.«

»Nein, bleibt, wie Ihr waret,« sagte Anna herzutretend, »aber wir wollen in diesem Wagen fahren,« und Dolly bei der Hand nehmend, führte sie dieselbe mit sich.

Darja Aleksandrownas Augen schweiften über die elegante, von ihr noch nicht gesehene Equipage, die schönen Pferde, die vornehmen, glänzenden Personen, die sie umgaben, aber mehr als alles das frappierte sie die Veränderung, welche mit der ihr so wohlbekannten, geliebten Anna vor sich gegangen war. Ein anderes Weib, welches weniger aufmerksam gewesen wäre, und Anna früher nicht gekannt hätte, insbesondere nicht die Gedanken hegte, welchen Darja Aleksandrowna unterwegs nachgehangen hatte, würde nichts Eigenartiges an Anna bemerkt haben.

Jetzt aber war Dolly betroffen von jener nur zeitweisen Schönheit, die allein in Momenten der Liebe bei den Frauen zu erscheinen pflegt, und die sie jetzt auf Annas Gesicht fand. Alles an deren Gesicht, die Schärfe der Grübchen in Wangen und Kinn, die Lage der Lippen, das Lächeln, welches gleichsam rund um ihr Gesicht flog, der Glanz der Augen, die Grazie und Schnelligkeit ihrer Bewegungen, die Fülle des Tones ihrer Stimme, selbst ihre Manieren, mit denen sie ernst freundlich Wjeslowskiy antwortete, der sie um die Erlaubnis bat, sich auf ihre Stute setzen zu dürfen, um sie Galopp mit Rechtseinsatz lehren zu können – alles das war eigentümlich anziehend und sie selbst schien dies zu wissen und darüber Freude zu empfinden.

Nachdem sich die beiden Frauen in den Wagen gesetzt hatten, überkam sie beide eine plötzliche Verlegenheit. Anna geriet in Verwirrung wegen des aufmerksam fragenden Blickes, mit dem Dolly sie anschaute. Dolly, weil sie sich, nach den Worten Swijashskiys über das Vehikel, ihrer schmutzigen alten Kalesche schämte, in welche sich Anna mit ihr gesetzt hatte.

Der Kutscher Philipp und der Comptoirdiener hatten das nämliche Gefühl. Der Comptoirdiener beeilte sich, um seine Verlegenheit zu verbergen, den Damen beim Niedersetzen behilflich zu sein, während Philipp, der Kutscher, mürrisch geworden war, und sich vorgenommen hatte, dieser äußeren Überlegenheit nicht nachzugeben. Ironisch lächelnd blickte er auf den schwarzen Traber, und hatte schon im Geiste das Urteil gefällt, daß dieser Rappe im Wagen nur gut sei zur »Promenade« und nicht vierzig Werft weit scharf und ohne Ausspann laufen könne.

Die Bauern hatten sich sämtlich von ihrem Wagen erhoben und schauten neugierig und belustigt den Besuchern entgegen, ihre Bemerkungen dazu machend.

»Sehr erfreut, sehr lange nicht gesehen,« sagte der kraushaarige Alte mit dem Lindenbast. »Nun, Vater Gerasim, der schwarze Hengst müßte die Garben hereinbringen; das ginge lebhaft!«

»Schaut an! Ist der da in den Hosen auch ein Frauenzimmer?« sagte Einer, auf den im Damensattel sitzenden Wasjenka Wjeslowskiy zeigend.

»Über den Bauer! Wie geschickt er anspielt!«

»Nun Kinder, wollen wir nicht ein Mittagsschläfchen halten?«

»Ach was, jetzt gar Schlaf!« sagte der Alte, gebückt nach der Sonne schauend. »Mittag ist vorbei! Nehmt die Griffe fest; los!« –

18.

Anna blickte in Dollys hageres, übermüdetes Gesicht mit den Runzeln, die vom Staube bedeckt waren; sie wollte sagen, was sie dachte, nämlich daß Dolly recht abgemagert sei, aber indem sie sich vergegenwärtigte, daß sie schöner geworden, und der Blick Dollys ihr dies sagte, seufzte sie, und begann, von sich zu sprechen.

»Du blickst mich an,« sagte sie, »und denkst, kann sie glücklich sein in ihrer Lage. Nun, was soll ich sagen! Es ist schmachvoll, es einzugestehen; aber ich – ich bin unverzeihlich glücklich! – Mir ist etwas Zauberhaftes, Etwas wie ein Traum vor sich gegangen, in dem es uns furchtbar, seltsam wird, aus dem man plötzlich erwacht, um zu fühlen, daß alle diese Schrecken gar nicht da sind. Ich bin erwacht. Ich habe Qualvolles, Furchtbares durchlebt, und es ist jetzt schon geraume Zeit, besonders seit wir hier sind, daß ich so glücklich bin,« sprach sie mit schüchternem, fragendem Lächeln Dolly ins Auge sehend.

»Wie freue ich mich,« sagte Dolly lächelnd, aber unwillkürlich kühler, als sie wollte. »Ich freue mich sehr über dich. Weshalb hast du mir nicht geschrieben?«

»Weshalb? Deshalb, weil ich es nicht wagte – du vergißt meine Lage.«

»Gegen mich? Gegen mich hast du es nicht gewagt? Wenn du wüßtest, wie ich – ich glaube« –

Darja Aleksandrowna wollte ihre Gedanken vom heutigen Morgen aussprechen, aber aus irgend einem Grunde erschien ihr dies jetzt nicht am Platze.

»Doch davon später. Was ist das, alle diese Gebäude?« frug sie, im Wunsche das Thema zu wechseln, auf die roten und grünen Dächer zeigend, welche hinter dem Grün lebender Akazienzäune sichtbar wurden. Es sah dies alles aus wie ein Städtchen.

Anna antwortete ihr nicht.

»Nein, nein; wie urteilst du über meine Lage, wie denkst du darüber; wie?« frug sie.

»Ich vermute,« wollte Darja Aleksandrowna beginnen, doch in diesem Augenblick sprengte Wasjenka Wjeslowskiy, der die Stute in Galopp mit Nachtseinsatz gebracht hatte, schwerfällig in seinem kurzen Jaquet auf dem sämischen Leder des Damensattels auf und niedergeworfen, an ihnen vorüber.

»Sie geht, Anna Arkadjewna!« schrie er.

Anna schaute ihn indessen nicht einmal an, und Darja Aleksandrowna schien es wiederum, daß es unpassend sei, in der Kalesche dieses langatmige Thema anzuschlagen, und sie brach daher in der Äußerung ihres Gedankens ab.

»Ich urteile gar nicht darüber,« sagte sie, »ich habe dich stets geliebt, und wenn man liebt, liebt man den ganzen Menschen so, wie er ist, nicht so, wie man will, daß er sei.«

Anna versank in Nachdenken, indem sie die Augen vom Gesicht der Freundin wegwendete und blinzelte – eine neue Gewohnheit, die Dolly noch nicht an ihr gekannt hatte – sie wünschte die Bedeutung dieser Worte ganz zu erfassen. Nachdem sie sie augenscheinlich so, wie sie es wünschte, aufgefaßt hatte, schaute sie Dolly an.

»Wenn du Sünden haben solltest,« sprach sie, »so möchten sie dir alle vergeben sein für dein Kommen und für diese Worte.«

Dolly sah, daß ihr die Thränen in die Augen getreten waren. Schweigend drückte sie Annas Hand.

»Also was sind das für Gebäude? – Wie viel es doch sind!« Sie wiederholte nach einer Minute des Schweigens ihre Frage.

»Dies sind die Gebäude des Personals, der Fabriken, die Ställe,« antwortete Anna. »Dort beginnt der Park; alles das war verwildert, aber Aleksey hat es wieder neu hergerichtet. Er liebt dieses Besitztum sehr und fühlt sich, was ich nimmermehr erwartet hätte, leidenschaftlich zur Landwirtschaft hingezogen. Er hat überhaupt eine so reich beanlagte Natur! Was er auch anfassen mag, alles vollführt er ausgezeichnet. Und er langweilt sich nicht nur nicht dabei, sondern beschäftigt sich mit leidenschaftlichem Eifer. So wie ich ihn kenne, ist er ein haushälterischer, vorzüglicher Hausherr geworden, sogar geizig in der Wirtschaft ist er; aber auch nur in der Wirtschaft! Da, wo es sich um Zehntausend handelt, rechnet er nicht,« sprach sie mit jenem freudig schlauen Lächeln, mit welchem Frauen oft über geheime, ihnen allein bekannte Eigenschaften eines geliebten Mannes sprechen.

»Siehst du dieses große Gebäude da? Das ist das neue Krankenhaus. Ich glaube, daß es mehr als hunderttausend Rubel kosten wird. Und weißt du, woher das Geld gekommen ist? Die Bauern hatten ihn gebeten, ihnen die Wiesen billiger abzulassen, er aber hatte sie abschläglich beschieden, und ich machte ihm Vorwürfe wegen seines Geizes. Natürlich nicht deswegen nun, aber alles in allem erwägend, begann er da dieses Krankenhaus zu bauen, um zu zeigen, verstehst du, daß er nicht geizig sei. Wenn du willst, c’est une petitesse, aber ich liebe ihn dafür umsomehr. Doch du wirst sogleich das Wohnhaus erblicken. Es ist noch vom Großvater her und an der Außenseite in nichts verändert worden,«

»Wie schön,« sagte Dolly, mit unwillkürlichem Erstaunen, auf ein schönes Haus mit Säulengängen blickend, welches aus dem bunten Grün der alten Bäume des Gartens hervortrat.

»Nicht wahr, das ist schön? Und vom Hause aus, von oben herab, ist die Aussicht wunderbar.«

Sie fuhren auf einen mit Schotter bedeckten und von Blumenbeeten geschmückten Hof, auf welchem zwei Arbeiter ein Blumenbosquet mit unbehauenen porösen Steinen garnierten, und hielten in der gedeckten Einfahrt.

»Ah, sie sind schon angekommen,« sagte Anna, auf die Reitpferde blickend, die soeben von der Freitreppe hinweggeführt wurden. »Nicht wahr, dieses Pferd ist schön? Es ist eine Stute, mein Liebling. Führe es hierher und bringt Zucker. Wo ist der Graf?« frug sie zwei herauseilende Paradelakaien. »Ah, dort ist er,« sagte sie, den heraustretenden und ihr mit Wjeslowskiy entgegenkommenden Wronskiy erblickend.

»Wo habt Ihr die Gräfin untergebracht?« sagte Wronskiy auf Französisch, zu Anna gewendet, begrüßte dann nochmals, ohne eine Antwort abzuwarten, Darja Aleksandrowna und küßte ihr jetzt die Hand: »Ich denke, wir bringen unsern Besuch im großen Balkonzimmer unter? –«

»O nein; das ist zu abgelegen! Besser im Eckzimmer, wir können uns da mehr sehen. Gehen wir,« sagte Anna, den ihr von einem Lakaien präsentierten Zucker dem Lieblingspferde reichend.

»Et vous oubliez votre devoir,« sagte sie zu Wjeslowskiy, welcher gleichfalls auf der Freitreppe erschienen war.

»Pardon, j’en ai tout plein les poches,« antwortete dieser lächelnd, die Finger in die Westentasche steckend.

»Mais vous venez trop tard,« sagte sie, mit dem Taschentuch die Hand abwischend, welche ihr das Pferd feucht gemacht hatte, indem es den Zucker nahm.

Anna wandte sich zu Dolly:

»Du bleibst doch für längere Zeit hier? Nur auf einen Tag? Das ist unmöglich!«

»Ich habe so versprochen, die Kinder –« sagte Dolly, mit einem Gefühl der Verlegenheit, daß sie den Reisesack aus der Kalesche nehmen mußte, sowie weil sie wußte, daß ihr Gesicht sehr mit Staub bedeckt sein müsse.

»Nein, Dolly, Herzchen; doch wir werden ja sehen. Komm, komm!« Anna führte Dolly in ihr Zimmer.

Dieses Zimmer war nicht das Paradezimmer, welches Wronskiy vorgeschlagen hatte, sondern das, von welchem Anna sagte, Dolly möchte es entschuldigen. Jedoch auch dieses Gemach, für welches eine Entschuldigung erforderlich gewesen war, war voll von einem Luxus, in welchem Dolly niemals gelebt hatte, und der ihr die besten Salons des Auslandes in die Erinnerung zurückrief.

»Ach, Herzchen, wie bin ich glücklich!« sprach Anna, für eine Minute in ihrer Amazone neben Dolly Platz nehmend, »erzähle mir doch von den Deinen. Stefan habe ich flüchtig gesehen, doch von Kindern kann er nicht reden. Was macht mein Liebling, die Tanja? Es ist ein großes Mädchen geworden, glaube ich?«

»Ja, sehr groß,« antwortete Darja Aleksandrowna kurz, selbst verwundert, daß sie so kühl über ihre Kinder Bescheid gab. »Wir befinden uns recht wohl bei den Lewin,« fügte sie hinzu.

»Ach, hätte ich gewußt,« antwortete Anna, »daß du mich nicht verachtest. Ihr hättet alle zu uns kommen müssen. Stefan ist doch ein alter und intimer Freund Alekseys,« fügte sie hinzu, und errötete plötzlich.

»Wir befinden uns so ganz wohl,« versetzte Dolly verlegen.

»Da habe ich übrigens aus Freude Dummheiten gesagt. Noch einmal, Herzchen, wie freue ich mich über dich,« sagte Anna, sie wiederum küssend, »aber du hast mir noch nicht gesagt, wie und was du über mich denkst, und ich will alles wissen. Und ich freue mich darüber, daß du mich durchschaust, wie ich bin. Es liegt mir nichts daran, vor allem, daß man denke, ich wollte in irgend etwas demonstrieren. Ich will nicht demonstrieren, sondern einfach nur leben; niemandem Übles thun, außer mir selbst. Dieses Recht habe ich, nicht wahr? Doch das ist eine langatmige Unterhaltung und wir werden schon noch über alles sprechen. Ich gehe jetzt, mich umzukleiden und werde dir ein Mädchen schicken.«

19.

Allein geblieben, schaute sich Darja Aleksandrowna mit dem Blick der Hausfrau in dem Zimmer um. Alles was sie vor dem Haus vorfand, und durch dasselbe schreitend, sowie jetzt in ihrem Zimmer, erblickte, verursachte ihr den Eindruck des Überflusses und der Koketterie, jenes modernen, europäischen Luxus, von dem sie nur in englischen Romanen gelesen, den sie aber noch nie in Rußland und auf dem Lande erblickt hatte. Alles war neu, von den modernen französischen Tapeten an bis zum Teppich, von welchem das ganze Zimmer bedeckt war. Das Bett war mit Sprungfedermatratze versehen, hatte ein besonderes Kopfkissen und Canevasüberzüge auf den kleinen Kissen. Das marmorne Waschbecken, die Toilette, die Tische, die Bronzeuhr auf dem Kamin, die Gardinen und Portieren, alles das war teuer und neu.

Die kokette Kammerzofe, welche herbeikam, um ihre Dienste anzubieten, und eine Frisur und Robe trug, die noch moderner war, als diejenige Dollys, sah eben so neu und kostspielig aus, wie das ganze Zimmer.

Darja Aleksandrowna war ihre Höflichkeit, Sauberkeit und Dienstwilligkeit sehr angenehm, doch fühlte sie sich nicht behaglich in ihrer Gegenwart; sie schämte sich vor ihr wegen ihres, unglücklicherweise infolge eines Irrtums von ihr gepackten, ausgebesserten Corsets; sie schämte sich gerade jener Flicken und gestopften Stellen, auf die sie daheim so stolz war. Zu Hause war es ihr klar, daß zu sechs Leibchen vierundzwanzig Arschin Stoff gehörten, zu je fünfundsechzig Kopeken, was mehr als fünfzehn Rubel ausmachte, außer der Arbeit; und diese fünfzehn Rubel waren so herausgeschlagen. Vor der Zofe aber empfand sie weniger Scham, als vielmehr Unbehagen.

Darja Aleksandrowna verspürte große Erleichterung, als die ihr seit alters bekannte Annuschka in das Zimmer trat. Die kokette Zofe war von der Herrin verlangt worden und Annuschka blieb bei Darja Aleksandrowna zurück.

Annuschka war augenscheinlich sehr erfreut über die Ankunft der Dame und schwatzte ohne Unterlaß. Dolly bemerkte, daß sie gern ihre Meinung bezüglich der Lage ihrer Herrin ausgesprochen hätte, insbesondere bezüglich der Liebe und Ergebenheit des Grafen für Anna Arkadjewna, doch Dolly verhinderte sie geflissentlich daran, sobald sie davon zu sprechen begann.

»Ich bin mit Anna Arkadjewna herangewachsen, die Herrin geht mir über alles! Doch wir haben über nichts zu richten, und, wie es scheint, so zu lieben –«

»Gieb mir doch gefälligst Waschwasser, wenn es geht,« unterbrach sie Darja Aleksandrowna.

»Zu Diensten. Bei uns sind zum Waschen allein zwei Frauen besonders angestellt und die Wäsche wird nur mit Maschine gereinigt. Der Graf führt alles ein. Das ist ein Mann –«

Dolly war froh, als Anna bei ihr eintrat, und mit ihren Kommen das Geschwätz Annuschkas abschnitt. Anna hatte sich in eine sehr einfache Battistrobe geworfen und Dolly betrachtete aufmerksam dieses einfache Kleid. Sie erkannte, daß dies zu bedeuten habe, auch solch eine Einfachheit sei nur für Summen zu erringen.

»Eine alte Bekannte,« sagte Anna im Hinweis auf Annuschka.

Anna war jetzt nicht mehr in Verlegenheit; sie erschien vollständig ungezwungen und ruhig. Dolly erkannte, daß sich Anna jetzt wieder vollständig von dem Eindruck ermannt hatte, welchen ihre Ankunft bei dieser hervorgerufen, und daß sie jetzt wieder jenen hochfahrenden, gleichmütigen Ton angenommen habe, mit welchem gleichsam die Thür zu derjenigen Abteilung in ihr, in welcher sich ihre Gefühle und innersten Gedanken befanden, verschlossen war.

»Nun, was macht dein kleines Mädchen, Anna?« frug Dolly.

»Die Ani?« – so nannte sie ihre Tochter Anna – »sie befindet sich wohl. Sie hat sich sehr entwickelt, willst du sie einmal sehen? Komm, ich zeige sie dir! Es hat da unendlich viel Sorgen gegeben,« begann sie zu erzählen, »mit den Ammen. Wir hatten als Amme eine Italienerin, sie war gut, aber dumm! Wir wollten sie fortschicken, doch das Kind war so gewöhnt an sie, daß wir sie noch immer haben.«

»Und wie seid Ihr übereingekommen?« wollte Dolly fragen, welchen Namen das Mädchen tragen sollte. Als sie indessen das finstergewordene Gesicht Annas bemerkte, veränderte sie den Sinn ihrer Frage. »Und wie seid Ihr übereingekommen? Habt Ihr es schon entwöhnt?« –

Doch Anna hatte verstanden.

»Du wolltest nicht hiernach fragen? Du wolltest nach seinem Namen fragen? Nicht wahr? Dies eben quält Aleksey! Sie hat keinen Namen. Das heißt, sie ist – eine Karenina« – sagte Anna, die Augen soweit zusammenkneifend, daß nur die zusammentreffenden Wimpern noch sichtbar waren. »Übrigens,« fuhr sie mit plötzlich hellwerdendem Gesicht fort, »von dem allen können wir ja später noch reden. Komm, ich will sie dir zeigen! Elle est tres – gentile – und kriecht schon fort.«

In der Kinderstube überraschte Darja Aleksandrowna der nämliche Luxus, welcher sie im ganzen Hause schon frappiert hatte, noch mehr. Hier gab es kleine Wagen, die aus England verschrieben waren, sowie Gerätschaften für das Gehenlernen; einen eigens konstruierten Diwan nach Art eines Billards zum Kriechen; Wiegen; eigenartige, neue Wannen. Alles war von englischer Arbeit, dauerhaft und gediegen und offenbar teuer. Das Zimmer war groß, sehr hoch und hell.

Als sie eintraten, saß das kleine Mädchen nur im Hemdchen in einem Stühlchen am Tisch und nahm Bouillon zu sich, mit welcher sie sich die ganze kleine Brust begossen hatte. Ein russisches Mädchen, welches in der Kinderstube diente, fütterte das Kind, und aß augenscheinlich selbst mit diesem zugleich dabei. Weder die Amme, noch die Kinderfrau war zugegen; sie befanden sich im Nebenzimmer und man vernahm von dorther ihr Gespräch in seltsamem Französisch, in welchem sie sich einander nur verständlich machen konnten.

Die Stimme Annas vernehmend, trat eine hohe Engländerin mit unangenehmem Gesicht und gemeinem Ausdruck, hastig ihre blonden Locken schüttelnd in die Thür, und begann sich sogleich zu entschuldigen, obwohl ihr Anna noch gar kein Vergehen beigemessen hatte. Auf jedes Wort Annas antwortete die Engländerin schnell mit einem mehrmaligen »yes, mylady!«

Das kleine Mädchen mit seinen schwarzen Brauen und Haaren, den roten Wangen, der festen straffen Haut und dem schönen Körperchen gefiel Darja Aleksandrowna ungeachtet des mürrischen Ausdrucks, mit welchem es auf das fremde Gesicht blickte, sehr; diese beneidete es sogar um seines gesunden Aussehens willen. Auch wie das kleine Mädchen kroch, gefiel ihr sehr; keines ihrer Kinder hatte so gekrochen. Dieses Kindchen war, nachdem man es auf einen Teppich gesetzt, und ein Kleid dahinter gestopft hatte, wunderbar lieblich. Wie ein Tierchen schaute es mit seinen großen glänzenden schwarzen Augen um sich, offenbar erfreut darüber, daß man sich freundlich mit ihm abgebe, stützte sich lächelnd, und die Füßchen seitwärts haltend, energisch auf die Hände und hob schnell das ganze Hinterteilchen empor, worauf es mit den Händchen nach vorwärts faßte.

Der allgemeine Charakter der Kinderstube jedoch, und namentlich die Engländerin, gefiel Darja Aleksandrowna durchaus nicht. Nur damit, daß in eine so illegitime Familie wie es diejenige Annas war, wohl kein gutes Mädchen gehen mochte, erklärte sich Darja Aleksandrowna selbst, daß Anna mit ihrer Menschenkenntnis für ihr Kind eine so unsympathische, gar nicht respektable Engländerin hatte nehmen können. Außerdem aber erkannte sie auch sogleich an einigen Worten, daß Anna, die Amme, die Kinderfrau und das Kind sich nicht zusammengelebt hatten, und der Besuch der Mutter ein ungewöhnliches Ereignis bildete. Anna wollte dem Kinde ein Spielzeug geben und konnte es nicht einmal finden.

Am wundersamsten aber von allem war, daß Anna auf die Frage, wie viel Zähne das Kind habe, irrte und von den zwei letzten Zähnen noch gar nichts wußte.

»Es ist mir bisweilen schwer ums Herz, daß ich hier förmlich überflüssig bin,« sagte sie beim Verlassen der Kinderstube, und nahm ihre Schleppe auf, um an den bei der Thür stehenden Spielgeräten vorüberzukommen. »So war es nicht bei meinem ersten Manne.«

»Ich dachte, im Gegenteil,« sagte Darja Aleksandrowna schüchtern.

»O nein; du weißt doch wohl, ich habe ihn gesehen – meinen Sergey,« sprach Anna, die Augen zusammenkneifend, als schaue sie nach etwas weit Entferntem. »Doch davon können wir ja später sprechen. Du glaubst nicht, ich bin wie eine Hungernde, der man plötzlich ein üppiges Mahl vorgesetzt hat, ohne daß sie weiß, wonach sie langen soll. Das üppige Mahl – bist du und die mir bevorstehenden Gespräche mit dir, die ich mit niemandem sonst führen konnte; ich weiß nun nicht, an welches Thema ich zuerst gehen soll. Mais je ne vous ferai grâce de rien – ich muß mich ganz aussprechen. Ich muß dir ein Bild von der Gesellschaft machen, die du bei uns findest,« begann sie, »und beginne mit den Damen. Da ist die Fürstin Barbara. Du kennst sie und ich kenne deine Meinung und diejenige Stefans über sie. Stefan sagt, der ganze Zweck ihres Daseins bestehe darin, ihren Vorzug vor ihrer Tante Katharina Pawlowna zu beweisen. Das ist ganz richtig, aber sie ist gut und ich bin ihr sehr dankbar. In Petersburg gab es für mich einen Moment, in welchem mir un chaperon notwendig war; da war sie bei mir; sie ist wahrhaftig gut, und hat mir meine Lage sehr erleichtert. Ich sehe Wohl, daß du die ganze Schwierigkeit derselben nicht begreifst – wie sie dort, in Petersburg war,« fügte sie hinzu. »Hier lebe ich nun vollkommen ruhig und glücklich; doch davon später, erst muß aufgezählt werden. Zweitens kommt Swijashskiy; er ist Präsident und ein sehr solider Mann, doch braucht er Aleksey in Manchem. Du verstehst jetzt, nachdem wir uns auf dem Lande niedergelassen haben, kann Aleksey mit seinen Verhältnissen großen Einfluß ausüben. Dann Tuschkjewitsch – du hast ihn ja gesehen; er war bei Betsy. Man hat ihn jetzt fallen lassen und er ist nun zu uns gekommen. Wie Aleksey sagt, ist er einer von denjenigen Menschen, die sehr angenehm sind, wenn man sie so nimmt, wie sie scheinen wollen – et puis, il est comme il faut – wie die Fürstin Barbara sagt. Ferner Wjeslowskiy – den kennst du ja. – Er ist ein sehr lieber Mensch,« sagte sie, mit schelmischem Lächeln die Lippen kräuselnd. »Was ist denn das für eine seltsame Geschichte mit Lewin gewesen? Wjeslowskiy hat sie Aleksey erzählt und wir können sie gar nicht glauben. Il est très-gentil et naif« sagte sie, wieder mit dem nämlichen Lächeln. »Die Männer bedürfen der Zerstreuung und Aleksey braucht Menschen um sich; daher schätze ich diese ganze Gesellschaft. Bei uns muß es lebhaft und heiter zugehen, damit sich Aleksey nichts Neues wünscht. Dann wirst du auch den Direktor sehen. Er ist ein Deutscher, ein sehr hübscher Mann, der auch seine Sache versteht; Aleksey schätzt ihn sehr hoch. Ferner ist da der Arzt, ein noch junger Mann; nicht gerade ein vollkommener Nihilist, aber, weißt du, ‚er ißt mit dem Messer‘ – sonst ist er ein sehr guter Arzt. Endlich ist noch der Architekt da. – Une petit cour.« –

14.

Am andern Tag um zehn Uhr klopfte Lewin, der schon die Ökonomie inspiziert hatte, an das Zimmer, in welchem Wasjenka übernachtete.

»Entrez!« rief ihm dieser entgegen. »Ihr entschuldigt mich wohl, ich bin soeben erst mit meinen ablutions fertig,« sagte er lächelnd, im bloßen Hemde vor ihm stehend. »Laßt Euch nicht stören, bitte,« sagte Lewin und setzte sich ans Fenster. »Habt Ihr gut geschlafen?«

»Wie ein Toter. Was für ein Tag doch heute zur Jagd wäre!«

»Trinkt Ihr Thee oder Kaffee?«

»Weder dies, noch das: ich frühstücke. Mir liegt übrigens etwas auf dem Herzen. Haben sich die Damen bereits erhoben? Jetzt läßt sichs vortrefflich einen Rundgang machen. Zeigt mir doch einmal Eure Pferde!«

Nachdem Lewin mit durch den Garten gegangen und im Pferdestall eine Weile gewesen, selbst einige gymnastische Übungen mit ihm am Barren gemacht hatte, wandte er sich mit seinem Gaste dem Hause wieder zu und trat mit ihm in den Salon.

»Wir haben vortrefflich gejagt, und wieviele Eindrücke empfangen,« sagte Wjeslowskiy, zu Kity gehend, welche hinter dem Ssamowar saß. »Wie schade, daß die Damen dieser Vergnügungen beraubt sind.«

»Nun, er muß doch mit der Frau des Hauses sprechen,« dachte Lewin bei sich; es zeigte sich ihm wiederum Etwas in dem Lächeln in jenem triumphierenden Ausdruck, mit dem sich der Besucher an Kity wandte.

Die Fürstin, jenseits des Tisches mit Marja Wlasjewna und Stefan Arkadjewitsch sitzend, rief Lewin zu sich und begann mit ihm ein Gespräch über die Umsiedelung nach Moskau wegen der Niederkunft Kitys und der Anstalt zur Bestimmung eines Quartiers.

Wie für Lewin schon alle Vorbereitungen bei der Hochzeit unangenehm gewesen waren, die mit ihrer Niedrigkeit die Erhabenheit dessen, was sich vollzog, beeinträchtigten, so erschienen ihm die Anstalten für die bevorstehende Niederkunft, deren Zeit gleichsam an den Fingern abgezählt wurde, noch verletzender. Er suchte geflissentlich während dieser ganzen Zeit, die Gespräche über die Art der Windelung des zu erwartenden Kindes zu überhören; er bemühte sich, gewisse geheimnisvolle endlose gestrickte Streifen, gewisse dreieckige Stückchen Leinwand, denen namentlich Dolly eine besondere Wichtigkeit beimaß, und andere Dinge von sich zu weisen und nicht zu sehen.

Das Ereignis der Geburt eines Sohnes – er war überzeugt, es werde ein Sohn sein – das man ihm in Aussicht gestellt hatte, an welches er aber gleichwohl nicht zu glauben vermochte, so ungewöhnlich dünkte es ihm – erschien ihm einerseits als ein so ungeheuerliches und daher unmögliches Glück, andererseits als ein so geheimnisvoller Vorgang – daß diese vermeintliche Kenntnis dessen, was kommen würde, und demnach die Vorbereitung dazu als zu etwas Gewöhnlichem, von Menschen herbeigeführtem, ihm ärgerlich und herabwürdigend vorkam.

Aber die Fürstin verstand seine Empfindungen nicht; sie erklärte seine Unlust, darüber zu denken, zu sprechen, als Leichtsinn und Gleichgültigkeit; und ließ ihn infolge dessen nicht in Ruhe. Sie übertrug es Stefan Arkadjewitsch, eine Wohnung zu besichtigen, und rief nun Lewin zu sich.

»Ich weiß nichts, Fürstin. Thut, was Ihr wollt,« sagte dieser.

»Es muß aber ein Entschluß gefaßt werden, wann Ihr übersiedelt.«

»Ich weiß es wirklich nicht. Ich weiß nur, daß Kinder zu Millionen auch ohne Moskau geboren werden, und ohne Ärzte – wozu das« –

»Aber wenn es so steht« –

»Nun; wie Kity will« –

»Mit Kity läßt sich hierüber nicht reden. Wie; willst du, daß ich sie erschrecken soll? In diesem Frühling ist die Nataly Galizina gestorben durch die Schuld eines Geburtsfehlers.«

»Wie Ihr sagt, werde ich thun,« sagte er finster.

Die Fürstin begann nun mit ihm weiter zu sprechen, aber er hörte sie gar nicht. Obwohl ihn das Gespräch mit der Fürstin verstimmte, wurde er nicht infolge desselben mißlaunig, sondern durch das, was er bei dem Ssamowar sah.

»Nein; es ist unmöglich,« dachte er, bisweilen nach Wasjenka blickend, der zu Kity herniedergebeugt, dieser mit seinem hübschen Lächeln etwas erzählte, und sie anblickte, die errötete und erregt war. Es lag etwas Indecentes in der Stellung Wasjenkas, in seinem Blick, und seinem Lächeln. Lewin sah sogar etwas Indecentes auch in der Haltung und im Blick Kitys. Und wiederum verfinsterte sich die Welt vor seinen Augen. Wiederum, wie gestern, plötzlich, ohne den geringsten Übergang, fühlte er sich von der Höhe seines Glückes, seiner Ruhe und Würde herabgeschleudert, in einen Abgrund der Verzweiflung, Wut und Erniedrigung. Wiederum wurde ihm jedermann und alles widerlich.

»Macht was Ihr wollt, Fürstin,« sagte er nochmals, sich umblickend.

»Es ist gar schwer, alles allein thun zu sollen,« sagte Stefan Arkadjewitsch scherzweise zu ihm, offenbar nicht nur auf das Gespräch mit der Fürstin deutend, sondern auch auf die Ursache der Aufregung Lewins, welche er bemerkt hatte. »Wie kommst du heute so spät, Dolly!«

Alles erhob sich, um Darja Aleksandrowna zu begrüßen. Wasjenka stand nur für eine Minute auf, und verbeugte sich kaum, mit dem den neumodischen jungen Herrn eigenem Mangel an Höflichkeit gegen die Damen, worauf er seine Unterhaltung wieder fortsetzte, über irgend etwas in Gelächter ausbrechend.

»Mich hat Mascha gepeinigt. Sie schlief schlecht und ist heute entsetzlich launisch gewesen,« sagte Dolly.

Das Gespräch, welches Wasjenka und Kity pflogen, drehte sich wiederum um das gestrige Thema, um Anna und die Frage, ob die Liebe höher stehen könne als die Gesetze der Welt.

Kity war das Gespräch unangenehm geworden; es regte sie schon durch seinen Inhalt auf, sowie durch den Ton, in welchem es geführt wurde, namentlich aber dadurch, daß sie schon inne geworden war, wie es auf ihren Mann wirke. Sie war indessen zu naiv und zu unschuldig, um es zu verstehen, das Gespräch abzubrechen, etwa schon um deswillen, jenes äußere Behagen, welches ihr die sichtliche Aufmerksamkeit dieses jungen Mannes verursachte, zu verbergen.

Sie wollte das Gespräch abbrechen, wußte aber nicht, was sie da zu thun habe. Was sie auch alles thun mochte, sie wußte, es wurde von ihrem Gatten bemerkt, und alles werde auch nach der üblen Seite ausgelegt werden.

Und in der That, als sie Dolly frug, was mit Mascha sei, und Wasjenka wartete, bis dieses für ihn langweilige Gespräch vorüber sein werde, und er sich einstweilen damit beschäftigte, Dolly gleichgültig anzuschauen, so erschien Lewin diese Frage unnatürlich und anwidernd in ihrer Verschmitztheit.

»Nun; werden wir denn heute in die Pilze gehen?« frug Dolly.

»Laß uns gehen, bitte; auch ich komme mit!« sagte Kity und errötete. Sie wollte Wasjenka aus Höflichkeit fragen, ob er mitkäme, frug aber nicht. »Wohin willst du, Konstantin?« frug sie mit schuldbewußtem Ausdruck ihren Gatten, als dieser mit entschlossenem Schritt an ihr vorüberging. Dieser schuldbewußte Ausdruck bestätigte alle seine Zweifel.

»In meiner Abwesenheit ist ein Maschinist angekommen, ich habe ihn noch nicht gesehen,« sagte er, ohne sie anzublicken. Er ging hinab, hatte aber das Kabinett noch nicht verlassen, als er die wohlbekannten Schritte seiner Frau vernahm, die ihm unvorsichtig schnell nachkam. »Was willst du?« sagte er lakonisch zu ihr. »Ich bin beschäftigt.«

»Entschuldigt,« wandte sie sich an den deutschen Maschinisten, »ich habe einige Worte mit meinem Manne zu sprechen.«

Der Deutsche wollte gehen, doch Lewin sagte zu ihm:

»Laßt Euch nicht stören.«

»Den Dreiuhrzug?« frug der Deutsche, »sollte man sich nicht verspätigen können?«

Lewin antwortete ihm nicht, sondern ging mit seiner Frau hinaus.

»Nun, was habt Ihr nur zu sagen?« sprach er auf französisch.

Er blickte nicht in ihr Gesicht, wollte nicht sehen, daß sie, in ihrem Gesundheitszustand im ganzen Gesicht bebte und einen kläglichen beschämten Ausdruck zeigte.

»Ich – ich will sagen, daß man so nicht leben kann, daß das eine Marter ist,« fuhr sie fort.

»Es sind Leute dort im Buffett,« sprach er zornig, »macht keine Scene!«

»Nun; gehen wir hierher!«

Sie standen in einem Zwischenzimmer. Kity wollte in das Nebenzimmer treten, doch dort unterrichtete die Engländerin Tanja.

»So wollen wir in den Garten gehen.«

Im Garten stießen sie auf einen Mann, welcher den Weg säuberte. Aber ohne daran zu denken, daß der Mann ihr verweintes Gesicht sehe und Lewins erregte Züge, ohne daran zu denken, daß sie den Anblick von Menschen boten, welche vor einem Unglück fliehen, gingen sie mit schnellen Schritten vorwärts im Gefühl, daß sie sich aussprechen und gegenseitig überzeugen müßten; von einer und derselben Qual eingenommen oder befreit werden müßten, die sie beide empfanden.

»So läßt sich nicht leben! Das ist eine Qual! Ich leide, du leidest! Und weshalb?« sagte sie, als beide endlich zu einer abgelegenen Bank in der Ecke einer Lindenallee gekommen waren.

»Sage mir nur das Eine: War in seinem Tone etwas Unehrerbietiges, Unlauteres, Erniedrigendes?« sprach er, vor sie wieder in der nämlichen Stellung tretend, die Fäuste auf der Brust, wie er in jener Nacht vor ihr gestanden.

»Es lag etwas darin,« sagte sie mit zitternder Stimme. »Aber, mein Konstantin, siehst du denn nicht, daß ich gar nicht schuldig bin? Seit dem Morgen schon wollte ich einen Ton annehmen – aber diese Menschen – warum ist er nur gekommen? Wie glücklich waren wir!« sprach sie, tiefatmend vor Schluchzen, welches ihren sich allmählich füllenden Körper hob.

Der Gärtner sah mit Verwunderung – trotzdem, daß sie nichts verfolgte und sie nichts zu fliehen hatten, daß auch auf der Bank nichts besonderes Erfreuliches zu finden sein konnte – daß sie an ihm vorüber nach dem Hause zurückkehrten, mit beruhigten, freudeschimmernden Gesichtern.

9.

»Was haben wir denn für eine Marschroute? Erzähle doch gefälligst ein wenig,« sagte Stefan Arkadjewitsch.

»Der Plan ist folgender: Jetzt werden wir bis Gwozdjowo fahren. In Gwozdjowo befindet sich diesseits eine Niederung mit Schnepfen, hinter Gwozdjowo aber ziehen sich wunderbare Bekassinensümpfe hin, und Schnepfen sind auch da. Es ist jetzt heiß; wir werden gegen Abend – es sind noch zwanzig Werst – ankommen, ein Abendfeld nehmen, dann übernachten, und morgen schon in die großen Sümpfe gehen.«

»Aber giebt es denn unterwegs nichts?«

»O doch, aber wir würden uns da nur aufhalten und es ist heiß. Es giebt zwei ausgezeichnete Plätze, aber schwerlich wird es da etwas geben.«

Lewin hatte selbst Lust, nach jenen Plätzen zu gehen, aber dieselben lagen seiner Wohnung zu nahe und er konnte sie stets erreichen; die Plätze waren auch klein – drei konnten nicht auf ihnen schießen. Infolge dessen schlug er im Geiste einen Haken, und sagte, es dürfte kaum etwas dort zu finden sein. Als sie an dem kleinen Sumpfe angekommen waren, wollte Lewin Vorüberfahren, doch der erfahrene Jägerblick Stefan Arkadjewitschs unterschied sogleich die vom Wege her sichtbare Feuchtigkeit.

»Wollen wir nicht hinfahren?« sagte er, auf den Sumpf weisend.

»Lewin bitte; wie reizend!« begann Wasjenka Wjeslowskiy zu bitten, und Lewin mußte einwilligen.

Sie hatten noch nicht Halt gemacht, als schon die Hunde, sich gegenseitig jagend, dem Sumpf zuflogen.

»Krak! Laska!«

Die Hunde kehrten zurück.

»Zu Dreien wird es uns zu eng werden. Ich werde hier bleiben,« sagte Lewin, in der Hoffnung, daß sie nichts finden möchten als Kibitze, die sich vor den Hunden erhoben und sich im Fluge überschlagend, kläglich über dem Sumpfe schrieen.

»Nein! – Kommt! Wir wollen zusammen gehen, Lewin!« rief Wjeslowskiy.

»Richtig ist das; es wird zu eng! – Laska, zurück; – Laska! – Braucht Ihr dann nicht einmal einen anderen Hund?«

Lewin blieb bei dem Wagen und schaute voll Mißgunst auf die Jäger. Diese durchwanderten den ganzen Sumpf, aber außer einer Henne und Kibitzen, von denen Wjeslowskiy einen erlegte, war nichts darin.

»Nun da seht Ihr, daß ich den Sumpf nicht bedauerte,« sagte Lewin, »Wohl aber den Zeitverlust.«

»Ach nein; es war immerhin ganz hübsch! Habt Ihr es gesehen?« sprach Wasjenka Wjeslowskiy, unbehilflich auf den Wagen kletternd, die Flinte und den Kibitz in den Händen. »Wie ich den gut getroffen habe, nicht wahr? Nun, werden wir denn bald an den richtigen Ort kommen?«

Plötzlich rissen die Pferde in das Geschirr, Lewin schlug mit dem Kopf an den Lauf eines der Gewehre, und ein Schuß ging los. Der Schuß an sich ertönte schon früher, aber es schien Lewin nur so. Wasjenka Wjeslowskiy hatte, die Hähne in Ruhe setzend, den einen Drücker berührt, während er den andern Hahn gehalten hatte.

Die Ladung ging in die Luft, ohne jemand Schaden zuzufügen. Stefan Arkadjewitsch schüttelte den Kopf und lächelte Wjeslowskiy vorwurfsvoll zu, Lewin aber war nicht in der Stimmung, ihm einen Vorwurf zu machen; erstens wäre jeder Vorwurf nur durch die vorübergegangene Gefahr und die Beule, welche auf der Stirn Lewins auftrat, hervorgerufen erschienen, zweitens aber war Wjeslowskiy anfangs so naiv ärgerlich, und fing dann so gutmütig und ansteckend an über die allgemeine Aufregung zu lachen, daß es unmöglich war, nicht mit zu lachen.

Als sie an den zweiten Sumpf gelangten, welcher ziemlich groß war, und daher viel Zeit in Anspruch nehmen mußte, suchte Lewin dahin zu wirken, daß man nicht hineinging. Doch Wjeslowskiy besiegte ihn wieder durch sein Bitten, und wiederum blieb Lewin, als gastfreundlicher Wirt, bei dem Wagen zurück.

Sogleich bei der Ankunft witterte Krack nach den Maulwurfshügeln. Wasjenka Wjeslowskiy lief als der Erste hinter dem Hunde her und Stefan Arkadjewitsch war noch nicht herangekommen, als schon ein Vogel aufging. Wjeslowskiy schoß fehl und der Vogel ließ sich in einer ungemähten Wiese wieder nieder. Wjeslowskiy aber war diese Beute bestimmt. Krack fand sie wieder auf, stellte sie und er schoß sie und kehrte dann zu dem Wagen zurück.

»Jetzt geht Ihr, und ich will bei den Pferden bleiben,« sprach er.

Lewin begann der Jagdneid zu ergreifen. Er übergab Wjeslowskiy die Zügel und begab sich in den Sumpf.

Laska, der schon lange kläglich gewinselt und sich über die Ungerechtigkeit beklagt hatte, eilte vorauf direkt nach einem verheißungsvollen, Lewin bekannten Gebiet, in welches Krack noch nicht gekommen war.

»Weshalb hältst du ihn denn nicht zurück?« rief Stefan Arkadjewitsch.

»Er wird dich nicht schrecken,« antwortete Lewin, voll Freude über seinen Hund, und ihm eilig folgend.

Auf der Suche Laskas wuchs, je näher dieser den bekannten zügeln kam, mehr und mehr der Ernst der Situation. Ein kleiner Sumpfvogel zerstreute diesen nur auf einen Augenblick. Er beschrieb einen Kreis vor den Hügeln, begann einen zweiten, erschrak dann plötzlich und verschwand.

»Geh, geh Stefan!« rief Lewin, welcher fühlte, wie ihm das Herz höher zu schlagen begann, und wie plötzlich, gleich als ob sich ein Riegel in seiner seelischen Spannung zurückbewege, alle Geräusche, den Maßstab ihrer Entfernung verlierend, ihn ungeregelt, aber scharf zu treffen begannen. Er vernahm die Schritte Stefan Arkadjewitschs, sie für das ferne Stampfen der Pferde haltend, er vernahm das spröde Geräusch der mit den Wurzeln sich loslösenden Ecke eines Maulwurfhaufens, auf welchen er getreten war, indem er dasselbe für den Flug eines Vogels hielt. Er vernahm auch im Rücken in nicht großer Entfernung ein Klatschen auf dem Wasser, von welchem er sich nicht Rechenschaft zu geben vermochte.

Indem er sich einen Standort für die Füße suchte, bewegte er sich auf seinen Hund zu.

Eine Bekasse machte sich vor dem Hunde auf. Lewin legte das Gewehr an, aber in dem Augenblicke, als er zielte, verstärkte sich jenes Geräusch von Klatschen auf dem Wasser; es kam näher, und mit ihm vereinigte sich die Stimme Wjeslowskiys, der in sonderbarer Weise laut rief.

Lewin sah, daß er mit der Flinte die Bekassine von hinten treffen werde, schoß aber gleichwohl.

Überzeugt, daß er einen Fehlschuß gethan, blickte er um sich und gewahrte, daß die Pferde mit dem einen Jagdwagen gar nicht mehr auf dem Wege, sondern im Sumpfe waren.

Wjeslowskiy, welcher das Schießen hatte sehen wollen, war in den Sumpf gefahren und hatte die Pferde in eine Untiefe geführt.

»Hol ihn der Teufel,« sagte Lewin zu sich selbst, zu der feststeckenden Equipage zurückkehrend. »Weshalb seid Ihr denn fortgefahren,« sagte er mit dürren Worten zu ihm, und machte sich, nachdem er den Kutscher herbeigerufen hatte, daran die Pferde loszubringen.

Lewin war verdrießlich geworden, daß man ihn im Schießen gestört und die Pferde in den Sumpf geführt hatte, hauptsächlich aber auch, daß bei dem Ausspannen der Pferde, was erforderlich war um sie wieder freizumachen, weder Stefan Arkadjewitsch, noch Wjeslowskiy ihm und dem Kutscher Hilfe leisteten, weil weder dieser noch jener auch nur den geringsten Begriff davon hatte, worin eigentlich das Anschirren bestehe Ohne Wjeslowskiy ein Wort auf dessen Versicherung, es sei hier ganz trocken, zu antworten, arbeitete Lewin schweigend mit dem Kutscher daran, die Pferde zu befreien.

Als er indessen bei der Arbeit warm geworden war und sah, wie beflissen und eifrig Wjeslowskiy den Wagen an der Deichselstange zog, sodaß er diese sogar abbrach, machte er sich selbst Vorwürfe darüber, daß er unter dem Einfluß der gestrigen Empfindung allzu kalt gegen Wjeslowskiy gewesen war, und bemühte sich mit besonderer Liebenswürdigkeit seine Barschheit wieder gutzumachen.

Nachdem alles wieder in Ordnung gebracht war, und die Wagen sich wieder auf dem Wege befanden, ließ Lewin das Frühstück bringen.

»Bon appétit – bonne conscience! Ce poulet va tomber jusqu’au fond de mes bottes,« sagte Wjeslowskiy wieder lustig geworden, mit einem französischen Sprichwort, ein zweites Hühnchen verspeisend. »Jetzt sind unsere Leiden zu Ende und alles wird nun glücklich gehen. Nur will ich wegen meines Vergehens dazu gezwungen sein, auf dein Bocke zu sitzen. Ist es nicht recht so? Nein, ich bin Automedon! Paßt auf, wie ich Euch fahren werde!« versetzte er, ohne die Zügel loszugeben, als ihn Lewin bat, den Kutscher fahren zu lassen. »Nein; ich muß mein Vergehen wieder gut machen, und befinde mich ganz wohl auf dem Bocke,« und er fuhr.

Lewin fürchtete ein wenig, er möchte die Pferde malträtieren, besonders das Handpferd, einen Fuchs, den er nicht zu lenken verstand; doch unwillkürlich fügte er sich seiner Heiterkeit, lauschte er den, Romanzen, welche Wjeslowskiy, auf dem Bocke sitzend, den ganzen Weg entlang sang, oder seinen Erzählungen und Vorführungen, wie man auf englische Manier four in hand fahre – und alle fuhren nach dem Frühstück in der heitersten Stimmung nach dem Sumpfe von Gwozdjowo.

10.

Wasjenka trieb die Pferde so schnell, daß sie zu früh bei dem Sumpfe ankamen, und es noch immer heiß war.

Als sie bei der Niederung angelangt waren, dem Hauptziele der Fahrt, dachte Lewin unwillkürlich, wie er Wasjenka los werden und ohne eine Störung jagen könnte. Stefan Arkadjewitsch wünschte augenscheinlich das Nämliche, und auf seinem Gesicht sah Lewin den Ausdruck einer Besorgnis, welche bei dem echten Jäger stets vor Beginn der Jagd da zu sein pflegt, sowie den einer gewissen ihm eigenen gutmütigen Verschlagenheit.

»Wie wollen wir fahren? Der Sumpf ist ausgezeichnet, ich sehe es; auch Habichte sind da,« sagte Stefan Arkadjewitsch auf zwei über dem Ried kreisende, große Vögel weisend. »Wo Habichte sind, ist sicher auch Wild.«

»Nun, seht ihr Herren,« sagte Lewin, mit etwas mürrischem Ausdruck seine Stiefel hochziehend und die Pistons auf dem Gewehr nachsehend; »seht ihr diesen Ried?« Er wies auf eine kleine, dunkel in Schwarzgrün schimmernde Insel, in einem weiten, sich auf dem rechten Ufer des Flusses ausdehnenden, bis zur Hälfte gemähten nassen Wiesengrund. »Der Sumpf beginnt hier, gerade vor uns, seht ihr – wo das Grün ist. Von da geht er rechts, wo die Pferde sind; – hier befinden sich auch Maulwurfshaufen und Bekassinen – dann rund um diese Wiese bis zu jenem Erlenwald und dicht bis zu der Mühle, dort wo man die Bucht sieht. Das ist ein ausgezeichneter Platz; ich habe einmal siebzehn Bekassinen hier geschossen; wir wollen uns nun mit den beiden Hunden nach den verschiedenen Seiten trennen, und dort bei der Mühle wieder zusammenkommen.«

»Aber wer geht rechts; wer links?« frug Stefan Arkadjewitsch. »Rechts ist es weiter; geht dort zu Zweien, ich will links gehen,« sagte er, so harmlos, wie er nur konnte.

»Schön; wir wollen ihn überschießen; also gehen wir, gehen wir,« drängte Wasjenka.

Lewin konnte damit nur einverstanden sein, und so trennten sie sich. Kaum waren sie in den Sumpf gelangt, als beide Hunde gleichzeitig zu suchen begannen und nach dem Schlamme witterten. Lewin kannte dieses Suchen Laskas, vorsichtig und zurückhaltend; er kannte auch den Platz, und erwartete den Schwarm der Schnepfen.

»Wjeslowskiy, geht nebenher, nebenher!« sagte er mit leiser Stimme, zu dem im Wasser hinterher plätschernden Gefährten, dessen Gewehrlaufrichtung Lewin nach dem unvorhergesehenen Schuß am Kolpenskischen Sumpfe unwillkürlich interessierte.

»Ach nein, ich will Euch nicht im Wege sein, denkt nur nicht an mich!«

Lewin dachte aber unwillkürlich an ihn, und rief sich die Worte Kitys ins Gedächtnis, mit denen diese ihn von sich gelassen: »Paßt auf, und schießt einander nicht!« – Näher und näher kamen die Hunde, einer am anderen vorüber und jeder seine Spur verfolgend; die Erwartung war so mächtig, daß Lewin das Schmatzen seines aus dem Schlamme emporgehobenen Stiefelabsatzes als Schrei einer Schnepfe erschien, sodaß er den Kolben des Gewehres packte und preßte.

»Puff, puff,« klang es ihm in die Ohren. Wasjenka hatte in eine Schar Enten geschossen, welche über dem Sumpfe schwebten und jetzt bei weitem noch nicht für Jäger in Schußweite gekommen waren. Lewin hatte sich kaum umgeschaut, als eine Schnepfe schmatzte; eine zweite, eine dritte – noch acht dazu erhoben sich – eine nach der anderen..

Stefan Arkadjewitsch erlegte eine gerade im Augenblick, als sie ihre Zickzacklinien zu beschreiben begann, und die Schnepfe fiel wie ein Klumpen in den Moorgrund. Oblonskiy legte hastig auf eine zweite an, die noch niedrig flog, und auch diese fiel, zugleich mit dem Fall des Schusses, und es war deutlich zu erkennen, wie sie von dem gemähten Grunde aufsprang, mit dem heilgebliebenen weißen Flügel schlagend.

Lewin war nicht so glücklich; er hatte auf die erste Schnepfe zu nahe geschossen und gefehlt; er hatte auf sie angelegt, indem sie sich noch erhob, aber zur gleichen Zeit flog noch eine weitere dicht vor seinen Füßen auf, lenkte ihn ab, und er that einen zweiten Fehlschuß.

Während sie die Gewehre wieder luden, erhob sich eine weitere Bekassine und Wjeslowskiy, der soeben zum zweitenmale geladen hatte, sandte ihr über das Wasser noch zwei Ladungen seinen Schrot nach. Stefan Arkadjewitsch sammelte seine Schnepfen und schaute mit glänzenden Augen auf Lewin.

»Nun, jetzt wollen wir uns trennen,« sprach er, und schritt, auf dem linken Fuße hinkend, die Flinte in Bereitschaft haltend und dem Hunde pfeifend, nach der einen Seite.

Lewin mit Wjeslowskiy gingen nach der anderen.

Lewin ging es stets so, daß er, wenn die ersten Schüsse unglücklich waren, in Wallung geriet, ärgerlich wurde und den ganzen Tag schlecht schoß. So war es auch jetzt.

Bekassinen zeigten sich eine Menge; dicht vor den Hunden, vor den Füßen der Jäger gingen sie unaufhörlich auf, und Lewin hätte sein Mißgeschick wieder gut machen können, aber je mehr er schoß, umsomehr blamierte er sich vor Wjeslowskiy, der wolgemut darauf losplatzte, ohne etwas zu erlegen, dadurch aber nicht im geringsten aus der Fassung kam.

Lewin geriet in Unruhe, und mehr und mehr in Hitze, so daß er beim Schießen schon fast nicht mehr hoffte, noch etwas zu erlegen. Auch Laska schien dies zu verstehen; er begann, träger zu suchen, und schaute wie zweifelnd und vorwurfsvoll auf die Jäger. Schuß auf Schuß fiel. Pulverdampf lagerte sich um die Jäger, aber in dem großen Netze der Jagdtasche befanden sich nur drei leichte kleine Bekassinen, von denen eine noch durch Wjeslowskiy, eine von beiden gemeinsam erlegt war. Währenddem vernahm man auf der andern Seite des Sumpfes zwar nicht häufige, wohl aber, wie Lewin schien, bedeutungsvolle Schüsse von Stefan Arkadjewitsch, bei denen fast nach einem jeden ein: »Krak, Krack, apport!« hörbar wurde.

Dies regte Lewin noch mehr auf; die Bekassinen kreisten ohne Aufhören in der Luft über der Niederung. Ihr Schmatzen am Boden und das Schnarren in der Höhe war ohne Unterbrechung von allen Seiten vernehmbar; die vorher aufgestiegenen, und in der Luft kreisenden Vögel ließen sich vor den Jägern nieder und anstatt zweier Habichte schwebten jetzt deren zehn pfeifend über dem Sumpfe.

Nachdem sie die größere Hälfte des Sumpfes durchschritten hatten, gelangten Lewin und Wjeslowskiy zu einer Stelle, auf welcher mit langen Streifen eine Bauernwiese abgeteilt war, durch eingetretene Streifen, und durch einen gemähten Schwaden angemerkt. Die Hälfte dieser Wiese war schon gemäht.

Obwohl nun wenig Hoffnung war, auf dem nichtgemähten Teil ebensoviel zu finden, wie auf dem gemähten, so hatte Lewin Stefan Arkadjewitsch doch einmal versprochen, mit diesem wieder zusammentreffen zu wollen, und schritt er daher mit seinem Gefährten weiter durch die gemähten und ungemähten Streifen hindurch.

»He da, ihr Jäger!« – rief ihnen aus einem Trupp Bauern, welche bei einem ausgespannten Wagen saßen, einer zu, »kommt her, eßt mit uns Mittag! Hier giebt es auch Branntwein zu trinken!« –

Lewin schaute sich um.

»Komm nur her!« rief ein heiterer bärtiger Landmann mit rotem Gesicht, die Weißen Zähne lächelnd zeigend, und die grünliche, in der Sonne blitzende Flasche hochhaltend.

» Qu’est ce qu’ils disent?« frug Wjeslowskiy.

»Sie laden uns ein zum Branntweintrinken. Wahrscheinlich haben sie die Wiesen geteilt. Ich möchte schon einmal trinken,« sagte Lewin nicht ohne Hintergedanken, in der Hoffnung, Wjeslowskiy möchte sich vom Branntwein verführen lassen und mit zu ihnen hingehen.

»Weshalb laden sie uns ein?« –

»Nun; sie sind guter Laune. Geht doch einmal hin zu ihnen. Es wird Euch interessieren.«

» Allons, c’est curieux

»Geht, geht, Ihr werdet den Weg zur Mühle schon finden!« rief Lewin, schaute sich um, und bemerkte mit Vergnügen, daß Wjeslowskiy, stolpernd und mit müden Beinen, das Gewehr in dem gestreckten Arm haltend, sich aus dem Ried zu den Bauern herausarbeitete.

»Komm du doch auch!« rief der Bauer Lewin zu. »Alle Wetter, es giebt Pasteten zu essen!«

Lewin gelüstete es stark, einmal Branntwein zu trinken, und ein Stück Brot zu essen. Er war müde geworden und fühlte, daß er nur noch mit Mühe die einsinkenden Füße aus dem Morast zog; und einen Moment schwankte er. Doch sein Hund hatte gestellt, und sofort war alle Müdigkeit verschwunden; leicht schritt er über das Moor hin seinem Hunde zu. Unter seinen Füßen flog eine Bekassine auf, er feuerte und erlegte sie – der Hund stand noch immer. »Los!« vor dem Hunde erhob sich eine zweite. Lewin schoß; allein der Tag war nicht glücklich; er fehlte, und als er die erlegte Schnepfe suchen wollte, fand er sie nicht einmal. Er suchte den ganzen Ried ab, aber Laska wollte nicht glauben, daß er eine Schnepfe erlegt habe, und als Lewin ihm befahl, zu suchen, that er, als ob er suche, suchte aber nicht.

Auch ohne Wasjenka, welchem Lewin sein Unglück beimaß, wurde also die Sache nicht besser. Bekassinen waren auch hier viel, aber Lewin that Fehlschuß auf Fehlschuß.

Die schrägfallenden Strahlen der Sonne waren noch heiß, die Kleider, von Schweiß durch und durch naß, klebten ihm am Leibe, der linke Stiefel, voller Wasser, war schwer und schmatzte; über das vom Pulverschmand besudelte Gesicht rann der Schweiß in Tropfen, im Munde machte sich ein bitterer Geschmack fühlbar, in der Nase Pulvergeruch und Schlammduft, und in den Ohren klang das unausgesetzte Schnarren der Schnepfen; die Flintenläufe durfte er nicht anrühren, so erhitzt waren sie, das Herz Pochte ihm schnell und kurz, die Hände zitterten vor Erregung und die mattgewordenen Beine stolperten und blieben in den Maulwurfhaufen und im Morast stecken; aber er ging weiter und schoß. Endlich, nachdem er wiederum einen schmählichen Fehlschuß gethan, warf er das Gewehr und die Mütze zu Boden.

»Nein; erst muß ich zur Besinnung kommen!« sagte er zu sich selbst. Flinte und Mütze wieder aufhebend, rief er Laska zu seinen Füßen, und verließ den Ried. Als er auf das Trockene gekommen war, setzte er sich auf einen Erdhaufen, zog sich aus, goß die Stiefel aus, ging dann zum Sumpfe zurück und trank Etwas von dem Wasser mit schlammigem Beigeschmack, feuchtete die glühenden Läufe an und wusch sich Gesicht und Hände. Nachdem er sich so erfrischt hatte, begab er sich wieder nach dem Platze, auf dem sich eine Bekassine niedergesetzt hatte, mit dem festen Vorsatz, nicht in Aufregung zu geraten.

Er wollte ruhig sein, aber es blieb beim Alten. Sein Finger berührte den Drücker früher, als er den Vogel aufs Korn genommen hatte; es ging schlechter und schlechter.

Er hatte nur fünf Stück in seiner Jagdtasche, als er aus dem Ried heraus zu dem Erlenwalde kam, wo er mit Stefan Arkadjewitsch zusammentreffen sollte.

Bevor er diesen jedoch selbst erblickte, gewahrte er seinen Hund. Hinter der Wurzel einer Erle hervor sprang Krack, ganz schwarz von übelriechendem Moorschlamm, und beschnüffelte Laska mit dem Ausdruck des Siegers. Hinter Krack erschien im Schatten der Erlen nun auch die stattliche Gestalt Stefan Arkadjewitschs, der ihm, rot aussehend, schweißbedeckt mit aufgeknöpftem Kragen, noch immer hinkend, entgegenkam.

»Nun, wie steht es? Ihr habt viel geschossen!« sagte er heiter lächelnd.

»Und du?« frug Lewin. Das Fragen war indes nicht nötig, weil er schon die gefüllte Jagdtasche erblickt hatte.

»O, nichts von Bedeutung.«

Er hatte vierzehn Stück.

»Ein famoser Sumpf! Dich, scheint es, hat Wjeslowskiy gestört. Zwei mit einem Hunde, das ist allerdings unbequem,« sagte Stefan Arkadjewitsch, seine Siegesfreude bezwingend.