828. Die Ritter vom Altenstein

828. Die Ritter vom Altenstein

Auf dem fränkischen Schlosse Altenstein saßen dreizehn Ritterbrüder des uralten Geschlechtes derer von Altenstein, die waren in Fehde mit dem Bischof Iring von Reinstein zu Würzburg. Beide Gegner, der Bischof und die Ritter, waren kriegslustig und mannlich und schädigten einander nach Herzenslust, doch kämpften nur zwölf Altensteiner gegen Iring, denn ihr dreizehnter Bruder, Seifried geheißen, ein Johanniter, war im Ausland. Der Bischof belagerte Burg Altenstein, das war sehr fest und trutzlich, und die Brüder mit ihrem Ingesinde schlugen jeden stürmenden Angriff ab. Da griff der Bischof zum unrühmlichen Mittel schnöder List, denn er wollte um jeden Preis die Ritter bändigen und demütigen; daher bot er den zwölf Brüdern friedlichen Vergleich an, und diese gewährten seinen Wunsch, öffneten dem Feind mit einigen seiner Mannen die sichere Felsenfeste und bewirteten ihn köstlich. Nach der Mahlzeit ging der Bischof in sein Gemach und heischte da mit den Brüdern zu reden und gütlichen Vertrages zu pflegen; doch mit jedem besonders. Sowie nun einer der Ritter von Stein eintrat in das Zimmer des Bischofs, ward er durch einen unversehenen Schwertstreich meuchlings gefällt. So waren eilf Brüder gefallen, als den letzten und mannlichsten der Ritter eine schwere Ahnung erfaßte; bewaffnet trat er ein, sah den fürchterlichen Bischof triumphierend über den Leichnamen der Gemordeten stehen und drang mit seinem Weidmesser auf den Bischof ein; da packten ihn aber schon die Mordgesellen, und er behielt nur noch Kraft, das Weidmesser nach dem Bischof mit einem Fluche zu schleudern; doch traf es nicht des Mörders Hals oder Herz, sondern nur seine Nase, die davon um ein kleines kürzer wurde. Dann sank auch der tapfere Hervegen in sein Blut. Im Kloster Langheim wurden die zwölf Ritter beerdigt, andere sagen, nur die Häupter. Noch zeigt man in den Burgruinen das Gemach, darin die schauderhafte Untat verübt worden. Der Platz, wo sie geschehen, wird Untereichelboden genannt. – Seifried von Altenstein kehrte aus der Fremde zurück, entbot, als er die grause Tat vernahm, dem Hochstift Würzburg neue Fehde und ruhte nicht, bis er in das Erbe seiner ermordeten Brüder wieder eingesetzt war; er war es, von dem die späteren Altensteiner ihre Abkunft herleiten. Man sagt, Seifried habe eine Zeitlang sich unerkannt gehalten und habe als Maurer gearbeitet, und davon sollen auch die drei Hämmer im Wappen der fränkischen Herren von Altenstein herrühren. Die verkehrten Altertumsdiftler, die nicht der Geschichte in das Herz, sondern woandershin blicken, haben aber freilich des Wappens Ursprung höher hinauf gediftelt und gedeutelt und besagte Hämmer der Familie abgeleitet vom Hammer des Donnergottes Thor – die überklugen Toren. Von der grausen blutigen Tat des Bischofs an den Altensteinern leben noch alte Reime, die sagen, es wären nicht dreizehn, sondern nur zwölf gewesen, und habe der zwölfte Herdegen oder Herieden geheißen, derselbe, der dem Bischof die Nase abhieb.

Im Walde bei Altenstein steht ein hoher Fels; das Volk der Umgegend sagt, daß dieser Felsen innen hohl sei und reich gefüllt mit Schätzen der Urzeit. Zu gewissen Zeiten und Stunden wäre Sonntagskindern vergönnt, die Felsenpforte geöffnet zu finden oder mit der Glücksblume sie zu öffnen, dann liege reiche, blendende Pracht vor Augen. Eigentümlich ist es, daß auch bei dem meiningischen Schloß Altenstein ein Fels, der hohle Stein, liegt, und daß dessen Höhlung offen, diese beim fränkischen Altenstein aber verschlossen ist.

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82. Spanheims Gründung

82. Spanheims Gründung

Es war vordessen ein Graf von Vianden und Ravenzierburg, der liebte eine Gräfin des Nahegaues, welche eine Witwe war, und auch sie war ihm als dem zweiten Bewerber um ihre Hand nicht abhold – aber der Graf hatte in einer Fehde einen nahen Verwandten der Gräfin erschlagen, und so konnte und mochte sie ihm, schon der Verwandtschaft wegen, die Hand zum Ehebunde nicht so bald reichen, sondern band die Erfüllung seines Wunsches an eine Bedingung, welche Zeit vergönnte, jenen Fehdehandel mehr in Vergessenheit kommen zu lassen. Sie sprach zum Grafen von Wanden, er möge zur Sühne des Erschlagenen eine Pilgrimfahrt in das Heilige Land antreten und von dort ihr ein Zeichen von den heiligen Orten mitbringen, das geweiht und beglaubigt sei, daran werde sie seine aufrichtige Liebe und den Willen des Himmels zugleich erkennen.– Der Graf schied vom Heimatlande, und es währte wohl über Jahr und Tag, bevor er an die Rückkehr denken konnte. Er kämpfte gegen die Ungläubigen, betete an allen heiligen Orten und erwarb, sein Gelübde zu lösen, auch einen Span vom Kreuze des Herrn, dessen Echtheit der Patriarch von Jerusalem durch einen Pergamentbrief mit bleiernem Siegel beglaubigte. Der Graf von Vianden war sehr glücklich, einen so werten Schatz zu besitzen, und ließ eine kleine goldene Truhe anfertigen, besetzt mit Edelgesteinen und sehr kunstvoll, und in getriebenem Golde den Namen der Herrin, der er diente, auf dem Deckel der Truhe anbringen. Darauf schickte sich der Graf zur Heimreise an, voll Hoffnung auf endliches Glück. Aber das Geschick zeigte sich ungünstig. Auf der weiten Meerfahrt von Palästina nach den Küsten Italiens erhob sich ein furchtbarer Sturm, welcher das Schiff zu scheitern brachte, kaum daß die Mannschaft das nackte Leben davonbrachte. Alle Habe des Grafen und auch jenes wertvolle Kästchen verschlangen die Wogen des Adriatischen Meeres. – Arm und gebeugten Geistes, bekümmerten Herzens, ein bettelnder Pilgrim, durchreiste der Graf die Gauen Welschlands und Deutschlands, und so kam er auf seinen Heimatburgen wieder an, wo er zwar des Gutes und Geldes genug fand, allein nichts, was seinen Verlust hätte ersetzen können. Betrübt suchte er die Gräfin auf, sie hieß ihn freudig willkommen, er fand sie schöner und liebenswürdiger als je vorher, das schmerzte ihn um so tiefer, und er sprach: Frau Gräfin, Ihr seht mich mit leerer Hand Euch wieder nahen. Ich hatte ein kostbares Reliquienstück, einen echten Span vom Kreuze unsers Herrn, wohlbewahrt in köstlichem Schrein, für Euch vom Heiligen Lande mitgebracht. Ein Sturm, der unser Schiff scheitern ließ, raubte mir alle meine fahrende Habe und auch jenes Kleinod, das für Euch bestimmt war, das mein Glück an Eurer Hand begründen sollte. –

Armer Graf, sprach die Gräfin, und ihre Augen strahlten ihn liebereich und minniglich an, so bringt Ihr vom Kreuze des Herrn keinen Span heim? War denn vielleicht auf dem Kästchen, das Euch der Meersturm raubte, mein Name zu lesen?

Der Graf hörte ganz erstaunt diese Worte, er glaubte zu träumen und rief: Beim Kreuze des Heilands, Frau Gräfin, wie könnt Ihr wissen? –

Gottes Hand, der Heiligen Fügung! antwortete ernst und liebreich die Gräfin, erschloß einen Schrein, nahm aus diesem des Grafen goldne Truhe und hielt sie dem Staunenden unter die Augen. Heute in der Morgenstunde hat es an mein Burgtor geklopft, wie der Pförtner öffnet, steht ein Jüngling draus, hell gekleidet, mit einem Antlitz schön wie die Morgenröte. Der spricht: Für deine Herrin – und gibt dem Pförtner dieses Kleinod in die Hand. Wie der es betrachtet und wieder zu dem Jüngling aufblickt, ist derselbe schon hinweggeschwunden. Brauchen wir weiter Zeugnis? Wir haben gehofft, jetzt laß uns glauben und lieben! – Mit diesen Worten fiel die junge Witwe dem Grafen um den Hals und küßte ihm den Verlobungskuß unter Freudentränen. Und als beide miteinander vermählt waren, erbauten sie eine neue Burg und ein Kloster, und gründeten einen Ort, und nannten den Spanheim, und stifteten den heiligen Span in ihr Kloster, und das Kloster begabte mit kleinen Partikeln von dem Span, reich in Gold gefaßt, auch das nachbarliche Kloster Kreuznach, ja dessen alter Name Crucinaha, dem Kreuze nahe, soll sogar davon abstammen. Und das Geschlecht der beiden Vermählten blieb gesegnet vom Herrn, viele fromme und berühmte Männer und Frauen gingen aus ihm hervor, stifteten Klöster, bauten Kirchen, kämpften im Heiligen Lande oder wandelten selbst als heilige Personen durch das Leben.

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829. Die lichten Steine

829. Die lichten Steine

Inmitten des Steinschuttes der Burgruine Lichtenstein erheben sich hochragend zwei Felsenblöcke über dem Boden, und es geht die Sage, daß dieselben seit undenklichen Zeiten in dieser Stellung gestanden, nämlich einer dicht über dem andern gelehnt und geneigt, ohne daß einer den andern berührt, und so dem Lichte zwischen sich freie Bahn lassend. Davon soll nun auch der Namen der Lichtensteiner sowie ihr Wappen herrühren, welches zwei weiße gezackte Steine im roten Felde, deren Spitzen sich nicht berühren, zeigt. Man sagt, solange diese Steine ständen, werde das Geschlecht nicht gänzlich erlöschen, und so lange sei der alten Burg Wiederaufbau zu hoffen. Noch ist auch das Geschlecht der Freiherren von Lichtenstein nicht erloschen; doch gingen die meisten der ehemaligen Besitzungen in fremde Hände über. – Die Ruine Lichtenstein besteht aus mehreren Gebäuden, deren eins zur Försterwohnung dient. Dort zeigt die Sage noch die Stätte eines Heidentempels und einer Folterkammer, darin sie von den Martern der ersten Christen des Landes aus grauer Urzeit erzählt. Ein hoher Wartturm steht noch allda, und der tiefe Ziehbrunnen dient noch heute dem Bedarf der Bewohner. – Im Dorfe Lichtenstein stand nur eine kleine alte Kapelle, welche 1292 aufgeführt worden war. Da geschähe es, daß eine Freiin von Lichtenstein, die ihren Schoß nicht gesegnet sah, einst träumte, sie sähe an der Stelle, wo die jetzige Kirche steht, einen Rosenstock aufsprossen und Blumen und Knospen tragen. Da gelobte sie an jene Stätte einen Kirchenbau, und siehe, sie empfing die ersehnte Nachkommenschaft und ließ eine freundliche Kirche anstatt jener alten Kapelle aufführen.

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820. Die scharfe Schere

820. Die scharfe Schere

Außen an der Pfarrkirche zu Münnernerstadt ersieht man einen Grabstein, auf welchem eine Schere eingehauen ist. Der unter dem Grabstein Ruhende war ein andächtiger Schneider, welcher sich aber in seiner Andacht gar zu oft vom Teufel gestört sah. Dieser erschien ihm dann und flüsterte ihm zu, daß er recht viel Tuch in die Hölle werfen solle, und trieb auch sonst mit dem Schneider viele verfängliche Possen. Der Geplagte klagte seine Not einem frommen Manne und empfing von diesem den Rat, so der Teufel das nächste Mal sich wieder einstelle, solle er die Schere nehmen und ihm den Schwanz abschneiden. Diesem Rat beschloß der andächtige Schneider zu folgen; er schärfte seine Schere, und als der Teufel wiederkam, schnitt er ihm den Schwanz rups und kahl vom Leibe weg. Der Teufel schrie Mordio!, fuhr von dannen und ließ den Schneider fortan in Ruhe. Die Schere blieb lange als Erbstück bei der Familie, und auf des Schneiders Grabstein wurde ihr Abbild eingegraben. Von dieser Zeit an hat der Teufel keinen Schwanz mehr. Der arme Teufel! Es ist schrecklich, wie ihm die Menschheit mitgespielt hat, und was er sich alles hat müssen gefallen lassen; er müßte sich vor seinem Schatten schämen, wenn er einen Schatten hätte. Haare, Hörner, Klauen und den schönen Schwanz hat er lassen müssen, beide nicht unbeträchtliche Ohren sind ihm längst abgelogen worden, denn das Sprüchwort besagt ja: Der lügt dem Teufel ein Ohr ab. Schuhe oder Stiefeln hat er auch nicht mehr, denn sehr viele haben ihn barfuß laufen sehen. Deswegen ist er so unkenntlich geworden, daß die Welt gar nicht mehr recht an ihn glauben kann und mag, und daher eben kommt es, daß jetzt immer, ehe man sich’s versieht, bald da, bald dort der Teufel los ist, weil man ihn nicht mehr am Äußeren erkennt und meidet. Es sind auch sonst noch an der Münnerstädter Kirche unterschiedliche Wahrzeichen, unter andern ein Wolf, der eine Henne frißt, der soll das Hochstift Würzburg bedeuten, das einen guten, ja den besten Teil der alten Grafschaft Henneberg verschluckt hat, denn das ganze Gebiet ringsumher, was nicht kaiserliches Dominium war, war hennebergisch, und ward auch hier wiederum bestätigt, daß die Kirche einen guten Magen habe.

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821. Die heiligen Salzflüsse und die Salzburgen

821. Die heiligen Salzflüsse und die Salzburgen

Im gesegneten Frankenlande fließt die Saale, an deren Ufernähe reiche Salzquellen hervorbrachen und noch hervorbrechen. Eine andere Saale, und zwar ein ungleich mächtigerer Strom, durchfließt das Thüringerland, und auch dort gaben ergiebigreiche Salzquellen den Völkern der germanischen Frühzeit Anlaß zu blutigen Kämpfen um das den Göttern heilige, den Menschen unentbehrliche Salz. Darum wurden die Flüsse Saalen genannt, an beiden kämpften Chatten und Hermunduren, und letztere waren meist siegreich, und die Sieger opferten alle gefangenen Männer und Pferde ihren Göttern. Hoch über das Ufer der fränkischen Saale ward eine mächtige Feste hingebaut, die Salzburg, welche den weiten Saal- und Grabfeldgau beherrschte; auf ihr weihte der thüringische Apostel Bonifazius vor mehr als eintausendeinhundert Jahren, nachdem schon vor ihm die Apostel Frankoniens, St. Kilian, Totnan und Kolnat, in jene Gegenden das Kreuz und die Leuchte des Christentums getragen, drei Bischöfe und hielt dort mehr als ein geistliches Konzil.

Auf der alten Salzburg weilte schon Karl Martell, ein naher umfangreicher Wald hieß der Salzforst und war Reichsdomäne; in ihm hat auch Pipin gejagt, und Karl der Große empfing auf dieser fränkischen Salzburg die Abgesandten des griechischen Kaisers Nikophoras aus dem fernen Byzanz, welche den heiligen Leichnam Josephs von Arimathia mitbrachten, den Kaiser Karl der Große in den Dom zu Aachen schenkte.

Zum öftern haben auch die spätern Karolinger auf der Salzburg verweilt, bis Kaiser Otto III. im Jahr des Herrn Eintausend das Palatium Salz dem Hochstift Würzburg zu eigen gab.

Schon die Quellen des fränkischen Saalflusses heißen Salzbrunnen und Salzloch, und die Sage geht, daß der jetzt kleine Fluß, der bei Gemünden in den Main einmündet, vorzeiten schiffbar gewesen, und daß Kaiser Karl der Große von Worms zu Schiffe den Rhein hinab, von da in den Main, vom Main in die Saale gekommen sei und also zu Wasser gefahren bis zur Salzburg, als er die Burg zum ersten Male besuchte.

So erbaute auch die Völkerschaft, die an der thüringischen Saale siegreich und im Besitz der Salzquellen blieb, allmählich eine Stadt und nannte sie Hala, das ist soviel als Salzstätte, daraus wurde später sprachüblich Halle. Kaiser Otto II. hat dann diesen Ort erweitert und ihm Stadtrecht verliehen. Eine andere Stadt, Hall in Schwaben, trägt gleicherweise ihren Namen von ihren Salzquellen.

Außer diesen beiden Salzströmen, Saalen, hat Deutschland aber auch noch andere, deren Namen auf Salzquellen hindeuten, da ist die Salza (Salzach) und Saala und die Sulzbach in Osterreich und im Bayernland. An der österreichischen Salza liegt die bedeutende Stadt Salzburg mit ihrer stattlichen Feste, und ihr nahe liegt der berühmte Salzort Hallein. Ein anderer Fluß, Salzbach, ergießt sich in den Rheinstrom. All diese Ströme und Flüsse waren den Urvätern heilig, und Salz und Brot waren es nicht minder; Salz zu verschütten galt für eine ungünstige Vorbedeutung, Brot unnütz zu verwüsten für eine Versündigung. Salz und Brot mit jemand zu essen, war Zeichen des Friedens und der Gastlichkeit, ja selbst ein deutsches Sprüchwort sagt aus, man solle keinem eher trauen, bis man eine Metze Salz mit ihm gegessen habe, wozu eine gute und lange Zeit des gegenseitigen Bekanntseins und Zusammenlebens gehört.

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822. Vom Kloster Theres und Adalberts des Babenbergers Grab

822. Vom Kloster Theres und Adalberts des Babenbergers Grab

Zwischen Schweinfurt und Haßfurt lag vorzeiten ein stattliches Schloß, das gehörte dem Grafen Adalbert von Babenberg, der auch ein Kloster allda gegründet hatte, das führte den Namen Sondernshus. Diesen Adalbert verriet auf eine schändliche Weise jener Bischof Hatto von Mainz, den die Mäuse bei lebendigem Leibe gefressen haben. Adalbert hatte den Bruder des Königs Ludwig im Kampfe erlegt, und der König belagerte ihn in seiner hohen Feste, der Babenburg über Bamberg, und Hatto war des Königs Ratgeber und Kanzellar. Der ging als Abgesandter hinauf auf die Babenburg und beredete den Grafen zu einer persönlichen Zusammenkunft mit dem Könige und verhieß ihn vor dem Essen wieder sicher und ungefährdet auf die Burg zurückzubringen. Da sie nun hinabstiegen, ward es dem Hatto flau, und klagte sich Heißhungers, da er noch nüchtern, so lud ihn Adalbert zur Umkehr in die Burg ein, erst etwas zu frühstücken. Dann gingen sie hinab in des Königs Lager, und der König ließ den Grafen alsobald verstricken. Adalbert klagte über den Treuebruch und berief sich auf Hattos Zusage freien und sicheren Geleites zurück auf die Burg, da sprach der lügnerische Pfaff: Hab‘ ich dich nicht, wie ich versprochen, vor dem Essen ohne Gefährde wieder auf deine Babenburg zurückgebracht? – Und da ließ der König Ludwig den Grafen Adalbert zur Sühne seines Bruders Konrad gleich im Lager enthaupten, andere sagen, es sei dies in Adalberts Schloß Sondernshus geschehen, denn alldort liegt er begraben. Der König Ludwig hatte Adalberts Leichnam nach der Enthauptung in den Main werfen lassen, davon kam schnelle Kunde nach Adalberts Schloß, da sammelte sich die Dienerschaft am Strom, und als der Leichnam geschwommen kam, riefen sie weinend: Der is! der is! (der ist es) – und davon wurde Hernachmals das Schloß und Kloster Theris und Theres genannt. In der Klosterkirche wurde Adalbert feierlich beerdigt und ihm ein stattliches Epitaphium errichtet; es stand an der Wand, linker Hand gegen den Hochaltar, und der Graf war darauf abgebildet in seinem Harnisch und lebensgroß, stehend auf einem liegenden Löwen, und darum oder darunter die Worte: Anno Domini DCCCCVIII obiit nobilis Alberrtus comes de Babenberg qui hic incinneratus monasterii hujus fundator opum quantam dator, cujus anima requiescit cum sanctis. Amen. (Im Jahre des Herrn 908 starb der edle Albert, Graf von Babenberg, dessen Asche hier beigesetzt wurde, dieses Klosters Gründer, ein Geber reicher Güter, dessen Seele ruhe mit den Heiligen. Amen.) Nach der Zeit ist die Kirche samt dem Kloster neu gebaut worden, und man weiß nicht, wohin das Epitaphium gekommen. Von Adalberts Grab hat sich die Sage erhalten, daß dasselbe ein kostbares, reich mit Schätzen gefülltes und noch nicht wieder aufgefunden sei. Alte Leute geben an, wenn man im Tore des Klosterhofes gestanden und zwischen zwei Säulen, die einen Betstock gebildet, hindurchgeschaut habe, so habe man die Linie der Richtung gehabt, in welcher sich das Grab befinde. Noch soll der alte doppelsäulige Bildstock ohnweit des ehemaligen Klosters vorhanden sein, man weiß aber nicht, ob er noch auf der alten Stelle steht. Im Klosterhofe steht ein neuerer schöner Bildstock, zwei Säulen tragen ein Bild der Kreuzigung mit einem geteilten Wappenschilde, darinnen St. Veit und ein Saitenspiel, welches ein Abtshut krönt. Gerade durch die Säulen geht der Meridian, und wer durch sie hindurchblickt, blickt über Adalberts Begräbnisstätte.

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823. Die Ritterkapelle in Haßfurt

823. Die Ritterkapelle in Haßfurt

Am obern Ende der Stadt Haßfurt Main, an welcher jetzt die Eisenbahn vorbeizieht, steht die Ritterkapelle, eine geräumige Kirche und Muster deutscher Architektur. Man sagt, die gesamten Edeln des Frankenlandes haben sie erbauen lassen zu einer Grabdenkmalkapelle ihrer Geschlechter, deshalb zieht auch rings um die Kapelle ein Fries von lauter Wappen, und mag wohl kein Adelsgeschlecht in Franken geblüht haben oder noch blühen, des Wappen hier nicht mitgefunden würde. Unter dem Portal und über der Vorhalle wird ein wunderlich Steinbild erblickt, das nennen sie in Haßfurt das Wahrzeichen der Ritterkapelle. Eine männliche nackte Figur ist mit Armen und Beinen so ausgespannt, daß die Glieder die Gradrippen des Gewölbbogens bilden. Das sei des Meisters Bildnis, geht die Sage, der die Kapelle erbaute und die Gesellen betrog. Er soll an seinen Gliedern mit Gewichten also ausgespannt worden sein, die auch an der Steinfigur angebracht sind.

Noch ein anderes Wahrzeichen findet sich an der Außenseite der Kapelle linker Hand, nämlich an einem der nördlichen Pfeiler in ziemlicher Höhe ein Fisch, andeutend, daß einst bei einer Überschwemmung das Wasser also hoch gestanden.

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824. Der Kirchenbau zu Königsberg

824. Der Kirchenbau zu Königsberg

An der schönen neuen Pfarrkirche zu Unser lieben Frauen in Königsberg in Franken, ohnweit Haßfurt, erblickt man außen zwei Steingebilde in lächerlicher Gestalt. Davon wird folgendes erzählt. Der Kirchenbau, bereits l297 begonnen, schritt äußerst langsam vorwärts und verzögerte sich an siebenundsechzig Jahre. Man hatte den Bau einem fremden Meister übertragen, dieser aber zog von dannen, arbeitete anderswo und ließ sich lange mahnen und drängen, den Bau doch zu vollenden; darüber entstand viel Unwillen in der Stadt und üble Nachreden des Meisters, und besonders konnten zwei Bürger und Ratsherrn, die der Kirche gegenüberwohnten, kein Ende ihres Scheltens über den Steinmetzen finden. Eines Tages erblickten die Wächter eine große Männerschar, die von Haßfurt her herannahte, und stießen in die Lärmhörner, denn es dünkte ihnen ein feindliches Heer, das einen Überfall des Städtleins versuchen wollte. Hell blinkte und blitzte es im Strahl der Morgensonne wie Partisanen und Streitäxte von ferne her. Die Bürgerschaft griff zu den Waffen, schickte sich an, den Feind abzuwehren, und sandte einen Abgeordneten entgegen mit der Frage, was des Haufens Begehren sei. Da war es der bestellte Steinmetz mit nicht weniger als vierhundert Gesellen, die er allesamt herbeiführte mit ihrem Werkzeug, Äxten und Beilen, blanken Sägen und Winkelmaßen, die so hell erglänzten. Und nun ging die Arbeit rüstig und wacker vonstatten; da aber dem Baumeister zu Ohren kam, daß die beiden Bürger so übel von ihm gesprochen, brachte er ihre beiden Gestalten an der Kirche auf lächerliche Weise an, darum, daß sie als alberne Philister voreilig über ihn geurtelt.

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825. Die kühne Magd

825. Die kühne Magd

Vor vielen Jahren ist am Breitenweg zu Königsberg, wo man auf Altershausen ins Rod oder auf den Pappelsee zugeht, rechter Hand am Fahrwege gegen die Warte zu eine Kapelle zur Ehre Unser lieben Frauen erbaut worden. Schon im vierzehnten Jahrhundert wird ihrer gedacht. Im Jahre 1535 wurde sie bei einer Kirchenvisitation vom Stadtrat den Kastenpflegern zum Aufbau einer Hofstätte bewilligt und deshalb abgebrochen.

Von vielen Leuten wird für gewiß ausgegeben, daß bei dieser Kirche eine denkwürdige Geschichte sich ereignet habe. Was die Zeit betrifft, so läßt sich aus der Erzählung der Leute vermuten, daß es nach der Reformation, da die Kapelle ohne Gebrauch und ohne Kapellmann gewesen, geschehen sei. In der Vorstadt vor dem Haßfurter Tor hatten die jungen Dirnen eine Spinnstube. Nun kam das Gespräch auf die Kapelle, von der man immer sagte, daß es darin nicht geheuer sei, und das mutwillige Volk sprach, wer zur Kapelle laufe und ein Wahrzeichen zurückbrächte, solle ein neues Kleid bekommen. Eine kühne Magd lief auch wirklich in der finstern Nacht zur Kapelle, da erblickt sie vor der Türe ein Pferd mit einem Bündel und vernimmt aus der Kirche ein großes Gewinsel und Wehklagen, sie schneidet jedoch den Bündel vom Pferd und eilt heimwärts. Unterdessen kommt ein Reiter ihr stracks nachgeritten, und die Magd verbirgt sich in der größten Angst hinter einem am breiten Weg liegenden Düngerhaufen. Als der Reiter vorbeigesprengt, eilt, vor Furcht am ganzen Leibe zitternd und schreckenbleich, die Magd in die Spinnstube, öffnet den Bündel, da finden sich darin allerlei Kostbarkeiten, Gold, Perlen und dergleichen, wie auch Briefe, woraus sie denn ersehen, daß eine reiche Jungfrau verreisen wollte, aber von ihrem Gefährten, dem treulosen Knecht, in der Kapelle ermordet wurde.

Diese Sage wiederholt sich mit mancher kleinen Abwandlung da und dort. Auch vom Dorfe Schwarza bei Meiningen, allwo Frau Holle mit dem treuen Eckart durchzog, soll sich mit einem Mädchen in der Kirchhofkapelle das gleiche begeben haben. Der nacheilende Reiter hieb noch mit seinem Schwerte Schrammen in die Haustürpfosten.

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816. Die alte Stadt Schweinfurt und ihr Götze Lollus

816. Die alte Stadt Schweinfurt und ihr Götze Lollus

In den alten Zeiten lag die Stadt Schweinfurt nicht da, wo sie jetzt liegt, sondern eine Strecke weiter aufwärts am Main, da, wo man noch eine Anzahl Gärten und Weinberge die alte Stadt nennt. Viele der Weinbergslagen haben noch bis heute die einstigen Benennungen, welche die Straßen führten, als da Häuser standen, wo jetzt Reben- und Obstbaumpflanzungen grünen. So die Herdgasse, vielleicht von den Viehherden, die langen Schranken, wo der ehemalige Turnierplatz sich befunden haben soll. Dort steht auch im Tannengarten die grüne Tanne, welche genau den Platz bezeichnet, wo vorzeiten das Wirtshaus zum Tannenbaum stand, ein Baum, der stets neu gepflanzt wird, wenn der alte abstirbt, damit das Andenken nicht erlösche. Unter der alten Stadt sollen noch große Schätze und Kostbarkeiten liegen;, wer sie zu finden und zu heben wüßte, könnte sehr glücklich werden.

Bei den langen Schranken kam auch einst ein Wasserfräulein zum Turnei und Tanz; ein Ritter kämpfte für sie, entzündet vom Reiz ihrer Schönheit. Da lächelte sie mit rotem Mund ihrem Ritter minneseligen Dank, aber da hatte sie grüne Zähne, und jener schrak von ihr hinweg. Lachend rutschte die Wasserminne zum nahen Main und tauchte lustig in die Flut hinab.

Im Bereich der alten Stadt, und zwar nicht weit von den langen Schranken, liegt ein Platz, den nennt das Volk den Lollus. Dort war ein heiliger Hain, darin soll in einer Umzäunung ein ehern Götzenbild gestanden haben, welches die Einwohner mit unblutigen Opfern, Trauben und Früchten des Feldes, ehrten. Das Bildnis hieß Lollus und soll gestaltet gewesen sein als ein nackter geschürzter Jüngling, im vollen Lockenhaar, einen Kranz von Mohnsamen um sein Haupt und einen über die Brust. Es hob die rechte Hand zum Munde, faßte mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand die Junge und hielt in der linken einen Becher empor, aus welchem Kornähren sproßten. Uber diesen Lollus haben die Gelehrten mancherlei von alledem geschrieben, was sie so eigentlich nicht von ihm wußten. Hernach, als der heilige Kilian in das Frankenland gekommen und das Heidentum allda ausgerottet hat, ist das Bild hinweggekommen und in den Main versenkt worden. Viele Einwohner wurden Christen, und diese waren es, welche das Bild des Loll in das Mainbette versenkten. Als aber einige Jahre später der fromme Glaubensapostel zu Würzburg seinen Martyrertod gefunden, fielen die meisten Bewohner der Gegend wieder ab, ließen sich ein neues Götzenbild des Loll aus Erz gießen und stellten es an dem Orte zur Verehrung auf, den man jetzt das kleine Löllein nennt. Später jedoch ward auch dieses Bild vernichtet. Eigentümlich ist es, daß vom Götzen Lollus nur an einem einzigen Ort noch im Bayerlande die Sage wiederkehrt, und zwar zu Großlellen- oder -löllenfeld im Eichstättischen.

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