813. Casteller Sage

813. Casteller Sage

Auf der alten Burg Castell in Franken, dem Stammhaus eines noch blühenden Reichsgrafengeschlechtes, haben die Geister keine Bewohner geduldet. Die Herrschaft hat sich’s vieles Geld kosten lassen und hat Leute droben schlafen lassen, aber niemand hat vermocht, es auszuhalten, und so ist die alte Stammburg verlassen worden und verfallen.

In dieser Burg Castell ist ein Brunnen, des Tiefe reicht von der Bergeshöhe bis zum Grunde und hat Zusammenhang mit dem Gründlersloch. Eine Ente, welche in den Casteller Schloßbrunnen gelassen ward, kam im Gründlersloch wieder zum Vorschein, eine halbe Stunde weit von dem Schlosse. Dieses Loch duldet keine Leichname, obschon sich viele darin ersäuft haben, es läßt auch keinen Stein in sich niedersinken, sondern wirft ihn aus. Dabei ist’s unergründlich.

Bei Gereuth oder Greuth, ganz nahe bei Castell, ruht im Schoß der Erde ein versunkenes Dorf. Auch dessen Glocke, wie die so vieler andern, wühlten Schweine aus.

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814. Eule legt Dukaten

814. Eule legt Dukaten

Zu Prichsenstadt in Franken hat vordessen ein Mann gewohnt, der hatte in seiner Oberstube, wie allgemein die Rede ging, eine Ohreule, die legte ihm alle Tage, wie ein Huhn sein Ei legt, einen Dukaten. Das war hübsch von der Eule, aber umsonst geschieht dergleichen Wunder nicht, und mochte wohl ein Aber mit selbem Nachtvogel haben. Der Mann hatte nun Geldes vollauf, denn die fleißige Eule hatte jahrelang gelegt und starb nicht, und der Mann hatte endlich Gründe, zu wünschen, die Eule los zu sein, denn es war die Zeit bald um. Und da dachte er, du willst die Eule wegschenken, und als einstmals eine Frau zu ihm kam, die einen Tragkorb auf dem Rücken hatte, so setzte er ihr die Eule heimlich in den Korb. Aber siehe da, plötzlich sank die Frau in die Kniee und schrie: Ach was Schweres liegt denn in meinem Korbe? und riß den Korb von der Schulter und schaute in die tückischen feurigen Augen des Ungetüms und schrie: Jesus, Maria, Joseph! – Da fauchte die Eule, gleich einer Katze, und flog aus dem Korbe, und die Frau raffte ihren Korb an sich und entwich. Nachher hat der Mann die Eule behalten müssen und konnte sie nimmermehr loswerden, nicht verschenken, nicht verkaufen, nicht töten, und als eines Morgens die Türe seines Schlafgemachs lange verschlossen blieb und er nicht zum Vorschein kam, so ward die Türe erbrochen, und da lag er tot auf seinem Lager, und die Eule saß auf seinem blutigen Kopfe und hatte ihm die Augen ausgehackt, als welches gar schrecklich anzusehen war, und war so groß wre der größte Steinadler und flog durch die geöffnete Türe alsbald fauchend von bannen. Für solche Eule lobt sich doch wohl mancher die Dukatenmännchen, die sie zu Nürnberg und Sonneberg machen, die fügen keinem ein Leid zu und bringen auch die Seele in keine Gefahr, dafür legen sie auch keine Dukaten, sondern tun nur so.

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815. Die Zollner von der Hallburg

815. Die Zollner von der Hallburg

Über Volkach am Main stand eine Ritterfeste, die Hallburg geheißen, und deren Besitzer nannten sich die Zollner. Wahrscheinlich zöllnerten sie ein wenig bezüglich der Mainschiffahrt, daher der unadelige Name. Ohnweit der Burg steht auf dem Kirchberge noch eine sehr alte gut erhaltene Kirche. Einst zogen zwei Zollner von der Hallburg, Brüder, in das Heilige Land, der eine war vermählt, der andere unvermählt, und kämpften tapfer gegen die Sarazenen, unterlagen aber in einer Schlacht der Übermacht und wurden gefangen. Lange trugen sie im dunkeln Kerker schwere Ketten, und endlich wurden sie, da sie Christum nicht abschwören wollten, zum Tode verurteilt. Ein türkisches Mädchen, des Kerkermeisters Tochter, war heimlich dem Christenglauben zugeneigt und vergoß viele Tränen über der armen Ritter nahen Tod; ja sie bat dieselben, sie in ihr letztes Gebet mit einzuschließen. Darauf haben die Ritter noch einmal recht inbrünstig im Kerker gebetet, und zwar zur wundertätigen Maria auf ihrem Kirchberge in der fernen Heimat, und haben nicht vergessen, auch die junge Türkin in ihr Gebet mit einzuschließen. Dann sind sie beide ruhig entschlummert, und es erschien ihnen die Maria vom Kirchberg im Traume und winkte ihnen. In derselben Nacht träumte auch der verlassenen Herrin auf der Hallburg, die Madonna ihrer Kirche winke sie zu sich. Und da machte die Frau sich am andern Morgen auf, einen stillen Bittgang zur Kapelle zu tun. Und wie sie hinkam, da fand sie vor der Türe zwei Männer in Sklaventracht und in Ketten und ein jung Mägdlein in des Morgenlandes Tracht in Schlummer sitzen, und der eine war ihr Mann. Ihr lauter Freudenruf erweckte die Schläfer, die blickten staunend umher und wußten nicht, wo sie waren, bis die Männer die Gegend und der eine in der Edelfrau sein Weib wiedererkannte, und alle warfen sich vor dem wundertätigen Bilde voll frommgläubigen Dankes anbetend nieder. Dann wurde die junge Türkin des jüngern Zollners von der Hallburg Hausfrau, nachdem sie feierlich in derselben Kirche zur Christin geweiht worden, und zum ewigen Gedächtnis ward für die Kirche ein Bildwerk verfertigt, das schnitzte ein kunstvoller Hirte derselben Gegend, welches noch vorhanden. Darauf erblickt man alle Personen, die jenes hohe Wunder berührt, in halber Größe; die Antlitze der Ritter sind leidensvoll, und dieselben Ketten und Fußblöcke, die sie im Kerker getragen, und die bei ihrer wunderbaren Entrückung nach der fernen abendländischen Heimat noch an ihnen hingen, dann aber abfielen, sind den Bildern der Ritter angelegt. Fragte nun ein Ungläubiger spöttelnd nach solchen Wunders Möglichkeit, so erwidert ihm der Mund der Sage: Konnte der Teufel Christum selbst auf einen hohen Berggipfel führen sowie den Herzog Heinrich den Löwen in einer Fahrt übers Meer tragen, warum sollte nicht die heilige Jungfrau ein noch höheres Wunder zu üben vermocht haben?

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816. Die alte Stadt Schweinfurt und ihr Götze Lollus

816. Die alte Stadt Schweinfurt und ihr Götze Lollus

In den alten Zeiten lag die Stadt Schweinfurt nicht da, wo sie jetzt liegt, sondern eine Strecke weiter aufwärts am Main, da, wo man noch eine Anzahl Gärten und Weinberge die alte Stadt nennt. Viele der Weinbergslagen haben noch bis heute die einstigen Benennungen, welche die Straßen führten, als da Häuser standen, wo jetzt Reben- und Obstbaumpflanzungen grünen. So die Herdgasse, vielleicht von den Viehherden, die langen Schranken, wo der ehemalige Turnierplatz sich befunden haben soll. Dort steht auch im Tannengarten die grüne Tanne, welche genau den Platz bezeichnet, wo vorzeiten das Wirtshaus zum Tannenbaum stand, ein Baum, der stets neu gepflanzt wird, wenn der alte abstirbt, damit das Andenken nicht erlösche. Unter der alten Stadt sollen noch große Schätze und Kostbarkeiten liegen;, wer sie zu finden und zu heben wüßte, könnte sehr glücklich werden.

Bei den langen Schranken kam auch einst ein Wasserfräulein zum Turnei und Tanz; ein Ritter kämpfte für sie, entzündet vom Reiz ihrer Schönheit. Da lächelte sie mit rotem Mund ihrem Ritter minneseligen Dank, aber da hatte sie grüne Zähne, und jener schrak von ihr hinweg. Lachend rutschte die Wasserminne zum nahen Main und tauchte lustig in die Flut hinab.

Im Bereich der alten Stadt, und zwar nicht weit von den langen Schranken, liegt ein Platz, den nennt das Volk den Lollus. Dort war ein heiliger Hain, darin soll in einer Umzäunung ein ehern Götzenbild gestanden haben, welches die Einwohner mit unblutigen Opfern, Trauben und Früchten des Feldes, ehrten. Das Bildnis hieß Lollus und soll gestaltet gewesen sein als ein nackter geschürzter Jüngling, im vollen Lockenhaar, einen Kranz von Mohnsamen um sein Haupt und einen über die Brust. Es hob die rechte Hand zum Munde, faßte mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand die Junge und hielt in der linken einen Becher empor, aus welchem Kornähren sproßten. Uber diesen Lollus haben die Gelehrten mancherlei von alledem geschrieben, was sie so eigentlich nicht von ihm wußten. Hernach, als der heilige Kilian in das Frankenland gekommen und das Heidentum allda ausgerottet hat, ist das Bild hinweggekommen und in den Main versenkt worden. Viele Einwohner wurden Christen, und diese waren es, welche das Bild des Loll in das Mainbette versenkten. Als aber einige Jahre später der fromme Glaubensapostel zu Würzburg seinen Martyrertod gefunden, fielen die meisten Bewohner der Gegend wieder ab, ließen sich ein neues Götzenbild des Loll aus Erz gießen und stellten es an dem Orte zur Verehrung auf, den man jetzt das kleine Löllein nennt. Später jedoch ward auch dieses Bild vernichtet. Eigentümlich ist es, daß vom Götzen Lollus nur an einem einzigen Ort noch im Bayerlande die Sage wiederkehrt, und zwar zu Großlellen- oder -löllenfeld im Eichstättischen.

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817. Die Petersstirne

817. Die Petersstirne

Bei Schweinfurt war ein hoher Hügel, da wo das rechte Maingelände von Mainberg her mit seinen reichen Rebenpflanzungen endet, die Petersstirne genannt; darauf hatte vor alters eine Burg und später dann ein Kloster gestanden. Jetzt durchschneidet sie die Eisenbahn, bei deren Bau sich viele Menschenknochen gefunden haben. Von dieser Petersstirn gehen mancherlei Sagen im Munde des Volkes um. Viele haben schon zu verschiedener Zeit und Stunde drei Jungfrauen in schneeweißen Kleidern auf diesen Mauertrümmern sitzen sehen. Einer Frau aus Schweinfurt erschienen einst diese drei Jungfrauen im Traume und sagten ihr an, sie möge auf die Petersstirn gehen und dort einen Schatz heben. Sehr frühzeitig erwachte die Frau, kleidete sich an und ward oon einer wahren Sehnsucht nach jenem Orte erfüllt, dem sie unverweilt zueilte. Schon stand sie am Fuße des Berges, als die ersten Strahlen der Morgensonne jene Mauertrümmer und das kleine Häuschen vergoldeten, welches daneben für die Weinbergshüter erbaut stand; da erblickte sie droben die drei Jungfrauen gerade so, wie sie ihr im Traume erschienen waren, freundlich winkend. Aber der wunderbare Anblick dieser geisterhaften Wesen erschreckte die Frau auf den Tod, so daß sie bewußtlos niedersank. Andere Weinbergsleute fanden sie und brachten sie wieder zum Bewußtsein. Hastig blickte sie nach den drei Jungfrauen, doch diese waren verschwunden. Als die Frau zu ihrem Mann zurückgeführt wurde, schmälte dieser sie aus, daß sie nicht mehr Mut an den Tag gelegt, sie würde ihr und sein Glück gemacht haben. Auch einem Bürger aus Schweinfurt sind auf der Mainleite, dicht über der Petersstirn, da er auf der alten Straße fuhr, in einer stürmischen Novembernacht die drei Jungfrauen, schleierweiß auf der Mauer stehend, erschienen. Und es schauerte ihn, daß er eilend vorüberfuhr.

Auf der Petersstirn ist schon oftmals eine Schlange erblickt worden, die trägt auf ihrem Haupte ein goldenes Krönlein. Einst ging ein Hecker (Weinbergsmann) den Berg hinauf, wo noch die geringen Mauerschädel des alten Klosters liegen; da rauschte mit raschem Ringeln ihm eine große und glänzende Schlange entgegen, die trug auf dem Haupt eine goldene Krone und im Maul ein großes Bund Schlüssel, die glitzerten und klingelten wie Silber. Der Hecker entsetzte sich, hob seinen Karst, um nach der Schlange zu schlagen, da sah ihn die Schlange wehmütig an und bezauberte ihn mit ihrem Blick, daß er regungslos stand, und da sah er denn, daß sie weinte wie ein Kind. Als das einige Minuten gedauert, schwand die Schlange in die Erde und war ihm aus den Augen und hinweg und war nirgends im Boden ein Loch zu sehen, die Tränen aber, so die Schlange geweint, sind große köstliche Perlen gewesen und haben den Hecker reich gemacht.

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818. Die auferstandene Frau

818. Die auferstandene Frau

Auf dem Schweinfurter Gottesacker ist ein alter Grabstein mit dem lebensgroßen Bildnis einer vornehmen Frau zu sehen, welche ein eingewickeltes Kind zu ihren Füßen liegen hat. Diese war die Frau eines Syndikus Albert. Man sagt von ihr, daß sie sehr schnell und plötzlich gestorben sei, und als ihr Tod erfolgt war, wurde sie unter einem Schwibbogen, in welchem sich ihr Familienbegräbnis befand, beigesetzt. Ihr zurückgelassener Gatte betrauerte sie sehr aufrichtig. Es ging ihm aber wie dem Herrn Richmuth von Andocht zu Köln. Der Totengräber, ein habgieriger Mann, hatte an dem Finger der Leiche einen kostbaren Ring bemerkt, den er der Toten nicht lassen wollte; er machte sich daher des Nachts heimlich auf, hob den Sargdeckel ab und wollte der Leiche den Ring vom Finger ziehen; da richtete sich diese plötzlich auf. Entsetzt lief der Totengräber davon; die Frau im weißen Totengewande entstieg ihrem Sarg, wandelte von hinnen und kam ruhigen Ganges vor ihr Haus, wo sie anläutete. Eine Magd sieht zum Fenster hinaus: Wer da? – Ich bin’s, die Frau! Öffne! – Schreiend stürzt die Dienerin zu ihrem Herrn: Die Frau ist unten an der Türe, ich habe sie an der Stimme erkannt! – Der Herr schüttelt ungläubig den Kopf und läßt seinen Diener hinaussehen. – Öffne mir um Gottes willen! Ich komme um vor Kälte! – Da eilt auch der Diener rasch zum Herrn: Es ist die Frau, ich erkenne sie an ihrer Stimme! – Der Herr aber sagte: Ihr seid Toren und dümmer wie das Vieh! Wenn meine Pferde zum Fenster hinaussähen, würden sie gescheiter antworten als ihr! – Kaum ist das Wort gesprochen, so kommt es mit Gelärm und Gepolter die Treppe herauf und stampft und trappt und wiehert – die Pferde sind’s – zur Stube herein, und sie stecken die Köpfe durch die Fenster, daß die Scheiben klirren und die Flügelbänder brechen, und beide sehen vom Vorsaal hinab zum Fenster hinaus und wiehern. Nun läßt der Herr, erschrocken, schleunig öffnen, und die halberstarrte Frau wird zu Bette gebracht und geneset bald darauf eines Töchterleins. Doch Mutter und Kind lebten nicht lange mehr, und die erste wurde zum zweiten Male begraben und beiden dieser Grabstein zum Andenken gesetzt. – Alle Jahre am ersten Ostertage ist eine wahre Wallfahrt nach dem Gottesacker, der dann prächtig mit herrlichen Blumen geschmückt ist, aber das erste, was man den Kindern zeigt und was sie alle gerne sehen wollen, ist die wiedererstandene Frau mit ihrem Kinde.

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81. Der wilde Jäger

81. Der wilde Jäger

Der Wild- und Rheingrafen einer war ein gewaltiger Jäger, aber nicht wie Nimrod vor dem Herrn, sondern so recht vor dem Teufel. Einen Tag und alle Tage ging es hinaus in die Forste, mit wildem, wüstem Gefolge. Werktag und Feiertag, das war dem Grafen alles gleich, in die Kirche ging er nicht, und die Pfaffen achtete er nicht, nur Jagen war seine Freude. Da geschah es eines Sonntagmorgens, daß der Wild- und Rheingraf abermals vom hohen Stein mit dem Gefolge seiner Jagdknechte und Rüden herab zu Tale zog, mit Horrido und Hussassa, wie der Dichter singt, durch Felder und Saaten, nichts achtend, niederstampfend in den Boden junge Saat und reife Ähren. Es währte nicht lange, so brachten die Hunde einen großen weißen Hirsch auf, dessen Spur sie nun mit lautem Kliffen und Klaffen folgten, und die Hifthörner klangen, die Hetzpeitschen knallten, daß es nur so sauste und brauste, immer dem Hirsch nach. In allen Tälern riefen die Kirchenglocken zu Gebet und Amt, der Wildgraf hörte es gar nicht. Ein Bäuerlein, in dessen Feld der fliehende Hirsch sich zu bergen suchte, sah den Troß auf sein Feld losjagen und fiel auf die Knie und flehte, seines Ackers, des einzigen, welchen es besitze, doch gnädiglich zu schonen – der Wild- und Rheingraf überritt den Bauer und stürmte mit dem ganzen Jagdtroß über den Acker hin. Der fliehende Hirsch mischte sich unter eine weidende Herde, da Sicherheit zu suchen – der Hirte sah die wilde Jagd annahen und flehte um Barmherzigkeit für das ihm anvertraute Vieh – der Wild- und Rheingraf knallte ihm mit der Peitsche um die Ohren und schrie: Hui hatz! hui hatz! – da fiel die blutgierige Meute mit wütenden Bissen den Hirten an, und rissen ihn nieder, und bissen die Rinder tot, und jagten den Hirsch weiter. Dieser gewann einen Wald, dessen friedliche Sonntagsstille jetzt gellend laut der Zug des wilden Jägers durchtobte.

Im Walde stand eine Einsiedlerklause, und in diese floh jetzt der auf den Tod gehetzte Hirsch. Der Wild- und Rheingraf stürmte mit seinem Troß gegen die Klause an – der Klausner, ein Greis mit schneeweißem Bart, trat heraus und hob warnend die Hand. Nicht weiter! rief er mit starker Stimme. Hier ist das Asyl der Kreatur! – In der Hölle ist dein Asyl, du alter Hund und Narr! schnaubte der Wild- und Rheingraf den Klausner an und hob die Peitsche hoch gegen ihn auf. Aber die aufgehobene Rechte fiel nicht mehr zum Schlage nieder. – Nacht ward es plötzlich – der Klausner und die Hütte, der Hirsch und die Hunde, die Jäger und die Knechte – alles schwand, und des Wild- und Rheingrafen keuchendes Roß brach zusammen. Und da zuckte ein Blitz, und da fuhr des Teufels Faust riesengroß aus der Erde und drehte dem wilden Jäger den Hals um, und eine Stimme donnerte: Jage so fort, bis an der Welt Ende! – Und also geschieht es, wie viele viele Sagen melden, daß von Zeit zu Zeit die wilde Jagd durch die Lüfte und über Felder und Wälder fährt mit gräßlichem Geschrei, mit dem Kliffen und Klaffen der Hunde, mit gespenstischem Wild, und der wilde Jäger selbst als Wild gehetzt vom wilden Heere der Hölle.

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819. Die heilige Jungfrau schützt Münnerstadt

819. Die heilige Jungfrau schützt Münnerstadt

Im Dreißigjährigen Kriege, und zwar im Jahre 1641, wurde Münnerstadt, zwischen Schweinfurt und Neustadt unter der Salzburg gelegen, von den Schweden unter Anführung des weimarischen Generals Rosa hart bedrängt und belagert. Der Feind hatte auf dem Karlsberg seine Verschanzungen und begann von ihm aus die Stadt zu beschießen. In dieser war eine fromme Brüderschaft zum heiligen Rosenkranz, die in solcher Bedrängnis heiße Gebete um Rettung zum Himmel sandte. Als nun die Kanonade vom Karlsberge herab am heftigsten wurde, offenbarte sich ein göttliches Wunder; denn die heilige Jungfrau erschien in ihrer Glorie, umschwebt von Engeln, im langen weißen Gewände und himmelblauen Mantel auf den Mauern und fing die seindlichen Kugeln auf. Darüber verwunderten und entsetzten sich die Schweden, hoben die Belagerung auf und zogen von dannen. Zum Gedächtnis dieser wunderbaren Rettung feiert Münnerstadt bis heute noch ein Dankfest mit feierlichem Gottesdienst und einer Prozession, während welcher die Stadttore geschlossen werden. Und am Marienaltar in der überaus schönen Pfarrkirche künden wohlklingende lateinische Distichen der Nachwelt dieses Ereignis, welche mit dem heiligen Rosenkranz, der Himmelsrose Maria und dem Namen des seindlichen Feldherrn, Rosa, anmutig Wortspielen. Auch in das städtische Wappen und in das Siegel der Marienrosenkranzbrüderschaft zu Münnerstadt ward der Madonna Bild mit dem göttlichen Sohne über der getürmten Torpforte aufgenommen.

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80. Der Stiefel voll Wein

80. Der Stiefel voll Wein

Auf dem Steine, wo nun fortan dieser Rheingraf fröhlich hauste, ging es zum öftern gar hoch her. Da saßen eines Abends die Wild- und Rheingrafen und eine große Schar Ritter von den Nachbarburgen im Saale beisammen und zechten baß, und die Humpen kreisten. Da saßen Ritter von Sponheim, von Dhaun, von der Ebernburg, von Flörsheim, von Stromberg und tranken scharf und fest. Jetzt hob der Rheingraf einen mächtigen Reiterstiefel auf den Tisch und goß den voll Weines und rief: Wer diesen Humpen leert auf einen Zug, dem soll Hüffelsheim zu eigen sein mit Wonne und Weide und aller Zubehör! – Des verwunderten sich die Mannen und mocht sich’s keiner vermessen, schien ihnen allen der Schluck doch zu groß, und selbst der Burgpfaff, der etwas zu leisten vermochte in guten Trünken, und mancher andere Wackere wagten sich nicht daran. Da saß auch ein alter Zecher im Kreise, Ritter Boos von Waldeck, der sah die andern alle der Reihe nach an und wartete, ob einer den Stiefel leeren wolle, und da es keiner tat, da faßte er ihn in die Hand, und ließ den Wein rinnen in seinen Schlund, und trank ihn leer bis auf die Nagelprobe, und dann sagte er: Lieber Rheingraf, dein Hüffelsheim schmeckte gut, wie wär‘ es nun mit Waldbökelheim? Der Mensch kann doch nicht in einem Stiefel gehen? – Aber der Rheingraf wollte nicht noch einen Ort an eine Rittergurgel verlieren und schwieg stille. Darnach ist das Sprüchwort aufgekommen: Der verträgt einen guten Stiefel.

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809. Nixen in Theilheim und im Gründlersloch

809. Nixen in Theilheim und im Gründlersloch

Auch vom Dorfe Theilheim, zwischen Randersacker und Dettelbach, sowie vom Gründersloch zwischen dem Schlosse Castell und dem Dorfe Rüdenhausen, wie noch an vielen Orten Mittelfrankens geht die weitverbreitete und fast immer gleichmäßig mit geringer Abänderung wiederholte Sage von Nixen, die zum Dorftanze kommen, fröhlich sind, singen, tanzen, lieben und dann leiden, als wolle überall die Sage das Glück der Mädchenjugendtage symbolisch andeuten. In Theilheim waren der Tänzerinnen drei, die häufig begegnende Nornenzahl, im Castell kamen aber der Tänzerinnen fünf zur Hochzeit eines jungen Grafen. Immer weilte die jüngste am längsten, immer büßte sie die Lust am härtesten; nie kommen sie wieder, aber die Sage von ihnen geht von Geschlecht zu Geschlecht.

Bei Randersacker ist ein Berg, der Spielberg geheißen, dort hat sich einstmals der wilde Jäger über den Main schiffen lassen, und das wilde Heer hat Feuer in die Fähre geworfen. Einem Heckenwirt, der von Würzburg nach Randersacker fuhr, soff es Wein aus dem Faß, wie die wilden Frauen bei Schwarza das Bier, und segnete es mit Nieversiegen; das währte so lange, bis der Heckenwirt sein Glück verplapperte.

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