995. Juvavia

995. Juvavia

Bis dicht an den Fuß des weitberühmten Untersberges erstreckte sich in den alten Zeiten eine Römerstadt, Castrum Juvavium oder Juvavia, zu deutsch Helfenburg geheißen. Julius Cäsar soll zum Schutz des Römerreiches gegen die Deutschen eine Besatzung in dieses Kastell gelegt und Kaiser Aelius Hadrianus eine römische Kolonie dort angesiedelt haben. Diese Stadt wuchs an Gebäuden und Einwohnern und breitete sich weit aus über das fruchtbare Gefilde, in welchem das heutige Salzburg liegt. Aber die Einwohner ehrten und fürchteten letztlich weder die Götter noch den einzigen Gott und versanken ganz und gar in den Schlamm der Laster, und der Himmel verhing sein Zorngericht über die sündige Stadt. In einer schrecklichen Nacht versank Juvavia mit Mauern und Mannen, und an die Stätte, wo es gestanden, trat ein weites und tiefes Moos (Moor), das noch heute zu sehen ist. Es ist nicht gut, diesem zu nahen, Gespenster irren dort um, und zur Nachtzeit locken täuschende Lichter den Wanderer in ungeheuerliche Tiefen. Unter dem Erzbischof Johann Ernst, Grafen von Thun, suchte man diese versunkene Stadt in den Moorgründen auf, welche sich von der Leopoldskrone bis zum Untersberge hin erstrecken. Eine alte Mauer, welche auf einer Seite ohnweit des Daunschlosses im Weingarten vom Mönchsberge herabläuft, hielt man für eine Ruine der berühmten Römerstadt, und eine alte Inschrift, welche jener Erzbischof in Marmor hauen ließ, dient der Sage zur Stütze.

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996. Die Mordau

996. Die Mordau

Zwischen dem Reuteralpgebirg und dem mit ewigem Schnee bedeckten Watzmann liegt eine Alm, die ist die Mordau geheißen. Da war eine Sennderin droben, die war gar schön und lieb, und die hat einen Buben gehabt, der war gar herzig und g’spaßig, doch hat die Liebschaft nicht lang gewährt, denn ein schmucker Jäger stach den Hirtenbuben bei seinem Schatzerl aus, und der Bub zergrämte sich mächtig, und das Schatzerl hatte eine Angst, denn es tut selten gut, wenn ein Dirndl zwei Liebsten auf einmal hat, davon singt schon ein altes Liedel, und vertraut’s dem Jäger heimlich, wenn sie nur den Hirtenbuben auf eine gute Art los sein könnt‘, selbig’s wär‘ ihr schon recht. Da sagte der Jäger: Ei, schick den Talk doch auffi auf den hohen Göhl, drüben jenseits der Achen, da wächst das schönste Edelweiß, und begehr fleißig ein Edelweißsträußel von seiner Hand, da wird ihm schon einmal was begegnen, daß er’s Wiederkommen vergißt. – Diesen treulosen Rat nahm sich die falsche Sennderin zu Herzen, und da währte es nicht lang, so kam der alte Schatz und sagte zu der Falschen: Weißt d’was Neues? Der Herzog Friedrich von Bayern fallt ins Berchtesgadner Landl herein, da bin ich h’rauf kommen, dich zu beschützen, da du so allein hier oben wirtschaftest und kaserst. – O du mein Gott! antwortete die Falsche. Was dich doch träumt hat! Gang heim, oder gang hinüber auf den hohen Göhl und hol mir ein frisches Edelweiß auf meinen Hut, wenn ich morgen h’nunter nach Berchtesgaden in die Kirche geh. – Wie du meinst, ich hab’s gut gemeint, antwortete der unbeglückte Liebhaber und stieg hinauf zum hohen Göhl und fand das Edelweiß, die Blume aller Alpenblumen, doch dünkt‘ ihm immer keins schön und groß genug, und sah zuletzt auf einem Ranft hoch überm Abgrund eins stehen, das leuchtete wie lautres Silber und hatte die Blüte aufgeschlossen wie eine Blume der Königin der Nacht, aber wie der Bub es pflückte, krachte und brach das Gestein des Ranfts, und er stürzte mit einem Schrei turmhoch in den Felsenabgrund hinab und zerschellte elendiglich. Indessen hatte sich der Jägersbub zum Schatzerl gesellt, und waren guter Dinge mitsammen und lachten des armen Narrn, der das Wiederkommen richtig vergessen hatte. Statt seiner aber kamen andre, eine Schar wilder Soldaten, die ihren Weg der Kürze halber, und weil sie den Paß auf dem Weg von Reichenhall nach Berchtesgaden, der die Straße geradezu verschließt, nicht passieren wollten, über die Mordau genommen, die fanden das einsame Paar, machten kein Federlesen mit dem Jäger, sondern stießen ihn nieder, faßten die falsche Dirne auch nicht in Gold, sondern taten ihr, was ihr nicht lieb war, und hatte den Tod davon, und sterbend flirrte vor ihrem brechenden Blick des verratenen Liebsten blutiger Leichnam. Die Soldaten soffen die Milch, fraßen die Käse, schlachteten die Kühe, zündeten die Sennhütte an und warfen die Leichen der Ermordeten in die Flammen. Seitdem heißt die Alpe die Mordau und steht auch so auf den Landkarten. Im Zwielicht schweben Geisterschatten trüb und schwer über ihre Triften hin.

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997. Die drei Jungfern

997. Die drei Jungfern

Über Berchtesgaden, oder wie sie es dort in der Gegend nennen, Berchtelsgaden, ragt ein hoher Alpenberg, der Kirnberg, empor, der hat drei spitze Zacken, und diese Zacken heißen die drei Jungfern. Es waren drei Jungfern im Ort, die putzten sich und strählten ihr Haar und flochten’s einander wunderschön, denn sie wollten zum Tanz gehen und waren mitnichten in die Kirche gegangen, als es zur Messe geläutet hatte, und wie sie im besten Haarflechten waren, da läutete es zur Wandlung, und sie hörten den Schall, aber ihre Finger waren so geschäftig, daß keine sich die Zeit nahm, sich zu bekreuzen. Die eine sprach bloß: Horcht, es läutet zur Wandlung! – Meinetwegen! sprach die zweite. – Wandlung hin, Wandlung her! sprach die dritte – da wurden ihnen die Finger so steif und so kalt, und die Zöpfe starrten wie Eiszapfen und waren nicht mehr geschmeidig, und die Stubenwand wich, und ward öde um sie her, und sie hoben sich und fühlten sich gehoben und sind drei Felsenzacken geworden und geblieben immerdar.

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998. Die Salzmänner am Dürrenberge

998. Die Salzmänner am Dürrenberge

An dem Salzberg, der am Dürrenberge (oder auch Dirnberg geschrieben) zwischen Berchtesgaden und Salzburg liegt, ward im Jahre 1573 in dem Salzwerk in einer Tiefe von angeblich sechstausenddreihundert Schuh, wird wohl eine Null zu viel sein, ein Mann ausgegraben, neun Spannen lang, mit Fleisch, Bein, Haar, Bart und Kleidung, und war das Fleisch hart und gelb, wie etwa ein geselchter Stockfisch. Damals stand ein schrecklicher Kometstern am Himmel. Einen ebensolchen Mann hat man abermals ausgegraben im Jahr 1616 im St. Georgen-Stollen in demselbigen Berge und ihn jahrelang beim Stollen Klemereis in einem Kämmerlein aufbehalten, und haben dazumal viele Menschen zu ihren Zeiten selbige beiden Salzmänner gesehen. Zuletzt aber haben diese Salzmänner angehoben zu riechen, wie die ägyptischen Mumien in der Altertümersammlung, die eine Zeitlang auf der Burg zu Nürnberg war oder noch ist, und man hat für gut befunden, der Erde zurückzugeben, was der Erde schon seit undenklichen Jahren angehört, und die Salzmänner christlich begraben.

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989. Der verlorene Jäger

989. Der verlorene Jäger

Es ist nicht selten geschehen, daß Leute in den Untersberg entrückt worden, längere oder kürzere Zeit darinnen geblieben, dann wieder herausgekommen sind und erzählt haben, was ihnen darin begegnet; darüber gibt es viele Sagen, ja ganze Bücher, so eins von Lazarus Aizner, der hat schrecklich viele Wunderdinge im Berg gesehen, auch die Türen zu den Gängen, die nach den Kirchen führen, welche die Untersberger besuchen; einer dieser Wege geht tief unterm Königssee nach Bartholomä – und hat viel seltsamer Prophezeiungen gehört.

Einstmals ging ein Jägersbursch auf den Untersberg und ging daselbst verloren, denn er kam nicht wieder; er war in den Berg geraten und wußte nicht wie, doch hatte er sich seines Bedünkens nicht gar lange darin aufgehalten und wanderte wieder ganz wohlgemut seiner Heimat zu. Als er an die Kirche kam, die man nennt die G’main zur Mutter Gottes, so hörte er läuten und traf auf dem Kirchhof ein kleines Mägdlein an, das fragte er: Warum läutet man? – Zum Seelgottesdienst für einen Jäger, der vorig’ö Jahr auf dem Berge verloren gangen ist, antwortete das Kind. Da ging der Jäger in die Kirche und kniete nieder am Speisegitter, und nach und nach füllte sich das Gotteshaus mit Leuten, davon viele seine Verwandten waren, die ihn alle nicht erkannten. Wie es nun Zeit zum Opfer war, erhob sich der Jäger zuerst und ging voran, da erst erkannten ihn seine Verwandten und Freunde und staunten, daß der mit dem Opfer ging, für dessen arme Seele derselbige Trauergottesdienst gehalten wurde, und war nach beendigtem Dienst groß Fragens um ihn her – aber der Jäger schwieg und offenbarte nichts. Nur dem Erzbischof von Salzburg hat bald darauf der Jäger erzählt, was er gesehen und im Berge erlebt, und ein Vierteljahr danach ist er tot gewesen. Er hat Michael Holzegger geheißen, und soll sich diese Sache 1738 zugetragen haben. Und der Erzbischof ist über das, was er vom Jäger vernommen, sehr nachdenklich und tiefsinnig geworden und hat es niemand anvertraut.

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990. Die Goldzacken

990. Die Goldzacken

Am Untersberge, dessen Gipfelseitenansicht, von weitem gesehen, merkwürdig einem Menschengesicht gleicht, hat es schon gar manchen geneckt und, wenn nicht in das Innere, doch außen in Wald und Geklüft irregeführt, denn es ist gar ein gewaltiger Bergstock, der stundenweit seinen Hochrücken streckt und in den weißen Blöcken seines Marmors Geflechte zeigt, rot wie der Bart des Barbarossa. Da war zu Fagen ein Scheuerbauer, hieß Sebastian Fletscher, der kam auch einmal an eine Felswand, die etwas überhing, blitz, da hingen Zacken von purem blanken Gold weit herunter, daß man sie mit der Hand erreichen konnte, gerade solche, wie der Holzmann in der Geisterkirche am Ochsenkopf fand, aber der Fehler war der, daß man die Goldzacken nicht mit der Hand abbrechen konnte wie Eiszapfen. Indes war der Fletscher klug, er dachte, du willst heimgehen und deine Haue holen, willst dir aber zuvor ein Merkzeichen machen, daß du den Ort wiederfindest; trug also einen tüchtigen Haufen Steine zusammen, gerade unter die Goldzacken, und lief nun, was er konnte, heim und holte die Haue. Wie schwang um ihn die Hoffnung so goldene Flügel und hing sie ihm an Haupt und Füße, daß er mehr flog als ging. Da er nun wieder hinaufkam, der Bastel, so lag richtig sein Steinhaufen noch da, aber – o weh – die Goldzacken waren nicht mehr da – dergleichen bleibt nicht ewig sitzen und sichtbar. Die rechte Stunde war für immer vorüber, und der arme Fletscher hatte nun keinen andern Lohn als den Hinweg für den Herweg.

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991. Riesen und wilde Frauen im Untersberge

991. Riesen und wilde Frauen im Untersberge

Leute aus dem Dorfe Feldkirchen ohnweit der Stadt Salzburg erzählten für wahrhaft: Als wir noch junge Buben waren, haben wir mit eigenen Augen gesehen, daß einige alte Riesen aus dem Untersberge herausgingen, herunterkamen und sich auf die nächst dieses Berges stehende Grödiger Pfarrkirche lehnten, mit unterschiedlichen Personen Gespräche hielten, doch niemand einiges Leid zufügten, sondern ihren Weg wieder in Frieden gingen. Die Grödiger Leute waren von den Riesen oft ermahnt, durch erbauliches Leben sich gegen verdientes Unglück zu sichern. Dieselben Leute zeigten zu der nämlichen Zeit an, daß zu Grödig vielmals etliche Frauen von wilder Art aus dem Untersberg gekommen sind zu den Knaben und Mägdlein, welche zunächst dem Loch innerhalb Glanegg des Viehes hüteten, und ihnen Brot und Käse zu essen gegeben haben. Auch in das Kornschneiden gingen solche wilde Frauen nach Grödig. Sie kamen sehr früh des Morgens herab, und abends, da die andern Leute Feierabend genommen, gingen sie, ohne die Abendmahlzeit mitzuessen, wiederum in den Wunderberg hinein.

Eines Tages geschah es, daß ein Bauersmann bei Grödig aus dem Felde ackerte und sein kleines Söhnlein auf das Pferd gesetzt hatte. Da kamen die wilden Frauen aus dem Untersberge, hätten das Knäblein gern gehabt und wollten es mit Gewalt hinwegführen. Der Vater aber, dem die Geheimnisse und Begebenheiten dieses Berges schon bekannt waren, eilte den Frauen ohne Furcht zu und nahm ihnen den Knaben ab mit den Worten: Was erfrechet ihr euch, so oft herauszugehen und mir jetzt sogar meinen Buben hinwegzunehmen? Was wollt ihr mit ihm machen? – Die wilden Frauen sagten: Er wird bei uns bessere Pflege haben, und wird ihm bei uns besser gehen als zu Hause; der Knabe wäre uns sehr lieb, es wird ihm kein Leid widerfahren! – Allein der Vater ließ seinen Knaben nicht aus den Händen, und die wilden Frauen gingen bitterlich weinend von bannen.

Abermals kamen die wilden Frauen aus dem Wunderberge nahe an die Kugelstatt oder Kugelmühle, so bei diesem Berge schön auf der Anhöhe liegt, und nahmen dort ein Knäblein mit sich fort, das das Weidvieh hütete. Da haben über ein Jahr hernach die Holzleute dasselbe Knäblein auf dem Untersberge auf einem Baumstock sitzen sehen, das hatte ein schön grünes Kleid an. Dies sagten sie den Eltern des Knaben, und am andern Tage suchten sie es mit Vater und Mutter an demselben Orte, aber der Knabe ward nicht wieder gefunden.

Mehrmals hat es sich begeben, daß eine wilde Frau aus dem Wunderberge gegen das Dorf Anif ging, welches eine gute halbe Stunde vom Berge entlegen ist. Alldort machte sie sich in die Erde Löcher und Lagerstatt. Sie trug ungemein langes und schönes Haar, das ihr beinahe bis zu den Fußsohlen hinabreichte.

Ein Bauersmann aus Anif sah zum öftern diese Frau ab- und zugehen, und ob ihrer Schönheit und der Schönheit ihrer langen Haare ward ihm gegen sie das Herz entzündet. Er konnte dem Drange, ihr zu nahen, nicht widerstehen, ging zu ihr, betrachtete sie mit innigem Wohlgefallen und legte sich endlich in seiner Einfalt ohne Scheu zu ihr auf ihr Lager, doch in allen Ehren; beide sahen einander an, und keines sprach ein Wort; noch weniger trieben sie Ungebührliches. Als der Bauer zur zweiten Nacht wiederkam, fragte ihn die wilde Frau, ob er nicht selbst ein Weib habe. – Nun hatte er eine angetraute Ehefrau, doch verleugnete er sie und sprach: Nein! – Des Bauers Ehewirtin aber machte sich allerhand Gedanken, wo denn ihr Mann des Abends hingehe und die Nächte zubringe. Daher spähte sie nach ihm und ging aus, ihn zu suchen, und fand ihn auf dem Felde, bei der wilden Frau schlafend. Da rief sie der wilden Frau zu: O behüte Gott deine schönen Haare! Was tut ihr denn da miteinander? – Mit diesen Worten wich das Bauernweib von ihnen, und ihr Mann erschrak gar sehr darüber. Aber die wilde Frau hielt ihm seine treulose Verleugnung vor und sprach: Hätte deine Frau bösen Haß und Ärger gegen mich zu erkennen gegeben, so würdest du jetzt unglücklich sein und nicht mehr von dieser Stelle kommen, aber weil deine Frau nicht bös war, so liebe sie fortan und hause mit ihr getreulich und unterstehe dich nicht mehr, daher zu kommen, denn es steht geschrieben: Ein jeder lebe getreulich mit seinem getrauten Weibe, obgleich die Kraft dieses Gebots einst in große Abnahme kommen wird und damit aller zeitliche Wohlstand der Eheleute. Nimm diesen Schuh voll Geld mit dir und sieh dich nicht mehr um! – Damit schwand die wilde Frau hinweg, und der Bauer ging mit seinem Schuh voll Geld erschrocken heim und tat, wie ihm geboten war.

Ein Müller aus Salzburg, Leonhard Burger mit Namen, ging einst auf den Untersberg, da traf er eine wilde Frau und ein Bergmännlein an und sahe letzteres mit einem Hammer in das Gestein hauen; es floß in eine große untergestellte Kanne von einem halben Maß eitel gediegenes Gold. Die wilde Frau schrie den Wanderer an, und scheu wich er zurück; wäre er geblieben, so hätte er wohl etwas mehr bekommen; so aber gab ihm das Bergmännlein nur ein gutes Stück von einem glänzend schimmernden Steine, und daran hatte er sein Lebenlang genug.

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992. Der Fuhrmann und die Bergmännlein

992. Der Fuhrmann und die Bergmännlein

Einstmals im Jahre 1694 wollte ein Fuhrmann mit einem Wagen, der mit Wein befrachtet war, aus Tirol nach Hallein fahren und kam neben St. Leonhard bei der Almbrücke zu Niederalm, einem Dorfe zunächst des Wunderberges. Dort ging ein Bergmännlein aus dem Berge hervor und fragte den Fuhrmann: Woher kommst du, und was fährst du? – Der Fuhrmann sagte: Wein. – Da sprach das Männlein: Fahre mit mir! Ich gebe dir gute Münze dafür, und mehr, als du zu Hallein bekommen wirst. – Der Fuhrmann weigerte sich, weil der Wein bestellt sei. Darüber ward das Bergmännlein erzürnt, fiel auf die Mähnen der Pferde und rief: Fuhrmann, weil du nicht mitfahren willst, will ich dich so führen, daß du gar nicht wissen sollst, wo du bist, und sollst dich nicht mehr auskennen. – Dem Fuhrmann wurde mächtig bange, er sah, daß er in der Gewalt des Unterirdischen war, und gehorchte nun dem Bergmännlein, das mit eigener Hand den Zaum der Pferde ergriff und das Geschirr immer näher zu dem Untersberge hinlenkte. Dem Fuhrmann schien es, als gehe es auf einer kunstgerecht gemachten Straße, aber zugleich überkam ihn gar mächtig ein Schlaf, des er sich nicht erwehren konnte, nickte ein, erwachte wieder und sah, daß er einem Felsenschloß nahe, dessen Mauern von rot und weißem Marmor waren, und dessen Fenster wie Kristallspiegel glänzten. Dieses Schloß war so gefestet, daß man durch mehrere Tore und über sieben Zugbrücken mußte. Da nun der Wagen in das Schloß herein war, hieß der Kellermeister den Fuhrmann willkommen und sprach ihm Mut ein, und war selbiger Kellermeister etwa so ein Männlein wie die im Osenberg, der Bart ging ihm bis aus den Bauch, an der Seite hing ihm eine große Tasche, und in der Hand trug es einen großen Schlüsselbund. Nun sprangen auch andre seinesgleichen herbei, die spannten die Pferde aus, führten sie zum Futter und luden den Wein ab, andere führten den Fuhrmann in ein helles Gemach und setzten ihm zu essen und zu trinken vor, dann zeigten sie ihm das Innere des Schlosses, das gar überherrlich war, und sah viel Wunders an gegossenen Riesen von Erz und reiche Gewaffen, Gestühle, Bett- und Tafelwerk und einen fässervollen Keller so weit und tief, daß sein Ende nicht zu ersehen war, und dachte bei sich: Na, die müssen ’s Zechen verstehen. Und im Keller drin an einem runden Tisch zählte ein Bergmännlein ihm einhundertundachtzig Dutzend Dukaten hin und ermahnte ihn, wieder andern Wein zu kaufen und guten Handel damit zu rreiben. Und weil das eine Pferd des Fuhrmanns blind war, so nahm ein Männlein einen Stein, der schien bläulich, und strich damit dem Pferd übers Auge, da ward es sehend, und schenkten ihm den Stein, auch andern zu helfen. Gar mancherlei erfuhr er noch von heimlichen Dingen, die er alle bei sich behielt bis an seinen Tod, und fand sich unversehens wieder mit seinem leeren Geschirr an dem Ort, da ihn zuerst das Bergmännlein angesprochen hatte. Den blauen Stein aber hat er einem Apotheker in Salzburg gezeigt, der fand, daß er ein kupfer- und zinkhaltiges Mittelsalz sei, nannte ihn ob seiner Tugend Lapis mirabilis, bildete ihn auf chemischem Wege nach und tät damit zuerst große Augenkuren an Menschen und Vieh.

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993. Der Goldsand

993. Der Goldsand

Ein armer Dienstknecht beim Hofwirt zu St. Zeno, Paul Mayer, ging auch auf den Untersberg hinauf, als er beim Brunnental fast die Hälfte des Berges erstiegen hatte, stand er vor einer Steinklippe, und unter der lag ein Häuflein glitzernder Sand. – Ei, das könnt‘ am Ende Gold sein, dachte der Paul Mayer und steckte Sand ein, so viel in seine Taschen ging, und wandte sich zur Umkehr. Da trat ihm ein Fremder entgegen, grimmen Aussehens und riesenhaften Wuchses, und fragte: Was trägst du da? – Und da der arme Teufel vor Schreck verstummte, leerte jener ihm nolens volens die Taschen wieder aus und sprach: Jetzt gang gleich abi, und gang nimmer auf dem alten Weg z’ruck, und laß dich nimmer wieder hier oben antreffen, wenn d’nit zwa Bein‘ z’vill host! – Der Knecht ging ganz bestürzt einen andern Weg zurück, ärgerte ihn der Verlust des Sandes, vertraute sein Abenteuer einem Kameraden und nahm den mit auf die Höhe, trotz des Verbotes jenes Riesenmannes. Aber sie suchten und suchten und fanden durchaus nicht die Wand, nicht den Sand.

Ein Holzmeister, der sich auf dem Untersberge im Geschäft verspätet, fand den Rückweg nicht und mußte in eine Felskluft einkriechen und allda nachten. Am andern frühen Morgen nahm er eine Steinklippe wahr, von welcher eben solcher Goldsand abrieselte, wie der Paul Mayer erblickt, der Holzmeister hatte nichts bei sich, den Sand aufzufangen, merkte sich die Stelle, ging heim und holte ein Krüglein. Dem glückte es nun besser wie dem Bastel Fletscher mit den Goldzacken, er fand die Stelle und den rinnenden Sand und setzte ein Krüglein, das er mit heraufgebracht, unter. Als dasselbe voll war, ging er hinweg und sah eine Türe, die stand offen, und er schaute hinein und sah es drinnen auch tageshell, aber mit einem Schnapp schlug die Türe ihm vor der Nase zu, und drinnen dröhnte es wie ein Schuß in einem großen Weinfaß. Im Krüglein war wahrhaftig Goldsand; er hat es nachher noch zum öftern füllen dürfen, aber bald darauf ist er gestorben, und da ging’s mit dem Golde nach dem Sprüchwort: Wie gewonnen, so zerronnen, es zerrann nur so, wie eben Sand zerrinnt, und war kein Segen dabei. Es fand auch niemand nach ihm weder die Türe noch den quellenden Goldsand.

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994. Die Goldkohlen

994. Die Goldkohlen

Zu Salzburg war eine Kräuterfrau oder Kräutelbrocklerin, wie man sie dort nennt, die ging auf den Wunderberg nach Wurzeln und Kräutern, denn was da alles Gutes darauf wächst, ist gar nicht zu sagen: Tausendgüldenkraut und bittrer Enzian, Goldwurzel und Salomonssiegel, Allermannsharnisch und Teufelsabbiß, Lungenkraut und Edelleberkraut. Engelsüß und Johannisblut, Dosten und Dorand, Himmelskerzen und Herzleuchte, Farnkrautmännlein und Farnkrautweiblein und viele hundert andere Heilwurzeln und Würzkräuter, so daß es nur eine Lust ist, auf selbem Berge zu kräuteln. Wie nun das Weiblein emsig ihres Geschäftes oblag, kam sie zu einer Wand des Berges, da lagen schwarze Brocken, sahen ohngefähr wie Kohlen aus, die warf sie auch alsbald in ihren Korb, und als dieser voll Kräuter war, ging sie heim. Zu Hause blitzte es aus den Kohlen hell und klar, gediegen Gold saß drin, die Hülle und Fülle. – Ei, des Dinges willst du mehr holen, das ist der wahre Jakob und die Herzenstrostmünze! – rief die Alte. Kehrte alsbald eilend wieder um zum Berge, fand aber da, wo die schwarzen Kohlen gelegen hatten, nichts als ein unsaubres Kräutlein: Ziegenlorbeeren.

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