674. Praga

674. Praga

Im andern Jahre der Regierung Przemisls trat an einem schönen Sommertage die Königin Libussa an der Seite ihres Gemahls aus dem Schlosse Libin und bestieg, von ihrem Gefolge umgeben, den hohen Felsenstuhl, auf welchem schon oft der Geist der Weissagung über sie gekommen war. Von diesem auch jetzt wieder erfüllt, sprach sie die Worte: Ich erblicke im Geiste eine Stadt, deren Ruhm einst den Himmel erreicht! Dort in waldiger Gegend, dreitausend Schritte von hier, wo der Bach Bruznika durch einen Graben fließt und in die Wlatawa (Moldau) fällt, dort, wo steinig und steil der Berg Petrzin emporsteigt, werdet ihr in Waldes Mitte finden einen Mann, zimmernd an der Schwelle eines Hauses, und weil auch Große ihr Haupt beugen müssen vor einer Schwelle, so werde die Stadt, die man dort erbauen wird, nach der Schwelle benannt. – Alsobald machten sich Männer auf, folgten Libussens Weissagung, da fanden sie einen Zimmermann, der fällte einen Eichbaum und richtete ihn zu, und als jene ihn fragten, was er da zimmere, so antwortete er: Prah, das ist, eine Schwelle.

An diesem Orte ward nun auf Libussas Gebot die große und herrliche Stadt gegründet, welche den Namen Praha, Praga von der Schwelle empfing.

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667. Das steinerne Brautbette

667. Das steinerne Brautbette

Auf einer andern Burg im Riesengebirge hat auch ein Schloß gestanden, darinnen hauste die Witwe des Ritters mit einer einzigen Tochter. Diese Tochter liebte einen nachbarlichen jungen Ritter, möglich, daß es ein Helfensteiner war. Aber er versah es, dem Sprüchwort zu folgen, welches lehrt: Wer die Tochter haben will, muß es gut mit der Mutter meinen, und da meinte die Mutter es auch nicht gut mit ihm und schwur, daß er bei ihrem Leben nimmermehr ihr Eidam werden solle. Die Tochter aber, die den jungen Ritter heftig und feurig liebte, verlobte sich ihm dennoch und schwur, ihn zu heiraten, sobald die Alte die Augen schließe, diese werde ja nicht ewig leben. Solches erfuhr die Mutter und warf sich vor Gott nieder und betete und fluchte in leidenschaftlicher Wut, und Gott solle der Tochter, die sich so sehr an ihr versündige, ihr Brautbette zu Stein verwandeln. Und gleich nach diesem Fluche starb die Alte, gleich jener Mutter, die ihre fleißige Tochter, die Spinnerin, in den Mond verwünschte, denn solche Flüche sind keine Lebensverlängerungselixire. Aber wie die Mutter, so hielt auch die Tochter ihr Wort und heiratete ihren Bräutigam und hielt keine Trauerzeit. Die Hochzeit wurde festlich begangen, aber in der Mitternachtsstunde, als die Tochter das Brautbette bestiegen, erfüllte sich der Mutter Fluch. Unter furchtbarem Donnergetöse brach das Schloß in Trümmer und sank in die Abgründe, die es umgaben; nur eine Felsenzacke blieb stehen, die war das Fundament der Brautkammer, und das Brautbette war in Stein verwandelt und stand hoch oben auf der Zacke, und war keine Feder mehr darin und weder Stroh noch Floh. Aber die Tochter war noch darin – ohne Bräutigam – allein auf schwindelnder unnahbarer Höhe, von Gott verlassen und von aller Welt, nur nicht von ihrer Pein und Qual und nicht von den Raben und Geiern, die um den Felsengipfel kreischend flogen und sie endlich auffraßen. Der Felsenzacken steht noch immer.

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668. Der Teufelsrachen

668. Der Teufelsrachen

Unter Königingrätz lag dicht an der Elbe Opatowitz, der Klöster reichstes. Dieses Benediktinerstift besaß einen unermeßlichen Schatz, aber niemand außer dem Abt und den zwei ältesten Mönchen wußte dieses Schatzes Ort, wo er verborgen war. Da Kaiser Karl IV. ein Verlangen trug, den Schatz zu sehen, so ward ihm dieses zwar gestattet, doch nur ihm allein und unter dem Beding, daß er mit verbundenen Augen in die Schatzkammer sich führen lasse. Dies geschah, und der Kaiser sah erstaunt all den Reichtum und die Pracht, tat ihm freilich wehe, daß der Schatz, ein Wert von vier Millionen Goldgülden, nicht sein sei und so tot daliege, hätt‘ ihn wohl brauchen mögen zum Bau seines Karlstein, des herrlichen Schlosses, und ging unerfreut wieder von hinnen. Da kam die schreckliche Zeit der Hussitenkriege, und der Hussitenfeldherr Ziska trug auch großes Verlangen, mit seinem einen Auge zu sehen, was Karl IV. mit zweien gesehen hatte, und wollte des Schatzes ein fröhlicher Finder und Erheber sein. Allein die Mönche wußten von keinem Schatz; da ließ der schreckliche Held den Abt und die Mönche grausam martern, den Ort anzuzeigen, ließ auch die Abtei durchsuchen von unten bis oben, alle Gänge, Keller, Kerker – jene bekannten nichts, und die Krieger fanden nichts. Und der Abt hatte zu Ziska gesagt: Eher in des Teufels Rachen den Schatz als in deinem! – und war in seiner Marter gestorben. Nahe beim Kloster aber war des Teufels Rachen gelegen, eine wilde unheimliche Stromtiefe, oft brausend und überschwellend und um sich greifend und drohend, über die Czezerkaseen zu brausen, die dort in der Niederung liegen, das Land zu verschlingen und ein Meer zu bilden. Und siehe, in einer Sturmnacht nahm sich der Teufelsrachen das Kloster samt dem Schatz, es versank und verschwand, und die Wellen wogten darüber hin. Bei kleinem Wasserstand, wenn die Elbe ruhig fließt, sehen die Fischer noch etwas von den Klostermauern. Noch verewigt den Namen des Klosters der Opatowitz-Kanal, der gegraben wurde, um dem Strome mehr Abfluß zu verschaffen, denn den Teufelsrachen zu stopfen, ward auch hier unmöglich befunden.

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66. Die heilige Bilhilde

66. Die heilige Bilhilde

Zu Hochheim am Main saß ein Geschlecht edler Franken, und noch gewahrte man in neuern Zeiten beim Ziehbrunnen allda Reste ihres Burgsitzes. Das war zu den Zeiten Chlodowigs, des Frankenkönigs. Dieses Geschlechtes einer hieß Iberich, dem ward ein Töchterlein geboren, das wurde Bilhilde geheißen, aber es empfing nicht die heilige Taufe, weil durch Feindesverheerung alle Priester gemordet oder entwichen waren. Doch sendeten die Eltern das junge Töchterlein in seinem dritten Jahre gen Würzburg zu Kunegunde, einer Verwandten, und dort empfing es Lehre und wurde unter die Zahl junger Katechumenen von den Priestern aufgenommen. Zur Taufe gelangte das Kind aber dennoch nicht, denn man hielt es für getauft, und es selbst wußte nicht, daß es noch nicht der Taufe Sakrament empfangen. Das Mägdlein wuchs und blühte heran in Tugend und Gottesfurcht. Bilhilde blieb frei von Heidengreueln, die dazumal noch neben dem Christentum im Frankenlande heimisch waren, und der Ruf ihrer Schönheit, Frömmigkeit und Sitte drang weit umher in alle Gauen. Davon vernahm auch Hetan, des Thüringer Herzogs Ratulf Sohn, der war schon einmal vermählt gewesen und hatte zwei Söhne, und warb um die junge Bilhilde; Hetan aber war noch ein Heide, und Bilhilde nahm ihn nur auf den dringenden Wunsch ihrer Eltern zum Gemahl, und in der Hoffnung, es werde ihr gelingen, ihn zum milden Christentum samt den Seinen zu bewegen. Solches gelang ihr aber mitnichten, zu ihrer großen Kümmernis, daher lebte sie sehr still und schmucklos, in den Übungen strenger Kasteiung und Buße. Hetan fand den Tod in der Schlacht, und seine Witwe empfand ein Sehnen nach ihrer Mutter, auch ward ihr von dem Thüringervolke mit Undank gelohnt, daß sie die Christuslehre unter ihm auszubreiten bemüht gewesen, sie wurde verfolgt und zur Flucht genötigt und stieg mit ihren Jungfrauen zur Nacht in ein Schiff ohne Steuer und Fährmann. Aber Engel erschienen, die lenkten das Schifflein an allen Untiefen und an allen Klippen glücklich vorüber auf der langen weiten Stromfahrt, von der fränkischen Saale in den Main und vom Main an Hochheim vorüber, und landete in Mainz an, wo Siegbert, Bilhildens Ohm, Bischof geworden war, der empfing die fromme Jungfrau gar liebevoll, gab ihr Wohnung und half ihr zum Besitz ihres Erbes in Hochheim, denn ihre Eltern waren indes verstorben. Darauf stiftete die fromme Bilhilde ein Kloster, Altenmünster zu Mainz, von ihrem Erbgut, lebte gottergeben, züchtig, mildtätig, bis ihr Lebensziel fast erreicht war. Da träumte dreien Nonnen im selben Kloster, dem Bilhilde als Äbtissin vorstand, daß ihre Mutter und Oberin noch gar nicht getauft sei, und offenbarten es ihr, aber sie wollte und konnte das gar nicht glauben, bis es durch ein anderweites Gesicht oder durch die Stimme eines Engels auch ihrem Ohm offenbart wurde, der dann die fromme Christin in den Christenbund aufnahm. Nachher hat Bilhilde sich dem Weltleben völlig abgetan, und als sie verstarb, erschien ein Lichtglanz um ihre irdische Hülle, und Wohlgeruch erfüllte ihre Zelle. Kranke genasen in ihrer Nähe, Blinde wurden sehend, und Tote wandelten. Bilhilde wurde die erste Heilige des Frankenlandes.

Viele sagten, Bilhilde sei noch beim Leben ihres Gemahls Hetan auf so wunderbar geleitetem Schifflein nach Mainz gekommen. Auch liegt eine Meile unterhalb Würzburg am Mainstrom ein Ort, heißt Veitshöchheim, der hat sich auch, gleich Hochheim, Bilhildens Herkunft, und daß sie ihm entstamme, angenommen, hat ihr einen eigenen Festtag gestiftet und bewahrt und verehrt von ihr Reliquien.

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669. Die Goldmaus

669. Die Goldmaus

Über das Gebirge, welches man die böhmischen Kämme nennt, stieg ein armer Krämer herab nach seiner Heimat, dem Städtlein Reichenau im Königingrätzer Kreise. Der müde gewordene Mann setzte sich auf einen Felsblock und begann ein Stück Brot zu essen, das war seine ganze Mahlzeit, und wenn er Durst hatte, so wehrte ihm niemand, aus der hellen Siebnitzquelle zu trinken, die dort vom Gebirge munter zu Tale rollt. Da sah er am Boden ein Mäuslein spielen, das setzte sich gerade vor ihn hin und schien auch Hunger zu haben, da streute der Krämer ihm Brotbröselein hin, die es alsobald mit großer Gier wegknusperte, und dann erhielt es stets aufs neue sein kleines Teil, bis das Brot verzehrt war. Nun hatte der Wanderer allerdings Durst, und ging nach der Quelle und trank, und kehrte wieder an seinen Sitz zurück, wo sein kleiner Kram stand, den er mit sich trug. Da lag ein Goldstück da, wo das Mäuslein gesessen hatte, und indem so kam es wieder und brachte noch ein Goldstück und legte es zum ersten, und lief fort, ein drittes zu holen. Da ging der Krämer dem guten Tierchen nach, das nicht mausete, sondern brachte, und es lief in ein Loch, daraus trug es das Gold hervor. Da störte der Krämer mit seinem Stachelstock das Loch auf und fand einen Schatz im Boden liegen, den hob er heraus, und war ein ganzer Topf voll alter böhmischer Goldgulden, und schaute um nach dem Mäuslein, und hätt‘ es mögen vor lauter Dankbarkeit in Gold fassen lassen, es war aber auf und davon. Da ist der Mann fröhlich hinab nach Reichenau gegangen und hat von dem Gelde für sich gar wenig behalten, sondern ein gut Teil den Armen gegeben und vom andern die Dreifaltigkeitskirche alldort erbauen lassen, daran diese Geschichte noch in Stein vorgestellt zu sehen ist.

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670. Die Brüder Czech und Lech

670. Die Brüder Czech und Lech

In grauen Zeiten saßen im Lande um die Karpathen zwei Brüder als Fürsten, die hießen Czech und Lech. Da sich in der Verwandtschaft Unfrieden erhob über den Boden und die Ansprüche an ihn, so wanderten die Brüder mit allen den Ihrigen, an sechshundert Personen, aus und zogen mitternachtwärts, und die Fürsten ritten vor dem Volke her, und vor ihnen ward ein gelbes Banner getragen, darinnen die Gestalt eines schwarzen Aaren die Flügel breitete.

So kamen sie endlich in der Bojer oder Bojemer Landschaft unter einen hohen Berg, lagerten sich allda und ruheten, besahen das Land und fanden es fruchtbar und wohlgelegen. Am Morgen stiegen beide Brüder auf des Berges Gipfel, schauten sich um und erblickten ein wäldervolles, fruchtbares Land, fanden darauf auch fischreiche Wasser und sagten solches den Ihrigen an. Dann erforderte Czech am andern Morgen bei Sonnenaufgang sein ganzes Geschlecht und alle, die mit ihm gekommen waren, setzte sich auf einen Stock und sprach zu dem Bruder, den Freunden und Genossen: Ruhet hier und bringet den Göttern, die hierher uns führten, ein Dankopfer. Das ist das Land, welches ich euch verheißen, und weil es so fruchtbar und angenehm, so gebt nun dem Lande einen Namen! Da riefen alle, die mit dem Sprecher gekommen waren, gleichsam aus einem Munde und wie durch göttliche Eingebung: Von wem sollte das Land bessern Namen bekommen als von dir, dem Czech, unserm Führer? Billig ist es und recht, daß es deinen Namen führe, Czechowa, das Land des Czech.

Da erhob sich der Führer und blickte zum Himmel; dann warf er sich nieder auf die Erde, küßte den Boden, stand wieder auf und hob die Hände gen Himmel und grüßte das Land, das göttergegebene, mit segnenden Worten. Und blieb mit seinem Volke allda und breitete sich aus, und das Volk lebte in Sitteneinfachheit, friedsam und fleißig, ehrlich und gastfrei.

Neun Jahre nach der Ankunft, da es wieder an Raum gebrach, schied der Lech sich ab von seinem Bruder und zog mit seinem Volk und Gesinde gen Aufgang der Sonne und sprach zu jenen, von denen er schied, da sie ihn baten, nicht allzu weit hinwegzuziehen: Liebe Brüder und Genossen! Steiget am dritten Morgen vor Aufgang des Morgensterns auf den Berg Rzip, da will ich, wo ich sei, ein mächtiges Feuer entzünden, wo ihr das sehet und den Rauch, dort habe ich mit den Meinen mich niedergelassen.

Solches geschahe, und gründete der Lech die erste Stadt in Böhmen, die nannte er Kaurzim, von dem Worte Rauch.

Der Berg Rzip, an dessen Fuße zuerst der Czech mit den Seinen sich ansiedelte, ist der heutige St. Georgenberg. Czech aber lebte noch siebenzig Jahre, dann starb er, beweint von allem Volke lange Zeit.

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671. Krok und seine Töchter

671. Krok und seine Töchter

Nach den Zeiten des Czech und Lech erhielt das Volk und Land einen Gebieter, der hieß Samo, das war zur Zeit, als König Dagobert im Frankenlande und in Thüringen gebot, Samo aber herrschte über Bojen und Wenden, und diese beiden Könige kamen miteinander zu streiten, da ward bei Voigtsberg die große Schlacht geschlagen zwischen Samo und Dagobert, die währte drei Tage lang und kostete viele tausend Leben. Samo blieb Sieger und verheerte Thüringen und all sein Nachbarland. Danach, als König Samo gestorben war, hatte das Volk der Bojehemen kein Oberhaupt, sondern jeglicher Stamm gehorchte dem Stammesältesten, den nannten sie Wladyka. Ein solcher Ältester hieß Krok, und der Ruf seiner Weisheit und Gerechtigkeit erscholl durch das ganze Land, und das Volk erwählte Krok zu seinem Richter und Oberhaupt. Er wurde über dem Grabe des Czech auf dessen Stuhl gesetzt, man gab ihm den Stab des Czech in die Hand, bedeckte sein Haupt mit dessen Mütze und huldigte ihm, indem man versprach, seinen Gesetzen und Anordnungen willige Folge zu leisten.

Alle Liebe erwies das Volk seinem weisen Regierer und erbaute ihm ein Schloß, freilich nur von Holz, ziemlich hoch an einem Berge, baute sich selbst um den Berg her an und nannte Schloß und Stadt Budecz; nachderhand gründete Krok durch die Seinen an allen Orten und Enden im Lande Böhmen feste Wohnsitze, darunter auch sein Lieblingsschloß Psary, an der Stelle, wo sich hernachmals der Wischerad erhob, das den Namen führte von dem heimatlichen Schlosse des Czech.

Krok war als erster Richter und Fürst des Landes auch dessen erster Priester; er besaß die Gabe der Weissagung, die er von Geistern und Pilweisen lernte und seinen Töchtern lehrte, deren sein Weib, Nina, ihm drei geboren, die, von wundersamer Schönheit, auch an Geist und Verstand den Vater noch überragten. Die älteste hieß Kascha; diese kannte alle Tugenden und Kräfte der Kräuter, Steine und Metalle und war eine erfahrene Ärztin und kundige Wahrsagerin. Die zweitgeborene Tochter hieß Tetka; diese war eine Pilweise und lehrte das Volk, den Göttern der Haine, der Gewässer und Gebirge dienen und Opfer bringen. Die dritte Tochter, die jüngste und schönste ihrer Schwestern, hieß Libussa, war eine Prophetin und übertraf an Weisheit und Vorsichtigkeit ihre Schwestern weit, und es war an hoher Einsicht nirgend ein Weib oder ein Mann, der ihr zu vergleichen gewesen wäre.

Und Krok, als er neununddreißig Jahre regiert hatte, da starb er, und das Volk, als es seinen Tod vernahm, lief aus Häusern und Hütten, wie Bienen nach ihrem Weisel, mit großer Klage, und die Töchter riefen zu den Göttern, den Geist des Vaters auf lichten Wegen zu führen.

Dann setzte das Volk den Leichnam Kroks neben dem Herzog Czech und seinem vor ihm gestorbenen Weibe Nina bei, legte viele und reiche Gaben in den Hügel, türmte einen Stein darauf, entzündete ein Opferfeuer und erhob ihm die Totenklage.

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672. Libussa

672. Libussa

Als nach dem Tode Kroks seine drei Töchter ihres Vaters Erbe in Besitz genommen, loseten sie um dessen Teilung. Da erhielt Kascha das Land gen Mitternacht, Tetka das gen Niedergang und Libussa das ganze Gebiet gen Aufgang mit des Vaters Hochburg Psary. Weit im Lande breitete sich Libussas Ruhm aus, und alles Volk kam, sich in Streitigkeiten von ihr Recht sprechen zu lassen oder ihre Verkündigungen zukünftiger Ereignisse zu vernehmen. Sie selbst lebte jungfräulich, züchtig, ein Beispiel den Ihrigen und allem Volke, und dieses wählte sie einstimmig zu einer Richterin und Königin.

Libussa erweiterte und befestigte das Schloß Psary. Oft saß sie dort auf einem hohen Felsen über dem Kreise ihrer Jungfrauen, blickte sinnend in die Gegend hinab und sprach Recht oder Worte der Weissagung. Eines Tages gebot sie, das Schloß nicht mehr Psary, sondern Libin zu nennen.

Silber und Gold, welches man in rohen Klumpen im Lande fand, wurde der Königin zugesendet, und sie begründete den Bergbau.

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65. Heinrich Frauenlobs Begängnis

65. Heinrich Frauenlobs Begängnis

Es war in deutschen Lande ein Minnesänger, der sang viel süße Weisen zum Lobe der Frauen, vor allen zum Preise von aller Frauen Krone, deshalb gewann er auch den Namen Frauenlob, denn sein rechter Name war Meister Heinrich von Meißen. Viele Reisen machte der Sänger von einem deutschen Hofe zum andern, er sang irdische und sang Gottesminne. Zu Rostock war Markgraf Waldemar von Brandenburg gesessen, der hatte einen Rosengarten, und ließ ein Festsingen halten, da war Meister Heinrich der erste Singer. Einstmals lauerten Feinde ihm auf und umringten ihn mit Dräuen, sie wollten ihn töten. Da bat er, sie sollten ihm noch einen Sang zum letzten vergönnen, und als sie das taten, sang er so rührend zum Preise der himmlischen Frauen, daß jede gehobene Waffe sich senkte und die Feinde ihn ungehemmt und ungeschädigt von dannen ziehen ließen. Auf seinen Sangesfahrten kam Meister Heinrich auch nach Mainz und verstarb allda und wurde begraben im Umgang des Domes, neben der Schule, mit großen Ehren. Von seiner Herberge bis zur Grabstätte trugen ihn Frauen und erhoben um ihn großes Weinen und Wehklagen, des großen Lobes willen, welches der Sänger dem ganzen weiblichen Geschlecht zeit seines Lebens erteilt hatte. Und mit den Tränen, die sie vergossen, zugleich gossen sie eine Fülle edlen Weins auf Meister Heinrichs Grab, daß der Wein durch den ganzen Umgang der Kirche umherfloß. Und wäre manchem Dichter, der auch die Frauen minnt und preist, lieber, sie gäben ihm solchen Wein beim Leben. Mehr als ein Denkmal ist Heinrich Frauenlob errichtet worden im Dom zu Mainz, und seine Sänge sind noch unvergessen.

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659. Die Schwestern von Troßky

659. Die Schwestern von Troßky

Auf Chlumecz saßen Herren des Geschlechtes Berka von Dux und Leipa, und einer unter ihnen schrieb sich Otto Berka von Troßky auf Chlumecz. Troßky war eine Felsenburg, deren Riesenzacken miteinander durch Gemäuer verbunden waren und noch sind. Eine dieser Zacken, die höhere, heißt Baba (Mutter) und die andere Panna (Jungfrau). Vorzeiten wohnten auf diesen Zacken zwei Schwestern, die liebten einander so zärtlich wie Hund und Katze, zumal auch die Religion sie getrennt hielt; sie sahen jeden Morgen zum Fenster heraus, riefen einander Schimpfworte zu, deutsch und böhmisch, wie es kam, streckten einander die Zungen heraus, ballten gegeneinander die Fäuste, und jede erbaute im Dorfe Troßkowitz eine Kirche, um ja nicht mit der Schwester in Gemeinschaft zu kommen. Diese Kirchen oder Kapellen sind genau so weit voneinander entfernt als droben auf dem Berge die Zacken mit den Turmtrümmern. Die Schwestern hatten auch noch nach ihrem Tode keine Ruhe, und man hört noch immer in stillen Nächten droben aus den öden Fensterhöhlen ihr Gezänk herüber-, hinüber- und heruntergellen.

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