669. Die Goldmaus

Über das Gebirge, welches man die böhmischen Kämme nennt, stieg ein armer Krämer herab nach seiner Heimat, dem Städtlein Reichenau im Königingrätzer Kreise. Der müde gewordene Mann setzte sich auf einen Felsblock und begann ein Stück Brot zu essen, das war seine ganze Mahlzeit, und wenn er Durst hatte, so wehrte ihm niemand, aus der hellen Siebnitzquelle zu trinken, die dort vom Gebirge munter zu Tale rollt. Da sah er am Boden ein Mäuslein spielen, das setzte sich gerade vor ihn hin und schien auch Hunger zu haben, da streute der Krämer ihm Brotbröselein hin, die es alsobald mit großer Gier wegknusperte, und dann erhielt es stets aufs neue sein kleines Teil, bis das Brot verzehrt war. Nun hatte der Wanderer allerdings Durst, und ging nach der Quelle und trank, und kehrte wieder an seinen Sitz zurück, wo sein kleiner Kram stand, den er mit sich trug. Da lag ein Goldstück da, wo das Mäuslein gesessen hatte, und indem so kam es wieder und brachte noch ein Goldstück und legte es zum ersten, und lief fort, ein drittes zu holen. Da ging der Krämer dem guten Tierchen nach, das nicht mausete, sondern brachte, und es lief in ein Loch, daraus trug es das Gold hervor. Da störte der Krämer mit seinem Stachelstock das Loch auf und fand einen Schatz im Boden liegen, den hob er heraus, und war ein ganzer Topf voll alter böhmischer Goldgulden, und schaute um nach dem Mäuslein, und hätt‘ es mögen vor lauter Dankbarkeit in Gold fassen lassen, es war aber auf und davon. Da ist der Mann fröhlich hinab nach Reichenau gegangen und hat von dem Gelde für sich gar wenig behalten, sondern ein gut Teil den Armen gegeben und vom andern die Dreifaltigkeitskirche alldort erbauen lassen, daran diese Geschichte noch in Stein vorgestellt zu sehen ist.

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