687. Das Heidengrab auf dem Suatabor

687. Das Heidengrab auf dem Suatabor

Ohnweit der Stadt Schüttenhofen im Prachiner Kreise erhebt sich der Suatabor, ein hoher Berg mit einem Heilquell und einem umfriedeten Raum, der wird das Heidengrab genannt. Unten rollt das Flüßchen Wottawa seine Wellen der Moldau zu und führt Gold und gute Perlen in seinem Sande; diese machten vorzeiten die Einwohner von Schüttenhofen reich, welches schon im Jahre 790 erbaut worden sein will. Als die Mugeln (Mongolen, Tataren) in das Land fielen, verriet ihnen der Umwohner Neid und Bosheit Schüttenhofens Reichtum, und ein Heerhaufen derselben zog alsbald heran, sich aller Schätze zu bemächtigen. Wie groß aber dazumal auch die Furcht und der Schrecken waren und förmlich entmannend wirkten, so erhob sich doch ein Tapferer, sammelte um sich her eine mutige Schar, legte sich am Suatabor in einen Hinterhalt und begrüßte dermaßen herzhaft den Mugelnhaufen, daß nichts übrigblieb, als alle Erschlagenen zu begraben. Entronnen war keiner. Da ließ der Held die Heiden in eine Grube werfen und türmte ihnen den Hügel auf. Die Sage geht, daß sich dieses Heidengrab alle Jahre dem Heilbrunnen um eine Daumensbreite nähere; wann es dem Quellbrunnen ganz nahe sein wird, wird im Königreiche Böhmen eine große weitumgreifende Veränderung vor sich gehen.

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688. Brotschuhe und Semmelschuhe

688. Brotschuhe und Semmelschuhe

Einer Mutter in Böhmen starb ihr Kind, ihr einziges und herzliebstes, und sie schmückte es im Sarg auf das allerschönste, und tat ihm das beste Kleidchen an, und setzt‘ ihm das seinste Kränzelein auf, und zog ihm Strümpfchen an, so weiß wie Schnee, und neue rote Schühlein – aber die Schühlein, die waren doch zu hart, die deuchten ihr nicht zart genug für des Kindes Füßchen, und sie wußte etwas Weicheres. Vom feinsten Brotmehl nahm sie, machte Teig und formte Schuhe daraus und buk sie, doch nicht zu hart, und da hatte das Tote neue braune Schuhe an statt der roten, darin ward es begraben. Aber um Mitternacht kam das bleiche Kind in seinem Kränzelein und weißen Kleidchen, und sah so jammerig aus, und hielt der Mutter das Füßchen hin, daß sie den einen Schuh ausziehen sollte und dann den andern; sie aber verstand es nicht, und das Kindlein verschwand wieder. So kam es zum zweiten- und zum drittenmal und deutete auf die Schuhe und ließ der Mutter keine Ruhe, und da verstand diese endlich, was es wollte, und ließ das Särglein wieder ausgraben, zog dem Kinde die Brotschuhe aus und die roten Schuhe an und ließ es wieder einsenken unter heißen Tränen. Und von da an hatte sie Ruhe, soviel eine Mutter Ruhe haben kann, der ihr einziges und herzliebstes Kind im Grabe liegt.

So hat sich auch etwas Wunderbares, nur in ganz anderer Weise, zugetragen mit dem Schlosse auf dem Hradekberge nicht weit vom Dorfe Oberkamenzen im Klattauer Kreise, eine Stunde von Stankau. Der Ritter, der auf dem Hradek saß, ließ eine Brücke bis Stankau bauen, damit er einen guten Kirchweg habe, sintemal die Wege dortiger gebirgigen Gegenden und durch das Radbazatal noch heute nicht die besten. Aber da man vor alters die Brücken zu pflastern pflegte, so war der neue Kirchenweg nicht weich zu gehen und der stolzen und zärtlichen Tochter des Burgherrn also unliebsam, daß sie Semmeln nahm, aushöhlte und statt Schuhsocken anzog, damit zur Kirche zu gehen. Solchen Mißbrauch des lieben Brotes aber nahm der Himmel ihr noch viel übler als jener Mutter, die nur im heiligen Schmerz übergroßer Liebe ihrem toten Kindlein die Brotschuhe anzog – und als das stolze Fräulein aus dem Schlosse trat, da krachte es hinter ihr und vor ihr, und Schloß und Brücke versank, und sie selbst versank auch mit, und blieb nichts von ihr zu sehen übrig als ihre Fußtapfe in einer Brückenstufe.

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68. Des Königs Weihnacht

68. Des Königs Weihnacht

Wo jetzt der Dom zu Frankfurt steht, stand schon zu König Ludwig des Deutschen Zeiten eine Kapelle, die hieß der Rudtlint, wie auch später zu St. Salvator, und war der heiligen Jungfrau Maria und Karl dem Großen geweiht. Ludwig der Deutsche feierte das Weihnachtfest in seiner Pfalz zu Frankfurt am Main und berief dorthin eine Reichsversammlung. Da geschah es, daß der Teufel in Gestalt eines Priesters und guten Geistes zu Ludwigs Sohne, Karl, trat und zu ihm sagte: Siehe, du bist der Jüngste unter deinen Brüdern, und dein Vater will das Reich deinem Bruder Karlmann geben, das doch dir von Gott bestimmt ist, und will dich verderben, solches will Gott nicht leiden. Karl aber entsetzte sich vor der Versuchung und eilte in die Kapelle, indem er rief: Hebe dich weg, Versucher! Du bist kein Bote von oben! Der Teufel aber folgte ihm in die Kirche nach und sprach: Wäre ich nicht ein Bote von oben, wie dürft‘ ich mit dir eintreten in dieses Gotteshaus? Wie dürft‘ ich das Sakrament des Altars, das heilige Meßopfer, vollziehen? – Und so betörte er Karls Sinn mit dem Trug der Hölle, und las die Messe, und reichte ihm die gebenedeite Hostie, und mit der Hostie fuhr er in ihn und besaß ihn.

Da nun die Reichsversammlung war, redete Karl unsinnig in ihr, riß sich das Wehrgehenk von der Seite, schleuderte es samt dem Schwerte mitten in den Saal, riß den Gürtel sich ab und die Gewände vom Leibe und ward heftig hin und her gerüttelt, so daß alle Anwesenden sich entsetzten. Die Bischöfe aber ergriffen den vom bösen Feind Besessenen und führten ihn in die Kapelle, und der Erzbischof begann die Messe über ihn zu singen. Da begann Karl laut zu klagen und Weh über Weh zu schreien in einem fort, bis die Messe zu Ende war, aber die Priester ließen nicht ab mit Gebet, bis der Feind wieder von dem Königssohne wich und Karl durch Gottes Barmherzigkeit geheilt ward. Hielt also König Ludwig gar eine trübe Weihnacht zu Frankfurt. Aber was des Teufels Bosheit des Königs Sohn eingeflüstert, erfüllte sich später dennoch, denn Karlmann und Ludwig starben beide vor ihm, und Karl erhielt des Deutschen Reiches Krone, wenn auch nur auf kurze Zeit, denn er fiel in Schwermut und gab sich ganz in die Hände der Pfaffen. Da entsetzten ihn die Fürsten des Reiches und gaben das an Arnulf, einen natürlichen Sohn seines Bruders Karlmann.

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689. Der verwünschte Burggraf

689. Der verwünschte Burggraf

Im Rathause zu Ellbogen wird ein metallner Klumpen von der Größe eines Pferdekopfes gezeigt, den die Inwohner den verwünschten Burggrafen nennen. Vor langer Zeit hauste auf dem Schlosse ein Ritter, der gar ein hartherziger, grausamer Mann war. Wenn ein Pilger aus fernen Landen kam und das Gastrecht in Anspruch nehmen wollte, trieb er ihn mit harten Worten, auch wohl mit tätlicher Mißhandlung hinweg, und seine Untertanen seufzten unter der Strenge seiner Geißel. Da kam einst auch ein müder Pilgersmann, der aber ein Nekromant war und in geheimen Dingen wohl erfahren, vor des Schlosses Pforte und erbat Obdach für die Nacht, aber als ihn darauf der Burgherr hart anließ und von dannen wies, so hat der Nekromant ihn verflucht, ewiglich hart zu bleiben. Alsbald wurde der Burggraf von Ellbogen zu besagtem Klumpen, welcher ganz schwarz ist und wie Metall klinget. Der kaiserliche General Johann von Werth hat ihn heimlich in den Schloßbrunnen werfen lassen, nach vielen Jahren ist er aber wieder herausgezogen worden. Man hat schon oft versucht, durch Feuer oder Schlagen die Bestandteile des rätselhaften Metallklumpens zu erforschen, hat ihn aber nie zerschmelzen oder im mindesten verletzen können. Manch schwacher Mensch hat ihn mit leichter Mühe aufgehoben und getragen, wogegen ihn starke Personen kaum von der Stelle rühren konnten, und wer mit einer Todsünde behaftet und befleckt ist, vermag ihn gar nicht zu erheben.

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690. Junker Ludwig

690. Junker Ludwig

Nahe bei der Stadt Eger liegt ein Feldstück, darauf ist es nicht geheuer; ein Gespenst hat dort seinen Umgang, von mittlerer Mannesgröße, das heißt im Volke der Junker Ludwig. Es war derselbe einer von den unredlichen Grenzsteinversetzern, die zur Strafe nach ihrem Tode umgehen müssen rainab und rainauf, wo sie die Grenzsteine versetzt haben, bald fahl, bald feurig, bald zu Fuß, bald auch zu Roß. Es ist nicht gut, ihnen zu begegnen. Einem Mädchen, das abends vor dem Tore spazierenging und jenem Felde zu nahe kam, trat der Junker Ludwig nahe und tatschte ihr, wie er im Leben den Dirnen gern mochte getan haben, nach der Brust. Seine Hand war feuerheiß, das Mädchen kreischte auf vor Schmerz, der Junker verschwand. Als die Maid nach Hause kam, war ihre Brust schwarz, wie verbrannt, sie ächzte und sagte: Ich hab‘ mein Teil! Drei Tage darauf war sie tot.

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691. Hans Heilings Felsen

691. Hans Heilings Felsen

In der Nähe von Karlsbad, am Flusse gleichen Namens, lebte ein Mann, des Name war Hans Heiling, der hatte viel an Gut und Geld, aber nicht von Gott, sondern vielmehr durch ein Bündnis mit dem schlimmen Herrgottsaffen, dem bösen Feind; der mußte ihm dienen eine lange Reihe von Jahren, und Heiling plagte ihn baß, wie Doktor Faust seinen Teufel Jost, so daß der Teufet seinen Dienst gar mächtig überdrüssig bekam. Dafür stänkerte ihn der Teufel mit dem Dampf an, den er aus seinem Rachen blies, wenn er bei ihm war, daß Heiling fast stank wie ein Tabaksraucher, der den ganzen Tag raucht, und als Hans Heiling sich in ein schönes Mägdlein heftig verliebte, die auch ihn gern sah, wurde doch nichts aus der Verbindung, weil Heiling so anrüchig war. Darauf erkor sich das Mägdelein einen andern Bräutigam, welcher nicht stank wie der Teufel oder sonst ein Stinkbock; darüber ergrimmte Hans Heiling über die Maßen, wartete die Hochzeit ab, und als nun Braut und Bräutigam mit den Gästen fröhlich beisammensaßen, da erschien er im Geleit des Teufels und schrie letzterem zu: Teufel! Deine Dienstzeit lösch‘ ich dir, so du diese vernichtest! – Freut mich, hör‘ ich gern! schrie der Teufel, qualmte noch einmal wie ein Bäckerschornstein und rief: Nun bist du mein! – verwandelte alle Hochzeitgäste samt dem Brautpaar in Felsenstein und gab Hans Heiling einen Drücker ins Genick und einen Tritt und stieß ihn hinab in die Eger. Niemals sah ein Auge ihn wieder, aber die Steinverwandelten stehen noch, das Brautpaar, das sich umarmt, der Brautvater und die Hochzeitgäste.

Eine andere Sage läßt den Heiling in einem nach ihm genannten Felsen Hausen, in welchem eine Höhle befindlich, und allda über ein Volk von Zwergen herrschen. Dieser Felsen heißt nach ihm der Heilingsfelsen und steht mit andern zwischen dem Schlosse Aicha und dem Hofe Wildenau im Flußtale der Eger. Eine Frau aus Trabnitz ging über Pornitz in den Wald unter Aicha, Beeren zu suchen, und der Abend überraschte sie. Sie kam aber an ein schönes Haus, in das sie eintrat, und da saß ein alter Mann an einem Tisch und schrieb gar emsig. Die Frau sagte: Kann ich hier bleiben? – und der Mann sagte: Ja, das kannst du! – Wo bin ich denn? fragte sie weiter. In Heilings Hause, der nicht mehr lange weilen wird, sein Volk ist schon zum größten Teil voraus. Der Bann ist gelöst! – Bist du es nicht, der die Zwerge in Stein verwünscht hat, daß man die Steinfelsen noch heute die verwünschte Zwergenhochzeit nennt? – Schweige und schlafe! antwortete auf diese letzte Frage der alte Zauberer. Die Frau gehorchte zitternd, sie kroch in einen Winkel und entschlief. Als sie am Morgen erwachte, fand sie sich in einer Felskluft liegen, kein Gedanke an ein Haus war zu denken. Sie eilte jetzt rasch nach ihrem Dorfe zurück, aber da war alles verändert, andere Häuser, andere Menschen, und ihr widerfuhr, was anderen Bergentrückten auch widerfahren, im Kirchenbuchs stand ihr Name als der einer vor hundert Jahren Verschollenen. Allein darin war sie besser daran als jenes Brautpaar im Kyffhäuser, jene Bergleute im Kuttenberg und jener Gast des Toten zu Groß-Berkentime; sie war nicht alt geworden in den hundert Jahren, sondern lebte ihre übrigen Jahre ruhig dahin und schickte sich gut in die andersgewordene Zeit, was nicht jedem gegeben.

An einem Johannistage sind auch zwei Hirtenknaben, welche Vögel fangen wollten an den Heilingsfelsen gekommen und haben unten an ihm ein Türlein offenstehen sehen. Sie gingen hinein, sahen Truhen stehen, eine offen und voll Geld, die andere leer; schleunigst sackten sie ein, ihre Schubsäcke voll, aber endlich wurde es ihnen grauslich zumute, sie eilten hinaus, und hinter dem zweiten schmetterte die Türe so heftig zu, daß sie ihm ein Stück vom Absatz seines Schuhes wegschlug. So kamen sie noch mit heiler Haut davon und brachten das viele Geld ihren Eltern glücklich nach Hause.

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692. Wald Zeitelmoos

692. Wald Zeitelmoos

Zwischen Wunsiedel und Weißenstadt, nahe dem Fichtelgebirge, streckt sich ein Wald, der heißt der Zeitelmoos, und darinnen liegt der Zeitelmoosweiher, bei dem es, der gemeinen Sage nach, nicht geheuer ist und sich allerlei von Gespenstern dort sehen läßt. Ein berühmter und hochgelahrter Mann ritt eines Abends spät noch durch den Wald, kam am Weiher vorüber, sah auf einem Holzstoß zwei Kinder sitzen, redete diese an, was sie so spät da machten, sie sollten doch nach Hause gehen, darauf begannen beide Kinder überlaut zu lachen, der Mann aber ritt seines Weges weiter; es währte gar nicht lange, so sah er an einer andern Stelle ganz die nämlichen Kinder wieder, und sie lachten auch wieder hellauf. Dem Mann graute – er sprach die Kinder nicht zum zweiten Male an, sondern ritt still vorüber.

Ein anderer gelehrter Mann erzählte, daß auch er eines Abends zu Fuße bei Mondschein im Spätherbst am Teich vorüber und die Höhe hinangekommen, und habe zu seiner Auferbauung das geisterquickende Lied gesungen:

Himmel, Erde, Luft und Meer,
Zeugen von des Schöpfers Ehr‘;
Meine Seele, singe du.
Bring auch jetzt dein Lob herzu.

Da habe ihn auf einmal ein dicker schwarzer Nebel umfangen, und er habe ein Geräusch vernommen, als ob Reiter um ihn herumtrabten – er aber habe mutig fortgesungen, die zweite Strophe und die dritte, auch die vierte, lautend:

Seht, wie fleugt der Vögel Schar
In den Lüften Paar und Paar! –

aber wie er an die Worte dieser vierten Strophe gekommen:

Donner, Blitz, Dampf, Hagel, Wind
Seines Willens Diener sind! –

und dieselbe in Gott vergnügt, ohne Furcht und Grauen mit lauter Stimme abgesungen habe, sei der Dampfnebel wie ein Pfeil hinter ihm weggewichen und über den Zeitelmoosweiher dahingezogen, und freudiglich habe der Mann das Lied zu Ende gesungen:

Ach, mein Gott! wie wunderlich
Spuret meine Seele dichl
Drücke stets in meinen Sinn,
Was du bist und was ich bin.

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693. Der Nachtjäger im Butzenreut

693. Der Nachtjäger im Butzenreut

Zwischen Wunsiedel und Redwitz ist ein Bergwald gelegen, der heißt der Bugen- oder Butzenreut, das ist ein echtes rechtes Jagdrevier des, nach dem es heißt, des jagenden Waldschrats und Höllenbutzen, darinnen – wie auch im Zeitelmoos, über den hohen Steinwaldberg über Reckwitz und über das ganze Fichtelgebirge, auch über die Hundsbrücke – er gar wild und toll jagt, von seinem Butzenheer begleitet, und mag wohl der Name des Waldes hier nicht von reuten, ausroden kommen, wie unzählige Ortsnamen dieser Gegend, sondern von reiten, weil der Butz dort reitet als Nachtjäger, Spuk und arger Pötz auf seinem dreibeinigen Roß und von seinen Höllenhunden umklifft und umklafft. Namentlich hat der Jägerbutz mit seinem wütenden Heer auch den Zug über die Heidenstadt in der sogenannten fränkischen Schweiz, und ist dortselbst wegen seiner des Nachts nicht gar sicher zu reisen.

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675. Libussas Bad

675. Libussas Bad

Auf der alten Bergfeste Wischerad, darauf früher das Schloß Libin stand, in welchem Böhmens erstes Königspaar Hof hielt, zeigt man einen hohen und senkrechten Fels, der sich aus dem Bette des in der Tiefe vorbeirauschenden Stromes aufgipfelt. Dieser trägt die Reste eines runden Gemäuers, und es geht die Sage, daß sich von hier die hohe Herrin gar oft hinabgelassen und in der Moldau gebadet habe, auch wohl Zwiesprach gehalten mit dem Stromgeiste. Andere sagen, es habe über dem Felsen ein Turm gestanden, in welchen die Zauberin Jünglinge gelockt habe, die, von ihrer Schönheit betört, ihr blindlings folgten, dann aber nach gebüßter Lust habe sie aus ihrer Umarmung die betörten Opfer in die Umarmung des kalten Wellentodes gestoßen, auf daß ihrer keiner sein Glück verrate.

Wieder andere aber erzählen, daß nicht auf der Höhe des Wischerad das Bad der Libussa zu suchen sei, sondern nennen die südlich von der alten Herrscherburg gelegene reichhaltige Wasserquelle Gezerka das Bad Libussens, und vielleicht mit größerem Rechte. Die einzige Quelle in der Umgegend des Wischerad, sprudelte sie in einem alten Haine kristallklare Flut zutage. An ihr sollen die alten Herzoge Böhmens gewählt worden sein; Felsen umtürmten sie, und das Schweigen der Einsamkeit weht über ihrem Spiegel.

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676. Libussas Bette

676. Libussas Bette

Unter dem Felsen der alten Königsburg Wischerad, tief auf dem untersten Grunde der dort vorüberrauschenden Moldau ist das goldne Bette der Zauberkönigin Libussa, die zur Stromfeie geworden und sich selbst gebannt hat an ihr geliebtes Haus. Mancher schöne Jüngling ist dort in den Fluten verschwunden, hinabgelockt durch ein überholdseliges Frauenantlitz, das sich ihm lächelnd im Bade zeigte, und das Volk spricht, sooft der Strom solch Opfer fordert: Libussa hat ihn behalten; in Jahr und Tag erkürt sie einen andern. Es ist wohl zuzeiten geschehen, daß kühne Schwimmer und Taucher sich frevelhaft vermaßen, selbstwillig hinabzusteigen, Libussas goldnes Bett zu suchen, oder daß sie der Sage Hohn sprachen. Die sah man wohl niedertauchen, aber nimmer wieder zutage kommen. Einst aber, so hat sich eine dunkle Prophezeiung Libussens von Mund zu Munde erhalten, einst wird das goldne Bette auftauchen aus der Stromtiefe und herrlich leuchtend über den Wassern schwimmen wie eine Barke; das wird dann geschehen, wann über Böhmen ein Herrscher aus dem Stamme der Libussiden herrscht. Diesem wird sich das goldne Bette darbieten, und seine Gemahlin wird darin ihren ersten Sohn zur Welt bringen.

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