750. Das Spielhaus

750. Das Spielhaus

Zu Tiefenort steht ein steinern Haus, wie ein kleines Schlößchen. Vorzeiten besaß es ein Ritter, der über alle Maßen das Spiel liebte. Einst spielte dieser mit einem andern Ritter und verlor Geld und Gut. Zuletzt stand auch das Haus auf einem Kartenblatt, und der Gegner gewann das Haus durch ein Trumpfblatt, die Rot-Sechse. Erfreut nahm der die Karte in sein Wappen auf, legte sich den Beinamen Spielhaus zu und nutzte sein Eigentum. Doch kam es nachderhand in andere Hände, und es sind keine Nachrichten von des Gewinners Familie und Nachkommen zu Tiefenort vorhanden. Das Gut heißt aber immer noch das spiel-hausische, und am Gebäude ist das steinerne Wappen des glückhaften Gewinners zu sehen. Nicht minder hängt sein ritterlicher Schild in der Kirche und zeigt auf einem in die Länge geteilten Felde, dessen Tinkturen Schwarz und Silber, die Rot-Sechse. Auf dem Helm hält ein Arm dieselbe Karte empor. Wenn der Pfarrer predigt, kann er gerade auf die Karte sehen.

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751. Die steinerne Wiege

751. Die steinerne Wiege

Als die alte Burg Krainberg über Tiefenort durch die Herren von Frankenstein erbaut wurde, ward ein lebend Kindlein in eine steinerne Wiege gelegt und mit ihm vermauert, auf daß die Burg unüberwindlich sei. So ward die Wiege zum Sarge. Landleute haben in der Mittagsstunde bisweilen in den Ruinen ein Wimmern vernommen, das aus der Mauer zu kommen schien, auch wollen manche ein weißes Kind ganz allein im Schloßhof haben mit Blumen spielen sehen, das verschwunden, wenn man ihm genaht. Jetzt aber hört und sieht man nichts mehr, und das mag daher kommen, weil vor mehren Jahren die eine Mauer entzweigebrochen ward, um die Steine größtenteils zu Ökonomiegebäuden in Tiefenort zu verwenden, und dabei in einem steinernen Särglein das Gerippe eines Kindes wirklich gefunden wurde.

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752. Die Tulipane

752. Die Tulipane

Auf dem beraseten Burghof des ringsum bewaldeten Krainbergs hütete einst ein Schäfer und fand an einer sichern Stelle eine schöne Tulipane. Das dünkte ihm wunderbar, solche Blume hier zu finden, pflückte sie ab und steckte sie auf seinen Hut. Das hatte er kaum getan, so stand ein bildschönes, aber sehr blasses Jungfräulein vor ihm da und winkte, mit ihm zu gehen; er bedachte sich auch nicht lange, sondern folgte, und die Gestalt führte ihn an das alte Schloß, wo eine Öffnung ins Gemäuer führte, die der Schäfer früher nicht gesehen hatte. Es ging tief hinab in eine geräumige Halle, da stand Goldes genug umher, und das Fräulein gebot ihm, sich davon so viel zu nehmen, als er wolle und tragen könne. Seine Taschen hatten aber alle Löcher, so daß wieder hindurchfiel, was er hineinsteckte; da nahm er seinen Hut und füllte den voll, darüber fiel die Blume herab, und es geschah, was stets erzählt wird, wo Ähnliches sich soll begeben haben, das Jungfräulein bat beweglich: Vergiß das Beste nicht – aber der Jäger achtete der Blume keinen Deut, da er des Goldes so viel hatte; als er jedoch wieder aus dem Kellergewölbe heraustrat, schlug eine eiserne Türe, die er erst gar nicht gesehen hatte, hinter ihm mit Heftigkeit zu, und alle sein Gold verschwand. Darüber ist er so heftig erschrocken, daß ihm eine große Schwachheit ankam, und nach drei Tagen ist er tot gewesen.

Selten erwähnt die örtliche Sage, wo sie der Wunderblume gedenkt, einer Tulipane, fast immer ist es eine gelbe Schlüsselblume, eine blaue Glockenblume oder eine weiße, auch purpurrote Lilie.

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753. Der Farrensamenfinder

753. Der Farrensamenfinder

Manche mühen sich um den Farrensamen, auch Fahrsamen geheißen, und suchen ihn zu erlangen durch böse Kunst und höllischen Beistand, wie der Jäger zu Benshausen, und andere, die ihn nicht suchen, finden ihn. Der Farrensame, zu rechter Zeit und Stunde gefunden und gesammelt, hat nicht nur die Eigenschaft, Glück zu bringen, unfehlbare Schüsse auf Wild und anderes, sondern er macht auch unsichtbar. Einem Manne zu Berka an der Werra ging es damit gar wunderlich. Sein Fohlen hatte sich im Walde verlaufen, und er suchte es und trat unversehens auf der Waldwiese auf reifendes Farnkraut, und es fiel ihm etwas von dem Samen in die Schuhe. Er lief lange im Walde herum, fand das Füllen nicht, kam erst früh am Morgen wieder nach Hause, ging in die Stube und setzte sich verdrießlich und müde hinter den Kachelofen auf den Lehnstuhl. Frau, Kinder und Gesinde gingen ab und zu, hantierten und plauderten, und keins sprach guten Morgen zu ihm, das nahm ihn wunder; endlich sprach er: Ich habe das Fohlen nicht gefunden! Alle erschraken, niemand wußte, woher plötzlich die Stimme kam; alle sahen einander an, ihn sah niemand. Jo Mann, wo steckst du denn? rief fragend die Frau. Da erhob sich der Mann, trat mitten in die Stube und sagte: Da bin ich ja, närrische Frau, ich stehe ja vor dir! Nun erschraken die Seinen noch mehr, denn sie hatten ihn aufstehen und gehen hören und sahen doch noch immer nichts von ihm. Da merkte der Mann, daß er unsichtbar geworden, wünschte aber nicht, solches zu bleiben, entsann sich, daß ihm etwas in die Schuhe gefallen war, das ihn drückte wie Sand, zog die Schuhe alsbald aus und klopfte sie aus, und da fiel der Wünschelsame heraus, aber niemand sah ihn, weil seine Findestunde vorüber war, der Finder aber stand wieder sichtbarlich vor allen da.

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754. Die Fleischer zu Gerstungen

754. Die Fleischer zu Gerstungen

Zu Gerstungen hat sich eine seltsamliche Mär zugetragen, indem es den Fleischern allda fast genau so ging, und zwar mit dem Grafen von Brandenburg, wie den Metzgern der Stadt Osnabrück mit dem Grafen von Tecklenburg. Der Graf von Brandenburg hatte dasselbe Recht, den Fleischern ihre Taxe zu setzen, und der Fleischbote, welcher Limpert hieß, war, wie dort von der Tecklenburg herab ein Zwerg, so hier von der Brandenburg herab ein lahmer Krüppel, der seine Freude daran hatte, sich samt seinem Esel nicht zu eilen, bis endlich die Geduld der Fleischer zu Gerstungen zu Ende war und der Gildenmeister, ein zorniger Mann, den langsamen Krüppel eine unglaublich schnelle Reise machen ließ, nämlich die in die Ewigkeit, indem er ihn totschlug. Dann zerhackten ihn die Fleischer, luden die Stücke in des Esels Körbe und jagten diesen wieder zur Brandenburg hinauf. Das verdroß nun freilich den Grafen auf der Brandenburg, den bisherigen Schutz- und Schirmherrn der Gerstunger, gar sehr, und befehdete fortan die Stadt, daß sie keinen guten Tag mehr sah, so daß endlich flehentlich um Gnade gebeten ward. Und da machte der Graf von der Brandenburg, gerade wie der Tecklenburger, auch drei harte und schwere, schier unerschwingliche Auflagen. Er heischte einen Scheffel voll Silberheller, alle von einem und demselben Gepräge, auch drei himmelblaue Windhunde und drei mannshohe Eichenstecken ohne Knoten. Wenn binnen Jahresfrist diese Stücke nicht beigeschafft wären, so müsse die Stadt die ganze Metzgerzunft dem Grafen gebunden überliefern, und dann wolle er sehen, ob ihre Gliedmaßen härter wären als die seines zerhackten Fleischboten. Da war guter Rat teuer im Städtlein Gerstungen an der Werra, doch endlich ward er gefunden, ganz so wie die Osnabrücker ihn auch fanden; Agiotage für die Silberheller, wobei die Juden gute Geschäftcher machten, Glasröhren für die Eichenstecken und ein himmelblaues Zimmer mit Zubehör für die Paarung schneeweißer Windhunde. So gelang das schwere Kunststück, und so ward des Grafen Zorn gesühnt, nächstdem wurde der Fleischscharrn in ein Pflegehaus für arme Krüppel verwandelt, und auf den Platz, wo die Fleischer den Limpert zerhackt hatten, ward ein breiter Stein gelegt, der heißt noch heute der Limpertstein. – Die genaue Wiederholung dieser Sage aber mit allen Umständen und ganz geringen Verschiedenheiten an so weit voneinander entfernten Orten und Burgen ist sehr merkwürdig. Von der Brandenburg schmückt heutzutage nur noch die umfangreiche Trümmer das friedliche Werratal, und an Gerstungen zieht die thüringische Eisenbahn hin.

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755. Das Lindigsfrauchen

755. Das Lindigsfrauchen

Außer der Brandenburg, auf der noch eine wandelnde Jungfrau mit Knotten umgeht, soll bei Gerstungen noch eine Burg gelegen haben, das Lindigsschloß genannt. Darauf wohnte ein wunderschönes Fräulein, dessen Schönheit sprüchwörtlich wurde im ganzen Gau, das hatte aber gar seltsamlichen Verkehr mit den Geistern der Elemente, mit den Nixen des Talflusses und mit den Kobolden und Wichtlein im Reichelsdorfer Bergwerke; dieserhalb taten die Eltern ihre Tochter in ein Kloster unter dem Arnsbergs, welches der heilige Bonifazius angelegt haben sollte, aber aus diesem Kloster ließ sich das Fräulein durch einen jungen Ritter von der Brandenburg entführen, der sie zur Gemahlin nahm. Doch auch als solche konnte sie sich des Umganges mit den Nixen nicht ganz entschlagen; sie verlobte ihren einzigen Sohn einer Wasserfeine, und diese holte ihn frühzeitig in ihr nasses Reich, das heißt in der Alltagssprache: der junge Knabe ertrank in der Werra. Von einem dunkeln Sehnen ruhelos umhergetrieben, fand die junge Frau kein Glück; sie gehörte nur halb der Oberwelt an, und als ihr früh das letzte Stündlein schlug, schied sie ohne Beichte, dieweil sie nicht Lust und Neigung hatte, dem Pfaffen auf die Nase zu binden, welche wonne- und wundersamen Geheimnisse ihren tief verschlossenen Jungfrauen- und Frauenbusen bewegt und erfüllt hatten. Derohalb mußte sie auch ohne Absolution hinübergehen und kam nicht in den Himmel, sondern in das Mittelreich der umgehenden Geister, welches ihr vielleicht nicht unangenehm war. Da hat sie nun alle sieben Jahre zu erscheinen, und zwar einmal zwischen der Brandenburg und Gerstungen auf der Stätte der ehemaligen Lindigsburg und zum andernmal auf dem Wege von Gerstungen nach dem ehemaligen Kloster im Kolbacher Tale. Sie trägt einen Schlüsselbund und ein Matronenkleid und hat die unglückliche Neigung, sich den Leuten auf den Rücken zu setzen, auch soll sie, trotz ihres früheren Umganges mit ätherischen Wesen, gar nicht unbeträchtlich schwer sein. Wer aber sie geduldig hockelt bis an ihr Ziel, dem soll und wird sie mit ihrem Schlüsselbunde reich angefüllte Burg- oder Klostergewölbe erschließen, davon soll er die eine Hälfte für sich behalten, für die andere Hälfte soll er ein Kirchlein in Rom bauen. Ein solcher hat sich noch nicht, wohl aber haben einige vom Aufhocken des Lindigsfräuleins den Tod gefunden, wie der Ackermann Ohme, der Fleischer Rösing und andere Biedermänner, andere sind vor der bloßen Erscheinung schon so erschrocken, daß sie in schwere Krankheit gefallen. So wird das arme Lindigsfrauchen wohl fort und fort unerlöst und im Mittelreich bleiben, denn gesetzt, es bekäme einer wirklich den Schatz, so würde er doch denken, eine Kirche in Rom bauen, das hieße Wasser in die Werra tragen.

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756. Die Wichtlein im Werratale

756. Die Wichtlein im Werratale

Im Werratale, in der Gegend, wo die Hörsel, die unterm Hörseelenberge still vorüberrinnt und an Eisenach hinfließt, in die Werra ausmündet, gab es ehedem viele Wichtelmänner, ja bis Gerstungen und über Berka hinauf waren sie verbreitet. Daselbst wohnten sie unter dem Pferdestalle im Schlosse, und es hielt kein Pferd in diesem Stalle aus, sondern sie hatten sich wie rasend, zerrissen die Ketten, zerschlugen und zerbissen alles, das machte, weil die Tiere eher als die Menschen Geister sehen, hören und wittern. So ging es auch einem Bauer zu Dankmarshausen über Berka, dem fiel ein Pferd nach dem andern, und war nahe daran, dadurch gänzlich zu verarmen. Eines Abends spät ging der Bauer über seine Hausflur und hörte unter einer umgestülpten Wanne ein Flüstern. Er lugte hin und sah bei einem matten Schimmer vier Wichtlein unter der Wanne, die kneteten Brot aus dem Teige, den sie aus einem Backtrog genommen hatten, der auf der Flur stand. Knete zu, knete zu! sprach eins der Wichtlein zum andern, und als sie den Bauer gewahrten, der sie nicht stören wollte, sprach ein Wichtelmann: Weißt du, warum deine Pferde sterben? Weil wir unter dem Stalle wohnen. Tue sie in einen andern Stall, und es soll dir keins fallen. Diesen Rat hörte der Bauer gern, befolgte ihn, und es fiel ihm kein Pferd mehr.

Die Wichtlein machten ihn durch ihre tätige Hülfe reich, weil er sie nicht gescholten, daß sie von seinem Teige sich Brot kneteten.

Unterhalb Spichra zieht sich am rechten Werraufer der Spatenberg hin, an dem öffnet sich ein Erdloch, das heißt noch heutzutage die Wichtelkutte, darinnen wohnten die Wichtlein in großer Anzahl und lange Zeit. Aber an einem schönen Morgen kamen zum Fährmann Beck zu Spichra zwei kleine Männlein, die verlangten, daß er sie überfahre, und gingen mit ihm zum Flusse und zur Fähre. Da sie nun auf letzterer waren und der Fährmann vom Strande stoßen wollte, baten sie ihn, noch einige Augenblicke zu warten, es komme noch jemand; das tat der Mann, er wartete, es kam aber niemand, gleichwohl senkte sich die Fähre tiefer und tiefer in das Wasser, wurde schwerer und schwerer, und da der Ferge endlich abstieß, deuchte ihm, er habe noch nie so schwere Last übergeschifft. Am rechten Ufer aber ward die Fähre zusehends leichter. Nun sage, Fährmann, welchen Lohn begehrst du für unsere Überfahrt? fragte das eine der Männlein. Willst du nach den Köpfen Geld oder einen Scheffel Würz (Salz)? Dieweil nun ein Scheffel Salz dem Fergen ein ungleich reicherer Lohn dünkte als das Fährgeld für zwei Personen, so heischte er diesen. – Nach Köpfen wärst du besser gefahren, Mann! Sieh mir einmal über die rechte Schulter! sprach das zweite Männlein, und wie der Ferge das tat, so sah er ein zahlloses kleines Volk, das aus dem Schiffe gestiegen war und noch immer herauswimmelte, indem so stiegen auch die beiden ersten aus, und alles verschwand vor des Fährmanns Blick, ein vollgehäufter Scheffel reinsten Salzes aber stand auf der Fähre, und dieses Salz nahm im Scheffel nie ein Ende.

In den Bergklüften um Spichra finden sich auch kleine, runde, platte Steinchen, die sind gerändert, wie die nummi serrati der Alten, und heißen im Volke Wichtelpfennige. Die Wichtlein aber sind fortgezogen, niemand weiß wohin.

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742. Die Teufelsmahden beim Schlosse Liebenstein

742. Die Teufelsmahden beim Schlosse Liebenstein

Nicht weit von den Orten Frauen- und Herrenbreitungen, allwo Klöster waren, wie schon die Namen andeuten, gleich Herren- und Frauenchiemsee, und ein Gang unter der Werra weg, wie in Saalfeld unter der Saale und noch an gar vielen andern Orten, zu gegenseitiger Besuchsbequemlichkeit diente, liegt das alte Bergschloß Liebenstein, davon mancherlei Sagen gehen; zunächst die überall heimische von einem lebendig in den Bau vermauerten Kind, dessen Wimmern man noch hört, und dessen Mutter noch um die Trümmer als ein Geist wandelt, dann von einer weißen Ahnfrau, welche einen Schatz hütet; absonderlich eigentümlich ist aber dem alten Liebenstein die Sage von den Teufelsmahden. Darauf, auf dem alten Schlosse, saß ein Ritter, das war gar ein wilder und wüster Gesell, einer von denen, die, wie das Sprüchwort sagt, den Teufel haben barfußlaufen sehen, und ihm auch seine Seele verschrieben hatte, dafür mußte ihm der Teufel dienen nach der Schwierigkeit, wie dort zu Waerdenberg der Teufel Jost dem Doktor Faust, und mußte sich schinden und plagen und abrackern, daß er gern aus seiner Teufelshaut herausgefahren wäre, wenn er nur gewußt hätte, in welch andere gute Haut er hätte fahren sollen. Immer neue Plagen ersann der Ritter für den dienstbaren Teufel, und so befahl er ihm denn auch, alle Frucht auf dem großen weiten Felde um die eine Seite der Burg, daran hundert Schnitter drei Tage lang zu mähen gehabt hätten, in einer Nacht abzumähen. Dem Teufel wurde drob angst und bange, denn vollbrachte er’s nicht, so war der Ritter ihn los, und der Teufel hatte keine Gewalt nach dessen Tode über ihn und seine Seele. So machte er sich denn an die Arbeit und borgte sich die Sense vom Tod und mähte das ganze Getreide in mächtigen Mahden zusammen, bis ihm die Ohnmacht zuging und er es satt hatte und hinüber nach Salzungen in die Teufelskutte fuhr und ein Kühlbad nahm. Wie nun damals der Teufel das Getreide gemäht hat, einen Teil rechts, einen Teil links, denn der Teufel und seine Hinternlecker sind bald rechts, bald links, das ist eine bekannte Sache, so wächst es noch bis auf den heutigen Tag, und es mag das Getreide noch stehen oder abgehauen sein oder bloß noch die Stoppel stehen, so sieht es von weitem aus, als läge auf jenen Ackern das Getreide in ungeheuern Mahden zusammengemäht, und heißt bis auf den heutigen Tag die Teufelsmahden. Ob aber der Teufel aus seinem nachbarlichen Bad wieder zu dem Ritter zurückgekehrt ist oder nicht, das wird nicht gemeldet, denn: Nix Kwisses wäß mer nett! – sagt ein Hildburghäuser Sprüchwort.

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743. Bonifaziusfels und Lutherbuche

743. Bonifaziusfels und Lutherbuche

Dicht beim Schlosse Altenstein ragt der Bonifaziusfels empor. Es ist unzweifelhaft mehr als Sage, daß der Thüringer Apostel an dieser Stätte und von diesem Felsen dem Volke die Christuslehre gepredigt, daß er in der Nähe Kapellen gründete; mehr als eine Wüstung und manche geschichtliche Wahrnehmung gibt davon Kunde. Vor mehr als hundert Jahren stand noch an dem Fels eine hohe runde Mauer ohne Dach, der Überrest einer Kapelle, welche schon damals aus Überlieferung allgemein der Bonifaziusturm genannt wurde und auf alten Abrissen des Schlosses Altenstein und seiner Umgebung also ausdrücklich benamt steht.

Über diese Höhe, am Bonifaziusfels vorbei, zog im Frühling 1521 Doktor Luther, als er von Worms kam und in seinem Heimatorte Möhra gerastet und gepredigt hatte, um nach Wittenberg zurückzukehren; da wurde er eine halbe Stunde weiter hinauf im Walde ohnweit den Trümmern einer Wallfahrtkapelle aufgehoben und auf Wartburg geführt, und zwar zunächst einer starken Buche über einer Quelle, aus welcher Luther trank. Man zeigt in des Glasbach Nähe noch einen Stein am Wege mit dem Abdruck eines Mannesfußes und nennt ihn den Luthersfuß. Die Aufhebung Luthers geschah durch den Hauptmann Hans von Berlepsch, Amtmann auf Wartburg, und Burkhard von Wenkheim, Schenk-Landrentmeister und Amtmann zu Gotha, welche der Kurfürst von Sachsen heimlich dazu beauftragt hatte. Burkhard Hund von Wenkheim hatte hier auf Altenstein sein Stammschloß und väterliches Erbe, von seinem Geschlecht geht eine ähnliche Sage wie jene von den neun, und den zwölf, und den sieben Knäblein auf einmal, und vom Ursprung der Welfen. Da soll die Frau von Wenkheim, die eine mit Drillingen gesegnete Bettlerin heftig ob ihres Kindersegens schalt, von dieser verflucht worden sein und dreizehn Knäblein auf einmal geboren haben. Die Magd, die zwölf der Knäblein in das Wasser tragen sollte, sagte zu dem ihr begegnenden Herrn auf seine fragende Anrede, sie trage Hunde, worauf er die Knäblein in heimliche Erziehung gab, die Mutter in ein Kloster verstieß und den Söhnen zu ihrem Familiennamen den Namen Hund beilegte. So entstand das nun ausgestorbene Geschlecht der Hund von Wenkheim, dessen Name in jener Gegend durch manche fromme Stiftung noch im Segen fortlebt.

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744. Die Ringelsteine

744. Die Ringelsteine

Tief im Walde hinterm Altenstein nach Wilhelmsthal zu lagen vordessen zwei Burgen, genannt Alt- und Neuringelstein, von denen sieht man nur noch ihre Stätten, aber Sagen hört man viele von ihnen, wie überhaupt dieser ganze Gau überreich an Sagen ist. Raubritter hausten dort, nächst der sogenannten Weinstraße, die heute noch diesen Namen führt und der alte Weg war, der vom Thüringer Walde niederwärts nach Franken und Buchonien sich lenkte. Einst hatten die Raubritter von Ringelstein eine Braut aus Salzungen entführt; sie schlugen den Pferden die Hufeisen verkehrt auf, damit ihre Spur verborgen bliebe, und kamen durch eine Höhle in ihre Burg, die gar kein Tor hatte; der Maid gefiel es nicht in der Burg der Räuber, sie sprang von der Burg herab über einen Brunnengraben und entkam glücklich, der Bach fließt heute noch und heißt der Brautborn.

Noch immer geht die Sage, daß sich auf Altringelstein eine schöne Jungfrau mit einem Schlüsselbund zeige, die auf Erlösung harrt. Sie hat ein Tuch übern Waldboden gebreitet, darauf sie Flachsknotten klengt. Da die Ritter der Weinstraße so nahe wohnten, so bestand auch die Mehrzahl ihres Raubgutes aus Wein, und sie haben, so viel sie tranken, denselben doch nicht alle trinken können: daher liegt er noch in den unterirdischen Höhlenwölbungen aufgeschichtet, die Dauben der Fässer sind längst verfault, und die eisernen Reife hat der Rost zernagt, aber der Weinstein hat das edle Naß mit einer Kristallhaut rings umkleidet. Einst, wann die zweite große Sündflut über der Menschen sündiges Geschlecht hereingebrochen sein wird und der Herr kommen wird zu den Schrecken des Jüngsten Gerichts, zu richten die Lebendigen und die Toten, da werden diese Höhlen sich auftun und die Fässer sich öffnen, und der Herr in seiner Herrlichkeit wird sein großes Versöhnungsmahl halten und die Frommen und Gerechten mit diesem Wein tränken zum Zeichen des ewigen Lebens.

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