748. Wer weiß, ob’s wahr ist?

748. Wer weiß, ob’s wahr ist?

Zwischen Liebenstein und Salzungen liegt ein Dörflein, das heißt Ettmarshausen, früher hat es Ottmarshausen geheißen, dort war ein Garten, der wurde ummauert, und als die Mauer samt der Eingangstür fertig war, so schrieb der Maurermeister in den einen Türpfeiler die Jahrzahl und seines Namens Anfangsbuchstaben also ein:

A. D. 1548. M. A. L.
C. F.

Weil aber nicht derselbige Meister, sondern der Gesell die ganze Arbeit gemacht und vollbracht hatte, so grub der Geselle in den andern Pfeiler die Worte ein:

Wer weiss ob's wahr ist?

Darauf ist in der ganzen Gegend das Sprüchwort entstanden, wenn einer sich eines Dinges rühmt, das nicht er vollbracht hat, sondern ein anderer: Wer weiß, ob’s wahr ist, stand an der Ettmarshäuser Gartentüre – oder man sagte ihm wohl auch ins Gesicht: Du – denk an die Ettmarshäuser Gartentüre. Und dieses Sprüchwort lebt noch, obschon Garten und Tür, Mauer und Schrift längst nicht mehr vorhanden.

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742. Die Teufelsmahden beim Schlosse Liebenstein

742. Die Teufelsmahden beim Schlosse Liebenstein

Nicht weit von den Orten Frauen- und Herrenbreitungen, allwo Klöster waren, wie schon die Namen andeuten, gleich Herren- und Frauenchiemsee, und ein Gang unter der Werra weg, wie in Saalfeld unter der Saale und noch an gar vielen andern Orten, zu gegenseitiger Besuchsbequemlichkeit diente, liegt das alte Bergschloß Liebenstein, davon mancherlei Sagen gehen; zunächst die überall heimische von einem lebendig in den Bau vermauerten Kind, dessen Wimmern man noch hört, und dessen Mutter noch um die Trümmer als ein Geist wandelt, dann von einer weißen Ahnfrau, welche einen Schatz hütet; absonderlich eigentümlich ist aber dem alten Liebenstein die Sage von den Teufelsmahden. Darauf, auf dem alten Schlosse, saß ein Ritter, das war gar ein wilder und wüster Gesell, einer von denen, die, wie das Sprüchwort sagt, den Teufel haben barfußlaufen sehen, und ihm auch seine Seele verschrieben hatte, dafür mußte ihm der Teufel dienen nach der Schwierigkeit, wie dort zu Waerdenberg der Teufel Jost dem Doktor Faust, und mußte sich schinden und plagen und abrackern, daß er gern aus seiner Teufelshaut herausgefahren wäre, wenn er nur gewußt hätte, in welch andere gute Haut er hätte fahren sollen. Immer neue Plagen ersann der Ritter für den dienstbaren Teufel, und so befahl er ihm denn auch, alle Frucht auf dem großen weiten Felde um die eine Seite der Burg, daran hundert Schnitter drei Tage lang zu mähen gehabt hätten, in einer Nacht abzumähen. Dem Teufel wurde drob angst und bange, denn vollbrachte er’s nicht, so war der Ritter ihn los, und der Teufel hatte keine Gewalt nach dessen Tode über ihn und seine Seele. So machte er sich denn an die Arbeit und borgte sich die Sense vom Tod und mähte das ganze Getreide in mächtigen Mahden zusammen, bis ihm die Ohnmacht zuging und er es satt hatte und hinüber nach Salzungen in die Teufelskutte fuhr und ein Kühlbad nahm. Wie nun damals der Teufel das Getreide gemäht hat, einen Teil rechts, einen Teil links, denn der Teufel und seine Hinternlecker sind bald rechts, bald links, das ist eine bekannte Sache, so wächst es noch bis auf den heutigen Tag, und es mag das Getreide noch stehen oder abgehauen sein oder bloß noch die Stoppel stehen, so sieht es von weitem aus, als läge auf jenen Ackern das Getreide in ungeheuern Mahden zusammengemäht, und heißt bis auf den heutigen Tag die Teufelsmahden. Ob aber der Teufel aus seinem nachbarlichen Bad wieder zu dem Ritter zurückgekehrt ist oder nicht, das wird nicht gemeldet, denn: Nix Kwisses wäß mer nett! – sagt ein Hildburghäuser Sprüchwort.

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743. Bonifaziusfels und Lutherbuche

743. Bonifaziusfels und Lutherbuche

Dicht beim Schlosse Altenstein ragt der Bonifaziusfels empor. Es ist unzweifelhaft mehr als Sage, daß der Thüringer Apostel an dieser Stätte und von diesem Felsen dem Volke die Christuslehre gepredigt, daß er in der Nähe Kapellen gründete; mehr als eine Wüstung und manche geschichtliche Wahrnehmung gibt davon Kunde. Vor mehr als hundert Jahren stand noch an dem Fels eine hohe runde Mauer ohne Dach, der Überrest einer Kapelle, welche schon damals aus Überlieferung allgemein der Bonifaziusturm genannt wurde und auf alten Abrissen des Schlosses Altenstein und seiner Umgebung also ausdrücklich benamt steht.

Über diese Höhe, am Bonifaziusfels vorbei, zog im Frühling 1521 Doktor Luther, als er von Worms kam und in seinem Heimatorte Möhra gerastet und gepredigt hatte, um nach Wittenberg zurückzukehren; da wurde er eine halbe Stunde weiter hinauf im Walde ohnweit den Trümmern einer Wallfahrtkapelle aufgehoben und auf Wartburg geführt, und zwar zunächst einer starken Buche über einer Quelle, aus welcher Luther trank. Man zeigt in des Glasbach Nähe noch einen Stein am Wege mit dem Abdruck eines Mannesfußes und nennt ihn den Luthersfuß. Die Aufhebung Luthers geschah durch den Hauptmann Hans von Berlepsch, Amtmann auf Wartburg, und Burkhard von Wenkheim, Schenk-Landrentmeister und Amtmann zu Gotha, welche der Kurfürst von Sachsen heimlich dazu beauftragt hatte. Burkhard Hund von Wenkheim hatte hier auf Altenstein sein Stammschloß und väterliches Erbe, von seinem Geschlecht geht eine ähnliche Sage wie jene von den neun, und den zwölf, und den sieben Knäblein auf einmal, und vom Ursprung der Welfen. Da soll die Frau von Wenkheim, die eine mit Drillingen gesegnete Bettlerin heftig ob ihres Kindersegens schalt, von dieser verflucht worden sein und dreizehn Knäblein auf einmal geboren haben. Die Magd, die zwölf der Knäblein in das Wasser tragen sollte, sagte zu dem ihr begegnenden Herrn auf seine fragende Anrede, sie trage Hunde, worauf er die Knäblein in heimliche Erziehung gab, die Mutter in ein Kloster verstieß und den Söhnen zu ihrem Familiennamen den Namen Hund beilegte. So entstand das nun ausgestorbene Geschlecht der Hund von Wenkheim, dessen Name in jener Gegend durch manche fromme Stiftung noch im Segen fortlebt.

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744. Die Ringelsteine

744. Die Ringelsteine

Tief im Walde hinterm Altenstein nach Wilhelmsthal zu lagen vordessen zwei Burgen, genannt Alt- und Neuringelstein, von denen sieht man nur noch ihre Stätten, aber Sagen hört man viele von ihnen, wie überhaupt dieser ganze Gau überreich an Sagen ist. Raubritter hausten dort, nächst der sogenannten Weinstraße, die heute noch diesen Namen führt und der alte Weg war, der vom Thüringer Walde niederwärts nach Franken und Buchonien sich lenkte. Einst hatten die Raubritter von Ringelstein eine Braut aus Salzungen entführt; sie schlugen den Pferden die Hufeisen verkehrt auf, damit ihre Spur verborgen bliebe, und kamen durch eine Höhle in ihre Burg, die gar kein Tor hatte; der Maid gefiel es nicht in der Burg der Räuber, sie sprang von der Burg herab über einen Brunnengraben und entkam glücklich, der Bach fließt heute noch und heißt der Brautborn.

Noch immer geht die Sage, daß sich auf Altringelstein eine schöne Jungfrau mit einem Schlüsselbund zeige, die auf Erlösung harrt. Sie hat ein Tuch übern Waldboden gebreitet, darauf sie Flachsknotten klengt. Da die Ritter der Weinstraße so nahe wohnten, so bestand auch die Mehrzahl ihres Raubgutes aus Wein, und sie haben, so viel sie tranken, denselben doch nicht alle trinken können: daher liegt er noch in den unterirdischen Höhlenwölbungen aufgeschichtet, die Dauben der Fässer sind längst verfault, und die eisernen Reife hat der Rost zernagt, aber der Weinstein hat das edle Naß mit einer Kristallhaut rings umkleidet. Einst, wann die zweite große Sündflut über der Menschen sündiges Geschlecht hereingebrochen sein wird und der Herr kommen wird zu den Schrecken des Jüngsten Gerichts, zu richten die Lebendigen und die Toten, da werden diese Höhlen sich auftun und die Fässer sich öffnen, und der Herr in seiner Herrlichkeit wird sein großes Versöhnungsmahl halten und die Frommen und Gerechten mit diesem Wein tränken zum Zeichen des ewigen Lebens.

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725. Vom Grimmental

725. Vom Grimmental

Wo sich vom Dorf Einhausen das von der Hasel durchflossen Tal über Ellingshausen nach Schwarza hin zieht, nannte man es ehedem das grüne Tal wegen seiner Grüne. Dort hat am Ausgang des grünen Tales in das Tal der Werra ein alter Bet- und Opferstock mit dem Bilde der Jungfrau Maria gestanden, unter einer mächtig großen Linde, vom Gestrüpp umwachsen und fast ganz vergessen. Nun trug sich’s zu, daß ein Rittersmann, Heinz Teufel, der in Obermaßfeld wohnte, auf einem Jagdritt von schwerer Leibesschwachheit überfallen wurde, sich zu dem Bilde schleppte und dort um Hülfe flehte. Und da sein Gebrest alsbald ein Ende nahm, schrieb er es dem Bilde zu, verkündete dessen Wunderkraft, machte eine fromme Stiftung und baute eine Kapelle über das Holzbild. Darauf erhob sich eine große Wallfahrt, und der Ruf des wundertätigen Marienbildes breitete sich nach allen Seiten aus, so daß die Menschen aus allen Landen scharenweise gezogen kamen. Lahme, Blinde, Taube, Preßhafte aller Art, davon es vielen im Traum vorgekommen war, sie würden im Grimmental, wie man die Wunderstätte im grünen Tal hernach nannte. Hülfe und Genesung finden. Und vielen half der feste Glaube. Darum baute hernach der Fürstgraf Wilhelm von Henneberg an den Ort eine prächtige Wallfahrtkirche. Viele Wunder tat die Mutter Gottes im Grimmental, davon nur eins. In Meiningen saßen drei Gefangene in harter Verstrickung im großen Burgturm, die riefen die Maria vom Grimmental an, und siehe, sie erschien ihnen und erledigte sie ihres Gefängnisses, daß sie ohne menschliche Hülfe frei und ledig gingen, diese nahmen alsbald ihren Weg nach Grimmenthal, priesen und dankten. Es sind in Grimmenthal in einem Jahr vierundvierzigtausend Waller gewesen, und es klingt wunderbar, wenn man liest, daß 1503 zur Pfingstzeit auch gegen dreihundert mohrische Ritter, welche durch Schlesien hergezogen kamen, dort ihre Andacht verrichteten. Doktor Luther eiferte sehr gegen diese Wallfahrt, sprach und schrieb von ihr: Daher ist kommen der große Betrug des Teufels mit dem Wallfahrten in das Grimmental, da die Leute verblendet, als wären sie toll und töricht, Knechte und Mägde, Hirten, Weiber, ihren Beruf ließen anstehen und liefen dahin. Ist recht Grimmental, vallis furoris. – Und bald nach der Reformation nahm die Wallfahrt ein Ende. Jetzt steht an der alten Wallfahrtstätte ein schönes Hospital, und die Grimmentalslinde, darunter das Muttergottesbild stand, grünt und blüht noch in jedem Sommer. Sie mißt sechsunddreißig Fuß im Umfang.

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736. Der grünende Pfahl

736. Der grünende Pfahl

Nahe beim Dorfe Untermaßfeld erhebt sich der Hexenberg, so genannt, weil auf ihm die Hexen nicht etwa tanzten, sondern verbrannt wurden, und zwar sehr viele. So war auch ein armer Junge aus Leutersdorf namens Hans Schau der Hexerei angeklagt, wurde im Amt zu Maßfeld torquiert und mußte, wie sehr er auch seine Unschuld beteuerte, bekennen, daß er ein schädlicher Hex sei, und da kam es von Jena, daß er verbrannt werden sollte. Der Jüngling wurde zum Dorfe hinausgeführt, über die Werrabrücke, die Hexentreppe, davon noch Rudera sichtbar, und den Berg hinauf; viel Volk lief mit. Als der arme Sünderzug den Berg etwa halb hinauf war, kam man an eine Stelle, wo ein Bauer Pfähle einschlug, um junge Bäume daranzubinden. Da wandte sich bei einem dieser Pfähle der Jüngling weinend nach dem Volk, hob seine gefesselten Hände gen Himmel und rief: So wahr ich unschuldig zum Tode geführt werde, so wahr wird Gott ein Zeichen tun und geben, daß dieser dürre Pfahl ausschlagen und zum starken Baume werden wird! Die Richter und das Volk aber lachten sein, und oben ward er verbrannt. Wie alles wieder herunterkam, blieben einige bei dem Pfahl stehen, und siehe, da sproßten grüne Blättlein heraus und braune Zweiglein, aus denen Knospen brachen, und lebendiges Grün sprang aus dem toten Holz. Des wunderte sich jedermann und ging nachdenklich nach Hause. Und seitdem ist keine Hexe und kein Hexenmeister mehr im Henneberger Land verbrannt worden. Der Pfahl aber wurde eine starke Buche, die einzige am Hexenberg, der mit Nadelholz bewachsen ist, und steht noch im ehemaligen Köhlers Berggarten, wo jeder sie sehen kann.

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737. Das Gebet der Mutter

737. Das Gebet der Mutter

Ohnweit des Schlosses Landsberg und dem Haßfurtwalde erhebt sich der hohe Gebaberg, an diesem, auf der Seite nach Meiningen zu, nicht weit vom Dörflein Träbes, liegt ein tiefer Erdfall, insgemein das Träbeser Loch genannt, und unten am Fuß der Geba liegt das Dorf Seba und nahe dabei ein kleiner See. Vor alten Zeiten war das Träbeser Loch bis an den Rand voll Wasser, und an der Stelle des Sees erblickte man die schönste und fruchtbarste Wiese im ganzen Tal. Diese war Eigentum einer reichen, hochbetagten Witwe. Die Witwe ward krank, und ihre beiden Söhne traten an ihr Lager, als sie in großer Schwachheit lag, glaubten, sie schlummere, und begannen sich untereinander über ihr Erbe zu besprechen, und wie sie miteinander teilen wollten, wurden auch fertig miteinander, bis auf die Wiese, die wollte jeder ganz und ungeteilt besitzen, und von den leisen Worten kam es zu lauten, so daß sich die Brüder am Sterbebette der Mutter zankten, und daß einer drohte, den andern totzuschlagen, worauf sie voll Zorn die Stube verließen. Die kranke Frau hatte alles gehört, ward schmerzlich bewegt in ihrem Herzen und richtete ein flehentliches Gebet zu Gott, daß er verhüten möge den Bruderzwist, vielleicht den Brudermord um einer Wiese willen, und daß er doch möge die Hoffnung beider auf dieses Erbstück zu Wasser werden lassen. Und Gott erhörte das Gebet der Mutter, denn als der nächste Morgen anbrach, so war von der Wiese keine Spur mehr zu sehen, sondern an ihrer Stelle war ein großer Wasserspiegel ausgebreitet. Niemand wußte sich zu erklären, woher auf einmal die Wassermenge, bis Bauern aus Träbes vom Berg herunterkamen und berichteten, daß in der vergangenen Nacht ihr See verschwunden und an dessen Stelle ein furchtbar tiefer, trichterförmiger Kessel sichtbar sei. Da entsetzten sich die Brüder und versöhnten sich am Lager der Mutter, welche Gott und sie segnete und starb.

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738. Stein auf dem Herzen

738. Stein auf dem Herzen

Im Rosagrunde liegen zwei Dörfer, Eckards und Frittelshausen, nicht gar weit voneinander, da soll vorzeiten in jedem ein Graf gewohnt haben, und das sollen Brüder gewesen sein. Beide sollen um der Jagd willen uneins geworden sein, und der Eckardser Graf soll den Frittelshäuser entleibt haben. Diese schwere Sünde zu büßen, sei der Eckardser zu Fuße nach Rom gepilgert, und da habe der Pabst ihm auferlegt, an der Stelle des Mordes ein Kloster zu begründen, von Eckards bis zu jener Stelle den ersten Stein zum Kloster auf seinem Herzen zu tragen und dann in dasselbe als Mönch einzutreten, damit er seiner Sünde los werde. Dieses habe er auch also alles vollbracht und das Kloster Sünderhaus genannt. Das war das später Sinnershausen genannte Wilhelmiterkloster, längst zerstört und jetzt eine herrschaftliche Besitzung. Noch steht alldort in einer Mauerblende, obschon arg verstümmelt, das hohe Steinbild eines Mannes von edler Gestalt, ritterlich, nicht mönchisch, mit gelocktem abwallenden Haupthaar, in der einfachen Gewandung des dreizehnten Jahrhunderts, auf der Brust, mehr nach der linken Seite zu, einen großen eckigen Stein, und geht die Rede von Kind zu Kind, das sei des Klosters Gründer. Nie aber hat das Kloster Sündershaus geheißen, dies ist spätere Namensverstümmelung; das Kloster hieß nach ältester urkundlicher Schreibart Syndeloshusen, darum, daß der büßende und bereuende Brudermörder seiner Sünde los geworden und mit dem Himmel versöhnt war.

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73. Not Gottes

73. Not Gottes

Zu Rüdesheim am Rhein bewohnte das mannliche Geschlecht der Brömser von Rüdesheim ihre uralte graue Feste, deren Aufbau in die Römerzeit fällt, und weiter stromabwärts an der Waldberger Höhe ist das Kloster gelegen, welches den wunderbarlichen Namen Not Gottes trägt. Ein Brömser von Rüdesheim zog nach Palästina, tat allda viele mannliche Taten, bezwang viele Sarazenen und kämpfte mit einem Drachen, den er auch erlegte, aber bei dieser Gelegenheit oder bald darauf fiel er in die Hände der Ungläubigen, die ihm schwere Ketten zu tragen auferlegten. Da gelobte er in seinem Kerker, seine Tochter, die er als ein junges Kind verlassen, dem Himmel zu weihen, wenn sie am Leben bleibe und er in die Heimat rückkehre. Und siehe, des Ritters Ketten fielen von ihm ab, der Himmel nahm das dargebotene Opfer an, der Ritter entkam und eilte der Heimat zu. Freudvoll empfing ihn seine schön erblühte Tochter, und er offenbarte ihr sein Gelübde. Da wurde die Tochter bleich wie der Tod – sie war in Minne einem jungen Ritter zugetan, dessen Hand zugesprochen zu erhalten sie von ihrem Vater zuversichtlich gehofft. Aber es halfen nicht Flehen, nicht Tränen, der Vater glaubte dem Himmel vor allem schuldig zu sein, sein ritterliches Wort zu halten. Da enteilte die Tochter laut wehklagend der Brömserburg, erklimmte den nächsten Felsen und stürzte sich in den Strom hinab. – Groß war des Vaters Schmerz, und da er nun sein Gelübde nicht halten konnte, und um des teuern Kindes Schatten zu söhnen, tat er ein abermaliges Gelübde, er wollte ein Kloster erbauen. Es ging aber ein Mond nach dem andern hin, und mochte wohl so kommen, daß der alte Brömser durch alten Rüdesheimer seinen Schmerz hinwegbannte und darob sein Gedächtnis etwas schwach ward – da hatte er einmal ein nächtliches Gesicht: der Drache, den er in Palästina erlegt, war wieder bei ihm, und lebendig, und fauchte ihn mit weitaufgesperrtem Rachen an und drohte ihn zu verschlingen mit Haut und Haar – da sah er die Gestalt seiner Tochter, die winkte den Drachen hinweg und blickte gar wehmutvoll auf den Brömser und verschwand.

Am Morgen aber kam des Brömsers Ackerknecht und sagte an, wie er in aller Frühe mit dem Pflug und den Stieren zu Acker gezogen sei, habe er eine klagende Stimme vernommen, die immerfort gerufen: Not Gottes! Not Gottes! Und die Stiere hätten nicht anziehen wollen, sondern immer am Boden gescharrt. Sogleich begab sich Ritter Brömser selbst hinaus auf das Ackerfeld, und da vernahm er dieselbe wehklagende Stimme: Not Gottes! Not Gottes!, die ganz in der Nähe von der Stelle drang, wo die Ochsen standen und scharrten, und zwar kam die Stimme aus einem hohlen Baume. Der Ritter rief und suchte, aber er entdeckte nichts, da ließ er den Baum spalten, und da entdeckte sich innen am Boden des hohlen Stammes eine Monstranz mit dem heiligen Leib und ein hölzernes Bild des Schmerzensmannes. Als diese Kleinode dem Baum entnommen waren, schwieg die Stimme, und die Stiere waren ruhig. Ein Jude hatte beide heiligen Stücke aus einer nahen Kirche entwendet und allda verborgen. Das erinnerte nun den Brömser stark an die Erfüllung seines Gelübdes; er gründete ein Kloster, ließ an des hohlen Baumes Stelle den Altar aufrichten und stellte das Christusbild darauf, und geschahen zu dem Kloster, das Zur Not Gottes genannt ward, und zu dem Bilde viele Wallfahrten rheinab und -auf, daß öfters an einem Tage sechzehntausend andächtige Waller da waren, und das Bild tat vordem große Wunder.

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739. Die Wasunger Streiche

739. Die Wasunger Streiche

Der deutsche Süden hat seine Wunderklugen wie der deutsche Norden; warum sollte das innere Deutschland leer ausgehen? Wer hätte nicht von Schwabenstreichen gehört oder von des Nordlands und Nordstrands witzreichen Leuten? So muß auch das Städtlein Wasungen im Meininger Lande, gleich Ummerstadt und gleich Schnett in demselben Lande, sich solche Streiche nachrühmen lassen und muß sich mit dem bekannten schlimmen Trost trösten: andern geht’s nicht besser, denn es hat Genossen in Schilda und Schöppenstedt, Polkwitz und Borsheim, Tettera und Wesenberg, Hirschau und Amweiler, Trifels und Weilheim, Stockach und Karlstadt, Ahlen und Beutelsbach, Bopfingen und Reutlingen, Düren und Mühlheim, Ganslosen und Kasendorf, Venlo und Mecheln, Hotstrupp und Gabel, Romöe und Büsum, Kisdorf und Bishorst und an hundert andern. Das ist auch keine neue Sache und Geschichte, daß die Welt der Wasunger und anderer Lalenburger Streiche rühmt, schon vor mehr denn hundert Jahren ward also geschrieben: »Im übrigen ist niemandem leicht im Hennebergischen unbewußt, daß allerhand possierliche Schwänke und Histörichen von denen zu Wasungen erzählt werden, welche eine ziemliche Verwandtschaft mit denen in Meißen berühmten Schildbürger Geschichten haben.« Hohe Regierung machte es damals und noch früher gerade auch nicht besser, wie eben zu allen Zeiten und allenthalben ihre Lalenstreiche unter den Aktentischen hervorschlupfen – sie gestattete ausdrücklich und gnädiglich schon im Jahre 1578, daß zur Winterszeit der Wasunger Ziegenhirt mit den Ziegen den Schloßberg und die Hunnenburg betreiben möge – wahrscheinlich sollten die Ziegen Schneeblumen und Eiszapfen fressen. Die zu Wasungen litten nicht, daß ein fremder Dieb an ihren Galgen gehenkt werde, sie gaben ihm den Staupbesen und ein Stück Geld mit der Weisung, er solle hingehen und sich henken lassen, wo er wolle; machten es also sänftiglicher wie die Erfurter, die einem zuvor den Kopf abschlugen und erst dann ihn hingehen ließen, wohin er wollte. Und darüber braucht keiner zu lachen, selbiger Streich der Wasunger war klug und ist in neuer Zeit im lieben deutschen Vaterlande mit manchem Strolch, vornehmem und gemeinem, ihnen nachgetan worden. Auch Eselseier haben sie ausbrüten wollen, als welche ein Fuhrmann ihnen verkauft, es waren aber sotane Eier Quarkkäse – auch darin hatten und haben sie im lieben Deutschland viele Genossen, nur mit dem Unterschied, daß häufig die Esel selbst über dem Quark brüten und nichts Gescheites zutage fördern, daran auch nur ein vernünftiger Mensch seine Freude haben könnte; mit der Katze ging es ihnen schier wie den Gabelern, und von der tragbaren Ehrenpforte, von der Salzsaat, von der durch kluges Abschneiden eines Stiefelpaares bewirkten Verschaffung eines Paares Pantoffeln darf man nicht viel Redens machen, so wenig wie von denen letztbekannten Streichen des Jahres 1848, wo auch zu Wasungen die Werra brannte und die Milchtöpfchen überliefen, so daß aus den süßen eitel Sauertöpfe wurden.

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