Aus der Gefangenschaft befreit – Der Gefangene wird belohnt – Ganz ergebenst, Huck Finn!

34. Kapitel

Als ich Tom zum erstenmal wieder allein sprechen konnte, fragte ich ihn, was er sich damals eigentlich bei Jims Flucht gedacht habe, was er getan hätte, wenn alles geglückt wäre und er den Nigger befreit hätte, der schon vorher frei war. Er sagte mir, sein Plan sei von Anfang an gewesen, wenn wir Jim erst glücklich heraus hätten, mit ihm auf dem Floß stromabwärts zu fahren bis zur Mündung und alle Arten von Abenteuern dabei zu bestehen, ihm dann erst zu offenbaren, daß er frei sei, ihn im Triumph auf einem Dampfboot wieder heimzunehmen, die verlorene Zeit zu vergüten, alle Nigger der Stadt brieflich zu bestellen, daß sie ihn mit Musik und Fackeln in Empfang nähmen und ihn und uns als Helden beim Einzug feierten.

Jim wurde augenblicklich von seinen Ketten befreit, und als Tante Polly und Tante Sally und Onkel Silas hörten, wie treu er dem Doktor geholfen hatte, Tom zu pflegen, wurde ihm in jeder Weise geschmeichelt, und er bekam ordentliche Kleider und soviel zu essen wie er nur wollte, und er brauchte nichts zu tun, als sich seines Lebens zu freuen. Und wir nahmen ihn mit an Toms Bett und schwatzten, bis wir genug hatten, und Tom gab ihm vierzig Dollar, weil er so geduldig als Gefangener gewesen und uns das Spiel nicht verdorben und alles so schön getan hatte, und Jim war beinahe zu Tode gerührt und wußte nicht, was er anfangen solle vor Wonne, und platzte endlich heraus: »Na, Huck, du sehen, was Jim dir immer sagen? Was Jim dir schon früher auf Insel sagen? Jim dir sagen, er haben haarige Brust un was das bedeuten. Jim dir sagen, er sein gewesen reich un werden noch mal wieder reich, un hier – hier es sein! Du nix nie mehr sagen, Zeichen sein nix wert. Zeichen sein Zeichen, un Jim haben gewußt, er noch werden reich, so gewiß, wie er jetzt hier stehen!«

Tom schwatzte nun und schwatzte und schlug uns vor, alle drei heimlich in der Nacht durchzubrennen, uns eine Ausrüstung zu kaufen und auf ein paar Wochen in die Indianer-Territorien zu gehen und dort alle möglichen Abenteuer zu bestehen. Ich sagte gleich: Ich bin dabei, aber woher das Geld für die Ausrüstung nehmen; von zu Hause würde ich keins bekommen, denn das habe mein Alter inzwischen schon dem Kreisrichter abgeschwindelt und die Gurgel hinuntergejagt.

»Das hat er nicht«, versicherte mir Tom, »das ist noch alles da, sechstausend Dollar und mehr. Dein Alter hat sich nicht mehr blicken lassen, wenigstens solange ich dort war.«

Sagt Jim ordentlich feierlich: »Er nie nix mehr werden kommen, Huck!«

Frag‘ ich: »Wieso, Jim?«

»Du fragen wieso, Huck? Jim sagen: Er nie nix mehr werden kommen!«

Ich aber wollt’s genauer wissen, endlich erwiderte er: »Du dir erinnern die Haus, wo schwimmen vorbei an Insel? Un Mann, wo liegen drin tot auf’m Boden? Jim ihn haben zugedeckt, weil du ihn nix sehen sollen; Huck, du dir erinnern? Du können haben dein Geld, wenn du ihr wollen haben – tote Mann sein gewesen deine Vater!«

Tom ist jetzt beinah wieder ganz wohl und trägt seine Kugel wie eine Uhr an einer Kette um den Hals und sieht alle nach der Zeit. Und mir bleibt jetzt nichts mehr zu erzählen übrig, weshalb ich auch recht froh bin, denn wenn ich gewußt hätte, was für eine furchtbare Arbeit es ist, so ein Buch zusammenzuschmieren, so hätten mich keine zehn Gäule dazu gebracht. Aber noch einmal tu‘ ich’s nicht, davor soll mich Gott bewahren! Lieber Steine klopfen! Oder Holz hacken! Soviel aber seh‘ ich jetzt schon – nämlich, daß ich früher als die andern zu den Indianern muß, ganz allein, denn Tante Sally will mich durchaus adoptieren und sievilisieren, und das halt ich nicht aus, das kenne ich von früher her.

Ganz ergebenst
Huck Finn

Ende