Der Doktor – Onkel Silas – Schwester Hotchkiß – Tante Sally in Nöten

32. Kapitel

Der Doktor war ein freundlicher, gutmütig aussehender, alter Mann, den ich natürlich erst aus seinem besten Schlaf wecken mußte. Ich erzählte ihm, wie ich und mein Bruder gestern zusammen ausgezogen waren zum Jagen nach Spanish Island und wie wir dort die Nacht auf einem gefundenen Stück Floß kampierten und daß mein Bruder wahrscheinlich um Mitternacht einen bösen Traum gehabt haben müsse, denn sein Gewehr sei losgegangen und habe ihn ins Bein geschossen und er möge doch mitkommen und nachsehen, was sich tun ließe, aber ja nichts verraten, denn wir wollten am Abend wieder heim und unsere Leute überraschen.

»Wer sind denn eure Leute?«

»Ei, die Phelps‘ drunten auf der Mühle.«

»So, so«, macht er, und nach einer Minute fragt er: »Wie hast du gesagt, daß er den Schuß kriegte?«

»Er hat geträumt, und da ging das Gewehr los.«

»Sonderbarer Traum!« brummt er.

Dann zündete er sich eine Laterne an, nahm seinen Messerbeutel, und wir machten uns auf den Weg. Als er aber das Boot sah, traute er ihm nicht recht und sagte, das sei wohl genügend für einen, aber nicht für zwei.

Platz‘ ich los: »Ach, Sie brauchen keine Angst zu haben, wir sind da drin zu dritt gefahren und ganz bequem.«

»Zu dritt? Wer war denn der dritte?«

»Ei, ich und Sid und – und – und die Gewehre; hab‘ mich eben versprochen.«

»Ah, so?« war alles, was er sagte.

Er setzte seinen Fuß auf die Bank und wiegte das Boot hin und her und probierte, wie fest es sei, und meinte dann, er wolle sich doch lieber nach einem größeren umsehen. Die waren aber alle angekettet, und so stieg er allein ins Boot und meinte, ich könne ja warten, bis er wiederkäme, oder am Ufer nebenher laufen; das beste sei, ich würde heimgehen und meine Leute auf die Nachricht vorbereiten. Das aber wollte ich nicht und sagt’s ihm auch und sagt‘ ihm dann noch, wie er das Floß finden könne, und er stieß ab.

Mir ging ein Licht auf. Sag‘ ich zu mir selbst: Wenn der nun mit dem Bein doch nicht so im Handumdrehen fertig wird? Wenn er am Ende drei oder vier Tage braucht, was dann? – Dort bleiben und warten, bis er die Katze aus dem Sack läßt? Nein, Herr Doktor, ich weiß, was ich zu tun habe, Sie sollen’s schon erfahren! Ich bleib‘ hier und warte, bis er zurückkommt, und wenn er dann sagt, er müsse bald wieder nachsehen, dann paß‘ ich auf und gehe mit, und wenn ich schwimmen muß; dann nehmen wir ihn fest, binden ihn, treiben den Fluß hinunter und geben ihn erst frei, wenn er mit Tom fertig ist. Wir belohnen ihn dann königlich, das heißt, wir geben ihm, was wir haben, und rudern ihn dann ans Ufer. Man sieht, ich hatte doch ein wenig von Toms Unterricht profitiert und war stolz darauf!

Einstweilen kroch ich nun bei einem alten Holzhaufen unter und muß fest eingeschlafen sein, denn wie ich die Augen wieder aufmache, ist’s heller Tag, und die Sonne brennt mir auf den Schädel. Vom Doktor war weit und breit nichts zu sehen. So renn‘ ich denn zu seinem Haus und höre, daß er in der Nacht gerufen worden und seitdem nicht wieder heimgekommen sei. Armer Tom, denk‘ ich, da sieht’s bös aus, und setz‘ mich wieder in Trab, und wie ich um die nächste Ecke biege, renn‘ ich mit dem Kopf beinah auf Onkel Silas‘ Magen.

Er ruft: »Junge, Tom, wo habt ihr denn gesteckt all die Zeit, Bengel, he?«

»Ich – ich hab‘ gar nicht gesteckt«, stotter‘ ich, »Sid und ich sind nur immer hinter dem durchgebrannten Nigger hergewesen.«

»Ja, aber wo denn in aller Welt, wo habt ihr ihn denn gesucht? Eure Tante ist in schöner Angst und Aufregung euretwegen!«

»Das braucht sie gar nicht zu sein«, sag‘ ich, »uns ist nichts passiert. Wir liefen hinter den Männern und den Hunden drein, konnten aber nicht Schritt halten und verloren sie. Dann dachten wir, wir hörten sie auf dem Wasser, nahmen das Boot und setzten hinter ihnen her, ruderten hierhin und dorthin, konnten sie aber gar nicht finden. Wir aber immer weiter am Ufer hin, bis wir müde und schläfrig waren, und dann legten wir an, banden das Boot fest und legten uns selbst aufs Ohr und wachten erst vor einer Stunde wieder auf. Da dachten wir, wir wollten zur Stadt rudern, um zu hören, wie’s gegangen sei, und nun ist Sid zur Post, um zu sehen, ob er nichts erfahren könne, und ich wollte eben sehen, ob sich was zu essen auftreiben ließe, und dann wären wir heimgekommen.«

Wir gingen also zur Post, um nach Sid zu sehen, aber der war natürlich nicht dort. Der Alte bekam einen Brief eingehändigt, und wir warteten noch eine gute Weile, aber Sid wollte immer noch nicht kommen. Da wurde der Alte endlich ungeduldig und meinte, seinetwegen könne der nun heimfliegen oder schwimmen, oder war er wolle, ihm sei’s einerlei, wir führen – und zwar gleich. Mich zurücklassen, damit ich auf Sid warten könnte, wollte er auch nicht, er meinte, das habe doch weiter keinen Zweck, der werde sich schon heimfinden; ich müsse mit, damit Tante sehe, daß wir heil und ganz seien.

Als wir heimkamen, war Tante Sally über die Maßen froh, mich zu sehen. Sie lachte und weinte in einem Atem und umarmte mich und klapste mich ein paarmal in ihrer gewohnten Weise, was aber mehr gestreichelt war, und sagte, wenn Sid heimkomme, kriege der auch seinen Teil.

Das ganze Haus war voller Farmer und Farmersfrauen, die alle zum Mittagessen bleiben wollten, und es war ein Gezeter und Geschnatter, daß man sein eignes Wort kaum hörte. Die alte Mrs. Hotchkiß war die ärgste, der stand die Zunge keine Sekunde still – das lief nur so.

»Na, Schwester Phelps«, sagt sie, »ich bin vorhin drin in der Hütte gewesen, und ich glaub‘, der Kerl, der Nigger, war einfach verrückt. Sagt’s ja gleich der Schwester Damrell: Schwester Damrell, sag‘ ich, der Kerl war verrückt, verrückt war er, sag‘ ich – das sind meine eignen Worte. Ihr habt’s ja alle gehört, nicht? Er war verrückt, sagt‘ ich, das kann ein Wickelkind sehen, sagt‘ ich. Und, ich sag‘, seht doch nur den Mühlstein an! Ein gesunder Mensch mit fünf Sinnen kann unmöglich so tolles Zeug auf einen Mühlstein kratzen, he, was meint ihr? – Hier brach irgendeiner sein Herz, und da elendete sich der und der durch siebenunddreißig Jahre hindurch, und dann den Unsinn über den natürlichen Sohn von irgendeinem Ludwig und all das tolle Zeug. Der war rein verrückt, das hab‘ ich gleich anfangs gesagt und sag’s nun noch einmal und bleib‘ dabei bis an mein seliges Ende. Nein, so ein Kerl! Der war verrückt, so verrückt wie der heilige Nebokatzneser seinerzeit, und das sag‘ ich und damit basta!«

»Und die Strickleiter aus Lumpen, habt ihr die gesehen?« fragte die alte Mrs. Damrell, »was in aller Welt hat er mit der…«

»Grad‘, was ich gesagt habe vorhin zur Schwester Utterback, es sind noch keine drei Minuten her, das wird sie euch bestätigen. Sie sagte: Seht doch nur die Strickleiter, sagt sie. Ja, sag‘ ich, seht doch, was kann er damit tun haben wollen? Sag‘ ich. Sagt sie: Schwester Hotchkiß, sagt sie…«

»Aber wie in aller Welt haben sie den Mühlstein hineingekriegt, und wer hat das Loch gegraben und…«

»Meine eignen Worte, Bruder Penrod, meine eignen Worte! – Darf ich um die Saucenschüssel bitten? – Dasselbe sagt‘ ich grad‘ zu Schwester Dunlap – grad‘ vor einer Minute. Schwester Dunlap, sag‘ ich, wie haben die Kerle den Mühlstein hineingebracht, sagt‘ ich, und ohne Hilfe, sag‘ ich, ohne Hilfe! Da liegt der Hase im Pfeffer! Ich laß mir so was nicht weismachen, sag‘ ich, da war, Hilfe, sag‘ ich, und viel Hilfe. Dem Kerl haben mehr als ein Dutzend geholfen, da wett‘ ich meinen Kopf – und ich für mein Teil, ich würde jeden Nigger hier am Platz lebendig rösten, bis er gesteht, wer geholfen hat. Ich wollt’s schon herauskriegen. Ich, das sag‘ ich, und dabei bleib‘ ich und…«

»Ein Dutzend, meint ihr, habe geholfen? Ei, vierzig konnten kaum mit dem fertig werden, was getan worden ist. Seht nur einmal die Sägen aus Taschenmessern an und all das Zeug, was da für Zeit dazu gehört, um das fertigzukriegen, und damit haben sie den Bettpfosten durchsägt, und dann die Strohpuppe auf dem Bett und…«

»Das ist jetzt leicht sagen, Bruder Hightower, das hab‘ ich grad‘ vorhin dem Bruder Phelps selbst gesagt. Er fragte mich: ›wie denkt ihr denn drüber, Schwester Hotchkiß?‹ Über was, Bruder Phelps, sag‘ ich, über was? ›Über den Bettpfosten, wie der abgesägt ist‹, sagt er. Drüber denken? sag‘ ich, drüber denken? Ei, von selbst hat sich der nicht abgesägt, sag‘ ich, da wett‘ ich meinen Kopf, sag‘ ich. Den hat jemand abgesägt, sag‘ ich und dabei bleib‘ ich. Das ist meine Meinung, sag‘ ich, sie mag nicht viel wert sein, sag‘ ich, aber ’s ist nun einmal meine Meinung, sag‘ ich, und wenn’s jemand besser weiß, sag‘ ich, der soll’s nur sagen, sag‘ ich, und so ist’s und dabei bleib ich. Und, sag‘ ich zu Schwester Dunlap, Schwester Dunlap, sag‘ ich…«

»Meiner Seel‘, das muß ja eine ganze Schar Nigger gewesen sein, die in der Hütte Nacht für Nacht ihr Wesen getrieben haben, um all das fertig zu kriegen, Schwester Phelps. Seht nur einmal das Hemd an: jeder Zoll davon mit geheimnisvoller afrikanischer Blutschrift bedeckt. Eine ganze Schar, sag‘ ich, muß dahinter hergewesen sein all die Wochen! Ich gäb‘ wahrhaftig zwei Dollar, wenn mir einer das Zeug erklären könnte, und die Kerle, die’s geschrieben haben, würd‘ ich peitschen, bis…«

»Eine ganze Schar zum Helfen, Bruder Marples, sagt ihr? Ja, das will ich meinen! Ich wollt‘ nur, ihr wäret in dem Unglückshaus gewesen und hättet die letzten Wochen miterlebt. Die Kerls haben gestohlen, was ihnen unter die Finger kam. Und wir immer hinter allem her, und trotzdem stahlen sie weiter! Sie haben das Hemd unter meiner Nase von der Wäscheleine weggenommen und auch das Leintuch, aus dem sie die Leiter gemacht haben – ich weiß gar nicht, wie oft sie Leintücher von der Wäscheleine gekrippst haben! Und Mehl und Kerzen und Leuchter und Löffel und die alte Pfanne und tausend Dinge, auf die ich mich jetzt nicht besinnen kann, und mein neues Kattunkleid, und dabei waren ich und Silas und mein Tom und Sid immer dahinter her, Tag und Nacht, wie ich schon gesagt habe, und keiner von uns konnte auch nur ein Haar von ihnen entdecken. Und jetzt, zu guter Letzt, führen die Kerle nicht nur uns an, sondern noch dazu die Räuberbande vom Indianer-Territorium, und kriegen wahrhaftig den Neger weg mit heiler Haut, trotz der sechzehn Mann und zweiundzwanzig Hunde, die ihnen auf den Fersen sind. Da mach‘ sich einer einen Vers drauf! Ei, Geister hätten’s nicht besser besorgen können, nicht flinker und gewichster. Und ich glaub‘ wahrhaftig, es müssen Geister gewesen sein, denn nehmt nur einmal unsere Hunde an; ihr kennt sie alle, beßre gibt’s gar nicht. Und hat auch nur einer von ihnen die leiseste Spur von den Kerlen entdeckt, he? Das erklär mir einer, wenn er kann! He?«

»Ja, das übersteigt denn doch…«

»Hat man je so was gehört, so…«

»Herr du mein Gott, ich…« »Hausdiebe, sowohl als …«

»Herr, du meine Güte, ich hätt‘ mich zu Tode gefürchtet, wenn ich in dem Hause …«

»Zu Tode gefürchtet? Ei, ich bin auch beinah gestorben vor Angst! Ich hab‘ kaum gewagt, ins Bett zu gehen oder aufzubleiben, zu liegen oder zu stehen, Schwester Ridgeway, ihr könnt mir’s glauben. Ei, die waren imstande, mir das Tuch unterm… Na, ihr könnt euch denken, in welcher Aufregung ich war, als gestern Mitternacht herankam. Ich war so weit, daß ich jeden Augenblick dachte, mein bißchen Verstand müsse auch noch mit draufgehen. Ich glaubte wahrhaftig, sie würden zum Schluß noch anfangen, die Kinder zu stehlen. Jetzt bei Tag hört sich’s freilich, komisch an, aber, sag‘ ich zu mir selbst, da sind meine zwei armen, unschuldigen Jungen da oben und schlafen und wissen nichts in dem einsamen, dunklen Zimmer, und wahrhaftig, ich wurde bei dem Gedanken so unruhig, daß ich hinaufkroch und die Tür verschloß. Wahrhaftig, das tat ich! Und das hätte jeder an meiner Stelle auch getan. Denn, wißt ihr, wenn man erst einmal anfängt sich zu fürchten und es geht weiter und wird schlimmer und schlimmer und man verliert den Kopf und kriegt das Zittern und weiß kaum mehr, was man tut, da befürchtet man jeden Augenblick etwas Schreckliches. Ich dachte, wenn du so ein armer Junge wärst und schliefst da oben allein, und das Zimmer wäre nicht verschlossen und man…« Da hielt sie auf einmal ein, und ihr Auge nahm einen starren, verwunderten Ausdruck an, als wolle sie sich auf etwas besinnen, und sie wandte mir langsam den Kopf zu, und ihr Blick streifte mich, und ich dachte, es sei gesünder für mich, einen kleinen Spaziergang zu unternehmen, ehe sie zu Worte kam.

Sag‘ ich zu mir selber: Huck du wirst’s besser erklären können, wie’s kam, daß ihr am Morgen trotz verschlossener Tür nicht im Zimmer wart, wenn du jetzt ein bißchen hinausgehst und darüber nachdenkst. Und das tat ich denn auch. Weit weg aber wagte ich mich nicht, aus Furcht, sie könne nach mir schicken und dann erst recht ein Verhör anstellen. Gegen Abend gingen allmählich die fremden Leute weg, und ich erzählte ihr, wie Sid und ich in der Nacht vom Lärm und vom Schießen aufgewacht seien, und daß wir hätten sehen wollen, was es gebe, und da wir die Tür verschlossen gefunden, am Blitzableiter hinuntergerutscht seien, wobei wir uns beide ein wenig weh getan und deshalb geschworen haben, es nie wieder zu probieren. Und dann erzählte ich ihr alles, wie ich’s Onkel Silas zuvor erzählt hatte, und sie sagte, sie wolle uns verzeihen, es sei wohl natürlich bei solchen wilden Bengeln wie wir zwei, und sie danke Gott, daß uns weiter nichts passiert sei und wolle nun nicht länger nachdenken über das, was daraus hätte werden können, und sie klopfte mir auf den Kopf und versank in Nachsinnen. Mit einemmal springt sie auf und ruft: »Tom«, ruft sie, »wo ist Sid? Beinah‘ ist’s Nacht und noch kein Sid da! Herr, du mein Gott, was ist aus dem Jungen geworden?«

Das scheint mir eine willkommene Gelegenheit, und ich springe auf und rufe: »Ich lauf nach der Stadt, ich will ihn schon finden!«

Aber da kam ich gut an.

»Du bleibst«, sagt sie mit Nachdruck und packt mich am Arm, »einer ist gerade genug! Wenn er bis zum Abendessen nicht da ist, geht dein Onkel und sieht zu, daß er ihn findet, und damit basta!«

Beim Abendessen war er dann auch noch nicht da, und so ging also Onkel gleich nachher auf die Suche.

Gegen zehn kam er wieder, etwas ärgerlich, etwas unruhig, er hatte von Sid nirgends eine Spur finden können. Tante Sally war nicht nur etwas, sondern sehr unruhig, Onkel Silas aber meinte, dazu sei kein Grund vorhanden – Jungen seien eben Jungen, und am Morgen werde sich der Ausreißer wohl von selbst wieder einstellen, heil und durstig und hungrig. Sie mußte sich damit zufriedengeben, wohl oder übel, aber sie sagte, aufbleiben wolle sie doch und auf ihn warten und Licht brennen, damit er das Haus finden könne.

Als ich zu Bett ging, kam sie mit mir auf mein Zimmer, nahm ihr Licht mit und deckte mich warm zu und war so gut und so wie eine Mutter mit mir, daß ich mir ganz elend und schlecht vorkam und ihr kaum in die guten, freundlichen Augen sehen konnte. Und sie setzte sich auf den Bettrand zu mit und schwatzte lange, lange und sagte, was für ein prächtiger Bursche Sid sei, und schien kaum fertig werden zu können, ihn zu loben, und dazwischen fragte sie immer wieder, ob ich dächte, daß er verlorengegangen oder sonstwie zu Schaden gekommen sein könne, oder daß er gar beinahe ertrunken sei und am Ende eben jetzt irgendwo liege, krank und elend, und sie sei nicht bei ihm, um ihm zu helfen und ihn zu trösten. Dabei stürzten ihr die hellen Tränen aus den Augen und rannen leise über die Wangen, und ich versicherte ihr, Sid sei gewiß wohl und munter und werde sich am Morgen unfehlbar einstellen, darauf drückte sie meine Hand und küßte mich und bat mich, es noch einmal zu sagen und noch einmal, denn es täte ihr wohl, sie sei in solcher Angst um ihn. Als sie dann wegging, sah sie mir in die Augen, so fest und doch dabei so gut und freundlich, und sagte: »Ich werde die Türe nicht schließen, Tom, und dort ist das Fenster und der Blitzableiter, aber, nicht wahr, du wirst brav sein? Wirst du? Und wirst nicht durchbrennen, Tom, um meinetwillen!«

Das fiel mir aufs Herz, wo Tom ohnehin schon schwer drauflag, und aus dem Schlafen wurde nicht viel. Ich warf mich ruhelos hin und her. Zweimal rutschte ich am Blitzableiter hinab und schlich mich ums Haus herum auf die Vorderseite und sah die gute Frau dort am Fenster sitzen bei ihrem einsamen Licht, und die Augen, die auf den Weg hinausstarrten, waren dick voll Tränen, und ich wünschte, ich wäre imstande gewesen, etwas für sie zu tun, aber ich wußte nicht, was. Das einzige war, daß ich mir selbst schwur, nie wieder etwas zu tun, was ihr Kummer machen würde. Dann, als ich zum drittenmal aufwachte, dämmerte schon der Tag, und ich glitt noch einmal hinunter auf meinem gewöhnlichen Weg, und richtig, da saß sie noch, und das Licht war ausgebrannt, während der müde, graue Kopf auf den Tisch gesunken und die alte Frau endlich eingeschlummert war.