Axiom, Grundsatz

Als Axiom oder Grundsatz bezeichnet man einen ursprünglichen, unbeweisbaren Satz. Das Axiom ist die Grundlage der Beweise eines Gebietes.

Bereits Platon sieht in reinen, dem Denken entstammenden Grundsätzen, Grundurteilen die Quelle aller Erkenntnis. Von dem relativen Grundsatz (hypothesis) muss zu einem zulänglichen, ersten Satz, zum voraussetzungslosen Prinzip zurückgegangen werden.

Bei Aristoteles ist das Axiom ein Satz, der keinen Beweis braucht und die Grundlage eines Beweises bildet. Aristoteles bezeichnet auch einen praktischen Grundsatz als Axiom.

Die Stoiker verstehen unter Axiom einen durch sich selbst klaren Satz.

Die Scholastiker betrachten die Axiome als uns angeborene ewige Wahrheiten.

Descartes behauptet die Vernunftnotwendigkeit der Axiome.

Nach Galilei haben die Axiome ursprüngliche Evidenz.

Nach Locke gehören alle aus unmittelbarer Erfahrung entspringenden Sätze zu den Axiomen. Beispiel für ein solches Axiom ist der Satz der Identität. Die Axiome beruhen auf der unterscheidend-vergleichenden Funktion der Seele. Die Klarheit der Axiome beruht auf der Festigkeit, die sie im Bewußtsein erlangen.

Leibniz betrachtet die Axiome als angeboren, insofern sie, potentiell, im Bewußtsein angelegt sind und man sie im Denken finden kann, ohne von der Erfahrung auszugehen.

Hume betont, dass die Axiome durch das reine Denken entdeckt werden können, ohne von irgend einem empirischen Dasein abhängig zu sein.

Nach Reid sind die Axiome oder Prinzipien durch Intuition bewusst werdende ursprüngliche Wahrheiten (self-evident truths). Sie sind von strenger Notwendigkeit und Allgemeinheit.

Kant begründet die Notwendigkeit der Axiome aus der Apriorität der Anschauungs- und Denkformen. Geometrische Sätze sind apodiktisch, daher können sie weder Erfahrungsurteile sein, noch aus ihnen geschlossen werden. Die Quelle aller Grundsätze ist der reine Verstand.

Kant unterscheidet mathematische und dynamische Grundsätze.

Die mathematischen Grundsätze gehen nur auf die Anschauung. Sie sind unmittelbar. Die mathematischen Grundsätze gliedern sich in Axiome der Anschauung und Antizipationen der Wahrnehmung.

Die dynamischen Grundsätze gehen auf das Dasein einer Erscheinung überhaupt und sind nur mittelbar evident. Kant unterscheidet bei den dynamischen Grundsätzen die Analogien der Erfahrung und die Postulate des empirischen Denkens.

Nach Fries beruht die Notwendigkeit der Axiome auf der dauernden Tätigkeit der Vernunft. Die Axiome werden dadurch bewiesen (demonstriert), dass wir die Anschauung nachweisen, die in ihnen ausgesprochen wird.

Nach Windelband sind die Axiome für die genetische Methode tatsächliche Auffassungsweisen, welche sich in der Entwicklung der menschlichen Vorstellungen, Willensentscheidungen und Gefühle herausgebildet haben. Für die kritische Methode sind die Axiome Normen, welche unter der Voraussetzung gelten sollen, dass das Denken den Zweck hat, wahr zu sein, das Wollen den Zweck hat, gut zu sein bzw. das Fühlen den Zweck hat, Schönheit zu erfassen.

Für Mill sind die Axiome experimentelle Wahrheiten. Sie werden durch Verallgemeinerung aus der Beobachtung gewonnen und sind das Ergebnis der Induktion. Vorausgesetzt wird die Gleichmäßigkeit des Naturgeschehens.

Nach Maimon sind die mathematischen Axiome nicht a priori, da sie der Erkenntnis des Gegenstandes nicht vorhergehen. Die Notwendigkeit der Axiome ist bloß subjektiv.

Wundt betont, dass sich apodiktische Sätze nicht aus Anschauungen sondern aus zwingenden Schlussfolgerungen ergeben. Die Notwendigkeit der geometrischen Sätze beruht auf deren ausnahmsloser Gültigkeit. Die Axiome der Zeit können nur aus der Erfahrung stammen, weil sie, abgesehen von der Aufeinanderfolge unserer Vorstellungen, völlig gegenstandslos sind. Die mathematischen Axiome sind Anwendungen des Satzes vom Grunde auf mathematische Grundbegriffe. A priori sind sie nur, insofern Raum und Zeit begrifflich unabhängig von jeder speziellen Erfahrung bestimmt werden können. Die mathematischen Axiome haben den Charakter allgemeinster Erfahrungsgesetze. Sie beruhen auf ursprünglichen Induktionen und sind gleichzeitig Gesetze des Denkens und der Denkobjekte. Das Prinzip der Konstanz mathematischer Gesetze und das Prinzip der Permanenz der mathematischen Operationen bringen die Allgemeingültigkeit der mathematischen Begriffe zum Ausdruck.

Schuppe sieht den Grund der Evidenz der mathematischen Axiome in deren Anschaulichkeit.

Nach Schubert-Soldern beruht die Evidenz der mathematischen Axiome auf der Undenkbarkeit des Gegenteils.

Ähnlich bestimmt Sigwart die Axiome als Sätze, deren Wahrheit und Gewißheit unmittelbar einleuchtet und deren Gegenteil nicht gedacht werden kann.

Die Axiome der Mathematik haben nach Drobisch unmittelbare Evidenz als Tatsachen der Anschauung von assertorischer Geltung.

Die Axiome der Geometrie sind nach Erdmann empirischen Ursprungs. Nur sofern die Raumvorstellung durch psychische Vorgänge erzeugt wird, ist sie a priorisch.

Nach Poincaré sind geometrische Axiome weder synthetische Wahrheiten a priori noch experimentelle Wahrheiten, sondern Konventionen.