Die Feluke » der Blitz«

D’Artagnan hatte richtig erraten: Mordaunt hatte keine Zeit zu verlieren und hatte keine verloren. Er kannte die rasche Entschlossenheit und Tätigkeit seiner Feinde und wollte demgemäß handeln. Diesmal hatten die Musketiere einen ihrer würdigen Feind gefunden.

Nachdem Mordaunt die Tür sorgfältig hinter sich geschlossen, stürzte er in den unterirdischen Gang; doch sobald er seinen unnötig gewordenen Degen wieder in die Scheide gesteckt und das benachbarte Haus erreicht hatte, blieb er einen Augenblick stehen, um sich zu betasten und Atem zu schöpfen.

Gut, sagte er, nichts, beinahe nichts, nur Schrammen; zwei am Arm, eine an der Brust. Die Wunden, die ich mache, sind besser! Man frage den Henker von Bethune, meinen Oheim Winter und den König Karl! Nun ist keine Sekunde zu verlieren, denn eine verlorene Sekunde rettet sie vielleicht, und sie müssen alle vier miteinander mit einem einzigen Schlage, in Ermangelung des göttlichen Blitzes, von dem Blitze der Menschen verzehrt, sterben. Gebrochen, zerstreut, vernichtet sollen sie verschwinden. Ich will also laufen, bis mich die Beine nicht mehr tragen können, bis das Herz in der Brust aufschwillt, aber vor ihnen muß ich ankommen.

Und Mordaunt fing an, raschen, aber festen Schrittes nach der ersten, ungefähr eine Viertelmeile entfernt liegenden, Reiterkaserne zu eilen. Er legte diesen Weg in vier bis fünf Minuten zurück.

In der Kaserne angelangt, gab er sich zu erkennen, nahm das beste Pferd aus dem Stall, schwang sich auf und eilte nach der Straße. Eine Viertelstunde nachher war er in Greenwich.

Hier ist der Hafen, murmelte er. Dieser düstere Punkt da unten ist die Hundeinsel. Gut! ich bin ihnen eine halbe Stunde voraus… eine Stunde vielleicht. Nun, fügte er hinzu und erhob sich auf den Steigbügeln, als wollte er fernerhin durch alle die Taue und Masten sehen; der Blitz? Wo ist der Blitz?

In dem Augenblicke, wo er im Geist diese Worte sprach, erhob sich, als wollte er seine Gedanken beantworten, ein Mann von einer Rolle Kabeltaue und machte einige Schritte auf Mordaunt zu.

Mordaunt zog sein Taschentuch hervor und ließ es in der Luft flattern.

Der Mann schien aufmerksam, blieb aber an derselben Stelle, ohne einen Schritt rückwärts oder vorwärts zu tun.

Mordaunt machte einen Knoten an jede Ecke seines Taschentuches; der Mann schritt bis zu ihm vor; er war in einen weiten wollenen Kaban gehüllt, der seine Gestalt und sein Gesicht verbarg.

Kommt der Herr zufällig von London, um eine Spazierfahrt auf dem Meere zu machen? fragte der Mann.

Allerdings, sprach Mordaunt, zur Hundeinsel.

Gut. Ohne Zweifel würde der Herr dann einem Schiffe den Vorzug vor den andern geben? Er hätte vielleicht gern einen Schnellsegler, ein Fahrzeug so rasch …

Wie der Blitz, erwiderte Mordaunt.

Dann ist es gut, der Herr sucht mein Schiff. Ich bin der Patron, dessen er bedarf.

Ich will es glauben, sagte Mordaunt, besonders, wenn Ihr ein gewisses Zeichen der Erkennung nicht vergessen habt.

Hier ist es, Herr, sprach der Seemann und zog aus der Tasche seines Kabans ein an den vier Enden geknüpftes Taschentuch.

Gut! gut! rief Mordaunt, vom Pferde springend. Es ist nun keine Zeit zu verlieren. Laßt mein Pferd in die nächste beste Herberge führen und bringt mich zu Eurem Schiff.

Aber Eure Gefährten? entgegnete der Seemann. Ich glaubte, Ihr wäret ohne die Lakaien zu vier.

Hört, sprach Mordaunt, sich dem Seemann nähernd, ich bin nicht der, den Ihr erwartet, wie Ihr nicht der seid, den sie zu finden hofften. Ihr habt Kapitän Rogers‘ Stelle eingenommen, nicht wahr? Ihr seid hier auf Befehl des Generals Cromwell, und ich komme in seinem Auftrag.

In der Tat, ich erkenne Euch, versetzte der Patron, Ihr seid der Kapitän Mordaunt.

Mordaunt bebte.

Oh! fürchtet Euch nicht, sprach der Patron, seinen Kaban niederlassend und seinen Kopf entblößend, ich bin ein Freund. Kapitän Groslow! rief Mordaunt. – Er selbst. Der General erinnerte sich, daß ich einst Marine-Offizier gewesen bin, und beauftragte mich mit dieser Expedition. Hat sich etwas verändert? – Nein, alles bleibt wie verabredet. – Ich dachte einen Augenblick, der Tod des Königs … – Der Tod des Königs hat ihre Flucht nur beschleunigt; in einer Viertelstunde, in zehn Minuten vielleicht werden sie hier sein. – Was wollt Ihr aber tun? – Mich mit Euch einschiffen.

– Ah! sollte der General an meinem Eifer zweifeln? – Nein, aber ich will meiner Rache selbst beiwohnen. Habt Ihr nicht irgend einen Menschen, der mir mein Pferd abnehmen kann?

Groslow pfiff, es erschien ein Matrose.

Patrick, sagte Groslow, führt das Pferd in den Stall der nächsten Herberge. Wenn man Euch fragt, wem es gehöre, so sagt: Einem irischen Edelmann.

Der Matrose entfernte sich, ohne eine Bemerkung zu machen.

Fürchtet Ihr jetzt nicht, von ihnen erkannt zu werden? sprach Mordaunt. – Es ist keine Gefahr in dieser Tracht, in meinen Kaban eingehüllt, in der finstern Nacht. Überdies habt Ihr mich nicht einmal erkannt, um so weniger werden sie mich erkennen. – Das ist wahr, sie werden auch gar nicht an Euch denken. Alles ist bereit, nicht wahr? – Ja. – Die Ladung ist eingenommen? – Ja. – Fünfzig volle Tonnen? – Und fünfzig leere. – Gut. – Wir führen den Portwein nach Antwerpen. – Vortrefflich. Nun bringt mich an Bord und kehrt an Euren Posten zurück! Sie müssen bald kommen. – Ich bin bereit. – Es ist von Wichtigkeit, daß mich keiner von Euren Leuten hineingehen sieht.

Ich habe nur einen Mann an Bord und kann mich auf ihn verlassen, wie auf mich selbst. Überdies kennt Euch dieser Mann nicht und ist, wie seine Kameraden, bereit, uns zu gehorchen, weiß aber gar nichts.

Gut, gehen wir.

Sie stiegen gegen die Themse hinab. Eine kleine Barke war mittelst einer eisernen an einen Pfahl befestigten Kette an das Ufer gebunden. Groslow zog die Barke an sich, hielt sie fest, während Mordaunt hineinstieg, sprang dann selbst hinein, ergriff die Ruder und handhabte sie fleißig.

Nach Verlauf von fünf Minuten war man aus der Welt von Schiffen befreit, die in jener Zeit den Fluß in der Nähe Londons bedeckten, und Mordaunt konnte die kleine Feluke wie einen dunkeln Punkt auf vier bis fünf Kabellängen von der Hundeinsel am Anker sich wiegen sehen.

Als man sich dem Blitz näherte, pfiff Groslow auf eine besondere Weise, und man sah den Kopf eines Menschen über der Wand erscheinen.

Seid Ihr es, Kapitän? fragte dieser Mann.

Ja, wirf die Leiter herab.

Rasch und leicht wie eine Schwalbe fuhr Groslow unter dem Bugspriet hin und legte sich Bord an Bord mit dem Schiffe.

Steigt hinauf, sprach Groslow zu seinem Gefährten.

Mordaunt ergriff, ohne zu antworten, das Seil und kletterte mit einer bei Landratten ungewöhnlichen Behendigkeit an der Seite des Schiffes hinauf. Die Rachgier ersetzte bei ihm die Gewohnheit und machte ihn zu allem fähig.

Der Matrose an Bord der Feluke schien, wie Groslow vorhergesagt hatte, nicht einmal zu bemerken, daß sein Kapitän in Begleitung eines Fremden zurückkam.

Mordaunt und Groslow gingen in die Kapitäns-Kajüte, die nur einstweilen von Brettern auf dem Verdeck erbaut worden war. Das Ehrenzimmer hatte Kapitän Rogers seinen Passagieren abgetreten.

Und sie, fragte Mordaunt, wo sind sie? – Am andern Ende des Schiffes, erwiderte Groslow. – Haben sie nichts auf dieser Seite zu tun? – Durchaus nichts. – Gut. Ich halte mich bei Euch verborgen. Kehrt nach Greenwich zurück und bringt sie hierher. Ihr habt eine Schaluppe? – Die, in der wir gekommen sind. – Sie scheint mir leicht und gut gezimmert. – Wie eine Piroge. – Bindet sie mit einem hänfenen Strick an das Hinterteil an, legt ein Ruder daraus, damit sie im Kielwasser folgt und daß man nur den Strick abzuschneiden hat. Verseht sie mit Rum und Zwieback. Sollte das Meer unruhig werden, so dürfte es Euren Leuten nicht unangenehm sein, eine Herzstärkung bei der Hand zu finden. – Es soll geschehen, wie Ihr sagt. Wollt Ihr die Pulverkammer in Augenschein nehmen? – Nein, bei Eurer Rückkehr. Ich will die Lunte selbst legen, um meiner Sache gewiß zu sein. Verbergt vor allem Euer Gesicht gut, damit sie Euch nicht erkennen. – Seid unbesorgt. – Geht, es schlägt in Greenwich zehn Uhr.

Groslow schlug die Tür wieder zu, die Mordaunt von innen verschloß, und stieg, nachdem er dem Matrosen Befehl gegeben hatte, mit der größten Aufmerksamkeit zu wachen, in die Barke hinab, die sich rasch entfernte.

Der Wind war kalt und der Hafendamm verlassen, als Groslow in Greenwich landete; im Augenblick, wo er ans Ufer stieg, hörte er etwas wie das Geräusch galoppierender Pferde auf dem mit Strandsteinen gepflasterten Wege.

Oh! oh! sagte er, Mordaunt hatte recht, daß er mir Eile empfahl. Es war keine Zeit zu verlieren, sie kommen.

Es waren in der Tat unsere Freunde oder vielmehr ihre Vorhut, aus d’Artagnan und Athos bestehend. Als sie in der Nähe des Ortes anlangten, wo sich Groslow befand, hielten sie an, als hätten sie erraten, daß der Mann da sei, mit dem sie es zu tun haben sollten. Athos stieg ab, entrollte langsam ein Taschentuch, dessen vier Enden geknüpft waren, und ließ es im Wind flattern, während d’Artagnan, stets klug, halb über sein Pferd herabgeneigt und eine Hand am Halfter, wartete.

Groslow, der sich, im Zweifel, ob die Reiter wirklich die von ihm Erwarteten wären, hinter eine der zum Aufrollen der Kabeltaue dienenden, in den Boden gepflanzten Kanonen gekauert hatte, stand auf, als er das verabredete Zeichen wahrnahm, und ging gerade auf die Edelleute zu. Er war so in seinen Mantel vermummt, daß man sein Gesicht unmöglich sehen konnte. Übrigens war die Nacht so finster, daß diese Vorsichtsmaßregel überflüssig erschien.

Athos‘ durchdringendes Auge erriet indessen trotz der Dunkelheit, daß er nicht Rogers vor sich hatte.

Was wollt Ihr von mir? sagte er zu Groslow und machte einen Schritt rückwärts.

Ich will Euch sagen, Mylord, erwiderte Groslow mit irischem Akzente, daß Ihr den Patron Rogers sucht, aber vergebens sucht.

Wieso?

Er ist diesen Morgen vom Mastkorb herabgefallen und hat das Bein gebrochen. Doch ich bin sein Vetter; er hat mir die ganze Angelegenheit mitgeteilt und mir den Auftrag gegeben, für ihn aufzupassen und die Edelleute, die mir ein an den vier Enden geknüpftes Taschentuch geben würden, wie Ihr eins in der Hand haltet und wie ich eines in der Tasche habe, überallhin zu führen, wohin sie wünschen.

Bei diesen Worten zog Groslow das Tuch hervor, das er bereits Mordaunt gezeigt hatte.

Ist das alles? fragte Athos.

Nein, Mylord. Es sind auch fünfundsiebenzig Pfund zugesagt, wenn ich Euch wohlbehalten nach Boulogne oder nach irgend einem andern von Euch zu bestimmenden Punkte Frankreichs bringe.

Was denkt Ihr hiervon, d’Artagnan? fragte Athos in französischer Sprache, nachdem er die Worte des Mannes ins Französische übersetzt hatte.

Dies klingt mir sehr wahrscheinlich, sagte d’Artagnan.

Mir auch, sprach Athos.

Überdies, fügte d’Artagnan bei, überdies können wir den Menschen, wenn er uns betrügt, über den Haufen schießen.

Und wer wird uns führen?

Ihr, Athos, Ihr wißt so viele Dinge, daß ich nicht daran zweifle, Ihr seid auch im stande, ein Schiff zu lenken.

Meiner Treue, Freund, erwiderte Athos lächelnd, Ihr habt ziemlich richtig erraten; ich war von meinem Vater für den Marinedienst bestimmt und habe einige unklare Begriffe von der Steuermannskunst.

Seht Ihr! rief d’Artagnan.

Holt also unsere Freunde und kehrt bald zurück; es ist elf Uhr, wir haben keine Zeit zu verlieren.

D’Artagnan überbrachte Porthos und Aramis sowie den drei Lakaien die Aufforderung, ihm zu folgen, und die kleine Truppe stieß bald zu Athos. Bereits aber hatte d’Artagnan sein natürliches Mißtrauen wieder angenommen; er fand die Straße zu öde, die Nacht zu schwarz, den Patron zu leicht.

Er erzählte Aramis, daß der Mann nicht Rogers sei, und nicht minder mißtrauisch als er selbst, trug Aramis nicht wenig dazu bei, seinen Argwohn zu vermehren.

Ein kurzes Schnalzen mit der Zunge verriet Athos die Unruhe des Gascogners.

Wir haben keine Zeit, mißtrauisch zu sein, sprach er; die Barke erwartet uns, steigen wir ein.

Wer hindert uns übrigens, mißtrauisch zu sein und dennoch einzusteigen? Man wird den Patron bewachen, sprach Aramis.

Und wenn er nicht geradeaus geht, schlage ich ihn tot, fügte Porthos bei.

Gut gesagt, Porthos, versetzte d’Artagnan. Steigen wir ein. Vorwärts Mousqueton.

D’Artagnan hielt seine Freunde zurück und ließ die Bedienten zuerst gehen, damit sie das Brett probierten, welches vom Hafendamm nach der Barke führte.

Die drei Lakaien schritten ohne Unfall hinüber und nach ihnen ihre Herren.

Sobald das Brett zurückgezogen war, setzte sich der Patron an das Steuerruder und machte einem seiner Matrosen ein Zeichen; mit einem Bootshaken bewaffnet fing dieser an zu manövrieren, um aus dem Irrsal von Schiffen, zwischen denen die kleine Barke eingezwängt war, herauszukommen.

Der andere Matrose befand sich bereits, sein Ruder in der Hand, am Backbord.

Als man sich der Ruder bedienen konnte, kam sein Kamerad zu ihm, und die Barke fing an rascher zu gehen, und es dauerte nicht lange, so war man an der Feluke.

Der Blitz, sprach der Patron.

Wir sind also an Ort und Stelle? fragte Athos auf englisch.

Wir kommen eben hin, antwortete der Kapitän.

Nach drei Ruderstößen befand man sich dicht neben dem kleinen Fahrzeug. Der Matrose wartete, die Leiter war bereit, er hatte die Barke erkannt.

Athos stieg zuerst hinauf und zwar mit seemännischer Gewandtheit. Aramis folgte ihm wie ein Mann, der längst an Strickleitern und ähnliche mehr oder minder ungewöhnliche Mittel zur Erreichung verbotener Räume gewöhnt ist. D’Artagnan kletterte mit der Geschicklichkeit eines Gemsenjägers hinauf; Porthos entwickelte die Kraft, die bei ihm alles ersetzte.

Der Kapitän führte die Passagiere in die für sie bestimmte Wohnung, bestehend aus einem einzigen Zimmer, das sie gemeinschaftlich innehaben sollten. Dann suchte er sich unter dem Vorwand, einige Befehle geben zu müssen, zu entfernen.

Einen Augenblick, sagte d’Artagnan. Wieviel Mann habt Ihr am Bord, Patron?

Ich verstehe nicht, antwortete dieser englisch.

Fragt ihn in seiner Sprache, Athos.

Athos wiederholte die Frage d’Artagnans.

Drei, antwortete Groslow, wohl verstanden, mich nicht gerechnet.

D’Artagnan begriff, denn der Patron hatte bei seiner Erwiderung drei Finger aufgehoben.

Oh, drei! sprach d’Artagnan; ich fange an, ruhiger zu werden; doch gleichviel, während Ihr Euch einrichtet, mache ich einen Gang durch das Schiff.

Und ich, sagte Porthos, ich werde mich mit dem Abendessen beschäftigen.

Dieses Vorhaben ist schön und edelmütig, Porthos; bringt es daher in Ausführung. Ihr, Athos, leiht mir Grimaud, der in Gesellschaft seines Freundes Parry etwas Englisch kauderwelschen gelernt hat. Er soll mir als Dolmetscher dienen. D’Artagnan hob eine Laterne mit einer Hand auf, nahm mit der andern eine Pistole und sagte zu dem Patron: Come, was nebst Goddam alles war, was er von der englischen Sprache hatte behalten können.

D’Artagnan kam zu der Luke und stieg in das Zwischendeck hinab.

Das Zwischendeck hatte drei Abteilungen; einmal die, in welche d’Artagnan hinabstieg, und die sich vom Hinterteil des Schiffes bis gegen die Mitte desselben ausdehnte, folglich durch den Boden des Zimmers bedeckt war, in dem Athos, Porthos und Aramis die Nacht zuzubringen sich anschickten; die zweite, welche die Mitte des Schiffes bildete und zur Wohnung für die Diener bestimmt war; die dritte unter dem Vorderteil, d. h. unter der für den Kapitän improvisierten Kajüte, worin sich Mordaunt verborgen hielt.

Oh! sprach d’Artagnan, die Treppe hinabsteigend, während er seine Laterne in der ganzen Länge seines Armes vor sich ausstreckte, wie viele Tonnen!

Was sagt Ihr? fragte der Kapitän englisch.

Ich wünsche zu wissen, was in diesen Tonnen ist, erwiderte d’Artagnan und setzte seine Leiter auf eines der Fässer.

Der Patron machte unwillkürlich eine Bewegung, um die Leiter wieder hinaufzusteigen; aber er hielt sich zurück.

Porto, antwortete er.

Ah, Portwein, erwiderte d’Artagnan, das dient zur Beruhigung, wir werden nicht verdursten.

Dann wandte er sich wieder zu Groslow, der schwere Schweißtropfen an seiner Stirn abtrocknete, und fragte: Und sie sind voll?

Grimaud übersetzte die Frage.

Die einen sind voll, die andern leer, antwortete Groslow mit einer Stimme, in der sich seine Unruhe verriet.

D’Artagnan klopfte mit dem Finger an die Tonnen und bemerkte, daß fünf voll und die andern leer waren. Dann hielt er, beständig zum großen Schrecken des Engländers, seine Laterne in die Zwischenräume der Fässer und sah, daß diese Zwischenräume nichts enthielten.

Vorwärts! rief er und schritt auf die Tür zu, die nach der zweiten Abteilung führte.

Wartet, sprach der Engländer, der fortwährend in derselben Aufregung, welche wir vorhin bezeichnet haben, zurückgeblieben war.

Und rasch vor d’Artagnan und Grimaud tretend, steckte er mit zitternder Hand den Schlüssel in das Schloß, und man befand sich im zweiten Gelasse, wo Mousqueton und Blaisois eben zu Nacht speisen wollten.

In dieser Abteilung war offenbar nichts zu suchen und zu fragen. Man sah alle Winkel beim Schimmer der Lampe, die diese würdigen Kameraden beleuchtete.

Man ging also rasch durch und besuchte die dritte Abteilung.

Drei bis vier am Plafond befestigte Hängematten, ein Tisch, der durch ein doppeltes, an jedem seiner Enden angebrachtes Seil gehalten wurde, zwei wurmstichige, hinkende Bänke bildeten die ganze Ausstattung. D’Artagnan hob ein paar alte an den Wänden hängende Segeltücher auf, und da er nichts Verdächtiges wahrnahm, kehrte er durch die Luke auf das Verdeck des Schiffes zurück.

Und dieses Zimmer? fragte d’Artagnan.

Es ist das meinige, sprach der Patron auf Grimauds Übersetzung. Wollt Ihr eintreten?

Öffnet die Tür, versetzte d’Artagnan.

Der Engländer gehorchte. D’Artagnan hielt seine Laterne vor sich hinaus, streckte den Kopf durch die halb geöffnete Tür und sagte, als er sah, daß dieses Zimmer eine erbärmliche Spelunke war: Gut, wenn eine Armee an Bord ist, so ist sie wenigstens hier nicht verborgen. Wir wollen nun sehen, ob Porthos ein Abendessen gefunden hat.

Und er dankte dem Patron mit einem Nicken des Kopfes und kehrte in das Eßzimmer zurück, wo seine Freunde waren. Porthos hatte, wie es schien, nichts gefunden, oder hatte er auch etwas gefunden, so war doch die Müdigkeit Meister über den Hunger geworden, denn er lag in tiefem Schlaf, als d’Artagnan zurückkehrte.

Durch die sanften Bewegungen der ersten Meereswellen gewiegt, fingen Athos und Aramis ebenfalls an, die Augen zu schließen. Sie öffneten sich wieder bei dem Geräusch, das ihr Gefährte machte.

Wie ist es? fragte Aramis.

Alles geht gut, erwiderte d’Artagnan, und wir können ruhig schlafen.

Auf diese Versicherung ließ Aramis sein Haupt wieder zurückfallen, Athos machte mit dem seinigen ein liebevolles Zeichen, und d’Artagnan, der wie Porthos mehr des Schlummers als der Speise bedurfte, beurlaubte Grimaud und legte sich mit bloßem Schwert in seinem Mantel so nieder, daß sein Leib den Weg versperrte und man unmöglich in das Zimmer eintreten konnte, ohne an ihn zu stoßen.

Der Portwein

Nach Verlauf von zehn Minuten schliefen die Herren; nicht aber die ausgehungerten Diener.

Blaisois und Mousqueton schickten sich an, ihr Bett zu machen, das aus einem Brette und einem Felleisen bestand, während auf einer Tafel beim Schwanken des Schiffes ein Laib Brot, ein Bierkrug und drei Gläser sich wiegten.

Verfluchtes Schwanken! sprach Blaisois. Ich fühle, daß es mich wieder packen wird, wie bei unserer ersten Überfahrt.

Und gar nichts zur Bekämpfung der Seekrankheit haben, als Gerstenbrot und Hopfenwein! Puh!

Aber Eure Weidenflasche, Herr Mouston, fragte Blaisois, der die Vorkehrungen zu seinem Lager getroffen hatte und sich wankend dem Tische näherte, an dem Mousqueton bereits saß; aber Eure Weidenflasche, habt Ihr sie etwa verloren?

Nein, erwiderte Mousqueton, und Ihr, Grimaud, fragte er seinen Gefährten, der eben zurückkehrte, nachdem er d’Artagnan bei seiner Runde begleitet hatte, habt Ihr Durst?

Wie ein Schotte, antwortete Grimaud lakonisch.

Und er setzte sich neben Blaisois und Mousqueton, zog eine Schreibtafel aus der Tasche und fing an, die Rechnung der Gesellschaft aufzuschreiben, deren Ökonom er war.

Oh! la! la! rief Blaisois, in meinem Leib fährt alles durcheinander.

Wenn dem so ist, erwiderte Mousqueton, so nehmt ein wenig Speise zu Euch.

Ihr nennt das Speise? sagte Blaisois, mit einer kläglichen Miene die verächtliche Gebärde begleitend, womit er auf das Gerstenbrot und den Bierkrug deutete.

Blaisois, erwiderte Mousqueton, erinnert Euch, daß das Brot die wahre Speise des Franzosen ist … und der Franzose hat es nicht einmal immer; fragt nur Grimaud.

Ja, aber das Bier, versetzte Blaisois, ist das sein wahres Getränk?

Was das betrifft, sagte Mousqueton, so muß ich gestehen, nein, das Bier ist ihm ebenso zuwider, als der Wein den Engländern.

Portwein, sagte Grimaud, und streckte die Hand in der Richtung des Gelasses aus, das d’Artagnan und er in Begleitung des Patrons besucht hatten.

Wie! diese Fässer, die ich durch die halbgeöffnete Tür wahrgenommen habe?

Portwein, wiederholte Grimaud.

Ich habe sagen hören, versetzte Blaisois, der Portwein sei ein vortrefflicher spanischer Wein.

Vortrefflich, wiederholte Mousqueton, mit der Zungenspitze über die Lippen fahrend, vortrefflich; es findet sich solcher im Keller des Herrn Barons de Bracieux.

Wenn wir die Engländer bäten, eine Flasche an uns zu verkaufen? fragte der ehrliche Blaisois.

Kaufen! versetzte Grimaud, dessen alte Maraudeurinstinkte wiederkehrten, man sieht wohl, junger Mann, daß Ihr noch keine Erfahrung in den Dingen des Lebens habt. Warum kaufen, wenn man nehmen kann?

Hierauf erhob sich Mousqueton, nahm den Bierkrug, leerte ihn bis aus den letzten Tropfen durch eine Stückpforte und ging majestätisch nach der Tür, die in den Raum führte, wo der Portwein verwahrt sein sollte.

Ah! ah! geschlossen, sagte er. Diese Teufel von Engländern, wie mißtrauisch sie doch sind!

Geschlossen! wiederholte Blaisois in nicht minder verdrießlichem Tone. Ah! Pest! das ist ein Unglück, denn ich fühle, daß es in meinem Magen immer mehr durcheinander geht.

Mousqueton wandte sich mit einem so kläglichen Gesicht zu Blaisois, daß es ganz offenbar wurde, wie sehr er den Ärger des braven Burschen teilte.

In dieser Notlage kam der arme Blaisois, den die Not erfinderisch machte, auf den Gedanken, man könnte doch ein paar Bretter abheben, und Grimaud stellte dazu einen von ihm in Verwahrung gehaltenen Bohrer zur Verfügung; als Meißel konnte ein Dolch dienen.

Mousqueton suchte einen Winkel, wo die Bretter etwas klafften, und ging sogleich ans Werk.

Nach einem Augenblick hatte Mousqueton drei Bretter gesprengt.

Mousqueton war das Gegenteil von dem Frosch in der Fabel, der sich für dicker hielt, als er war. War es ihm auch gelungen, seinen Namen um ein Drittel zu verkürzen, so ließ sich leider nicht dasselbe mit seinem Bauche tun. Er suchte durch die Öffnung zu schlüpfen, die er gemacht hatte, und sah zu seinem Schmerz, daß er wenigstens noch zwei bis drei Bretter ausheben mußte, wenn die Öffnung seinem Umfang entsprechen sollte. Er stieß einen Seufzer aus und zog sich zurück, um wieder ans Werk zu gehen.

Aber Grimaud, der inzwischen seine Rechnungen vollendet hatte, stand in diesem Augenblick auf, näherte sich mit inniger Teilnahme an der Operation, in deren Ausführung man begriffen war, seinen zwei Gefährten und betrachtete die vergeblichen Anstrengungen Mousquetons, in das gelobte Land zu gelangen.

Ich, sagte Grimaud.

Mousqueton wandte sich um und fragte: Was, Ihr?

Ich werde durchschlüpfen.

Das ist wahr, sprach Mousqueton mit einem Blick auf den langen dünnen Körper seines Freundes, Ihr könnt durchkommen und zwar leicht.

Das ist richtig, sagte Blaisois; er kennt die vollen Fässer, da er schon einmal mit dem Herrn Chevalier d’Artagnan in dem Keller gewesen ist. Laßt Herrn Grimaud durch, Herr Mouston.

Schwenke die Gläser, versetzte Grimaud.

Dann machte er Mousqueton eine freundliche Gebärde, als wollte er ihn um Verzeihung bitten, daß er eine Expedition vollende, die ein anderer so glänzend begonnen hatte, schlüpfte wie eine Schlange durch die Öffnung und verschwand.

Ihr werdet sehen, sprach Mousqueton, indem er Blaisois mit einer Überlegenheit anschaute, der dieser sich nicht einmal zu entziehen versuchte, Ihr werdet sehen, wie wir alte Soldaten trinken, wenn wir Durst haben. – Den Mantel, jagte Grimaud aus dem Keller hervor. – Das ist richtig, erwiderte Mousqueton. – Was verlangt er? fragte Blaisois. – Daß man die Öffnung mit dem Mantel verstopfe. – Aber er wird nicht gut sehen? – Grimaud sieht immer gut, antwortete Mousqueton, bei Nacht wie bei Tag. – Da ist er sehr glücklich, versetzte Blaisois; wenn ich kein Licht habe, kann ich nicht zwei Schritte machen, ohne anzustoßen. – Ihr habt auch nicht gedient, sonst hättet Ihr eine Nadel in der größten Finsternis aufheben gelernt. Aber still, mir scheint, man kommt.

Mousqueton ließ einen kleinen Alarmpfiff vernehmen, mit dem die Lakaien aus den Tagen ihrer Jugend vertraut waren, setzte sich wieder an den Tisch und winkte Blaisois, dasselbe zu tun.

Die Tür öffnete sich. Es erschienen zwei Männer, in ihre Mäntel gehüllt.

Oh! oh! sagte der eine, es ist ein Viertel auf zwölf Uhr, und Ihr habt Euch noch nicht niedergelegt? Das ist wider die Vorschrift. In einer Viertelstunde muß alles ausgelöscht sein und jedermann schnarchen.

Die Männer gingen auf die Tür des Raumes zu, in den Grimaud geschlüpft war, öffneten diese Tür, traten ein und schlossen sie hinter sich.

Ah! flüsterte Blaisois bebend, er ist verloren!

Grimaud ist ein feiner Fuchs, murmelte Mousqueton.

Und sie warteten mit gespanntem Ohr und angehaltenem Atem.

Es vergingen zehn Minuten, während deren man kein Geräusch vernahm, das vermuten ließ, daß Grimaud entdeckt sei.

Nach Ablauf dieser Zeit sahen Mousqueton und Blaisois die Tür wieder ausgehen, und die zwei Männer kamen heraus, verschlossen die Tür so vorsichtig, wie vorher, und entfernten sich, nachdem sie noch einmal strengstens anbefohlen hatten, sich niederzulegen und die Lichter auszulöschen.

Werden wir gehorchen? fragte Blaisois; diese ganze Geschichte kommt mir verdächtig vor. – Sie sagten eine Viertelstunde; wir haben noch fünf Minuten. – Wenn wir die Herren benachrichtigen würden? – Wir wollen auf Grimaud warten. – Aber wenn sie ihn umgebracht haben? – Grimaud hätte geschrien. – Ihr wißt, daß er beinahe stumm ist. – Wir hätten den Schlag gehört. – Aber wenn er nicht kommt? – Hier ist er.

In demselben Moment drückte Grimaud den Mantel zurück und schob durch diese Öffnung einen leichenbleichen Kopf, dessen durch den Schrecken gerundete Augen einen kleinen Augenstern in einem großen, weißen Kreise sehen ließen. Er hielt in der Hand den Bierkrug, angefüllt mit irgend einem Stoffe, näherte sich dem Lichte, das die rauchige Lampe von sich gab, und murmelte die einzige Silbe: Oh! mit einem Ausdruck so tiefen Schreckens, daß Mousqueton bestürzt zurückwich und Blaisois beinahe in Ohnmacht fiel.

Beide warfen nichtsdestoweniger einen neugierigen Blick in den Bierkrug: er war voll Pulver.

Sobald er die Überzeugung gewonnen hatte, daß das Schiff mit Pulver statt mit Wein beladen war, stürzte Grimaud nach der Luke und machte nur einen einzigen Sprung bis an das Zimmer, worin die vier Freunde schliefen. Hier drückte er sacht die Tür auf, die bei ihrem Aufgehen sogleich d’Artagnan aufweckte, der unmittelbar hinter ihr lag.

Kaum hatte dieser Grimauds entstelltes Gesicht erblickt, als er begriff, daß etwas Außerordentliches vorging, und ausschreien wollte; aber mit einer Gebärde, schneller, als das Wort, legte Grimaud einen Finger auf seine Lippen und löschte mit einem Hauch, den man in einem so schwächlichen Körper nicht vermutet hätte, die Nachtlampe auf drei Schritte aus.

D’Artagnan erhob sich auf den Ellbogen, Grimaud setzte ein Knie auf die Erde und flüsterte ihm so, den Hals vorgestreckt, etwas ins Ohr.

Während dieser Erzählung schliefen Athos, Porthos und Aramis wie Menschen, die seit acht Tagen nicht geschlafen haben, und auf dem Zwischendeck knüpfte Mousqueton aus Vorsicht seine Nesteln, während Blaisois, vom Schrecken erfaßt, mit zu Berge stehenden Haaren dasselbe zu tun versuchte.

Man vernehme, was sich ereignet hatte.

Kaum war Grimaud durch die Öffnung verschwunden und in den ersten Raum gedrungen, als er zu suchen begann. Er schlug an das erste Faß; es war leer. Er ging an ein anderes; es war ebenfalls leer; aber das dritte, an dem er den Versuch wiederholte, gab einen so matten Ton von sich, daß man sich nicht täuschen konnte. Grimaud erkannte, daß es voll war.

Er blieb bei diesem Faß, suchte eine taugliche Stelle, um es anzubohren, und brachte seine Hand, während er diese Stelle suchte, an einen Hahn.

Gut! sagte Grimaud, das erspart mir das Geschäft.

Und er näherte seinen Bierkrug, drehte den Hahn um und fühlte, daß der Inhalt ganz sacht aus einem Gefäß in das andere überging.

Grimaud setzte, nachdem er behutsamerweise den Hahn wieder geschlossen hatte, den Krug an seine Lippen, denn er war zu gewissenhaft, um seinen Gefährten einen Trank zu bringen, für den er ihnen nicht hätte stehen können, als er das Signal hörte, das ihm Mousqueton gab; er vermutete eine Nachtrunde, schlüpfte in den Raum zwischen zwei Tonnen und verbarg sich hinter einem Fasse.

Einen Augenblick nachher öffnete sich plötzlich die Tür und schloß sich wieder, nachdem zwei Männer in Mänteln eingetreten waren, die wir mit dem Befehle, die Lichter auszulöschen, an Blaisois und Mousqueton vorübergehen sahen.

Der eine trug eine sorgfältig geschlossene Glaslaterne, die so hoch war, daß die Flamme die Oberfläche nicht erreichen konnte. Die Gläser waren überdies mit einem Blatte weißen Papiers bedeckt, das das Licht und die Wärme milderte oder vielmehr einschluckte.

Dieser Mensch war Groslow.

Der andere hielt in seiner Hand etwas Langes, Biegsames, Zusammengerolltes, einem weißlichen Stricke ähnlich. Sein Gesicht war von einem breitkrempigen Hute bedeckt. Da er glaubte, daß diese Männer von derselben Neigung wie er in den Keller geführt worden seien und dem Portwein einen Besuch machen wollten, kauerte sich Grimaud immer tiefer hinter das Faß, wobei er sich sagte, wenn er auch entdeckt würde, so wäre sein Verbrechen doch nicht so groß.

Sobald die Männer zu der Tonne gelangt waren, hinter der Grimaud verborgen lag, blieben sie stehen.

Habt Ihr die Lunte? fragte englisch der, welcher die Stocklaterne trug.

Hier ist sie, sagte der andere.

Bei der Stimme des letztern bebte Grimaud; er fühlte, wie ein Schauer bis in das Mark seiner Knochen drang; er erhob sich aber langsam, bis sein Kopf über den hölzernen Kreis ging, und erkannte unter dem großen Hut das bleiche Gesicht Mordaunts.

Wie lange dauert’s, bis diese Lunte zündet? fragte der letztere.

Ungefähr fünf Minuten, antwortete der Patron.

Diese Stimme war Grimaud ebenfalls nicht unbekannt. Seine Blicke gingen von dem einen auf den andern über, und er erkannte nun auch Groslow.

Heißt Eure Leute sich bereit halten, sprach Mordaunt, jedoch ohne ihnen zu sagen, wozu. Folgt die Schaluppe dem Schiff? – Wie ein Hund seinem Herrn am Koppelriemen folgt. – Wenn Ihr auf der Pendeluhr ein Viertel nach Mitternacht schlagen hört, so versammelt Eure Leute und steigt geräuschlos in die Schaluppe hinab. – Nachdem ich Feuer an die Lunte gelegt habe? – Das ist meine Sorge. Ich will meiner Sache gewiß sein. Die Ruder sind im Boote? – Alles ist vorbereitet. – Gut. – Abgemacht also.

Mordaunt kniete nieder und befestigte ein Ende seiner Lunte an den Hahn, wonach er nur noch Feuer an das andere Ende zu legen hatte.

Grimaud hatte alles gehört, wenn auch nicht alles verstanden; aber der Blick ersetzte bei ihm den Mangel der Sprachkenntnis; er hatte die beiden Todfeinde der Musketiere erkannt und gesehen; er hatte Mordaunt die Lunte anlegen sehen. Er rüttelte den Inhalt des Kruges, den er in der Hand hielt, hin und her, aber statt der erwarteten Flüssigkeit rollten durch seine Finger die Körner eines groben Pulvers.

Mordaunt entfernte sich mit dem Patron. An der Tür blieb er horchend stehen.

Hört Ihr, wie sie schlafen? sagte er.

Man hörte in der Tat Porthos durch den Boden schnarchen.

Gott überliefert sie Euren Händen! sprach Groslow.

Und diesmal würde sie der Teufel nicht mehr retten! versetzte Mordaunt.

Grimaud wartete, bis sie fort waren und der Riegel ins Schloß geschnappt hatte. Dann richtete er sich langsam auf.

Ah! sagte er, sich mit dem Ärmel große Schweißtropfen von der Stirn wischend, ah! welch ein Glück, daß Mousqueton Durst hatte.

D’Artagnan hörte diese Erzählung, wie man sich denken kann, mit wachsendem Interesse, und ohne zu warten, bis Grimaud geendigt hatte, erhob er sich, näherte seinen Mund dem Ohr von Aramis, der zu seiner Linken schlief.

Chevalier, sagte er, erhebt Euch und macht nicht das geringste Geräusch.

Aramis wachte auf. D’Artagnan wiederholte seine Aufforderung, ihm die Hand drückend. Aramis gehorchte.

Ihr habt Athos zu Eurer Rechten, benachrichtigt ihn, wie ich Euch benachrichtigt habe.

Aramis weckte ohne Mühe Athos auf; aber Porthos zu wecken war schwieriger. Er wollte nach den Ursachen und Gründen der unangenehmen Unterbrechung seines Schlafes fragen, als ihm d’Artagnan statt jeder Erklärung die Hand auf den Mund legte.

Dann streckte unser Gascogner die Arme aus und zog sie wieder an sich, indem er auf diese Art die drei Köpfe seiner Freunde umschloß, so daß sie sich gleichsam berührten.

Freunde, sagte er, wir müssen sogleich das Schiff verlassen, oder wir sind insgesamt tot. – Bah! entgegnete Athos, schon wieder? – Wißt Ihr, wer der Kapitän des Schiffes ist. – Nein. – Der Oberst Groslow.

Ein Beben der drei Musketiere belehrte d’Artagnan, daß seine Rede einigen Eindruck auf die Freunde zu machen anfing.

Und wißt Ihr, wer sein Leutnant ist? – Sein Leutnant? Er hat keinen! erwiderte Athos. Auf einer Feluke mit vier Mann gibt es keinen Leutnant. – Allerdings, aber Herr Groslow ist kein gewöhnlicher Kapitän. Er hat einen Leutnant, und dieser Leutnant ist Herr Mordaunt.

Diesmal war die Wirkung der Worte noch furchtbarer. Die unbesiegbaren Männer fühlten sich durch diesen unseligen Namen wie gebannt.

Was ist zu tun? fragte Athos. – Wir müssen uns der Feluke bemächtigen, erwiderte Aramis. – Und ihn töten, fügte Porthos bei. – Die Feluke ist unterminiert, sprach d’Artagnan. Die Tonnen, die ich für Fässer mit Portwein hielt, sind Pulverfässer. Sieht sich Mordaunt entdeckt, so wird er alles in die Luft sprengen, Freund und Feind, aber er ist, bei meiner Treue! ein zu schlimmer Kamerad, als daß ich mich in seiner Gesellschaft im Himmel oder in der Hölle zeigen möchte. – Ihr habt also einen Plan? fragte Athos. – Ja. – Welchen? – Habt Ihr Zutrauen zu mir? – Befehlt, erwiderten gleichzeitig die drei Musketiere. – Nun, so kommt.

D’Artagnan ging an ein Fenster, das so niedrig war, wie ein Speigatt, aber doch Raum genug bot, daß ein Mann durchschlüpfen konnte; er öffnete es sacht.

Das ist der Weg, sagte er. – Teufel! murmelte Aramis, es ist sehr kalt, lieber Freund. – Bleibt hier, wenn Ihr wollt, aber ich sage Euch, daß es sogleich sehr heiß werden wird. – Wir können das Land nicht schwimmend erreichen! – Die Schaluppe folgt an einem Tau, wir erreichen die Schaluppe und schneiden das Tau ab. Vorwärts, meine Herren! – Einen Augenblick, sagte Athos, die Lakaien. – Wir sind hier, sprachen Mousqueton und Blaisois, die Grimaud herbeigeholt hatte.

Die drei Freunde waren indessen unbeweglich von dem furchtbaren Schauspiel geblieben, das sie durch die Öffnung erblickten, als d’Artagnan den Laden aufhob.

Wer nur einmal in seinem Leben dieses Schauspiel gesehen hat, weiß in der Tat, daß es nichts Ergreifenderes gibt, als ein stürmisches Meer, das mit dumpfem Gemurmel seine schwarzen Wogen beim bleichen Schimmer eines Wintermondes hin- und herwälzt.

Bei Gott, es scheint, wir zögern, sagte d’Artagnan, und schlüpfte entschlossen durch die Öffnung. Wenn wir zögern, was werden dann die Lakaien tun? – Auf, Athos! rief er, Ihr folgt mir. Ihr, Aramis, setzt die Lakaien in Kenntnis; Ihr, Porthos, schlagt alles tot, was uns ein Hindernis bereitet.

Und nachdem er Athos die Hand gedrückt hatte, glitt er in dem Augenblick, wo die Feluke durch eine schwankende Bewegung nach hinten tauchte, ins Wasser.

Athos folgte ihm, ehe die Feluke sich wieder erhoben hatte; nach Athos hob sie sich, und man sah das Kabel, mit dem die Schaluppe befestigt war, sich spannen und aus dem Wasser hervorkommen.

D’Artagnan schwamm danach und wartete hier, mit einer Hand an dem Tau hängend und den Kopf über dem Wasserspiegel haltend. Nach Verlauf einer Sekunde holte ihn Athos ein.

Dann sah man an der Wendung der Feluke zwei andere Köpfe erscheinen. Es waren Aramis und Grimaud.

Blaisois beunruhigt mich, sagte Athos. Er sagt, er könne nur im Flusse schwimmen.

Wenn man schwimmen kann, so schwimmt man überall, erwiderte d’Artagnan; zur Barke! zur Barke!

Aber Porthos? Ich sehe ihn nicht.

Seid unbesorgt, Porthos wird kommen; er schwimmt wie ein Leviathan.

Porthos erschien erst nach einer Weile, denn er hatte den beiden wasserscheuen Lakaien, Blaisois und Mousqueton, erst mit dem Erdrosseln drohen müssen, bis sie sich ins stürmische Meer wagten, wo sie sofort untertauchten.

Aber Porthos war nicht der Mann, der seine treuen Gefährten im Stiche ließ, und als Mousqueton ganz geblendet wieder auftauchte, fand er sich durch Porthos‘ breite Hand unterstützt und konnte so ohne Anstrengung zum Tau gelangen.

In demselben Augenblick sah Porthos etwas im Bereich seines Armes wirbeln. Er nahm dieses Etwas beim Haare: es war Blaisois, dem Athos entgegenkam.

Fort, fort, Graf, sagte Porthos, ich bedarf Euer nicht.

Und mit einem kräftigen Stoße der Kniebeuge erhob sich Porthos wie der Riese Adamastor über der Welle, und durch drei Bewegungen war er mit seinen Freunden vereinigt.

D’Artagnan, Aramis und Grimaud halfen Blaisois und Mousqueton einsteigen; dann kam die Reihe an Porthos, der, als er sich an Bord schwang, das kleine Fahrzeug beinahe umwarf.

Und Athos? fragte d’Artagnan.

Hier bin ich, erwiderte Athos, der, wie ein General den Rückzug deckend, erst zuletzt einsteigen wollte und sich am Rande der Barke hielt. Seid ihr beisammen?

Alle, antwortete d’Artagnan. Und Ihr, Athos, habt Ihr Euren Dolch?

Ja.

Dann schneidet das Tau ab und kommt.

Athos zog einen scharfen Dolch aus seinem Gürtel und schnitt das Tau ab, die Feluke entfernte sich, die Barke blieb schaukelnd auf der Stelle.

Kommt, Athos, sagte d’Artagnan.

Er reichte dem Grafen de la Fère die Hand, und dieser nahm ebenfalls in dem Fahrzeuge Platz.

Es war Zeit, sagte der Gascogner, und ihr werdet etwas Seltsames sehen.

Mißgeschick

D’Artagnan hatte kaum ausgesprochen, als ein Pfiff auf der Feluke ertönte, welche im Dunkel zu verschwinden anfing.

Das bedeutete etwas, wie ihr wohl begreift, sprach der Gascogner.

In diesem Augenblick sah man auf dem Verdecke eine Stocklaterne erscheinen und Schatten auf dem Hinterteil hervortreten. Plötzlich durchdrang ein schrecklicher Schrei, ein Schrei der Verzweiflung, den Raum, und als ob dieser die Wolken vertrieben hätte, entfernte sich der Schleier, der den Mond verbarg, und man sah an dem von blassem Licht versilberten Himmel das graue Segelwerk und die schwarzen Taue der Feluke abgezeichnet.

Schatten liefen auf dem Schiffe mit kläglichem Geschrei hin und her. Zugleich erblickte man Mordaunt, der mit einer Fackel in der Hand aus dem Heckbord erschien.

Die auf dem Schiffe umherlaufenden Schatten waren Groslow und seine Leute, welche er zu der von Mordaunt bezeichneten Stunde versammelt hatte, während der letztere, nachdem er an der Tür der Kajüte gehorcht, ob die Musketiere noch schliefen, durch ihr Stillschweigen beruhigt, in den Raum hinabgestiegen war.

Mordaunt hatte die Tür geöffnet und war zu der Lunte gelaufen. Glühend, wie ein Mensch, der nach Rache dürstet und ihrer ganz sicher zu sein glaubt, legte er Feuer an den Schwefel.

Währenddessen hatten sich Groslow und seine Leute aus dem Hinterteil versammelt.

Holt das Tau an, sprach Groslow, und zieht die Schaluppe her.

Einer der Matrosen schwang sich auf den Rand des Schiffes, nahm das Kabel und zog es an; es folgte ohne jeden Widerstand.

Das Kabel ist abgeschnitten! rief der Matrose, kein Boot mehr!

Wie? kein Boot mehr! rief Groslow, und stürzte nach der Schanzkleidung vor, das ist unmöglich!

Seht nur selbst. Nichts mehr im Kielwasser, und hier ist das Ende des Taues.

Da hatte Groslow das Gebrüll ausgestoßen, das von den Musketieren gehört worden war.

Was gibt es denn? rief Mordaunt, der mit seiner Fackel in der Hand aus der Luke kam und ebenfalls nach dem Hinterteil lief.

Unsere Feinde entkommen uns; man hat das Tau abgeschnitten, und sie fliehen mit dem Nachen.

Mordaunt machte nur einen Sprung bis in die Kajüte, deren Tür er mit dem Fuß eintrat.

Leer! rief er. Oh! die Teufel!

Wir verfolgen sie, sagte Groslow; sie können nicht ferne sein, und wenn wir sie erreichen, bohren wir die Schurken in den Grund.

Ja, aber das Feuer! erwiderte Mordaunt; ich habe Feuer angelegt.

Woran?

An die Lunte.

Tausend Donner! brüllte Groslow, nach der Luke eilend, vielleicht ist es noch Zeit.

Mordaunt antwortete nur durch ein furchtbares Lachen, und die Züge mehr vom Haß, als vom Schrecken verstört, suchte er den Himmel mit seinen wilden Augen, um ihm eine Lästerung zuzuschleudern. Zuerst warf er seine Fackel ins Meer, dann stürzte er sich selbst nach.

In demselben Augenblick und als Groslow den Fuß auf die Treppe der Luke setzte, öffnete sich das Schiff wie der Krater eines Vulkans, eine Feuergarbe warf sich mit einem Getöse, als donnerten hundert Kanonen zugleich, zum Himmel empor, die Luft entzündete sich, durchfurcht von ebenfalls entzündeten Trümmern; dann verschwand der gräßliche Blitz, die Trümmer fielen hintereinander zischend in den Abgrund, in dem sie erloschen, und ohne ein Beben in der Luft hätte man nach einem Augenblick glauben können, es sei nichts vorgefallen.

Die Feluke war von der Oberfläche des Meeres verschwunden, und Groslow und seine drei Leute hatten dabei ihren Untergang gefunden.

Die vier Freunde hatten alles gesehen; kein Moment dieses furchtbaren Dramas war ihnen entgangen. Einen Augenblick übergossen von dem blendenden Lichte, das die See auf mehr als eine Meile erhellte, konnte man sie, jeden in einer andern Stellung, erblicken und sehen, wie jeder einzelne den Schrecken ausdrückte, den sie alle, trotz ihrer fühllosen Herzen, unwillkürlich empfanden. Bald fiel der Flammenregen um sie hernieder; dann erlosch, wie erzählt, der Vulkan, und alles kehrte in Dunkelheit zurück. Die Barke schwamm, und das Meer brauste.

Sie verharrten einen Augenblick in tiefem Stillschweigen.

Porthos und Aramis, die jeder ein Ruder genommen hatten, hielten es mechanisch über dem Wasser und preßten es mit ihren Händen krampfhaft zusammen.

Meiner Treue, sprach Aramis, zuerst das Stillschweigen brechend, diesmal, glaube ich, ist alles vorbei.

Zu Hilfe, Mylord, zu Hilfe! rief eine klägliche Stimme, deren Töne wie die eines Meergeistes zu den vier Freunden drangen.

Alle schauten sich an, selbst Athos bebte.

Er ist es, es ist seine Stimme, sagte er.

Alle beobachteten ein tiefes Stillschweigen, denn alle hatten, wie Athos, diese Stimme erkannt. Nur wandten sie ihre unheimlich sich dehnenden Augensterne in der Richtung, wo das Schiff verschwunden war, um die Dunkelheit zu durchdringen.

Nach einem Augenblick unterschieden sie einen Menschen, der sich, kräftig schwimmend, näherte.

Athos streckte langsam den Arm gegen ihn aus und zeigte ihn seinen Gefährten mit dem Finger.

Ja, ja, sagte d’Artagnan, ich sehe ihn wohl.

Abermals er! sprach Porthos, der wie der Blasebalg eines Schmiedes schnaufte. Ah! ist er denn von Eisen?

Oh, mein Gott! murmelte Athos.

Mordaunt machte noch ein paar Klafter, erhob eine Hand als Notzeichen über das Meer und rief: Habt Mitleid, meine Herren, um Gotteswillen, meine Kräfte verlassen mich; ich muß sterben!

Die flehende Stimme war so beweglich, daß sie im Grunde von Athos‘ Herzen Mitleid erregte.

Der Unglückliche, murmelte er.

Gut, sprach d’Artagnan, es fehlte nichts mehr, als daß Ihr ihn beklagtet! In der Tat, ich glaube, er schwimmt auf uns zu. Denkt er vielleicht, wir werden ihn aufnehmen? Rudert, Porthos, rudert!

Und ein Beispiel gebend, tauchte d’Artagnan sein Ruder in das Meer. Zwei Ruderstöße entfernten die Barke auf zwanzig Klafter.

Oh! ihr werdet mich nicht umkommen lassen, ihr werdet nicht mitleidlos sein! rief Mordaunt.

Oh, oh! sprach Porthos zu Mordaunt, ich glaube, wir halten Euch endlich, mein Braver, und um Euch zu retten, habt Ihr keinen andern Hafen mehr, als den der Hölle.

Oh, Porthos, murmelte der Graf de la Fère.

Laßt mich in Ruhe, Athos. Ihr werdet in der Tat lächerlich mit Eurer ewigen Großmut. Ich erkläre Euch, daß ich ihm mit einem Ruderschlage den Schädel zerschmettere, wenn er sich der Barke auf zehn Schritte nähert.

Oh, Gnade! flieht mich nicht, meine Herren! Habt Mitleid mit mir! rief der junge Mensch mit keuchendem Atem.

D’Artagnan, der mit dem Auge jede Bewegung Mordaunts verfolgt und sein Gespräch mit Aramis beendigt hatte, stand auf und rief, sich an den Schwimmer wendend:

Mein Herr, ich bitte, entfernt Euch. Eure Reue ist zu neu, als daß wir ein großes Zutrauen zu ihr haben sollten. Bedenkt wohl, daß das Schiff, in dem Ihr uns rösten wolltet, einige Fuß unter dem Wasser raucht, und daß die Lage, in der Ihr Euch befindet, ein Rosenbett ist in Vergleich mit der, worein Ihr uns zu versetzen gedachtet, und worein Ihr Herrn Groslow und seine Gehilfen versetzt habt.

Meine Herren, erwiderte Mordaunt mit verzweiflungsvollem Ton, ich schwöre euch, daß meine Reue wahr ist. Meine Herren, ich bin so jung, bin kaum dreiundzwanzig Jahre alt! Meine Herren, ich ließ mich durch einen sehr natürlichen Groll hinreißen, ich wollte meine Mutter rächen, und ihr hättet alle dasselbe getan.

Bah! sprach d’Artagnan, als er sah, daß Athos immer weicher wurde, jenachdem.

Mordaunt hatte kaum noch drei bis vier Klafter zu machen, um die Barke zu erreichen. Das Herannahen des Todes schien ihm übermenschliche Stärke zu verleihen.

Ach! rief er, ich soll also sterben! Ihr wollt den Sohn töten, wie ihr die Mutter getötet habt! Und dennoch war ich nicht schuldig; nach allen göttlichen und menschlichen Gesetzen muß ein Sohn seine Mutter rächen. Wenn es ein Verbrechen ist, fügte er, die Hände faltend, bei, so muß es mir vergeben werden, da ich es bereue, da ich um Verzeihung bitte.

Dann schien er sich nicht mehr über dem Wasser halten zu können, und es ging eine Welle über seinen Kopf hin, die seine Stimme erstickte.

Oh! das zerreißt mir das Herz, sprach Athos.

Mordaunt erschien wieder.

Und ich, versetzte d’Artagnan, ich sage, daß ein Ende gemacht werden muß. Mörder Eures Oheims, Henker des Königs Karl, Brandstifter, ich fordere Euch auf, in den Grund zu fahren, oder wenn Ihr Euch der Barke noch um eine einzige Klafter nähert, zerschmettere ich Euch den Kopf mit meinem Ruder.

Mordaunt schwamm in Verzweiflung eine Klafter. D’Artagnan nahm sein Ruder mit beiden Händen. Athos stand auf.

D’Artagnan! d’Artagnan! rief er; mein Sohn, ich flehe Euch an! Der Unglückliche wird sterben, und es ist furchtbar, einen Menschen sterben zu lassen, ohne ihm die Hand zu reichen, wenn man nichts anderes zu seiner Rettung zu tun braucht. Oh! mein Herz verbietet mir eine solche Handlung. Ich kann nicht widerstehen, er muß leben.

Mord und Tod! erwiderte d’Artagnan, warum überliefert Ihr uns nicht an Händen und Füßen gebunden diesem Elenden? Das wäre schneller geschehen. Oh, Graf de la Fère! Ihr wollt durch ihn umkommen! Wohl, ich, Euer Sohn, wie Ihr mich nennt, ich will es nicht.

Aramis zog kalt seinen Degen, den er schwimmend zwischen den Zähnen gehalten hatte.

Wenn er seine Hand an den Rand des Schiffes legt, sagte er, so haue ich sie ihm ab, wie einem Königsmörder.

Und ich, sprach Porthos, wartet!

Was wollt Ihr machen? fragte Aramis.

Ich stürze mich in das Meer und erdroßle ihn.

Oh, meine Herren! rief Athos mit überwältigendem Gefühl, laßt uns Menschen, laßt uns Christen sein.

D’Artagnan stieß einen Seufzer aus. Aramis senkte sein Schwert, Porthos setzte sich wieder.

Seht, fuhr Athos fort, seht, der Tod ist auf seinem Antlitz ausgeprägt. Seine Kräfte verlassen ihn, noch eine Minute, und er sinkt in den Abgrund. Oh, verschont mich mit so furchtbaren Gewissensbissen. Nötigt mich nicht, ebenfalls vor Scham zu sterben; meine Freunde, bewilligt mir das Leben dieses Unglücklichen. Ich werde euch segnen, ich werde …

Ich sterbe, murmelte Mordaunt, zu Hilfe! … zu Hilfe!

Laßt uns eine Minute gewinnen, sagte Aramis, sich links gegen d’Artagnan wendend. Einen Ruderschlag, fügte er bei, sich rechts gegen Porthos neigend.

D’Artagnan antwortete nicht. Er fing an, halb durch die Bitten von Athos, halb durch das Schauspiel, das er vor Augen hatte, bewegt zu werden. Porthos allein gab einen Ruderschlag, und so drehte sich die Barke, und diese Bewegung brachte Athos dem Sterbenden näher.

Herr Graf de la Fère! rief Mordaunt, Herr Graf de la Fère, an Euch wende ich mich, Euch flehe ich an! Habt Mitleid mit mir! … Wo seid Ihr, Herr Graf de la Fère! Ich sehe nichts mehr … ich sterbe! … Herbei! zu Hilfe!

Hier bin ich, mein Herr, sprach Athos, sich vorbeugend und mit der ihm eigentümlichen Gebärde voll Adel und Würde seinen Arm gegen Mordaunt ausstreckend; hier bin ich, nehmt meine Hand und steigt in unsere Barke.

Ich will lieber nicht zuschauen, sprach d’Artagnan, diese Schwäche widerstrebt mir.

Er wandte sich gegen die zwei Freunde, die sich nach dem Hintergrund des Schiffes drängten, als fürchteten sie die Berührung eines Menschen, dem Athos allein die Hand zu reichen sich nicht fürchtete.

Mordaunt machte eine äußerste Anstrengung, erhob sich, ergriff die Hand, die sich nach ihm ausstreckte, und klammerte sich mit der Heftigkeit der letzten Hoffnung daran.

Gut, sprach Athos, legt Eure andere Hand hierher.

Und er bot ihm seine Schulter als zweiten Stützpunkt, so daß sein Kopf beinahe den Kopf Mordaunts berührte und die zwei Todfeinde sich wie zwei Brüder umarmt hielten.

Mordaunt zerdrückte mit seinen krampfhaften Fingern Athos‘ Kragen.

Gut, mein Herr, sprach der Graf, nun seid Ihr gerettet. Beruhigt Euch.

Ah! meine Mutter, rief Mordaunt mit einem flammenden Blick und einem unbeschreiblichen Ausdruck des Hasses, ich kann dir nur ein einziges Opfer bieten, aber es soll wenigstens das sein, das du gewählt hättest!

Und während d’Artagnan einen Schrei ausstieß, Porthos das Ruder erhob und Aramis eine Stelle aussuchte, um zuzustoßen, riß ein furchtbarer Stoß an die Barke Athos in das Wasser. Mordaunt erhob ein Triumphgeschrei, preßte den Hals seines Opfers zusammen und umschloß, um jede Bewegung zu hemmen, die Beine des Unglücklichen mit den seinigen, wie es nur eine Schlange hätte tun können.

Einen Augenblick suchte sich Athos, ohne einen Ton von sich zu geben, auf der Oberfläche des Meeres zu halten, aber das Gewicht zog ihn hinab, und er versank allmählich. Bald sah man nur noch seine langen Haare schwimmen; dann verschwand alles, und ein breiter Gischt, der sich ebenfalls nach und nach verlor, deutete allein noch die Stelle an, wo beide in die Tiefe gesunken waren.

Stumm vor Schrecken, unbeweglich vor Grauen, verharrten die drei Freunde mit gähnendem Munde und mit weit aufgerissenen Augen, die Arme ausstreckend. Sie schienen Statuen zu sein, und dennoch hörte man ihre Herzen schlagen. Porthos kam zuerst zu sich selbst und rief, indem er sich mit vollen Händen die Haare ausraufte, mit herzzerreißendem Schluchzen:

Oh, Athos, Athos! edles Herz! wehe, wehe über uns, die wir dich haben sterben lassen!

Ja, ja, wiederholte d’Artagnan, wehe, wehe!

Wehe! murmelte Aramis.

In demselben Augenblick erschien mitten in dem weiten von den Strahlen des Mondes beleuchteten Kreise, vier bis fünf Klafter von der Barke, wieder ein Wirbel, und man sah zuerst Haare, dann ein bleiches Gesicht mit offenen, aber toten Augen und endlich einen Körper erscheinen, der, nachdem er sich bis unter die Brust über das Meer erhoben hatte, sich, der Bewegung der Wellen folgend, langsam aus den Rücken legte.

In der Brust des Körpers stak ein Dolch, dessen goldener Griff im Monde funkelte.

Mordaunt! Mordaunt! Mordaunt! riefen die drei Freunde, es ist Mordaunt!

Aber Athos? sprach d’Artagnan.

Plötzlich neigte sich die Barke unter einem neuen und unerwarteten Gewichte nach links, und Grimaud stieß einen Freudenschrei aus. Alle wandten sich um, und man sah Athos leichenbleich, mit erloschenen Augen und zitternder Hand sich am Rande des Bootes halten. Acht nervige Arme hoben ihn sogleich empor und legten ihn in die Barke, wo Athos, in einem Augenblick erwärmt, unter den Liebkosungen seiner freudetrunkenen Freunde wiederauflebte.

Ihr seid doch nicht verwundet? fragte d’Artagnan.

Nein, antwortete Athos. Und er?

Oh, er ist diesmal, Gott sei Dank! wirklich tot. Seht! Und d’Artagnan nötigte Athos, in der Richtung zu schauen, die er ihm andeutete, und zeigte ihm den Leichnam Mordaunts, der, auf den Wellen schwimmend, bald untertauchte, bald sich wieder erhob und die vier Freunde mit einem Blick voll tödlichen Hasses zu verfolgen schien.

Endlich sank der Tote in den Abgrund. Athos war ihm mit einem schwermütigen, mitleidigen Blicke gefolgt.

Bravo, Athos! sprach Aramis. – Ein schöner Stoß! rief Porthos. – Ich hatte einen Sohn, sagte Athos, ich wollte leben. – Endlich, rief d’Artagnan, hier hat Gott gesprochen. – Ich habe ihn nicht getötet, das Geschick hat es getan, murmelte Athos.

Zwei Audienzen bei Mazarin

Im Augenblicke, wo Madame Henriette die Karmeliterinnen verließ, um sich ins Palais Royal zu begeben, stieg ein Reiter vor dem Tore dieses königlichen Wohngebäudes vom Pferde und kündigte den Wachen an, er habe dem Kardinal Mazarin etwas Wichtiges mitzuteilen.

Obgleich der Kardinal oft Furcht hatte, so war er doch ziemlich zugänglich, denn er bedurfte noch viel öfter des Rates und der Auskunft. Man fand die eigentliche Schwierigkeit nicht an der ersten Tür, selbst die zweite öffnete sich leicht: aber an der dritten wachte außer seiner Garde und den Huissiers der getreue Bernouin, der Cerberus, den kein Wort zu biegen, kein Stab, und wäre er von Gold gewesen, zu bezaubern vermochte.

Als aber der Bote hier mit stolzer Stimme sagte: Ich bringe einen Brief vom General Oliver Cromwell. Wollt diesen Namen Seiner Eminenz sagen und mir dann eröffnen, ob Monseigneur mich empfangen will oder nicht, ging Bernouin, nachdem er den jungen Mann von oben bis unten mit forschendem Blick angeschaut hatte, ins Kabinett des Kardinals, dem er die Worte des Boten überbrachte.

Ein Mensch, der einen Brief von Oliver Cromwell bringt? sagte Mazarin, und was für ein Mensch ist es?

Ein echter Engländer, Monseigneur. Haare blond, rot, mehr rot, als blond; Augen grau, blau, mehr grau als blau, im übrigen stolz und steif.

Laß dir den Brief von ihm geben.

Monseigneur verlangt den Brief, sprach Bernouin, aus dem Kabinett wieder in das Vorzimmer tretend.

Monseigneur wird den Brief nicht ohne den Träger sehen, antwortete der junge Mann; aber um Euch zu überzeugen, daß ich wirklich der Träger eines Briefes bin, schaut, hier ist er.

Bernouin betrachtete das Siegel, und als er sah, daß der Brief vom General Oliver Cromwell kam, schickte er sich an, zu Mazarin zurückzukehren.

Fügt bei, sagte der junge Mann, daß ich kein gewöhnlicher Bote, sondern ein außerordentlicher Gesandter bin.

Bernouin kehrte in das Kabinett zurück und kam nach einigen Sekunden wieder heraus.

Tretet ein, mein Herr, sagte er, die Tür offen haltend.

Der junge Mann erschien auf der Schwelle des Kabinetts. Er hielt seinen Hut in der einen und den Brief in der andern Hand.

Ihr habt ein Beglaubigungsschreiben für mich, mein Herr? sagte Mazarin, der sich erhoben hatte.

Hier ist es, Monseigneur.

Mazarin nahm den Brief, entsiegelte und las:

Herr Mordaunt, einer meiner Sekretäre, wird Seiner Eminenz, dem Kardinal Mazarin in Paris, dieses Einführungsschreiben überreichen. Er ist außerdem der Überbringer eines vertraulichen Briefes für Seine Eminenz.

Oliver Cromwell.

Sehr gut, Herr Mordaunt, sprach Mazarin; gebt mir den zweiten Brief und setzt Euch.

Der junge Mann zog einen zweiten Brief aus seiner Tasche, gab ihn dem Kardinal und setzte sich.

Ganz in Gedanken versunken, hatte der Kardinal mittlerweile den Brief genommen und drehte ihn, ohne ihn zu entsiegeln, in seiner Hand hin und her. Dabei suchte er den Boten auszuforschen. Er sprach zu ihm: Ihr seid sehr jung, Herr Mordaunt, für das harte Geschäft eines Botschafters, wobei zuweilen die ältesten Diplomaten scheitern. – Monseigneur, ich zähle dreiundzwanzig Jahre, aber Eure Eminenz täuscht sich, wenn sie mir sagt, ich sei sehr jung; ich bin älter als sie, obgleich ich nicht ihre Weisheit besitze. – Wieso, mein Herr? Ich verstehe Euch nicht. – Monseigneur, die Leidensjahre zählen doppelt, und ich leide seit zwanzig Jahren. – Ah, ja, ich begreife, sagte Mazarin; Ihr habt kein Vermögen, nicht wahr, Ihr seid arm? – Monseigneur, ich sollte eines Tags ein Vermögen von sechs Millionen besitzen, aber man hat es mir genommen. – Ihr seid also kein Mann aus dem Volke? fragte Mazarin erstaunt. – Würde ich meinen Titel führen, so wäre ich Lord; würde ich meinen Namen führen, so hättet Ihr einen der erhabensten Namen Englands gehört. – Wie heißt Ihr denn? – Ich heiße Herr Mordaunt, sprach der junge Mann sich verbeugend.

Mazarin begriff, daß der Abgesandte Cromwells sein Inkognito zu bewahren wünschte. Zum Teufel mit diesen Puritanern! sagte er ganz leise, sie sind aus Marmor gehauen. Und laut fügte er bei:

Aber Ihr habt noch Verwandte? – Ja, einen, Monseigneur. – Er wird Euch unterstützen. – Ich habe mich dreimal zu ihm begeben, um ihn um seine Unterstützung zu bitten, und dreimal ließ er mich durch seine Bedienten fortjagen. – Oh, mein Gott, mein lieber Herr Mordaunt, sprach Mazarin in der Hoffnung, ihn durch sein falsches Mitleid in irgend eine Falle zu locken; mein Gott, Eure Erzählung interessiert mich sehr. Ihr kennt also Eure Geburt nicht? – Ich kenne sie erst seit kurzer Zeit. – Und bis zu dem Augenblick, wo Ihr sie kennen lerntet? – Betrachtete ich mich als ein verlassenes Kind. – Ihr habt also Eure Mutter nie gesehen? – Doch wohl, Monseigneur. Als ich noch ein kleines Kind war, kam sie dreimal zu meiner Amme. Ich erinnere mich ihres letzten Besuchs, wie wenn er erst heute stattgefunden hätte. – Ihr habt ein gutes Gedächtnis, sprach Mazarin.– O ja, Monseigneur, antwortete der junge Mann mit einer so seltsamen Betonung, daß dem Kardinal ein Schauer durch die Adern lief. – Und wer hat Euch aufgezogen? – Eine französische Amme, die mich fortschickte, als ich fünf Jahre alt war, weil niemand mehr sie bezahlte. Sie nannte mir den Verwandten, von dem meine Mutter oft mit mir gesprochen hatte. – Was wurde dann aus Euch? – Da ich auf der Landstraße weinte und bettelte, nahm mich ein Pfarrer von Kingston auf, unterrichtete mich in der kalvinischen Religion, teilte mir die ganze Wissenschaft mit, die er selbst besaß, und unterstützte mich in meinen Nachforschungen nach meiner Familie. – Und diese Nachforschungen? – Blieben fruchtlos; der Zufall tat alles. – Ihr entdecktet, was das Schicksal Eurer Mutter gewesen war? – Ich erfuhr, daß dieser Verwandte sie mit Hilfe von vier Freunden ermordet hatte. Aber ich wußte bereits, daß ich des Adels verlustig war und daß mich König Karl I. aller meiner Güter beraubt hatte. – Ah, ich begreife jetzt, warum Ihr Herrn Cromwell dient. Ihr haßt den König? – Ja, Monseigneur, ich hasse ihn, antwortete der junge Mann.

Mazarin gewahrte mit Erstaunen den teuflischen Ausdruck, womit der junge Mann diese Worte sprach; während sich ein Gesicht bei Erregung gewöhnlich mit Blut färbt, färbte sich das seine mit Galle und wurde leichenblaß.

Eure Geschichte ist furchtbar, Herr Mordaunt, und rührt mich im höchsten Grade; aber zu Eurem Glück dient Ihr einem allmächtigen Herrn; er muß Euch in Euren Nachforschungen unterstützen. – Monseigneur, einem guten Rassehunde braucht man nur das eine Ende einer Fährte zu zeigen, damit er sicher zu dem andern gelangt. – Aber der Verwandte, dessen Ihr erwähnet, wollt Ihr, daß ich mit ihm spreche? fragte Mazarin, dem daran lag, sich einen Freund bei Cromwell zu machen. – Ich danke, Monseigneur, ich werde selbst mit ihm sprechen. – Sagtet Ihr mir nicht, er habe Euch mißhandelt? – Das nächste Mal, wo ich ihn wiedersehe, wird er mich besser behandeln. – Ihr habt also ein Mittel, ihn zu erweichen? – Ich habe ein Mittel, ihm Furcht einzujagen.

Mazarin schaute den jungen Mann an, aber bei dem Blitz, der aus seinen Augen zuckte, senkte er den Kopf und öffnete, weil er nicht wußte, wie er dieses Gespräch fortsetzen sollte, den Brief Cromwells. Dieser lautete:

An Seine Eminenz Monseigneur
Kardinal Mazarin.

Ich wünschte Eure Absichten in Bezug auf die gegenwärtigen Angelegenheiten Englands zu erfahren. Die zwei Königreiche liegen einander zu nahe, als daß sich Frankreich nicht mit unserer Lage beschäftigen sollte, wie wir uns mit der Lage Frankreichs beschäftigen. Die Engländer sind beinahe einhellig für die Bekämpfung der Tyrannei König Karls I. und seiner Anhänger. Durch das öffentliche Vertrauen an die Spitze dieser Bewegung gestellt, führe ich gegenwärtig Krieg und bin im Begriffe, König Karl I. eine entscheidende Schlacht zu liefern. Ich werde sie gewinnen, denn die Hoffnungen der Nation und der Geist des Herrn sind für mich. Ist diese Schlacht gewonnen, so hat der König weder in England noch in Schottland mehr Hilfsquellen, und wenn er nicht gefangen genommen oder getötet wird, versucht er es, nach Frankreich zu entkommen, um Soldaten zu rekrutieren und sich Waffen und Geld zu verschaffen. Bereits hat Frankreich die Königin Henriette aufgenommen und, ohne Zweifel unabsichtlich, einen Herd unauslöschlichen Bürgerkrieges in meinem Lande unterhalten. Aber die Königin Henriette ist eine Tochter Frankreichs, und Frankreich war ihr Gastfreundschaft schuldig. Was aber den König Karl betrifft, so nimmt die Frage eine andere Gestalt an. Empfinge und unterstützte Frankreich den König, so würde es die Handlungen des englischen Volkes mißbilligen und England und namentlich dem Gange der Regierung so wesentlich schaden, daß ein solcher Zustand wirklichen Feindseligkeiten gleichkäme.

Es ist also dringend, Monseigneur, daß ich erfahre, woran ich mich in Beziehung auf die Absichten Frankreichs zu halten habe. Die Interessen dieses Königreichs und die Interessen Englands stehen sich, obgleich in umgekehrtem Sinne gelenkt, näher, als man glauben sollte. England bedarf der innern Ruhe, um die Vertreibung seines Königs zu vollenden. Frankreich bedarf dieser Ruhe, um den Thron seines jungen Monarchen zu befestigen. Ihr bedürft ebensosehr wie wir dieses innern Friedens, dem wir durch die Energie unserer Regierung bereits nahe gekommen sind.

Eure Streitigkeiten mit dem Parlament, Eure Zwistigkeiten mit den Prinzen, die heute für Euch und morgen gegen Euch kämpfen, die Hartnäckigkeit des von dem Koadjutor, dem Präsidenten Blancmesnil und dem Rate Broussel angeführten Volkes, alles dies muß Euch mit Unruhe auf die Möglichkeit eines fremden Krieges blicken lassen; denn dann würde England, das durch den Enthusiasmus für die neuen Ideen im höchsten Grad aufgeregt ist, sich mit Spanien verbinden, das bereits auf eine solche Allianz abzielt. Von Eurer Klugheit, Monseigneur, hoffe ich, Ihr werdet lieber Neutralität bewahren. Diese Neutralität besteht nun darin, daß Ihr den König Karl von dem Gebiete Frankreichs fernhaltet und ihn in keiner Weise durch Waffen, Geld, oder Truppen unterstützt.

Mein Brief ist also ganz vertraulicher Natur, und ich schicke ihn durch einen Mann, der mein volles Zutrauen besitzt. Oliver Cromwell hat es für besser erachtet, mit einem intelligenten Geist wie Mazarin zu verhandeln, als mit einer Königin, die bei all ihrer bewundernswürdigen Festigkeit dennoch den eitlen Vorurteilen der Geburt und der göttlichen Gewalt unterworfen ist.

Gott befohlen, Monseigneur. Habe ich in vierzehn Tagen keine Antwort, so werde ich meinen Brief als nicht geschrieben betrachten.

Oliver Cromwell.

Herr Mordaunt, sagte der Kardinal, meine Antwort auf diesen Brief wird um so befriedigender für den General Cromwell ausfallen, je mehr ich überzeugt sein kann, daß man nichts davon erfahren wird. Erwartet sie also in Boulogne-sur-Mer und versprecht mir, morgen früh abzureisen.

Ich verspreche es Euch, Monseigneur, antwortete Mordaunt; aber wie lange wird mich Eure Exzellenz auf diese Antwort warten lassen?

Wenn Ihr sie in zehn Tagen nicht erhalten habt, könnt Ihr abreisen.

Mordaunt verbeugte sich.

Das ist noch nicht alles, mein Herr, fuhr Mazarin fort. Eure persönlichen Abenteuer haben mich lebhaft gerührt. Überdies gibt Euch Cromwells Brief in meinen Augen die Bedeutung eines Botschafters. Laßt hören, ich wiederhole es, was kann ich für Euch tun?

Mordaunt überlegte einen Augenblick. Nach einem sichtbaren Zögern war er im Begriff, den Mund zum Sprechen zu öffnen, als Bernouin hastig eintrat, sich an das Ohr des Kardinals neigte und ihm zuflüsterte: Monseigneur, die Königin Henriette erscheint soeben in Begleitung eines englischen Edelmanns im Palais-Royal.

Mazarin machte eine heftige Bewegung, die dem jungen Manne nicht entging und die vertrauliche Eröffnung zurückdrängte, die er ohne Zweifel machen wollte.

Mordaunt wurde hierauf von Mazarin durch einen andern Ausgang gewiesen, damit er der Königin Henriette nicht begegne, welche sich bereits dem Haupteingang näherte.

Wir wollen unseren Lesern die Wiedergabe des unwürdigen Spieles ersparen, das Mazarin seiner hohen Besucherin gegenüber trieb. Der herzlose Italiener fühlte sich selbst der unglücklichen und doch so würdevollen Majestät gegenüber in seiner grausamen Rolle so übel, daß ihm der Schweiß aus allen Poren brach. Als er mit vollendeter Heuchelei sich ohnmächtig erklärte, der Königin irgend eine Aussicht auf Aufnahme ihres unglücklichen Gemahls zu machen, und ihr sagte, er wolle die Sache dem Parlament vorlegen, brach sie entrüstet in die Worte aus: An das Parlament, mit dem Ihr in Fehde lebt, weist Ihr mich? Ihr wollt, daß Broussel darüber Bericht erstatte? Genug, Herr Kardinal, genug. Ich verstehe Euch, oder vielmehr ich habe unrecht. Ja, geht zum Parlament, denn von diesem Parlament, dem Feinde der Könige, ist der Tochter des erhabenen Heinrich IV. die einzige Unterstützung zugekommen, die sie diesen Winter vor dem Verhungern und dem Erfrieren geschützt hat.

Nach diesen Worten erhob sich die Königin mit majestätischer Gebärde, während der Kardinal die gefalteten Hände gegen sie ausstreckte.

Ah, Madame, Madame! wie schlecht kennt Ihr mich doch.

Aber ohne sich nach dem umzuwenden, der diese geheuchelten Tränen vergoß, durchschritt die Königin das Kabinett, öffnete selbst die Türe, ging mitten durch die zahlreichen Wachen Seiner Eminenz, mitten durch die Höflinge, die sich herandrängten, um ihr ihre Huldigung darzubringen, auf Lord Winter zu, der vereinzelt dastand, und nahm seine Hand – eine arme, bereits gefallene Königin, vor der sich noch alle aus Etikette verbeugten, die aber in der Tat nur noch einen einzigen Arm hatte, auf den sie sich stützen konnte.

Gleichviel, sagte Mazarin, als er allein war, es hat mir Mühe gemacht, und ich hatte eine harte Rolle zu spielen. Aber ich habe weder dem einen, noch der andern etwas gesagt. Dieser Cromwell ist ein scharfer Königsjäger. Ich beklage seine Minister, wenn er je welche nimmt. Bernouin!

Bernouin trat ein.

Man sehe, ob der junge Mann mit dem schwarzen Wams und den kurzen Haaren, den du vorhin bei mir eingeführt hast, sich noch im Palast befindet.

Bernouin kehrte sofort mit Comminges zurück.

Monseigneur, sagte Comminges, als ich den jungen Mann zurückführte, nach dem Eure Eminenz fragt, näherte er sich der Glastüre der Galerie und beschaute etwas mit großem Erstaunen, ohne Zweifel das schöne Gemälde von Raphael, das der Tür gegenüber hängt. Dann versank er in Nachsinnen und stieg die Treppe hinab. Ich glaube, ich habe ihn seinen Grauschimmel besteigen und aus dem Hof des Palastes reiten sehen. Aber geht denn Monseigneur nicht zu der Königin?

Warum?

Herr von Guitaut, mein Oheim, sagt mir soeben, die Königin habe Nachricht vom Heere erhalten.

In diesem Augenblick erschien Herr von Villequier. Er kam im Auftrag der Königin, um den Kardinal zu holen.

Comminges hatte gut gesehen, und Mordaunt hatte getan, wie er erzählte. Die Galerie durchschreitend, die mit der gläsernen Hauptgalerie gleich lief, erblickte er Lord Winter, der wartete, bis die Königin ihre Unterredung beendet hätte.

Bei diesem Anblick blieb der junge Mann plötzlich stille stehen, aber nicht aus Bewunderung für das Raphaelsche Gemälde, sondern wie wenn ihn irgend etwas Gräßliches verzaubert hätte. Seine Augen erweiterten sich, ein Schauer durchlief seinen ganzen Körper, es war, als wollte er die gläserne Wand durchdringen, die ihn von seinem Feinde trennte; denn wenn Comminges gesehen hätte, mit welchem Ausdruck des Hasses sich die Augen dieses jungen Mannes auf Lord Winter hefteten, so würde er keinen Augenblick daran gezweifelt haben, daß dieser englische Edelmann sein Todfeind war.

Aber er blieb still stehen, ohne Zweifel, um zu überlegen, denn statt sich von seiner ersten Bewegung hinreißen zu lassen und gerade auf Lord Winter loszugehen, stieg er langsam die Treppen hinab, verließ den Palast mit gesenktem Haupte, schwang sich in den Sattel, stellte sich mit seinem Pferd an der Ecke der Rue de Richelieu auf und wartete, die Augen auf das Gitter geheftet, bis der Wagen aus dem Hofe kam.

Er hatte nicht lange zu warten, denn die Königin blieb kaum eine Viertelstunde bei Mazarin; aber diese Viertelstunde des Harrens schien dem Wartenden ein Jahrhundert. Endlich kam die Karosse heraus, und Lord Winter, der wieder zu Pferde saß, neigte sich abermals an den Kutschenschlag, um mit der Königin zu sprechen.

Die Pferde liefen im Trab und schlugen den Weg nach dem Louvre ein, wohin sie den Wagen führten. Ehe Madame Henriette das Karmeliterkloster verließ, sagte sie zu ihrer Tochter, sie möge sie in dem Palais erwarten, das sie lange bewohnt und nun verlassen hatte, weil ihr in seinen vergoldeten Sälen ihr Elend nur noch drückender vorkam.

Mordaunt folgte dem Wagen, und als er ihn unter die dunkle Arkade hatte fahren sehen, lehnte er sich mit seinem Pferd an eine Mauer, über die sich der Schatten ausdehnte, und blieb unbeweglich inmitten der Verzierungen von Jean Goujon, einem Basrelief gleich, das eine Reiterstatue darstellt.

Er wartete, wie er bereits im Palais-Royal getan hatte.

Zufall oder Vorsehung

Nun, Madame? sagte Lord Winter, als die Königin ihre Dienerin entfernt hatte.

Nun, was ich vorhergesehen hatte, geschieht, Mylord.

Er weigert sich?

Habe ich es nicht gesagt?

Der Kardinal weigert sich, den König zu empfangen? Frankreich verweigert einem unglücklichen Fürsten Gastfreundschaft? Das ist das erste Mal, Madame.

Ich habe nicht gesagt Frankreich, Mylord. Ich habe gesagt der Kardinal, und der Kardinal ist nicht einmal ein Franzose.

Aber die Königin, habt Ihr sie gesehen?

Es ist unnütz, erwiderte Madame Henriette mit traurigem Kopfschütteln, die Königin wird nie ja sagen, wenn der Kardinal nein gesagt hat. Wißt Ihr nicht, daß dieser Italiener alles leitet, sowohl auswärts, als im Innern? Mehr noch, ich komme auf das zurück, was ich Euch bereits gesagt habe. Ich würde mich nicht wundern, wenn uns Cromwell zuvorgekommen wäre. Er war verlegen, während er mit mir sprach, und dennoch fest entschlossen, sich zu weigern. Habt Ihr nicht auch die Bewegung im Palais-Royal bemerkt, das Hin- und Herlaufen geschäftiger Leute? Sollten sie Nachrichten bekommen haben, Mylord?

Von England kann dies nicht sein, Madame; ich habe mich so sehr beeilt, daß mir sicherlich niemand zuvorgekommen ist. Ich bin vor drei Tagen abgereist, und wie durch ein Wunder durch die ganze puritanische Armee gelangt. Ich habe mit meinem Lakaien Tomy die Post genommen, und die Pferde, die wir reiten, haben wir in Paris gekauft. Übrigens bin ich fest überzeugt, daß der König, ehe er etwas wagt, die Antwort von Eurer Majestät abwartet.

Ihr werdet ihm melden, Mylord, versetzte die Königin in Verzweiflung, daß ich nichts vermöge, daß ich so viel gelitten habe, als er, mehr sogar als er, da ich genötigt bin, das Brot der Verbannung zu essen und Gastfreundschaft von falschen Freunden zu verlangen, und daß er, was seine königliche Person betrifft, sich edelmütig aufopfern und als König sterben müsse; ich werde an seiner Seite sterben.

Madame, Madame, rief Winter, Eure Majestät überläßt sich der Mutlosigkeit, und es bleibt uns vielleicht noch einige Hoffnung.

Wir haben keine Freunde mehr, Mylord, keine Freunde in der ganzen Welt, außer Euch. Oh, mein Gott! rief Madame Henriette, die Arme zum Himmel emporstreckend, hast du denn alle edlen Herzen, welche auf Erden bestanden, hinweggenommen?

Ich hoffe, daß dies nicht der Fall ist, Madame, erwiderte Winter gedankenvoll, ich habe Euch von vier Männern gesagt …

Was wollt Ihr mit vier Männern machen?

Vier ergebene Männer, vier bis zum Tod entschlossene Männer vermögen viel, das dürft Ihr mir glauben, Madame. Und die, welche ich kenne, haben in einer gewissen Zeit viel getan.

Und diese vier Männer, wo sind sie?

Das ist es eben, was ich nicht weiß. Seit etwa zwanzig Jahren habe ich sie aus dem Gesicht verloren, und dennoch dachte ich bei allen Gelegenheiten, wo ich den König in Gefahr sah, an sie.

Und diese Männer waren Eure Freunde?

Einer von ihnen hatte mein Leben in seinen Händen und schenkte es mir. Ich weiß nicht, ob er mein Freund geblieben ist, aber seit jener Zeit bin ich wenigstens der seinige geblieben.

Und diese Männer sind in Frankreich, Mylord?

Ich glaube.

Sagt mir ihre Namen, ich habe sie vielleicht nennen hören und könnte Euch in Eurer Nachforschung unterstützen.

Der eine von ihnen nannte sich Chevalier d’Artagnan.

Oh! Mylord, wenn ich mich nicht täusche, so ist dieser Chevalier d’Artagnan Leutnant bei den Garden. Ich habe seinen Namen aussprechen hören, aber merkt wohl, ich fürchte, dieser Mann gehört ganz dem Kardinal an.

Das wäre mein letztes Unglück, erwiderte Winter, und ich müßte zu glauben anfangen, daß wir wirklich verdammt seien.

Aber die anderen? sagte die Königin, die sich an diese Hoffnung anklammerte, wie ein Schiffbrüchiger an die Trümmer seines Fahrzeuges, die anderen, Mylord?

Der zweite –, ich hörte zufällig seinen Namen, denn ehe sie sich mit uns schlugen, sagten uns diese vier Edelleute ihre Namen – der zweite hieß Graf de la Fère. Die Namen der zwei anderen habe ich vergessen, weil ich gewöhnt war, sie bei ihren angenommenen Namen zu nennen.

Oh, mein Gott, es wäre doch vom höchsten Belang, sie wiederzufinden, sprach die Königin, da Ihr glaubt, diese würdigen Edelleute könnten dem König nützlich sein. Man muß sie suchen. Aber was werden vier Männer oder vielmehr drei vermögen? Denn ich sage Euch, man kann nicht auf Herrn d’Artagnan zählen.

Das wäre ein tapferer Degen weniger, Madame, doch es blieben immerhin noch drei andere, ohne den meinigen zu zählen. Vier ergebene Männer aber in der Umgebung des Königs, um ihn vor seinen Feinden zu hüten, ihn in der Schlacht zu decken, im Rate zu unterstützen, auf seiner Flucht zu geleiten, das wäre hinreichend, nicht um dem König zum Siege zu führen, doch um ihn zu retten, wenn er besiegt wäre, um ihm über das Meer zu helfen, und befände sich Euer königlicher Gemahl einmal an Frankreichs Küste, so würde er, was auch Mazarin sagen mag, so viele Zufluchtsorte finden, als der Seevogel bei den Stürmen findet.

In diesem Augenblick öffnete sich die Tür, die junge Henriette erschien, und die Königin drängte mit der erhabenen Kraft, wie sie nur her Heldenmut einer Mutter besitzt, ihre Tränen bis in den Hintergrund des Herzens zurück und gab Lord Winter ein Zeichen, das Gespräch zu verändern.

Aber diese Reaktion entging der jungen Prinzessin nicht. Sie blieb auf der Schwelle stehen, stieß einen Seufzer aus und sagte, sich an ihre Mutter wendend: Warum weinet Ihr beständig ohne mich, meine Mutter?

Die Königin lächelte und sprach, statt ihr zu antworten: Seht, Lord Winter, ich habe damit, daß ich nur noch zur Hälfte Königin bin, wenigstens eins gewonnen, daß mich meine Kinder Mutter nennen, statt Madame.

Dann sich gegen ihre Tochter wendend, fuhr sie fort: Was willst du, Henriette?

Mutter, antwortete die junge Prinzessin, es ist ein Reiter im Louvre erschienen und bittet, Eurer Majestät seine Ehrfurcht bezeigen zu dürfen; er kommt vom Heere und hat, wie er sagt, Euch einen Brief vom Marschall von Grammont zu übergeben.

Und wer ist der Reiter, Henriette? fragte die Königin.

Ich habe ihn aus dem Fenster gesehen, Madame. Es ist ein junger Mensch, der kaum sechzehn Jahre alt zu sein scheint und sich Vicomte von Bragelonne nennt.

Die Königin machte lächelnd ein Zeichen mit dem Kopf, die junge Prinzessin öffnete die Tür wieder, und Raoul erschien auf der Schwelle.

Er machte drei Schritte gegen die Königin, kniete nieder und sprach:

Madame, ich überbringe Eurer Majestät einen Brief von meinem Freunde, dem Herrn Grafen von Guiche, der mir sagte, er habe die Ehre, zu Euern Dienern zu gehören. Dieser Brief enthält eine wichtige Nachricht und den Ausdruck seiner Ehrfurcht.

Bei dem Namen des Grafen von Guiche verbreitete sich eine Röte über die Wangen der jungen Prinzessin. Die Königin schaute sie mit einer gewissen Strenge an.

Aber du hast mir gesagt, der Brief komme vom Marschall von Grammont, Henriette? sprach die Königin.

Ich glaubte es, Madame, stammelte die Prinzessin.

Das ist mein Fehler, Madame. Ich meldete mich wirklich, als käme ich im Auftrag des Marschalls von Grammont, aber am rechten Arm verwundet, konnte er nicht schreiben, und der Graf von Guiche diente ihm als Sekretär.

Man hat sich also geschlagen? sagte die Königin und gab Raoul ein Zeichen, sich zu erheben.

Ja, Madame, antwortete der junge Mann und übergab den Brief an Winter, welcher vorgeschritten war, um denselben in Empfang zu nehmen, und ihn sodann der Königin einhändigte.

Bei der Nachricht, daß eine Schlacht geliefert worden sei, öffnete die junge Prinzessin den Mund, um eine Frage zu machen, die ihr am Herzen zu liegen schien, aber ihr Mund schloß sich wieder, ohne ein Wort gesprochen zu haben, während die Rosen ihrer Wangen nach und nach verschwanden.

Die Königin sah alle diese Bewegungen und übersetzte sie ohne Zweifel in ihrem mütterlichen Herzen; dann wandte sie sich abermals an Raoul und fragte: Dem jungen Grafen von Guiche ist doch nichts Schlimmes widerfahren? Er gehört nicht allein zu unsern Dienern, mein Herr, sondern auch zu unsern Freunden.

Nein, Madame, antwortete Raoul, er hat im Gegenteil an diesem Tag großen Ruhm errungen, und es wurde ihm die Ehre zu teil, von dem Herrn Prinzen auf dem Schlachtfeld umarmt zu werden.

Die junge Prinzessin klatschte in die Hände; aber ganz beschämt, daß sie sich zu einer solchen Kundgebung der Freude hatte hinreißen lassen, wandte sie sich halb um und neigte sich über eine Vase voll Rosen, als wollte sie den Geruch einatmen.

Die Königin entsiegelte hierauf den Brief und las:

Madame und Königin!

Da ich infolge einer Wunde an meiner rechten Hand nicht die Ehre haben kann, Euch selbst zu schreiben, so lasse ich Euch durch meinen Sohn, den Grafen von Guiche, von dem Ihr wißt, daß er ein ebenso treuer Diener von Euch ist, als sein Vater, hiermit melden, daß wir die Schlacht von Lens gewonnen haben und daß dieser Sieg unfehlbar dem Kardinal Mazarin und der Königin einen gewaltigen Einfluß auf die Angelegenheiten Europas geben muß. Möge also Eure Majestät, wenn sie meinem Rate folgen will, diesen Augenblick benützen, um zu Gunsten ihres erhabenen Gemahls bei der Regierung des Königs nachdrückliche Schritte zu tun. Der Herr Vicomte von Bragelonne, der Euch diesen Brief übergeben wird, ist der Freund meines Sohnes, dem er aller Wahrscheinlichkeit nach das Leben gerettet hat. Es ist ein Edelmann, dem sich Eure Majestät vollkommen anvertrauen kann, falls sie mir einen mündlichen oder schriftlichen Befehl zukommen lassen wollte.

Ich habe die Ehre zu sein,

Mit Ehrfurcht u. s. w.
Marschall von Grammont.

Die Schlacht von Lens gewonnen! sprach die Königin. Sie sind glücklich hier, sie gewinnen Schlachten! Diese Nachricht ist neu, mein Herr, fuhr die Königin fort, ich weiß Euch Dank, daß Ihr mir sie mit so großer Eile überbracht habt. Ohne Euch, ohne diesen Brief hätte ich sie erst morgen, übermorgen, vielleicht zuletzt in ganz Paris, erfahren.

Madame, sprach Raoul, der Louvre ist der zweite Palast, wohin diese Nachricht gelangt ist; niemand kennt sie noch, und ich habe dem Grafen von Guiche geschworen, diesen Brief Eurer Majestät zu übergeben, sogar ehe ich meinen Vormund umarmt haben würde.

Euer Vormund ist ein Bragelonne, wie Ihr? fragte Lord Winter. Ich habe einst einen Bragelonne gekannt. Lebt er noch?

Nein, mein Herr, er ist tot. Mein Vormund ist der Graf de la Fère, antwortete der junge Mann, sich verbeugend.

Der Graf de la Fère! rief die Königin erfreut. Lord Winter, habt Ihr mir nicht diesen Namen genannt?

Winter konnte nicht glauben, was er hörte.

Der Herr Graf de la Fère! rief er ebenfalls. Oh! mein Herr, antwortet mir. ich bitte Euch! Ist der Graf de la Fère nicht ein Mann, den ich einst als einen schönen, tapfern Herrn gekannt habe, ein Mann, der Musketier unter Ludwig XIII. war und jetzt ungefähr sieben- bis achtundvierzig Jahre alt sein kann?

Ja, mein Herr, so ist’s.

Und der unter einem angenommenen Namen diente?

Unter dem Namen Athos. Ich hörte kürzlich erst seinen Freund, Herrn d’Artagnan, ihm diesen Namen geben.

Es ist so, Madame, es ist so. Gott sei gelobt! Und er befindet sich in Paris? fuhr der Lord, sich an Raoul wendend, fort. Dann wieder zu der Königin zurückkehrend: Hofft, hofft, die Vorsehung erklärt sich für uns, da sie mir gestattet, diesen braven Edelmann auf eine so wunderbare Weise wiederzufinden. Sagt mir doch, wo wohnt er, mein Herr? Der Herr Graf de la Fère wohnt in der Rue Guenegaud im Hotel du Grand-Roi-Charlemagne.

Ich danke, mein Herr. Sagt diesem würdigen Freunde, er möge zu Hause bleiben; ich komme sogleich, ihn zu umarmen.

Mein Herr, ich gehorche mit großem Vergnügen, wenn Ihre Majestät mir Urlaub geben will.

Geht, Herr Vicomte von Bragelonne, sprach die Königin, geht und seid unserer Wohlgeneigtheit versichert.

Raoul verbeugte sich ehrfurchtsvoll vor den zwei Fürstinnen, grüßte Lord Winter und entfernte sich.

Als auch Lord Winter Abschied nehmen wollte, sagte die Königin:

Hört, Mylord, ich hatte dieses Diamantkreuz, das meiner Mutter gehörte, und diesen Sanct-Michaels-Stern, welchen ich von meinem Gemahl erhielt, bis jetzt bewahrt. Diese beiden Gegenstände sind ungefähr fünfzigtausend Franken wert. Nehmt sie, und wenn Ihr für Eure Expedition Geld braucht, verkauft sie ohne Scheu, Mylord. Seid Ihr aber im stande, sie zu behalten, so bedenkt, Mylord, daß ich das als den größten Dienst betrachten würde, den ein Edelmann einer Königin zu leisten vermag, und daß der, welcher mir am Tag unseres Glückes diesen Stern und dieses Kreuz wiederbringt, von mir und meinen Kindern gesegnet werden soll.

Madame, erwiderte Winter, Eure Majestät wird von einem treu ergebenen Manne bedient werden. Ich gehe und hinterlege an sicherem Ort diese Gegenstände, die ich nicht annehmen würde, wenn uns Mittel von unserem ehemaligen Vermögen übrig blieben; aber unsere Güter sind konfisziert, unser bares Geld ist versiegt, und es ist so weit mit uns gekommen, daß wir aus allem, was wir besitzen, Hilfsquellen machen müssen. In einer Stunde begebe ich mich zu dem Grafen de la Fère, und morgen soll Eure Majestät eine bestimmte Antwort erhalten.

Ein Mittagsmahl aus der alten Zeit

Die zweite Zusammenkunft der alten Musketiere war nicht förmlich und bedrohlich, wie die erste. Athos hatte vorgeschlagen, sich bei einer gut bestellten Tafel einzufinden, wo jeder rückhaltlos und ungeniert seinem eigenen Genius folgen könnte.

Der Vorschlag war allen angenehm, besonders d’Artagnan, der ein großes Verlangen hatte, den guten Geschmack und die Heiterkeit ihrer früheren Unterhaltung wieder aufleben zu lassen. Porthos, dem eine Baronie winkte, war hoch erfreut über eine solche Gelegenheit, in Athos und Aramis den Ton und die Manieren der Leute von Stand zu studieren. Aramis wollte Neuigkeiten aus dem Palais-Royal in Erfahrung bringen. Athos war der einzige, der von den andern nichts zu empfangen und nichts zu erwarten hatte und nur von dem einfachen Gefühl reiner Freundschaft geleitet wurde.

Die ersten Worte, welche die vier Freunde austauschten, erhielten gerade durch die absichtliche Begeisterung, die jeder in seine Kundgebungen legte, etwas Gezwungenes, und das Mahl begann mit einer gewissen Steifheit. Man sah, daß d’Artagnan sich Gewalt antat, um zu lachen, Athos, um zu trinken, Aramis, um zu erzählen, und Porthos, um zu schweigen.

Athos gewahrte diese Verlegenheit und bestellte, um ein rasches Gegenmittel anzuwenden, vier Flaschen Champagner.

Bei diesem mit der gewöhnlichen Ruhe von Athos gegebenen Befehl sah man das Gesicht des Gascogners sich entrunzeln und Porthos‘ Stirne sich aufhellen.

Aramis war erstaunt; er wußte nicht nur, daß Athos nicht mehr trank, sondern auch, daß er einen gewissen Widerwillen gegen den Wein hegte. Dieses Erstaunen wuchs, als er sah, wie Athos sich ein volles Glas einschenkte und es mit seiner ehemaligen Begeisterung austrank. D’Artagnan füllte und leerte sein Glas ebenfalls. Porthos und Aramis stießen mit den ihrigen an. Im Nu waren die vier Flaschen leer. Man hätte glauben sollen, es dränge die Gäste, sich von ihren Hintergedanken loszusagen.

Im Augenblick hatte dieses vortreffliche Spezifikum auch die kleinste Wolke zerstreut, die im Grunde ihres Herzens zurückbleiben konnte. Sie fingen an, lauter zu sprechen, ohne daß der eine wartete, bis der andere vollendet hatte, und jeder nahm seine Lieblingsstellung bei Tische ein. Bald knüpfte Aramis – eine unerlebte Erscheinung – zwei Nesteln von seinem Wamse auf; als Porthos dies sah, öffnete er seins völlig.

Die Schlachten, die langen Ritte, die Stiche und Stöße, die sie empfangen und gegeben hatten, bestritten die ersten Kosten der Unterhaltung. Dann ging man zu den Kämpfen gegen den großen Kardinal über.

Meiner Treu! sagte Aramis lachend, die Toten sind nun sattsam gelobt, laßt uns jetzt die Lebenden durchhecheln. Ich möchte gern über Mazarin herfallen. Ist es erlaubt?

Immerhin, erwiderte d’Artagnan, ebenfalls lachend, immerhin; erzählt Eure Geschichte, und ich klatsche Euch Beifall, wenn sie gut ist.

Ein großer Fürst, sprach Aramis, mit dem Mazarin ein Bündnis abzuschließen wünschte, wurde von diesem aufgefordert, ihm das Verzeichnis der Bedingungen zu schicken, unter denen er ihm die Ehre erzeigen würde, sich mit ihm zu vertragen. Der Fürst, dem es einigermaßen widerstrebte, mit einem solchen Knauser zu unterhandeln, machte nur ungern sein Verzeichnis und schickte es ihm. In diesem Verzeichnis standen drei Dinge, die Mazarin mißfielen; er ließ dem Fürsten zehntausend Taler anbieten, wenn er darauf Verzicht leiste.

Ah! ah! ah! riefen die drei Freunde, das war nicht teuer, und er hatte nicht zu fürchten, daß man ihn beim Worte nehmen könnte. Was tat der Fürst?

Der Fürst schickte sogleich 50 000 Livres an Mazarin, mit der Bitte, nie mehr an ihn zu schreiben, und bot ihm zugleich weitere 20 000 Livres, wenn er sich verbindlich machen würde, nie mehr mit ihm zu sprechen.

Was tat Mazarin?

Er ärgerte sich, sprach Athos.

Er ließ den Boten durchprügeln, meinte Porthos.

Er nahm die Summe an, versetzte d’Artagnan.

Ihr habt’s erraten, d’Artagnan, erwiderte Aramis.

Und sie brachen insgesamt in ein so schallendes Gelächter aus, daß der Wirt heraufkam und fragte, ob die Herren etwas nötig hätten.

Darf man auch Herrn von Beaufort etwas an der Nase zupfen, sprach d’Artagnan, ich habe große Lust dazu.

Tut es, antwortete Aramis.

Und Ihr, Athos? sagte d’Artagnan.

Ich schwöre Euch, so wahr ich ein Edelmann bin, daß wir lachen, wenn Ihr komisch seid.

Man lachte in der Tat viel über d’Artagnans Erzählung. Dieser gab nämlich eine Geschichte zum besten, wonach Herr von Beaufort, dessen sprachliche Verstöße sprichwörtlich waren, zwei ähnlich klingende, aber ganz Verschiedenes bedeutende Wörter miteinander verwechselt hatte.

Die Freunde faßten darauf einhellig den Beschluß, es solle aller Parteigeist für immer von ihren Versammlungen verbannt bleiben und d’Artagnan und Porthos zwanglos die Prinzen verspotten dürfen, unter der Bedingung, daß es Athos und Aramis gestattet sei, ihrerseits Mazarin zu striegeln.

Meiner Treu, sagte d’Artagnan zu seinen zwei Freunden, Ihr habt recht, Mazarin zu grollen, denn ich schwöre Euch, daß er Euch ebenfalls nicht wohl will. – Wirklich? sagte Athos! wenn ich glaubte, der Kerl kenne mich dem Namen nach, so ließe ich mich umtaufen, nur damit man nicht annehmen könnte, ich kenne auch ihn. – Er kennt Euch nicht bei Euren Namen, sondern durch Eure Taten. Er weiß, daß es zwei Edelleute gibt, die ganz besonders zu der Flucht des Herrn Beaufort beigetragen haben, und er läßt sie sehr emsig suchen, dafür stehe ich Euch. – Durch wen? – Durch mich. – Wie, durch Euch? – Ja, er hat mich noch heute früh holen lassen, um mich zu fragen, ob ich irgend eine Spur habe. – Von diesen zwei Edelleuten? – Ja. – Und was habt Ihr ihm geantwortet? – Ich habe keine, aber ich würde mit zwei Personen zu Mittag speisen, die mir vielleicht Auskunft geben könnten. – Dies habt Ihr ihm gesagt? sprach Porthos, und eine unbeschreibliche Heiterkeit verbreitete sich über seinem Gesicht. Bravo, und das macht Euch nicht bange, Athos? – Nein, sagte Athos, die Nachforschung Mazarins fürchte ich nicht. – Ihr? versetzte Aramis. Was solltet Ihr fürchten? – Nichts, in diesem Augenblick wenigstens, das ist wahr. – Und in der Vergangenheit? sagte Porthos. – Ah, in der Vergangenheit, das ist etwas anderes, sprach Athos mit einem Seufzer; in der Vergangenheit und in der Zukunft. – Fürchtet Ihr etwa für Euern jungen Raoul? fragte Aramis. – Bah! rief d’Artagnan, man wird nie im ersten Gefechte getötet.– Und auch nicht im zweiten, versetzte Aramis. – Und ebensowenig im dritten, sprach Porthos. Überdies kommt man zurück, wenn man tot ist, der Beweis davon sind wir. – Nein, entgegnete Athos, auch Raoul beunruhigt mich nicht, denn er wird sich hoffentlich wie ein Edelmann betragen, und wenn er fällt, so stirbt er als tapferer Krieger. Doch hört, wenn ihm dieses Unglück begegnete … Athos fuhr mit der Hand über seine bleiche Stirne.

Nun? fragte Aramis. – Nun ja, ich würde dieses Unglück als eine Sühnung betrachten. – Ah! ah! rief d’Artagnan, ich weiß, was Ihr sagen wollt. – Und ich auch, sprach Aramis, aber man muß nicht daran denken, Athos. Was geschehen ist, ist geschehen. – Ich verstehe Euch nicht, sagte Porthos. – Die Geschichte von Armentières, flüsterte d’Artagnan. – Die Geschichte von Armentières! sagte Porthos. – Mylady … – Ach ja, das hatte ich vergessen.

Athos schaute ihn mit seinem tiefen Auge an und sprach:

Ihr habt es vergessen, Porthos? – Meiner Treu, ja, es ist schon lange her. – Die Sache lastet also nicht auf Eurem Gewissen? – Wahrhaftig, nein, antwortete Porthos. – Und Ihr, Aramis? – Ich denke zuweilen daran, als an einen der Gewissensfälle, die sich ganz besonders zur Diskussion eignen. – Und Ihr, d’Artagnan? – Ich gestehe, wenn mein Geist bei dieser furchtbaren Epoche stille steht, so habe ich nur Erinnerungen für den eisigen Leichnam der armen Madame Bonacieux. Ja, ja, murmelte er, ich habe oft ein Bedauern wegen des Opfers, nie Gewissensbisse wegen der Mörderin gehabt.

Athos schüttelte zweifelhaft den Kopf.

Das beruhigendste bei alledem ist, daß von diesem Vorfall keine Spur mehr übrig bleibt, sprach d’Artagnan.

Sie hatte einen Sohn, sagte Athos.

Ach! ja, ich weiß es, versetzte d’Artagnan, Ihr habt mir davon gesprochen. Aber wer weiß, was aus ihm geworden ist? Tot die Schlange, tot die Brut! Glaubt Ihr, Winter, als Oheim, werde diese junge Schlange aufgezogen haben? Lord Winter hat sicherlich den Sohn verdammt, wie er die Mutter verdammte.

Dann wehe Lord Winter, denn das Kind hatte ihm nichts getan.

Das Kind ist tot, oder der Teufel soll mich holen, rief Porthos. Es gibt so viel Nebel in diesem abscheulichen Lande, wie d’Artagnan versichert …

In dem Augenblick, wo diese Schlußfolgerung von Porthos vielleicht die mehr oder minder verdüsterten Stirnen wieder entwölkt hätte, vernahm man Tritte auf der Treppe, und es wurde an die Tür geklopft.

Herein! sagte Athos. – Meine Herren, sprach der Wirt, es ist ein Mann da, der große Eile hat und einen von Ihnen zu sprechen wünscht. – Wen? fragten die vier Freunde. – Den Grafen de la Fère. – Das bin ich, sagte Athos. Und wie heißt der Bursche? – Grimaud. – Ah, murmelte Athos erbleichend, was ist Bragelonne begegnet? – Laßt ihn eintreten, sprach d’Artagnan.

Aber Grimaud war bereits die Treppe heraufgelaufen und wartete auf der Schwelle. Bald stürzte er ins Zimmer und schickte sogleich den Wirt mit einer Gebärde weg. Der Wirt verschloß die Tür wieder. Die vier Freunde harrten in gespannter Erwartung – die Aufregung Grimauds, seine Blässe, der Schweiß, der über sein Gesicht lief, der Staub, mit dem feine Kleider überzogen waren, alles verkündete, daß er eine wichtige, furchtbare Botschaft zu überbringen hatte.

Meine Herren, sagte er, diese Frau hatte ein Kind, das Kind ist ein Mann geworden. Die Tigerin hatte ein Junges, der Tiger ist aufgeschossen. Er kommt, seid auf Eurer Hut.

Athos schaute seine Freunde mit einem schwermütigen Lächeln an; Porthos suchte sein Schwert, das an der Wand hing; Aramis ergriff sein Messer; d’Artagnan stand auf.

Was willst du damit sagen, Grimaud? fragte der letztere.

Daß Myladys Sohn England verlassen hat, daß er sich in Frankreich befindet, daß er nach Paris kommt, wenn er nicht schon hier ist.

Diese Erklärung wurde mit einem langen Stillschweigen aufgenommen. Grimaud keuchte dermaßen und war so ermattet, daß er auf einen Stuhl sank.

Athos füllte ein Glas mit Champagner und brachte es ihm.

Nun ja, was wäre es denn, sagte d’Artagnan, wenn er lebte, wenn er nach Paris käme … Wir haben wohl schon andere gesehen. Er mag kommen.

Ja, versetzte Porthos, indem er mit seinem an der Wand hängenden Degen liebäugelte, er mag kommen!

Überdies ist er noch ein Junge, sprach Aramis.

Grimaud stand auf.

Ein Junge! rief er. Wißt Ihr, was dieser Junge getan hat? Als Mönch verkleidet, hat er dadurch, daß er dem Henker von Bethune die Beichte abnahm, die ganze Geschichte herausgebracht, und hat ihm hierauf statt der Absolution den Dolch ins Herz gestoßen. Seht, er ist noch rot und feucht; denn es sind nicht mehr als dreißig Stunden, daß man ihn aus der Wunde gezogen hat.

Und Grimaud warf den vom Mönche in der Wunde des Henkers zurückgelassenen Dolch auf den Tisch.

D’Artagnan, Porthos und Aramis erhoben sich und liefen mit einer gleichzeitigen Bewegung nach ihren Degen.

Athos allein blieb ruhig und träumerisch auf seinem Stuhle.

Und du sagst, er sei als Mönch verkleidet, Grimaud? – Ja, als Augustinermönch. – Was für ein Mensch ist es? – Von meinem Wuchse, wie mir der Wirt mitgeteilt hat, mager, bleich, mit hellblauen Augen und blonden Haaren. – Und … er hat Raoul nicht gesehen? – Im Gegenteil, sie haben sich begegnet, und der Vicomte selbst führte ihn an das Bett des Sterbenden.

Athos stand auf, ohne ein Wort zu sprechen, und nahm ebenfalls seinen Degen von der Wand.

Ah, meine Herren! rief d’Artagnan, indem er zu lachen versuchte, wißt Ihr, daß wir uns wie schwachherzige Weiblein gebärden? Wie können vier Männer wie wir, die, ohne eine Miene zu verziehen, ganzen Armeen stand gehalten haben, vor einem Kinde zittern!

Ja, sprach Athos, aber dieses Kind kommt im Namen Gottes.

Der Brief Karls I

Jetzt muß der Leser mit uns über die Seine gehen und uns in das Karmeliterinnenkloster der Rue Saint Jacques folgen.

Es ist elf Uhr morgens, und die frommen Schwestern haben soeben eine Messe für den Erfolg der Waffen König Karls I. gehalten. Von der Kirche aus sind eine Frau und ein junges Mädchen, beide schwarz gekleidet, die eine wie eine Witwe, die andere wie eine Waise, in ihre Zelle zurückgekehrt.

Die Frau ist vor ein gemaltes hölzernes Betpult niedergekniet, und einige Schritte vor ihr steht, auf einen Stuhl gestützt, das junge Mädchen und weint. Die Frau muß schön gewesen sein, aber man sieht, daß die Zähren sie alt gemacht haben. Das junge Mädchen ist reizend, und die Tränen verschönern es noch. Die Frau scheint vierzig, das Mädchen vierzehn Jahre alt zu sein.

Mein Gott, sprach die knieende Beterin, erhalte meinen Gatten, erhalte meinen Sohn und nimm mein so trauriges, so elendes Leben.

Mein Gott, sprach das junge Mädchen, erhalte mir meine Mutter!

Deine Mutter vermag nichts mehr für dich in dieser Welt, Henriette, sprach die betrübte Beterin, indem sie sich umwandte; deine Mutter hat weder Thron, noch Gemahl, noch Sohn, noch Freunde mehr. Deine Mutter, mein armes Kind, ist von der ganzen Welt verlassen.

Und in die Arme ihrer Tochter stürzend, brach die Frau in lautes Schluchzen aus.

Mutter, faßt Mut, rief das junge Mädchen.

Ach, die Könige sind unglücklich in diesem Jahr, sprach die Mutter und legte ihr Haupt aus die Schulter des Kindes. Niemand kümmert sich um uns in diesem Lande, denn jeder denkt nur an seine eigenen Angelegenheiten. Solange dein Bruder noch bei uns war, unterstützte er mich, aber dein Bruder ist abgereist und gegenwärtig nicht einmal im stande, dir oder seinem Vater Nachricht zu geben. Ich habe meine letzten Juwelen verpfändet, meine Kleider und die deinigen verkauft, um die Gehalte seiner Diener zu bezahlen, die ihm ohne dieses Opfer von meiner Seite ihre Begleitung verweigert hätten. Wir sind arme Leute und auf die Hilfe Gottes angewiesen.

Aber warum wendet Ihr Euch nicht an die Königin, Eure Schwester? fragte das Mädchen.

Ach, antwortete die Bekümmerte, die Königin, meine Schwester, ist nicht mehr Königin, mein Kind, und ein anderer regiert in ihrem Namen. Eines Tages wirst du das begreifen.

Also an den König, Euern Neffen; soll ich mit ihm sprechen? Ihr wißt, wie sehr er mich liebt, Mutter.

Ach, der König, mein Neffe, ist noch nicht König, und ihm selbst fehlt es an allem; du weißt ja, denn Laporte hat es uns zwanzigmal gesagt.

Dann wollen wir uns an Gott wenden! sprach das junge Mädchen.

Und es kniete neben seiner Mutter nieder.

Die zwei weiblichen Wesen, die so nebeneinander vor demselben Betpult knieten, waren die Tochter und die Enkelin Heinrichs IV., die Frau und die Tochter des englischen Königs Karl I.

Sie hatten eben ihr Gebet vollendet, als eine Nonne sacht an ihre Tür klopfte.

Herein, meine Schwester, sprach die ältere von beiden, indem sie ihre Tränen abtrocknete und sich erhob.

Die Nonne öffnete ehrfurchtsvoll die Tür.

Eure Majestät wolle mich gnädigst entschuldigen, wenn ich sie in ihren Betrachtungen störe, sagte sie; aber es ist ein Fremder im Sprechzimmer, der von England kommt und sich die Ehre erbittet, Eurer Majestät einen Brief übergeben zu dürfen. – Ah, einen Brief! Einen Brief vom König vielleicht! Hörst du? Ohne Zweifel Nachrichten von deinem Vater, Henriette. – Ja, Madame, ich höre und hoffe. – Und wer ist der Herr? sprecht. – Ein Edelmann von fünfundvierzig bis fünfzig Jahren. – Hat er seinen Namen genannt? – Mylord von Winter. – Mylord von Winter! rief die Königin, der Freund meines Gatten? O laßt ihn eintreten!

Und die Königin lief dem Boten entgegen und faßte ihn bei der Hand.

Lord Winter kniete, in die Zelle eintretend, nieder und übergab der Königin einen in einem goldenen Etui verwahrten Brief.

Ah, Mylord, sprach die Königin, Ihr bringt uns drei Dinge, die wir seit langer Zeit nicht mehr gesehen haben: Gold, eine ergebene Seele und einen Brief von unserem Gemahl und Herrn.

Lord Winter verbeugte sich, vermochte aber nicht zu antworten, so erschüttert war er.

Mylord, sprach die Königin, auf den Brief deutend, Ihr begreift, daß es mich drängt, den Inhalt dieses Papiers zu erfahren.

Ich entferne mich, Madame, sprach der Lord.

Nein, bleibt, sagte die Königin, wir werden vor Euch lesen. Begreift Ihr nicht, daß ich tausend Fragen an Euch zu richten habe?

Der Lord ging einige Schritte zurück und blieb dann schweigend stehen.

Mutter und Tochter zogen sich in eine Fenstervertiefung zurück und lasen gierig, die Tochter auf den Arm der Mutter gestützt, folgenden Brief:

Madame und teure Gemahlin!

Wir sind am Ziele angelangt. Alle Quellen, welche mir Gott gelassen hat, sind in dem Lager von Naseby konzentriert, von wo aus ich Euch in Eile schreibe. Hier erwarte ich das Heer meiner meuterischen Untertanen, und ich werde zum letztenmale gegen sie streiten. Bin ich Sieger, so winkt uns sichere Hoffnung, werde ich besiegt, so bin ich gänzlich verloren. In letzterem Falle (ach! in unserer Lage muß man alles vorhersehen) will ich die Küste Frankreichs zu erreichen suchen; aber kann und will man dort einen unglücklichen König aufnehmen, der ein so trauriges Beispiel in ein bereits durch bürgerliche Zwistigkeiten ausgeregtes Land bringt? Eure Weisheit und Eure Liebe sollen mir als Führer dienen. Der Überbringer dieses Briefes, Madame, wird Euch sagen, was ich nicht der Gefahr eines Zufalls anvertrauen kann. Er wird Euch erklären, welchen Schritt ich von Euch erwarte. Ich beauftrage ihn auch mit meinem Segen für meine Kinder und mit allen Gefühlen meines Herzens für Euch, Madame und teure Gemahlin.

Der Brief war nicht Karl, König, sondern Karl, noch König, unterzeichnet.

So traurig der Brief lautete, dessen Eindrücke Winter auf dem Gesicht der Königin verfolgte, so brachte er doch einen Hoffnungsstrahl in ihre Augen.

Er mag nicht mehr König sein, rief sie, er möge besiegt, verbannt, geächtet werden, wenn er nur am Leben bleibt! Ach, der Thron ist heutzutage ein zu gefährlicher Posten, als daß ich wünschen könnte, er möchte ihn behalten. Doch sagt mir, Mylord, fuhr die Königin fort, verhehlt mir nichts: wo ist der König? Ist seine Lage so verzweifelt, wie er denkt?

Ach, Madame, noch verzweifelter, als er selbst glaubt. Seine Majestät hat ein so gutes Herz, daß er den Haß nicht begreift. Der König ist so ritterlich, daß er den Verrat nicht ahnt. England ist von einem Schwindelgeist befallen, der, ich fürchte es, nur im Blute erlöschen wird.

Aber Lord Montrose? antwortete die Königin, ich hörte von raschen und großen Siegen, von gewonnenen Schlachten, bei Inverlashy, bei Alfort und bei Kilsyth, ich hörte sagen, er marschiere an die Grenze, um sich mit dem König zu verbinden?

Ja, Madame, aber an der Grenze traf er Lesly; er hatte den Sieg durch übermenschliche Unternehmungen ermüdet; der Sieg hat ihn verlassen. Bei Philippaugh geschlagen, war Montrose genötigt, die Reste seines Heeres zu verabschieden und als Bedienter verkleidet zu fliehen. Er befindet sich in Bergen in Norwegen.

Gott beschütze ihn! sprach die Königin; es ist wenigstens ein Trost, zu wissen, daß die, welche so oft ihr Leben für uns gewagt haben, in Sicherheit sind. Und nun, Mylord, da ich die Lage des Königs so sehe, wie sie ist, d. h. verzweifelt, so sagt mir, was Ihr mir im Auftrage meines königlichen Gemahls mitzuteilen habt.

Wohl, Madame, antwortete Winter, der König, Euer Gemahl, wünscht, daß Ihr die Stimmung des Königs und der Königin in Beziehung auf ihn erforschen möget.

Die Königin versprach, mit Mazarin, auf dessen Willen es allein ankomme, eine Unterredung zu suchen, obwohl sie sich von seiner Krämerseele wenig für ihre Sache versprach.

Wir wollen hoffen, daß er etwas für unsere Ehre tut, sagte Henriette. Ein Freund besitzt eine so gute Beredsamkeit, daß Ihr mich beruhigt. Gebt mir also Eure Hand, und gehen wir zu dem Minister.

Madame, sprach der Lord sich verbeugend, diese Ehre macht mich ganz verwirrt.

Aber wenn er sich weigerte, sagte Henriette stille stehend, und wenn der König die Schlacht verlöre?

So würde Seine Majestät nach Holland fliehen, wo, wie ich vernommen habe, Seine Hoheit, der Prinz von Wales, verweilt.

Vorwärts, Mylord, sagte die Königin, mit dem peinigenden Zweifel von Leuten, die lange Zeit unglücklich gewesen sind, gehen wir, und Gott erhöre Euch.

Die Königin stieg in den Wagen, und der Lord begleitete sie zu Pferde, gefolgt von zwei Lakaien.

Der Mönch

Zwei Menschen lagen da … der eine unbeweglich, das Gesicht nach dem Boden, von drei Kugeln durchbohrt und in seinem Blute schwimmend. Dieser, offenbar ein Priester, war tot.

Der andere schlug, als man sich ihm näherte, die Augen zum Himmel auf, faltete die Hände und verrichtete ein heißes Gebet … Eine Kugel hatte ihm den Oberschenkel zerschmettert.

Raoul, der es zuerst bemerkte, rief: Kommt hierher … dem andern ist nicht mehr zu helfen, während man diesen vielleicht noch retten kann!

Mich retten? Nein, sprach der Verwundete leise, aber mir sterben helfen, ja! – Seid Ihr ein Priester? fragte Raoul. – Nein, Herr. – Aber Euer unglücklicher Gefährte schien mir der Kirche anzugehören, versetzte Raoul.

Es ist der Pfarrer von Bethune, mein Herr. Er trug die heiligen Gefäße seiner Kirche und den Schatz des Kapitels an einen sichern Ort, denn der Prinz hat gestern unsere Stadt verlassen, und vielleicht ist morgen der Spanier darin. Da man aber wußte, daß feindliche Streifkorps im Lande umherzogen, und die Sendung gefährlich war, so wagte es niemand, ihn zu begleiten, bis ich mich anbot.

Und diese Elenden haben Euch angegriffen! Diese Schufte haben auf einen Priester geschossen!

Meine Herren, sagte der Verwundete um sich herschauend, ich leide sehr, wünschte aber dennoch in irgend ein Haus gebracht zu werden, wo ich beichten könnte. Die Kugel hat den Schenkelknochen oben zerschmettert und ist bis in die Eingeweide gedrungen.

Seid Ihr Arzt? sagte Guiche.

Nein, aber ich verstehe mich ein wenig auf Wunden, und die meinige ist tödlich. Versucht es also, mich irgendwohin bringen zu lassen, wo ich einen Priester finden kann, oder habt die Güte, mir irgend einen hierher zu führen, und Gott wird Euch für diese fromme Handlung belohnen. Meine Seele muß gerettet werden, denn mein Leib ist verloren. Mein Gott! rief er, als plötzlich die Schmerzen heftiger zu werden schienen, mit einem Ausdruck des Entsetzens, der die jungen Leute beben ließ, Ihr laßt mich nicht ohne Absolution sterben? Es wäre zu schrecklich.

Mein Herr, beruhigt Euch, antwortete Guiche, ich schwöre Euch, daß Ihr den Trost haben sollt, nach dem Ihr verlangt. Sagt uns nur, wo ein Haus ist, in dem wir Beistand fordern, und ein Dorf, wo wir einen Priester bekommen können.

Dank, Dank, und Gott vergelte es Euch. Eine halbe Meile von hier findet sich eine Herberge, und ungefähr eine halbe Meile weiter liegt das Dorf Greny. Sucht dort den Pfarrer auf. Ist er nicht zu Hause, so geht in das Augustinerkloster, das letzte Haus des Fleckens rechts, und führt mir einen Bruder herbei.

Herr d’Arminges, sprach Guiche, bleibt bei diesem Unglücklichen und wacht darüber, daß er so sanft als möglich transportiert wird. Macht eine Tragbahre aus Baumzweigen und legt alle unsere Mäntel darauf. Zwei von unsern Lakaien tragen ihn, während der dritte den zuerst Ermüdeten ablöst. Der Vicomte und ich suchen einen Priester auf.

Geht, Herr Graf, sprach der Hofmeister, aber ums Himmels willen setzt Euch keiner Gefahr aus.

Guten Mut, Herr, sprach Raoul zu dem Verwundeten, wir vollführen Euern Wunsch.

Gott segne euch, meine Herren, antwortete der Sterbende mit einem unbeschreiblichen Ausdruck von Dankbarkeit.

Und die jungen Leute sprengten im Galopp in der angegebenen Richtung fort und erblickten nach einem Ritt von zehn Minuten die Herberge.

Raoul rief, ohne vom Pferd zu steigen, den Wirt, benachrichtigte ihn, daß man ihm einen Verwundeten bringen werde, und bat ihn, mittlerweile alles vorzubereiten, was zum Verbinden notwendig sei, forderte ihn zugleich auf, wenn er in der Umgegend einen Wundarzt kenne, ihn holen zu lassen, und ritt mit seinem Freunde weiter.

Sie hatten mehr als eine Meile hinter sich und erblickten bereits die ersten Häuser des Dorfes, deren mit rötlichen Ziegeln bedeckte Dächer kräftig aus den grünen Bäumen, von denen sie umgeben waren, hervortraten, als sie einen Mönch, den sie nach seinem breiten Hut und seiner grauwollenen Kutte für einen Augustinerbruder hielten, auf einem Maultier einherkommen sahen. Diesmal schien ihnen der Zufall zu schicken, was sie suchten.

Sie näherten sich dem Mönch; es war ein Mann von zwei- bis dreiundzwanzig Jahren, den jedoch seine asketischen Übungen weit älter gemacht hatten. Er war bleich, aber nicht von der matten Blässe, die manchmal eine Schönheit ist, sondern von galligem Gelb. Seine kurzen Haare, die kaum ein wenig über den Kreis gingen, den sein Hut um seine Stirne zog, waren hellblond, und seine blauen Augen schienen des Blickes zu entbehren.

Mein Herr, sagte Raoul mit seiner gewöhnlichen Höflichkeit, seid Ihr ein Priester?

Warum fragt Ihr mich? sprach der Fremde mit beinahe unhöflicher Unempfindlichkeit.

Um es zu wissen, antwortete der Graf von Guiche mit stolzem Tone.

Der Fremde berührte sein Maultier mit dem Absatz und setzte seinen Weg fort. Guiche war mit einem Sprunge vor ihm und versperrte ihm den Weg.

Antwortet, Herr, sagte er. Man hat Euch höflich gefragt, und jede Frage ist eine Antwort wert.

Es steht mir, denke ich, frei, den nächsten besten zwei Personen, die der Kitzel ankommt, mich auszuforschen, zu sagen, wer ich bin, oder es nicht zu sagen.

Guiche unterdrückte mit großer Mühe seine Lust, den Mönch braun und schwarz zu prügeln.

Einmal, sprach er mit gewaltiger Selbstüberwindung, sind wir nicht die nächsten besten zwei Personen; mein Freund, hier ist der Vicomte von Bragelonne, und ich bin der Graf von Guiche; dann fragen wir nicht aus Neugierde, sondern ein verwundeter, sterbender Mann verlangt die Hilfe der Kirche. Seid Ihr Priester, so fordre ich Euch im Namen der Menschheit auf, mir zu folgen, um diesem Manne Beistand zu leisten. Seid Ihr es nicht, dann ist es etwas anderes. Ich sage Euch übrigens mit aller Höflichkeit, die Ihr ganz und gar nicht zu kennen scheint, daß ich Euch für Eure Unverschämtheit bestrafen werde.

Die Blässe des Mönches wurde bläulich, und er lächelte auf eine so seltsame Weise, daß Raoul, der ihn fest im Auge behielt, schauderte.

Es ist ein spanischer oder flämischer Spion, sprach er und legte die Hand an den Kolben seiner Pistole.

Ein drohender, einem Blitz ähnlicher Blick antwortete Raoul.

Nun, Herr, sagte Guiche, werdet Ihr sprechen?

Ich bin Priester, meine Herren, antwortete der junge Mann, und sein Gesicht nahm wieder seine gleichgültige Miene an.

Dann, mein Vater, sagte Raoul, indem er seine Pistole wieder in die Halfter fallen ließ und seinen Worten einen ehrfurchtsvollen Ausdruck gab, wenn Ihr Priester seid, so findet Ihr, wie mein Freund Euch gesagt hat, eine Gelegenheit, Euer Amt auszuüben. Ein unglücklicher Verwundeter befindet sich in der nächsten Herberge. Er fordert den Beistand eines Dieners Gottes.

Ich begebe mich dahin, sprach der Mönch.

Und er gab seinem Maultier einen Absatz.

Folgen wir ihm, sagte Guiche, das wird sicherer sein.

Und die jungen Leute ritten im gleichen Tempo mit dem Mönch, dem sie etwa auf Pistolenschußweite folgten, weiter.

Nach fünf Minuten wandte sich der Mönch, um sich zu versichern, ob sie ihm folgten oder nicht.

Seht, sprach Raoul, wir haben Wohl daran getan. – Was für ein furchtbares Gesicht dieser Mönch hat! sagte der Graf von Guiche. – Ja furchtbar, erwiderte Raoul, besonders was den Ausdruck betrifft. Diese gelblichen Haare, diese matten Augen, diese Lippen, die beim geringsten Wort, das er ausspricht. verschwinden … – Ja, ja, sprach Guiche, dem alle diese Einzelheiten weniger aufgefallen waren, da Raoul den Mönch prüfend anschaute, während Guiche sprach. Der Beichtende sieht aus, als besäße er ein besseres Gewissen, als der Priester. Ich gestehe, ich bin gewohnt, ganz andere Priester zu sehen. – Welch ein Unglück für den Verwundeten, daß er in den Armen eines solchen Kuttenmenschen sterben soll! – Bah! sagte Guiche, die Absolution kommt nicht von dem, der sie gibt, sondern von Gott. Aber aufrichtig gestanden, ich würde lieber ohne Absolution sterben, als mit einem solchen Beichtvater zu tun haben. Ihr seid auch meiner Meinung, Vicomte, nicht wahr? Ich sah Euch den Kolben Eurer Pistolen liebkosen, als ob Ihr versucht wäret, ihm den Schädel zu zerschmettern. – Ja, Graf, es mag seltsam erscheinen, und Ihr werdet darüber erstaunen, ich fühlte beim Anblick dieses Menschen einen mir selbst unerklärbaren, unbeschreiblichen Abscheu. Ich schwöre Euch, daß mich bei seinem Anblick ein Gefühl ergriff, wie ich es empfand, als einmal bei Blois eine Schlange mir in den Weg kam und auf mich loszüngelte; ich war starr und wie gebannt, bis mich ein Wort meines Beschützers, des Grafen de la Fère, zu mir selbst brachte und ich dem Reptil im Momente, als es auf mich losfuhr, den Kopf zerschmetterte.

In diesem Augenblick kam man in die Nähe der kleinen Herberge, in die man soeben den Verwundeten brachte.

Die jungen Leute spornten ihre Rosse.

Dort ist der Verwundete, sagte Guiche, an dem Augustinerbruder vorüberreitend, habt die Güte, Euch ein wenig zu beeilen, Herr Mönch.

Nun waren die jungen Leute vor dem Beichtvater, statt ihm zu folgen; sie gingen dem Sterbenden entgegen und teilten ihm die gute Kunde mit.

Dieser erhob sich, um in der angegebenen Richtung zu schauen, und als er den Mönch sein Maultier antreiben und näherkommen sah, da fiel er, das Gesicht von einem Freudenstrahl erleuchtet, auf die Tragbahre zurück.

Wir haben nun, sagten die jungen Leute, alles für Euch getan, was wir tun konnten, und da es uns drängt, zum Heere des Prinzen zu gelangen, so setzen wir unsern Marsch fort; Ihr werdet uns entschuldigen, nicht wahr, Herr? Man sagt, es soll eine Schlacht geschlagen werden, und wir wünschten nicht, zu spät zu kommen.

Geht, meine jungen Herren, erwiderte der Verwundete, und seid für Euer Mitleid gesegnet. Gott beschütze Euch, Euch und diejenigen, die Euch teuer sind.

Mein Herr, sprach Guiche zu seinem Hofmeister, wir reiten voraus, Ihr holt uns auf der Straße nach Cambrin ein.

Der Wirt stand unter der Türe. Er hatte alles vorbereitet, Bett, Binden und Charpie, und ein Knecht war nach Lens, der nächsten Stadt, gegangen, um einen Arzt zu holen.

Hier die Bezahlung, sorgt für den Verwundeten, sagte Guiche zu dem Wirt und warf ihm Geld zu.

Gut, sprach der Wirt, es soll geschehen, wie Ihr wünscht. Aber haltet Ihr nicht an, gnädiger Herr, um Eure Wunde zu verbinden? setzte er, sich an Bragelonne wendend, hinzu.

Ah, meine Wunde ist durchaus von keiner Bedeutung, und es ist noch Zeit genug, wenn ich auf der nächsten Station danach sehe. Aber wenn Ihr einen Reiter vorüberkommen seht und dieser Reiter sich nach einem jungen Mann auf einem Fuchs und mit einem Lakaien erkundigt, so habt die Güte, ihm zu sagen, daß Ihr mich gesehen habt, ich sei jedoch weitergeritten und gedenke in Mazingarde zu Mittag zu speisen und zu Cambrin über Nacht zu bleiben. Dieser Reiter ist mein Bedienter.

Wäre es nicht besser und sicherer, wenn ich ihn um seinen Namen fragte und ihm den Eurigen nennen würde? entgegnete der Wirt.

Diese Vorsicht kann nicht schaden, sprach Raoul, ich heiße Vicomte von Bragelonne und er Grimaud.

In diesem Augenblick kam der Verwundete von der einen Seite und der Mönch von der andern. Die jungen Leute wichen zurück, um die Tragbahre vorüberziehen zu lassen. Der Mönch stieg von seinem Maultier ab und befahl, es in den Stall zu führen, ohne es abzusatteln.

Herr Mönch, sprach Guiche, hört diesen braven Mann wohl Beichte und kümmert Euch nicht um Eure Zeche und um die Eures Tieres; alles ist bezahlt.

Ich danke, mein Herr, antwortete der Mönch mit seinem gräßlichen Lächeln.

In diesem Augenblick wurde die Tragbahre von den Lakaien ins Haus gebracht. Der Wirt und seine Frau, die auch herbeigelaufen war, standen auf der Treppe.

Beim Anblick des bleichen, blutigen Mannes ergriff die Frau ihren Mann heftig beim Arme.

Nun, was gibt es? fragte dieser. – Sieh nur, erwiderte die Wirtin, auf den Verwundeten deutend. – Bei Gott, sagte der Wirt, er scheint mir sehr krank zu sein! – Das ist’s nicht, erkennst du ihn denn nicht? – Diesen Menschen? Warte doch … – Ah, ich sehe, daß du ihn erkennst, sagte die Frau, denn du erbleichst ebenfalls. – In der Tat! rief der Wirt. Weh unserm Hause, es ist der ehemalige Henker von Bethune! – Der ehemalige Henker von Bethune, murmelte der junge Mönch und machte eine Bewegung, als wollte er stille stehen, während auf seinem Gesichte das Gefühl des Widerstrebens hervortrat, das ihm sein Bußfertiger einflößte.

Als die Lakaien, die den Sterbenden auf ein Bett gelegt hatten, den Mann Gottes sich dem Lager des Verwundeten nahen sahen, entfernten sie sich und schlossen die Türe hinter dem Mönch und dem Sterbenden.

D’Arminges und Olivain harrten ihrer, stiegen wieder zu Pferde, und alle vier trabten den beiden Edelleuten nach.

Im Augenblick, wo der Hofmeister und sein Gefolge ebenfalls verschwanden, hielt ein neuer Reisender an der Schwelle des Wirtshauses.

Was wünscht der Herr? fragte der Wirt, noch bleich und zitternd von der Entdeckung, die er gemacht hatte.

Der Reisende machte das Zeichen eines Mannes, der trinkt, stieg ab, deutete auf sein Pferd und machte das Zeichen eines Reibenden.

Ah, Teufel! sagte der Wirt zu sich selbst, es scheint, dieser Mensch ist stumm. – Und wo wollt Ihr trinken? fragte er. – Hier, antwortete der Reisende, auf einen Tisch deutend. – Ich täuschte mich, dachte der Wirt, er ist nicht ganz stumm.

Und er verbeugte sich, holte eine Flasche Wein und Zwieback und setzte beides dem schweigsamen Gaste vor.

Beliebt dem Herrn sonst noch etwas? fragte er. – Allerdings, sprach der Reisende. – Was wünscht der Herr? – Zu wissen, ob Ihr nicht einen jungen Edelmann von fünfzehn Jahren, auf einem Fuchs und mit einem Lakaien habt vorüberreiten sehen? – Den Grafen von Bragelonne? sagte der Wirt. – Richtig. – Dann heißt Ihr Grimaud?

Der Reisende machte ein bejahendes Zeichen.

Nun wohl, sprach der Wirt, Euer junger Herr war erst vor einer Viertelstunde hier. Er wird in Mazingarde zu Mittag speisen und in Cambrin über Nacht bleiben. – Wie weit von hier nach Mazingarde? – Zwei und eine halbe Meile. – Danke.

Da Grimaud jetzt die sichere Aussicht hatte, seinen jungen Herrn am Abend zu treffen, so schien er ruhiger zu werden, trocknete sich die Stirn ab und schenkte sich ein Glas Wein ein, das er schweigend trank.

Er hatte sein Glas auf den Tisch gestellt und schickte sich an, es zum zweitenmal zu füllen, als ein furchtbarer Schrei aus dem Innern des Hauses drang, wo sich der Mönch und der Sterbende befanden.

Grimaud stand rasch auf. Auf seine Frage erzählte ihm der Wirt, der frühere Henker von Bethune sei, von spanischen Parteigängern auf den Tod verwundet, hergetragen worden und beichte soeben einem Augustinermönch.

Der frühere Henker von Bethune? murmelte Grimaud, seine Erinnerungen zusammenfassend … ein Mann von fünfundfünfzig bis sechzig Jahren … groß, kräftig, von dunkler Gesichtsfarbe, mit schwarzem Bart und schwarzen Haaren?

So ist es, nur sind seine Barthaare grau und seine Haupthaare weiß geworden. Kennt Ihr ihn? fragte der Wirt.

Ich habe ihn einmal gesehen, antwortete Grimaud, dessen Stirn sich bei der auftauchenden Erinnerung verfinsterte.

Die Frau lief zitternd herbei. Hast du gehört? sagte sie zu ihrem Manne. – Ja, antwortete der Wirt und schaute unruhig nach der Türe.

In diesem Augenblick vernahm man einen Schrei, etwas weniger stark, als der erste, aber in einen langen, gedehnten Seufzer ausklingend.

Die drei Personen schauten sich bebend an.

Man muß sehen, was es ist, sagte Grimaud.

Man sollte glauben, es sei der Schrei eines Menschen, den man erdrosselt, murmelte der Wirt.

Jesus, rief die Wirtin, sich bekreuzend.

Grimaud, der zwar wenig sprach, aber umsomehr handelte, stürzte nach der Tür und rüttelte mit aller Gewalt daran; aber sie war durch einen innern Riegel verschlossen.

Öffnet, rief der Wirt, öffnet, Herr Mönch! Öffnet sogleich!

Niemand antwortete.

Öffnet, oder ich sprenge die Tür! rief Grimaud.

Dasselbe Stillschweigen.

Grimaud schaute umher, nahm eine Stange, die zufällig in einem Winkel lag, und ehe der Wirt sich seinem Vorhaben widersetzen konnte, hatte er die Tür eingestoßen.

Das Zimmer war von Blut überströmt, das durch die Matratze drang. Der Verwundete sprach nicht, sondern röchelte. Der Mönch war verschwunden.

Der Mönch! wo ist der Mönch? rief der Wirt.

Grimaud lief nach einem offenen Fenster, das nach dem Hofe ging.

Er wird hier hinaus entflohen sein! rief er.

Ihr glaubt? sprach der Wirt ganz bestürzt. Hausknecht, seht nach, ob das Maultier des Mönches im Stalle ist!

Kein Maultier mehr, antwortete dieser.

Grimaud näherte sich dem Verwundeten und schaute seine rauhen Züge an, die eine furchtbare Erinnerung in ihm hervorriefen. Nach einem Augenblick stummer, düsterer Betrachtung sagte er: Es unterliegt keinem Zweifel, er ist es!

Lebt er noch? fragte der Wirt.

Ohne zu antworten, öffnete Grimaud sein Wams, um ihm das Herz zu befühlen, während sich der Wirt ebenfalls näherte. Wer Plötzlich wichen beide zurück, der Wirt stieß einen Schrei des Schreckens aus, und Grimaud erblaßte. Die Klinge eines Dolches war dem Toten bis ans Heft in die linke Seite der Brust gestoßen.

Lauft nach Hilfe! sprach Grimaud; ich bleibe bei ihm.

Der Wirt eilte ganz bestürzt aus dem Zimmer. Die Frau war bei dem Schrei ihres Mannes entflohen.

Die Absolution

Man höre, was geschehen war.

Sobald der Mönch im Zimmer war, näherte er sich dem Verwundeten. Dieser betrachtete das Gesicht dessen, der sein Tröster werden sollte; er machte eine Bewegung des Erstaunens und sagte:

Ihr seid sehr jung, mein Vater. – Die Leute meines Gewandes haben kein Alter, antwortete der Mönch trocken. – Ach, sprecht doch etwas sanfter, mein Vater, versetzte der Verwundete, ich bedarf eines Freundes in meinen letzten Augenblicken. – Ihr leidet viel? sagte der Mönch. – Ja, aber mehr in der Seele, als im Leibe. – Wir werden Eure Seele retten, erwiderte der junge Mann; aber seid Ihr wirklich der Henker von Bethune, wie diese Leute sagen? – Das heißt, antwortete lebhaft der Verwundete, das heißt, ich bin es gewesen, bin es aber nicht mehr. Ich habe vor fünfzehn Jahren mein Amt aufgegeben, wohne Hinrichtungen noch bei, schlage aber nicht mehr. O nein! – Ihr habt also Abscheu vor Eurem Stande?

Der Henker stieß einen tiefen Seufzer aus und sagte: Solange ich nur im Namen des Gesetzes und der Gerechtigkeit geschlagen habe, ließ mich mein Stand, da ich unter der Gerechtigkeit und dem Gesetze geschützt war, ruhig schlafen; aber seit der furchtbaren Nacht, wo ich als Werkzeug für eine Privatrache diente und mein Schwert mit Haß gegen ein Geschöpf Gottes erhob, seit dieser Nacht …

Der Henker hielt inne und schüttelte mit verzweifelter Miene den Kopf.

Sprecht, sagte der Mönch, der sich unten an den Fuß des Bettes gesetzt hatte und der Erzählung mit brennenden Augen folgte.

Ach! rief der Sterbende mit dem ganzen Erguß eines lange zurückgehaltenen Schmerzes, der sich endlich Lust macht, ach! ich habe diese Gewissensbisse durch zwanzig Jahre guter Werke zu beschwichtigen gesucht. Ich habe der Erde menschliche Existenzen erhalten, als Ersatz für die, welche ich ihr geraubt hatte. Das in der Ausübung meines Gewerbes von mir errungene Vermögen habe ich unter die Armen verteilt; ich bin ein beständiger Kirchenbesucher geworden. Aber ich glaube, daß mir Gott nicht verziehen hat; denn die Erinnerung an jene Hinrichtung verfolgt mich beständig, und es kommt mir jede Nacht vor, als sähe ich das Gespenst jener Frau vor meinen Augen sich erheben.

Einer Frau? Ihr habt also eine Frau ermordet? rief der Mönch.

Und Ihr auch? erwiderte der Henker; Ihr bedient Euch auch des Ausdrucks, der so furchtbar in meinem Ohre klingt? Ermordet! Ich habe also gemordet und nicht hingerichtet! Ich bin also ein Mörder und nicht ein Nachrichter!

Und er schloß die Augen und stieß einen Seufzer aus.

Der Mönch fürchtete ohne Zweifel, er könnte sterben, ohne mehr zu sagen; denn er versetzte lebhaft: Fahrt fort, ich weiß nichts, und wenn Ihr Eure Erzählung geendigt habt, werden Gott und ich richten.

An einem Abend, begann der Henker, ohne die Augen zu öffnen, als fürchte er, etwas Entsetzliches vor sich zu sehen, erschien ein Mann bei mir und zeigte mir einen Befehl. Ich folgte. Vier andere vornehme Herren erwarteten mich; sie führten mich maskiert mit sich. Ich nahm mir vor, mich zu weigern, wenn mir das, was man von mir fordern würde, ungerecht vorkäme. Nach fünf oder sechs Meilen eines schweigsamen Marsches zeigten sie mir durch die Fenster einer kleinen Hütte eine mit dem Ellbogen auf den Tisch gelehnte Frau und sagten zu mir: Diese habt Ihr hinzurichten. – Gräßlich! sprach der Mönch. Und Ihr gehorchtet? – Mein Vater, diese Frau war ein Ungeheuer. Sie hatte, wie man sagte, ihren zweiten Gatten vergiftet und ihren Schwager, der sich unter diesen Männern befand, zu vergiften gesucht. Sie hatte kurz zuvor eine junge Frau, die ihre Nebenbuhlerin war, vergiftet, und, ehe sie England verließ, Buckingham, den Liebling des Königs, erdolchen lassen. – Buckingham? rief der Mönch. – Ja, Buckingham, so ist es. – Diese Frau war also eine Engländerin? – Nein, sie war eine Französin, aber in England verheiratet.

Der Mönch erbleichte, trocknete seine Stirn und verschloß die Tür mit einem Riegel. Der Henker glaubte, er wolle ihn verlassen, und fiel seufzend auf sein Bett zurück.

Nein, nein, hier bin ich, versetzte der Mönch, rasch zu ihm zurückkehrend; fahrt fort, wer waren diese Männer? – Der eine war ein Fremder, ein Engländer, glaube ich. Die andern waren Franzosen und trugen die Uniform der Musketiere. – Ihre Namen? fragte der Mönch. – Ich kenne sie nicht; ich weiß nur, daß die vier andern Herren den Engländer Mylord nannten. – Und die Frau war schön? – Schön und jung! Oh! ja, besonders schön. Ich sehe sie noch, wie sie mit zurückgeworfenem Kopfe vor mir auf den Knien lag und mich anflehte. Ich habe später nie begriffen, wie ich diesen so schönen und so bleichen Kopf abschlagen konnte.

Der Mönch schien von einer seltsamen Bewegung ergriffen. Er zitterte an allen Gliedern; man sah, daß er eine Frage machen wollte, daß er es aber nicht wagte.

Endlich sagte er nach einer gewaltsamen Selbstüberwindung: Der Name dieser Frau? – Ich weiß ihn nicht. Sie hatte sich, wie ich Euch sagte, zweimal verheiratet, einmal in Frankreich, das zweite Mal in England. – Und sie war jung, sagt Ihr? – Fünfundzwanzig Jahre. – Schön? – Zum Entzücken. – Blond? – Ja. – Lange Haare, nicht wahr … die ihr bis auf die Schultern herabfielen? – Ja. – Große Augen von wunderbarem Ausdruck? – Wenn sie wollte. Oh! ja, so ist es. – Eine Stimme von seltsamer Weichheit? – Woher wißt Ihr dies?

Der Henker stützte sich mit dem Ellbogen auf sein Bett und heftete einen erschrockenen Blick auf den Mönch, der leichenblaß wurde.

Und Ihr habt sie getötet! sprach der Mönch; Ihr habt diesen Elenden, die sie nicht selbst zu töten wagten, als Werkzeug gedient! Ihr habt mit dieser Jugend, mit dieser Schönheit, mit dieser Schwäche kein Mitleid gehabt! Ihr habt diese Frau getötet! – Ach! versetzte der Henker, ich habe es Euch gesagt, mein Vater, diese Frau verbarg unter einer himmlischen Hülle einen höllischen Geist, und als ich sie sah und mich des Bösen erinnerte, das sie mir zugefügt hatte… – Euch? Und was hatte sie Euch tun können? – Sie hatte meinen Bruder, der ein Priester war, verführt und zu Grunde gerichtet; sie war mit ihm aus ihrem Kloster entflohen. – Mit Eurem Bruder? – Ja, mein Bruder war ihr erster Liebhaber; sie war am Tode meines Bruders schuld! Oh! mein Vater! mein Vater! schaut mich nicht so an! Oh! ich bin also sehr schuldig. Oh! Ihr vergebt mir also nicht!

Der Mönch verzog sein Gesicht.

Doch wohl, ich werde Euch vergeben, wenn Ihr mir alles sagt. – Oh! rief der Henker, alles! alles! alles! – So antwortet also… Wenn sie Euren Bruder verführt hat … Ihr sagt, sie habe ihn verführt, nicht wahr? – Ja. – Wenn sie seinen Tod veranlaßt hat… Ihr sagt, sie habe seinen Tod veranlaßt, nicht wahr? – Ja, wiederholte der Henker. – So müßt Ihr ihren Familiennamen kennen. – Oh! mein Gott! sprach der Henker, mein Gott! ich glaube, ich sterbe. Die Absolution, mein Vater, die Absolution! – Sage mir ihren Namen! rief der Mönch, und ich gebe sie dir! – Sie hieß … mein Gott, habe Gnade mit mir! murmelte der Henker und sank bleich, zitternd, wie ein Sterbender auf sein Bett zurück. – Ihren Namen! wiederholte der Mönch und beugte sich über ihn, als gedächte er ihm diesen Namen zu entreißen, wenn er ihn nicht nennen wollte; ihren Namen! … sprich, oder keine Absolution!

Der Sterbende schien alle seine Kräfte zusammenzuraffen. Die Augen des Mönchs funkelten.

Anna von Breuil, murmelte der Sterbende. – Anna von Breuil! rief der Mönch, sich hoch ausrichtend und seine Hände zum Himmel erhebend, Anna von Breuil, du hast gesagt, Anna von Breuil, nicht wahr? – Ja, ja, das war ihr Name, und jetzt absolviert mich, denn ich sterbe. – Ich dich absolvieren? Ich bin kein Priester! – Ihr seid kein Priester! rief der Henker; aber was seid Ihr denn? – Ich werde es dir sagen, Elender! – Ah! Herr! mein Gott! – Ich bin John Francis Winter. – Ich kenne Euch nicht! rief der Henker. – Warte, warte, du sollst mich kennen lernen; ich bin John Francis Winter, und jene Frau… war meine Mutter.

Der Henker stieß den ersten Schrei aus, den furchtbaren Schrei, den man außen gehört hatte.

Oh! vergebt mir, vergebt mir, wenn nicht im Namen Gottes, doch wenigstens in Eurem Namen, wenn nicht als Priester, doch wenigstens als Sohn.

Dir vergeben! rief der falsche Mönch, dir vergeben! Gott wird es vielleicht tun, ich nie!

Habt Mitleid! sprach der Henker und streckte die Arme nach ihm aus.

Kein Mitleid für den, der kein Mitleid gehabt hat; stirb unbußfertig, stirb in Verzweiflung; stirb und sei verdammt.

Und er zog einen Dolch unter seinem Gewande hervor, bohrte ihn dem Unglücklichen in die Brust und sprach: Hier hast du deine Absolution!

Da hörte man den zweiten, schwächeren Schrei, worauf ein langes Seufzen gefolgt war.

Der Henker, der sich erhoben hatte, fiel rücklings auf sein Bett zurück. Der Mönch lief, ohne den Dolch aus der Wunde zu ziehen, nach dem Fenster, öffnete es, sprang auf die Blumen eines Gärtchens, schlüpfte in den Stall, nahm sein Maultier, entfernte sich durch eine Hintertür, eilte in den nächsten Wald, zog aus seinem Felleisen eine vollständige Reitertracht, kleidete sich darein, erreichte zu Fuß die nächste Post, mietete ein Pferd und setzte mit verhängten Zügeln seinen Weg nach Paris fort.

Grimaud blieb allein bei dem Henker. Der Wirt rief nach Hilfe, die Frau betete. Nach einem Augenblick schlug der Verwundete die Augen wieder auf.

Hilfe! murmelte er, Hilfe! Oh, mein Gott, sollte ich nicht einen einzigen Freund finden, der mir leben oder sterben hilft!

Und er führte mit großer Anstrengung die Hand an seine Brust; seine Hand traf den Griff des Dolches.

Oh! sagte er, wie ein Mensch, der sich eines Umstandes erinnert, und ließ den Arm wieder zurückfallen.

Habt Mut, sprach Grimaud, man holt bereits Hilfe. – Wer seid Ihr? fragte der Verwundete und heftete seine weit aufgerissenen Augen auf Grimaud. – Ein alter Bekannter, antwortete Grimaud. – Ihr?

Der Verwundete suchte sich die Züge dessen, den er vor sich sah, zu erinnern. Grimaud erzählte ihm kurz, welchen Anteil er an den Ereignissen der verhängnisvollen Nacht genommen habe. – Und der Mönch, sprach der Henker, habt Ihr den Mönch gesehen? – Nein, er war bereits nicht mehr da; es scheint, er ist durch dieses Fenster entflohen. Hat er Euch gestochen? – Ja, erwiderte der Henker.

Grimaud machte eine Bewegung, als wollte er sich entfernen.

Was wollt Ihr tun? fragte der Verwundete. – Man muß ihm nachsetzen. – Hütet Euch wohl! – Und warum? – Er hat sich gerächt und wohl daran getan. Nun hoffe ich, Gott wird mir verzeihen, denn die Sühnung ist geschehen. – Erklärt Euch deutlicher, sprach Grimaud.

Diese Frau, die ich auf Eurer Herren und auf Euer Geheiß tötete… – Mylady … – Ja, Mylady, es ist wahr, so nanntet Ihr sie. – Was haben Mylady und der Mönch miteinander gemein? – Sie war seine Mutter.

Grimaud wankte und schaute den Sterbenden mit starrem Auge an.

Seine Mutter! wiederholte er. – Ja, seine Mutter. – Er weiß also dieses Geheimnis? – Ich hielt ihn für einen Mönch und enthüllte es ihm in der Beichte. – Unglücklicher! rief Grimaud, dessen Haare schon beim Gedanken an die Folgen, die eine solche Enthüllung haben konnte, sich in Schweiß badeten. Unglücklicher! Ihr habt hoffentlich niemand genannt. – Ich habe keinen Namen ausgesprochen, denn ich kannte keinen, außer dem Mädchennamen seiner Mutter, und hieran hat er sie erkannt; aber er weiß, daß sein Oheim unter der Zahl der Richter war.

Und der Verwundete sank erschöpft zurück.

Wohin reist er? fragte Grimaud. – Nach Paris. – Wer hat ihn angehalten? – Zwei junge Edelleute, die sich zur Armee begaben, und von denen der eine, ich hörte seinen Namen von seinem Kameraden aussprechen, Vicomte von Bragelonne heißt. – Und dieser junge Mensch hat Euch den Mönch gebracht. – Ja.

Grimaud schlug die Augen zum Himmel auf und sprach: Es war der Wille Gottes. – Sicherlich, versetzte der Verwundete. – Ah, das ist furchtbar, murmelte Grimaud, und dennoch hatte diese Frau ihr Schicksal verdient. Ist dies nicht mehr Eure Ansicht? – Im Augenblick des Sterbens, antwortete der Henker, findet man die Verbrechen anderer sehr klein, wenn man sie mit seinen eigenen vergleicht.

Und er sank wieder erschöpft zurück und schloß die Augen.

Grimaud hörte jetzt Geräusch im Hausflur und sah einen Augenblick darauf den Wirt mit dem endlich aufgefundenen Wundarzte zurückkehren. Dieser näherte sich dem Sterbenden, der ohnmächtig zu sein schien.

Man muß zuerst das Eisen aus der Brust ziehen, sagte er und schüttelte auf eine bezeichnende Weise den Kopf, dann schob er das Wams auf die Seite, zerriß das Hemd und entblößte die Brust. Der Dolch war, wie gesagt, bis an das Stichblatt eingedrungen.

Der Chirurg nahm ihn am Ende des Griffes; während er ihn an sich zog, öffnete der Verwundete die Augen, die entsetzlich starr blickten. Kaum war die Klinge aus der Wunde gezogen, so drang ein rötlicher Schaum aus dem Munde des Verwundeten hervor; dann sprang in dem Augenblick, wo er atmete, eine Blutwelle aus der Öffnung der Wunde; mit einem halb erstickten Röcheln heftete der Sterbende einen seltsamen Blick auf Grimaud und verschied.

Grimaud faßte den mit Blut überzogenen Dolch, machte dem Wirt ein Zeichen, ihm zu folgen, bezahlte die Zeche mit einer seines Herrn würdigen Großmut und stieg wieder zu Pferde. Nach kurzem Schwanken, ob er geradeswegs nach Paris zurückkehren, oder seinen jungen Herrn aufsuchen sollte, entschied er sich für das letztere. Nach zehn Minuten war er in Mazingarde, wo sein Herr mit dem Grafen Guiche und dessen Hofmeister, noch schwermütig unter dem Eindruck des eben erlebten Ereignisses, in der einzigen Herberge zu Tische saß.

Plötzlich öffnete sich die Tür und Grimaud erschien, bleich, bestaubt, noch bedeckt von dem Blut des unglücklichen Verwundeten.

Grimaud, mein guter Grimaud, du bist endlich hier? Entschuldigt, meine Herren, es ist kein Diener, sondern ein Freund.

Und er stand auf, lief auf ihn zu und fuhr fort: Wie geht es dem Herrn Grafen? Vermißt er mich ein wenig? Hast du ihn seit unserer Trennung gesehen? Aber ich habe dir auch viel mitzuteilen. Seit drei Tagen sind uns viele Abenteuer begegnet. Doch was hast du? Wie bleich siehst du aus? Blut? Warum dieses Blut? – In der Tat, er hat Blut an sich, sprach der Graf, sich erhebend. Seid Ihr verwundet, mein Freund? – Nein, gnädiger Herr, antwortete Grimaud, dieses Blut ist nicht von mir. – Sondern von wem? fragte Raoul. – Es ist das Blut des Unglücklichen, den Ihr in der Herberge zurückgelassen habt, und der in meinen Armen verschieden ist. – Dieser Mensch in deinen Armen! Weißt du, wer er war? – Ja, erwiderte Grimaud. – Es war der ehemalige Henker von Bethune. – Ich weiß es. – Du kanntest ihn? – Ich kannte ihn. – Und er ist tot? – Ja, sprach Grimaud.

Die jungen Leute schauten sich an.

Zunächst aber, sagte Raoul, laß dir eine Erfrischung auftragen, Grimaud, und wenn du ausgeruht hast, sprechen wir miteinander. – Nein, Herr, nein, entgegnete Grimaud, ich kann mich keinen Augenblick aufhalten, ich muß sogleich nach Paris zurückkehren. – Wie? Du kehrst nach Paris zurück? Du täuschest dich; Olivain geht ab, du bleibst.

Im Gegenteil, Olivain bleibt, und ich reise; ich bin gerade deshalb gekommen, um es Euch mitzuteilen. – Aber warum diese Veränderung? – Ich kann es Euch nicht sagen. – Erkläre dich! – Ich kann mich nicht erklären. – Was soll dieser Scherz bedeuten? – Der Herr Vicomte weiß, daß ich nie scherze. – Ja, ich weiß aber auch, daß der Graf de la Fère gesagt hat, du solltest bei mir bleiben und Olivain würde nach Paris zurückkehren. Ich werde die Befehle des Herrn Grafen befolgen. – Unter diesen Umständen nicht. – Solltest du mir etwa ungehorsam sein? – Ja, gnädiger Herr, denn ich muß. – Du beharrst also darauf? – Ja, ich gehe. Alles Glück, Herr Vicomte.

Und Grimaud verbeugte sich und wandte sich nach der Türe, um wegzugehen; zugleich wütend und beunruhigt, lief ihm Raoul nach, hielt ihn am Arme und rief: Grimaud, bleib, ich will es haben.

Dann wollt Ihr, daß ich den Grafen töten lasse? sprach Grimaud.

Grimaud grüßte und schickte sich an, wegzugehen.

Grimaud, mein Freund, sagte der Vicomte, du wirst nicht so weggehen, wirst mich nicht in einer solchen Unruhe lassen. Grimaud, sprich, sprich ums Himmels willen.

Raoul wankte und fiel auf einen Sessel zurück.

Ich kann Euch nur eines sagen, gnädiger Herr, denn das Geheimnis, das Ihr wissen wollt, ist nicht das meinige. Ihr seid einem Mönche begegnet, nicht wahr? – Ja.

Die jungen Leute schauten sich erschrocken an.

Ihr habt ihn zu dem Verwundeten geführt? – Ja. – Ihr habt also Zeit gehabt, ihn zu sehen? – Ja. – Und vielleicht würdet Ihr ihn wiedererkennen, wenn Ihr ihn je treffen solltet? – O ja, ich schwöre es. – Und auch ich, sprach Guiche. – Nun wohl, wenn Ihr ihn je trefft, sagte Grimaud, wo es auch sein mag, im freien Feld, in der Straße einer Stadt, in einer Kirche, überall, wo Ihr mit ihm zusammentrefft, setzt den Fuß auf ihn und zertretet ihn ohne Mitleid, wie Ihr es mit einer Schlange machen würdet, zertretet ihn und verlaßt ihn nicht eher, als bis er tot ist.

Und ohne ein Wort beizufügen, benutzte Grimaud das angstvolle Erstaunen, worein er seine Zuhörer versetzt hatte, um sich eilig zu entfernen.

Zwei Minuten nachher hörte man auf der Straße den Galopp eines Pferdes. Raoul lief ans Fenster.

Es war Grimaud, der wieder den Weg nach Paris einschlug. Er grüßte den Vicomte mit dem Hut und verschwand bald an der Straßenecke.

Der Tag vor der Schlacht

Raoul wurde seinen düsteren Betrachtungen durch den Wirt entzogen, der hastig in das Zimmer trat, wo die von uns erzählte Szene vorgefallen war, und ausrief: Die Spanier! die Spanier!

Die jungen Leute zogen Erkundigungen ein und erfuhren, daß der Feind wirklich über Houdain und Bethune heranrückte. Während Herr d’Arminges Befehle gab, die Pferde, die eben fraßen, marschfertig zu halten, begaben sich die jungen Leute an das Fenster des Hauses, das die Umgegend beherrschte, und sahen wirklich auf der Seite von Mersin und Sains ein zahlreiches Korps von Fußgängern und Reitern zum Vorschein kommen.

Es blieb also nichts anderes übrig, als dem weisen Rat des Herrn d’Arminges zu folgen und sich zurückzuziehen.

Die jungen Leute stiegen rasch hinab, Herr d’Arminges war bereits zu Pferde. Der kleine Trupp schlug den Weg nach Cambrin ein, wo man den Prinzen zu finden glaubte; aber er war seit dem vorhergehenden Tage nicht mehr hier und hatte sich, getäuscht durch die falsche Nachricht, daß der Feind in Estaire über die Lys setzen müsse, nach Bassée zurückgezogen.

Die Nachricht hatte den Prinzen bewogen, seine Truppen von Bethune zu entfernen und alle seine Streitkräfte zwischen Vieille-Chapelle und Venthie zusammenzuziehen. Er selbst aber war mit dem Marschall von Grammont auf Erkundigung ausgeritten; auch hatte er Offiziere zu diesem Zwecke ausgesandt, aber keiner wußte bestimmte Mitteilungen zu machen. Die feindliche Armee war seit achtundvierzig Stunden ganz und gar verschwunden.

Nun ist aber nie ein feindliches Heer so bedrohlich, als wenn es gänzlich verschwunden ist. Der Prinz, der sich eben zu Tisch gesetzt hatte, war gegen seine Gewohnheit verdrießlich und sorgenvoll, als ein Offizier vom Dienst eintrat und dem Marschall von Grammont meldete, es wünsche ihn jemand zu sprechen.

Der Herzog von Grammont bat den Prinzen mit einem Blicke um Erlaubnis und entfernte sich.

Plötzlich erscholl ein dumpfer Lärm, der Prinz erhob sich lebhaft und streckte die Hand nach der Gegend aus, von welcher der Lärm kam. Dieser Lärm war ihm wohl bekannt, es war Kanonendonner.

Alle hatten sich erhoben. In diesem Augenblick wurde die Tür wieder geöffnet, und der Marschall von Grammont sprach, strahlend vor Freude: Erlaubt Eure Hoheit, daß ihr mein Sohn, der Graf von Guiche, und sein Reisegefährte, der Vicomte von Bragelonne, die Aufschlüsse über den Feind geben, die wir suchen und die sie gefunden haben?

Wie? sprach der Prinz lebhaft, ob ich es erlaube? Ich erlaube es nicht nur, sondern ich wünsche, daß sie sogleich eintreten.

Der Marschall führte die jungen Leute ein, und diese befanden sich dem Prinzen gegenüber.

Sprecht, meine Herren, sagte der Prinz, sie begrüßend, sprecht zuerst, dann wollen wir uns die üblichen Komplimente machen. Das dringendste für uns ist jetzt, zu erfahren, wo der Feind steht und was er tut.

Der Graf von Guiche erzählte also, was sie in dem Gasthause zu Mazingarde gesehen hatten. Während dieser Zeit betrachtete Raoul den jungen General, der sich bereits durch die Schlachten von Rocroy, Freiburg und Nördlingen so großen Ruhm erworben hatte.

Ludwig von Bourbon, Prinz von Condé, den man seit dem Tode Heinrichs von Bourbon, seines Vaters, der Kürze halber und nach der Gewohnheit der Zeit Herr Prinz nannte, war ein junger Mann von höchstens sechs- bis siebenundzwanzig Jahren, mit einem Adlerblicke, einer gebogenen Nase, langen in Locken herabflatternden Haaren, von mittlerem, aber schönem Wuchse. Er besaß alle Eigenschaften eines großen Kriegers, d. h. scharfen Blick, rasche Entschlossenheit, fabelhaften Mut, was ihn nicht abhielt, zu gleicher Zeit ein Mann von Eleganz und Witz zu sein, so daß er außer der Revolution, die er durch neue Einrichtungen und strategische Erfindungen in den Krieg brachte, auch in Paris eine Revolution unter den jungen Leuten des Hofes gemacht hatte, deren natürlicher Führer er war, und die man im Gegensatz zu den Elegants des alten Hofes, für die Bassompierre, Bellegarde und der Herzog von Angoulême als Muster gedient hatten, Petits-Maitres nannte.

Bei den ersten Worten des Grafen von Guiche und aus der Richtung, woher der Kanonendonner kam, hatte der Prinz alles begriffen. Der Feind mußte in Saint-Venant über die Lys gesetzt haben und gegen Lens marschieren, ohne Zweifel in der Absicht, sich dieser Stadt zu bemächtigen und das französische Heer zu trennen.

Aber von welcher Stärke war diese Truppe? War es ein Korps, das bloß eine einfache Diversion veranstalten sollte, oder die ganze Armee?

Da Guiche diese Frage nicht zu beantworten vermochte und schwieg, überwand Raoul das sehr natürliche Gefühl der Schüchternheit, das sich seiner Person dem Prinzen gegenüber bemächtigte, und sprach, sich, ihm nähernd: Wird Monseigneur erlauben, einige Worte über diesen Gegenstand zu wagen, welche ihn vielleicht der Verlegenheit entheben?

Der Prinz wandte sich um und schien den jungen Mann mit einem einzigen Blick zu umfassen. Er lächelte, als er in ihm einen Knaben von kaum fünfzehn Jahren erkannte.

Allerdings, mein Herr, sprecht, sagte er, seine kräftige Stimme sänftigend, als richte er das Wort an eine Frau.

Monseigneur könnte den gefangenen Spanier befragen, erwiderte Raoul errötend.

Ihr habt einen Spanier zum Gefangenen gemacht? rief der Prinz.

Ja, Monseigneur.

Ah, es ist wahr! versetzte Guiche, ich hatte es vergessen.

Das ist ganz erklärlich, denn Ihr habt ihn gefangen genommen, sprach Raoul lächelnd.

Der alte Marschall wandte sich, dankbar für das seinem Sohne gespendete Lob, gegen den Vicomte um, während der Prinz ausrief: Dieser Jüngling hat recht, man führe den Spanier herbei.

Mittlerweile nahm der Prinz den jungen Guiche beiseite und befragte ihn über die Art und Weise, wie sie den Spanier zum Gefangenen gemacht hatten, und wer dieser Jüngling sei.

Mein Herr, sagte der Prinz, zu Raoul zurückkehrend, ich weiß, daß Ihr einen Brief von meiner Schwester, der Frau von Longueville, bei Euch habt; aber ich sehe, daß Ihr es vorzogt, Euch durch einen guten Rat, den Ihr mir erteiltet, selbst zu empfehlen.

Monseigneur, versetzte Raoul errötend, ich wollte Euer Hoheit nicht in dem so wichtigen Gespräch mit dem Herrn Grafen unterbrechen; doch hier ist der Brief.

Es ist gut, entgegnete der Prinz; Ihr werdet ihn mir später geben. Hier kommt der Gefangene. Denken wir an das Wichtigere.

Man brachte sofort den Parteigänger. Es war einer von den Condottieri, wie man sie in jener Zeit noch fand, Leute, die in schlimmen Streichen aller Art ergraut waren und ihr Blut an jeden verkauften, der es bezahlen wollte. Seitdem er gefangen war, hatte er kein einziges Wort gesprochen, so daß die, welche ihn festgenommen hatten, nicht einmal wußten, welcher Nation er angehörte.

Der Prinz schaute ihn mit einer Miene unbeschreiblichen Mißtrauens an.

Von welcher Nation bist du? fragte der Prinz.

Der Gefangene erwiderte einige Worte in fremder Sprache.

Ah, ah! es scheint, er ist ein Spanier. Sprecht Ihr Spanisch, Grammont?

Wahrhaftig, Monseigneur, sehr wenig. Nur Raoul war imstande, den Mann im reinsten Kastilianisch anzureden, der Gefangene erwiderte aber, er sei Deutscher, worauf ihn Raoul zu des Prinzen Verwunderung auch in dieser Sprache und schließlich noch italienisch zu fragen vermochte. Es war aber nichts aus dem Mann herauszubringen.

Es ist gut, sprach der Prinz, der die Ursache dieser Unwissenheit wohl begriff, dieser Mensch ist plündernd und mordend gefangengenommen worden. Er hätte sein Leben durch Sprechen erkaufen können; er will nicht sprechen. Führt ihn weg und laßt ihn über die Klinge springen.

Der Gefangene erbleichte. Die zwei Soldaten, die ihn herbeigebracht hatten, nahmen ihn an den Armen und führten ihn zur Tür, während der Prinz sich gegen den Marschall von Grammont umwandte und seinen Befehl bereits vergessen zu haben schien.

Auf der Türschwelle blieb der Gefangene stehen. Die Soldaten wollten ihn zwingen, weiterzugehen. – Einen Augenblick, sagte der Gefangene französisch; ich bin bereit zu sprechen, Monseigneur. – Ah, ah! rief der Prinz, ich wußte wohl, daß es zuletzt so kommen würde. Ich habe ein vortreffliches Mittel, die Zungen zu lösen. Benutzt es, ihr jungen Leute, wenn ihr einmal kommandieren werdet. – Aber unter der Bedingung, fuhr der Gefangene fort, daß mir Eure Hoheit durch einen Eid mein Leben sichert. – Auf mein adliges Ehrenwort, sprach der Prinz. – Dann fragt, Monseigneur. – Wo ist das Heer über die Lys gesetzt? – Zwischen Saint Benant und Aire. – Von wem wird es befehligt? – Von dem Grafen von Fuensaldagna, von dem General Beck und von dem Erzherzog in Person. – Aus wieviel Mann besteht es? – Aus 18 000 Mann und 36 Feldstücken. – Und es marschiert? – Gegen Lens.

Ihr seht, meine Herren! rief der Prinz, sich mit triumphierender Miene gegen den Marschall von Grammont und die übrigen Offiziere umwendend.

Ja, Monseigneur, sagte der Marschall, Ihr habt erraten, was dem menschlichen Genie zu erraten möglich ist.

Ruft le Plessis-Belliève, Villequier und d’Erlac zurück, sagte der Prinz; ruft alle Truppen zurück, die diesseits der Lys stehen; sie sollen sich bereit halten, noch in dieser Nacht zu marschieren. Morgen greifen wir aller Wahrscheinlichkeit nach den Feind an.

Aber bedenkt, Monseigneur, sprach der Marschall von Grammont, daß wir, wenn wir unsere ganze verfügbare Mannschaft sammeln, kaum die Zahl von 13 000 Mann erreichen werden.

Mein Herr Marschall, entgegnete der Prinz, mit den kleinen Heeren gewinnt man die großen Schlachten. Graf von Guiche, fuhr er fort, Ihr habt lange Zeit Euern Vater nicht gesehen; bleibt bei ihm, und Ihr, Vicomte, wenn Ihr nicht zu müde seid, so folgt mir.

Bis ans Ende der Welt, Monseigneur! rief Raoul, der für diesen jungen General, der ihm seines Rufes so würdig schien, eine grenzenlose Begeisterung fühlte.

Der Prinz lächelte. Er verachtete die Schmeichler, aber er schätzte die Enthusiasten.

Wohlan, mein Herr, sagte er, Ihr seid gut im Rate, wir haben soeben einen Beweis davon erhalten; morgen werden wir sehen, wie Ihr bei der Tat seid…

Und ich, Monseigneur, sprach der Marschall, was soll ich tun?

Bleibt, um die Truppen zu empfangen. Entweder werde ich sie selbst holen, oder ich schicke einen Eilboten, damit Ihr mir sie zuführt. Zwanzig gut berittene Wachen, das ist alles, was ich zu meinem Geleite brauche.

Das ist sehr wenig, versetzte der Marschall.

Genug, entgegnete der Prinz. Habt Ihr ein gutes Pferd, Herr von Bragelonne?

Das meinige ist diesen Morgen getötet worden, und ich reite einstweilen das Pferd meines Bedienten.

Verlangt und wählt selbst in meinen Ställen ein Pferd, welches Euch zusagt. Keine falsche Scham. Nehmt, was Euch am besten dient. Ihr braucht es vielleicht heute abend und morgen ganz gewiß.

Raoul ließ sich das nicht zweimal sagen. Als er zurückkehrte, sagte der Prinz, der eben zu Pferde stieg: Nun, mein Herr, gebt mir den Brief, dessen Überbringer Ihr seid.

Raoul überreichte den Brief.

Haltet Euch in meiner Nähe, mein Herr, sagte der Prinz.

Er gab seinem Pferde die Sporen, hing den Zaum auf den Sattelknopf, wie dies seine Gewohnheit war, wenn er die Hände frei haben wollte, entsiegelte den Brief der Frau von Longueville und entfernte sich, begleitet von Raoul, im Galopp aus der Straße nach Lens, während die Boten, die die Truppen zurückrufen sollten, in entgegengesetzten Richtungen mit verhängten Zügeln fortsprengten.

Der Prinz las während seines eiligen Rittes.

Mein Herr, sprach er nach einem Augenblick, man sagt mir alles mögliche Gute von Euch! Ich habe Euch nur eins zu bemerken, nämlich, daß ich nach dem wenigen, was ich von Euch gesehen und gehört habe, noch mehr von Euch denke, als man mir sagt.

Raoul verbeugte sich. Bei jedem Schritt, der die kleine Truppe gegen Lens führte, erklangen indessen die Kanonenschüsse näher und näher, was den Prinzen zu elektrisieren schien. Endlich hörte man den Donner der Kanonen so nahe, daß man offenbar nur noch eine Meile vom Schlachtfelde entfernt war. An der Wendung der Straße erblickte man das kleine Dorf Aunay. Die Bauern waren in großer Bestürzung. Das Gerücht von den Grausamkeiten der Spanier hatte sich verbreitet und erfüllte alles mit Schrecken. Die Weiber waren bereits gegen Vitry geflohen; einige Männer blieben allein.

Beim Anblick des Prinzen liefen sie herbei. Einer erkannte ihn.

Ach, Monseigneur, sprach er, kommt Ihr, um alle diese Schurken von Spaniern und alle diese Räuber von Lothringern zu verjagen? – Ja, antwortete der Prinz, wenn du mir als Führer dienen willst. – Gern, Monseigneur, wohin soll ich Eure Hoheit führen? – An einen erhabenen Ort, von wo aus ich Lens und seine Umgebung sehen kann. – Das soll geschehen, und was weiter? – Kann ich mich dir anvertrauen? Bist du ein guter Franzose? – Ich bin ein alter Soldat von Rocroy, Monseigneur. – Halt, sagte der Prinz und gab ihm seine Börse, das ist für Rocroy. Willst du nun ein Pferd, oder ziehst du es vor, zu Fuße zu gehen? – Zu Fuße, Monseigneur, zu Fuße, ich habe immer bei der Infanterie gedient. Überdies gedenke ich Eure Hoheit auf Wegen zu führen, wo Ihr selbst abzusteigen genötigt sein werdet. – Vorwärts sprach der Prinz, und keine Zeit verloren.

Eine halbe Meile marschierte man so unter einer Bedeckung von Bäumen. Die Kanonen erklangen so nahe, daß man bei jedem Schusse hätte glauben sollen, man höre die Kugel Pfeifen. Endlich fand man einen Fußpfad, der vom Wege abging und sich auf der Seite eines Berges hinzog. Der Bauer wählte diesen Fußpfad und forderte den Prinzen auf, ihm zu folgen. Dieser stieg ab, befahl einem seiner Adjutanten und Raoul, dasselbe zu tun, und den andern seine Befehle zu erwarten, dabei aber sehr auf ihrer Hut zu sein, und fing an, den Fußpfad zu ersteigen.

Nach zehn Minuten war man in die Ruinen eines alten Schlosses gelangt. Diese Ruinen bekränzten den Gipfel eines Hügels, von dessen Höhe aus man die ganze Umgegend beherrschte. Auf kaum eine Viertelmeile erblickte man Lens hart bedrängt und vor Lens die ganze feindliche Armee. Mit einem Blick umfaßte der Prinz die ganze Strecke, welche sich vor seinen Augen ausdehnte, von Lens bis Vismy. In einem Augenblick entrollte sich die Walstätte, die am andern Tage Frankreich vor einer Invasion retten sollte, vor seinem Geiste. Er nahm einen Bleistift, riß ein Blatt aus seiner Schreibtasche und schrieb:

Mein lieber Marschall!

In einer Stunde wird Lens in der Gewalt des Feindes sein. Kommt zu mir, bringt das ganze Heer mit. Ich werde in Vendrin sein, um es seine Stellung nehmen zu lassen. Morgen haben wir Lens wieder eingenommen und den Feind geschlagen.

Dann wandte er sich gegen Raoul und sagte:

Geht, Herr, jagt mit verhängten Zügeln und bringt Herrn von Grammont diesen Brief.

Raoul verbeugte sich, nahm das Papier, stieg rasch den Berg hinab, schwang sich auf sein Pferd und ritt im Galopp davon. Eine Viertelstunde nachher war er bei dem Marschall.

Es war sieben Uhr abends, als der Marschall am Sammelplatz anlangte. Der Prinz erwartete ihn daselbst; denn er hatte es gesagt, Lens war beinahe unmittelbar nach dem Abgang Raouls in die Gewalt des Feindes gefallen. Das Einstellen der Kanonade hatte überdies dieses Ereignis verkündigt.

Man erwartete die Nacht. Mit dem Eintritt der Finsternis langten nach und nach die von dem Prinzen herbeibefohlenen Truppen an. Es wurde Befehl gegeben, daß keine Abteilung die Trommel rühren oder die Trompete blasen lassen sollte.

Um neun Uhr war es völlig Nacht geworden. Eine letzte Abenddämmerung erleuchtete indessen die Ebene. Man setzte sich schweigend in Marsch. Der Prinz befehligte die Kolonne.

Jenseits Aunay angelangt, erblickte das Heer Lens. Einige Häuser standen in Flammen, und ein dumpfes Geräusch, das den Todeskampf einer im Sturme genommenen Stadt andeutete, drang bis zu den Soldaten.

Der Prinz bezeichnete jedem seinen Posten. Der Marschall von Grammont sollte die äußerste Linke halten und sich an Mericourt anlehnen. Der Herzog von Chatillon sollte das Zentrum, der Prinz selbst den rechten Flügel bilden und herwärts von Aunay bleiben.

Die Schlachtordnung vom andern Tag sollte der Tags zuvor eingenommenen Stellung genau entsprechen. Jeder sollte sich beim Erwachen auf dem Terrain befinden, wo er zu manövrieren hatte.

Die Bewegung wurde in der tiefsten Stille und mit der größten Pünktlichkeit ausgeführt. Um zehn Uhr nahm jeder seine Stellung ein. Um halb elf durchlief der Prinz die Posten und gab die Parole für den andern Tag.

Er überließ den Grafen von Guiche seinem Vater und behielt Bragelonne für sich; aber die zwei jungen Leute baten um Erlaubnis, die Nacht miteinander zubringen zu dürfen, was ihnen auch bewilligt wurde.

Es wurde für sie ein Zelt in der Nähe des für den Marschall bestimmten aufgeschlagen. Obgleich der Tag ermüdend gewesen war, so fühlte doch keiner von beiden ein Bedürfnis zu schlafen.

Man kann sich denken, daß die beiden Jünglinge am Vorabend ihrer ersten Schlacht von eigenen Gedanken bewegt wurden; nach wenigen Augenblicken setzte sich jeder von ihnen an ein Ende des Zeltes und fing an, auf seinem Schoße zu schreiben. Die Briefe wurden lang; von Zeit zu Zeit schauten sich die jungen Leute lächelnd an; sie verstanden sich, ohne etwas zu sprechen.

Sobald die Briefe vollendet waren, legte jeder den seinigen in zwei Umschläge, so daß man den Namen der Person, an die das Schreiben gerichtet war, nicht lesen konnte, ohne den ersten Umschlag zu zerreißen. Dann tauschten sie ihre Briefe lächelnd aus.

Wenn mir Unglück widerfahren sollte … sagte Bragelonne.

Wenn ich getötet würde… sprach von Guiche.

Seid unbesorgt, sagten alle beide.

Hierauf umarmten sie sich, wie zwei Brüder, hüllten sich in ihre Mäntel und schliefen den jungen, lieblichen Schlaf, den die Vögel, die Blumen und die Jünglinge schlafen.