Zweites Kapitel.

Am Tische, in diesem nämlichen Saale saß des Abends der alte Zygfryd de Löwe, welcher nach Danvelds, des Starosten, Tode die Verwaltung von Szczytno übernommen hatte, an seiner Seite der Bruder Rotgier, sowie der Ritter de Bergow, der ehemalige Gefangene Jurands. Diesem reihten sich zwei jüngere Edelleute, Novizen an, welche binnen kurzem die weißen Mäntel tragen sollten. Draußen vor den Fenstern tobte der Wintersturm, er rüttelte an den in Blei gefaßten Scheiben, bewegte die Flammen der in eisernen Ringen hängenden Fackeln hin und her, dann und wann trieb er kleine Rauchwölkchen aus dem Kamine in den Saal. Obgleich die Ritter sich zur Beratung versammelt hatten, herrschte anfangs tiefes Schweigen unter ihnen, denn jeder wartete auf ein Wort Zygfryds. Dieser aber saß, die Ellbogen auf den Tisch gestützt, das graue, gebeugte Haupt mit beiden Händen umfassend, so daß sein Antlitz sich im Schatten befand, in trübe, düstere Gedanken versunken da.

»Worüber haben wir zu beraten?« fragte schließlich Rotgier.

Zygfryd erhob das Haupt, sah den Sprechenden an und aus seiner Versunkenheit erwachend, sagte er: »Ueber unsere Niederlage, darüber, was der Meister und das Kapitel sagen werden, und auch darüber, ob aus unsern Thaten nicht ein Schaden für den Orden erwachsen kann …«

Dann verstummte er wieder, nach einer Weile indessen blickte er sich um und bemerkte, mit den Nasenlöchern die Luft einziehend: »Hier riecht es noch nach Blut!«

»Nicht doch, Komtur,« entgegnete Rotgier, »ich befahl, den Fußboden zu scheuern und den Saal mit Schwefel auszuräuchern. Es riecht nach Schwefel.«

Zygfryd betrachtete die Anwesenden mit seltsamen Blicken und sagte: »Erbarme sich Gott über die Seele des Bruders Danveld und über die Seele des Bruders Godfryd!«

Jene aber begriffen sofort, daß er deshalb die Barmherzigkeit Gottes anrief, weil ihm bei der Erwähnung des Schwefels unwillkürlich der Gedanke an die Hölle gekommen war, und alle riefen zugleich: »Amen! Amen! Amen!«

Wieder war einige Zeit nichts zu hören, als das Brausen des Windes und das Klirren der Fensterscheiben.

»Wo befinden sich die Leichname des Komturs und des Bruders Godfryd?« fragte der Greis.

»In der Kapelle!«

»Hat man sie schon in die Särge gelegt?«

»Ja! Des Komturs Haupt ward verhüllt, weil die Hirnschale zerschmettert, das Antlitz vollständig unkenntlich ist.«

»Wo sind die andern Toten? Und die Verwundeten?«

»Die Toten liegen im Schnee, damit sie vor Verwesung bewahrt bleiben, bis die Särge verfertigt sind, und die Verwundeten werden im Hospital verpflegt.«

Zygfryd schlug abermals die Hände über dem Haupt zusammen.

»Und all dies hat ein einziger Mensch gethan! Gott, nimm den Orden in Deine Obhut, wenn es zu einem großen Kriegszuge mit dieser Wolfsbrut kommt.«

Daraufhin richtete Rotgier den Blick nach oben, als ob ihm plötzlich eine Erinnerung käme, und bemerkte: »Bei Wilna habe ich gehört, wie der Vogt von Samland zu seinem Bruder, dem Meister, sagte: ›Wenn Du keinen großen Kriegszug unternimmst und sie nicht so ausrottest, daß selbst ihr Name der Vergessenheit anheimfällt, dann wehe uns und unserm Volke!‹«

»Gott gebe, daß es zu einem solchen Kriege, zu einem heftigen Zusammenstoß mit ihnen komme!« sagte einer, der edlen Novizen.

Zygfryd sah in durchdringend an, wie wenn er Lust hätte zu sagen: »Du hattest ja heute Gelegenheit, mit einem von ihnen zu kämpfen!« aber als er die zarte, jugendliche Gestalt des Novizen betrachtete, da kam ihm wohl der Gedanke, daß ja auch er selbst, der seines Mutes wegen berühmt war, sich nicht dem sicheren Verderben hatte aussetzen wollen, und er sprach sich nicht aus, sondern fragte nur: »Wer unter Euch hat Jurand gesehen?«

»Ich!« entgegnete de Bergow.

»Lebt er noch?«

»Er lebt und liegt noch in demselben Netze, worin wir ihn zu Fall gebracht haben. Als er zum Bewußtsein kam, wollten ihn die Knechte erschlagen, doch der Kaplan duldete es nicht!«

»Erschlagen darf er nicht werden. Er ist wohlangesehen bei seinen Stammesgenossen und man würde einen fürchterlichen Lärm erheben,« entgegnete Zygfryd. »Doch wird es nicht möglich sein, das zu verbergen, was vorgegangen ist, da zu viele Zeugen anwesend waren.«

»Was sollen wir also sagen und was haben wir zu thun?« fragte Rotgier.

Zygfryd bedachte sich und schließlich sprach er folgendermaßen: »Ihr, edler Graf de Bergow, begebt Euch nach Marienburg. Ihr seufztet in der Gefangenschaft Jurands und seid ein Gast des Ordens. Da Ihr nun als Gast nicht unbedingt die Partei der Ordensbrüder nehmen müßt, wird man Euch um so eher glauben. Sagt daher, was Ihr mit angesehen habt, sagt, daß Danveld, der an der Grenze irgend ein Mädchen aus den Händen von Räubern befreit hatte, in der Meinung, dies Mädchen sei Jurands Tochter, dem Gebieter von Spychow, welcher nach Szczytno gekommen war, Mitteilung davon gemacht habe, und daß – nun, was weiter geschah, wißt Ihr selbst!«

»Verzeiht, Komtur,« antwortete de Bergow. »Schwer ist die Gefangenschaft in Spychow gewesen, und gerne würde ich als Gast für Euch zeugen, doch um meiner Seelenruhe willen sagt mir nur das eine: ist denn Jurands Tochter nicht in Szczytno gewesen und hat nicht Danvelds Verrat den Wahnsinn des furchtbaren Mannes herbeigeführt?«

Zygfryd de Löwe schwankte einen Augenblick mit der Antwort. Ein tiefer Haß gegen den polnischen Stamm erfüllte ihn, seine Grausamkeit übertraf sogar die Danvelds, er war voll Hochmut und Habsucht, wenn es sich um die Angelegenheiten des Ordens handelte, aber einer offenbaren Lüge machte er sich nicht gerne schuldig. Mit der größten Bitterkeit nahm er daher wahr, wie sich in der letzten Zeit diese Angelegenheiten durch den Leichtsinn und die Zügellosigkeit einiger Ordensritter gar schlimm gestaltet hatten. Deshalb berührte de Bergows Frage einen wunden Punkt in seiner Seele, und erst nach langem Schweigen erwiderte er: »Danveld steht vor Gott, Gott wird ihn richten! Und wenn man Euch, edler Graf, nach Eurer Ansicht fragt, dann sagt, was Ihr wollt, und wenn man darnach fragt, was Eure Augen mit angeschaut haben, dann erzählt, daß bevor wir noch das Netz über dem Rasenden zusammenziehen konnten, Ihr schon neun Tote und viele Verwundete auf diesem Fußboden saht, unter ihnen die Leichname Danvelds, Bruder Gofryds, von Brachts, Hugos und zweier edlen Jünglinge. Gott gebe ihnen die ewige Ruhe. Amen!«

»Amen! Amen!« wiederholten abermals die Novizen.

»Und sagt auch,« fügte Zygfryd hinzu, »daß wenn schon Danveld den Feind des Ordens demütigen wollte, doch niemand hier zuerst das Schwert gegen Jurand gezogen hat.«

»Ich werde nur das berichten, was ich mit eigenen Augen ansah!« entgegnete de Bergow.

»Findet Euch vor Mitternacht in der Kapelle ein. Auch wir werden kommen, um für die abgeschiedenen Seelen zu beten,« antwortete Zygfryd.

Und er streckte die Hand gegen ihn aus zum Zeichen, daß er ihm danke und ihn zugleich verabschiede, denn er wünschte mit dem Bruder Rotgier, den er liebte und dem er großes Vertrauen schenkte, allein zu sein.

Nachdem de Bergow sich entfernt hatte, schickte Zygfryd auch die beiden Novizen fort, unter dem Vorwande, sie sollten die Arbeit der Knechte überwachen, welche die Särge für die von Jurand Erschlagenen verfertigen mußten. Als die Thüre sich hinter den beiden geschlossen hatte, wandte er sich zu Rotgier und sprach: »Höre, was ich Dir sage: keine lebende Seele darf jemals erfahren, daß die wirkliche Tochter Jurands hier bei uns ist.«

»Es wird nicht schwer sein, das Geheimnis zu bewahren,« entgegnete Rotgier, »denn außer Danveld, Godfryd, uns beiden und dem Weibe, unter dessen Obhut sie sich befindet, hat niemand erfahren, daß sie hier ist. Die Leute, welche sie aus dem Jagdhofe hierher geleiteten, ließ Danveld betrunken machen. Unter der Besatzung hegten wohl manche anfangs Argwohn, aber schließlich verwechselten sie doch Jurands Tochter mit der Blödsinnigen und wissen nicht mehr, ob auf unserer Seite ein Irrtum begangen, oder ob Jurands Tochter in der That durch irgend einen Schwarzkünstler verwandelt worden ist.«

»Was thun wir aber mit Jurands Tochter und wie können wir rechtfertigen, was in Szczytno geschehen ist?«

»Darüber müssen wir noch zu Rate gehen!«

»Ueberlaßt sie mir!«

Zygfryd blickte ihn forschend an und erwiderte: »Nein! Höre, junger Bruder! Wenn es sich um den Orden handelt, darf man weder gegen Männer noch gegen Weiber, aber auch nicht gegen sich selbst nachsichtig sein. Danveld wurde von Gottes Hand getroffen, weil er nicht nur das dem Orden zugefügte Unrecht rächen, sondern auch die eigenen Gelüste befriedigen wollte.«

»Gar schlimm beurteilt Ihr mich!« sagte Rotgier.

»Seid nicht nachsichtig gegen Euch selbst,« unterbrach ihn Zygfryd, »denn Geist und Körper sind verweichlicht bei Euch und jenes harte Volk wird Euch dereinst so zu Boden drücken, daß Ihr Euch nicht mehr zu erheben vermögt!«

Wieder stützte er das Haupt in die Hände und versank in düsteres Schweigen, aber offenbar lauschte er nur den Einflüsterungen seines eigenen Gewissens und dachte nur an sich selbst, denn nach einer Weile sagte er: »Auch auf mir lastet viel vergossenes Blut, lasten viele Schmerzen, viele Thränen. Doch wenn es sich um den Orden handelt und wenn ich sehe, daß ich mit eigener Kraft nichts ausrichten kann, da bedenke ich mich nie lange, ich wende mich an Gott den Herrn, ich sage ihm: siehe, dies that ich für den Orden und hier ist, was ich für mich selbst erwählt habe!«

Bei diesen Worten schob er vorn auf der Brust das dunkle Tuchgewand auseinander, unter dem das härene Bußhemd sichtbar ward. Dann drückte er beide Hände an die Schläfen, hob den Kopf empor und rief aus: »Entsagt Eurer Wollust und Eurer Leichtfertigkeit, stählt Eure Körper und Eure Herzen, denn in den Lüften sehe ich weiße Adlerfedern und Adlerkrallen, die von dem Blute der Kreuzritter gerötet sind …«

Seine Rede wurde durch das Tosen des Sturmes unterbrochen, hoch oben über der Galerie ging klirrend ein Fenster auf, heulend und pfeifend fuhr die Windsbraut durch den Saal, einen Haufen Schneeflocken mit sich führend.

»Im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes! Welch eine Nacht ist das!« sagte der alte Kreuzritter.

»Eine Nacht, in der die bösen Geister Gewalt haben!« versetzte Rotgier.

»Und die Geistlichen wachen bei Danvelds Leichnam?«

»Ja, sie wachen bei ihm!«

»Er ging dahin ohne Absolution! … Gott sei ihm gnädig!«

Beide verstummten, dann nach einer Weile rief Rotgier einige Knechte herbei, denen er befahl, das Fenster zu schließen und die Fackeln abzustoßen, damit sie heller leuchteten. Als sie sich wieder entfernt hatten, fragte er abermals: »Was habt Ihr mit Jurands Tochter vor? Ihr führt sie wohl von hier nach Insburk?«

»Ich führe sie nach Insburk, und was geschehen muß, soll mit ihr geschehen! Du aber wirst Dich an den Hof des Fürsten von Masovien begeben und gegen Jurand Klage führen.«

»Wollt Ihr mich dem sicheren Verderben weihen?«

»Wenn Dein Verderben dem Orden zum Ruhme gereicht, muß es so sein. Aber nein! Deiner harrt nicht das Verderben. Als Gast bleibst Du unbehelligt, es sei denn, daß Dich jemand fordere, wie jener junge Ritter, der uns alle gefordert hat … Er oder ein anderer … aber wäre dies denn so furchtbar?«

»Gott gebe, daß es so komme! Doch können sie mich auch ergreifen und in ein unterirdisches Gefängnis werfen.«

»Dies werden sie nicht thun. Vergiß nicht, daß Jurand jenen Brief an den Fürsten schrieb und daß Du außerdem kommst, um Jurand anzuklagen. Erzähle getreu, was er hier in Szczytno gethan hat, und sie müssen Dir Glauben schenken … Also dem Gebieter von Spychow ward mitgeteilt, daß sich eine Jungfrau in unsern Händen befinde, dann ward er aufgefordert zu kommen und sie zu sehen; er kam, verfiel aber in Wahnsinn, tötete den Komtur und richtete unsere Leute zu Grunde. So wirst Du sprechen, und was können sie darauf erwidern? Danvelds Tod wird bald in ganz Masovien ruchbar werden. In Anbetracht dieser Thatsache werden sich unsere Feinde hüten, eine Klage zu erheben. Die Tochter Jurands werden sie natürlich suchen, aber da Jurand selbst schrieb, sie befinde sich nicht bei uns, wird auch auf uns kein Verdacht fallen. Man muß recht dreist auftreten und ihnen das Maul schließen, dann denken sie, wenn wir schuldig wären, würde keiner von uns es wagen, zu ihnen zu kommen.«

»Ihr habt recht. Nach Danvelds Begräbnis werde ich sogleich aufbrechen.«

»Möge die Klugheit mit Dir sein, mein Sohn! Wenn wir alles thun, was sich gebührt, dann können sie Dich nicht zurückhalten, ja, sie müssen sich sogar von Jurand lossagen, damit wir nicht verkünden können: Also verfahren sie mit uns!«

»Wohl, doch wenn dieser Teufel aus Spychow am Leben bleibt und die Freiheit wieder erlangt?«

Zygfryd schaute düster vor sich nieder, dann aber antwortete er langsam und nachdrücklich: »Wenn er auch die Freiheit wieder erlangt, wird er doch niemals ein Wort der Klage gegen den Orden äußern.«

Hierauf belehrte er Rotgier noch darüber, was er am masovischen Hof zu sagen und was er dort zu verlangen habe.

Sechstes Kapitel.

Gegen die Mittagszeit am folgenden Tage stellten sich die beiden Abgesandten wieder bei Jurand ein und kurze Zeit darauf machten sie sich mit de Bergow, den zwei Knappen und etlichen andern Gefangenen auf die Heimfahrt. Jurand aber ließ Pater Kaleb zu sich entbieten, der an den Fürsten einen Brief des Inhalts schreiben mußte, Danusia sei nicht von den Ordensrittern geraubt worden, er, Jurand, werde jedoch ihren Aufenthaltsort erfahren und hege die Hoffnung, sie schon in wenigen Tagen wieder sehen zu können. Das gleiche teilte er auch Zbyszko mit, welcher sich in der verflossenen Nacht nicht mehr gekannt hatte vor Angst und Sorge. Soviel aber auch letzterer fragte, der alte Ritter erteilte keine Antwort, sondern erklärte nur, Zbyszko müsse sich in Geduld fassen und dürfe nichts zur Befreiung Danusias unternehmen, da dies ganz unnötig sei. Gegen Abend schloß er sich aufs neue mit Pater Kaleb ein, durch den er seinen letzten Willen niederschreiben ließ, um dann bei ihm zu beichten und das heilige Abendmahl zu empfangen. Erst spät beschied er Zbyszko und den alten, stets schweigsamen Tolima zu sich, der ihm bei allen Unternehmungen und Kämpfen ein treuer Gefährte war, und welcher in Friedenszeiten Spychow verwaltete.

»Sieh hier,« sagte, sich zu dem alten Edelmann wendend und die Stimme in einer Weise erhebend, die bewies, daß er zu einem schwerhörigen Menschen sprach, »sieh hier den Ehegemahl meiner Tochter, der mit ihr an dem fürstlichen Hofe getraut ward, und der meine Zustimmung erlangt hat. Nach meinem Tode wird er folglich der Herr über Spychow sein, er wird der Erbe der Burg, der Ländereien, der Wälder, der Sümpfe, der Leute, kurz all des Habes und Gutes sein, das sich in Spychow befindet …«

Diese Worte versetzten Tolima in großes Staunen. Unablässig wendete er seinen unförmigen Kopf bald zu Zbyszko, bald zu Jurand. Allein er erwiderte nichts, sprach er doch nur ganz selten, dagegen neigte er sich schließlich vor Zbyszko und umfaßte dessen Knie.

Jurand aber fuhr fort: »Pater Kaleb hat meinen letzten Willen niedergeschrieben und dieses Schriftstück mit seinem Siegel aus Wachs versehen, Du aber sollst bezeugen, daß ich Dir dies alles mitgeteilt und Dir befohlen habe, diesem jungen Ritter ein ebenso offenes Ohr zu leihen, wie dies bei mir der Fall gewesen ist. Zeige ihm auch die Beute und das Geld, welche die Schatzkammer birgt, und diene ihm treu bis in den Tod in Friedenszeiten und in Kriegsläuften. Hast Du mich verstanden?«

Tolima legte die Hand ans Ohr, neigte bejahend das Haupt und verließ, von Jurand durch eine Handbewegung entlassen, rasch das Gemach. Letzterer jedoch redete nun in besonders eindringlichem Tone zu Zbyszko: »Für das, was sich in der Schatzkammer befindet, kann man, selbst wenn die Forderung noch so hoch gestellt sein würde, nicht nur einen, sondern hundert Kriegsgefangene loskaufen, dessen gedenke stets.«

»Weshalb habt Ihr mir jetzt schon Spychow verschrieben?« fragte Zbyszko.

»Etwas weit Kostbareres als Spychow habe ich Dir ja bereits überlassen – mein eigenes Kind.«

»Und unsere Todesstunde kennen wir nicht,« warf Pater Kaleb ein.

»Wahrlich, wir kennen sie nicht,« wiederholte Jurand in traurigem Tone. »Aus dem Schnee hat man mich ja erst vor kurzem herausgraben müssen, allein, wenn mir Gott auch einen Retter geschickt hat, die frühere Kraft besitze ich doch nicht mehr.«

»Beim Allmächtigen!« rief Zbyszko, »seit gestern Abend ist irgend etwas mit Euch vorgegangen! Statt von Danusia zu sprechen, redet Ihr vom Tode. Beim allmächtigen Gotte, was bedeutet das?«

»Danusia kehrt zu Dir zurück, sie kehrt zurück!« versetzte Jurand. »Sie steht in Gottes Hand. Sobald sie jedoch zurückgekehrt sein wird – hörst Du – bringe sie unverzüglich nach Bogdaniec. Spychow übergebe Tolima … Er ist ein treuer Mann … Hier ist eine schlimme Nachbarschaft … Von dort wird niemand Dir Dein Weib gebunden hinwegführen … Dort kannst Du sie vor Gefahr beschützen …«

»Hei!« schrie nun Zbyszko auf, »Ihr sprecht ja gerade, als ob Ihr schon im Jenseits wäret! Was soll das heißen?«

»Viel hätte nicht mehr gefehlt, und ich wäre aus dieser Welt geschieden! Nun aber ist’s mir, wie wenn mich eine Krankheit darnieder beugte. Der Gram ist’s um das Kind – ich habe ja nur dies eine. Und Du, obwohl ich weiß, daß Du sie liebst …«

Hier brach er plötzlich ab, zog das »Misericordia« aus der Scheide und hielt den Griff des kurzen Dolches seinem Eidam mit den Worten entgegen: »Du schwörst mir auf dieses Kreuz, daß Du ihr nie ein Unrecht zufügen, daß Du sie stets in Treuen lieben wirst.«

Dem jungen Ritter standen plötzlich Thränen in den Augen. Auf die Knie fallend und die Finger auf den Dolchgriff legend, rief er: »Bei den Wundmalen des Erlösers, nie werde ich ihr ein Unrecht zufügen, ewig werde ich sie in Treuen lieben!«

»Amen!« sprach der Priester Kaleb.

Das »Misericordia« wieder in die Scheide steckend, breitete Jurand nun die Arme gegen Zbyszko aus und sagte: »In unserer Liebe für dieses Kind sind wir ja eins.«

Dann trennten sie sich, denn es war schon spät geworden, und mehrere Nächte hindurch hatte keiner von ihnen rechten Schlaf gefunden. Trotzdem erhob sich Zbyszko am folgenden Morgen mit Tagesanbruch. Er konnte den Gedanken nicht los werden, Jurand sei krank, es drängte ihn daher, zu hören, wie der alte Ritter die Nacht verbracht habe.

Vor Jurands Gelaß traf er mit Tolima zusammen, der gerade aus der Thüre trat.

»Wie steht es mit dem Herrn? Ist er gesund?« fragte Zbyszko.

Jener verneigte sich tief, führte die Hand an das Ohr und bemerkte: »Was befiehlt Euer Gnaden?«

»Ich frage, wie es mit dem Herrn steht,« wiederholte Zbyszko mit erhobener Stimme.

»Der Herr hat eine Reise angetreten.«

»Wohin?«

»Ich weiß es nicht. Er ist bewaffnet.«

Viertes Kapitel.

Nach Verlauf eines Jahres segnete der Großmeister Konrad das Zeitliche. Jasko aus Zgorzelic, Jagienkas Bruder, vernahm in Sieradz die Kunde von dessen Tod und von der Wahl Ulryks von Jungingen; er brachte daher auch zuerst die Nachricht nach Bogdaniec, wo sie, wie auf allen andern Edelsitzen, die größte Erregung hervorrief.

»Eine Zeit bricht an, wie wir sie zuvor noch niemals erlebt haben,« erklärte der alte Macko in feierlichem Tone, während Jagienka sofort die Kinder zu Zbyszko brachte und von diesem solch rührenden Abschied zu nehmen begann, als ob er schon am nächsten Morgen aufbrechen müsse. Wenn nun aber auch Macko und Zbyszko wußten, daß die Kriegsflamme nicht so rasch auflodern könne wie das Feuer auf dem Herde, sagten sie sich doch, es müsse über kurz oder lang zum Kriege kommen, und trafen deshalb ihre Vorbereitungen. Sie wählten Pferde, Rüstungen und Waffen aus und unterwiesen nicht nur die Knappen und die Dienstleute in dem Kriegshandwerke, sondern auch die nach deutschem Rechte ihres Amtes waltenden Dorfschulzen, welche an jedem Kriegszuge als Berittene teilnehmen mußten, sowie die unbemittelteren Edelleute, denen viel daran lag, sich an wohlhabendere Ritter anschließen zu dürfen. Auch auf allen andern größern Edelsitzen regte sich das gleiche Leben. Fortwährend ertönte der Klang der Hämmer in den Schmieden, allerorts wurden die alten Rüstungen gereinigt, die Bogen und das Riemenzeug mit flüssig gemachtem Fette eingerieben, die Wagen wurden frisch mit Eisen beschlagen, Vorräte von gemahlenem Korn und geräuchertem Fleische wurden aufgespeichert. An Sonn- und Festtagen teilte man sich in den Kirchen die eingetroffenen Nachrichten mit, die, wenn sie friedlich lauteten, stets eine gewisse Niedergeschlagenheit hervorriefen. Jedermann hegte die feste Ueberzeugung, daß man endlich den furchtbaren Feind des polnischen Volkes darniederwerfen müsse, daß das Königreich erst dann erstarken, sich erst dann einer gedeihlichen Entwickelung erfreuen könne, wenn sich die prophetischen Worte der heiligen Brigitta erfüllt haben würden, laut derer den Kreuzrittern die Zähne ausgebrochen werden würden und sie der rechten Hand verlustig gehen sollten.

Besonders um Macko und Zbyszko, welche viel von dem Orden zu erzählen wußten und schon mit den Deutschen gekämpft hatten, bildete sich in Krzesnia stets ein Kreis von Neugierigen, denn nicht nur neue Kunde wollte man von ihnen erfahren, sondern sich von ihnen auch über die angemessenste Art der Kriegsführung gegen die Deutschen unterrichten lassen. »Wie können wir am besten gegen sie aufkommen? Wie erweisen sie sich im Kampfe? In welcher Hinsicht sind sie den Polen überlegen, in welcher Hinsicht stehen sie hinter denselben zurück? Ist es ratsamer, mit der Streitaxt oder mit dem Schwerte gegen sie vorzugehen, wenn der Speer entzwei gebrochen ist?« so lauteten die Fragen, die man an die Ritter aus Bogdaniec stellte.

Letztere waren aber auch in der That wohl unterrichtet über all diese Dinge, was wunder daher, daß man ihren Aussprüchen mit umso größerer Aufmerksamkeit lauschte, als die Ueberzeugung immer mehr um sich griff, der Krieg werde ein sehr blutiger werden, denn die Polen, welche sich zweifellos mit den berühmtesten Rittern aus aller Herren Länder zu messen haben würden, konnten sich nicht damit zufrieden geben, dem Feinde da und dort eine Niederlage beizubringen, sondern sie mußten ihn, um nicht selbst zu Gründe gerichtet zu werden, völlig vernichten. »Was geschehen muß, muß geschehen!« sprachen die Edelleute untereinander, »es handelt sich um den Tod des Feindes oder um den unsern.« Und das ganze Volk schloß sich diesem Glauben an, dieses Volk, in dem ein Ahnen seiner zukünftigen Größe dämmerte, ließ sich nicht darniederdrücken, nein, im Gegenteil, der Wunsch nach Kraftbethätigung steigerte sich in jedem einzelnen täglich, stündlich. Doch ohne Selbstüberhebung, ohne Ruhmsucht sahen Hohe und Niedrige den kommenden Ereignissen entgegen, ernst, entschlossen und todesmutig bereiteten sie sich für ihre Aufgabe vor.

Uns oder ihnen der Tod! war die Losung.

Indessen verstrich die Zeit, aber zum Kriege wollte es nicht kommen. Wohl verbreitete sich die Kunde von neuen Mißhelligkeiten, die zwischen dem König Wladislaw Jagiello und dem Orden entstanden sein sollten wegen dem schon vor Jahren erworbenen Gebiete von Dobrzyn, wegen Grenzbestimmungen und wegen Dresden, wovon viele in damaliger Zeit noch nichts gehört hatten. Doch vom Kriege war noch keine Rede. Mehr und mehr regten sich Zweifel darüber, ob es überhaupt zum Kriege kommen werde, waren doch bisher alle Zwistigkeiten durch Verhandlungen, Vergleiche und durch die Absenkung von Gesandten beigelegt worden. Thatsächlich entstand auch bald das Gerücht, es seien Gesandte des Ordens nach Krakau, Gesandte der Polen nach Marienburg geschickt worden, und plötzlich sprach man allenthalben davon, daß nicht nur die Könige von Böhmen und Ungarn zu vermitteln versuchten, sondern daß auch der Papst seine Vermittlung angeboten habe. Genaues wußte man freilich nur in der Nähe von Krakau, vielleicht aber gerade deshalb tauchten im ganzen Lande die merkwürdigsten und seltsamsten Vermutungen auf. Der König ließ jedoch noch immer auf sich warten.

Schließlich wußte selbst Macko, nach dessen Ansicht der Krieg sicher drohte, nicht mehr recht, was er von all dem denken solle, und machte sich nach Krakau auf, um genauere Kunde zu erlangen. Seine Abwesenheit währte indessen nicht lange, denn schon nach fünf Wochen kehrte er wieder zurück – und mit einem freudestrahlenden Gesichte kehrte er wieder zurück. Den Edelleuten aber, die ihn wie gewöhnlich in Krzesnia umringten und voll Spannung seiner Mitteilungen harrten, antwortete er auf ihre tausenderlei Fragen mit der Gegenfrage: »Sind Eure Lanzen, Eure Speere und Eure Streitäxte geschärft?«

»Weshalb? Warum? Bei den Wundenmalen des Erlösers, was bringt Ihr Neues? Wen habt Ihr gesehen?« rief man ihm nun von allen Seiten zu.

»Wen ich gesehen habe? Zindram aus Maszkowice! Und was ich Neues bringe? Traun, ich glaube, daß Ihr Eure Pferde bald satteln dürft.«

»Guter Gott! Was wollt Ihr damit sagen? Sprecht doch!«

»Habt Ihr schon von Dresden gehört?«

»Gewiß hörten wir schon davon. Doch diese kleine Burg unterscheidet sich ja in nichts von vielen andern Burgen, und unserm Ermessen nach umfaßt sie kein größeres Gebiet als Bogdaniec.«

»Eine geringfügige Ursache für einen Krieg – seid Ihr nicht auch der Meinung?«

»Eine gar geringfügige Ursache – fürwahr! Wegen ganz anderer Ländergebiete hat es schon Zwistigkeiten gegeben, und doch ist es nie zum Kriege gekommen.«

»Wißt Ihr aber, wie sich Zindram aus Maszkowice über Dresden geäußert hat?«

»Sprecht schnell! Spannt uns nicht länger auf die Folter!«

»Er sagte folgendes zu mir: ›Ein Blinder ging einst eine Landstraße entlang und fiel über einen Stein. Er fiel, weil er blind war, trotzdem bildete aber der Stein die Ursache seines Falles.‹ Bei meiner Treu, dies Dresden ist solch ein Stein!«

»Was soll dies heißen? In voller Kraft steht ja der Orden da!«

»Versteht Ihr mich nicht? Dann will ich Euch noch ein anderes Beispiel geben. Wenn ein Gefäß voll ist, genügt ein Tropfen, um es zum Ueberfließen zu bringen.«

Diese Worte entflammten die Kampflust der Edelleute dermaßen, daß Macko sie nur mit Mühe beschwichtigen konnte, wollten sie doch ungesäumt zu Pferde steigen und nach Sieradz reiten.

»Haltet Euch bereit!« ließ sich der alte Ritter stets von neuem vernehmen, »haltet Euch bereit, aber wartet geduldig. Man wird unserer nicht vergessen, dessen dürft Ihr sicher sein.«

Und so harrten sie und harrten sie! Allein so lange wurde ihre Geduld abermals auf die Probe gestellt, daß sich wiederum in aller Herzen der Zweifel an dem Ausbruche des Krieges regte. Nur Macko hielt seine Ansicht aufrecht, denn als das Eintreffen der Zugvögel das Nahen des Frühlings verkündigte, da erkannte er, kraft seiner langen Erfahrung, aus verschiedenen Anzeichen, daß der Krieg, und zwar ein gewaltiger Krieg, vor der Thüre stehe.

Zuvörderst wurden so große Jagden in allen königlichen Forsten und Waldwildnissen angeordnet, wie sich ihrer kaum die ältesten Leute zu erinnern wußten. Tausende von Treibern wurden aufgeboten und demzufolge auch ganze Herden von Auerochsen, Bisons, Hirschen, Ebern und von allerlei anderm Wild erlegt. Wochen und Monde hindurch stieg der Rauch in den Wäldern empor, denn die gesalzenen Fleischstücke wurden geräuchert, um an die größeren Plätze der Wojwodschaft verschickt, vornehmlich aber, um in Plock aufgespeichert werden zu können. Offenbar wollte man Vorräte für gewaltige Kriegsheere sammeln, und Macko wußte sich dies sehr wohl zu deuten, da Witold derartige Jagden vor allen seinen bedeutenden Unternehmungen gegen Litauen hatte abhalten lassen. Doch auch noch andere Anzeichen sprachen für den Krieg. Die Bauern zum Beispiel entzogen sich haufenweise der Herrschaft der Deutschen, indem sie in das Königreich und nach Masovien entwichen. In dem Gebiete um Bogdaniec trafen zwar hauptsächlich Flüchtlinge ein, welche den deutschen Rittern in Schlesien unterthan waren, doch wie die Leute berichteten, zeigte sich allerorts, besonders aber in Masovien die gleiche Bewegung. Hlawa, der ja Spychow in Masovien bewirtschaftete, schickte gegen zwanzig Masuren, die aus Preußen zu ihm geflohen waren. Diese Mannen hatten um die Erlaubnis gebeten, unter dem Fußvolke an dem Kriege teilnehmen zu dürfen, weil sie an den ihnen aus ganzer Seele verhaßten Kreuzrittern Rache nehmen wollten. Den Aussagen jener nach standen bereits verschiedene Grenzansiedelungen fast gänzlich verödet, da die Großbauern mit Weibern und Kindern sich unter den Schutz der Fürsten von Masovien gestellt hatten. Bald zeigten sich in dem ganzen Lande Scharen von Bettlern, die aus Preußen kommend, nach Krakau ziehen wollten. Aus Danzig, aus Marienburg und Thorn, ja, sogar aus dem fernen Königsberg, kurz aus allen preußischen Städten, aus allen Komtureien eilten sie herbei, und nicht nur Bettler waren es, sondern auch Küster, Orgelspieler, Klosterbedienstete, ja sogar Kleriker und Priester. Von ihnen hoffte man allerlei über Preußen zu erfahren, durch sie glaubte man, sich darüber unterrichten zu können, wie es sich mit den Kriegsvorbereitungen, mit der Befestigung der Burgen, mit den Besatzungstruppen, mit den fremden Kriegern und Gästen verhalte. In der That flüsterte auch einer dem andern zu, die Wojwoden in den größeren Städten der Wojwodschaft und die Ratsherren in Krakau hätten sich schon Stunden lang mit verschiedenen der Flüchtlinge eingeschlossen, um sie zu vernehmen und ihre Berichte niederzuschreiben. Etliche begaben sich sogar heimlich wieder nach Preußen, um mit neuer Kunde in das Königreich zurückzukehren, ja, aus Krakau traf die Nachricht ein, der König und die Ratsherren seien nunmehr über jeden einzelnen Schritt der Kreuzritter unterrichtet.

Ganz anders verhielt es sich in Marienburg. Ein von dort entflohener Geistlicher erschien in Koniecpole und erzählte den daselbst hausenden Herren, daß sich weder Ulryk von Jungingen, noch irgend ein anderer der Kreuzritter durch Nachrichten aus Polen beunruhigen lasse, indem sie von der festen Ueberzeugung durchdrungen seien, im Falle der Not mit einem Schlage das ganze Königreich derart verwüsten und darniederwerfen zu können, »daß keine Spur davon übrig bleibe.« Er wiederholte wörtlich den von dem Großmeister Ulryk bei einem Feste in Marienburg gethanen Ausspruch: »Je zahlreicher sie sind, desto wohlfeiler werden die Schafspelze in Preußen werden.« In dem gewaltigen Horte der Kreuzritter sah man daher jubelnd und siegesbewußt dem Kriege entgegen, voll Vertrauen auf die eigene Kraft und auf die Hilfe, die man sogar aus den entferntesten Königreichen erwartete.

Doch trotz all dieser Kriegsanzeichen, trotz aller Vorbereitungen und Anordnungen kam es immer noch nicht zum Ausbruch des Krieges. Selbst dem jungen Ritter in Bogdaniec wurde diese Ungewißheit mehr und mehr lästig. Alles, was geschehen mußte, war gethan, seine Seele dürstete nach Kampf und Ruhm, mit jedem Tage der Verzögerung wuchs seine Ungeduld und häufig genug verlieh er dieser Empfindung seinem Oheim gegenüber Ausdruck. gerade als ob von Macko Krieg oder Friede abhängig sei.

»Seht Ihr nun!« erklärte er diesem einmal, »Ihr habt den Krieg prophezeit, und nun ist noch immer nichts daraus geworden.«

»Klug bist Du wohl, doch nicht allzuklug!« entgegnete Macko. »Bemerkst Du denn nicht, was um Dich vorgeht?«

»So aber der König im letzten Augenblicke nachgiebt? Allgemein wird behauptet, er wünsche den Krieg nicht.«

»Fürwahr, er wünscht den Krieg nicht. Doch war es nicht er, der ausrief: ›Ich wäre nicht der König, würde ich ruhig mit ansehen, wie sie sich Dresdens bemächtigen‹. Nichtsdestoweniger nahmen aber die Deutschen Dresden und haben es bis zu dieser Stunde in ihrer Gewalt. Traun, der König versteht sich nur schwer dazu, Christenblut zu vergießen, allein seine Ratgeber besitzen einen scharfen Verstand und treiben, die Uebermacht der Polen fühlend, die Deutschen immer mehr in die Enge – ich sage Dir nur das eine: wenn es Dresden nicht wäre, würde ein anderer Streitpunkt ausfindig gemacht werden.«

»Wie ich hörte, hat der Großmeister Konrad selbst Dresden genommen, und er fürchtete doch gewiß den Krieg.«

»Wohl fürchtete er ihn, kannte er doch besser als alle andern die Macht Polens. Gegen die Habsucht des Ordens anzukämpfen, dazu war er freilich nicht fähig. In Krakau ließ ich mir folgendes erzählen: der alte von Ost, der Gebieter Dresdens, leistete zur Zeit, als die Kreuzritter sich der Nova Marchia bemächtigten, dem König den Eid als Lehnsmann, denn seit ewigen Zeiten ward jenes Gebiet zu Polen gerechnet, und so wollte auch er zu dem Königreiche gehören. Da luden ihn die Kreuzritter nach Marienburg ein, machten ihn mit Wein trunken und entlockten ihm eine Beschreibung. Nun war es aber auch mit des Königs Geduld zu Ende.«

»Bei meiner Treu, das läßt sich denken!« rief Zbyszko aus.

»Es ist, wie Zindram sagte,« fuhr Macko fort. »Dresden ist nur der Stein, über den der Blinde stürzte.«

»Was wird aber geschehen, wenn die Deutschen auf Dresden verzichten?«

»Dann wird sich ein anderer Stein finden lassen. Was der Orden aber einmal verschlungen hat, das giebt er nicht wieder her, bis man ihm den Schlund öffnet. Und Gott gebe, daß uns dies bald gelingen werde.«

»Traun!« rief nun Zbyszko wie neu gekräftigt, »Konrad hätte schließlich nachgegeben, Ulryk wird nie nachgeben. Er ist ein echter Ritter, an dem kein Makel haftet, doch furchtbar aufbrausend und entflammbar.«

In solcher Weise besprachen sich die beiden häufig miteinander, inzwischen traten aber Ereignisse ein, die gleich den Steinen, die ein Vorübergehender mit dem Fuße einen steilen Bergpfad hinabstößt, und die mit immer größerer Schnelligkeit dem Abgrunde zurollen, unaufhaltsam zu der Entscheidung trieben.

Mit Blitzesschnelle verbreiteten sich bedeutsame Nachrichten in dem ganzen Lande. Die Kreuzritter waren in das seit alten Zeiten Polen gehörende und den Johannitern verpfändete Santok plündernd und verwüstend eingefallen, und der neue Großmeister Ulryk hatte nicht nur vorsätzlich Marienburg verlassen, als die polnischen Gesandten dort eingetroffen waren, um ihn zu seiner Wahl zu beglückwünschen, sondern er hatte auch vom ersten Augenblick seiner Herrschaft an den Befehl erlassen, daß in den Verhandlungen mit dem Könige und mit Polen von nun an statt der lateinischen die deutsche Sprache gebraucht werden müsse. Damit kennzeichnete er sofort seinen Standpunkt. Den Herren in Krakau, die insgeheim für den Krieg wirkten, ward es sofort klar, daß dieser Großmeister es darauf anlegte, öffentlich seine Kriegslust darzuthun, ging er doch geradezu mit einer blinden Unüberlegtheit und mit einer Rücksichtslosigkeit gegen Polen vor, wie es bis jetzt keiner der Großmeister selbst zu einer Zeit gewagt hätte, in welcher der Orden an Macht dem Königreiche noch weit mehr überlegen gewesen war.

Die Würdenträger des Ordens freilich, die weniger leidenschaftlich und weit verschlagener als Ulryk waren und die Witold kannten, ließen nichts unversucht, diesen auf ihre Seite zu bringen. Sie kargten nicht mit Gaben, ja, sie überschütteten ihn mit Schmeicheleien, wie man sie kaum maßloser zu der Zeit hätte ersinnen können, in der man den römischen Kaisern, noch während sie lebten, Tempel und Altäre errichtete. »Der Orden erfreut sich zweier Wohlthäter,« sprachen die Gesandten der Kreuzritter, als sie sich vor dem Statthalter Jagiellos bis zur Erde neigten, »Gott ist der eine, Witold der andere. Deshalb ist aber auch jedes Wort, jeder Wunsch Witolds den Kreuzrittern heilig.« Und sie beschworen ihn, Dresdens wegen zu vermitteln, insgeheim von der Hoffnung getragen, daß wenn er, der Untergebene des Königs, sich erkühne, über seinen Oberherrn zu urteilen, er diesen kränken und einen Bruch der guten Beziehungen zwischen sich und dem Könige, wenn auch nicht auf immer, so doch auf lange Zeit hinaus herbeiführen werde. Da aber des Königs Ratgeber in Krakau stets von allem unterrichtet waren, was in Marienburg geplant und ausgeführt ward, wählte Jagiello selbst Witold zum Schiedsrichter.

Nur zu bald sollten aber die Kreuzritter diese Wahl bedauern. Die Würdenträger des Ordens, welche den Großfürsten zu kennen geglaubt hatten, sahen ihren Irrtum zu spät ein, denn Witold sprach, kraft seiner richtigen Beurteilung der kommenden Dinge, nicht nur Dresden den Polen zu, reizte die Samogitier nicht nur von neuem zum Aufstände, sondern schickte, dem Orden immer feindlicher entgegentretend, Kriegsleute und Waffen, sowie Korn aus den fruchtbaren Gefilden Polens nach Samogitien.

Jetzt aber begriff ein jeder in dem großen, unermeßlichen Königreiche, daß die Stunde der Entscheidung geschlagen hatte. Und so war es in der That!

Als einmal in Bogdaniec der alte Macko, Zbyszko und Jagienka, sich des warmen, herrlichen Wetters erfreuend, vor dem Burgthore saßen, sprengte ein fremder Mann auf schäumendem Pferde heran, warf wie zu einem Kranze gebogene Weidenzweige vor die beiden Ritter und galoppierte mit dem Rufe: »Aufgebot zum Heerbann, Aufgebot zum Heerbann!« wieder davon.

Aufs höchste erregt, sprangen Macko und Zbyszko empor. Auf dem Antlitz des alten Ritters malten sich Ernst und Feierlichkeit. Zbyszko eilte hinweg, um den Knappen mit der Botschaft weiter zu senden, kehrte aber rasch mit leuchtenden Augen wieder zurück, indem er rief: »Krieg! Gott hat endlich unsern Wunsch erhört! Krieg!«

»Und nicht ein Krieg, wie wir ihn schon erlebt haben, nein, einen großen Krieg, einen gewaltigen Krieg wird es geben!« ergriff in erhobenem Tone Macko das Wort, um sich dann «an die Dienstleute zu wenden, die sich blitzesschnell um ihren Gebieter versammelt hatten.

»Eilt auf die Warte!« gebot er, »und laßt die Hörner nach allen vier Richtungen der Welt ertönen. Etliche von Euch mögen die Botschaft den Dorfschulzen verkünden, andere sollen die Pferde satteln, die Wagen bespannen. Rasch, sputet Euch!«

Kaum hatte er zu Ende gesprochen, so waren die Dienstleute schon nach allen Richtungen zerstreut, um seine Befehle auszuführen, was um so leichter wurde, weil alles längst vorbereitet gewesen, weil Rüstungen, Waffen und Vorräte in genügender Menge vorhanden waren. So standen denn auch in kürzester Zeit Mannen, Pferde und Wagen zum Aufbruche fertig, und man harrte nur der beiden Ritter, um die Fahrt anzutreten.

Diese besprachen indessen noch allerlei mit Jagienka, und schließlich fragte Zbyszko seinen Ohm: »Wollt Ihr nicht in Bogdaniec bleiben?«

»Ich? Was kommt Dir in den Sinn?«

»Dem Gesetze nach habt Ihr als ein Mann von vorgeschrittenem Alter das Recht, zu bleiben, und außerdem könntet Ihr auch der Schützer Jagienkas und der Kinder sein.«

»Traun, so höre nun auch mich. Bis ich weiße Haare hatte, habe ich auf diese Stunde warten müssen.«

Für Zbyszko genügte ein Blick in das entschlossene Antlitz seines Ohms, um zu wissen, daß jedes weitere Wort verloren sei. Macko war aber auch, trotz seiner siebzig Jahre, ein Mann, kräftig wie ein Eichbaum, und seine Hand bewegte sich noch so geschmeidig in den Gelenken, daß, wenn er die Streitaxt schwang, es geradezu in der Luft schwirrte und sauste. Was wollte es daher bedeuten, wenn er nicht mehr in voller Rüstung auf das Pferd zu springen vermochte, ohne die Steigbügel zu berühren? Gar viele jüngere als er, besonders unter den Rittern des Westens, waren ja auch nicht dazu im stande. Was wollte ein solch kleiner Mangel bedeuten gegenüber seiner umfassenden Erfahrung in allen ritterlichen Uebungen und Unternehmungen? Fürwahr, weit und breit kam ihm darin kein zweiter Krieger gleich.

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»Wäre es nicht um dieser kleinen willen, würde ich so lange vor Dir auf den Knien liegen, bis Du mir die Erlaubnis erteiltest, mit Dir zu ziehen.«

Offenbar ängstigte sich auch Jagienka nicht vor dem Alleinsein, denn die Hand ihres Ehegemahls küssend, ließ sie sich also vernehmen: »Sorge Dich nicht um mich, geliebter Zbyszko, ist doch die Burg gar fest und stark. Bedenke auch, daß ich nicht allzu zaghaft bin, sind mir doch Bogen und Speer vertraut. Nicht an uns dürfen wir denken, wenn es sich um die Rettung des Königreichs handelt. Gott wird über uns wachen.«

Thränen traten ihr in die Augen und rannen langsam, in großen Tropfen über ihre Wangen, als sie, auf die inzwischen herbeigebrachten Kinder deutend, mit einer vor Bewegung zitternden Stimme also fortfuhr: »Hei! Wäre es nicht um dieser Kleinen willen, würde ich so lange vor Dir auf den Knien liegen, bis Du mir die Erlaubnis erteiltest, mit Dir zu ziehen.«

»Jagus!« schrie Zbyszko auf, sie an seine Brust ziehend.

Da umschlang sie ihn mit ihren Armen, schmiegte sich fest an ihn an und flüsterte: »Nur kehre wieder zu mir zurück, mein Goldsöhnchen, mein Einziger, mein Liebstes auf der ganzen Welt.«

»Zbyszko,« ließ sich jetzt Macko in bewegtem Tone vernehmen, »Zbyszko, danke Gott dem Herrn täglich dafür, daß er Dir ein solches Eheweib gegeben hat.«

Eine Stunde später ward das Banner auf der Warte eingezogen, zum Zeichen, daß die Gebieter die Burg verlassen hatten. Zbyszko und Macko erlaubten Jagienka, sie mit den Kindern bis nach Sieradz zu begleiten und nach einem reichlichen Imbiß machten sie sich mit den Mannen und mit einem ganzen Wagenzuge auf den Weg. Der Tag war hell und klar. Eine atemlose Stille lag über den Wäldern. Das Vieh auf den Wiesen und in dem Brachlande schien, wie in Gedanken versunken und seine Nahrung bedächtig wiederkäuend, die mittägliche Ruhe zu genießen. Durch die Trockenheit der Luft stiegen da und dort gelbliche Staubwölkchen auf, hinter denen es zuweilen in dein glänzenden Sonnenlichte wie von unzähligen feurigen Funken blitzte. Als Zbyszko dies gewahr wurde, machte er sein Weib und seine Kinder mit den Worten darauf aufmerksam: »Wißt Ihr, woher diese Funken rühren? Speere, Lanzen und Wurfspieße sind es. Die Kunde von dem Aufgebot des Heerbannes hat sich schon allerorts verbreitet, von allen Seiten ziehen die Mannen gegen die Deutschen.«

Und so verhielt es sich in der That. Kaum hatten sie die Grenze von Bogdaniec hinter sich gelassen, trafen sie mit Jagienkas Bruder, Jasko, zusammen, der als Erbe von Zgorzelic über großen Wohlstand gebot und mit drei Speerreitern und zwanzig andern Kriegsknechten auszog.

Kurz darauf tauchte aus der Staubwolke das bärtige Gesicht Cztans aus Rogow auf, der, wenn er auch kein allzugroßer Freund von den Gebietern in Bogdaniec war, diesen doch nun schon aus der Ferne zurief: »Jetzt geht’s gegen die Weißmäntel!« um gleich darauf wieder in dem Staube zu verschwinden. Auch mit dem alten Wilk aus Brzozowa stießen sie zusammen, dessen Haupt freilich aus Altersschwäche schon ein wenig zitterte, welcher aber trotzdem nicht zurückblieb, da er den Tod seines in Schlesien erschlagenen Sohnes an den Kreuzrittern rächen wollte.

Je näher sie Sieradz kamen, je dichter wurden die Staubwolken, und als in der Ferne der Turm der Stadt sichtbar ward, da wimmelte die Straße von Rittern, Dorfschulzen und Kriegsknechten, die alle dem Sammelplatze zustrebten. Beim Anblick dieser zahlreichen, kräftigen, kampfeslustigen Scharen, die jeder Unbill des Wetters, allen Strapazen zu trotzen vermochten, da schwoll die Brust des alten Ritters von Siegeshoffnung.

Fünftes Kapitel.

Endlich, endlich war es zum Kriege gekommen, zu einem Kriege freilich, in dem nicht viele Schlachten geschlagen wurden, der sich anfänglich zu Ungunsten der Polen gestaltete. Ehe die Polen ihre Streitkräfte an Ort und Stelle zusammengezogen hatten, nahmen die Kreuzritter Bobrowniki, machten Zlotorya dem Erdboden gleich und verwüsteten das unglückliche Gebiet um Dobrzyn, das ihnen erst vor kurzem unter den größten Schwierigkeiten entrissen worden war. Durch die Vermittlung der Böhmen und Ungarn wurde indessen bald abermals den Kriegsfluten Einhalt gethan, ein Waffenstillstand ward geschlossen und Wenzeslaw, der König von Böhmen, zum Schiedsrichter zwischen den Polen und den Kreuzrittern ernannt.

Auf beiden Seiten fuhr man indessen während des Winters und des Frühlings mit dem Zusammenziehen und dem Vorschieben der Kriegsscharen fort, und als der König von Böhmen, der erkauft worden war, zu Gunsten des Ordens entschied, brach der Krieg natürlich von neuem aus.

Allgemach rückte der Sommer heran und mit ihm erschienen die unter Witold stehenden »Völkerstämme.« Nach Ueberschreitung des Flusses bei Czerwensk vereinigten sich die beiden Heerkörper, zu denen dann auch die Fähnlein der masovischen Fürsten stießen. Auf der andern Seite des Flusses, in dem Lager bei Schwetz, standen gegen hunderttausend eisengepanzerte Deutsche. Jagiello hatte zwar den Plan gefaßt, über den Drewenz zu gehen, um auf dem kürzesten Wege nach Marienburg vorzurücken, als sich jedoch dies als unmöglich erwies, kehrte er von Kurzetnik nach Soldau zurück und schlug dann, nachdem Dabrowua oder Gilgenburg, eine Feste des Ordens, durch eine Abteilung des Kriegsheeres zerstört worden war, daselbst sein Lager auf.

Jagiello, und mit ihm alle polnischen und litauischen Großen, sahen längst voraus, daß es bald zu einer entscheidenden Schlacht kommen müsse, jeder aber glaubte, es werde noch eine Reihe von Tagen bis dahin verstreichen. Allgemein huldigte man der Ansicht, der Großmeister, welcher dem Könige den Weg verlegt hatte, wolle seinem Kriegsvolke Ruhe gönnen, damit er es frisch und neugekräftigt zum Kampfe führen könne. Unter dieser Voraussetzung rasteten auch die Kriegsscharen des Königs eine Nacht bei Dabrowna. Die Einnahme der Feste erfüllte die Herzen des Königs und Witolds mit Freude, trotzdem der Angriff ohne ausdrücklichen Befehl, ja eigentlich gegen den Willen des Kriegsrates unternommen worden war, denn die stark befestigte Burg lag inmitten eines Sees und hatte eine zahlreiche Besatzung. In solch unglaublich kurzer Zeit waren aber die polnischen Ritter Herren der Burg, mit solch unwiderstehlicher Gewalt stürmten sie vor, daß ehe Entsatz eintreffen konnte, alles in Trümmer lag, alles in rauchende Brandstätten verwandelt war, auf denen die wilden Horden Witolds und die Tataren unter Saladin die letzten, sich verzweifelt wehrenden deutschen Kriegsknechte niedermetzelten.

Das Feuer hielt indessen nicht lange an, ein kurzer, aber heftiger Regenguß machte ihm bald ein Ende. Die ganze Nacht vom vierzehnten auf den fünfzehnten Juli ließ sich ungewöhnlich veränderlich und stürmisch an. Vom Winde getrieben, folgte Gewitter auf Gewitter. Zuweilen schien der Himmel in Flammen zu stehen, zuweilen zuckten unter dumpfen Donnerschlägen grelle Blitze von Osten nach Westen. Schwefelgeruch erfüllte oftmals die Luft, Regengüsse prasselten stets wieder von neuem nieder. Dann mit einem Male trieb der Wind die Wolken auseinander, und von dem lichter gewordenen Firmamente strahlten Sterne und Mond in hellem Glanze herab. Erst nach Mitternacht legte sich der Sturm so weit, daß die Wachfeuer wieder unterhalten werden konnten. In einem einzigen Augenblicke suchten tausende und tausende von Mannen in dem unermeßlich großen Lager der Polen und Litauer die Flammen aufs neue anzufachen, um hierauf unter wilden Gesängen ihre durchnäßten Gewandungen zu trocknen.

Auch der König verbrachte die Nacht wachend, denn in der am äußersten Ende des Lagers stehenden Hütte, in die er sich vor dem Sturme geflüchtet hatte, wurde ein Kriegsrat abgehalten wegen der Einnahme Gilgenburgs. Da die Heerschar aus Sieradz mit an der Eroberung beteiligt gewesen war, mußte sich deren Führer, Jakob aus Koniecpole, samt andern darüber verantworten, daß er den Angriff auf die Burg unternommen hatte, ohne den Befehl dazu erhalten zu haben, und daß er den Kampf auch dann nicht eingestellt hatte, als ihm der Gegenbefehl des Königs durch einen besonderen Boten und durch eine Anzahl vertrauter Kriegsleute übermittelt worden war.

Da nun der Wojwode nicht wissen konnte, was ihn erwarten, ob ihn nur Tadel oder wirkliche Strafe treffen werde, brachte er eine erkleckliche Anzahl der berühmtesten Ritter, darunter auch Macko und Zbyszko als Zeugen dafür mit, daß bei der Ankunft des königlichen Boten die Erstürmung der Wälle schon vor sich gegangen war, daß dem erbitterten Kampfe mit der Besatzung nicht mehr Einhalt geboten werden konnte. »Was aber den Angriff überhaupt anbelangt,« erklärte Jakob aus Koniecpole, »so ist es gar schwer, vor jedem Vorgehen erst die Erlaubnis dazu einzuholen, wenn die Größe des Kriegsheeres eine solch unermeßliche ist. Da ich in der Vorhut stand, erachtete ich es für meine Pflicht, jedes Hindernis vor dem Hauptheere aus dem Wege zu räumen und den Kampf mit dem Feinde allerorts aufzunehmen.« Als der König, Fürst Witold und die Herren des Kriegsrates, welche insgeheim über die Eroberung der Burg große Freude empfanden, diese Worte vernahmen, da sprachen sie dem Wojwoden und der Kriegsschar aus Sieradz nicht ihren Tadel aus, nein, sie konnten den Führer und die Kriegsleute nicht genug loben wegen des kühnen Mutes, mit dem sie die Burg genommen, die tapfere Besatzung überwältigt hatten. Für Macko und Zbyszko bot sich nun bei diesem Kriegsrate Gelegenheit, die hervorragendsten Großen des Königreiches versammelt zu sehen, denn außer dem König und den Fürsten aus Masovien waren auch die beiden Führer des Kriegsheeres anwesend, Witold, welcher die Litauer, Samogitier, Russen, Bessarabier, Wallachen und Tataren befehligte, und Zindram aus Maszkowice – der Schwertträger aus Krakau – welcher die polnische Streitmacht anführte, alle andern an Kriegskunst überragte und dessen Wappen die Aufschrift trug: »Der Sonne gleich.« Aber auch noch andere hervorragende Krieger und Staatskundige gehörten zu dem Kriegsrate, so der Krakauer Kastellan Kristin aus Ostrowo, der Krakauer Wojwode Jasko aus Tarnow, der Posener Wojwode Sedziwoj aus Ostrorog, der Wojwode von Sandomir Mikolaj aus Michalowic, der Kirchenprobst zum heiligen Florian, der Unterkanzler Mikolaj Traba, der Marschall des Königreiches Zbigniew aus Brzesc und Piotr Szafranec, der Unterkämmerer aus Krakau, sowie schließlich Ziemowit, der Sohn des Fürsten aus Plock, welcher trotz seiner Jugend in den Kriegsrat berufen worden war, weil er als sehr »umsichtig« in der Kriegsführung galt und der König große Stücke auf ihn hielt.

In der zweiten geräumigen Stube der Hütte hatten sich auch unzählige der berühmtesten Ritter zusammengefunden, um nötigenfalls sofort ihre Ratschläge erteilen zu können. In ganz Polen, ja, weithin in allen fremden Königreichen kannte man deren Namen. Macko und Zbyszko sahen daher auch Zawisza Czarny, Sulinczyk und dessen Bruder Farurey, Skarbek Abdauk aus Gora, Dobek aus Olesnica, der seiner Zeit zwölf deutsche Ritter bei einem Turniere in Thorn aus dem Sattel gehoben hatte, dann den riesenhaften Paszko Zlodziej aus Biskupice, sowie den ihnen besonders freundlich gesinnten Powala aus Taczew, dann Krzon aus Kozichglowy, Marciu aus Wrocimowice, welcher das Hauptbanner des Königreiches trug, Florian Jelitczyk aus Korytnice, Lis aus Targowisko, welcher besonders im Handgemenge furchtbar ward, und Staszko aus Charbimowice, der in voller Rüstung über zwei der größten Pferde springen konnte.

Doch außer den Genannten waren, aus verschiedenen Landen und aus Masovien, auch noch gar viele andere berühmte, den Bannern voranziehende Ritter anwesend, welche »die vor den Bannern Streitenden« hießen, weil sie während einer Schlacht in der ersten Reihe zu kämpfen pflegten. Von den ihnen bekannten Rittern wurden Macko und Zbyszko aufs freundlichste begrüßt, und Powala trat sofort zu ihnen und begann über die früheren Erlebnisse und Ereignisse zu sprechen.

»Hei!« sagte er zu Zbyszko gewandt, »Du hast die Kreuzritter über gar Schweres zur Rechenschaft zu ziehen, nun aber ist, wie ich glaube, die Zeit gekommen, in der Du ihnen alles heimzahlen kannst.«

»Mit Blut werde ich ihnen alles heimzahlen,« entgegnete Zbyszko, »für alles sollen sie mir büßen.«

»Weißt Du, daß Kuno Lichtenstein Großkomtur geworden ist?«

»Ich weiß es und auch meinem Ohm ist es bekannt.«

»Gott gebe, daß ich mit Lichtenstein zusammentreffe,« warf jetzt Macko ein, »denn ich habe noch wegen gar manchem mit ihm abzurechnen.«

»Traun! Wir alle haben ihn zum Kampfe gefordert,« bemerkte Powala, »allein er erklärte, er dürfe bei der Würde, die er bekleide, sich uns nicht stellen. Bei meiner Treu, vielleicht ist er aber jetzt doch andern Sinnes geworden.«

»Dem wird er in die Hände fallen, dem er von Gott bestimmt ist!« ließ sich nun Zawisza in dem ihm eigentümlichen, würdevollen Tone vernehmen.

Daraufhin entschloß sich Zbyszko, die Sache seines Ohms dem Urteile Zawiszas zu unterbreiten und fragte daher diesen, ob er nicht auch der Ansicht sei, Macko habe sein Gelübde durch den Kampf mit einem Blutsverwandten Lichtensteins erfüllt, der sich selbst als dessen Stellvertreter bezeichnet hatte, und der von dem alten Ritter getötet worden war. Trotzdem sich aber nun Zawisza und alle Umstehenden dahin aussprachen, dem Gelübde sei Genüge gethan worden, hielt Macko in seiner Halsstarrigkeit und ungeachtet ihm jener Ausspruch großen Trost gewährte, seine Meinung aufrecht, indem er sagte: »Traun, dies mag nun alles so sein, wie Ihr sagt! Ich aber würde mich des ewigen Heiles sicher fühlen, wenn mir Kuno selbst auf festgetretener Erde gegenüberstünde.«

Im Laufe der Unterhaltung kamen die Redenden auch auf die Einnahme von Gilgenburg zu sprechen und man erging sich in Mutmaßungen darüber, wann wohl die erste große Schlacht sein werde, die nach der Ansicht aller bald geschlagen werden mußte, da dem Großmeister nichts anderes zu thun übrig blieb, als dem König den Weg zu verlegen.

Die Rede ging hin und her, und gerade als man die Frage aufwarf, wieviele Tage man wohl noch zuwarten müsse, näherte sich den Sprechenden ein großer, schmächtiger Ritter, der in ein rotes Gewand gekleidet war, eine ebensolche Mütze auf dem Haupte trug und der, seine Arme ausbreitend, mit sanfter, fast mädchenhafter Stimme also anhub: »Ich grüße Dich, Ritter Zbyszko aus Bogdaniec!«

»De Lorche! Du bist hier!« rief nun Zbyszko aus, den Lothringer, welcher in gar gutem Andenken bei ihm stand, in die Arme schließend und warme Freundschaftsküsse mit ihm austauschend. »Stehst Du auf unsrer Seite?«

»Etliche Ritter aus Geldern kämpfen wohl auf der andern Seite!« antwortete de Lorche, »ich aber bin durch Dlugolas verpflichtet, meinem Gebieter, dem Fürsten Janusz, meine Dienste zu leihen.«

»So bist Du der Erbe des alten Mikolaj aus Dlugolas?«

»Ja. Nach dem Tode Mikolajs und dessen Sohn, der bei Bobrowniki erschlagen ward, fiel Dlugolas der holden Jagienka zu, die seit fünf Jahren mein Eheweib und meine Herrin ist.«

»Bei Gott!« ließ sich nun Zbyszko abermals vernehmen, »bei Gott, Du mußt mir erzählen, wie sich dies alles ereignet hat.«

Allein de Lorche begrüßte jetzt den alten Macko und sagte: »Von Euerm früheren Waffenträger Hlawa hörte ich, daß ich Euch hier im Lager finden könnte. Er selbst weilt nun in meinem Zelte und achtet auf das abendliche Mahl. Wohl liegt mein Zelt an dem andern Ende des Lagers – zu Pferde werden wir es aber bald erreichen. Kommt daher mit mir!«

Dann, sich zu Powala wendend, mit dem er ja in Plock Freundschaft geschlossen hatte, fügte er hinzu: »Auch Euch, edler Herr, bitte ich, mir zu folgen. Gewährt mir die Ehre, gönnt mir dieses Glück!«

»Gerne gehe ich mit Euch in Euer Zelt!« entgegnete Powala, »denn abgesehen davon, daß das Zusammensein mit Rittern, die ich kenne, mir stets die größte Freude ist, können wir auch das ganze Lager sehen.«

So begaben sich denn alle in das Freie, um die Pferde zu besteigen. Da trat einer der Dienstleute de Lorches zu diesem heran, um ihm einen Mantel umzuhängen, den er augenscheinlich zu dem Zwecke mitgebracht hatte, eilte dann auf Zbyszko zu, küßte dessen Hand und sagte: »Heil und Ehre sei Euch, o Herr! Schon vor Jahren diente ich Euch, aber in der Dunkelheit könnt Ihr mich nicht erkennen. Ist Euch Sanderus aus dem Gedächtnis entschwunden?«

»Sanderus, so wahr mir Gott helfe!« rief Zbyszko.

Und die Erinnerung an die erlittenen Schmerzen, an all das Leid, an all die schweren Kümmernisse regte sich in dem jungen Ritter wieder so lebendig wie vor wenigen Wochen, als er bei der Vereinigung des königlichen Kriegsheeres mit dem Fähnlein der masovischen Fürsten nach langer, langer Zeit seinen einstigen Knappen Hlawa wiedergesehen hatte.

»Sanderus!« hub er daher abermals an, »ich habe der frühern Zeiten, ich habe Deiner nicht vergessen. Was hast Du bisher getrieben, wo bist Du gewesen? Ziehst Du noch immer mit Reliquien durch die Lande?«

»Nein, o Herr! Bis zum letzten Frühling versah ich das Amt eines Küsters an der Kirche in Dlugolas. Da aber mein verstorbener Vater dem Kriegshandwerk oblag, da widerte mich beim Ausbruch des Krieges das Erz der Kirchenglocken an und die Sehnsucht nach Eisen und Stahl erwachte in mir –«

»Was höre ich?« warf hier Zbyszko ein, der sich Sanderus in der Schlacht mit einem Schwerte, einem Speere oder einer Streitaxt in der Hand nicht vorstellen konnte.

Sanderus aber fuhr, Zbyszko den Steigbügel haltend, unentwegt fort: »Vor einem Jahre etwa begab ich mich auf Befehl des Bischofs von Plock in preußisches Gebiet und leistete dadurch beträchtliche Dienste – doch davon will ich Euch später berichten. Steigt also zu Roß, wohledler Ritter, denn jener böhmische Graf, den Ihr Hlawa zu rufen pflegtet, harrt unserer in dem Zelte meines Herrn.«

Nachdem Zbyszko zu Pferde gestiegen war, ritt er mit Herrn de Lorche voran, da er ungestört mit ihm sprechen, da er sich dessen Erlebnisse erzählen lassen wollte, die zu hören er sehr gespannt war.

»Unendlich glücklich macht es mich,« begann Zbyszko, »daß Du auf unserer Seite kämpfst, doch ich wundere mich darob, denn Du dientest doch den Kreuzrittern.«

»Jene mögen ihnen dienen, die sich Sold bezahlen lassen!« erwiderte de Lorche, »ich habe nie Sold genommen. Nein – Abenteuer wollte ich bestehen, als ich zu den Kreuzrittern zog, den Rittergürtel wollte ich mir erringen, den ich auch, wie Dir ja bekannt sein wird, aus den Händen eines polnischen Fürsten empfing. Und nachdem ich nach meiner Vermählung bei Euch seßhaft geworden bin, wie könnte ich gegen Euch streiten? Zu Euch gehöre ich nun, denn, wie Du sofort bemerkt haben wirst, spreche ich ja jetzt Eure Sprache!«

»Und Deine Besitzungen in Geldern? Wie mir gesagt ward, bist Du ein Blutsverwandter des dort herrschenden Geschlechtes und der Erbe vieler Burgen und Dörfer.«

»Ich trat mein Erbe an meinen Blutsverwandten Foulk de Lorche ab, der mich dafür bezahlte. Vor fünf Jahren bin ich in Geldern gewesen und habe von dort große Summen zurückgebracht, mit denen ich mich in Masovien ankaufte.«

»Wie kam es aber dazu, daß Du Dich mit Jagienka aus Dlugolas vermähltest?«

»Ach!« antwortete de Lorche, »ist nicht jede Frau ein Rätsel? Sie spottete meiner so lange, bis ich es müde wurde und ihr erklärte, der Gram, der Kummer treibe mich in den Krieg nach Asien, von wo ich niemals wieder zurückzukehren gedenke. Da brach sie zu meinem Staunen in Thränen aus und rief schluchzend: ›Dann werde ich in ein Kloster gehen!‹ Ich aber warf mich, diese Worte hörend, ihr zu Füßen und wenige Tage später sprach der Bischof aus Plock in der Kirche über uns beide den Segen.«

»Habt Ihr Kinder?« fragte nun Zbyszko.

»Nach Beendigung des Krieges wallfahrt Jagienka an das Grab unserer Königin Jadwiga, um von ihr die Erfüllung unserer Wünsche zu erflehen!« entgegnete de Lorche seufzend.

»Daran thut sie gut. Man sagt, das helfe immer, und daß es in solchen Fällen keine bessere Fürsprecherin gebe als unsere heilige Königin. Noch wenige Tage, und es kommt zur Hauptschlacht, der Frieden wird dann nicht lange auf sich warten lassen.«

»Gewiß.«

»Aber die Kreuzritter halten Dich sicherlich für einen Verräter!«

»Nein,« entgegnete de Lorche, »Du weißt ja, wie viel ich auf meine Ritterehre halte. Sanderus begab sich im Auftrage des Bischofs von Plock nach Marienburg, daher sandte ich durch ihn ein Schreiben an Meister Ulryk, worin ich ihm den Dienst aufgekündigt und ihm die Gründe angegeben habe, weshalb ich mich auf Eure Seite stelle.«

»Hei! Sanderus!« rief Zbyszko aus. »Er sagte mir, daß der Klang der Kirchenglocken einen wahren Ekel in ihm erweckt habe, und daß ein Verlangen nach Stahl und Eisen in ihm erwacht sei. Mich wundert dies aber, denn er hatte immer ein Hasenherz.«

Darauf entgegnete de Lorche: »Mit Stahl und Eisen hat Sanderus nur soviel zu thun, daß er mir und meinen Knappen den Bart abschert.«

»So verhält es sich also?« fragte Zbyszko nicht wenig ergötzt.

Schweigend ritten sie einige Zeit weiter, dann richtete de Lorche seine Augen zum Himmel empor und sagte: »Zum Abendbrot habe ich Euch eingeladen, aber wir werden wohl zum Frühstück erst anlangen.«

»Der Mond scheint noch,« entgegnete Zbyszko. »Reiten wir also weiter.«

Nachdem sie mit Macko und Powala zusammengetroffen waren, ritten sie alle nebeneinander durch die breite Straße des Feldlagers, welche auf Befehl der Anführer zwischen den Zelten und Feuerstätten abgesteckt worden war, damit der Durchgang frei blieb. Da sie zu der am andern Ende des Lagers stehenden masovischen Heeresabteilung stoßen wollten, mußten sie es der ganzen Länge nach durchreiten.

Macko wendete sich zu Powala aus Taczew: »Sagt, Herr, wie viele Fähnlein hat Knäs Witold aufgebracht?«

»Vierzig!« entgegnete Powala.

»Unsere polnischen belaufen sich mit den masovischen zusammen auf fünfzig, aber sie sind anders geordnet als die Witolds. Denn bei ihm dienen zuweilen einige tausend Mannen unter einem Banner. Ha! Wir hörten, der Großmeister habe diese Krieger ein Bettelvolk genannt, das einen Löffel besser als ein Schwert zu gebrauchen verstehe, aber Gott gebe, daß er sich in einer für ihn schlimmen Stunde so ausgesprochen hat, denn ich glaube, die litauischen Wurfspieße werden von dem Blute der Kreuzritter gerötet werden.«

»Was sind das für Mannen, an denen wir jetzt vorüberkommen?« fragte Herr de Lorche.

»Das sind Tataren, Witolds Lehensmann, Saladin, führte sie hierher.«

»Bewähren sie sich in der Schlacht?«

»Die Litauer verstehen es, mit diesen Tataren zu kämpfen und haben einen beträchtlichen Teil derselben besiegt. Aus dem Grunde wurden sie auch gezwungen, an diesem Kriegszug teilzunehmen. Aber die Ritterschaft aus dem Westen hat stets einen schweren Stand mit ihnen, denn sie zeigen sich gefährlicher beim Rückzuge als beim Angriffe.«

»Laßt sie uns in der Nähe betrachten,« sagte de Lorche.

Sie ritten zu den Feuerstätten heran. Die Männer, welche hier lagerten, hatten ganz entblößte Arme, trugen aber trotz der Sommerzeit Schafpelze, die Wolle nach oben gekehrt. Ein großer Teil von ihnen schlief auf nackter Erde oder auf feuchtem, von der Hitze dampfendem Stroh, viele saßen zusammengekauert am lodernden Feuer; etliche verkürzten sich die Stunden der Nacht, indem sie im Nasaltone wilde Lieder sangen und dabei zur Begleitung das eine Schienbein eines Pferdes an das andere schlugen, wodurch ein seltsamer und unangenehmer Klang hervorgebracht wurde; wieder andere hatten kleine Trommeln oder klimperten auf den festgespannten Sehnen ihrer Bogen. Manche hatten noch rauchende, blutige Fleischstücke vom Feuer genommen und bliesen mit ihren aufgeworfenen, bläulichen Lippen darauf, um sie dann zu verzehren. Im allgemeinen sahen sie so wild und schaudererregend aus, daß man sie eher für Unholde des Waldes als für menschliche Wesen halten konnte. Der Rauch der Feuerstätte führte einen beißenden Geruch des gebratenen Pferde- und Lämmerfleisches mit sich, und zudem verbreitete sich ringsumher ein unerträglicher Duft von angebrannter Wolle, warm gewordenen Schafpelzen, abgezogenen Häuten und frischem Blut. Von der andern, dunkeln Seite der Straße, wo die Pferde standen, kam ein durchdringender Schweißgeruch herüber. Diese Mären, von denen einige hundert bei Streifwachen in der Nachbarschaft benützt wurden, fraßen das Gras unter ihren Füßen und bissen einander, indem sie laut schnaubten und wieherten. Durch die Zurufe und Peitschenhiebe der Pferdeknechte wurden sie dann wieder gebändigt.

Es war gefährlich, sich allein unter diese wilden Menschen zu wagen, da sie außerordentlich raubsüchtig waren. Dicht hinter ihnen lagerten die etwas weniger wilden Banden der Bessarabier, deren Kopfbedeckung mit Hörnern versehen war, sowie die langhaarigen Wallachen, welche statt der Panzer bemalte Holzbretter mit plumpen Abbildungen von Vampyren, Gerippen oder Tieren auf Brust und Schultern trugen; etwas weiterhin befanden sich die Serben, deren jetzt in Schlaf versenktes Lager zur Tageszeit vom Klange der Flöte, der Balalajka, 16 der Rohrpfeife und der andern Musikinstrumente widerhallte wie von einer einzigen großen Laute.

Die Wachfeuer leuchteten hell. Vom Himmel, zwischen den von einem starken Wind auseinandergetriebenen Wolken blickte der Mond hernieder und bei diesem Scheine, diesem Lichte konnten unsere Ritter das Lager genau betrachten. Hinter den Serben befand sich der Rastplatz der unglücklichen Samogitier. Ein wahres Blutbad hatten die Deutschen schon unter ihnen angerichtet, und gleichwohl stellten sie sich, auf jede Aufforderung Witolds hin, zu neuen Kämpfen. Wie im Vorgefühl, daß ihre Not bald auf immer zu Ende sein werde, waren sie auch jetzt hierhergezogen, durchdrungen von dem Geiste Skirwoillos, dessen Name allein schon die Deutschen mit Wut und Furcht erfüllte. Die Wachfeuer der Samogitier grenzten unmittelbar an die der Litauer, gehörten sie doch zu demselben Volke, hatten sie doch dieselben Sitten und Gebräuche, redeten sie doch dieselbe Sprache.

Als die Ritter im litauischen Lager anlangten, fiel ihnen sofort ein düsteres Bild in die Augen. An einem aus rohen Stämmen zusammengefügten Galgen hingen zwei menschliche Leichname, welche durch den Wind so gewaltsam hin und her bewegt, herumgedreht und emporgeworfen wurden, daß das Holzwerk des Galgens kläglich knirschte. Beim Anblick der Leichname schnaubten die Pferde und stellten sich auf ihre Hinterfüße, die Ritter aber machten fromm das Zeichen des Kreuzes, und während sie weiterritten, sagte Powala: »Knäs Witold befand sich bei dem König, und auch ich war gerade anwesend, als diese beiden Verbrecher herbeigeführt wurden. Schon zuvor hatten sich unsere Bischöfe und Herrscher darüber beklagt, daß der Litauer Kriegsführung furchtbar ist, und daß sie sogar die Kirchen nicht schonen. Als die beiden daher herbeigeführt wurden (es sind angesehene Leute gewesen, aber die Unglücklichen hatten, wie es scheint, das heilige Sakrament entweiht), ward der Fürst von solchem Zorn erfaßt, daß es furchtbar war, ihn anzuschauen – und er befahl ihnen, sich selbst aufzuhängen. Die Elenden mußten sich nun selbst den Strick um den Hals legen, und dabei trieb einer den andern zur Eile an. »Nur rasch! damit der Fürst nicht noch zorniger wird!« Und die Tataren und Litauer wurden alle von einer wahren Angst ergriffen, denn sie fürchten nicht den Tod, wohl aber des Fürsten Grimm.«

»Ja,« sagte Zbyszko, »zu jener Zeit, als ich in Krakau wegen Lichtenstein des Königs Zorn auf mich lud, riet mir der junge Knäs Jamont, ein Lehensmann des Königs, sogleich mich aufzuhängen. Und diesen Rat gab er mir aus Freundschaft, obgleich er deshalb von mir zum Kampfe auf festgetretener Erde gefordert worden wäre, wenn ich mir nicht, wie Ihr wißt, hätte sagen müssen, daß mein Haupt ohnedies fallen werde.«

»Seitdem hat Knäs Jamont die ritterlichen Sitten erlernt,« entgegnete Powala.

Unter solchen Gesprächen kamen sie an dem großen litauischen Lager und an drei glänzenden russischen Heeresabteilungen vorüber, von denen die aus Smolensk die zahlreichste war, und wendeten sich dem polnischen Feldlager zu. Daselbst standen fünfzig Fähnlein – der Kern und die Auserlesensten der ganzen Kriegsmacht. Hier waren die Rüstungen besser, die Pferde stärker und die Ritter geübter in der Waffenkunde, sodaß sie denen des Westens in keiner Hinsicht etwas nachgaben. An Körperkraft, an Ausdauer, wenn es galt, Hunger, Kälte und Beschwerden zu ertragen, übertrafen diese in Groß- und Kleinpolen ansässigen Männer sogar die Krieger des Westens, welche mehr verweichlicht waren. Die Sitten der Polen waren einfacher, ihre Rüstungen weniger fein geschmiedet, aber sie konnten sich einer größern Kaltblütigkeit rühmen, auch hatten ihre Todesverachtung und außerordentliche Ausdauer im Kampfe schon häufig die aus der Ferne kommenden französischen und englischen Ritter in Staunen versetzt.

De Lorche, welcher die polnische Ritterschaft längst kannte, sprach also: »In diesen allein liegt Eure Stärke, Eure Hoffnung. Ich erinnere mich, wie sich in Marienburg die Ritter mehr denn einmal darüber beklagten, daß sie im Treffen mit Euch jede Spanne Landes durch Ströme von Blut erkaufen müßten.«

»Auch jetzt werden Ströme von Blut fließen,« antwortete Macko, »denn auch der Orden hat bisher noch niemals eine solche Heeresmacht aufgeboten.«

Powala aber sagte: »Ritter Korsbog, welcher vom König mit Briefen an den Meister gesandt ward, berichtet, daß die Kreuzritter sagen, weder der römische Cäsar noch irgend ein König verfüge über eine solche Streitkraft, und der Orden könne alle Reiche der Welt unter seine Botmäßigkeit bringen.«

»Pah! An Zahl sind wir ihnen aber überlegen!« bemerkte Zbyszko.

»Wohl, so ist es, doch achten sie Witolds Streitmacht gering. Sie behaupten, sie sei aus mangelhaft ausgerüsteten Kriegern zusammengesetzt und könne beim ersten Ansturm zertrümmert werden wie ein irdener Topf durch einen Hammer. Ob dies nun wahr oder unwahr ist, vermag ich nicht zu entscheiden.«

»Es ist wahr und doch auch wieder unwahr!« ließ sich hier der verständige Macko vernehmen. »Ich und Zbyszko kennen diese Krieger, denn wir haben zusammen mit ihnen gekämpft. Ihre Rüstungen sind allerdings schlecht, ihre Pferde klein und unansehnlich und daher kommt es häufig vor, daß sie bei einem Angriff der Kreuzritter Reißaus nehmen, aber im Grunde sind sie eben so tapfer, wenn nicht tapferer als die Deutschen.«

»Das wird sich bald zeigen!« bemerkte Powala. »Aber dem König stehen fortwährend Thränen in den Augen bei dem Gedanken, daß soviel Christenblut vergossen werden soll, und noch im letzten Augenblick würde er sich wahrscheinlich bereit zeigen, einen gerechten Frieden zu schließen, doch der Stolz der Kreuzritter kann sich nicht dazu herbeilassen.«

»So wahr ich lebe, Ihr habt recht! Ich kenne die Kreuzritter, und wir alle kennen sie,« stimmte Macko bei – »Gott hält schon die Wagschale bereit, auf der unser Blut, sowie das unseres Erbfeindes abgewogen werden soll.«

Sie waren jetzt nicht mehr weit von der masovischen Heeresabteilung entfernt, bei der sich das Zelt de Lorches befand, als sie in der Mitte der »Straße« eine große, dicht aneinandergedrängte Menschenschar gewahrten, die unausgesetzt gen Himmel schaute.

»Bleibt dort stehen! Bleibt stehen!« rief eine Stimme aus der Menge hervor.

»Wer seid Ihr und was thut Ihr hier?« fragte Powala.

»Der Probst aus Klobuzk. Und Ihr?«

»Powala aus Taczew, die Ritter aus Bogdaniec und Herr de Lorche.

»Ach! Ihr seid es, Ihr Herren!« sagte der Priester in geheimnisvollem Tone, während er sich Powalas Pferd näherte. »Betrachtet nur den Mond und seht, was dort vorgeht. Das ist eine vielverheißende und wundervolle Nacht.«

Die Ritter schauten empor und blickten auf den Mond, welcher schon erbleichte und dem Untergange nahe war.

»Ich kann nichts unterscheiden!« antwortete Powala. »Was seht Ihr denn?«

»Ein Mönch in einer Kapuze kämpft mit einem König, der eine Krone auf dem Haupte trägt. Seht nur! O dort! Im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes! O wie furchtbar sie miteinander ringen! … Gott sei uns Sündern gnädig!«

Tiefe Stille trat nun ringsumher ein, denn alle hielten den Atem an.

»Seht nur! Seht!« rief der Priester.

»Es ist wahr! Dort ist etwas zu sehen!« sagte Macko.

»Es ist wahr! Es ist wahr!« bestätigten auch die andern.

»Ha! Der König hat den Mönch niedergeworfen! Er setzt seinen Fuß auf ihn!« schrie der Probst aus Klobuzk plötzlich. »Gelobt sei Jesus Christus!«

»Von Ewigkeit zu Ewigkeit!«

In diesem Augenblick bedeckte eine große schwarze Wolke den Mond, und Dunkelheit herrschte überall, nur der Schein der Wachfeuer warf flimmernde, blutrote Streifen quer über den Weg.

Die Ritter ritten weiter und als sie das Häuflein Menschen hinter sich gelassen hatten, fragte Powala:

»Saht Ihr etwas?«

»Anfangs sah ich nichts,« erwiderte Macko, »aber dann sah ich den König und den Mönch ganz deutlich.«

»Auch ich!«

»Auch ich!«

»Das ist ein Fingerzeig Gottes!« erklärte Powala. – »Ha! Trotz der Thränen unseres Königs wird es offenbar nicht zum Frieden kommen.«

»Und eine Schlacht wird geliefert werden, wie die Welt noch keine gesehen hat,« sagte Macko.

Und von solchen Gedanken erfüllt, ritten sie schweigend, in feierlicher Stimmung weiter.

Als sie sich nicht mehr weit von dem Zelte de Lorches befanden, erhob sich ein solcher Sturmwind, daß im Nu die Wachfeuer der Masuren auseinandergerissen, umhergestreut und Tausende von brennenden Holzstücken, Splittern, Funken umhergewirbelt wurden, während dichte Rauchwolken die Luft erfüllten.

»Hei, wie das bläst!« sagte Zbyszko, seinen Mantel, den ihm die Windsbraut über den Kopf getrieben, herunterziehend. »Und mitten durch den Sturm klingt es wie Klagen und Stöhnen von Menschenstimmen,«

»Die Morgendämmerung bricht an, aber niemand weiß, was ihm der Tag bringen wird,« fügte de Lorche hinzu.

  1. Ein der Mandoline ähnliches, in der Ukraine und in Rußland bekanntes Saiteninstrument. Anmerk. d. Uebersetzerinnen.

Sechstes Kapitel.

Auch in der Frühe ließ der Sturm nicht nach, sondern nahm dermaßen zu, daß es unmöglich war, das Zelt aufzuschlagen, worin der König seit dem Beginn des Feldzuges drei heilige Messen täglich zu hören pflegte. Schließlich eilte Witold herbei und bat flehentlich, den Gottesdienst zu einer angemesseneren Zeit in der Stille des Waldes abzuhalten und den Vormarsch des Heeres nicht zu verhindern. Sein Wunsch ward in der That erfüllt, weil man die Notwendigkeit einsah.

Bei Sonnenaufgang setzte sich das Kriegsheer in Bewegung, gefolgt von einer unübersehbaren Reihe von Wagen. Nach Ablauf einer Stunde legte sich der Wind, sodaß man die Fahnen wehen lassen konnte. Und so weit die Blicke reichten, schien nun das ganze Gefilde mit Blumen von allen Farben bedeckt zu sein. Kein Auge vermochte all die Heeresabteilungen und den Wald von verschiedenen Standarten zu umfassen, unter denen die Krieger vorrückten. Das wichtigste Feldzeichen für alle Kriegsscharen, das Hauptbanner des ganzen Königreiches war die Fahne des Krakauer Gebietes mit dem weißen, gekrönten Adler im roten Felde. Sie wurde von Marcin aus Wrocimowice, der eine halbe Ziege im Wappen hatte, einem mächtigen, weltberühmten Ritter getragen. Hinter ihm ging die Leibwache des Königs, der das Banner mit dem doppelten litauischen Kreuze, sowie das Banner, worauf der nachsetzende Reiter mit dem zum Hiebe erhobenen Schwerte prangte, vorangetragen wurden. Unter dem Zeichen des heiligen Georg zog eine starke Heeresabteilung von fremden Söldlingen und von Kriegern dahin, die sich freiwillig gestellt hatten und die hauptsächlich aus Böhmen und Mähren stammten. Gar viele hatten ihre Dienste angeboten und das neue, vierzigste Fähnlein war ausschließlich aus solchen Mannen gebildet. Es war meist Fußvolk, das hinter den Lanzenträgern dahinschritt, eine wilde, ungezügelte Rotte, aber so geübt im Kampfe, so gefährlich bei einem Zusammentreffen, daß jedes andere Fußvolk, das auf sie stieß, so rasch wie möglich vor ihr floh wie der Hund vor dem Stachelschwein. Streitäxte, Sensen, Beile und vornehmlich eiserne Knittel waren die Waffen dieser Krieger, und sie wurden in geradezu furchtbarer Weise von ihnen gehandhabt. Diese Leute dienten jedem, der sie bezahlte, denn ihr einziges Lebenselement war Krieg, Plünderung und Gemetzel.

Neben den Streitern aus Mähren und Böhmen zogen mit ihrer Standarte sechzehn Fähnlein aus polnischen Landen dahin, darunter eines aus Przemysl, eines aus Galitsch und drei podolische, hinter diesem kam Fußvolk aus denselben Gebieten, hauptsächlich mit Wurfspießen und Sensen bewaffnet. Die Fürsten aus Masovien, Janusz und Ziemowit führten die einundzwanzigste, zweiundzwanzigste und dreiundzwanzigste Heeresabteilung an. Dicht hinter ihnen schritten die bischöflichen Fähnlein und die des weltlichen Adels, zweiundzwanzig an Zahl. Es waren die Fähnlein von Jasko aus Tarnow, Jedrek aus Teczyn, Spytko Leliwa und Brzezie, Krzon aus Kozichglowy, Kuba aus Koniecpole, von Jasko Ligeza, von Kmita und Zaklika, und die Fähnlein der Geschlechter der Gryfici und Bobowski, sowie des Geschlechtes, das im Wappen »Kozle Nogi« 17 trug, ferner die Fähnlein von verschiedenen andern, welche in der Schlacht unter einem gemeinschaftlichen Wappenschilde und durch ein gemeinschaftliches Losungswort vereint waren.

Und einer Wiese, auf der im Frühjahr bunte Blüten emporsprießen, glich jetzt das weite Gefilde mit den farbigen Bannern. Wie ein Strom zogen Pferde und Menschen dahin, über ihnen ein Wald von Lanzen mit farbigen Fähnchen, die allerlei Blumen ähnlich waren, und hinter ihnen, in Staubwolken, das aus Städtern und Großbauern zusammengesetzte Fußvolk. Alle wußten, daß sie einer furchtbaren Schlacht entgegen gingen, aber alle wußten auch, daß es sein »mußte«, und mit frohem Mute rückten sie vor. Die den rechten Flügel bildenden Scharen Witolds zogen unter vielfarbigen Fahnen dahin, auf denen das Bildnis des nachsetzenden Reiters mit dem zum Hiebe erhobenen Schwerte prangte. Mit einem Blicke konnte man diese gewaltigen Heeresmassen nicht überschauen, denn aus einem mehr als eine deutsche Meile breiten Flächenraum bewegten sie sich zwischen Wald und Feld vorwärts.

Am Vormittag in der Nähe der Dörfer Bogdan und Tannenberg angelangt, machten die Kriegsscharen Halt am Saume des Waldes. Der Platz schien gut zur Rast geeignet und zudem vor jedem unerwarteten Ueberfall geschützt zu sein, denn auf der linken Seite grenzte er an die Gewässer des Dobrowa-Sees, auf der rechten an den Lubieczer See und vor den Kriegscharen öffnete sich ein weites, etwa eine Meile breites Gefilde. Inmitten dieses Gefildes, gegen Westen sanft ansteigend, lagen die sumpfigen Wiesengründe Grünwalds und etwas weiter hin die öden, düstern Brachfelder Tannenbergs, dessen schadhafte Strohdächer in der Ferne zu sehen waren. Der Feind, welcher von der Anhöhe herunterkam und sich dem Walde näherte, mußte sofort gesehen werden, aber es war nicht zu erwarten, daß er sich früher als am folgenden Tage zeigen werde. Am Waldessaum machte das Heer nun Halt, um der Ruhe zu pflegen, da indessen der in Kriegssachen wohlerfahrene Zindram aus Maszkowice sogar während des Vormarsches den Kriegsplan im Auge behalten hatte, nahmen sie jetzt eine solche Stellung ein, daß sie jeden Augenblick zum Kampfe bereit sein konnten. Dem Befehle des Anführers zufolge wurden sofort auf leichten, schnellfüßigen Pferden Kundschafter nach Grünwald, Tannenberg und noch etwas weiter gesandt, damit sie die Umgegend erforschten und mittlerweile schlug man für den Gottesdienst, nach dem der König so inbrünstiges Verlangen trug, am hohen User des Lubiecz-Sees das als Kapelle dienende Zelt auf, sodaß er wie gewöhnlich die Messe hören konnte.

Jagiello, Witold, die masovischen Fürsten, sowie der Kriegsrat begaben sich in das Zelt. Vor dem Eingange versammelten sich die angesehensten Ritter, sowohl um vor dem furchtbaren Tage die Gnade Gottes für sich zu erflehen, als auch um den König zu schauen. Und sie sahen ihn, wie er in schlichtem, grauem Gewande, mit ernstem Angesichte, auf dem sich deutlich ein tiefer Kummer malte, dahinschritt. Die Jahre hatten ihn wenig verändert, auf seinem Antlitz zeigten sich noch keine Runzeln, seine Haare waren noch nicht weiß geworden und wie damals, als Zbyszko ihn zum erstenmal in Krakau sah, strich er sie auch jetzt mit einer raschen Bewegung hinter die Ohren. Doch schien er darniedergebeugt von der Wucht der furchtbaren Verantwortlichkeit, welche auf ihm lastete, und wie versenkt in große Traurigkeit zu sein. Im Heere sprach man vielfach davon, daß der König beständig Thränen über das Christenblut vergieße, das voraussichtlich fließen müsse, und so war es in der That. Jagiello schrak vor dem Kriege zurück, vornehmlich vor dem Kriege mit Gegnern, welche das Kreuzeszeichen auf Mänteln und Bannern trugen, und von ganzer Seele sehnte er sich nach Frieden. Es nützte wenig, daß ihn die polnischen Edelleute und sogar die ungarischen Friedensvermittler Scibor und Gara auf das hochmütige Selbstvertrauen der Kreuzritter aufmerksam gemacht hatten, auf das hochmütige Selbstvertrauen, womit auch der Meister die ganze Welt zum Kampfe herausforderte. Umsonst schwur ihm sein Gesandter Piotr Korzbaz auf das heilige Kreuz und auf sein eigenes Wappenschild, daß der Orden nichts von Frieden hören wolle, und daß Graf von Wende, der Komtur aus Mewe, der allein zum Frieden geneigt sei, von den andern mit Hohn und Schimpfreden überschüttet worden war – Jagiello gab doch die Hoffnung noch nicht auf, daß der Feind die Billigkeit seiner Forderungen anerkennen, Blutvergießen vermeiden und durch einen gerechten Vergleich den furchtbaren Zwiespalt endigen werde.

Daher ging er auch jetzt in die Kapelle, um zu beten, denn seine einfache, gütige Seele war von Angst und Unruhe erfüllt. Wohl hatte er einst die Gebiete der Kreuzritter mit Feuer und Schwert heimgesucht, aber das hatte er noch als litauischer Fürst, als Heide gethan, jetzt hingegen war er König von Polen, war er Christ, und wenn er brennende Dörfer, Brandstätten, Blut und Thränen sah, dann ergriff ihn bange Furcht vor dem Zorn Gottes, zumal dies erst der Anfang des Krieges war. »Ach! daß dieser Kampf doch schon sein Ende erreicht hätte!« sagte er sich. »Aber heute oder morgen können die Völker aufeinanderprallen, und dann muß die Erde von Blut gerötet werden. Des Feindes Ungerechtigkeit ist in der That groß, doch trägt er das Kreuz auf dem Mantel und zudem wird er von so kostbaren und heiligen Reliquien geschützt, daß allein schon der Gedanke daran Schrecken einflößt.« An diese Reliquien dachte man im ganzen Heere voll Angst, und weder die Lanzenspitzen, noch die Schwerter, noch die Streitäxte, wohl aber diese heiligen Ueberreste wurden von den Polen gefürchtet.

»Wie können wir gegen den Meister die Hand erheben,« sagten die sonst so kühnen Ritter, »wenn er auf dem Panzer ein Reliquienkästchen mit den Gebeinen eines Heiligen und mit Holz von dem Kreuze des Erlösers trägt!« Witold freilich in seinem Feuereifer drängte zum Kriege, ihn verlangte es nach Kampf und Schlacht, aber das fromme Gemüt des Königs ward von banger Scheu ergriffen, wenn er der himmlischen Mächte gedachte, welche den Orden trotz seiner ungerechten Sache zu schützen schienen.

  1. Ziegenhörner. Anmerkung der Uebersetzerinnen.

Siebentes Kapitel.

Vater Bartosz aus Klobuzk hatte gerade eine Messe beendigt, der Probst von Kalisz sollte binnen kurzem die zweite beginnen, und der König trat vor das Zelt, um die von dem langen Knien etwas ermüdeten Glieder ein wenig zu strecken, als ein Edelmann, Hanko Ostojezyk, wie der Sturmwind auf schaumbedecktem Pferde dahergesprengt kam, und bevor er noch von dem Sattel herabsprang, laut hinaus schrie: »Die Deutschen! Allergnädigster Herr und König!«

Bei diesen Worten fuhren die Ritter empor, der Ausdruck auf dem Antlitz des Königs veränderte sich und nach einem kurzen Schweigen rief er: »Gelobt sei Jesus Christus! Wo sahst Du sie und wie viele Fähnlein sind es?«

»Ein Fähnlein sah ich bei Grünwald,« erwiderte Hanko schweratmend, »aber jenseits des Hügels erheben sich Staubwolken, wie wenn deren mehrere heranrückten.«

»Gelobt sei Jesus Christus!« sagte der König abermals.

Da wendete sich Witold, dem bei den ersten Worten Hankos das Blut jäh ins Gesicht gestiegen war und dessen Augen blitzten, zu dem Gefolge des Königs und rief:

»Verschiebt die zweite Messe auf spätere Zeit! Bringt mir ein Pferd!«

Der König aber legte die Hand auf Witolds Schulter und sagte: »Mache Du Dich auf, Bruder, ich hingegen bleibe und höre die zweite Messe mit an.«

Witold und Zindram aus Maszkowice eilten zu ihren Pferden, aber gerade in dem Augenblick, da sie sich dem Lager zuwendeten, sprengte ein zweiter Kundschafter, der Edelmann Piotr Oksza aus Wostow heran und schrie schon von ferne: »Die Deutschen! Die Deutschen! Ich habe zwei Fähnlein gesehen.«

»Zu Roß!« ließen sich Stimmen unter den Hofherren und Rittern vernehmen.

Noch hatte Piotr seine Botschaft nicht beendigt, als abermals Hufschlag erscholl und der dritte Kundschafter, dann ein vierter, fünfter und sechster heranraste. Sie alle hatten deutsche Heeresabteilungen gesehen, die in immer größerer und größerer Zahl heranrückten. Es herrschte kein Zweifel mehr darüber, daß die ganze Kriegsmacht des Ordens dem Heere des Königs in den Weg treten werde.

Die Ritter zerstreuten sich sofort, ein jeder eilte zu seinem Fähnlein. Vor dem Zelte in der Nähe des Königs blieben nur einige Hofherrn, Geistliche und Waffenträger. Aber in diesem Augenblick ertönte ein Glöckchen zum Zeichen, daß der Probst aus Kalisz die zweite Messe beginne, daher breitete Jagiello die Arme aus, faltete dann fromm die Hände und den Blick gen Himmel erhebend, ging er mit langsamen Schritten in das Zelt.

– – – – – –

Aber als er nach der Messe wieder heraustrat, konnte er sich schon mit eigenen Augen davon überzeugen, daß die Kundschafter die Wahrheit gesprochen hatten, denn unterhalb des sanft ansteigenden Geländes zeigten sich dunkle Schatten, wie wenn auf dem leeren Gefilde plötzlich ein Wald erwüchse, und über diesem Walde flatterten bunte, in allen Farben spielende Fahnen. Noch etwas weiter hin, jenseits von Grünwald und Tannenberg, erhoben sich ungeheure Staubwolken gen Himmel.

Ein Blick auf den Horizont genügte, um dem König die furchtbare Gefahr klar zu machen, er wendete sich zu dem hochwürdigen Unterkanzler Mikolaj und fragte: »Was für ein Heiligentag ist heute?«

»Der Tag der Aussendung der Apostel!« sagte der Unterkanzler.

Der König seufzte.

»Also wird der Tag der Aussendung der Apostel der letzte Tag für viele tausend Christen sein, welche heute auf diesem Felde zusammenstoßen werden.«

Und er zeigte mit der Hand auf das weite, leere Gefilde, in dessen Mitte, ungefähr in der Hälfte des Weges nach Tannenberg, einige uralte Eichen standen. Mittlerweile wurde sein Pferd vorgeführt und in der Ferne zeigten sich sechzig Lanzenträger, welche Zindram aus Maszkowice sandte, damit sie dem König als Leibwache dienten.

– – – – – –

Diese Wache wurde angeführt von Aleksander, dem jüngern Sohne des Fürsten von Plock, dem Bruder jenes Ziemowit, welcher wegen seiner besondern Begabung für die Kriegskunst schon dem Kriegsrate angehörte. Als zweiter Befehlshaber war ihm Zygmunt Korzbut aus Litauen, der Bruderssohn des Monarchen zugesellt, ein Jüngling, der zu großen Hoffnungen berechtigte, zu einer großen Zukunft bestimmt schien, aber einen unruhigen Geist hatte. Die berühmtesten unter den andern Rittern waren Jasko Mazik aus Dobrowa, ein wahrer Riese, an Gestalt fast dem Paszko aus Biskupice gleich und an Kraft selbst dem Zawisza Czarny nicht viel nachgebend, Zolawa, ein böhmischer Baron, von zartem, schlankem Körperbau, aber durch außerordentliche Gewandtheit und Tapferkeit ausgezeichnet, am böhmischen und ungarischen Hose bekannt wegen der Zweikämpfe, in denen er mehr als zehn österreichische Ritter niedergeworfen hatte, und Sokol, ein anderer Böhme, der beste Armbrustschütze, sowie Bieniasz Wierusz aus Großpolen, Piotr Medyolanski, der litauische Bojar Sienko aus Pohost, dessen Vater Piotr das Kriegsvolk aus Smolensk befehligte, dann Knäs Tieduszko, ein Blutsverwandter des Königs, Knäs Jamont und schließlich polnische Ritter, »auserwählt aus Tausenden«, welche alle geschworen hatten, bis auf den letzten Blutstropfen den König vor den Gefahren des Krieges zu schützen. Zu der unmittelbaren Umgebung des Königs gehörten der hochwürdige Unterkanzler Mikolaj und der Geheimschreiber Zbigniew aus Olesnica, der trotz seiner Jugend nicht nur äußerst gelehrt und in der Kunst des Lesens und des Schreibens sehr geübt war, sondern auch gleichzeitig gar viele seiner Altersgenossen an Kraft übertraf. Für die Ausrüstung des Königs sorgten drei

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Die Hände und den Blick gen Himmel erhebend, ging der König mit langsamen Schritten in das Zelt.

Waffenträger. Czajka aus Nowy Dwôr, Mikolaj aus Morawice und der Russe Danielko, welcher die Armbrust und den Köcher des Königs trug. Etliche weitere Knappen, die auf leichtfüßigen Rossen die Befehle nach allen Richtungen zu tragen hatten, vervollständigten das Gefolge des Königs.

Nachdem die Waffenträger ihren Herrn mit einer glänzenden, schimmernden Rüstung gewappnet hatten, führten sie ihm einen ebenfalls »unter Tausenden auserwählten« kastanienbraunen, türkischen Renner zu, der – ein gutes Anzeichen – sofort unter seiner eisernen Stirnbinde zu schnauben begann und dann mit lautem Gewieher, gleich einem zum Fluge sich anschickenden Vogel, in die Luft stieg. Kaum fühlte der König das Roß unter sich, kaum hielt er den Speer in der Hand, so ging eine Verwandlung mit ihm vor. Die Schwermut wich aus seinem Antlitz, seine kleinen dunkeln Augen blitzten und seine Wangen röteten sich, allein diese Veränderung hielt nicht lange an, denn tief ernst schaute er schon wieder darein, als der hochwürdige Unterkanzler das Zeichen des Kreuzes über ihn machte, und demutsvoll beugte er sein silberbehelmtes Haupt.

– – – – – –

Inzwischen bewegte sich das Kriegsheer der Deutschen langsam die Anhöhe herab an Grünwald und Tannenberg vorbei, um in der Mitte der Ebene in voller Schlachtordnung Halt zu machen. Von unten, von dem polnischen Lager aus, konnte man genau die geradezu schreckenerregende Menge der gewaltigen, in Eisen gepanzerten Ritter und Pferde sehen, ja, wenn der Wind nicht gerade die Banner hin und her wehte, vermochte ein scharfes Auge die darauf prangenden Zeichen zu erkennen wie Kreuze, Adler, Greife, Schwerter, Helme, Widder, Bisons und Bärenköpfe.

Dadurch daß der alte Macko und Zbyszko schon mit den Kreuzrittern gekämpft hatten und deren Kriegsheer, deren Wappen kannten, waren sie nicht nur im stande, den ihnen befreundeten Rittern aus Sieradz die beiden Fähnlein des Großmeisters zu zeigen, sondern sie konnten diese auch auf das Hauptbanner des ganzen Ordens, welches von Friedrich von Wallenrod getragen ward, sowie auf das Banner des heiligen Georg mit einem roten Kreuze auf weißem Grunde und auf noch viele andere Banner des Ordens aufmerksam machen. Unbekannt aber waren den Rittern aus Bogdaniec die Abzeichen der verschiedenen fremden Gäste, die zu Tausenden aus allen Weltgegenden herbeigeströmt waren, wie aus Oesterreich, Bayern, Schwaben, aus der Schweiz, aus dem durch seine Ritterschaft berühmten Burgund, aus dem reichen Flandern, aus dem sonnigen Frankreich, dessen Ritter, wie Macko einst sagte, sich selbst dann noch ihrer Tapferkeit rühmen, wenn sie schon darniedergeworfen sind – und aus dem jenseits des Meeres gelegenen England, dem Geburtslande der sicheren Armbrustschützen, ja, sogar aus dem fernen Spanien, wo sich durch die fortgesetzten Kämpfe mit den Sarazenen Tapferkeit und Ehrgefühl noch mehr als in allen andern Landen entwickelt hatten. Das Blut floß rascher in den Adern jener wetterharten Edelleute aus Sieradz, Koniecpole, Krzesnia, Bogdaniec, Rogow und Brzozowa, in den Adern der Edelleute aus allen andern polnischen Gebieten bei dem Gedanken, daß sie nun bald mit den Deutschen, mit den fremdländischen Rittern in der Schlacht zusammenstoßen würden. Zu einem Kampfe auf Leben und Tod mußte es kommen, deshalb schauten die ältern Edelleute ernst und feierlich darein, während die jugendlichen Kämpen kaum ihre Ungeduld zu zügeln wußten, gleich jungen Jagdhunden, die, an der Leine gehalten, das Wild in der Ferne wittern. Etliche von ihnen faßten unwillkürlich jetzt schon den Speer, das Schwert, oder die Streitaxt fester in die Hand und zogen die Zügel ihrer Pferde so gewaltsam an, als ob sie mit ihnen zum Sprunge ausholen wollten, andere atmeten so schwer, als ob es ihnen zu enge in der Rüstung geworden sei. Beruhigend suchten die erfahreneren Krieger auf diese Heißsporne einzuwirken, indem sie ihnen stets wiederholten: »Ihr werdet auch an die Reihe kommen. Ein jeder von Euch wird seine Kraft bethätigen können, Gott gebe nur, daß Ihr der Aufgabe gewachsen bleibt.«

Die Kreuzritter indessen erschauten, von der Anhöhe auf die Ebene herabsehend, an dem Waldesrande nur einige wenige polnischen Abteilungen und glaubten daher nicht die ganze Heeresmacht der Polen, mit dem Könige an der Spitze, vor sich zu sehen. Wohl zeigten sich zwar links am See auch etliche Kriegshaufen, wohl blitzte es in den Büschen zuweilen wie von Lanzenspitzen auf, das heißt, wie von Wurfspießen, welche die Litauer zu führen pflegten, allein dies Geflimmer mochte ebensogut von einer beträchtlichen Streifwache der Polen herrühren. Erst durch eine Anzahl von Ueberläufern aus dem gefallenen Gilgenburg, welche vor den Großmeister gebracht wurden, erfuhr dieser, daß ihm die vereinten Streitkräfte der Polen und Litauer gegenüber standen.

Doch umsonst schilderten jene Mannen diese gewaltige Macht, der Großmeister legte ihren Worten keine Bedeutung bei, denn von Beginn des Krieges an wollte er nur das glauben, was für ihn günstig war, was einen sichern Sieg verhieß. Er schickte daher weder Streifwachen, noch Kundschafter aus, denn er bezweifelte keinen Augenblick, daß es zu einer entsetzlichen Schlacht kommen müsse, und daß diese Schlacht nur mit der gänzlichen Niederlage des Feindes endigen könne. Im Vertrauen auf eine Macht, wie sie nie zuvor von einem Großmeister ins Feld gestellt worden war, verachtete er seinen Gegner, und als ihm der Komtur aus Mewe, der auf eigene Hand Kundschaft eingezogen hatte, auseinandersetzte, Jagiellos Kriegsheer sei noch größer als das des Ordens, da antwortete er: »Was will denn dieses Kriegsvolk bedeuten? Möglicherweise werden die Polen etwas Widerstand leisten, den andern aber nützt ihre Ueberzahl nichts, wissen sie doch besser den Löffel als das Schwert zu handhaben.«

So ließ er den Vormarsch beschleunigen, und schon nach kurzer Zeit stand er zu seiner großen Freude dem Feinde gegenüber, schon nach kurzer Zeit erkannte er an dem königlichen Hauptbanner, dessen Rot auf dem dunkeln Hintergründe des Waldes deutlich sichtbar ward, daß er auf die Hauptmacht gestoßen war.

An einen Angriff konnten die Deutschen jedoch vorerst nicht denken, da die Polen längs des Waldessaumes standen, und die Kreuzritter, die gefährlichsten Gegner im offenen Felde, einen Kampf im Gehölz stets zu vermeiden suchten, weil sie sich ihm nicht gewachsen fühlten.

Der Großmeister hielt daher eine kurze Beratschlagung darüber ab, wie man den Feind aus seinen Stellungen verdrängen könne.

»Bei dem heiligen Georg!« rief der Großmeister, »wir haben eine gewaltige Strecke zurückgelegt, ohne Rast zu machen. Die Hitze ist drückend, und der Schweiß rinnt uns unter der Rüstung vom Körper herab. Sollen wir daher ruhig zuwarten, bis es dem Feinde gefällt, uns anzugreifen?«

Daraufhin ließ sich Graf Wende, ein erfahrener, kluger Mann, also vernehmen: »Fürwahr, stets hat man hier meine Worte verlacht, stets wurde ich von denen verspottet, welche, bei Gott, von diesem Schlachtfelds fliehen werden, auf dem ich den Tod finde (hier schaute er auf Werner von Tetlingen), trotzdem aber spreche ich das aus, was mir mein Gewissen, was mir meine Liebe zu dem Orden gebieten. Den Polen gebricht es wahrlich nicht an Mut, ihr König hofft jedoch noch immer, so ward mir berichtet, daß ein Bote mit Friedensvorschlägen bei ihm eintreffen werde.«

Werner von Tetlingen erteilte keine Antwort, sondern brach nur in ein verächtliches Lachen aus, der Großmeister dagegen, dem Wendes Worte sehr unliebsam waren, erwiderte unverweilt: »Ist es jetzt an der Zeit, von Frieden zu sprechen? Ich glaube, wir haben ganz andere Dinge zu beraten.«

»Für ein Gott gefälliges Werk ist es stets an der Zeit!« warf von Wende ein.

Nun wandte Heinrich, der grausame Komtur von Czluchow, welcher den Schwur geleistet hatte, solange zwei entblößte Schwerter vor sich hertragen zu lassen, bis er sie in das Blut der Polen getaucht habe, sein feistes, schweißtriefendes Antlitz dem Großmeister zu und rief in zornigem Tone: »Lieber den Tod als Schande! Selbst wenn ich allein stünde, würde ich mit diesen Schwertern das ganze Kriegsheer der Polen angreifen.«

Ulryk zog ein wenig die Brauen zusammen.

»Gegen den Gehorsam lehnst Du Dich auf!« warf er ein, um dann an die Komture die Worte zu richten: »Laßt Euern Rat darüber hören, wie wir den Feind aus seinen Stellungen längs des Waldessaumes vertreiben können.«

Der und jener gab nun seine Ansicht kund, bis man schließlich sich darüber einigte, Gersdorfs Plan auszuführen, der sowohl Beifall bei den Komturen wie bei den hervorragendsten Gästen fand. Demzufolge sollten zwei Herolde an den König abgeschickt werden mit der Botschaft, der Großmeister übersende ihm zwei Schwerter und fordere die Polen zum Kampfe auf Tod und Leben, dabei erkläre er sich aber bereit, wenn der Kampfplatz zu klein erscheine, mit seinem Kriegsheer etwas zurückzugehen, um dadurch mehr Raum zu schaffen.

– – – – – –

Der König stand gerade im Begriff, sich von dem Seeufer aus zu dem linken Flügel des polnischen Heeres zu begeben, weil er verschiedenen Kriegern den Rittergürtel verleihen wollte, als man ihm plötzlich das Nahen zweier Herolde meldete.

Jagiello schöpfte aufs neue Hoffnung. »Vielleicht machen sie uns doch noch annehmbare Friedensvorschläge!« meinte er.

»Gott gebe dies!« stimmten die geistlichen Herren bei.

Der König schickte unverweilt nach Witold. Inzwischen ritten die beiden Herolde langsam dem Lager zu.

In dem hellen Sonnenlichte konnte man sie schon aus der Ferne auf ihren mächtigen dampfenden Streitrossen so deutlich wahrnehmen, daß man auf dem Schilde des einen den schwarzen kaiserlichen Adler auf goldenem Felde, auf dem des andern – dem Herolde des Fürsten von Stettin – einen Greif auf weißem Felde erkennen konnte. Bei ihrer Ankunft stoben die Reihen auseinander, die Herolde aber, von ihren Rossen steigend, standen gleich darauf vor dem Könige, neigten ein wenig das Haupt als Zeichen ihrer Ehrerbietung und entledigten sich sofort ihrer Botschaft.

»Der Großmeister Ulryk,« begann der erste Herold, »fordert Deine Majestät, o Herr, und den Fürsten Witold zum blutigen Kampfe, und um die Euch augenscheinlich mangelnde Tapferkeit zu erwecken, sendet er Euch diese beiden entblößten Schwerter.«

Mit diesen Worten legte er zwei Schwerter zu den Füßen des Königs nieder, und kaum hatte Jasko Mazyk aus Dobrowa diesen Ausspruch verdolmetscht, so trat auch schon der zweite Herold vor und sprach also: »Der Großmeister Ulryk hat mir befohlen, Euch, o Herr, zu melden, daß er bereit ist, mit seinem Kriegsheere zurückzugehen, so Euch der Kampfplatz zu enge erscheinen sollte und damit Ihr nicht länger gezwungen seid, träge in den Wäldern zu verharren.«

Als Jasko auch diesen Ausspruch verdolmetschte, trat eine lautlose Stille ein. Die Ritter in dem Gefolge des Königs knirschten insgeheim mit den Zähnen vor Entrüstung über eine solche Verwegenheit, über eine solche Beschimpfung.

Mit einem Schlage war Jagiellos Hoffnung vernichtet. Eine Botschaft des Friedens, der Versöhnung hatte er erwartet, eine demütigende Herausforderung war ihm zu teil geworden.

Seine thränenfeuchten Augen gen Himmel richtend, antwortete er daher: »Wohl besitzen wir Schwerter im Ueberflusse, diese beiden nehme ich aber doch auf, da ich sie als ein Zeichen des kommenden Sieges betrachte, das mir Gott durch Euch übermittelt. Und der Kampfplatz wird durch Ihn bestimmt werden, durch Ihn, zu dem ich mich nun wende, bei dem ich Klage führe über die mir angethane Beschimpfung, über Eure Ueberhebung, über Euern Hochmut. Amen!«

Zwei große Thränen rannen langsam über die sonnverbrannten Wangen des Königs, während plötzlich Stimmen in seinem Gefolge laut wurden und man die Worte vernahm: »Die Deutschen ziehen sich zurück! Sie geben das Feld frei!«

Die Herolde entfernten sich und schon nach wenigen Augenblicken konnte man sie auf ihren gewaltigen Streitrossen die Anhöhe emporreiten sehen, wobei die seidenen, über den Rüstungen getragenen Wappenröcke in dem hellen Sonnenlichte glänzten und schimmerten.

– – – – – –

Nun rückte das polnische Kriegsheer vor und stellte sich in Schlachtordnung auf. Das Vordertreffen bildeten die gefürchtetsten Ritter, dann kam die Hauptmacht und au diese schlossen sich das Fußvolk und die Söldner an. In dem Räume zwischen den verschiedenen Abteilungen jagte Zindram, sprengte Witold hin und her, der, unbehelmt und in glänzender Rüstung einem Unheil verkündenden Sterne oder einer vom Winde hin und her getriebenen sengenden Flamme glich.

Tief Atem holend, setzten sich die Ritter fester in den Sattel.

Die Schlacht konnte jeden Augenblick beginnen.

– – – – – –

Aufmerksam beobachtete inzwischen der Großmeister das von dem Waldessaume vorrückende Kriegsheer des Königs.

Und während sein Auge auf dieser unermeßlichen Schar haftete, auf den Seitenflügeln, die sich gleich den Flügeln eines mächtigen Vogels ausbreiteten, auf den, von dem Winde hin und her gewehten vielfarbigen Bannern, da zog sich ihm das Herz unter einer ungewohnten, entsetzlichen Empfindung zusammen. Vielleicht sah er jetzt schon im Geiste Haufen von Leichnamen, Ströme von Blut. Wenn er auch keine Furcht vor Menschen kannte, beschlich ihn vielleicht doch jetzt die Furcht vor Gott im Himmel, in dessen Hand die Wagschale des Sieges ruhte.

Zum ersten Male kam es ihm in den Sinn, wie entsetzlich sich dieser Tag gestalten könne, und zum ersten Male fühlte er die Verantwortung, die er auf sich geladen hatte.

Totenblässe überzog sein Antlitz, seine Lippen bebten und Thräne auf Thräne rann ihm über die Wangen.

»Was bewegt Euch in solcher Weise, o Herr?« fragte Graf von Wende.

»Ist das eine Zeit, Thränen zu vergießen?« bemerkte Heinrich, der grausame Komtur von Czluchow.

Aber der Groß-Komtur, Kuno von Lichtenstein, zog die Lippen kraus und sagte: »Ich tadle Dich offen darob, o Meister, denn Du solltest jetzt die Herzen der Ritter zu stärken, nicht aber zu erweichen suchen. Wahrlich, noch nie zuvor habe ich Dich so gesehen.«

Umsonst suchte sich der Großmeister zu fassen. So reichlich flössen die Thränen über seinen schwarzen Bart, daß es den Anschein hatte, als ob ein anderer aus ihm weine.

Schließlich gewann er jedoch seine Selbstbeherrschung wieder, und seine strengen Augen auf die Komture richtend, erteilte er den Befehl: »Zu den Heeresabteilungen!«

Ein jeder beeilte sich, den befehlenden Worten nachzukommen, die mit großem Nachdruck gesprochen worden waren, während der Großmeister, sich zu den Waffenträgern wendend, sagte: »Gebt mir den Helm!«

– – – – – –

Gleich Hämmern schlugen die Herzen der Mannen in den beiden Kriegsheeren, und atemlos harrten alle der Trompetenstöße – das Zeichen zum Angriff.

Die Erwartung steigerte sich fast ins Unerträgliche. Auf dem Kampfplatze gegen Tannenberg .zu stand zwischen den Deutschen und den polnischen Scharen eine Gruppe uralter Eichbäume, auf die Bauern aus der Umgegend geklettert waren, um die Schlacht zwischen zwei so gewaltigen Kriegsheeren mit anzuschauen, wie sie die Welt seit undenklichen Zeiten nicht mehr gesehen hatte. Doch abgesehen von dieser Baumgruppe glich das weite Gefilde ringsumher einer leblosen Steppe, einen so öden, grauen- und geisterhaften Eindruck machte es. Nichts regte sich weit und breit, nur von Zeit zu Zeit fuhr ein leichter Windhauch über den Kampfplatz, auf dem der Tod schweigend lauerte. Aber immer und immer wandten sich die Blicke der Ritter auf diese unglückverheißende, weite Fläche. Zuweilen zogen dichte Wolken, die Sonne verhüllend, am Himmel dahin, von dem es sich dann wie Schatten des Todes herabsenkte.

Mit einem Male erhob sich ein Wirbelwind. Sausend fuhr er durch die Wälder, tausende von Blättern von den Bäumen streifend, brausend fuhr er über die Gefilde, dürre Kornhalme mit sich führend und Staubwolken in die Höhe, in die Augen der Kreuzritter treibend. In diesem Augenblicke erzitterte die Luft von dem schrillen Klange der Hörner, der Trompeten und der Pfeifen, und der eine, von den Litauern gebildete Flügel schickte sich zum Vorgehen an, gleich einer unermeßlichen Schar von Vögeln, die sich zum Fluge bereit machen. Ihrer Gewohnheit gemäß stürmten die Reiter im Galoppe vor. Mit langgestreckten Hälsen und gesenkten Ohren, mit Aufbietung ihrer ganzen Kraft rasten die Pferde vorwärts und führten die Litauer, welche ihre Schwerter, ihre Speere in der Luft schwangen und wilde Schlachtrufe ausstießen, gegen den linken Flügel der Kreuzritter.

Bei diesem befand sich gerade der Großmeister. Seine Erregung hatte sich gelegt, seine Thränen waren versiegt, feurig blitzten seine Augen. Als er die heranstürmenden Litauer gewahrte, wandte er sich zu Friedrich Wallenrod, welcher den linken Flügel der Kreuzritter befehligte und sagte: »Witold hat zuerst angegriffen. Geht nun auch Ihr vor im Namen Gottes.«

Und mit einer einzigen Bewegung seiner Rechten sandte er vierzig Fähnlein eisengepanzerter Ritter ins Treffen.

»Gott mit uns!« rief Wallenrod laut aus.

Die Lanzen senkend, rückten die Abteilungen anfänglich langsam vor, dann aber, einem Felsblock vergleichbar, der von einem Berge mit stets wachsender Schnelle herabstürzt, gingen sie vom Schritt zum Trabe, zum Galoppe über und rasten dann mit der unwiderstehlichen Gewalt einer Lawine, die alles mit sich fortreißt und zermalmt, gegen den Feind.

Die Erde bebte und dröhnte unter ihnen.

– – – – – –

Jeden Augenblick mußte nun der Kampf entbrennen und flammend um sich greifen. Das polnische Kriegsvolk stimmte daher den alten Kriegsgesang des heiligen Wojciech an. Gegen hunderttausend eisengepanzerte Krieger richteten die Augen gen Himmel, aus hunderttausend Kehlen ertönte, wie eine gewaltige Stimme, der brausende Gesang:

»Mutter Gottes, heilige Jungfrau,
Gottbegnadete Maria,
Befiehl uns Deinem Sohn!
O Du auserkorene, einzige Mutter,
Erflehe für uns Vergebung der Sünden!

Kyrie eleison

Und die Singenden selbst wurden tief ergriffen und sahen wie neugestärkt dem Tode entgegen. Und eine unermeßliche, sieghafte Kraft lag in den Stimmen, in diesem Gesange, eine Kraft, vor der selbst das finstere Gewölke am Firmamente auseinanderstieben mußte. Die Speere zitterten in den Händen der Ritter, die Banner und die Fähnlein zitterten, die Luft erzitterte, die Zweige an den Bäumen zitterten, und das in dem Fichtengehölze erweckte Echo antwortete aus der Tiefe des Waldes, gerade als ob es den Seen, dem Gefilde und all den Landen rings umher zurufen wollte:

»Erflehe für uns Vergebung der Sünden!

Kyrie eleison

Von neuem aber ertönte der Gesang:

»In der heiligen Zeit Deines Sohnes, des Gekreuzigten,
Erhöre die Stimme, fülle die Gedanken der Menschen.
Erhöre das Gebet, mit dem wir zu Dir flehen.
Auf daß er uns gebe, um was wir ihn bitten:
Hienieden auf Erden ein heilig Verweilen
Und nach dem Tode das Paradies!

Kyrie eleison

Und das Echo antwortete: » Kyrie eleisooon!« Inzwischen war auf dem rechten Flügel ein heftiger Kampf entbrannt, der sich mehr und mehr ausbreitete.

Der Lärm des Kriegsgetümmels, das Schnauben der Rosse, die wilden Rufe der Mannen vermischten sich mit dem Gesange. Zuweilen aber, wenn die Rufe verstummten, gerade als ob die Kämpfenden frischen Atem schöpfen wollten, dann ward abermals der brausende Gesang deutlich vernehmbar:

»Adam, du Gottesknecht
Du sitzest bei Gott im hohen Rate!
Bring uns, deine Kinder, dahin,
Wo heilige Engel herrschen.
Dort ist Freude!
Dort ist Liebe!
Dort ist der himmlische Anblick des Schöpfers auf ewig!

Kyrie eleison

Und wiederum antwortete das Echo: » Kyrie eleison!« aus dem Gehölze hervor. Immer wildere Schreie ertönten auf dem rechten Flügel, allein niemand konnte sich darüber vergewissern, was eigentlich vorging, denn in diesem Augenblicke schickte der Großmeister Ulryk, der von der Anhöhe aus das Schlachtfeld überschaute, zwanzig Abteilungen unter Lichtenstein gegen die Polen.

Nun aber jagte Zindram aus Maszkowice gleich einem Sturmwinde an die Spitze der Vorhut, bei der die hervorragendsten Ritter standen, und mit dem Schwerte auf die in einer Staubwolke heransprengenden Deutschen zeigend, schrie er mit solcher Donnerstimme, daß sich die Pferde in den vorderen Reihen aufbäumten: »Auf den Feind! Schlagt zu!«

Unverweilt warfen sich nun die Ritter, tief auf ihre Pferde gebeugt und mit vorgestreckter Lanze den Deutschen entgegen.

– – – – – –

Die Vorhut der Litauer hielt jedoch dem entsetzlichen Ansturme nicht stand. Scharenweise wurden die bestbewaffneten und mächtigsten Bojaren, welche die ersten Reihen bildeten, niedergemacht, umsonst stürmten die folgenden Reihen wutentbrannt mitten in den Feind – trotz Tapferkeit, trotz Ausdauer, trotz übermenschlicher Anstrengung aller Kräfte entgingen auch sie nicht dem Verderben, erlitten auch sie die entsetzlichsten Verluste. Und wie konnte dies auch anders sein! Auf der einen Seite stand eine eisengepanzerte Ritterschaft aus eisengepanzerten Pferden, auf der andern Seite kämpften Mannen, die zwar hochgewachsen und kräftig waren, aber kleine Pferdchen ritten und statt der Rüstungen Felle trugen. Umsonst versuchten die halsstarrigen Litauer, die Deutschen ins Herz zu treffen. Ihre Wurfspieße, ihre Schwerter, ihre Lanzen, ihre wuchtigen Streitkolben, alles prallte an den Harnischen wie an einem Felsen, wie an dem Walle einer Burg ab. Von den wuchtigen deutschen Kriegern auf ihren wuchtigen Rossen wurde Witolds unglückliche Schar geradezu zermalmt. Wer den Schwertern, den Streitäxten entging, fand unter den Hufen der Pferde den Tod. Umsonst schickte Knäs Witold immer wieder neue Abteilungen vor – er schickte sie in den sichern Tod, denn nichts half, weder Ausdauer noch Todesverachtung, weder grenzenlose Wut noch stromweise vergossenes Blut. Die Tataren flohen zuerst. Ihrem Beispiele folgten die Bessarabier und die Wallachen. Binnen kurzem war der Wall der Litauer durchbrochen und wilde Furcht ergriff die Krieger. Ein großer Teil des litauischen Kriegsvolkes flüchtete sich gegen den Lubiec-See zu, verfolgt von den Deutschen, die eine solch entsetzliche Ernte hielten, daß das ganze Ufer von Leichnamen bedeckt ward.

Inzwischen zog sich der kleinere Teil des Witoldschen Kriegsvolkes, also auch drei Abteilungen aus Smolensk, zu dem Flügel der Polen zurück, den anfänglich nicht weniger als sechs Fähnlein und später auch noch die von der Verfolgung zurückgekehrten Deutschen bedrängten. Die gut bewaffneten Mannen aus Smolensk vermochten indessen wirksameren Widerstand zu leisten. Der Kampf wurde hier mehr und mehr zu einem Gemetzel. Jeder Schritt, jede Spanne Erde mußte mit Strömen von Blut erkauft werden. Die eine der Abteilungen aus Smolensk wurde geradezu in Stücke zerhauen, während sich die beiden andern immer noch mit rasender Verzweiflung zur Wehr setzten. Doch es war umsonst, nichts konnte den siegreichen Deutschen widerstehen. Einzelne ihrer Abteilungen kämpften mit wahrer Wut. Einzelne ihrer Ritter stürzten sich, das Schwert oder die Streitaxt schwingend und die Pferde mit den Sporen in einer Weise antreibend, daß sich die Tiere hoch aufbäumten, blindlings in die dichte Menge der Feinde. Mit geradezu übermenschlicher Kraft hieben diese Ritter um sich. Ihnen nach drängten sich aber, gleich einer unaufhaltsamen Woge, die ganze Schar, und rückte allmählich, die Krieger aus Smolensk mitsamt ihren Pferden niederreitend und zerstampfend, gegen das Vordertreffen und die Hauptmacht der Polen, welche schon über eine Stunde mit den von Kuno von Lichtenstein angeführten Deutschen kämpften.

– – – – – –

Kuno hatte hier nicht so leichtes Spiel. Er stand einem Gegner gegenüber, der an Güte der Waffen, an Kraft der Pferde und an Gewandtheit in der Kriegskunst den Deutschen gleichkam. Die Deutschen wurden durch die Speere der Polen nicht nur aufgehalten, sondern sogar zurückgetrieben, denn drei der gewaltigsten Abteilungen gingen gegen sie vor: die Kriegsschar aus Krakau, die leichtbewaffnete Reiterei unter Jedrek aus Brochocice und die Leibwache unter der Führung Powalas aus Taczew. Doch am entsetzlichsten entbrannte die Schlacht erst dann, als nach dem Zersplittern der Speere die Krieger zu den Schwertern und zu den Streitäxten griffen. Schilde prallten auf Schilde, wild rangen die einzelnen mit einander, die Pferde stürzten, die Banner wurden zu Boden gerissen. Unter den Schlägen der Keulen und der Streitäxte barsten die Helme, die Schulterstücke und die Panzer, Waffen und Rüstungen trieften von Blut, die Mannen stürzten aus den Sätteln wie Fichten, deren Stämme durchsägt sind.

Funken sprühten aus dem erhitzten Eisen, Lanzensplitter, Fahnenfetzen, Strauß- und Pfauenfedern flogen in die Luft, die Hufe der Pferde glitten aus auf den auf der Erde liegenden blutüberströmten Rüstungen und auf den toten Pferden. Von den Hufen der Pferde wurde ein jeder zermalmt, der verwundet niederstürzte.

Von den hervorragendsten polnischen Rittern war noch keiner gefallen. Mitten in das dichteste Getümmel, mitten in das tobendste Kampfgewühl stürmten sie vor, den Namen ihrer Schutzheiligen oder den Schlachtruf ihrer Geschlechter ausrufend. Und gleich dem lodernden Feuer, das auf einer öden Steppe Gräser und Büsche verzehrt, machten sie alles vor sich her nieder. Zuerst stürzte sich Lis aus Targowisko auf Ganrat, den Komtur aus Osterode, der, seinen Schild einbüßend, sich den weißen Mantel um den Arm schlang, um sich damit gegen die Streiche zu schützen. Doch Lis durchhieb den Mantel, die Armschiene und das Schulterstück des Deutschen mit wuchtigen Schlägen und stieß dann sein Schwert mit solcher Kraft in den Leib des Feindes, daß die Spitze knirschend den Rückenwirbelknochen traf. Angstvoll schrien die Mannen aus Osterode auf, als sie ihren Führer sinken sahen; aber Lis stürzte sich nun auf sie, wie sich ein Adler auf Kraniche stürzt, und als Staszko aus Charbimowice und Domarat aus Kobylan ihm auch noch zu Hülfe eilten, da wüteten diese drei so entsetzlich, wie Wölfe unter einer Lämmerherde.

Mitten in dem wirren Schlachtengetümmel erschlug auch Paszko Zlodziej aus Biskupice den Ordensbruder Kunz Melsbach. Umsonst hatte Kunz, der von tödlichem Schrecken erfaßt worden war, als plötzlich der riesenhafte Reiter, vor ihm Halt machend, die mit Blut bedeckte und mit Haaren beklebte Streitaxt schwang, sich ergeben wollen, Paszko konnte ihn in dem Getöse nicht hören und, sich in seinem Sattel aufrichtend, spaltete er das eisenbehelmte Haupt des Ordensbruders so rasch, als ob er einen Apfel zerteilt hätte. Gleich darauf tötete er Loch aus Mecklenburg und Klingenstein, sowie den, einem mächtigen Grafengeschlechte entstammenden Schwaben Helmsdorf, den in der Nähe von Mainz ansässigen Limpach und Nachterwitz aus Mainz, so daß schließlich die Deutschen rechts und links vor ihm in hellem Schrecken zurückwichen. Allein seinen wuchtigen Hieben entzogen sie sich doch nicht. Wie auf eine wankende Mauer schlug er auf sie ein, jeden Augenblick hob er sich im Sattel, um zum Schlage auszuholen, jeden Augenblick blinkte seine Streitaxt in der Luft und jeden Augenblick verschwand das behelmte Haupt eines Deutschen zwischen den Pferden.

Mit fast übermenschlicher Kraft kämpfte auch der gewaltige Jederzej aus Brochocice, und als sein Schwert an dem Helme eines Ritters zerschellte, der einen Eulenkopf auf seinem Schilde trug und dessen Visier die Form eines Eulenkopfes hatte, erfaßte er ihn an den Armen, preßte ihn wie mit eisernen Klammern zusammen, entriß ihm die Waffe und versetzte ihm mit dieser den Todesstoß. Dann wandte er sich gegen den blutjungen Ritter Dynheim, den zu töten er sich jedoch nicht entschließen konnte, da dieser unbehelmt war und mit den Augen eines Kindes zu ihm aufschaute. So nahm er ihn denn nur gefangen und übergab ihn seinem Knappen Andrzej, ohne zu ahnen, daß er in dem Gefangenen seinen zukünftigen Eidam gewonnen hatte, da Dynheim sich späterhin mit seiner Tochter vermählte und für immer in Polen blieb. Nun stürmten die Deutschen, auf die Befreiung des, einem reichen, am Rheine ansässigen Grafengeschlechte entstammenden jungen Dynheim bedacht, mit neuer Wut vor, allein die vor dem Banner kämpfenden Ritter Sumik aus Nadbroze und zwei Brüder aus Plomykow, sowie Dobek Okwia und Zych Pikna warfen sich auf sie gleich Löwen, die sich auf einen Auerochsen werfen, und drängten sie, Vernichtung und Tod um sich her verbreitend, gegen das Banner des heiligen Georg.

Mit den ritterlichen Gästen des Ordens kämpfte das Fähnlein der königlichen Leibwache, welches Ciolek aus Zelichow befehligte. Nun konnte auch Powala aus Taczew seine übermenschliche Kraft bethätigen. Mann und Roß warf er nieder, die Helme zerspaltete er mit einem Hiebe, mit einer ganzen Schar nahm er den Kampf auf, in die Bresche, die er schlug, folgten ihm Lesyko aus Goraj, ein Powala aus Wyhucz, Mcislaw aus Skrzynew und die Böhmen Sokol und Zbislawek. Lange währte der Kampf, denn drei deutsche Fähnlein stritten gegen das eine polnische, dem jedoch schließlich Jasko aus Tarnow mit der siebenundzwanzigsten Abteilung zu Hülfe kam. Jetzt waren sich die Streitkräfte gleicher und die Deutschen wurden einen halben Bogenschuß weit aus der Stellung zurückgetrieben, die sie bei Beginn des Kampfes inne gehabt hatten.

Doch noch weiter mußten sie vor der gewaltigen Krakauer Abteilung zurückweichen, die Zindram anführte und an deren Spitze unter den vor dem Banner kämpfenden Rittern der gefürchtetste aller Polen, Zawisza Czarny stritt. Ihm zur Seite hielten sich sein Bruder Farurej, sowie Florian Jelitczyk aus Korytnica, Skarbek aus Gora, der berühmte Lis aus Targowisko, Paszko Zlodziej, Jan Nalcey und Stach aus Charbimowice. Unter den wuchtigen Streichen Zawiszas stürzten die tapfersten Kämpen nieder, gerade als ob sich der Tod in dessen schwarzer Rüstung verberge und die Sichel führe. Mit gerunzelten Brauen, mit eingezogenen Nasenflügeln, kämpfte er so ruhig und bedachtsam, wie wenn er eine gewöhnliche Arbeit zu erfüllen habe. Zuweilen hob er seinen Schild ein wenig, um einen Hieb abzuwehren, sobald er aber sein Schwert schwang, ertönte der entsetzliche Schrei eines zu Tode Getroffenen. Ihn jedoch hielt nichts zurück, vorwärts und vorwärts drang er, einer schwarzen Wolke gleichend, aus der jeden Augenblick ein greller Blitzstrahl bricht.

Auch die Fähnlein aus Poznan, die unter dem Zeichen des Adlers ohne Krone kämpften, fochten auf Tod und Leben, während die erzbischöflichen Abteilungen und die drei masovischen Abteilungen um die Wette mit ihnen vorrückten. Ja, jedes einzelne der zahllosen Fähnlein suchte das andere an Mut, an Tapferkeit zu übertreffen. Unter der Schar aus Sieradz kämpfte Zbyszko aus Bogdaniec mit der Wut eines wilden Ebers, und neben ihm stritt der alte Macko mit der schlauen Bedächtigkeit eines Wolfes, der nur dann zubeißt, wenn er sicher ist, daß der Biß ein tödlicher sein wird.

Macko schaute unaufhörlich nach Kuno von Lichtenstein aus, doch da er ihn in dem dichten Gewühle nicht zu finden vermochte, warf er sich immer wieder auf einen andern Ritter, der sich durch seine glänzende Rüstung auszeichnete und der ihm auch stets zum Opfer fiel. Ganz in der Nähe der beiden Ritter aus Bogdaniec focht der gar grimmige Cztan aus Rogow. Gleich beim ersten Zusammenstoß war ihm der Helm vollständig zerschmettert worden, so kämpfte er jetzt barhäuptig, die Deutschen mit seinem blutbespritzten bärtigen Antlitz, durch das er weit eher einem Unholde aus dem Walde als einem Menschen ähnelte, in Schrecken setzend.

Schon waren hunderte, ja tausende von Rittern auf beiden Seiten gefallen, schon schien es, daß der Wall der Deutschen unter den wuchtigen Schlägen der Polen zu wanken beginne, da trat ein Ereignis ein, das mit einem Schlage der Schlacht eine andere Wendung hätte geben können.

Vom Kampfe entflammt und siegestrunken von der Verfolgung der Litauer abstehend, stießen die deutschen Fähnlein plötzlich auf eine Flanke der Polen. In dem Glauben, das Kriegsheer des Königs sei vollständig geschlagen und die Schlacht gewonnen, waren sie in ungeordneten Haufen, schreiend und singend zurückgekehrt und sahen nun mit einem Male ein wildes Gemetzel vor sich, sahen mit einem Male die Polen siegreich gegen die deutschen Scharen vordringen.

Die Köpfe senkend, um besser durch das Visier sehen zu können, blickten die Kreuzritter staunend auf diesen blutigen Kampf, um dann, ohne sich zuvor zu ordnen, ihren Pferden die Sporen zu geben und in das Schlachtgewühl zu sprengen. Und eine Schar folgte dem Beispiele der andern, sodaß binnen kurzem sich tausende auf die polnischen, vom Kampfe ermüdeten Abteilungen geworfen hatten. Mit lautem Freudengeschrei über die gewordene Hilfe wandten sich nun die Deutschen mit frischem Mute gegen die Polen.

Ein verzweifelter Kampf entspann sich auf der ganzen Linie. In Strömen floß das Blut über die Erde. Dunkle, schwere Wolken zogen am Himmel dahin und dumpf grollte der Donner, gerade als ob Gott selbst an dem Kampfe teilnehme.

Mehr und mehr neigte sich der Sieg den Deutschen zu, schon gerieten die polnischen Scharen ins Wanken und laut stimmte das Kriegsheer der Kreuzritter den Triumphgesang an:

»Christ ist erstanden!«

Da geschah etwas Unerhörtes. Einer der niedergeworfenen Kreuzritter schlitzte mit dem Dolche den Bauch des Pferdes auf, das von Marcin aus Wrocimowice geritten ward. Dieser aber trug das krakauische Hauptbanner mit dem gekrönten Adler, also das Banner, welches für das ganze königliche Kriegsvolk ein Heiligtum war, und nun stürzten plötzlich Roß und Reiter und mit ihnen sank auch die Standarte zu Boden.

In einem Augenblicke streckten sich hunderte von eisengepanzerten Armen aus, um das Banner zu ergreifen, während die Deutschen ein Freudengebrüll ausstießen. Es dünkte sie, der Sieg sei nahe, sie glaubten, Furcht und Schrecken würden sich der Polen bemächtigen und deren Niederlage eine so vollständige werden, daß es sich für sie nur noch um die Verfolgung, um die Niedermetzlung der Flüchtlinge handle

Aber eine schwere, furchtbare Enttäuschung wartete ihrer.

Wohl schrie das ganze polnische Kriegsheer wie ein Mann verzweifelt auf, als das Banner sank, doch aus diesem Schrei, aus dieser Verzweiflung klang keine Furcht, nein, nur Wut, nur Raserei. Es war, als ob lodernde Flammen in die Rüstungen schlügen. Gleich wilden Löwen stürzten die hervorragendsten Kämpen beider Kriegsheere auf die gleiche Stelle zu, und der erbittertste Kampf entspann sich um das gesunkene Banner. Reiter und Pferde bildeten eine einzige unförmige Masse, aus welcher sich unzählige Arme erhoben. Schwerter blinkten, Streitäxte sausten in der Luft, Stahl schlug auf Eisen auf, wildes Gekrache ertönte. Stöhnen und die lauten Schreie der Mannen erschollen, welche auf Tod und Leben miteinander rangen. Und all diese Laute vermischten sich zu einem solchen grauenerregenden Getöse, daß man hätte annehmen können, die Verdammten seien plötzlich der Hölle entstiegen. Staubwolken wirbelten auf, und aus ihnen rasten, blind vor Schrecken, reiterlose blutüberströmte Pferde mit wildflatternden Mähnen hervor.

Doch all dies währte nur kurze Zeit. Nicht ein Deutscher rettete sich aus diesem entsetzlichen Getümmel – schon nach wenigen Minuten wehte aufs neue das befreite Banner über die polnischen Scharen. Und es wehte im Winde und es blähte sich auf und es breitete sich in seinem Glanze aus wie eine Riesenblume, wie ein Hoffnungszeichen, wie das Zeichen des göttlichen Grimmes gegen die Kreuzritter, wie das Siegeszeichen für die polnischen Ritter.

Alles Kriegsvolk grüßte das Banner mit einem Triumphgeschrei und stürzte sich mit solcher Unbesonnenheit auf die Deutschen, als ob jedes Fähnlein sich an Zahl verdoppelt, als ob jeder Krieger neue Kraft gewonnen hätte.

Mitleidlos, atemlos gingen die polnischen Scharen vor, kaum gönnte sich ein Krieger soviel Zeit, um Atem zu schöpfen. Auf allen Seiten wurden die Feinde bedrängt, unaufhörlich sausten die Schwerter, die Streitäxte und die Keulen auf sie nieder, bis sie aufs neue zu wanken begannen, bis sie sich zurückzogen. Da und dort ertönte der Ruf um Gnade, da und dort wurde inmitten des Getümmels das vor Furcht und Schrecken totenbleiche Antlitz eines fremdländischen Ritters sichtbar, der sich blindlings seinem wild dahinstürmenden, geängstigten Renner überließ. Weit und breit war das Schlachtfeld von den weißen Mänteln bedeckt, welche die Kreuzritter über ihren Rüstungen trugen.

Bange Sorge erfaßte das Herz von deren Führern, die sofort begriffen, daß ihr alleiniges Heil in den Händen des Großmeisters lag, der mit sechzehn Fähnlein im Hintertreffen stand.

Von der Anhöhe aus überblickte Ulryk den Kampfplatz, und auch ihm ward es klar, daß der Augenblick gekommen sei, in dem er eingreifen müsse. Auf sein Gebot hin setzten sich denn auch seine eisengepanzerten Scharen in Bewegung, gleich schweren, vom Sturme vorwärts getriebenen Wolken, aus denen ein Hagelschauer niederzuprasseln und alles um sich her zu zerstören droht.

– – – – – –

Doch wie der Blitz erschien nun vor der dritten Schlachtlinie der Polen, die sich bis jetzt noch nicht am Kampfe beteiligt hatte, auf seinem wilden Renner Zindram aus Maszkowice. Auch er hatte sorgsam den Verlauf der Schlacht verfolgt, auch er hatte alles genau im Auge behalten. Hier, in der dritten Schlachtlinie befanden sich außer dem polnischen Fußvolke etliche Haufen böhmischen Fußvolkes. Eine dieser Scharen hatte sich vor Beginn der Schlacht unzuverlässig gezeigt, war aber schließlich, noch rechtzeitig Reue fühlend, auf der Walstatt geblieben und brannte nun vor Verlangen darnach, die vorübergehende Schwäche durch besondere Tapferkeit wieder gutzumachen. Die Hauptmacht hier bestand jedoch aus polnischen Abteilungen, zu denen freilich eine aus armen, schlecht ausgerüsteten Edelleuten gebildete Reiterschar gehörte, und Fußvolk, das sich teils aus Städtern, größtenteils aber aus Freibauern zusammensetzte, die mit Wurfspießen, schweren Lanzen und mit aufrecht gesteckten Sensen bewaffnet waren.

»Macht Euch bereit, haltet Euch bereit!« schrie Zindram aus Maszkowice mit Donnerstimme, während er durch die Reihen jagte.

»Haltet Euch bereit!« wiederholten die ihm unterstehenden Befehlshaber.

Und die Mannen, erkennend, daß nun ihre Zeit gekommen war, stemmten die Stiele der Wurfspieße, der Lanzen und der Sensen zur Erde, machten das Zeichen des Kreuzes und spieen so einmütig und wie auf einen Schlag in ihre großen, wetterharten Hände, daß dies unheilverkündende Zeichen weithin gehört ward. Gleich darauf griff jeder einzelne wieder nach seiner Waffe und holte tief Atem. In diesem Augenblicke sprengte ein Knappe mit einer Botschaft des Königs auf Zindram zu und flüsterte diesem mit keuchender Stimme einige Worte ins Ohr. Doch Zindram, sich zudem Fußvolke wendend und sein Schwert schwingend, schrie: »Vorwärts!«

»Vorwärts!« wiederholten die ihm unterstehenden Befehlshaber.

»Auf den Feind! Auf die Weißmäntel! Auf sie!«

Die Scharen setzten sich in Bewegung. Um aber Schritt zu halten, um aber ja in gerader Reihe vorzugehen, sangen alle gleichzeitig:

»O Ma–ri–a sei ge–grüßt,
Die du voll der Gna–de bist;
Gott der Herr ist selbst mit dir!«

Die Söldner, das aus Städtern gebildete Fußvolk, die Freibauern aus Klein- und Großpolen, die Schlesier, welche vor Ausbruch des Krieges Zuflucht in dem Königreiche gesucht hatten, und die vor den Kreuzrittern aus dem Gebiete von Elk geflohenen Masuren rückten nun gleich einer Sturmflut vor. Weithin blitzte und schimmerte es von den Spitzen der Lanzen und der Speere.

Schließlich langten sie an Ort und Stelle an.

»Schlagt zu!« schrien die Führer.

»Ach!« Ein jeder der Mannen ächzte, wie ein starker Holzhauer ächzt, der mit der Axt zum ersten Schlage ausholt, und ein jeder kämpfte mit Aufbietung all seiner Kraft und so lange der Atem in seiner Brust ausreichte.

Wilde Rufe, wilde Schreie drangen gen Himmel.

– – – – – –

Der König, der, auf einem kleinen Hügel stehend, die Schlacht beobachtete, sandte nach allen Richtungen hin Botschafter aus und seine Stimme klang allmählich heiser, so viele Befehle erteilte er. Als er indessen schließlich bemerkte, daß alle Abteilungen im Treffen standen, da zeigte er Lust, sich selbst am Kampfe zu beteiligen.

Etliche seiner Leibwache suchten dies zu vereiteln, sorgten sie sich doch um die geheiligte Person des Herrschers. Powala faßte die Zügel des Renners, die er auch dann nicht freigab, als ihm der König mit der Lanze auf das Haupt schlug, andere verlegten Jagiello den Weg, indem sie ihn flehentlich baten, von seinem Vorhaben abzustehen, indem sie ihn zu überzeugen suchten, daß sein persönliches Eingreifen in die Schlacht in keiner Weise eine Aenderung herbeiführen könne.

Da plötzlich drohte dem König, drohte dessen ganzem Gefolge tödliches Verderben.

Dem Beispiele der von der Verfolgung der Litauer zurückkehrenden Abteilungen nachahmend und gleichzeitig von dem Wunsche beseelt, einen Flügel des polnischen Kriegsvolkes anzugreifen, ließ plötzlich der Großmeister seine Abteilungen in einem Halbkreise vorrücken. Diese auserwählte, aus sechzehn Fähnlein bestehende Schar aber zog ganz nahe an dem kleinen Hügel vorüber, auf dem sich der König Wladislaw Jagiello befand.

Wohl ward man sich der Gefahr bewußt, allein man konnte ihr nicht mehr entweichen. Das königliche Banner wurde indessen sofort eingezogen und gleichzeitig sprengte der königliche Geheimschreiber Zbigniew aus Olesnica, so rasch ihn sein Pferd zu tragen vermochte, zu einer in der Nähe stehenden Abteilung, die sich auf Befehl ihres Führers, des Ritters Mikolaj Kielbasa, für den kommenden Angriff bereit machte.

»Der König ist in Gefahr! Auf zu seiner Rettung!« schrie Zbigniew.

Da riß Kielbasa, der seinen Helm verloren hatte, eine von Blut und Schweiß durchtränkte Mütze vom Haupte, hielt sie dem Daherjagenden entgegen und rief wutentbrannt: »Urteile selbst, ob wir unthätig gewesen sind! Narr! Siehst Du denn nicht, daß jene finstere Wolke sich auf uns niedersenkt, daß sie aber den König gefährden würde, wenn wir unsere Stellung verließen. Hebe Dich hinweg, sonst müßte ich Dir das Schwert in die Brust stoßen.«

Und ohne es sich klar zu machen, mit wem er sprach, hätte er sich tatsächlich auf Zbigniew gestürzt, wenn dieser nicht, teils aus Rücksicht für den alten Krieger, teils weil er dessen Ansicht beipflichten mußte, zurückgejagt wäre, um dem König das Gehörte zu übermitteln.

In geschlossener Reihe stürzten nun alle die vor, denen es oblag, den König zu schützen, um die eigene Brust dem Feinde zu bieten. Jetzt aber half nichts mehr – Jagiello ließ sich nicht länger zurückhalten, in der ersten Reihe nahm er seinen Platz ein. Gleich darauf kamen die deutschen Abteilungen so dicht heran, daß die Wappen auf ihren Schilden deutlich unterschieden werden konnten. Das Herz von gar manchem der tapfersten Kämpen erbebte beim Anblick dieser Scharen, denn die Blüte, die Auslese der Ritterschaft befand sich darunter.

In glänzenden Rüstungen, auf gewaltigen, den Auerochsen gleichkommenden Rossen, in ungeschwächter Kraft, da sie bisher noch nicht am Kampfe teilgenommen hatten, stürmten sie, einem Orkane gleich, stampfend, tosend, mit fliegenden Bannern und Fähnchen vorwärts und an ihrer Spitze flog der Großmeister daher im weiten, weißen Mantel, der vom Winde aufgebläht, den ungeheuern Flügeln eines Adlers glich.

Der Großmeister raste an dem Könige und an dessen Gefolge vorüber, dem Haupttreffen zu, denn was wollte ihm diese kleine Schar abseits stehender Ritter bedeuten? Er ahnte ja nicht, daß sich der König darunter befand, er erkannte Jagiello nicht. Aber mitten aus einem der deutschen Fähnlein sprengte plötzlich ein riesenhafter Kämpe hervor, und sei es, daß er Jagiello erkannte, sei es, daß ihn die silberne Rüstung des Königs anlockte oder daß er seine Tapferkeit beweisen wollte, genug, er legte, das Haupt vorbeugend, den Speer an und stürzte auf Jagiello zu.

Da gab der König, ehe er daran verhindert werden konnte, seinem Pferde die Sporen und warf sich gegen den Deutschen. Zweifellos wäre es zu einem tödlichen Kampfe gekommen, wenn Zbigniew, des Königs jugendlicher Geheimschreiber, der in allen ritterlichen Künsten ebenso erfahren war wie im Latein, dies nicht verhindert hätte. Eine zerbrochene Lanze in der Hand stürmte er auf den Deutschen zu und traf ihn dermaßen auf das Haupt, daß der Getroffene mit zerschlagenem Helme zur Erde stürzte. Im gleichen Augenblicke aber stieß der König dem Deutschen das Schwert in die entblößte Stirn und gab ihm damit den Tod.

Auf solche Weise ging ein berühmter deutscher Ritter zu Grunde, Diepold Köckeritz von Dieber. Knäs Jamont ergriff dessen Pferd, der deutsche Ritter aber lag, mit dem güldenen Gürtel angethan und mit dem weißen Mantel über der stählernen Rüstung, auf der Erde, zu Tode verwundet. Die Augen waren schon gebrochen, die Füße jedoch zuckten noch einige Zeit krampfhaft, bis endlich der beste Tröster der Menschheit, der Tod, seinen Schatten über ihn senkte, und er in den ewigen Schlaf hinüber schlummerte.

Nun stürzten noch etliche Ritter, die bei dem Fähnlein aus dem Kulmer Gebiete standen, vor, wollten sie doch den Tod ihres Kriegsgefährten rächen, allein der Großmeister selbst hielt sie davon ab durch den Befehlsruf: »Herum, herum!« und führte sie im Sturme dahin, wo der Entscheidungskampf dieses blutigen Tages ausgefochten wurde, also in das Haupttreffen.

Und abermals ereignete sich etwas Wunderbares. Wohl hatte der in der Nähe stehende Mikolaj Kielbasa den Feind erkannt, die andern polnischen Abteilungen aber, denen dies durch den Staub unmöglich gemacht worden war, hielten die Scharen des Großmeisters für die auf die Walstatt zurückkehrenden Litauer und beeilten sich nicht mit dem Vorgehen. Dobek aus Olesnica stürmte zuerst dem Großmeister entgegen, erkannte diesen zuerst an seinem weißen Mantel, an dem Schilde und an dem großen Reliquienkästchen, das Ulryk über der Brust auf dem Panzer trug. Da der polnische Ritter es aber des Reliquienkästchens wegen nicht wagte, mit der Lanze zuzuschlagen, obwohl er dem Großmeister an Kraft weit überlegen war, stieß dieser die auf ihn gerichtete Speeresspitze in die Höhe und brachte dem Pferde seines Feindes eine geringfügige Wunde bei. Dann jagte einer an dem andern vorüber, um gleich darauf, einen Kreis beschreibend, wieder in fliegendem Galoppe zu der eigenen Schar zurückzukehren.

»Deutsche! Der Großmeister selbst!« schrie Dobek laut auf.

Als sie dies hörten, warfen sich die polnischen Scharen mit dem größten Ungestüm auf den Feind. Mikolaj Kielbasa war der erste, der mit seinem Fähnlein auf ihn losging, und die Schlacht tobte von neuem. Aber sei es nun, daß die Ritter aus dem Gebiete von Chelm, unter denen viele aus polnischem Blute stammten, nicht mit vollem Herzen an dem Kampfe teilnahmen, sei es, daß die Wut der Polen durch nichts gehemmt werden konnte, sicher ist nur, daß dieser neue Angriff nicht den Erfolg hatte, der von dem Großmeister erhofft worden war. Denn er hatte sich dem Glauben hingegeben. Jagiellos Macht werde hier den letzten entscheidenden Schlag erhalten, und nun gewahrte er, daß die Polen sich vorwärts drängten, um sich schlugen, nach allen Seiten hin Hiebe austeilten, seine Scharen wie mit einem eisernen Ringe umschließend, nun gewahrte er, daß seine Ritter weit mehr darauf bedacht waren, sich zu verteidigen, als anzugreifen. .

Umsonst suchte er sie durch Zurufen anzuspornen, umsonst trieb er sie mit seinem Schwerte in den Kampf. Sie verteidigten sich zwar und verteidigten sich mutig, aber ihnen mangelte jene Begeisterung, welche ein siegreiches Heer mitfortreißt und welche die Herzen der Polen erfüllte. In zerschlagenen Rüstungen, mit Wunden bedeckt, mit Blut überströmt, mit schartig gewordenen Waffen, kaum mehr im stande, einen Laut von sich zu geben, stürzten sich die polnischen Ritter in tollkühner Wut auf die dichtesten Haufen der Deutschen. Diese hielten ihre Pferde an und blickten umher, wie wenn sie sich vergewissern wollten, ob der eiserne Ring, der sich dichter und dichter um sie zusammenzog, sich schon geschlossen habe, und sie wichen fortwährend langsam zurück, als ob sie sich unbemerkt der mörderischen Umarmung entziehen wollten. Da erschollen vom Walde her plötzlich neue Rufe. Dort befand sich Zindram, welcher die Bauern befehligte und gegen den Feind führte. Nun sausten die Sensen auf das Eisen nieder, nun erdröhnten die Panzer unter den schweren Knütteln. Leiche an Leiche bedeckte den Boden, das Blut ergoß sich in Strömen über die zerstampfte Erde und das Schlachtgetümmel nahm immer mehr zu, denn die Deutschen, die ihr einziges Heil in ihren Waffen sahen, wehrten sich verzweifelt.

– – – – – –

Und sie rangen miteinander, ungewiß über den Ausgang und den Sieg, bis sich plötzlich große Staubwolken auf der rechten Seite des Kampfplatzes erhoben.

»Das sind die Litauer, welche zurückkehren,« schrien die Polen in triumphierendem Tone.

Und sie hatten die Wahrheit erraten. Die Litauer, welche leichter zu zerstreuen als zu besiegen waren, kehrten jetzt zurück und mit fürchterlichem Geschrei jagten sie auf ihren leichtfüßigen Pferden, einem Wirbelwinde gleich, zum Kampfplätze heran.

Nun sprengten einige Komture, Werner von Tetlingen an der Spitze, zu dem Großmeister heran.

»Rette Dich, Herr!« rief mit bleichen Lippen der Komtur von Elblach. »Rette Dich und den Orden, bevor der Ring sich schließt.«

Aber der ritterliche Ulryk sah ihn mit düsterem Blicke an, und die Hand zum Himmel emporhebend, rief er: »Gott verhüte es, daß ich dies Schlachtfeld verlasse, auf dem so viele Tapfere fielen! Gott verhüte es!«

Und seinen Mannen zurufend, ihm zu folgen, stürzte er sich in das Schlachtgewühl. Mittlerweile waren die Litauer auf dem Kampfplätze angelangt und es entstand solch ein Wirrwar, solch ein Getümmel, daß das menschliche Auge kaum mehr etwas zu unterscheiden vermochte.

Der Meister wurde von der Spitze eines litauischen Wurfspießes in den Mund getroffen und zweimal im Gesicht verwundet. Mit der ermatteten Rechten wehrte er noch einige Zeit die Streiche ab, doch schließlich, als ihm ein Speer in den Hals drang, stürzte er, einer gefällten Eiche gleich, zu Boden. Und bald ward er durch eine Schar der in Felle gekleideten Krieger den Blicken aller entzogen.

– – – – – –

Werner Tetlingen flüchtete sich mit einigen Fähnlein, aber die Zurückgebliebenen wurden von dem königlichen Kriegsheere wie von einem eisernen Ringe umschlossen. Die Schlacht verwandelte sich allmählich in ein wahres Gemetzel, und die Kreuzritter erlitten eine so unerhörte Niederlage, wie in der ganzen Geschichte der Menschheit nur wenige verzeichnet sind. Niemals noch in der Christenheit, seit dem Kampfe der Römer und Goten mit Attila und des Karl Martell mit den Arabern hatten so mächtige Heere miteinander gestritten. Aber jetzt lag das eine zum größten Teil schon darnieder wie gemähtes Korn auf dem Ackerfelde. Die von dem Meister zuletzt in die Schlacht geführten Scharen ergaben sich. Die Ritter aus Chelm pflanzten ihre mit Fähnlein versehenen Lanzen in den Boden, andere deutsche Ritter sprangen von ihren Pferden, zum Zeichen, daß sie sich ergeben wollten, und knieten auf der mit Blut überströmten Erde nieder. Die ganze, unter dem Banner des hl. Georg vereinigte Heeresabteilung, in der die fremden Ritter dienten, that mit ihrem Führer das Gleiche.

– – – – – –

Aber die Schlacht tobte weiter, denn viele Scharen der Kreuzritter wollten lieber sterben als um Gnade bitten und in Gefangenschaft gehen. Nun bildeten die Deutschen, ihrem Kriegsgebrauche gemäß, einen ungeheuren Kreis und verteidigten sich auf eine Weise wie Eber sich verteidigen, wenn sie von einem Rudel Wölfe umringt werden. Aber der eiserne Ring der Polen und Litauer schloß diesen Kreis ein und zog sich dichter und dichter um ihn zusammen, gleich einer Schlange, die sich um den Körper eines Stieres windet. Und wiederum hoben sich drohende Arme, klirrten die eisernen Knittel, sausten die Sensen, blitzten die Schwerter, bohrten sich die Lanzenspitzen in die Körper ein, schwirrten die Beile und Streitäxte in der Luft. Wie die Bäume eines Waldes wurden die Deutschen niedergehauen, und sie starben in düsterem Schweigen, wahrhaft groß in ihrer Furchtlosigkeit.

Etliche schlugen die Visiere zurück, sagten sich Lebewohl und gaben sich den letzten Kuß vor dem Tode, etliche warfen sich blindlings, wie von Wahnsinn getrieben, in das Gewühl der Schlacht, wieder andere kämpften wie in einem Traum befangen, einige auch töteten sich selbst, indem sie sich das »Misericordia« in die Kehle stießen, und gar mancher warf den Halsberg ab, wendete sich zu einem Gefährten und sagte: »Stoß zu!«

Durch das ungestüme Vordringen der Polen wurde der große Kreis bald in kleine Haufen zersprengt, und nun konnten die einzelnen Ritter leichter entfliehen. Aber im allgemeinen kämpften auch diese zersprengten Scharen mit Wut und Verzweiflung. Nur wenige knieten, um Erbarmen flehend, nieder, und als der furchtbare Ansturm der Polen schließlich auch die kleineren Scharen auseinandertrieb, wollten sich sogar die einzelnen Ritter nicht lebend den Siegern ergeben. Für den Orden und für die ganze Ritterschaft des Westens war dies ein Tag der größten Niederlage, aber auch des größten Ruhmes. Vor dem riesenhaften Arnold, der von dem aus Bauern gebildeten Fußvolk umringt war, erhob sich allmählich ein Wall von polnischen Leichen, er aber, der Mächtige, Unbesiegbare, stand auf diesem Wall wie ein fester, in einem Hügel eingerammter Grenzpfahl, und wer sich ihm auf Schwerteslänge näherte, der sank hin wie vom Blitze getroffen.

– – – – – –

Schließlich ritt Zawisza Czarny Sulimezyk heran, doch als er sah, daß Arnold nicht mehr zu Pferde saß, und da er ihn auch nicht, wider alle Sitte, von hinten angreifen wollte, sprang er selbst von seinem Renner herab und rief ihm schon von weitem zu: »Wende Dein Haupt, Deutscher, und ergieb Dich, oder kämpfe mit mir!«

Arnold wendete sich um, und Zawisza an der schwarzen Rüstung sowie am Wappen erkennend, sagte er sich im Innern: »Nun kommt der Tod und meine Stunde hat geschlagen, denn diesem Ritter kann niemand lebend entrinnen. Wäre ich aber im stande, ihn zu besiegen, so würde ich mir unsterblichen Ruhm erringen und vielleicht auch mein Leben retten.«

So sprechend stürzte er ihm entgegen, und wutentbrannt kämpften sie miteinander auf der von Leichnamen übersäten Erde. Aber Zawisza übertraf alle andern so sehr an Kraft, daß die Eltern unglückselig genannt werden mußten, deren Kinder sich ihm im Kampfe zu stellen hatten. Unter den Hieben seines Schwertes barst in der That der in Marienburg geschmiedete Schild, barst auch der stählerne Helm gleich einem irdenen Topfe, und der tapfere Arnold sank mit zerschmettertem Haupte zur Erde.

– – – – – –

Heinrich, der Komtur aus Czluchow, der erbittertste Feind des polnischen Volkes, welcher geschworen hatte, er werde zwei Schwerter so lange vor sich her tragen lassen, bis er beide in polnisches Blut getaucht habe, wollte sich heimlich vom Schlachtfelde hinwegschleichen, wie ein Fuchs sich vor den gefährlichen Jagdnetzen hinwegschleicht, da vertrat ihm Zbyszko aus Bogdaniec den Weg. »Erbarme Dich meiner!« schrie der Komtur, als er die Klinge des Hirschfängers über seinem Haupte blitzen sah, und faltete vor Schrecken die Hände. Der junge Kämpe war zwar nicht mehr im stande, den Arm zurückzuhalten, aber er konnte das Messer noch wenden und so traf er nur mit der flachen Seite das feiste, schweißtriefende Gesicht des Komturs. Dann übergab er ihn seinem Knappen, der einen Strick um den Hals des Deutschen legte und ihn wie einen Stier an den Platz hinzog, wo alle gefangenen Kreuzritter auf einen Haufen zusammengetrieben waren.

– – – – – –

Der alte Macko suchte fortwährend auf dem blutigen Schlachtfelde nach Kuno Lichtenstein, und das den Polen an diesem Tage so günstige Geschick lieferte schließlich den Großkomtur in seine Hände. Kuno hatte sich mit einer kleinen Anzahl geflüchteter Ritter in einem Gebüsche verborgen. Der sich in ihren Rüstungen spiegelnde Sonnenschein verriet sie aber den Verfolgern, und alle fielen auf die Knie und ergaben sich sofort. Macko jedoch, welcher erfahren hatte, daß der Großkomtur des Ordens sich unter ihnen befand, befahl diesem, vorzutreten, und den Helm abnehmend fragte er: »Kuno Lichtenstein, erkennst Du mich?«

Der Großkomtur runzelte die Brauen, und den Blick fest auf Macko richtend, antwortete er nach einer Weile: »Ich sah Dich am Hofe zu Plock!«

»Nicht doch,« entgegnete Macko, »auch schon früher sahst Du mich! Du sahst mich in Krakau, als ich Dich um das Leben meines Bruderssohnes bat, der wegen eines unüberlegten Ueberfalles auf Dich zum Tode verurteilt worden war. Damals legte ich vor Gott ein Gelübde ab und schwur bei meiner Ritterehre, daß ich Dich noch treffen und mit Dir um Leben oder Tod kämpfen werde.«

»Wohl weiß ich dies,« versetzte Lichtenstein und warf hochmütig die Lippen auf, wennschon er zugleich tief erbleichte, »aber ich bin jetzt Dein Gefangener, und Schande würdest Du auf Dich laden, wenn Du das Schwert gegen mich zögest.«

Da verzerrte sich Mackos Gesicht auf unheilverkündende Weise und nahm einen wolfsähnlichen Ausdruck an.

»Kuno Lichtenstein,« begann er, »gegen einen Wehrlosen werde ich mein Schwert nicht erheben, aber ich sage Dir dies: wenn Du es abschlägst, Dich mir zum Kampfe zu stellen, lasse ich Dich wie einen Hund an einem Stricke aufhängen.«

»Mir bleibt keine Wahl! Auf denn!« rief der Großkomtur.

»Um Tod oder Leben, nicht um Gefangenschaft!« ließ sich Macko nochmals warnend vernehmen.

»Um Tod oder Leben!«

Und nach wenigen Augenblicken kämpften sie miteinander in Gegenwart der deutschen und polnischen Ritter. Wohl war Kuno der jüngere und behendere, aber Macko übertraf den Gegner so sehr an Körperkraft, daß er ihn im Nu zu Boden warf und die Knie gegen seinen Bauch stemmte.

Die Augen des Komturs traten vor Entsetzen aus ihren Höhlen.

»Schone meiner!« stöhnte er, während ihm weißer Schaum auf die Lippen trat.

»Nein!« antwortete der unversöhnliche Macko.

Und sein »Misericordia« an den Hals des Gegners setzend, stieß er zweimal zu. Jener röchelte furchtbar, ein Blutstrom quoll aus seinem Munde, ein Zittern fuhr durch seinen Körper, dann streckte er sich und der große Tröster tröstete ihn für immer.

– – – – – –

Mehr und mehr artete die Schlacht zu einem Gemetzel und zu einer Verfolgung der Flüchtlinge aus. Wer sich nicht ergeben wollte, wurde getötet. Gar viele Schlachten, gar viele Treffen waren in jenen Zeiten ausgefochten worden, aber kein Lebender erinnerte sich einer so entsetzlichen Niederlage.

Von siebenhundert »Weißmänteln« befanden sich kaum noch fünfzehn am Leben. Mehr denn vierzigtausend Leichen lagen in ewigem Schlafe auf dem von Blut überströmten Schlachtfelde. Die zahlreichen Banner, welche um die Mittagszeit noch lustig über dem unermeßlichen Heere des Ordens geweht hatten, befanden sich in den blutigen und siegreichen Händen der Polen. Nicht ein einziges Banner war gerettet worden, und nun legten die polnischen und litauischen Ritter sie zu den Füßen Jagiellos nieder, welcher, die Augen fromm zum Himmel erhebend, in bewegtem Tone sagte: »Gott hat es so gewollt!« Die angesehensten Gefangenen wurden ihm nun vorgeführt. Abdank Skarbek aus Gora brachte den Fürsten Kasimir aus Stettin, der böhmische Ritter aus Troznow brachte Konrad, den Fürsten aus Olesnica, und Przedpelko aus Kopidlow brachte den verwundeten, fast immer bewußtlosen Georg Gersdorf, der unter dem Banner des heiligen Georg alle fremdländischen Ritter vereinigt und angeführt hatte.

Zweiundzwanzig Volksstämme hatten an diesem Kampfe des Ordens gegen die Polen teilgenommen. Durch die Schreiber des Königs wurde nun genau verzeichnet, wie viele Gefangenen man gemacht hatte, und diese knieten vor dem König nieder, indem sie um Gnade flehten und um die Erlaubnis, gegen Lösegeld in die Heimat zurückzukehren.

Das ganze Heer des Ordens war vernichtet. Die Polen nahmen das ungeheure Lager der Kreuzritter in Besitz und dadurch geriet noch der Rest des geschlagenen Heeres in ihre Hände, sowie eine Unzahl von Wagen, die mit Fesseln für die Polen und mit Wein für eine Siegesfeier beladen waren.

– – – – – –

Die Sonne neigte sich dem Untergange zu. Ein kurzer, starker Regenschauer war niedergegangen und hatte den Staub gelegt. Der König, Witold und Zindram aus Maszkowice standen gerade im Begriff, auf das Schlachtfeld zu reiten, als man die Leichen der gefallenen Anführer brachte. Die Litauer trugen den von Speeren durchbohrten, von Blut und Staub bedeckten Leichnam des Großmeisters Ulryk von Jungingen herbei und legten ihn vor den König nieder. Dieser seufzte tief auf, und den Toten betrachtend, der das Gesicht nach oben gekehrt dalag, sagte er: »So ist es nun mit ihm zu Ende, mit ihm, der sich noch heute in der Frühe erhaben über alle Herrscher der Welt dünkte.«

Große Thränen flossen über Jagiellos Wangen und nach einer Weile begann er wieder: »Aber da er den Heldentod gestorben ist, wollen wir seine Tapferkeit preisen und ihn mit einem Begräbnisse ehren, das eines Christen würdig ist.«

In der That gab er sofort Befehl, die Leiche sorgfältig im See zu reinigen, sie in ein prächtiges Gewand zu hüllen und sie, bis der Sarg bereit sei, mit dem Ordensmantel zu bedecken.

Mittlerweile trug man mehr und mehr Leichen herbei, die von den Gefangenen erkannt wurden. Man brachte den Großkomtur Kuno Lichtenstein mit der durch ein Misericordia furchtbar zerfleischten Kehle und den Marschall des Ordens, Friedrich Wallenrod, den Großkämmerer Graf Albert Schwartzberg, den Großschatzmeister Thomas Mercheim, man brachte den Grafen Wende, welcher durch die Hand des Powala aus Taczew gefallen war, und mehr denn sechshundert angesehene Komture und Brüder. Die Knechte reihten sie dicht aneinander und nun lagen sie da wie gefällte Bäume, die Gesichter, die so weiß waren wie ihre Mäntel, gen Himmel gerichtet, mit weit offenen Augen, in denen sich immer noch der Ausdruck von Zorn und Stolz, von Kampfeswut und Entsetzen zeigte.

Zu ihren Häupten wurden die eroberten Banner aufgepflanzt, alle, alle. In dem leichten Windhauche wickelten sich die Fahnen bald um die Stangen, bald wehten sie hin und her, und mit ihrem leisen Rauschen schienen sie den Toten ein Schlaflied zu singen. In der Ferne, im Scheine der Abendröte, wurden die litauischen Heeresabteilungen mit den eroberten Kanonen sichtbar, deren sich die Kreuzritter zum erstenmale auf offenem Schlachtfelde bedient hatten, ohne daß es ihnen gelungen wäre, den Siegern beträchtlichen Schaden zuzufügen. Um den König hatten sich auf dem Hügel die hervorragendsten polnischen Ritter versammelt, und vor Ermüdung schwer atmend blickten sie auf die Standarten und auf die gefallenen Krieger zu ihren Füßen, wie ermüdete Schnitter auf die zusammengehäuften Garben zu schauen pflegen. Mühsam war die Tagesarbeit gewesen und entsetzlich das Ergebnis der Ernte, jetzt aber war ein bedeutsamer, freudenvoller Abend angebrochen.

Unermeßliches Glück strahlte aus den Mienen der Sieger, denn alle begriffen, daß dieser Abend nicht nur den Leiden und Mühseligkeiten des einen Tages, sondern ganzer Jahrhunderte ein Ziel setzte.

Obwohl der König wußte, welch große Niederlage die Kreuzritter erlitten hatten, blickte er doch voll Staunen umher und fragte schließlich: »Ist es denn der ganze Orden, der hier im Staube liegt?«

Darauf antwortete der Unterkanzler Mikolaj, dem die Prophezeiung der heiligen Brigitta bekannt war: »Es ist die Zeit gekommen, in der ihnen die Zähne ausgebrochen worden sind, in der ihnen die rechte Hand abgehauen wurde!«

So sprechend, erhob er die Rechte und machte das Zeichen des Kreuzes nicht nur über die zunächst liegenden, sondern auch über das ganze Gefilde zwischen Grünwald und Tannenberg. In der klaren, durch den Regen gereinigten Luft, in der noch der letzte Schein der Abendröte zitterte, sah man deutlich das ungeheure, qualmende, blutüberströmte Schlachtfeld, starrend von den Bruchstücken der Lanzen, Wurfspieße und Sensen, bedeckt mit Haufen von toten Pferden und menschlichen Leichnamen, zwischen denen Hände, Füße und Hufe hervorragten. Und dieses traurige Totenfeld mit tausenden von Leichen erstreckte sich weithin, noch weiter, als der Blick zu reichen vermochte.

Unaufhörlich gingen die Troßknechte auf diesem endlosen Gottesacker hin und her, die Massen sammelnd und den Toten die Rüstungen abnehmend. In der Höhe aber, an dem rötlich gefärbten Firmamente, kreisten und schwärmten zahllose Scharen von Krähen, Raben und Adlern, die mit lautem Gekrächze ihre Freude über die Aussicht auf das reiche Futter kundgaben.

Fünftes Kapitel.

Zbyszko führte seine Drohung, Bogdaniec zu verlassen, freilich nicht aus, aber nach Verlauf einer weiteren Woche fühlte er sich so sehr gekräftigt, daß es ihn auch nicht mehr länger auf dem Lager litt. Jetzt erklärte ihm Macko fortwährend, sie müßten sich vor allem nach Zgorzelic begeben, um Jagienka für die erwiesene Fürsorge zu danken. Demzufolge entschloß sich denn Zbyszko eines Tages, nachdem er sich noch zuvor durch ein Bad erfrischt hatte, den Wunsch seines Ohms zu erfüllen. Zu diesem Zwecke ließ er sich aus der Lade ein prächtiges Gewand reichen, das er mit seiner Alltagskleidung vertauschen wollte, und versuchte nun, sein Haar zu kämmen und zu ordnen. Doch dies ließ sich nicht so leicht bewerkstelligen, denn die Schwierigkeit lag nicht allein in der ungewöhnlichen Fülle der Haare, die dem jungen Kämpen gleich einer Mähne über Rücken und Schultern hingen. Im gewöhnlichen Leben pflegten zwar die Ritter ihre Haare in einem Netze zu tragen, das die Form eines Pilzes hatte, was in Kriegskünsten den Vorteil bot, daß die Helme nicht so schwer auf den Köpfen lasteten, dagegen bei Anlaß von Festlichkeiten, bei Vermählungsfeierlichkeiten oder vor dem Eintreffen in irgend einer Burg, in der sich ein Jungfräulein befand, suchten sie die kunstvoll gekräuselten Haare mittelst Eiweiß haltbar zu machen. Diese Sitte wollte nun auch Zbyszko nachahmen. Doch siehe da, die beiden aus der Gesindestube entbotenen Weiber zeigten sich außer stande, die für sie ungewohnte Aufgabe zu erfüllen. Das durch das Bad rauh gewordene Haar stand wie das Stroh eines schlecht gedeckten Hüttendaches nach allen Richtungen hin auseinander und wollte sich selbst nicht durch die von den Friesen erbeuteten, aus Büffelhorn gearbeiteten Kämme bändigen lassen, ja, sogar die Pferdestriegel nützten nichts, welche die eine der Frauen schließlich aus dem Stalle holte. Zbyszko begann allmählich ungeduldig zu werden, da trat unerwartet Macko mit der zu dieser Zeit selten erscheinenden Jagienka in die Stube.

»Gelobt sei Jesus Christus!« lautete der Gruß der Maid.

»In alle Ewigkeit!« antwortete Zbyszko, dessen Antlitz plötzlich strahlte. »Traun, welch merkwürdiger Zufall! Gerade trafen wir die nötigen Vorbereitungen, um Dich aufzusuchen, und nun bist Du hier.«

Mit vor Freude glänzenden Augen saß er nun da, denn so war es stets mit ihm: sobald er sie erblickte, ward ihm so froh zu Mute, als ob er plötzlich die aufgehende Sonne erschaue.

Kaum hatte indessen Jagienka die mit dem Kamme in der Hand ratlos dastehenden Frauen gesehen, kaum hatte sie die auf der Bank neben Zbyszko liegenden Pferdestriegel, sowie dessen nach allen Richtungen auseinander stehenden Haare wahrgenommen, so brach sie in lautes Lachen aus.

»Fürwahr, wie ein Strohwisch, wie ein Strohwisch siehst Du aus!« erklärte sie noch immer lachend, wobei ihre schönen, weißen Zähne zwischen den Korallenlippen sichtbar wurden. »Man könnte Dich in ein Hanffeld oder zwischen Kirschenbäume setzen, um die Vögel zu verscheuchen.«

Zbyszkos Antlitz verdüsterte sich plötzlich und er erwiderte: »Wir trafen Anstalten, Dich in Zgorzelic aufzusuchen. Deinem Gast in Zgorzelic würdest Du wahrlich nicht in solcher Weise begegnen, hier aber magst Du über mich spotten soviel Du willst, denn, bei meiner Treu, Du spottest nur zu gern über mich.«

»Ich über Dich spotten!« rief Jagienka aus. »Ei, barmherziger Gott! Um Dich und Deinen Ohm zum Abendbrote zu mir zu laden, bin ich hierher gekommen, und ich lache nicht über Dich, sondern über diese Frauen. Wenn ich an deren Platz stünde, wüßte ich mir besser Rat.«

»Dazu würdest Du Dich doch nie verstehen.«

»Wer kräuselt denn Jaskos Haar?«

»Jasko ist Dein Bruder!« warf jetzt Zbyszko ein.

»Freilich, das ist wahr!«

Nun entschloß sich der alte und erfahrene Macko, den beiden zu Hilfe zu kommen.

»Wenn sich in irgend einem Geschlechte der edelgeborene Knabe nach der Wehrhaftmachung die Haare wachsen läßt, ordnet sie ihm die Schwester, kommt er in das reifere Alter, dann tritt an die Stelle der Schwester das Eheweib, und besitzt ein Ritter weder Eheweib noch Schwester, so leistet ihm eine edelgeborene Maid diesen Dienst, ob sie ihm nun blutsverwandt sei oder nicht.«

»Besteht in der That eine solche Sitte?« fragte Jagienka, die Augen niederschlagend.

»Ja, und diese Sitte herrscht nicht nur auf den Edelsitzen und in den Burgen, sondern selbst an dem Hofe des Königs!« versetzte Macko. »Ihr beide,« wandte er sich hierauf an die Weiber, »könnt in die Gesindestube zurückkehren, da Ihr hier doch nichts zu thun habt.«

»Laßt mir durch sie heißes Wasser bringen!« bat jetzt Jagienka.

Macko verließ mit den Frauen die Stube, um darauf zu achten, daß das Gewünschte rasch besorgt werde, und nachdem das heiße Wasser gebracht worden war, blieben die beiden jungen Menschenkinder allein. Jagienka machte sofort ein Tuch naß, befeuchtete damit das starke Haar Zbyszkos, das durch den feuchten Dampf geschmeidig wurde, und setzte sich dann mit einem Kamme in der Hand auf die Bank, um ihr Werk zu beginnen.

Und so saßen sie nun, Seite an Seite, beide über die Maßen schön, beide von heißer Liebe zu einander entbrannt, aber beide verwirrt und schweigsam. Jagienka begann schließlich, die Arme erhebend, Zbyszkos goldblondes Haar zu kämmen, dieser aber erbebte an allen Gliedern als sie ihm so nahe kam, und mußte seine ganze Willenskraft aufbieten, um die geliebte Maid nicht zu umfassen und an seine Brust zu drücken.

Nichts war hörbar als das schwere, rasche Atmen der beiden.

»Bist Du krank?« fragte endlich Jagienka, das Schweigen brechend. »Was versetzt Dich denn in solche Erregung?«

»Nichts!« entgegnete der junge Ritter.

»Weshalb atmest Du dann so schwer?«

»Ich höre auch Deine mühsamen Atemzüge.«

Und wieder verstummten die beiden. Jagienkas Wangen glühten, fühlte sie doch, daß Zbyszkos Blick unaufhörlich auf ihr haftete. Dies ward ihr allmählich geradezu peinlich und so fragte sie abermals: »Warum blickst Du mich so eigentümlich an?«

»Ist es Dir lästig?«

»Nein, lästig ist es mir nicht. Ich frage Dich ja nur.«

»Jagienka!«

»Was willst Du?«

Zbyszko holte tief Atem, seufzte und bewegte immer wieder vergeblich die Lippen, um etwas zu sagen, allein es gebrach ihm offenbar an Mut dazu, denn er wiederholte nur: »Jagienka.«

»Was willst Du?«

– – – – – –

»Ich möchte Dir etwas sagen. Doch ich ängstige mich zu sehr.«

»Weshalb denn? Ich bin kein Drache, sondern ein einfaches Mägdlein.«

»Fürwahr, ein Drache bist Du nicht! Doch der Ohm Macko deutete mir an, daß er Dich erwählt habe!«

»Freilich hat er mich erwählt, aber nicht für sich selbst!« rief nun Jagienka, hielt aber dann plötzlich inne, wie erschreckt über ihre eigenen Worte.

»Bei dem barmherzigen Gotte! Meine Jagus! Und was denkst Du darüber, Jagus?« schrie Zbyszko auf.

Da füllten sich Jagienkas Augen mit Thränen, ihre Lippen begannen zu beben und sie erwiderte mit einer so leisen Stimme, daß Zbyszko sie kaum verstehen konnte: »Es war der Wunsch meines Väterchens, der Wunsch des Abtes – und ich – nun – Du weißt es ja!«

Diese Worte erregten eine unaussprechliche Wonne in Zbyszkos Herz. Mit seiner Selbstbeherrschung war es zu Ende. Er umfaßte die Maid und, sie wie eine Feder emporhebend, rief er ganz fassungslos vor Glück: »Jagus! Jagus! Du mein alles. Du meine Sonne! Hei! hei!«

Und er schrie dermaßen, daß der alte Macko, in der Meinung, es sei ein Unglück geschehen, in die Stube gestürzt kam. Als er indessen Jagienka in den Armen seines Bruderssohnes erblickte, ward er von Staunen darüber ergriffen, daß sich alles so unerwartet rasch abgewickelt hatte, und rief: »Im Namen des Vaters und des Sohnes! Mäßige Dich, Bursche!«

Blitzschnell eilte Zbyszko auf seinen Ohm zu und ließ dann Jagienka zur Erde gleiten. Beide wollten sich hierauf vor dem alten Ritter auf die Knie werfen, doch bevor sie ihre Absicht ausführen konnten, hatte sie jener mit seinen sehnigen Armen umfaßt, und sie mit aller Macht an seine Brust drückend, sagte er voll Rührung: »Gelobt sei Gott! Wohl hoffte ich, daß es so kommen werde, allein trotzdem überwältigt mich die Freude. Gott segne Euch! Nun kann ich ruhig sterben. Dies Mägdlein ist dem reinsten Golde zu vergleichen. Vor Gott und der Welt will ich es bezeugen. Nun lasse ich geduldig alles über mich ergehen, nun, da mir solch ein Glück zu teil geworden ist. Gott hat uns zwar schwer geprüft, aber Gott hat uns nun auch Trost verliehen. Wir müssen uns sofort nach Zgorzelic begeben. Jasko soll gleich alles erfahren. Hei! wenn jetzt der alte Zych noch lebte! Und der Abt! Doch ich werde bei Euch die Stelle beider vertreten, denn ich liebe Euch so unendlich, daß ich mich schäme, davon zu sprechen.«

Wenn nun auch im Laufe der Jahre durch das Leben das Herz des alten Ritters hart geworden war, überkam ihn jetzt doch eine solche Rührung, daß er kaum mehr zu reden vermochte. So küßte er denn Zbyszko und dann Jagienka auf beide Wangen, indem er mit von Thränen erstickter Stimme stammelte: »So süß wie Honig ist die Maid!« um gleich darnach die Stube zu verlassen.

Die Pferde sollten gesattelt werden, deshalb wollte er sich in den Stall begeben. Er war indessen so von Freude berauscht, daß er, wie ein Trunkener dahin taumelnd, gegen die Sonnenblumen stieß, die vor dem Hause wuchsen.

»Traun,« sagte er zu sich selbst, während er auf die dunkeln mit goldenen Blättern umrahmten Scheiben blickte, »traun, gar reich sind sie an Frucht, doch wenn es Gottes Wille ist, werden sie von dem Geschlechte der Grady in Bogdaniec noch übertroffen werden.«

Sich dem Stalle zuwendend, fuhr er in seinen Betrachtungen fort. »Bogdaniec, die von dem Abte zugefallene Erbschaft, Spychow, Moczydoly,« murmelte er vor sich hin. »Gott weiß doch stets alles zum Guten zu lenken. Die Tage des alten Wilk sind gezählt und Brzozowa ist wohl eines Kaufes wert – mit seinen trefflichen Wiesen.«

Inzwischen waren auch Jagienka und Zbyszko aus dem Hause getreten, fröhlich, glücklich, strahlend wie die Sonne.

»Ohm!« rief Zbyszko schon von weitem.

Der alte Ritter wandte sich um, streckte die Arme aus, wie er im Walde zu thun Pflegte, und rief: »Kommt her zu mir!«

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Erstes Kapitel.

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Sie hausten in ihrem Heim zu Moczydoly als ein glücklich verbundenes Paar, während der alte Ritter ihnen die Burg in Bogdaniec erbaute. Dieser Bau verursachte ihm viel Plage, denn er wollte die Grundmauern aus Kalksteinen, die Warte aus Ziegelsteinen aufführen lassen, die nur sehr schwer in dieser Gegend beschafft werden konnten.

Im Laufe des ersten Jahres wurde der Graben fertiggestellt, eine Arbeit, die dadurch unendlich erleichtert ward, weil die Anhöhe, auf welche der Bau zu stehen kommen sollte, schon früher, vielleicht noch in heidnischer Zeit, mit einem Graben umgeben worden war.

An zahlreichen Stellen brauchten daher nur die Bäume und die Weißdornhecken, die nach und nach aus dem uralten Zeiten entstammenden Graben emporgeschossen waren, entfernt und dieser etwas breiter und tiefer gemacht zu werden. Bei dieser Arbeit stießen die Leute auf eine so ergiebige Quelle, daß das Wasser sich rasch verbreitete und Macko einen Abfluß dafür herstellen lassen mußte. Nachdem der Wall mit einem Palissadenringe versehen war, ging der alte Ritter daran, das nötige Holz für den Bau auszuwählen, Eichenstämme, die so umfangreich waren, daß drei Männer sie nicht umspannen konnten, und Lärchenstämme, bei denen man annehmen durfte, daß sie weder unter dem Mörtelbewurfe, noch unter einer Bedeckung mit Rasenstücken faulen würden. Trotzdem ihm aber auch hiefür Leute sowohl aus Zgorzelic wie aus Moczydoly zur Verfügung standen, begann er erst nach einem Jahre mit der Errichtung des Gebälkes, die er jedoch dann um so eifriger betrieb, als Jagienka Zwillingen das Leben schenkte. Der Himmel schien sich vor dem alten Ritter aufzuthun! Jetzt wußte er, für wen er sich mühte, für wen er arbeitete, jetzt wußte er, daß das Geschlecht der »Grady« erhalten bleiben, daß das stumpfe Hufeisen auf dessen Wappen noch mehr als einmal von dem Blute eines Feindes bespritzt werde.

Die Zwillinge erhielten die Namen Macko und Jasko. »Das sind Bursche,« Pflegte der alte Ritter zu sagen, »die sind über alles Lob erhaben. In dem größten Königreiche findet man nicht zwei, die ihnen gleichkämen – und noch ist nicht aller Tage Abend.« Er umfaßte sie sofort mit unermeßlicher Liebe, aber Jagienka selbst galt ihm mehr als die ganze Welt. Wer sie vor ihm pries, der konnte alles bei ihm erreichen. Zbyszko wurde weit und breit seines Weibes halber beneidet, das ihm ja nicht nur großen Reichtum zugebracht hatte, sondern in solch herrlicher Schönheit erstrahlte, wie die schönste Blume auf weiter Flur. Wohl hatte ihr Ehegemahl eine reiche Morgengabe mit ihr bekommen, allein was wollte dies bedeuten gegen die heiße Liebe, die sie ihm schenkte, gegen ihre bezaubernde Schönheit, gegen ihre edeln Sitten und gegen eine Klugheit, derer sich mancher Ritter gar gern gerühmt hätte. Es fiel Jagienka nicht schwer, schon wenige Tage nach der Geburt der Zwillinge dem Hause wieder vorzustehen, mit ihrem Gatten zu jagen oder in der Frühe von Moczydoly nach Bogdaniec zu reiten, um gegen Mittag bei Macko und Jasko Zurück zu sein. War es daher nicht natürlich, wenn ihr Ehegemahl sie wie seinen Augapfel liebte, wenn sie der alte Macko liebte, wenn sie von den Bediensteten, für die sie ein menschliches Herz hatte, angebetet ward, und wenn an jedem Sonntag in Krzesnia bei ihrem Eintritt in die Kirche ein Gemurmel der Bewunderung entstand? Ihr früherer Freier, der händelsüchtige Cztan aus Rogow, welcher sich mit der Tochter eines Großbauern vermählt hatte und welcher nach der Messe fast regelmäßig die Schenke mit dem alten Wilk aus Brzozowa zu besuchen Pflegte, sagte oftmals, nachdem er schon etwas angetrunken war, zu jenem: »Mehr als einmal haben wir uns, Euer Sohn und ich, um ihretwillen die Köpfe blutig gehauen, denn jeder von uns wollte sie zum Weibe, doch eben so gut hätten wir versuchen können, den Mond vom Himmel zu holen.« Allerorts wurde die Meinung laut, eine zweite Frau wie sie könne nur an dem königlichen Hofe in Krakau gefunden werden. Abgesehen von ihrem Reichtum, von ihrer Schönheit und ihrem verfeinerten Wesen, erregten auch ihre unverwüstliche Gesundheit, ihre Kraft das größte Staunen, ja, es herrschte nur eine Stimme darüber, »daß es wohl außer ihr keine Frau gebe, die, mit der Heugabel bewaffnet, gegen einen Bären in den Wald ziehe und welche die Nüsse nicht mit den Zähnen aufbeiße, sondern sie auf den Tisch lege, um sie dann plötzlich mit der Hand in einer Weise zu zerdrücken, als ob sie von einem Mühlstein zermalmt worden wären.« Kurz, Jagienkas Lob verbreitete sich in dem Pfarrsprengel von Krzesnia, in den nahegelegenen Dörfern, ja, selbst in der Wojwodschaft Sieradz. Wie sehr aber nun auch Zbyszko beneidet ward, kein Mensch staunte darüber, daß er ein solches Weib errungen hatte, konnte sich doch keiner in der ganzen Umgegend solcher Kriegsthaten wie der junge Kämpe rühmen.

Die Jüngeren unter den neu- und altgeadelten Edelleuten erzählten sich allerlei Mären von den Deutschen, deren Seelen Zbyszko in den Schlachten unter Fürst Witold und in den Zweikämpfen auf festgetretener Erde »ins Jenseits befördert« hatte. Ihren Aussagen nach war ihm noch kein Gegner entronnen, hatte er nicht weniger als zwölf Ritter, darunter auch Ulryk, den Bruder des Großmeisters, in Marienburg aus dem Sattel gehoben, ja, sie behaupteten, er könne es mit jedem Ritter in Krakau aufnehmen, und selbst der unbesiegbare Zawisza Czarny sei ihm in Freundschaft zugethan.

Freilich gab es auch etliche, die all diese unglaublichen Mären anzweifelten, allein sobald die Frage auftauchte, wen man in der Umgegend zu wählen habe, sollte es zum Wettkampfe zwischen polnischen und fremdländischen Rittern kommen, so pflegten auch diese Zweifler zu sagen: »Keinen andern wie Zbyszko,« und erst in zweiter Linie kam der bärtige Cztan aus Ragow oder sonst einer der ansässigen Kämpen in Betracht, da diese alle, trotz ihrer Tapferkeit, in ritterlichen Künsten weit hinter dem jungen Erben aus Bogdaniec zurückstanden.

Außer durch seinen Ruhm gewann aber Zbyszko auch durch seinen Reichtum großes Ansehen unter den Nachbarn. Jagienka hatte ihm Moczydoly und das ihr von dem Abte zugefallene reiche Erbe in die Ehe gebracht. Dies war nun freilich nicht sein Verdienst, doch längst zuvor hatte er ja schon Spychow mit all den von Jurand angehäuften Schätzen besessen und zudem ging die Rede, daß allein die von den Rittern aus Bogdaniec gewonnene Beute an Rüstungen, Pferden, Gewändern und Kleinodien dazu ausreichen würde, drei oder vier Dörfer zu kaufen.

Man erblickte darin eine besondere Gnade Gottes gegen das im Wappen ein stumpfes Hufeisen führende Geschlecht der »Grady«, das noch vor ganz kurzer Zeit nichts sein Eigen genannt hatte, wie das verödete Bogdaniec und welches nun plötzlich zu solch großem Reichtum gelangt war. »Nach dem Brande ist in Bogdaniec nichts stehen geblieben wie das baufällige Haus,« pflegten die älteren Leute zu sagen, »und aus Mangel an Arbeitskräften mußte das Besitztum verpfändet werden – jetzt aber ist der Ritter Macko im stande, eine neue Burg zu errichten.« Wie groß aber das Staunen war, so gesellte sich ihm doch auch das instinktive Gefühl zu, daß das ganze Volk unaufhaltsam bedeutsamen Ereignissen entgegengetrieben werde, und daß sich alles nach dem Willen Gottes gestalten müsse. Die Bewunderung war daher auch nicht mit Neid gepaart, im Gegenteile, in der ganzen Umgegend schaute man mit Stolz auf die beiden Ritter aus Bogdaniec, welche als lebendiges Beispiel dafür dienen konnten, was ein Edelmann mit starkem Arme, mit tapferem Sinn und mit der Lust an Abenteuern auszurichten vermochte. Gar mancher fühlte sich durch die ihm gesetzten engen Grenzen innerhalb seines Heims und seines Heimatlandes bedrückt, wenn er sich die Erfolge Mackos und Zbyszkos vergegenwärtigte, und unwillkürlich drängte sich ihm der Gedanke auf, daß jenseits der Grenzen großer Reichtum, ausgebreitete Ländereien zu erringen seien, die er zum Ruhme für sich und für das Königreich gewinnen könne. Dieses Kraftbewußtsein, das allmählich in den einzelnen Geschlechtern erstarkte, teilte sich schließlich der Allgemeinheit mit, indem es sich ausbreitete wie das kochende Wasser, das in seinem Gefäße übersiedet. Was nützte es, wenn die klugen Herren in Krakau, wenn der friedliebende König diese Kraft noch für einige Zeit zu unterdrücken und den Krieg mit dem Erbfeinde noch auf lange Jahre hinauszuschieben suchten – keine Macht der Welt konnte dem Drängen des Volkes widerstehen, konnte das Ringen nach Größe eindämmen.

Zweites Kapitel.

Macko verlebte gar frohe Tage. Mehr als einmal erklärte er den Nachbarn, ihm sei ein größeres Glück zu teil geworden, als er jemals erhofft habe. Wohl hatte ihm das Alter Haar und Bart gebleicht, allein seine Kraft, seine Gesundheit wären ungeschwächt geblieben, heitere Zufriedenheit erfüllte sein Herz. Milde prägte sich jetzt auf seinem früher so strengen Antlitz aus, aus seinen Augen sprach freundliche Anteilnahme an dem Schicksale anderer. Immer mehr gab er sich der festen Ueberzeugung hin, daß er nunmehr gegen Unglück, gegen Sorge gefeit sei, daß sein Leben nunmehr so ruhig dahinfließen werde wie ein klarer Bach. Bis in das hohe Alter wehrhaft zu bleiben, bis in das hohe Alter die Besitztümer bewirtschaften und Reichtümer für die »Enkelkinder« sammeln zu können – das war zu allen Zeiten sein höchster Wunsch gewesen, und nun war mit einem Male dieser Wunsch in Erfüllung gegangen. Was Macko unternahm, gedieh. Die Wälder waren stellenweise ausgehauen und ausgerodet worden, auf den Neuäckern sproßte im Frühling die Saat prächtig hervor, der Viehstand mehrte sich und auf den Wiesen grasten vierzig Stuten mit ihren Fohlen, welche der alte Edelmann tagtäglich besichtigte, Schaf- und Viehherden weideten auf dem Bruchlande und auf den Brachäckern. Bogdaniec hatte sich völlig verändert; nicht mehr öde und verlassen lag das Gut da, nein, Wohlstand und lebhaftes Getriebe waren daselbst zu bemerken. Die Augen eines jeden, der dahin wanderte, wurden geblendet von dem Anblicke des Wartturmes und der noch ungeschwärzten Mauern des Kastells, die im Sonnenglanze golden, in dem Scheine der Abendröte purpurfarbig schimmerten.

Aus vollen Zügen genoß der alte Macko diese Freuden und niemals widersprach er, wenn seine »glückliche Hand« gerühmt ward. Schon ein Jahr nach den Zwillingen kam ein dritter Knabe zur Welt, den Jagienka, zu Ehren ihres Vaters, Zych nannte. Mit großem Entzücken begrüßte Macko auch diesen neuen Ankömmling, ohne sich darob zu sorgen, daß, wenn es so weiter gehe, der mühsam errungene Besitz wieder geteilt werden müsse. »Was besaßen wir denn?« so fragte er, als er mit Zbyszko einmal darüber sprach. »Nichts! Und doch hat sich jetzt durch Gottes Gnade alles zum Guten gewendet. Der alte Pakosz aus Sulislawic besitzt bei zweiundzwanzig Söhnen nur ein Dorf, hast Du aber jemals gehört, daß das Geschlecht Hungers gestorben wäre? Und dann, wenn man das Königreich, wenn man Litauen in Betracht zieht, umfassen diese vielleicht ein kleines Gebiet, besitzen diese Kreuzritter, diese Hundsbrut, vielleicht nicht eine große Zahl von Dörfern und Burgen? Hei! Zahlreiche Burgen aus roten Ziegelsteinen befinden sich darunter, für die unser erlauchter König Kastellane ernennen könnte; wenn daher der Herr Jesus uns weiter seine Gnade angedeihen läßt, wird es Platz genug für alle geben.« Gar bemerkenswert war dieser Ausspruch, denn trotzdem der Orden auf dem Gipfel seines Ruhmes stand, da er über eine unermeßliche Zahl von Kriegsvolk verfügte, da er an Reichtum und Macht alle Königreiche des Westens überragte, betrachtete doch der alte Ritter jetzt schon die Burgen der Kreuzritter als die zukünftigen Wohnsitze der Nachkommen Zbyszkos. Aehnliche Gedanken hegten viele in dem Königreiche Jagiellos, und nicht allein deshalb, weil es die alte polnische Erde war, auf der sich der Orden festgesetzt hatte, sondern weil das Bewußtsein der Kraft, welches die Brust des ganzen Volkes schwellte, nach allen Seiten hin nach Betätigung rang.

Erst im vierten Jahre nach Zbyszkos Vermählung ward die Burg vollendet, und dies konnte nur dadurch erreicht werden, daß außer den Dienstleuten aus Bogdaniec, aus Moczydoly und aus Zgorzelic auch eine Anzahl von Knechten, welche von den Nachbarn geschickt worden waren, an dem Bau mithalfen. Der alte Wilk aus Brzozowa erwies sich dabei vornehmlich als guter Nachbar, hatte er doch, nach dem Tode seines Sohnes ganz allein in der Welt stehend, treue Freundschaft mit Macko geschlossen und demzufolge auch Zbyszko und Jagienka sein Herz zugewendet. Macko schmückte die Wohngelasse der Burg nicht nur mit der Beute aus, die teils er, teils sein Bruderssohn im Kriege gewonnen, oder die letzterer von Jurand ererbt hatte, sondern auch mit allerlei Gegenständen, die von dem Abte auf Jagienka übergegangen waren oder aus Zgorzelic herrührten. So schuf er nach und nach einen gar prächtigen Wohnsitz, dessen Fenster sogar Glasscheiben aus Sieradz aufwiesen. Im fünften Jahre nach seiner Vermählung siedelte Zbyszko mit Weib und Kindern in die Burg über, denn erst dann waren alle andern Bauten, wie die Stallungen für die Pferde, die Ställe für das Vieh, die Küchen und die Bäder fertig gestellt, die unterirdischen Gewölbe nicht zu vergessen, welche der alte Ritter aus Kalkstein hatte ausführen lassen, damit sie, in ihrer Unzerstörbarkeit, allen Zeiten trotzen konnten. Er selbst aber blieb in dem alten, baufälligen Hause, ohne den Bitten von Zbyszko und Jagienka Gehör zu schenken, die ihn zu einer Uebersiedelung veranlassen wollten.

»Ich will hier sterben, wo ich geboren bin!« Pflegte Macko auf alle Einwendungen des jungen Paares zu antworten. »Seht Ihr, als in den früheren Kämpfen Bogdaniec verheert, als alles niedergebrannt ward – bei meiner Treu, da trotzte dieses alte Haus dem Schwerte und dem Feuer. Die Leute behaupten zwar, das Feuer habe ihm nichts anhaben können, weil das Dach ganz mit Moos bedeckt gewesen ist – ich aber glaube, daß es durch die Gnade, durch den Willen Gottes verschont geblieben ist, damit wir hierher zurückzukehren vermochten, damit unser Geschlecht aufs neue wachse und gedeihe. Keinen Zufluchtsort haben wir mehr, so klagte ich oftmals auf unsern Fahrten, doch ich hatte unrecht, dies zu thun. Traun, nichts fanden wir freilich hier vor, womit wir hätten wirtschaften, womit wir unsern Hunger hätten stillen können, aber wir fanden doch ein Dach, das uns schützte. Für Euch junge Menschenkinder kommt all dies wahrlich nicht mehr in Betracht, mich dünkt jedoch, daß es mir nicht geziemt, das alte Haus zu verlassen, welches so getreu mit uns ausgehalten hat.«

Und so blieb er denn in dem alten Hause. Allein gar oft erschien er in der neuen Burg, um sich an deren Größe, an deren Pracht zu werden, und um gleichzeitig nach Zbyszko und Jagienka, sowie nach seinen »Enkelsöhnen« zu sehen. Stolz und Freude schwellten jedesmal die Brust des alten Ritters, wenn er die Burg betrat, die ja zum größten Teile sein eigenes Werk war. Gern verlieh er auch dieser Freude dem alten Wilk gegenüber Ausdruck, der ihn zuweilen aufsuchte, oder zu dem er sich hie und da nach Brzozowa begab. Als die beiden daher wieder einmal am Feuer beisammen saßen, um ein Stündchen mit einander zu schwätzen, da schilderte Macko dem Nachbarn die neue Lebensweise, indem er sagte: »Seht Ihr, oftmals glaube ich, meinen eigenen Augen nicht trauen zu dürfen. Bekanntermaßen ist ja Zbyszko nicht nur in Masovien, in Marienburg und bei dem Fürsten Janusz gewesen, sondern er hat sogar schon in Krakau in dem Schlosse des Königs geweilt – traun, es hätte nicht viel gefehlt und sein Haupt wäre gefallen – und wie Ihr wißt, ist Jagienka im Reichtum aufgewachsen, von einer eigenen Burg hat sich indessen weder der eine noch die andere träumen lassen. Nun aber erweckt es den Anschein, als ob sie es nie anders gewöhnt gewesen. Sie wandeln in den Wohngelassen umher, ich sage Euch, in den Wohngelassen wandeln sie einfach umher, erteilen den Dienstleuten ihre Befehle und setzen sich nieder, wenn sie müde sind. Man glaubt fürwahr einen Burgvogt mit seiner Ehegemahlin vor sich zu sehen. Und in einem eigens dafür bestimmten Gemache speisen sie mit den Vögten und den Bediensteten, wobei sie auf erhöhten Sitzen Platz nehmen, während die andern tiefer sitzen und erst dann zu essen beginnen, wenn der Gebieter und die Herrin bedient sind. So will es freilich die höfische Sitte, ich aber muß es mir immer wieder ins Gedächtnis zurückrufen, daß ich nicht vor einem mir fremden, hohen Herrn und dessen Ehegemahlin, sondern vor meinem Bruderssohn und dessen Weib stehe, die mich alten Burschen an der Hand fassen, an den Ehrensitz geleiten und ihren Wohlthäter nennen.«

»Dafür wird sie der Herr Jesus segnen!« bemerkte der alte Wilk.

Dann ließ er das Haupt traurig sinken, nahm einen Schluck Met und mit einem eisernen Haken das Feuer aufschürend, fügte er hinzu:

»Mein Sohn aber ist tot!«

»Das war der Wille Gottes!«

»Bei meiner Treu! Seine älteren Brüder, fünf an der Zahl, sind ihm schon längst vorausgegangen. Ihr wißt dies ja. Das ist auch der Wille Gottes gewesen. Aber dieser jüngste ist der beste von allen gewesen. Ein echter Wilk! Hei, wenn er nicht gefallen wäre, säße er heute auch auf seiner eigenen Burg.«

»Der Tod Cztans würde weniger zu beklagen sein.«

»Ach, was ist denn Cztan? Freilich ist er so stark, daß er Mühlsteine auf seinen Schultern tragen könnte. Doch wie häufig hat ihn mein Sohn darnieder geworfen! Hei, dieser wußte, was die ritterliche Sitte erheischte, Cztan aber läßt sich von seinem Weibe auf die Schnauze hauen, denn obgleich er ein starker Bursche ist, gebricht es ihm doch an Verstand.«

»Hei, mit ihm läßt sich so wenig reden, wie mit dem Hinteren eines Pferdes!« warf Macko ein.

Sofort ergriff er aber auch die Gelegenheit, um nicht nur das ritterliche Wesen, sondern auch den Verstand Zbyszkos in den Himmel zu heben, indem er erklärte, sein Bruderssohn habe in Marienburg mit den berühmtesten Rittern innerhalb der Schranken gekämpft, und ihm falle es ebenso leicht mit Fürsten zu reden, wie Nüsse aufzuknacken. Nicht minder rühmte er die Klugheit und Geschicklichkeit Zbyszkos im Wirtschaften, wodurch der reiche Besitz gesichert sei. Damit jedoch der alte Wilk ja nicht denken konnte, Zbyszko drohe in dieser Hinsicht irgend welche Gefahr, fuhr Macko in gedämpftem Tone fort:

»Traun, durch die Gnade Gottes ist er mit großem Reichtum gesegnet, mit einem größeren Reichtum, als die Leute glauben. Doch,« fügte er vertraulich hinzu, »sprecht mit niemand von dem, was ich Euch sagte.«

Die Leute wurden jedoch nicht müde, allerlei Betrachtungen anzustellen und sich Wunderdinge von den Reichtümern zu erzählen, welche der Gebieter und die Herrin von Bogdaniec aus Spychow mitgebracht halten, ja, es ging sogar die Rede, es sei Geld für sie aus Masovien in Salztonnen angelangt. Als es aber gar bekannt ward, Macko habe sich die mächtigen Herren aus Koniecpole durch ein Darlehen verpflichtet, da steigerte sich noch die hohe Meinung, die man von den in Bogdaniec aufgehäuften Schätzen hegte. Selbstverständlich stieg daher das Ansehen Zbyszkos und Mackos immer mehr, selbstverständlich gewannen sie immer größern Einfluß auf ihre Nachbarn, und infolgedessen mangelte es in der Burg auch niemals an Gästen, die auch der alte Ritter, trotz seines Hanges zur Sparsamkeit, stets freundlich empfing, weil dadurch der Ruhm des Geschlechtes vermehrt ward.

Ganz besonders herrlich wurden die Tauffeierlichkeiten begangen, und jedes Jahr nach dem Feste Maria Himmelfahrt veranstaltete Zbyszko eine glänzende Gasterei für die ganze Nachbarschaft, an der auch die Edelfrauen teilnahmen, um den Ritterspielen zuzuschauen, den Sängen zu lauschen und bis zum frühen Morgen beim Fackelscheine mit den jungen Rittern zu tanzen. Wie leuchteten die Augen Mackos vor Freude, wie schwoll ihm die Brust vor Entzücken, wenn er dann auf Zbyszko und Jagienka blickte, die sich so würdig und edel zu bewegen wußten. Zbyszko war viel größer und männlicher geworden, und obgleich sein Gesicht für die mächtige Gestalt selbst dann zu jung aussah, wenn er sein üppiges Haar mit einem purpurnen Bande zusammenhielt, wenn er in die prächtigsten, mit Gold- und Silberfäden bestickten Gewänder gekleidet war, so sagte nicht nur Macko, sondern auch manch anderer Edelmann von ihm: »Bei Gott! Gleich einem Fürsten sitzt er auf seiner Burg.« Vor Jagienka aber beugten die Ritter, denen die Sitten des Westens bekannt waren, mit der Bitte die Knie, sie zu ihrer Herrin wählen zu dürfen – derart erstrahlte sie in Gesundheit, Jugendfrische, Kraft und Schönheit. Sogar der in höherem Alter stehende Herr aus Koniecpole, welcher die Würde eine Wojwoden in Sieradz bekleidet hatte, wußte sich nicht vor Staunen zu lassen bei ihrem Anblicke und verglich sie mit der Morgenröte, ja, sogar mit der Sonne, »welche der Erde Licht verleiht und sogar in alten Knochen neue Lebenskraft erweckt.«

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Stolz und Freude schwellten jedesmal die Brust des alten Ritters, wenn er die Burg betrat.

Drittes Kapitel.

Im Laufe des fünften Jahres indessen – in den Ansiedelungen herrschte die beste Ordnung, schon seit Monden flatterte auf der Warte das Banner mit dem stumpfen Hufeisen und Jagienka hatte einem vierten Knaben, der Jurand genannt ward, das Leben gegeben – sagte der alte Macko eines Tages zu Zbyszko: »Alles blüht und gedeiht! Wenn mir daher der Herr Jesus noch einen Wunsch erfüllen würde, könnte ich in Frieden sterben.«

Einen prüfenden Blick auf den Ohm werfend, fragte Zbyszko hierauf: »Sprecht Ihr von dem Kriege mit den Kreuzrittern? Einen andern Wunsch hegt Ihr wohl schwerlich!«

»Ich wiederhole Dir das, was ich schon früher sagte. So lange der Großmeister Konrad lebt, kommt es nicht zum Kriege.«

»Wird er denn ewig leben?«

»Auch ich werde nicht ewig leben, und aus diesem Grunde denke ich an etwas ganz anderes.«

»An was?«

»Traun, Du thust besser daran, nicht darnach zu fragen. Jedenfalls begebe ich mich nach Spychow und suche vielleicht von dort aus die Fürstenpaare in Plock und Chersk auf.«

Diese Antwort versetzte Zbyszko in kein allzugroßes Staunen, war doch Macko im Laufe der letzten Jahre mehrmals in Spychow gewesen. Der junge Ritter fragte deshalb nur: »Gedenkt Ihr lange fort zu bleiben?«

»Länger als sonst, da ich einige Zeit in Plock verweilen werde.«

Etwa acht Tage darauf rüstete sich Macko zur Fahrt, auf die er einige Wagen, sowie eine Rüstung und Waffen mitnahm, »für den Fall, daß er innerhalb der Schranken zu kämpfen haben sollte.« Beim Abschiede wiederholte er nochmals, er gedenke länger als sonst fern zu bleiben, und dies bewahrheitete sich, vergingen doch sechs Monate, ohne daß er zurückgekehrt wäre, ohne daß er eine Botschaft geschickt hätte. Zbyszko geriet allmählich in Sorge und sandte daher schließlich einen besonderen Boten aus, der indessen Spychow nicht erreichte, da er schon jenseits Sieradz mit dem alten Ritter zusammentraf, mit dem er sofort wieder zurückkam.

Macko trug anfänglich eine etwas finstere Miene zur Schau, nachdem ihn jedoch Zbyszko von dem unterrichtet hatte, was während seiner Abwesenheit geschehen war, als er sich sagen durfte, daß alles gut stand, heiterte sich sein Antlitz ein wenig auf und er begann, von seiner Fahrt zu sprechen.

»Weißt Du, daß ich in Marienburg gewesen bin?« fragte er den Bruderssohn.

»In Marienburg?«

»Gewiß; wo denn sonst?«‘

Mit großen, erstaunten Augen blickte Zbyszko zuerst auf seinen Ohm, dann schlug er sich auf die Schenkel und rief: »Bei Gott, dies schwand mir vollständig aus dem Gedächtnis.«

»Das ist bei Dir etwas ganz anderes. Du hast Deine Gelöbnisse erfüllt,« entgegnete Macko, »doch Gott schütze mich davor, daß ich jemals meiner Gelübde, meiner Ehre vergäße. Was wir gelobten, das haben wir auch stets gehalten, dieser Sitte will auch ich huldigen, so lange ich noch einen Atemzug zu thun vermag und so mir das heilige Kreuz seine Hilfe verleiht.«

Bei diesen Worten verdüsterte sich Mackos Antlitz wieder und seine Züge nahmen den drohenden und energischen Ausdruck an, den Zbyszko in solcher Weise nur zu jener Zeit an seinem Ohm wahrgenommen hatte, als sie mit Witold und mit Skirwoillo in den Kampf gegen die Kreuzritter gezogen waren.

»Was habt Ihr ausgerichtet?« fragte daher der junge Ritter. »Sprecht, sprecht, habt Ihr Euer Gelöbnis erfüllt?«

»Nein. Er wird sich mir nicht stellen.«

»Weshalb nicht?«

»Weil er Groß-Komtur geworden ist.«

»Kuno Lichtenstein ist Groß-Komtur geworden?«

»Bei meiner Treu! Sie werden ihn auch noch zum Großmeister wählen. Was kann man wissen? Jetzt dünkt er sich ja schon Fürsten ebenbürtig. Es geht die Rede, er habe jetzt schon alles zu sagen, er leite jetzt schon alle Angelegenheiten des Ordens, ohne seinen Rat unternehme der Großmeister nichts. Wird sich ein solch mächtiger Herr auf festgetretener Erde stellen? Nur Spott und Hohn würde ich bei aller Welt ernten, wenn ich eine Herausforderung an ihn ergehen ließe.«

»So hat man über Euch gespottet?« rief nun Zbyszko voll Aerger und mit blitzenden Augen.

»Die Fürstin Alexandra aus Plock hat mich fürwahr weidlich verlacht. ›Ei, so geht doch‹, sagte sie, ›und fordert den römischen Kaiser zum Kampfe. Wie uns bekannt ist‹, sagte sie, ›haben Zawisza Czarny, Powala aus Taczew und Paszko aus Biskupice den Groß-Komtur schon längst zum Kampfe gefordert, ohne daß selbst sie eine Antwort erhalten hätten. Er kann sich nicht stellen. Nicht daß es ihm an Mut gebräche‹, sagte sie, ›nein, aber er ist ein Ordensbruder, er hat ein so schweres, ein so hohes Amt zu versehen, daß ihm dergleichen Dinge ganz aus dem Sinn kommen. Wenn er sich stellte, würde er weit mehr Unehre auf sich laden, als wenn er überhaupt keine Antwort erteilt.‹ In solcher Weise hat die Fürstin Alexandra gesprochen.«

»Und wie lautete Eure Antwort?«

»Nagender Gram beugte mich fürwahr darnieder! Nichtsdestoweniger erklärte ich aber, nach Marienburg gehen zu wollen, damit ich vor Gott und den Menschen bezeugen könne, alles gethan zu haben, was in meiner Macht stand, deshalb bat ich denn die hohe Frau, sie möge mich mit einer Botschaft betrauen und mir ein Schreiben nach Marienburg mitgeben, denn sonst, das wußte ich wohl, wäre ich nicht mit heiler Haut aus diesem Wolfsnest entkommen. Doch in meinen Gedanken legte ich mir alles solchergestalt zurecht. Er hat freilich weder der Herausforderung von seiten Zawiszas, noch Powalas oder Paszkos Folge geleistet, wenn aber ich ihm in Gegenwart des Großmeisters, der Komture und der Gäste ins Gesicht schlage, oder ihm die Barthaare ausreiße, dann wird er sich mir wohl stellen.«

»Gott segne Euch!« rief Zbyszko voll Eifer.

»Traun,« fuhr der alte Ritter fort, »für alles giebt es Rat, wenn man Verstand besitzt. Doch diesesmal gewährte mir der Herr Jesus keine Gnade, denn ich traf Lichtenstein nicht in Marienburg an. Wie man mir berichtete, war er zu Witold als Gesandter geschickt worden. Ich schwankte, ob ich ihn erwarten, oder ob ich ihm folgen solle. Möglicherweise hätte ich ihn ja auf dem Wege verfehlen können. Da ich indessen schon in früheren Zeiten die Bekanntschaft des Großmeisters und des Großkämmerers gemacht hatte, vertraute ich ihnen, mit der Bitte um tiefste Verschwiegenheit, den wahren Grund meines Kommens an. Doch auch sie schrien sofort auf mich ein, mein Vorsatz sei ein vergeblicher.«

»Was für Gründe gaben sie an?«

»Die gleichen Gründe, welche die Fürstin aus Plock angeführt hat. Der Großmeister äußerte sich zudem folgendermaßen: ›Was würdest Du von mir denken, wenn ich mit jedem Ritter aus Masovien oder Polen kämpfen wollte?‹ Bei meiner Treu, darin hat er recht, denn dann wäre er schon lange nicht mehr auf dieser Welt! Jene beiden beratschlagten sich aber mit dem Kämmerer und an der abendlichen Tafel erzählten sie den ganzen Hergang. Ich sage Dir, dies wirkte, als wenn man einen Bienenschwarm aufgescheucht hätte. Die ganze Schar der Gäste sprang mit dem Rufe empor: »Wir können uns stellen, wenn Kuno es auch nicht darf.« Ich wählte mir nun drei Ritter aus, mit denen ich der Reihe nach kämpfen wollte, doch siehe da, es bedurfte der eindringlichsten Vorstellungen, damit der Großmeister auch nur einem von ihnen gestattete, sich mit mir zu messen. Dieser eine nannte sich gleichfalls Lichtenstein und war ein Blutsverwandter Kunos.«

»Traun!« rief jetzt Zbyszko, »wie ist es Euch dabei ergangen?«

»Seine Rüstung habe ich mit hierhergebracht, doch sie ist derart zerhauen, daß kein Mensch mehr etwas dafür geben wird.«

»So wahr mir Gott helfe, Ihr habt nun Euern Schwur erfüllt.«

»Anfänglich glaubte ich dies auch und war sehr glücklich darüber, doch späterhin sagte ich mir: nein, das ist nicht das Gleiche! Deshalb finde ich auch noch immer keinen Frieden, denn es ist nicht das Gleiche.«

Nun versuchte Zbyszko den Ohm zu trösten, indem er sagte: »Ihr kennt mich und wißt, daß ich in solchen Angelegenheiten sowohl gegen mich wie gegen andere ein strenger Richter bin; wenn ich aber das erreicht hätte, was Ihr erreicht habt, würde ich zufrieden sein. Sogar die berühmtesten Ritter in Krakau müßten mir Recht geben, wenn man ihre Meinung einholte. Selbst Zawisza, ein Muster an ritterlicher Ehre, könnte nicht anders urteilen.«

»Glaubst Du dies in der That?« fragte Macko.

»Bedenkt doch nur eins: jene Ritter, deren Ruhm die ganze Welt erfüllt, wollten mit ihm kämpfen, doch keinem ist das gelungen, was Ihr gethan habt. Was nützte es jenen, wenn sie Lichtenstein den Tod schwuren? Ihr aber habt einen Lichtenstein erschlagen.«

»Das ist wahr!« meinte nun der alte Ritter.

Doch Zbyszko, dem jeder ritterliche Kampf großes Interesse einflößte, fragte jetzt: »Laßt hören! Sagt mir: war er jung oder alt, und wie habt Ihr gekämpft, zu Pferde oder zu Fuß?«

»Fünfunddreißig Jahre war er alt. Sein Bart reichte bis zum Gürtel und hoch zu Roß saß er. Gott stand mir bei, so daß ich ihn mit der Lanze treffen konnte. Dann erst kam es zum Streite mit den Schwertern Ich sage Dir, das Blut schoß ihm stromweise aus dem Mund, sein langer Bart war purpurrot gefärbt.«

»Seht Ihr? Wie oft habt Ihr doch darüber geklagt, das Alter drücke Euch darnieder.«

»Gewiß! Doch wenn ich auch zu Roß oder zu Fuß siegreich gekämpft und tapfer ausgehalten habe, in voller Rüstung in den Sattel zu springen, vermochte ich nicht mehr.«

»Hei! Kuno selbst würde von Euch besiegt worden sein.«

Der alte Ritter machte eine verächtliche Handbewegung wie zum Zeichen, daß er mit Kuno ein noch leichteres Spiel gehabt haben würde, und forderte dann Zbyszko auf, mit ihm die Rüstung zu besichtigen, die er nur als Siegestrophäe mitgebracht hatte, da sie ja trotz der trefflichen Arbeit, mit Ausnahme des Hüftbleches und der Beinschienen, ganz ohne Wert war.

»Lieber wäre es mir freilich, wenn ich Dir die Rüstung Kunos zeigen könnte!« erklärte Macko schließlich in düsterem Tone.

»Gott der Herr weiß am besten, was uns frommt!« entgegnete Zbyszko. »So Kuno Großmeister wird, könnt Ihr nur in einer gewaltigen Schlacht auf einen Zusammenstoß mit ihm rechnen.«

»Ich horchte nach allen Seiten hin, um zu hören, was die Leute sagten,« warf Macko ein. »Etliche meinten, auf Konrad werde Kuno kommen, andere nannten Ulryk, den Bruder Konrads, als dessen Nachfolger.«

»Ich würde Ulryk den Vorzug geben!« rief Zbyszko.

»Ich auch, und weißt Du, weshalb? Kuno ist klüger und listiger, Ulryk entflammbarer, ein echter Ritter, der auf Ehre hält und den Krieg ebenso herbeisehnt wie wir. Man spricht allgemein davon, daß, falls er Großmeister werden sollte, ein Sturm losbrechen würde, wie ihn die Welt noch nie zuvor gesehen habe. Konrad leidet an Schwächeanfällen. In meiner Gegenwart ist er einmal ohnmächtig geworden. Man weiß nicht, wie bald es eine Aenderung geben kann. Hei, vielleicht erleben wir noch die Erfüllung unseres Wunsches.«

»Gott gebe es! Sind denn wieder neue Mißhelligkeiten ausgebrochen?«

»Alte und neue Zwistigkeiten sollten geschlichtet werden. Ein Kreuzritter bleibt eben stets ein Kreuzritter. Selbst wenn er weiß, daß Du ihm überlegen bist, und daß er Dir gegenüber leicht den Kürzeren ziehen kann, wird er Dir auflauern, weil er nun einmal nicht anders zu handeln vermag.«

»Ein jeder von ihnen stellt eben die Macht des Ordens über die aller Königreiche.«

»Nicht alle Kreuzritter, doch gar viele unter ihnen, sind dieser Meinung, der vornehmlich Ulryk huldigt. Und fürwahr – ihre Stärke ist unermeßlich.«

»Erinnert Ihr Euch aber dessen, was Zyndram aus Maszkowice sagte –«

»Wohl erinnere ich mich dessen. Und mit jedem Jahr wird es schlimmer. Der Bruder empfängt den Bruder nicht so, wie ich allerorts empfangen ward, wenn gerade kein Kreuzritter Zeuge davon war. Immer verhaßter macht sich der Orden.«

»Wir werden daher nicht mehr lange zu warten haben?«

»Ob noch lange oder nicht mehr lange, wer kann dies wissen?« antwortete Macko. »Inzwischen aber,« fügte er hinzu, »dürfen wir uns keine Ruhe gönnen, müssen wir unsern Besitz zu vergrößern suchen, damit wir würdig auf dem Walplatze erscheinen können.«