Endlich, endlich war es zum Kriege gekommen, zu einem Kriege freilich, in dem nicht viele Schlachten geschlagen wurden, der sich anfänglich zu Ungunsten der Polen gestaltete. Ehe die Polen ihre Streitkräfte an Ort und Stelle zusammengezogen hatten, nahmen die Kreuzritter Bobrowniki, machten Zlotorya dem Erdboden gleich und verwüsteten das unglückliche Gebiet um Dobrzyn, das ihnen erst vor kurzem unter den größten Schwierigkeiten entrissen worden war. Durch die Vermittlung der Böhmen und Ungarn wurde indessen bald abermals den Kriegsfluten Einhalt gethan, ein Waffenstillstand ward geschlossen und Wenzeslaw, der König von Böhmen, zum Schiedsrichter zwischen den Polen und den Kreuzrittern ernannt.

Auf beiden Seiten fuhr man indessen während des Winters und des Frühlings mit dem Zusammenziehen und dem Vorschieben der Kriegsscharen fort, und als der König von Böhmen, der erkauft worden war, zu Gunsten des Ordens entschied, brach der Krieg natürlich von neuem aus.

Allgemach rückte der Sommer heran und mit ihm erschienen die unter Witold stehenden »Völkerstämme.« Nach Ueberschreitung des Flusses bei Czerwensk vereinigten sich die beiden Heerkörper, zu denen dann auch die Fähnlein der masovischen Fürsten stießen. Auf der andern Seite des Flusses, in dem Lager bei Schwetz, standen gegen hunderttausend eisengepanzerte Deutsche. Jagiello hatte zwar den Plan gefaßt, über den Drewenz zu gehen, um auf dem kürzesten Wege nach Marienburg vorzurücken, als sich jedoch dies als unmöglich erwies, kehrte er von Kurzetnik nach Soldau zurück und schlug dann, nachdem Dabrowua oder Gilgenburg, eine Feste des Ordens, durch eine Abteilung des Kriegsheeres zerstört worden war, daselbst sein Lager auf.

Jagiello, und mit ihm alle polnischen und litauischen Großen, sahen längst voraus, daß es bald zu einer entscheidenden Schlacht kommen müsse, jeder aber glaubte, es werde noch eine Reihe von Tagen bis dahin verstreichen. Allgemein huldigte man der Ansicht, der Großmeister, welcher dem Könige den Weg verlegt hatte, wolle seinem Kriegsvolke Ruhe gönnen, damit er es frisch und neugekräftigt zum Kampfe führen könne. Unter dieser Voraussetzung rasteten auch die Kriegsscharen des Königs eine Nacht bei Dabrowna. Die Einnahme der Feste erfüllte die Herzen des Königs und Witolds mit Freude, trotzdem der Angriff ohne ausdrücklichen Befehl, ja eigentlich gegen den Willen des Kriegsrates unternommen worden war, denn die stark befestigte Burg lag inmitten eines Sees und hatte eine zahlreiche Besatzung. In solch unglaublich kurzer Zeit waren aber die polnischen Ritter Herren der Burg, mit solch unwiderstehlicher Gewalt stürmten sie vor, daß ehe Entsatz eintreffen konnte, alles in Trümmer lag, alles in rauchende Brandstätten verwandelt war, auf denen die wilden Horden Witolds und die Tataren unter Saladin die letzten, sich verzweifelt wehrenden deutschen Kriegsknechte niedermetzelten.

Das Feuer hielt indessen nicht lange an, ein kurzer, aber heftiger Regenguß machte ihm bald ein Ende. Die ganze Nacht vom vierzehnten auf den fünfzehnten Juli ließ sich ungewöhnlich veränderlich und stürmisch an. Vom Winde getrieben, folgte Gewitter auf Gewitter. Zuweilen schien der Himmel in Flammen zu stehen, zuweilen zuckten unter dumpfen Donnerschlägen grelle Blitze von Osten nach Westen. Schwefelgeruch erfüllte oftmals die Luft, Regengüsse prasselten stets wieder von neuem nieder. Dann mit einem Male trieb der Wind die Wolken auseinander, und von dem lichter gewordenen Firmamente strahlten Sterne und Mond in hellem Glanze herab. Erst nach Mitternacht legte sich der Sturm so weit, daß die Wachfeuer wieder unterhalten werden konnten. In einem einzigen Augenblicke suchten tausende und tausende von Mannen in dem unermeßlich großen Lager der Polen und Litauer die Flammen aufs neue anzufachen, um hierauf unter wilden Gesängen ihre durchnäßten Gewandungen zu trocknen.

Auch der König verbrachte die Nacht wachend, denn in der am äußersten Ende des Lagers stehenden Hütte, in die er sich vor dem Sturme geflüchtet hatte, wurde ein Kriegsrat abgehalten wegen der Einnahme Gilgenburgs. Da die Heerschar aus Sieradz mit an der Eroberung beteiligt gewesen war, mußte sich deren Führer, Jakob aus Koniecpole, samt andern darüber verantworten, daß er den Angriff auf die Burg unternommen hatte, ohne den Befehl dazu erhalten zu haben, und daß er den Kampf auch dann nicht eingestellt hatte, als ihm der Gegenbefehl des Königs durch einen besonderen Boten und durch eine Anzahl vertrauter Kriegsleute übermittelt worden war.

Da nun der Wojwode nicht wissen konnte, was ihn erwarten, ob ihn nur Tadel oder wirkliche Strafe treffen werde, brachte er eine erkleckliche Anzahl der berühmtesten Ritter, darunter auch Macko und Zbyszko als Zeugen dafür mit, daß bei der Ankunft des königlichen Boten die Erstürmung der Wälle schon vor sich gegangen war, daß dem erbitterten Kampfe mit der Besatzung nicht mehr Einhalt geboten werden konnte. »Was aber den Angriff überhaupt anbelangt,« erklärte Jakob aus Koniecpole, »so ist es gar schwer, vor jedem Vorgehen erst die Erlaubnis dazu einzuholen, wenn die Größe des Kriegsheeres eine solch unermeßliche ist. Da ich in der Vorhut stand, erachtete ich es für meine Pflicht, jedes Hindernis vor dem Hauptheere aus dem Wege zu räumen und den Kampf mit dem Feinde allerorts aufzunehmen.« Als der König, Fürst Witold und die Herren des Kriegsrates, welche insgeheim über die Eroberung der Burg große Freude empfanden, diese Worte vernahmen, da sprachen sie dem Wojwoden und der Kriegsschar aus Sieradz nicht ihren Tadel aus, nein, sie konnten den Führer und die Kriegsleute nicht genug loben wegen des kühnen Mutes, mit dem sie die Burg genommen, die tapfere Besatzung überwältigt hatten. Für Macko und Zbyszko bot sich nun bei diesem Kriegsrate Gelegenheit, die hervorragendsten Großen des Königreiches versammelt zu sehen, denn außer dem König und den Fürsten aus Masovien waren auch die beiden Führer des Kriegsheeres anwesend, Witold, welcher die Litauer, Samogitier, Russen, Bessarabier, Wallachen und Tataren befehligte, und Zindram aus Maszkowice – der Schwertträger aus Krakau – welcher die polnische Streitmacht anführte, alle andern an Kriegskunst überragte und dessen Wappen die Aufschrift trug: »Der Sonne gleich.« Aber auch noch andere hervorragende Krieger und Staatskundige gehörten zu dem Kriegsrate, so der Krakauer Kastellan Kristin aus Ostrowo, der Krakauer Wojwode Jasko aus Tarnow, der Posener Wojwode Sedziwoj aus Ostrorog, der Wojwode von Sandomir Mikolaj aus Michalowic, der Kirchenprobst zum heiligen Florian, der Unterkanzler Mikolaj Traba, der Marschall des Königreiches Zbigniew aus Brzesc und Piotr Szafranec, der Unterkämmerer aus Krakau, sowie schließlich Ziemowit, der Sohn des Fürsten aus Plock, welcher trotz seiner Jugend in den Kriegsrat berufen worden war, weil er als sehr »umsichtig« in der Kriegsführung galt und der König große Stücke auf ihn hielt.

In der zweiten geräumigen Stube der Hütte hatten sich auch unzählige der berühmtesten Ritter zusammengefunden, um nötigenfalls sofort ihre Ratschläge erteilen zu können. In ganz Polen, ja, weithin in allen fremden Königreichen kannte man deren Namen. Macko und Zbyszko sahen daher auch Zawisza Czarny, Sulinczyk und dessen Bruder Farurey, Skarbek Abdauk aus Gora, Dobek aus Olesnica, der seiner Zeit zwölf deutsche Ritter bei einem Turniere in Thorn aus dem Sattel gehoben hatte, dann den riesenhaften Paszko Zlodziej aus Biskupice, sowie den ihnen besonders freundlich gesinnten Powala aus Taczew, dann Krzon aus Kozichglowy, Marciu aus Wrocimowice, welcher das Hauptbanner des Königreiches trug, Florian Jelitczyk aus Korytnice, Lis aus Targowisko, welcher besonders im Handgemenge furchtbar ward, und Staszko aus Charbimowice, der in voller Rüstung über zwei der größten Pferde springen konnte.

Doch außer den Genannten waren, aus verschiedenen Landen und aus Masovien, auch noch gar viele andere berühmte, den Bannern voranziehende Ritter anwesend, welche »die vor den Bannern Streitenden« hießen, weil sie während einer Schlacht in der ersten Reihe zu kämpfen pflegten. Von den ihnen bekannten Rittern wurden Macko und Zbyszko aufs freundlichste begrüßt, und Powala trat sofort zu ihnen und begann über die früheren Erlebnisse und Ereignisse zu sprechen.

»Hei!« sagte er zu Zbyszko gewandt, »Du hast die Kreuzritter über gar Schweres zur Rechenschaft zu ziehen, nun aber ist, wie ich glaube, die Zeit gekommen, in der Du ihnen alles heimzahlen kannst.«

»Mit Blut werde ich ihnen alles heimzahlen,« entgegnete Zbyszko, »für alles sollen sie mir büßen.«

»Weißt Du, daß Kuno Lichtenstein Großkomtur geworden ist?«

»Ich weiß es und auch meinem Ohm ist es bekannt.«

»Gott gebe, daß ich mit Lichtenstein zusammentreffe,« warf jetzt Macko ein, »denn ich habe noch wegen gar manchem mit ihm abzurechnen.«

»Traun! Wir alle haben ihn zum Kampfe gefordert,« bemerkte Powala, »allein er erklärte, er dürfe bei der Würde, die er bekleide, sich uns nicht stellen. Bei meiner Treu, vielleicht ist er aber jetzt doch andern Sinnes geworden.«

»Dem wird er in die Hände fallen, dem er von Gott bestimmt ist!« ließ sich nun Zawisza in dem ihm eigentümlichen, würdevollen Tone vernehmen.

Daraufhin entschloß sich Zbyszko, die Sache seines Ohms dem Urteile Zawiszas zu unterbreiten und fragte daher diesen, ob er nicht auch der Ansicht sei, Macko habe sein Gelübde durch den Kampf mit einem Blutsverwandten Lichtensteins erfüllt, der sich selbst als dessen Stellvertreter bezeichnet hatte, und der von dem alten Ritter getötet worden war. Trotzdem sich aber nun Zawisza und alle Umstehenden dahin aussprachen, dem Gelübde sei Genüge gethan worden, hielt Macko in seiner Halsstarrigkeit und ungeachtet ihm jener Ausspruch großen Trost gewährte, seine Meinung aufrecht, indem er sagte: »Traun, dies mag nun alles so sein, wie Ihr sagt! Ich aber würde mich des ewigen Heiles sicher fühlen, wenn mir Kuno selbst auf festgetretener Erde gegenüberstünde.«

Im Laufe der Unterhaltung kamen die Redenden auch auf die Einnahme von Gilgenburg zu sprechen und man erging sich in Mutmaßungen darüber, wann wohl die erste große Schlacht sein werde, die nach der Ansicht aller bald geschlagen werden mußte, da dem Großmeister nichts anderes zu thun übrig blieb, als dem König den Weg zu verlegen.

Die Rede ging hin und her, und gerade als man die Frage aufwarf, wieviele Tage man wohl noch zuwarten müsse, näherte sich den Sprechenden ein großer, schmächtiger Ritter, der in ein rotes Gewand gekleidet war, eine ebensolche Mütze auf dem Haupte trug und der, seine Arme ausbreitend, mit sanfter, fast mädchenhafter Stimme also anhub: »Ich grüße Dich, Ritter Zbyszko aus Bogdaniec!«

»De Lorche! Du bist hier!« rief nun Zbyszko aus, den Lothringer, welcher in gar gutem Andenken bei ihm stand, in die Arme schließend und warme Freundschaftsküsse mit ihm austauschend. »Stehst Du auf unsrer Seite?«

»Etliche Ritter aus Geldern kämpfen wohl auf der andern Seite!« antwortete de Lorche, »ich aber bin durch Dlugolas verpflichtet, meinem Gebieter, dem Fürsten Janusz, meine Dienste zu leihen.«

»So bist Du der Erbe des alten Mikolaj aus Dlugolas?«

»Ja. Nach dem Tode Mikolajs und dessen Sohn, der bei Bobrowniki erschlagen ward, fiel Dlugolas der holden Jagienka zu, die seit fünf Jahren mein Eheweib und meine Herrin ist.«

»Bei Gott!« ließ sich nun Zbyszko abermals vernehmen, »bei Gott, Du mußt mir erzählen, wie sich dies alles ereignet hat.«

Allein de Lorche begrüßte jetzt den alten Macko und sagte: »Von Euerm früheren Waffenträger Hlawa hörte ich, daß ich Euch hier im Lager finden könnte. Er selbst weilt nun in meinem Zelte und achtet auf das abendliche Mahl. Wohl liegt mein Zelt an dem andern Ende des Lagers – zu Pferde werden wir es aber bald erreichen. Kommt daher mit mir!«

Dann, sich zu Powala wendend, mit dem er ja in Plock Freundschaft geschlossen hatte, fügte er hinzu: »Auch Euch, edler Herr, bitte ich, mir zu folgen. Gewährt mir die Ehre, gönnt mir dieses Glück!«

»Gerne gehe ich mit Euch in Euer Zelt!« entgegnete Powala, »denn abgesehen davon, daß das Zusammensein mit Rittern, die ich kenne, mir stets die größte Freude ist, können wir auch das ganze Lager sehen.«

So begaben sich denn alle in das Freie, um die Pferde zu besteigen. Da trat einer der Dienstleute de Lorches zu diesem heran, um ihm einen Mantel umzuhängen, den er augenscheinlich zu dem Zwecke mitgebracht hatte, eilte dann auf Zbyszko zu, küßte dessen Hand und sagte: »Heil und Ehre sei Euch, o Herr! Schon vor Jahren diente ich Euch, aber in der Dunkelheit könnt Ihr mich nicht erkennen. Ist Euch Sanderus aus dem Gedächtnis entschwunden?«

»Sanderus, so wahr mir Gott helfe!« rief Zbyszko.

Und die Erinnerung an die erlittenen Schmerzen, an all das Leid, an all die schweren Kümmernisse regte sich in dem jungen Ritter wieder so lebendig wie vor wenigen Wochen, als er bei der Vereinigung des königlichen Kriegsheeres mit dem Fähnlein der masovischen Fürsten nach langer, langer Zeit seinen einstigen Knappen Hlawa wiedergesehen hatte.

»Sanderus!« hub er daher abermals an, »ich habe der frühern Zeiten, ich habe Deiner nicht vergessen. Was hast Du bisher getrieben, wo bist Du gewesen? Ziehst Du noch immer mit Reliquien durch die Lande?«

»Nein, o Herr! Bis zum letzten Frühling versah ich das Amt eines Küsters an der Kirche in Dlugolas. Da aber mein verstorbener Vater dem Kriegshandwerk oblag, da widerte mich beim Ausbruch des Krieges das Erz der Kirchenglocken an und die Sehnsucht nach Eisen und Stahl erwachte in mir –«

»Was höre ich?« warf hier Zbyszko ein, der sich Sanderus in der Schlacht mit einem Schwerte, einem Speere oder einer Streitaxt in der Hand nicht vorstellen konnte.

Sanderus aber fuhr, Zbyszko den Steigbügel haltend, unentwegt fort: »Vor einem Jahre etwa begab ich mich auf Befehl des Bischofs von Plock in preußisches Gebiet und leistete dadurch beträchtliche Dienste – doch davon will ich Euch später berichten. Steigt also zu Roß, wohledler Ritter, denn jener böhmische Graf, den Ihr Hlawa zu rufen pflegtet, harrt unserer in dem Zelte meines Herrn.«

Nachdem Zbyszko zu Pferde gestiegen war, ritt er mit Herrn de Lorche voran, da er ungestört mit ihm sprechen, da er sich dessen Erlebnisse erzählen lassen wollte, die zu hören er sehr gespannt war.

»Unendlich glücklich macht es mich,« begann Zbyszko, »daß Du auf unserer Seite kämpfst, doch ich wundere mich darob, denn Du dientest doch den Kreuzrittern.«

»Jene mögen ihnen dienen, die sich Sold bezahlen lassen!« erwiderte de Lorche, »ich habe nie Sold genommen. Nein – Abenteuer wollte ich bestehen, als ich zu den Kreuzrittern zog, den Rittergürtel wollte ich mir erringen, den ich auch, wie Dir ja bekannt sein wird, aus den Händen eines polnischen Fürsten empfing. Und nachdem ich nach meiner Vermählung bei Euch seßhaft geworden bin, wie könnte ich gegen Euch streiten? Zu Euch gehöre ich nun, denn, wie Du sofort bemerkt haben wirst, spreche ich ja jetzt Eure Sprache!«

»Und Deine Besitzungen in Geldern? Wie mir gesagt ward, bist Du ein Blutsverwandter des dort herrschenden Geschlechtes und der Erbe vieler Burgen und Dörfer.«

»Ich trat mein Erbe an meinen Blutsverwandten Foulk de Lorche ab, der mich dafür bezahlte. Vor fünf Jahren bin ich in Geldern gewesen und habe von dort große Summen zurückgebracht, mit denen ich mich in Masovien ankaufte.«

»Wie kam es aber dazu, daß Du Dich mit Jagienka aus Dlugolas vermähltest?«

»Ach!« antwortete de Lorche, »ist nicht jede Frau ein Rätsel? Sie spottete meiner so lange, bis ich es müde wurde und ihr erklärte, der Gram, der Kummer treibe mich in den Krieg nach Asien, von wo ich niemals wieder zurückzukehren gedenke. Da brach sie zu meinem Staunen in Thränen aus und rief schluchzend: ›Dann werde ich in ein Kloster gehen!‹ Ich aber warf mich, diese Worte hörend, ihr zu Füßen und wenige Tage später sprach der Bischof aus Plock in der Kirche über uns beide den Segen.«

»Habt Ihr Kinder?« fragte nun Zbyszko.

»Nach Beendigung des Krieges wallfahrt Jagienka an das Grab unserer Königin Jadwiga, um von ihr die Erfüllung unserer Wünsche zu erflehen!« entgegnete de Lorche seufzend.

»Daran thut sie gut. Man sagt, das helfe immer, und daß es in solchen Fällen keine bessere Fürsprecherin gebe als unsere heilige Königin. Noch wenige Tage, und es kommt zur Hauptschlacht, der Frieden wird dann nicht lange auf sich warten lassen.«

»Gewiß.«

»Aber die Kreuzritter halten Dich sicherlich für einen Verräter!«

»Nein,« entgegnete de Lorche, »Du weißt ja, wie viel ich auf meine Ritterehre halte. Sanderus begab sich im Auftrage des Bischofs von Plock nach Marienburg, daher sandte ich durch ihn ein Schreiben an Meister Ulryk, worin ich ihm den Dienst aufgekündigt und ihm die Gründe angegeben habe, weshalb ich mich auf Eure Seite stelle.«

»Hei! Sanderus!« rief Zbyszko aus. »Er sagte mir, daß der Klang der Kirchenglocken einen wahren Ekel in ihm erweckt habe, und daß ein Verlangen nach Stahl und Eisen in ihm erwacht sei. Mich wundert dies aber, denn er hatte immer ein Hasenherz.«

Darauf entgegnete de Lorche: »Mit Stahl und Eisen hat Sanderus nur soviel zu thun, daß er mir und meinen Knappen den Bart abschert.«

»So verhält es sich also?« fragte Zbyszko nicht wenig ergötzt.

Schweigend ritten sie einige Zeit weiter, dann richtete de Lorche seine Augen zum Himmel empor und sagte: »Zum Abendbrot habe ich Euch eingeladen, aber wir werden wohl zum Frühstück erst anlangen.«

»Der Mond scheint noch,« entgegnete Zbyszko. »Reiten wir also weiter.«

Nachdem sie mit Macko und Powala zusammengetroffen waren, ritten sie alle nebeneinander durch die breite Straße des Feldlagers, welche auf Befehl der Anführer zwischen den Zelten und Feuerstätten abgesteckt worden war, damit der Durchgang frei blieb. Da sie zu der am andern Ende des Lagers stehenden masovischen Heeresabteilung stoßen wollten, mußten sie es der ganzen Länge nach durchreiten.

Macko wendete sich zu Powala aus Taczew: »Sagt, Herr, wie viele Fähnlein hat Knäs Witold aufgebracht?«

»Vierzig!« entgegnete Powala.

»Unsere polnischen belaufen sich mit den masovischen zusammen auf fünfzig, aber sie sind anders geordnet als die Witolds. Denn bei ihm dienen zuweilen einige tausend Mannen unter einem Banner. Ha! Wir hörten, der Großmeister habe diese Krieger ein Bettelvolk genannt, das einen Löffel besser als ein Schwert zu gebrauchen verstehe, aber Gott gebe, daß er sich in einer für ihn schlimmen Stunde so ausgesprochen hat, denn ich glaube, die litauischen Wurfspieße werden von dem Blute der Kreuzritter gerötet werden.«

»Was sind das für Mannen, an denen wir jetzt vorüberkommen?« fragte Herr de Lorche.

»Das sind Tataren, Witolds Lehensmann, Saladin, führte sie hierher.«

»Bewähren sie sich in der Schlacht?«

»Die Litauer verstehen es, mit diesen Tataren zu kämpfen und haben einen beträchtlichen Teil derselben besiegt. Aus dem Grunde wurden sie auch gezwungen, an diesem Kriegszug teilzunehmen. Aber die Ritterschaft aus dem Westen hat stets einen schweren Stand mit ihnen, denn sie zeigen sich gefährlicher beim Rückzuge als beim Angriffe.«

»Laßt sie uns in der Nähe betrachten,« sagte de Lorche.

Sie ritten zu den Feuerstätten heran. Die Männer, welche hier lagerten, hatten ganz entblößte Arme, trugen aber trotz der Sommerzeit Schafpelze, die Wolle nach oben gekehrt. Ein großer Teil von ihnen schlief auf nackter Erde oder auf feuchtem, von der Hitze dampfendem Stroh, viele saßen zusammengekauert am lodernden Feuer; etliche verkürzten sich die Stunden der Nacht, indem sie im Nasaltone wilde Lieder sangen und dabei zur Begleitung das eine Schienbein eines Pferdes an das andere schlugen, wodurch ein seltsamer und unangenehmer Klang hervorgebracht wurde; wieder andere hatten kleine Trommeln oder klimperten auf den festgespannten Sehnen ihrer Bogen. Manche hatten noch rauchende, blutige Fleischstücke vom Feuer genommen und bliesen mit ihren aufgeworfenen, bläulichen Lippen darauf, um sie dann zu verzehren. Im allgemeinen sahen sie so wild und schaudererregend aus, daß man sie eher für Unholde des Waldes als für menschliche Wesen halten konnte. Der Rauch der Feuerstätte führte einen beißenden Geruch des gebratenen Pferde- und Lämmerfleisches mit sich, und zudem verbreitete sich ringsumher ein unerträglicher Duft von angebrannter Wolle, warm gewordenen Schafpelzen, abgezogenen Häuten und frischem Blut. Von der andern, dunkeln Seite der Straße, wo die Pferde standen, kam ein durchdringender Schweißgeruch herüber. Diese Mären, von denen einige hundert bei Streifwachen in der Nachbarschaft benützt wurden, fraßen das Gras unter ihren Füßen und bissen einander, indem sie laut schnaubten und wieherten. Durch die Zurufe und Peitschenhiebe der Pferdeknechte wurden sie dann wieder gebändigt.

Es war gefährlich, sich allein unter diese wilden Menschen zu wagen, da sie außerordentlich raubsüchtig waren. Dicht hinter ihnen lagerten die etwas weniger wilden Banden der Bessarabier, deren Kopfbedeckung mit Hörnern versehen war, sowie die langhaarigen Wallachen, welche statt der Panzer bemalte Holzbretter mit plumpen Abbildungen von Vampyren, Gerippen oder Tieren auf Brust und Schultern trugen; etwas weiterhin befanden sich die Serben, deren jetzt in Schlaf versenktes Lager zur Tageszeit vom Klange der Flöte, der Balalajka, 16 der Rohrpfeife und der andern Musikinstrumente widerhallte wie von einer einzigen großen Laute.

Die Wachfeuer leuchteten hell. Vom Himmel, zwischen den von einem starken Wind auseinandergetriebenen Wolken blickte der Mond hernieder und bei diesem Scheine, diesem Lichte konnten unsere Ritter das Lager genau betrachten. Hinter den Serben befand sich der Rastplatz der unglücklichen Samogitier. Ein wahres Blutbad hatten die Deutschen schon unter ihnen angerichtet, und gleichwohl stellten sie sich, auf jede Aufforderung Witolds hin, zu neuen Kämpfen. Wie im Vorgefühl, daß ihre Not bald auf immer zu Ende sein werde, waren sie auch jetzt hierhergezogen, durchdrungen von dem Geiste Skirwoillos, dessen Name allein schon die Deutschen mit Wut und Furcht erfüllte. Die Wachfeuer der Samogitier grenzten unmittelbar an die der Litauer, gehörten sie doch zu demselben Volke, hatten sie doch dieselben Sitten und Gebräuche, redeten sie doch dieselbe Sprache.

Als die Ritter im litauischen Lager anlangten, fiel ihnen sofort ein düsteres Bild in die Augen. An einem aus rohen Stämmen zusammengefügten Galgen hingen zwei menschliche Leichname, welche durch den Wind so gewaltsam hin und her bewegt, herumgedreht und emporgeworfen wurden, daß das Holzwerk des Galgens kläglich knirschte. Beim Anblick der Leichname schnaubten die Pferde und stellten sich auf ihre Hinterfüße, die Ritter aber machten fromm das Zeichen des Kreuzes, und während sie weiterritten, sagte Powala: »Knäs Witold befand sich bei dem König, und auch ich war gerade anwesend, als diese beiden Verbrecher herbeigeführt wurden. Schon zuvor hatten sich unsere Bischöfe und Herrscher darüber beklagt, daß der Litauer Kriegsführung furchtbar ist, und daß sie sogar die Kirchen nicht schonen. Als die beiden daher herbeigeführt wurden (es sind angesehene Leute gewesen, aber die Unglücklichen hatten, wie es scheint, das heilige Sakrament entweiht), ward der Fürst von solchem Zorn erfaßt, daß es furchtbar war, ihn anzuschauen – und er befahl ihnen, sich selbst aufzuhängen. Die Elenden mußten sich nun selbst den Strick um den Hals legen, und dabei trieb einer den andern zur Eile an. »Nur rasch! damit der Fürst nicht noch zorniger wird!« Und die Tataren und Litauer wurden alle von einer wahren Angst ergriffen, denn sie fürchten nicht den Tod, wohl aber des Fürsten Grimm.«

»Ja,« sagte Zbyszko, »zu jener Zeit, als ich in Krakau wegen Lichtenstein des Königs Zorn auf mich lud, riet mir der junge Knäs Jamont, ein Lehensmann des Königs, sogleich mich aufzuhängen. Und diesen Rat gab er mir aus Freundschaft, obgleich er deshalb von mir zum Kampfe auf festgetretener Erde gefordert worden wäre, wenn ich mir nicht, wie Ihr wißt, hätte sagen müssen, daß mein Haupt ohnedies fallen werde.«

»Seitdem hat Knäs Jamont die ritterlichen Sitten erlernt,« entgegnete Powala.

Unter solchen Gesprächen kamen sie an dem großen litauischen Lager und an drei glänzenden russischen Heeresabteilungen vorüber, von denen die aus Smolensk die zahlreichste war, und wendeten sich dem polnischen Feldlager zu. Daselbst standen fünfzig Fähnlein – der Kern und die Auserlesensten der ganzen Kriegsmacht. Hier waren die Rüstungen besser, die Pferde stärker und die Ritter geübter in der Waffenkunde, sodaß sie denen des Westens in keiner Hinsicht etwas nachgaben. An Körperkraft, an Ausdauer, wenn es galt, Hunger, Kälte und Beschwerden zu ertragen, übertrafen diese in Groß- und Kleinpolen ansässigen Männer sogar die Krieger des Westens, welche mehr verweichlicht waren. Die Sitten der Polen waren einfacher, ihre Rüstungen weniger fein geschmiedet, aber sie konnten sich einer größern Kaltblütigkeit rühmen, auch hatten ihre Todesverachtung und außerordentliche Ausdauer im Kampfe schon häufig die aus der Ferne kommenden französischen und englischen Ritter in Staunen versetzt.

De Lorche, welcher die polnische Ritterschaft längst kannte, sprach also: »In diesen allein liegt Eure Stärke, Eure Hoffnung. Ich erinnere mich, wie sich in Marienburg die Ritter mehr denn einmal darüber beklagten, daß sie im Treffen mit Euch jede Spanne Landes durch Ströme von Blut erkaufen müßten.«

»Auch jetzt werden Ströme von Blut fließen,« antwortete Macko, »denn auch der Orden hat bisher noch niemals eine solche Heeresmacht aufgeboten.«

Powala aber sagte: »Ritter Korsbog, welcher vom König mit Briefen an den Meister gesandt ward, berichtet, daß die Kreuzritter sagen, weder der römische Cäsar noch irgend ein König verfüge über eine solche Streitkraft, und der Orden könne alle Reiche der Welt unter seine Botmäßigkeit bringen.«

»Pah! An Zahl sind wir ihnen aber überlegen!« bemerkte Zbyszko.

»Wohl, so ist es, doch achten sie Witolds Streitmacht gering. Sie behaupten, sie sei aus mangelhaft ausgerüsteten Kriegern zusammengesetzt und könne beim ersten Ansturm zertrümmert werden wie ein irdener Topf durch einen Hammer. Ob dies nun wahr oder unwahr ist, vermag ich nicht zu entscheiden.«

»Es ist wahr und doch auch wieder unwahr!« ließ sich hier der verständige Macko vernehmen. »Ich und Zbyszko kennen diese Krieger, denn wir haben zusammen mit ihnen gekämpft. Ihre Rüstungen sind allerdings schlecht, ihre Pferde klein und unansehnlich und daher kommt es häufig vor, daß sie bei einem Angriff der Kreuzritter Reißaus nehmen, aber im Grunde sind sie eben so tapfer, wenn nicht tapferer als die Deutschen.«

»Das wird sich bald zeigen!« bemerkte Powala. »Aber dem König stehen fortwährend Thränen in den Augen bei dem Gedanken, daß soviel Christenblut vergossen werden soll, und noch im letzten Augenblick würde er sich wahrscheinlich bereit zeigen, einen gerechten Frieden zu schließen, doch der Stolz der Kreuzritter kann sich nicht dazu herbeilassen.«

»So wahr ich lebe, Ihr habt recht! Ich kenne die Kreuzritter, und wir alle kennen sie,« stimmte Macko bei – »Gott hält schon die Wagschale bereit, auf der unser Blut, sowie das unseres Erbfeindes abgewogen werden soll.«

Sie waren jetzt nicht mehr weit von der masovischen Heeresabteilung entfernt, bei der sich das Zelt de Lorches befand, als sie in der Mitte der »Straße« eine große, dicht aneinandergedrängte Menschenschar gewahrten, die unausgesetzt gen Himmel schaute.

»Bleibt dort stehen! Bleibt stehen!« rief eine Stimme aus der Menge hervor.

»Wer seid Ihr und was thut Ihr hier?« fragte Powala.

»Der Probst aus Klobuzk. Und Ihr?«

»Powala aus Taczew, die Ritter aus Bogdaniec und Herr de Lorche.

»Ach! Ihr seid es, Ihr Herren!« sagte der Priester in geheimnisvollem Tone, während er sich Powalas Pferd näherte. »Betrachtet nur den Mond und seht, was dort vorgeht. Das ist eine vielverheißende und wundervolle Nacht.«

Die Ritter schauten empor und blickten auf den Mond, welcher schon erbleichte und dem Untergange nahe war.

»Ich kann nichts unterscheiden!« antwortete Powala. »Was seht Ihr denn?«

»Ein Mönch in einer Kapuze kämpft mit einem König, der eine Krone auf dem Haupte trägt. Seht nur! O dort! Im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes! O wie furchtbar sie miteinander ringen! … Gott sei uns Sündern gnädig!«

Tiefe Stille trat nun ringsumher ein, denn alle hielten den Atem an.

»Seht nur! Seht!« rief der Priester.

»Es ist wahr! Dort ist etwas zu sehen!« sagte Macko.

»Es ist wahr! Es ist wahr!« bestätigten auch die andern.

»Ha! Der König hat den Mönch niedergeworfen! Er setzt seinen Fuß auf ihn!« schrie der Probst aus Klobuzk plötzlich. »Gelobt sei Jesus Christus!«

»Von Ewigkeit zu Ewigkeit!«

In diesem Augenblick bedeckte eine große schwarze Wolke den Mond, und Dunkelheit herrschte überall, nur der Schein der Wachfeuer warf flimmernde, blutrote Streifen quer über den Weg.

Die Ritter ritten weiter und als sie das Häuflein Menschen hinter sich gelassen hatten, fragte Powala:

»Saht Ihr etwas?«

»Anfangs sah ich nichts,« erwiderte Macko, »aber dann sah ich den König und den Mönch ganz deutlich.«

»Auch ich!«

»Auch ich!«

»Das ist ein Fingerzeig Gottes!« erklärte Powala. – »Ha! Trotz der Thränen unseres Königs wird es offenbar nicht zum Frieden kommen.«

»Und eine Schlacht wird geliefert werden, wie die Welt noch keine gesehen hat,« sagte Macko.

Und von solchen Gedanken erfüllt, ritten sie schweigend, in feierlicher Stimmung weiter.

Als sie sich nicht mehr weit von dem Zelte de Lorches befanden, erhob sich ein solcher Sturmwind, daß im Nu die Wachfeuer der Masuren auseinandergerissen, umhergestreut und Tausende von brennenden Holzstücken, Splittern, Funken umhergewirbelt wurden, während dichte Rauchwolken die Luft erfüllten.

»Hei, wie das bläst!« sagte Zbyszko, seinen Mantel, den ihm die Windsbraut über den Kopf getrieben, herunterziehend. »Und mitten durch den Sturm klingt es wie Klagen und Stöhnen von Menschenstimmen,«

»Die Morgendämmerung bricht an, aber niemand weiß, was ihm der Tag bringen wird,« fügte de Lorche hinzu.

  1. Ein der Mandoline ähnliches, in der Ukraine und in Rußland bekanntes Saiteninstrument. Anmerk. d. Uebersetzerinnen.