Vater Bartosz aus Klobuzk hatte gerade eine Messe beendigt, der Probst von Kalisz sollte binnen kurzem die zweite beginnen, und der König trat vor das Zelt, um die von dem langen Knien etwas ermüdeten Glieder ein wenig zu strecken, als ein Edelmann, Hanko Ostojezyk, wie der Sturmwind auf schaumbedecktem Pferde dahergesprengt kam, und bevor er noch von dem Sattel herabsprang, laut hinaus schrie: »Die Deutschen! Allergnädigster Herr und König!«
Bei diesen Worten fuhren die Ritter empor, der Ausdruck auf dem Antlitz des Königs veränderte sich und nach einem kurzen Schweigen rief er: »Gelobt sei Jesus Christus! Wo sahst Du sie und wie viele Fähnlein sind es?«
»Ein Fähnlein sah ich bei Grünwald,« erwiderte Hanko schweratmend, »aber jenseits des Hügels erheben sich Staubwolken, wie wenn deren mehrere heranrückten.«
»Gelobt sei Jesus Christus!« sagte der König abermals.
Da wendete sich Witold, dem bei den ersten Worten Hankos das Blut jäh ins Gesicht gestiegen war und dessen Augen blitzten, zu dem Gefolge des Königs und rief:
»Verschiebt die zweite Messe auf spätere Zeit! Bringt mir ein Pferd!«
Der König aber legte die Hand auf Witolds Schulter und sagte: »Mache Du Dich auf, Bruder, ich hingegen bleibe und höre die zweite Messe mit an.«
Witold und Zindram aus Maszkowice eilten zu ihren Pferden, aber gerade in dem Augenblick, da sie sich dem Lager zuwendeten, sprengte ein zweiter Kundschafter, der Edelmann Piotr Oksza aus Wostow heran und schrie schon von ferne: »Die Deutschen! Die Deutschen! Ich habe zwei Fähnlein gesehen.«
»Zu Roß!« ließen sich Stimmen unter den Hofherren und Rittern vernehmen.
Noch hatte Piotr seine Botschaft nicht beendigt, als abermals Hufschlag erscholl und der dritte Kundschafter, dann ein vierter, fünfter und sechster heranraste. Sie alle hatten deutsche Heeresabteilungen gesehen, die in immer größerer und größerer Zahl heranrückten. Es herrschte kein Zweifel mehr darüber, daß die ganze Kriegsmacht des Ordens dem Heere des Königs in den Weg treten werde.
Die Ritter zerstreuten sich sofort, ein jeder eilte zu seinem Fähnlein. Vor dem Zelte in der Nähe des Königs blieben nur einige Hofherrn, Geistliche und Waffenträger. Aber in diesem Augenblick ertönte ein Glöckchen zum Zeichen, daß der Probst aus Kalisz die zweite Messe beginne, daher breitete Jagiello die Arme aus, faltete dann fromm die Hände und den Blick gen Himmel erhebend, ging er mit langsamen Schritten in das Zelt.
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Aber als er nach der Messe wieder heraustrat, konnte er sich schon mit eigenen Augen davon überzeugen, daß die Kundschafter die Wahrheit gesprochen hatten, denn unterhalb des sanft ansteigenden Geländes zeigten sich dunkle Schatten, wie wenn auf dem leeren Gefilde plötzlich ein Wald erwüchse, und über diesem Walde flatterten bunte, in allen Farben spielende Fahnen. Noch etwas weiter hin, jenseits von Grünwald und Tannenberg, erhoben sich ungeheure Staubwolken gen Himmel.
Ein Blick auf den Horizont genügte, um dem König die furchtbare Gefahr klar zu machen, er wendete sich zu dem hochwürdigen Unterkanzler Mikolaj und fragte: »Was für ein Heiligentag ist heute?«
»Der Tag der Aussendung der Apostel!« sagte der Unterkanzler.
Der König seufzte.
»Also wird der Tag der Aussendung der Apostel der letzte Tag für viele tausend Christen sein, welche heute auf diesem Felde zusammenstoßen werden.«
Und er zeigte mit der Hand auf das weite, leere Gefilde, in dessen Mitte, ungefähr in der Hälfte des Weges nach Tannenberg, einige uralte Eichen standen. Mittlerweile wurde sein Pferd vorgeführt und in der Ferne zeigten sich sechzig Lanzenträger, welche Zindram aus Maszkowice sandte, damit sie dem König als Leibwache dienten.
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Diese Wache wurde angeführt von Aleksander, dem jüngern Sohne des Fürsten von Plock, dem Bruder jenes Ziemowit, welcher wegen seiner besondern Begabung für die Kriegskunst schon dem Kriegsrate angehörte. Als zweiter Befehlshaber war ihm Zygmunt Korzbut aus Litauen, der Bruderssohn des Monarchen zugesellt, ein Jüngling, der zu großen Hoffnungen berechtigte, zu einer großen Zukunft bestimmt schien, aber einen unruhigen Geist hatte. Die berühmtesten unter den andern Rittern waren Jasko Mazik aus Dobrowa, ein wahrer Riese, an Gestalt fast dem Paszko aus Biskupice gleich und an Kraft selbst dem Zawisza Czarny nicht viel nachgebend, Zolawa, ein böhmischer Baron, von zartem, schlankem Körperbau, aber durch außerordentliche Gewandtheit und Tapferkeit ausgezeichnet, am böhmischen und ungarischen Hose bekannt wegen der Zweikämpfe, in denen er mehr als zehn österreichische Ritter niedergeworfen hatte, und Sokol, ein anderer Böhme, der beste Armbrustschütze, sowie Bieniasz Wierusz aus Großpolen, Piotr Medyolanski, der litauische Bojar Sienko aus Pohost, dessen Vater Piotr das Kriegsvolk aus Smolensk befehligte, dann Knäs Tieduszko, ein Blutsverwandter des Königs, Knäs Jamont und schließlich polnische Ritter, »auserwählt aus Tausenden«, welche alle geschworen hatten, bis auf den letzten Blutstropfen den König vor den Gefahren des Krieges zu schützen. Zu der unmittelbaren Umgebung des Königs gehörten der hochwürdige Unterkanzler Mikolaj und der Geheimschreiber Zbigniew aus Olesnica, der trotz seiner Jugend nicht nur äußerst gelehrt und in der Kunst des Lesens und des Schreibens sehr geübt war, sondern auch gleichzeitig gar viele seiner Altersgenossen an Kraft übertraf. Für die Ausrüstung des Königs sorgten drei
Die Hände und den Blick gen Himmel erhebend, ging der König mit langsamen Schritten in das Zelt.
Waffenträger. Czajka aus Nowy Dwôr, Mikolaj aus Morawice und der Russe Danielko, welcher die Armbrust und den Köcher des Königs trug. Etliche weitere Knappen, die auf leichtfüßigen Rossen die Befehle nach allen Richtungen zu tragen hatten, vervollständigten das Gefolge des Königs.
Nachdem die Waffenträger ihren Herrn mit einer glänzenden, schimmernden Rüstung gewappnet hatten, führten sie ihm einen ebenfalls »unter Tausenden auserwählten« kastanienbraunen, türkischen Renner zu, der – ein gutes Anzeichen – sofort unter seiner eisernen Stirnbinde zu schnauben begann und dann mit lautem Gewieher, gleich einem zum Fluge sich anschickenden Vogel, in die Luft stieg. Kaum fühlte der König das Roß unter sich, kaum hielt er den Speer in der Hand, so ging eine Verwandlung mit ihm vor. Die Schwermut wich aus seinem Antlitz, seine kleinen dunkeln Augen blitzten und seine Wangen röteten sich, allein diese Veränderung hielt nicht lange an, denn tief ernst schaute er schon wieder darein, als der hochwürdige Unterkanzler das Zeichen des Kreuzes über ihn machte, und demutsvoll beugte er sein silberbehelmtes Haupt.
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Inzwischen bewegte sich das Kriegsheer der Deutschen langsam die Anhöhe herab an Grünwald und Tannenberg vorbei, um in der Mitte der Ebene in voller Schlachtordnung Halt zu machen. Von unten, von dem polnischen Lager aus, konnte man genau die geradezu schreckenerregende Menge der gewaltigen, in Eisen gepanzerten Ritter und Pferde sehen, ja, wenn der Wind nicht gerade die Banner hin und her wehte, vermochte ein scharfes Auge die darauf prangenden Zeichen zu erkennen wie Kreuze, Adler, Greife, Schwerter, Helme, Widder, Bisons und Bärenköpfe.
Dadurch daß der alte Macko und Zbyszko schon mit den Kreuzrittern gekämpft hatten und deren Kriegsheer, deren Wappen kannten, waren sie nicht nur im stande, den ihnen befreundeten Rittern aus Sieradz die beiden Fähnlein des Großmeisters zu zeigen, sondern sie konnten diese auch auf das Hauptbanner des ganzen Ordens, welches von Friedrich von Wallenrod getragen ward, sowie auf das Banner des heiligen Georg mit einem roten Kreuze auf weißem Grunde und auf noch viele andere Banner des Ordens aufmerksam machen. Unbekannt aber waren den Rittern aus Bogdaniec die Abzeichen der verschiedenen fremden Gäste, die zu Tausenden aus allen Weltgegenden herbeigeströmt waren, wie aus Oesterreich, Bayern, Schwaben, aus der Schweiz, aus dem durch seine Ritterschaft berühmten Burgund, aus dem reichen Flandern, aus dem sonnigen Frankreich, dessen Ritter, wie Macko einst sagte, sich selbst dann noch ihrer Tapferkeit rühmen, wenn sie schon darniedergeworfen sind – und aus dem jenseits des Meeres gelegenen England, dem Geburtslande der sicheren Armbrustschützen, ja, sogar aus dem fernen Spanien, wo sich durch die fortgesetzten Kämpfe mit den Sarazenen Tapferkeit und Ehrgefühl noch mehr als in allen andern Landen entwickelt hatten. Das Blut floß rascher in den Adern jener wetterharten Edelleute aus Sieradz, Koniecpole, Krzesnia, Bogdaniec, Rogow und Brzozowa, in den Adern der Edelleute aus allen andern polnischen Gebieten bei dem Gedanken, daß sie nun bald mit den Deutschen, mit den fremdländischen Rittern in der Schlacht zusammenstoßen würden. Zu einem Kampfe auf Leben und Tod mußte es kommen, deshalb schauten die ältern Edelleute ernst und feierlich darein, während die jugendlichen Kämpen kaum ihre Ungeduld zu zügeln wußten, gleich jungen Jagdhunden, die, an der Leine gehalten, das Wild in der Ferne wittern. Etliche von ihnen faßten unwillkürlich jetzt schon den Speer, das Schwert, oder die Streitaxt fester in die Hand und zogen die Zügel ihrer Pferde so gewaltsam an, als ob sie mit ihnen zum Sprunge ausholen wollten, andere atmeten so schwer, als ob es ihnen zu enge in der Rüstung geworden sei. Beruhigend suchten die erfahreneren Krieger auf diese Heißsporne einzuwirken, indem sie ihnen stets wiederholten: »Ihr werdet auch an die Reihe kommen. Ein jeder von Euch wird seine Kraft bethätigen können, Gott gebe nur, daß Ihr der Aufgabe gewachsen bleibt.«
Die Kreuzritter indessen erschauten, von der Anhöhe auf die Ebene herabsehend, an dem Waldesrande nur einige wenige polnischen Abteilungen und glaubten daher nicht die ganze Heeresmacht der Polen, mit dem Könige an der Spitze, vor sich zu sehen. Wohl zeigten sich zwar links am See auch etliche Kriegshaufen, wohl blitzte es in den Büschen zuweilen wie von Lanzenspitzen auf, das heißt, wie von Wurfspießen, welche die Litauer zu führen pflegten, allein dies Geflimmer mochte ebensogut von einer beträchtlichen Streifwache der Polen herrühren. Erst durch eine Anzahl von Ueberläufern aus dem gefallenen Gilgenburg, welche vor den Großmeister gebracht wurden, erfuhr dieser, daß ihm die vereinten Streitkräfte der Polen und Litauer gegenüber standen.
Doch umsonst schilderten jene Mannen diese gewaltige Macht, der Großmeister legte ihren Worten keine Bedeutung bei, denn von Beginn des Krieges an wollte er nur das glauben, was für ihn günstig war, was einen sichern Sieg verhieß. Er schickte daher weder Streifwachen, noch Kundschafter aus, denn er bezweifelte keinen Augenblick, daß es zu einer entsetzlichen Schlacht kommen müsse, und daß diese Schlacht nur mit der gänzlichen Niederlage des Feindes endigen könne. Im Vertrauen auf eine Macht, wie sie nie zuvor von einem Großmeister ins Feld gestellt worden war, verachtete er seinen Gegner, und als ihm der Komtur aus Mewe, der auf eigene Hand Kundschaft eingezogen hatte, auseinandersetzte, Jagiellos Kriegsheer sei noch größer als das des Ordens, da antwortete er: »Was will denn dieses Kriegsvolk bedeuten? Möglicherweise werden die Polen etwas Widerstand leisten, den andern aber nützt ihre Ueberzahl nichts, wissen sie doch besser den Löffel als das Schwert zu handhaben.«
So ließ er den Vormarsch beschleunigen, und schon nach kurzer Zeit stand er zu seiner großen Freude dem Feinde gegenüber, schon nach kurzer Zeit erkannte er an dem königlichen Hauptbanner, dessen Rot auf dem dunkeln Hintergründe des Waldes deutlich sichtbar ward, daß er auf die Hauptmacht gestoßen war.
An einen Angriff konnten die Deutschen jedoch vorerst nicht denken, da die Polen längs des Waldessaumes standen, und die Kreuzritter, die gefährlichsten Gegner im offenen Felde, einen Kampf im Gehölz stets zu vermeiden suchten, weil sie sich ihm nicht gewachsen fühlten.
Der Großmeister hielt daher eine kurze Beratschlagung darüber ab, wie man den Feind aus seinen Stellungen verdrängen könne.
»Bei dem heiligen Georg!« rief der Großmeister, »wir haben eine gewaltige Strecke zurückgelegt, ohne Rast zu machen. Die Hitze ist drückend, und der Schweiß rinnt uns unter der Rüstung vom Körper herab. Sollen wir daher ruhig zuwarten, bis es dem Feinde gefällt, uns anzugreifen?«
Daraufhin ließ sich Graf Wende, ein erfahrener, kluger Mann, also vernehmen: »Fürwahr, stets hat man hier meine Worte verlacht, stets wurde ich von denen verspottet, welche, bei Gott, von diesem Schlachtfelds fliehen werden, auf dem ich den Tod finde (hier schaute er auf Werner von Tetlingen), trotzdem aber spreche ich das aus, was mir mein Gewissen, was mir meine Liebe zu dem Orden gebieten. Den Polen gebricht es wahrlich nicht an Mut, ihr König hofft jedoch noch immer, so ward mir berichtet, daß ein Bote mit Friedensvorschlägen bei ihm eintreffen werde.«
Werner von Tetlingen erteilte keine Antwort, sondern brach nur in ein verächtliches Lachen aus, der Großmeister dagegen, dem Wendes Worte sehr unliebsam waren, erwiderte unverweilt: »Ist es jetzt an der Zeit, von Frieden zu sprechen? Ich glaube, wir haben ganz andere Dinge zu beraten.«
»Für ein Gott gefälliges Werk ist es stets an der Zeit!« warf von Wende ein.
Nun wandte Heinrich, der grausame Komtur von Czluchow, welcher den Schwur geleistet hatte, solange zwei entblößte Schwerter vor sich hertragen zu lassen, bis er sie in das Blut der Polen getaucht habe, sein feistes, schweißtriefendes Antlitz dem Großmeister zu und rief in zornigem Tone: »Lieber den Tod als Schande! Selbst wenn ich allein stünde, würde ich mit diesen Schwertern das ganze Kriegsheer der Polen angreifen.«
Ulryk zog ein wenig die Brauen zusammen.
»Gegen den Gehorsam lehnst Du Dich auf!« warf er ein, um dann an die Komture die Worte zu richten: »Laßt Euern Rat darüber hören, wie wir den Feind aus seinen Stellungen längs des Waldessaumes vertreiben können.«
Der und jener gab nun seine Ansicht kund, bis man schließlich sich darüber einigte, Gersdorfs Plan auszuführen, der sowohl Beifall bei den Komturen wie bei den hervorragendsten Gästen fand. Demzufolge sollten zwei Herolde an den König abgeschickt werden mit der Botschaft, der Großmeister übersende ihm zwei Schwerter und fordere die Polen zum Kampfe auf Tod und Leben, dabei erkläre er sich aber bereit, wenn der Kampfplatz zu klein erscheine, mit seinem Kriegsheer etwas zurückzugehen, um dadurch mehr Raum zu schaffen.
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Der König stand gerade im Begriff, sich von dem Seeufer aus zu dem linken Flügel des polnischen Heeres zu begeben, weil er verschiedenen Kriegern den Rittergürtel verleihen wollte, als man ihm plötzlich das Nahen zweier Herolde meldete.
Jagiello schöpfte aufs neue Hoffnung. »Vielleicht machen sie uns doch noch annehmbare Friedensvorschläge!« meinte er.
»Gott gebe dies!« stimmten die geistlichen Herren bei.
Der König schickte unverweilt nach Witold. Inzwischen ritten die beiden Herolde langsam dem Lager zu.
In dem hellen Sonnenlichte konnte man sie schon aus der Ferne auf ihren mächtigen dampfenden Streitrossen so deutlich wahrnehmen, daß man auf dem Schilde des einen den schwarzen kaiserlichen Adler auf goldenem Felde, auf dem des andern – dem Herolde des Fürsten von Stettin – einen Greif auf weißem Felde erkennen konnte. Bei ihrer Ankunft stoben die Reihen auseinander, die Herolde aber, von ihren Rossen steigend, standen gleich darauf vor dem Könige, neigten ein wenig das Haupt als Zeichen ihrer Ehrerbietung und entledigten sich sofort ihrer Botschaft.
»Der Großmeister Ulryk,« begann der erste Herold, »fordert Deine Majestät, o Herr, und den Fürsten Witold zum blutigen Kampfe, und um die Euch augenscheinlich mangelnde Tapferkeit zu erwecken, sendet er Euch diese beiden entblößten Schwerter.«
Mit diesen Worten legte er zwei Schwerter zu den Füßen des Königs nieder, und kaum hatte Jasko Mazyk aus Dobrowa diesen Ausspruch verdolmetscht, so trat auch schon der zweite Herold vor und sprach also: »Der Großmeister Ulryk hat mir befohlen, Euch, o Herr, zu melden, daß er bereit ist, mit seinem Kriegsheere zurückzugehen, so Euch der Kampfplatz zu enge erscheinen sollte und damit Ihr nicht länger gezwungen seid, träge in den Wäldern zu verharren.«
Als Jasko auch diesen Ausspruch verdolmetschte, trat eine lautlose Stille ein. Die Ritter in dem Gefolge des Königs knirschten insgeheim mit den Zähnen vor Entrüstung über eine solche Verwegenheit, über eine solche Beschimpfung.
Mit einem Schlage war Jagiellos Hoffnung vernichtet. Eine Botschaft des Friedens, der Versöhnung hatte er erwartet, eine demütigende Herausforderung war ihm zu teil geworden.
Seine thränenfeuchten Augen gen Himmel richtend, antwortete er daher: »Wohl besitzen wir Schwerter im Ueberflusse, diese beiden nehme ich aber doch auf, da ich sie als ein Zeichen des kommenden Sieges betrachte, das mir Gott durch Euch übermittelt. Und der Kampfplatz wird durch Ihn bestimmt werden, durch Ihn, zu dem ich mich nun wende, bei dem ich Klage führe über die mir angethane Beschimpfung, über Eure Ueberhebung, über Euern Hochmut. Amen!«
Zwei große Thränen rannen langsam über die sonnverbrannten Wangen des Königs, während plötzlich Stimmen in seinem Gefolge laut wurden und man die Worte vernahm: »Die Deutschen ziehen sich zurück! Sie geben das Feld frei!«
Die Herolde entfernten sich und schon nach wenigen Augenblicken konnte man sie auf ihren gewaltigen Streitrossen die Anhöhe emporreiten sehen, wobei die seidenen, über den Rüstungen getragenen Wappenröcke in dem hellen Sonnenlichte glänzten und schimmerten.
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Nun rückte das polnische Kriegsheer vor und stellte sich in Schlachtordnung auf. Das Vordertreffen bildeten die gefürchtetsten Ritter, dann kam die Hauptmacht und au diese schlossen sich das Fußvolk und die Söldner an. In dem Räume zwischen den verschiedenen Abteilungen jagte Zindram, sprengte Witold hin und her, der, unbehelmt und in glänzender Rüstung einem Unheil verkündenden Sterne oder einer vom Winde hin und her getriebenen sengenden Flamme glich.
Tief Atem holend, setzten sich die Ritter fester in den Sattel.
Die Schlacht konnte jeden Augenblick beginnen.
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Aufmerksam beobachtete inzwischen der Großmeister das von dem Waldessaume vorrückende Kriegsheer des Königs.
Und während sein Auge auf dieser unermeßlichen Schar haftete, auf den Seitenflügeln, die sich gleich den Flügeln eines mächtigen Vogels ausbreiteten, auf den, von dem Winde hin und her gewehten vielfarbigen Bannern, da zog sich ihm das Herz unter einer ungewohnten, entsetzlichen Empfindung zusammen. Vielleicht sah er jetzt schon im Geiste Haufen von Leichnamen, Ströme von Blut. Wenn er auch keine Furcht vor Menschen kannte, beschlich ihn vielleicht doch jetzt die Furcht vor Gott im Himmel, in dessen Hand die Wagschale des Sieges ruhte.
Zum ersten Male kam es ihm in den Sinn, wie entsetzlich sich dieser Tag gestalten könne, und zum ersten Male fühlte er die Verantwortung, die er auf sich geladen hatte.
Totenblässe überzog sein Antlitz, seine Lippen bebten und Thräne auf Thräne rann ihm über die Wangen.
»Was bewegt Euch in solcher Weise, o Herr?« fragte Graf von Wende.
»Ist das eine Zeit, Thränen zu vergießen?« bemerkte Heinrich, der grausame Komtur von Czluchow.
Aber der Groß-Komtur, Kuno von Lichtenstein, zog die Lippen kraus und sagte: »Ich tadle Dich offen darob, o Meister, denn Du solltest jetzt die Herzen der Ritter zu stärken, nicht aber zu erweichen suchen. Wahrlich, noch nie zuvor habe ich Dich so gesehen.«
Umsonst suchte sich der Großmeister zu fassen. So reichlich flössen die Thränen über seinen schwarzen Bart, daß es den Anschein hatte, als ob ein anderer aus ihm weine.
Schließlich gewann er jedoch seine Selbstbeherrschung wieder, und seine strengen Augen auf die Komture richtend, erteilte er den Befehl: »Zu den Heeresabteilungen!«
Ein jeder beeilte sich, den befehlenden Worten nachzukommen, die mit großem Nachdruck gesprochen worden waren, während der Großmeister, sich zu den Waffenträgern wendend, sagte: »Gebt mir den Helm!«
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Gleich Hämmern schlugen die Herzen der Mannen in den beiden Kriegsheeren, und atemlos harrten alle der Trompetenstöße – das Zeichen zum Angriff.
Die Erwartung steigerte sich fast ins Unerträgliche. Auf dem Kampfplatze gegen Tannenberg .zu stand zwischen den Deutschen und den polnischen Scharen eine Gruppe uralter Eichbäume, auf die Bauern aus der Umgegend geklettert waren, um die Schlacht zwischen zwei so gewaltigen Kriegsheeren mit anzuschauen, wie sie die Welt seit undenklichen Zeiten nicht mehr gesehen hatte. Doch abgesehen von dieser Baumgruppe glich das weite Gefilde ringsumher einer leblosen Steppe, einen so öden, grauen- und geisterhaften Eindruck machte es. Nichts regte sich weit und breit, nur von Zeit zu Zeit fuhr ein leichter Windhauch über den Kampfplatz, auf dem der Tod schweigend lauerte. Aber immer und immer wandten sich die Blicke der Ritter auf diese unglückverheißende, weite Fläche. Zuweilen zogen dichte Wolken, die Sonne verhüllend, am Himmel dahin, von dem es sich dann wie Schatten des Todes herabsenkte.
Mit einem Male erhob sich ein Wirbelwind. Sausend fuhr er durch die Wälder, tausende von Blättern von den Bäumen streifend, brausend fuhr er über die Gefilde, dürre Kornhalme mit sich führend und Staubwolken in die Höhe, in die Augen der Kreuzritter treibend. In diesem Augenblicke erzitterte die Luft von dem schrillen Klange der Hörner, der Trompeten und der Pfeifen, und der eine, von den Litauern gebildete Flügel schickte sich zum Vorgehen an, gleich einer unermeßlichen Schar von Vögeln, die sich zum Fluge bereit machen. Ihrer Gewohnheit gemäß stürmten die Reiter im Galoppe vor. Mit langgestreckten Hälsen und gesenkten Ohren, mit Aufbietung ihrer ganzen Kraft rasten die Pferde vorwärts und führten die Litauer, welche ihre Schwerter, ihre Speere in der Luft schwangen und wilde Schlachtrufe ausstießen, gegen den linken Flügel der Kreuzritter.
Bei diesem befand sich gerade der Großmeister. Seine Erregung hatte sich gelegt, seine Thränen waren versiegt, feurig blitzten seine Augen. Als er die heranstürmenden Litauer gewahrte, wandte er sich zu Friedrich Wallenrod, welcher den linken Flügel der Kreuzritter befehligte und sagte: »Witold hat zuerst angegriffen. Geht nun auch Ihr vor im Namen Gottes.«
Und mit einer einzigen Bewegung seiner Rechten sandte er vierzig Fähnlein eisengepanzerter Ritter ins Treffen.
»Gott mit uns!« rief Wallenrod laut aus.
Die Lanzen senkend, rückten die Abteilungen anfänglich langsam vor, dann aber, einem Felsblock vergleichbar, der von einem Berge mit stets wachsender Schnelle herabstürzt, gingen sie vom Schritt zum Trabe, zum Galoppe über und rasten dann mit der unwiderstehlichen Gewalt einer Lawine, die alles mit sich fortreißt und zermalmt, gegen den Feind.
Die Erde bebte und dröhnte unter ihnen.
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Jeden Augenblick mußte nun der Kampf entbrennen und flammend um sich greifen. Das polnische Kriegsvolk stimmte daher den alten Kriegsgesang des heiligen Wojciech an. Gegen hunderttausend eisengepanzerte Krieger richteten die Augen gen Himmel, aus hunderttausend Kehlen ertönte, wie eine gewaltige Stimme, der brausende Gesang:
»Mutter Gottes, heilige Jungfrau,
Gottbegnadete Maria,
Befiehl uns Deinem Sohn!
O Du auserkorene, einzige Mutter,
Erflehe für uns Vergebung der Sünden!
Kyrie eleison!«
Und die Singenden selbst wurden tief ergriffen und sahen wie neugestärkt dem Tode entgegen. Und eine unermeßliche, sieghafte Kraft lag in den Stimmen, in diesem Gesange, eine Kraft, vor der selbst das finstere Gewölke am Firmamente auseinanderstieben mußte. Die Speere zitterten in den Händen der Ritter, die Banner und die Fähnlein zitterten, die Luft erzitterte, die Zweige an den Bäumen zitterten, und das in dem Fichtengehölze erweckte Echo antwortete aus der Tiefe des Waldes, gerade als ob es den Seen, dem Gefilde und all den Landen rings umher zurufen wollte:
»Erflehe für uns Vergebung der Sünden!
Kyrie eleison!«
Von neuem aber ertönte der Gesang:
»In der heiligen Zeit Deines Sohnes, des Gekreuzigten,
Erhöre die Stimme, fülle die Gedanken der Menschen.
Erhöre das Gebet, mit dem wir zu Dir flehen.
Auf daß er uns gebe, um was wir ihn bitten:
Hienieden auf Erden ein heilig Verweilen
Und nach dem Tode das Paradies!
Kyrie eleison!«
Und das Echo antwortete: » Kyrie eleisooon!« Inzwischen war auf dem rechten Flügel ein heftiger Kampf entbrannt, der sich mehr und mehr ausbreitete.
Der Lärm des Kriegsgetümmels, das Schnauben der Rosse, die wilden Rufe der Mannen vermischten sich mit dem Gesange. Zuweilen aber, wenn die Rufe verstummten, gerade als ob die Kämpfenden frischen Atem schöpfen wollten, dann ward abermals der brausende Gesang deutlich vernehmbar:
»Adam, du Gottesknecht
Du sitzest bei Gott im hohen Rate!
Bring uns, deine Kinder, dahin,
Wo heilige Engel herrschen.
Dort ist Freude!
Dort ist Liebe!
Dort ist der himmlische Anblick des Schöpfers auf ewig!
Kyrie eleison!«
Und wiederum antwortete das Echo: » Kyrie eleison!« aus dem Gehölze hervor. Immer wildere Schreie ertönten auf dem rechten Flügel, allein niemand konnte sich darüber vergewissern, was eigentlich vorging, denn in diesem Augenblicke schickte der Großmeister Ulryk, der von der Anhöhe aus das Schlachtfeld überschaute, zwanzig Abteilungen unter Lichtenstein gegen die Polen.
Nun aber jagte Zindram aus Maszkowice gleich einem Sturmwinde an die Spitze der Vorhut, bei der die hervorragendsten Ritter standen, und mit dem Schwerte auf die in einer Staubwolke heransprengenden Deutschen zeigend, schrie er mit solcher Donnerstimme, daß sich die Pferde in den vorderen Reihen aufbäumten: »Auf den Feind! Schlagt zu!«
Unverweilt warfen sich nun die Ritter, tief auf ihre Pferde gebeugt und mit vorgestreckter Lanze den Deutschen entgegen.
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Die Vorhut der Litauer hielt jedoch dem entsetzlichen Ansturme nicht stand. Scharenweise wurden die bestbewaffneten und mächtigsten Bojaren, welche die ersten Reihen bildeten, niedergemacht, umsonst stürmten die folgenden Reihen wutentbrannt mitten in den Feind – trotz Tapferkeit, trotz Ausdauer, trotz übermenschlicher Anstrengung aller Kräfte entgingen auch sie nicht dem Verderben, erlitten auch sie die entsetzlichsten Verluste. Und wie konnte dies auch anders sein! Auf der einen Seite stand eine eisengepanzerte Ritterschaft aus eisengepanzerten Pferden, auf der andern Seite kämpften Mannen, die zwar hochgewachsen und kräftig waren, aber kleine Pferdchen ritten und statt der Rüstungen Felle trugen. Umsonst versuchten die halsstarrigen Litauer, die Deutschen ins Herz zu treffen. Ihre Wurfspieße, ihre Schwerter, ihre Lanzen, ihre wuchtigen Streitkolben, alles prallte an den Harnischen wie an einem Felsen, wie an dem Walle einer Burg ab. Von den wuchtigen deutschen Kriegern auf ihren wuchtigen Rossen wurde Witolds unglückliche Schar geradezu zermalmt. Wer den Schwertern, den Streitäxten entging, fand unter den Hufen der Pferde den Tod. Umsonst schickte Knäs Witold immer wieder neue Abteilungen vor – er schickte sie in den sichern Tod, denn nichts half, weder Ausdauer noch Todesverachtung, weder grenzenlose Wut noch stromweise vergossenes Blut. Die Tataren flohen zuerst. Ihrem Beispiele folgten die Bessarabier und die Wallachen. Binnen kurzem war der Wall der Litauer durchbrochen und wilde Furcht ergriff die Krieger. Ein großer Teil des litauischen Kriegsvolkes flüchtete sich gegen den Lubiec-See zu, verfolgt von den Deutschen, die eine solch entsetzliche Ernte hielten, daß das ganze Ufer von Leichnamen bedeckt ward.
Inzwischen zog sich der kleinere Teil des Witoldschen Kriegsvolkes, also auch drei Abteilungen aus Smolensk, zu dem Flügel der Polen zurück, den anfänglich nicht weniger als sechs Fähnlein und später auch noch die von der Verfolgung zurückgekehrten Deutschen bedrängten. Die gut bewaffneten Mannen aus Smolensk vermochten indessen wirksameren Widerstand zu leisten. Der Kampf wurde hier mehr und mehr zu einem Gemetzel. Jeder Schritt, jede Spanne Erde mußte mit Strömen von Blut erkauft werden. Die eine der Abteilungen aus Smolensk wurde geradezu in Stücke zerhauen, während sich die beiden andern immer noch mit rasender Verzweiflung zur Wehr setzten. Doch es war umsonst, nichts konnte den siegreichen Deutschen widerstehen. Einzelne ihrer Abteilungen kämpften mit wahrer Wut. Einzelne ihrer Ritter stürzten sich, das Schwert oder die Streitaxt schwingend und die Pferde mit den Sporen in einer Weise antreibend, daß sich die Tiere hoch aufbäumten, blindlings in die dichte Menge der Feinde. Mit geradezu übermenschlicher Kraft hieben diese Ritter um sich. Ihnen nach drängten sich aber, gleich einer unaufhaltsamen Woge, die ganze Schar, und rückte allmählich, die Krieger aus Smolensk mitsamt ihren Pferden niederreitend und zerstampfend, gegen das Vordertreffen und die Hauptmacht der Polen, welche schon über eine Stunde mit den von Kuno von Lichtenstein angeführten Deutschen kämpften.
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Kuno hatte hier nicht so leichtes Spiel. Er stand einem Gegner gegenüber, der an Güte der Waffen, an Kraft der Pferde und an Gewandtheit in der Kriegskunst den Deutschen gleichkam. Die Deutschen wurden durch die Speere der Polen nicht nur aufgehalten, sondern sogar zurückgetrieben, denn drei der gewaltigsten Abteilungen gingen gegen sie vor: die Kriegsschar aus Krakau, die leichtbewaffnete Reiterei unter Jedrek aus Brochocice und die Leibwache unter der Führung Powalas aus Taczew. Doch am entsetzlichsten entbrannte die Schlacht erst dann, als nach dem Zersplittern der Speere die Krieger zu den Schwertern und zu den Streitäxten griffen. Schilde prallten auf Schilde, wild rangen die einzelnen mit einander, die Pferde stürzten, die Banner wurden zu Boden gerissen. Unter den Schlägen der Keulen und der Streitäxte barsten die Helme, die Schulterstücke und die Panzer, Waffen und Rüstungen trieften von Blut, die Mannen stürzten aus den Sätteln wie Fichten, deren Stämme durchsägt sind.
Funken sprühten aus dem erhitzten Eisen, Lanzensplitter, Fahnenfetzen, Strauß- und Pfauenfedern flogen in die Luft, die Hufe der Pferde glitten aus auf den auf der Erde liegenden blutüberströmten Rüstungen und auf den toten Pferden. Von den Hufen der Pferde wurde ein jeder zermalmt, der verwundet niederstürzte.
Von den hervorragendsten polnischen Rittern war noch keiner gefallen. Mitten in das dichteste Getümmel, mitten in das tobendste Kampfgewühl stürmten sie vor, den Namen ihrer Schutzheiligen oder den Schlachtruf ihrer Geschlechter ausrufend. Und gleich dem lodernden Feuer, das auf einer öden Steppe Gräser und Büsche verzehrt, machten sie alles vor sich her nieder. Zuerst stürzte sich Lis aus Targowisko auf Ganrat, den Komtur aus Osterode, der, seinen Schild einbüßend, sich den weißen Mantel um den Arm schlang, um sich damit gegen die Streiche zu schützen. Doch Lis durchhieb den Mantel, die Armschiene und das Schulterstück des Deutschen mit wuchtigen Schlägen und stieß dann sein Schwert mit solcher Kraft in den Leib des Feindes, daß die Spitze knirschend den Rückenwirbelknochen traf. Angstvoll schrien die Mannen aus Osterode auf, als sie ihren Führer sinken sahen; aber Lis stürzte sich nun auf sie, wie sich ein Adler auf Kraniche stürzt, und als Staszko aus Charbimowice und Domarat aus Kobylan ihm auch noch zu Hülfe eilten, da wüteten diese drei so entsetzlich, wie Wölfe unter einer Lämmerherde.
Mitten in dem wirren Schlachtengetümmel erschlug auch Paszko Zlodziej aus Biskupice den Ordensbruder Kunz Melsbach. Umsonst hatte Kunz, der von tödlichem Schrecken erfaßt worden war, als plötzlich der riesenhafte Reiter, vor ihm Halt machend, die mit Blut bedeckte und mit Haaren beklebte Streitaxt schwang, sich ergeben wollen, Paszko konnte ihn in dem Getöse nicht hören und, sich in seinem Sattel aufrichtend, spaltete er das eisenbehelmte Haupt des Ordensbruders so rasch, als ob er einen Apfel zerteilt hätte. Gleich darauf tötete er Loch aus Mecklenburg und Klingenstein, sowie den, einem mächtigen Grafengeschlechte entstammenden Schwaben Helmsdorf, den in der Nähe von Mainz ansässigen Limpach und Nachterwitz aus Mainz, so daß schließlich die Deutschen rechts und links vor ihm in hellem Schrecken zurückwichen. Allein seinen wuchtigen Hieben entzogen sie sich doch nicht. Wie auf eine wankende Mauer schlug er auf sie ein, jeden Augenblick hob er sich im Sattel, um zum Schlage auszuholen, jeden Augenblick blinkte seine Streitaxt in der Luft und jeden Augenblick verschwand das behelmte Haupt eines Deutschen zwischen den Pferden.
Mit fast übermenschlicher Kraft kämpfte auch der gewaltige Jederzej aus Brochocice, und als sein Schwert an dem Helme eines Ritters zerschellte, der einen Eulenkopf auf seinem Schilde trug und dessen Visier die Form eines Eulenkopfes hatte, erfaßte er ihn an den Armen, preßte ihn wie mit eisernen Klammern zusammen, entriß ihm die Waffe und versetzte ihm mit dieser den Todesstoß. Dann wandte er sich gegen den blutjungen Ritter Dynheim, den zu töten er sich jedoch nicht entschließen konnte, da dieser unbehelmt war und mit den Augen eines Kindes zu ihm aufschaute. So nahm er ihn denn nur gefangen und übergab ihn seinem Knappen Andrzej, ohne zu ahnen, daß er in dem Gefangenen seinen zukünftigen Eidam gewonnen hatte, da Dynheim sich späterhin mit seiner Tochter vermählte und für immer in Polen blieb. Nun stürmten die Deutschen, auf die Befreiung des, einem reichen, am Rheine ansässigen Grafengeschlechte entstammenden jungen Dynheim bedacht, mit neuer Wut vor, allein die vor dem Banner kämpfenden Ritter Sumik aus Nadbroze und zwei Brüder aus Plomykow, sowie Dobek Okwia und Zych Pikna warfen sich auf sie gleich Löwen, die sich auf einen Auerochsen werfen, und drängten sie, Vernichtung und Tod um sich her verbreitend, gegen das Banner des heiligen Georg.
Mit den ritterlichen Gästen des Ordens kämpfte das Fähnlein der königlichen Leibwache, welches Ciolek aus Zelichow befehligte. Nun konnte auch Powala aus Taczew seine übermenschliche Kraft bethätigen. Mann und Roß warf er nieder, die Helme zerspaltete er mit einem Hiebe, mit einer ganzen Schar nahm er den Kampf auf, in die Bresche, die er schlug, folgten ihm Lesyko aus Goraj, ein Powala aus Wyhucz, Mcislaw aus Skrzynew und die Böhmen Sokol und Zbislawek. Lange währte der Kampf, denn drei deutsche Fähnlein stritten gegen das eine polnische, dem jedoch schließlich Jasko aus Tarnow mit der siebenundzwanzigsten Abteilung zu Hülfe kam. Jetzt waren sich die Streitkräfte gleicher und die Deutschen wurden einen halben Bogenschuß weit aus der Stellung zurückgetrieben, die sie bei Beginn des Kampfes inne gehabt hatten.
Doch noch weiter mußten sie vor der gewaltigen Krakauer Abteilung zurückweichen, die Zindram anführte und an deren Spitze unter den vor dem Banner kämpfenden Rittern der gefürchtetste aller Polen, Zawisza Czarny stritt. Ihm zur Seite hielten sich sein Bruder Farurej, sowie Florian Jelitczyk aus Korytnica, Skarbek aus Gora, der berühmte Lis aus Targowisko, Paszko Zlodziej, Jan Nalcey und Stach aus Charbimowice. Unter den wuchtigen Streichen Zawiszas stürzten die tapfersten Kämpen nieder, gerade als ob sich der Tod in dessen schwarzer Rüstung verberge und die Sichel führe. Mit gerunzelten Brauen, mit eingezogenen Nasenflügeln, kämpfte er so ruhig und bedachtsam, wie wenn er eine gewöhnliche Arbeit zu erfüllen habe. Zuweilen hob er seinen Schild ein wenig, um einen Hieb abzuwehren, sobald er aber sein Schwert schwang, ertönte der entsetzliche Schrei eines zu Tode Getroffenen. Ihn jedoch hielt nichts zurück, vorwärts und vorwärts drang er, einer schwarzen Wolke gleichend, aus der jeden Augenblick ein greller Blitzstrahl bricht.
Auch die Fähnlein aus Poznan, die unter dem Zeichen des Adlers ohne Krone kämpften, fochten auf Tod und Leben, während die erzbischöflichen Abteilungen und die drei masovischen Abteilungen um die Wette mit ihnen vorrückten. Ja, jedes einzelne der zahllosen Fähnlein suchte das andere an Mut, an Tapferkeit zu übertreffen. Unter der Schar aus Sieradz kämpfte Zbyszko aus Bogdaniec mit der Wut eines wilden Ebers, und neben ihm stritt der alte Macko mit der schlauen Bedächtigkeit eines Wolfes, der nur dann zubeißt, wenn er sicher ist, daß der Biß ein tödlicher sein wird.
Macko schaute unaufhörlich nach Kuno von Lichtenstein aus, doch da er ihn in dem dichten Gewühle nicht zu finden vermochte, warf er sich immer wieder auf einen andern Ritter, der sich durch seine glänzende Rüstung auszeichnete und der ihm auch stets zum Opfer fiel. Ganz in der Nähe der beiden Ritter aus Bogdaniec focht der gar grimmige Cztan aus Rogow. Gleich beim ersten Zusammenstoß war ihm der Helm vollständig zerschmettert worden, so kämpfte er jetzt barhäuptig, die Deutschen mit seinem blutbespritzten bärtigen Antlitz, durch das er weit eher einem Unholde aus dem Walde als einem Menschen ähnelte, in Schrecken setzend.
Schon waren hunderte, ja tausende von Rittern auf beiden Seiten gefallen, schon schien es, daß der Wall der Deutschen unter den wuchtigen Schlägen der Polen zu wanken beginne, da trat ein Ereignis ein, das mit einem Schlage der Schlacht eine andere Wendung hätte geben können.
Vom Kampfe entflammt und siegestrunken von der Verfolgung der Litauer abstehend, stießen die deutschen Fähnlein plötzlich auf eine Flanke der Polen. In dem Glauben, das Kriegsheer des Königs sei vollständig geschlagen und die Schlacht gewonnen, waren sie in ungeordneten Haufen, schreiend und singend zurückgekehrt und sahen nun mit einem Male ein wildes Gemetzel vor sich, sahen mit einem Male die Polen siegreich gegen die deutschen Scharen vordringen.
Die Köpfe senkend, um besser durch das Visier sehen zu können, blickten die Kreuzritter staunend auf diesen blutigen Kampf, um dann, ohne sich zuvor zu ordnen, ihren Pferden die Sporen zu geben und in das Schlachtgewühl zu sprengen. Und eine Schar folgte dem Beispiele der andern, sodaß binnen kurzem sich tausende auf die polnischen, vom Kampfe ermüdeten Abteilungen geworfen hatten. Mit lautem Freudengeschrei über die gewordene Hilfe wandten sich nun die Deutschen mit frischem Mute gegen die Polen.
Ein verzweifelter Kampf entspann sich auf der ganzen Linie. In Strömen floß das Blut über die Erde. Dunkle, schwere Wolken zogen am Himmel dahin und dumpf grollte der Donner, gerade als ob Gott selbst an dem Kampfe teilnehme.
Mehr und mehr neigte sich der Sieg den Deutschen zu, schon gerieten die polnischen Scharen ins Wanken und laut stimmte das Kriegsheer der Kreuzritter den Triumphgesang an:
»Christ ist erstanden!«
Da geschah etwas Unerhörtes. Einer der niedergeworfenen Kreuzritter schlitzte mit dem Dolche den Bauch des Pferdes auf, das von Marcin aus Wrocimowice geritten ward. Dieser aber trug das krakauische Hauptbanner mit dem gekrönten Adler, also das Banner, welches für das ganze königliche Kriegsvolk ein Heiligtum war, und nun stürzten plötzlich Roß und Reiter und mit ihnen sank auch die Standarte zu Boden.
In einem Augenblicke streckten sich hunderte von eisengepanzerten Armen aus, um das Banner zu ergreifen, während die Deutschen ein Freudengebrüll ausstießen. Es dünkte sie, der Sieg sei nahe, sie glaubten, Furcht und Schrecken würden sich der Polen bemächtigen und deren Niederlage eine so vollständige werden, daß es sich für sie nur noch um die Verfolgung, um die Niedermetzlung der Flüchtlinge handle
Aber eine schwere, furchtbare Enttäuschung wartete ihrer.
Wohl schrie das ganze polnische Kriegsheer wie ein Mann verzweifelt auf, als das Banner sank, doch aus diesem Schrei, aus dieser Verzweiflung klang keine Furcht, nein, nur Wut, nur Raserei. Es war, als ob lodernde Flammen in die Rüstungen schlügen. Gleich wilden Löwen stürzten die hervorragendsten Kämpen beider Kriegsheere auf die gleiche Stelle zu, und der erbittertste Kampf entspann sich um das gesunkene Banner. Reiter und Pferde bildeten eine einzige unförmige Masse, aus welcher sich unzählige Arme erhoben. Schwerter blinkten, Streitäxte sausten in der Luft, Stahl schlug auf Eisen auf, wildes Gekrache ertönte. Stöhnen und die lauten Schreie der Mannen erschollen, welche auf Tod und Leben miteinander rangen. Und all diese Laute vermischten sich zu einem solchen grauenerregenden Getöse, daß man hätte annehmen können, die Verdammten seien plötzlich der Hölle entstiegen. Staubwolken wirbelten auf, und aus ihnen rasten, blind vor Schrecken, reiterlose blutüberströmte Pferde mit wildflatternden Mähnen hervor.
Doch all dies währte nur kurze Zeit. Nicht ein Deutscher rettete sich aus diesem entsetzlichen Getümmel – schon nach wenigen Minuten wehte aufs neue das befreite Banner über die polnischen Scharen. Und es wehte im Winde und es blähte sich auf und es breitete sich in seinem Glanze aus wie eine Riesenblume, wie ein Hoffnungszeichen, wie das Zeichen des göttlichen Grimmes gegen die Kreuzritter, wie das Siegeszeichen für die polnischen Ritter.
Alles Kriegsvolk grüßte das Banner mit einem Triumphgeschrei und stürzte sich mit solcher Unbesonnenheit auf die Deutschen, als ob jedes Fähnlein sich an Zahl verdoppelt, als ob jeder Krieger neue Kraft gewonnen hätte.
Mitleidlos, atemlos gingen die polnischen Scharen vor, kaum gönnte sich ein Krieger soviel Zeit, um Atem zu schöpfen. Auf allen Seiten wurden die Feinde bedrängt, unaufhörlich sausten die Schwerter, die Streitäxte und die Keulen auf sie nieder, bis sie aufs neue zu wanken begannen, bis sie sich zurückzogen. Da und dort ertönte der Ruf um Gnade, da und dort wurde inmitten des Getümmels das vor Furcht und Schrecken totenbleiche Antlitz eines fremdländischen Ritters sichtbar, der sich blindlings seinem wild dahinstürmenden, geängstigten Renner überließ. Weit und breit war das Schlachtfeld von den weißen Mänteln bedeckt, welche die Kreuzritter über ihren Rüstungen trugen.
Bange Sorge erfaßte das Herz von deren Führern, die sofort begriffen, daß ihr alleiniges Heil in den Händen des Großmeisters lag, der mit sechzehn Fähnlein im Hintertreffen stand.
Von der Anhöhe aus überblickte Ulryk den Kampfplatz, und auch ihm ward es klar, daß der Augenblick gekommen sei, in dem er eingreifen müsse. Auf sein Gebot hin setzten sich denn auch seine eisengepanzerten Scharen in Bewegung, gleich schweren, vom Sturme vorwärts getriebenen Wolken, aus denen ein Hagelschauer niederzuprasseln und alles um sich her zu zerstören droht.
– – – – – –
Doch wie der Blitz erschien nun vor der dritten Schlachtlinie der Polen, die sich bis jetzt noch nicht am Kampfe beteiligt hatte, auf seinem wilden Renner Zindram aus Maszkowice. Auch er hatte sorgsam den Verlauf der Schlacht verfolgt, auch er hatte alles genau im Auge behalten. Hier, in der dritten Schlachtlinie befanden sich außer dem polnischen Fußvolke etliche Haufen böhmischen Fußvolkes. Eine dieser Scharen hatte sich vor Beginn der Schlacht unzuverlässig gezeigt, war aber schließlich, noch rechtzeitig Reue fühlend, auf der Walstatt geblieben und brannte nun vor Verlangen darnach, die vorübergehende Schwäche durch besondere Tapferkeit wieder gutzumachen. Die Hauptmacht hier bestand jedoch aus polnischen Abteilungen, zu denen freilich eine aus armen, schlecht ausgerüsteten Edelleuten gebildete Reiterschar gehörte, und Fußvolk, das sich teils aus Städtern, größtenteils aber aus Freibauern zusammensetzte, die mit Wurfspießen, schweren Lanzen und mit aufrecht gesteckten Sensen bewaffnet waren.
»Macht Euch bereit, haltet Euch bereit!« schrie Zindram aus Maszkowice mit Donnerstimme, während er durch die Reihen jagte.
»Haltet Euch bereit!« wiederholten die ihm unterstehenden Befehlshaber.
Und die Mannen, erkennend, daß nun ihre Zeit gekommen war, stemmten die Stiele der Wurfspieße, der Lanzen und der Sensen zur Erde, machten das Zeichen des Kreuzes und spieen so einmütig und wie auf einen Schlag in ihre großen, wetterharten Hände, daß dies unheilverkündende Zeichen weithin gehört ward. Gleich darauf griff jeder einzelne wieder nach seiner Waffe und holte tief Atem. In diesem Augenblicke sprengte ein Knappe mit einer Botschaft des Königs auf Zindram zu und flüsterte diesem mit keuchender Stimme einige Worte ins Ohr. Doch Zindram, sich zudem Fußvolke wendend und sein Schwert schwingend, schrie: »Vorwärts!«
»Vorwärts!« wiederholten die ihm unterstehenden Befehlshaber.
»Auf den Feind! Auf die Weißmäntel! Auf sie!«
Die Scharen setzten sich in Bewegung. Um aber Schritt zu halten, um aber ja in gerader Reihe vorzugehen, sangen alle gleichzeitig:
»O Ma–ri–a sei ge–grüßt,
Die du voll der Gna–de bist;
Gott der Herr ist selbst mit dir!«
Die Söldner, das aus Städtern gebildete Fußvolk, die Freibauern aus Klein- und Großpolen, die Schlesier, welche vor Ausbruch des Krieges Zuflucht in dem Königreiche gesucht hatten, und die vor den Kreuzrittern aus dem Gebiete von Elk geflohenen Masuren rückten nun gleich einer Sturmflut vor. Weithin blitzte und schimmerte es von den Spitzen der Lanzen und der Speere.
Schließlich langten sie an Ort und Stelle an.
»Schlagt zu!« schrien die Führer.
»Ach!« Ein jeder der Mannen ächzte, wie ein starker Holzhauer ächzt, der mit der Axt zum ersten Schlage ausholt, und ein jeder kämpfte mit Aufbietung all seiner Kraft und so lange der Atem in seiner Brust ausreichte.
Wilde Rufe, wilde Schreie drangen gen Himmel.
– – – – – –
Der König, der, auf einem kleinen Hügel stehend, die Schlacht beobachtete, sandte nach allen Richtungen hin Botschafter aus und seine Stimme klang allmählich heiser, so viele Befehle erteilte er. Als er indessen schließlich bemerkte, daß alle Abteilungen im Treffen standen, da zeigte er Lust, sich selbst am Kampfe zu beteiligen.
Etliche seiner Leibwache suchten dies zu vereiteln, sorgten sie sich doch um die geheiligte Person des Herrschers. Powala faßte die Zügel des Renners, die er auch dann nicht freigab, als ihm der König mit der Lanze auf das Haupt schlug, andere verlegten Jagiello den Weg, indem sie ihn flehentlich baten, von seinem Vorhaben abzustehen, indem sie ihn zu überzeugen suchten, daß sein persönliches Eingreifen in die Schlacht in keiner Weise eine Aenderung herbeiführen könne.
Da plötzlich drohte dem König, drohte dessen ganzem Gefolge tödliches Verderben.
Dem Beispiele der von der Verfolgung der Litauer zurückkehrenden Abteilungen nachahmend und gleichzeitig von dem Wunsche beseelt, einen Flügel des polnischen Kriegsvolkes anzugreifen, ließ plötzlich der Großmeister seine Abteilungen in einem Halbkreise vorrücken. Diese auserwählte, aus sechzehn Fähnlein bestehende Schar aber zog ganz nahe an dem kleinen Hügel vorüber, auf dem sich der König Wladislaw Jagiello befand.
Wohl ward man sich der Gefahr bewußt, allein man konnte ihr nicht mehr entweichen. Das königliche Banner wurde indessen sofort eingezogen und gleichzeitig sprengte der königliche Geheimschreiber Zbigniew aus Olesnica, so rasch ihn sein Pferd zu tragen vermochte, zu einer in der Nähe stehenden Abteilung, die sich auf Befehl ihres Führers, des Ritters Mikolaj Kielbasa, für den kommenden Angriff bereit machte.
»Der König ist in Gefahr! Auf zu seiner Rettung!« schrie Zbigniew.
Da riß Kielbasa, der seinen Helm verloren hatte, eine von Blut und Schweiß durchtränkte Mütze vom Haupte, hielt sie dem Daherjagenden entgegen und rief wutentbrannt: »Urteile selbst, ob wir unthätig gewesen sind! Narr! Siehst Du denn nicht, daß jene finstere Wolke sich auf uns niedersenkt, daß sie aber den König gefährden würde, wenn wir unsere Stellung verließen. Hebe Dich hinweg, sonst müßte ich Dir das Schwert in die Brust stoßen.«
Und ohne es sich klar zu machen, mit wem er sprach, hätte er sich tatsächlich auf Zbigniew gestürzt, wenn dieser nicht, teils aus Rücksicht für den alten Krieger, teils weil er dessen Ansicht beipflichten mußte, zurückgejagt wäre, um dem König das Gehörte zu übermitteln.
In geschlossener Reihe stürzten nun alle die vor, denen es oblag, den König zu schützen, um die eigene Brust dem Feinde zu bieten. Jetzt aber half nichts mehr – Jagiello ließ sich nicht länger zurückhalten, in der ersten Reihe nahm er seinen Platz ein. Gleich darauf kamen die deutschen Abteilungen so dicht heran, daß die Wappen auf ihren Schilden deutlich unterschieden werden konnten. Das Herz von gar manchem der tapfersten Kämpen erbebte beim Anblick dieser Scharen, denn die Blüte, die Auslese der Ritterschaft befand sich darunter.
In glänzenden Rüstungen, auf gewaltigen, den Auerochsen gleichkommenden Rossen, in ungeschwächter Kraft, da sie bisher noch nicht am Kampfe teilgenommen hatten, stürmten sie, einem Orkane gleich, stampfend, tosend, mit fliegenden Bannern und Fähnchen vorwärts und an ihrer Spitze flog der Großmeister daher im weiten, weißen Mantel, der vom Winde aufgebläht, den ungeheuern Flügeln eines Adlers glich.
Der Großmeister raste an dem Könige und an dessen Gefolge vorüber, dem Haupttreffen zu, denn was wollte ihm diese kleine Schar abseits stehender Ritter bedeuten? Er ahnte ja nicht, daß sich der König darunter befand, er erkannte Jagiello nicht. Aber mitten aus einem der deutschen Fähnlein sprengte plötzlich ein riesenhafter Kämpe hervor, und sei es, daß er Jagiello erkannte, sei es, daß ihn die silberne Rüstung des Königs anlockte oder daß er seine Tapferkeit beweisen wollte, genug, er legte, das Haupt vorbeugend, den Speer an und stürzte auf Jagiello zu.
Da gab der König, ehe er daran verhindert werden konnte, seinem Pferde die Sporen und warf sich gegen den Deutschen. Zweifellos wäre es zu einem tödlichen Kampfe gekommen, wenn Zbigniew, des Königs jugendlicher Geheimschreiber, der in allen ritterlichen Künsten ebenso erfahren war wie im Latein, dies nicht verhindert hätte. Eine zerbrochene Lanze in der Hand stürmte er auf den Deutschen zu und traf ihn dermaßen auf das Haupt, daß der Getroffene mit zerschlagenem Helme zur Erde stürzte. Im gleichen Augenblicke aber stieß der König dem Deutschen das Schwert in die entblößte Stirn und gab ihm damit den Tod.
Auf solche Weise ging ein berühmter deutscher Ritter zu Grunde, Diepold Köckeritz von Dieber. Knäs Jamont ergriff dessen Pferd, der deutsche Ritter aber lag, mit dem güldenen Gürtel angethan und mit dem weißen Mantel über der stählernen Rüstung, auf der Erde, zu Tode verwundet. Die Augen waren schon gebrochen, die Füße jedoch zuckten noch einige Zeit krampfhaft, bis endlich der beste Tröster der Menschheit, der Tod, seinen Schatten über ihn senkte, und er in den ewigen Schlaf hinüber schlummerte.
Nun stürzten noch etliche Ritter, die bei dem Fähnlein aus dem Kulmer Gebiete standen, vor, wollten sie doch den Tod ihres Kriegsgefährten rächen, allein der Großmeister selbst hielt sie davon ab durch den Befehlsruf: »Herum, herum!« und führte sie im Sturme dahin, wo der Entscheidungskampf dieses blutigen Tages ausgefochten wurde, also in das Haupttreffen.
Und abermals ereignete sich etwas Wunderbares. Wohl hatte der in der Nähe stehende Mikolaj Kielbasa den Feind erkannt, die andern polnischen Abteilungen aber, denen dies durch den Staub unmöglich gemacht worden war, hielten die Scharen des Großmeisters für die auf die Walstatt zurückkehrenden Litauer und beeilten sich nicht mit dem Vorgehen. Dobek aus Olesnica stürmte zuerst dem Großmeister entgegen, erkannte diesen zuerst an seinem weißen Mantel, an dem Schilde und an dem großen Reliquienkästchen, das Ulryk über der Brust auf dem Panzer trug. Da der polnische Ritter es aber des Reliquienkästchens wegen nicht wagte, mit der Lanze zuzuschlagen, obwohl er dem Großmeister an Kraft weit überlegen war, stieß dieser die auf ihn gerichtete Speeresspitze in die Höhe und brachte dem Pferde seines Feindes eine geringfügige Wunde bei. Dann jagte einer an dem andern vorüber, um gleich darauf, einen Kreis beschreibend, wieder in fliegendem Galoppe zu der eigenen Schar zurückzukehren.
»Deutsche! Der Großmeister selbst!« schrie Dobek laut auf.
Als sie dies hörten, warfen sich die polnischen Scharen mit dem größten Ungestüm auf den Feind. Mikolaj Kielbasa war der erste, der mit seinem Fähnlein auf ihn losging, und die Schlacht tobte von neuem. Aber sei es nun, daß die Ritter aus dem Gebiete von Chelm, unter denen viele aus polnischem Blute stammten, nicht mit vollem Herzen an dem Kampfe teilnahmen, sei es, daß die Wut der Polen durch nichts gehemmt werden konnte, sicher ist nur, daß dieser neue Angriff nicht den Erfolg hatte, der von dem Großmeister erhofft worden war. Denn er hatte sich dem Glauben hingegeben. Jagiellos Macht werde hier den letzten entscheidenden Schlag erhalten, und nun gewahrte er, daß die Polen sich vorwärts drängten, um sich schlugen, nach allen Seiten hin Hiebe austeilten, seine Scharen wie mit einem eisernen Ringe umschließend, nun gewahrte er, daß seine Ritter weit mehr darauf bedacht waren, sich zu verteidigen, als anzugreifen. .
Umsonst suchte er sie durch Zurufen anzuspornen, umsonst trieb er sie mit seinem Schwerte in den Kampf. Sie verteidigten sich zwar und verteidigten sich mutig, aber ihnen mangelte jene Begeisterung, welche ein siegreiches Heer mitfortreißt und welche die Herzen der Polen erfüllte. In zerschlagenen Rüstungen, mit Wunden bedeckt, mit Blut überströmt, mit schartig gewordenen Waffen, kaum mehr im stande, einen Laut von sich zu geben, stürzten sich die polnischen Ritter in tollkühner Wut auf die dichtesten Haufen der Deutschen. Diese hielten ihre Pferde an und blickten umher, wie wenn sie sich vergewissern wollten, ob der eiserne Ring, der sich dichter und dichter um sie zusammenzog, sich schon geschlossen habe, und sie wichen fortwährend langsam zurück, als ob sie sich unbemerkt der mörderischen Umarmung entziehen wollten. Da erschollen vom Walde her plötzlich neue Rufe. Dort befand sich Zindram, welcher die Bauern befehligte und gegen den Feind führte. Nun sausten die Sensen auf das Eisen nieder, nun erdröhnten die Panzer unter den schweren Knütteln. Leiche an Leiche bedeckte den Boden, das Blut ergoß sich in Strömen über die zerstampfte Erde und das Schlachtgetümmel nahm immer mehr zu, denn die Deutschen, die ihr einziges Heil in ihren Waffen sahen, wehrten sich verzweifelt.
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Und sie rangen miteinander, ungewiß über den Ausgang und den Sieg, bis sich plötzlich große Staubwolken auf der rechten Seite des Kampfplatzes erhoben.
»Das sind die Litauer, welche zurückkehren,« schrien die Polen in triumphierendem Tone.
Und sie hatten die Wahrheit erraten. Die Litauer, welche leichter zu zerstreuen als zu besiegen waren, kehrten jetzt zurück und mit fürchterlichem Geschrei jagten sie auf ihren leichtfüßigen Pferden, einem Wirbelwinde gleich, zum Kampfplätze heran.
Nun sprengten einige Komture, Werner von Tetlingen an der Spitze, zu dem Großmeister heran.
»Rette Dich, Herr!« rief mit bleichen Lippen der Komtur von Elblach. »Rette Dich und den Orden, bevor der Ring sich schließt.«
Aber der ritterliche Ulryk sah ihn mit düsterem Blicke an, und die Hand zum Himmel emporhebend, rief er: »Gott verhüte es, daß ich dies Schlachtfeld verlasse, auf dem so viele Tapfere fielen! Gott verhüte es!«
Und seinen Mannen zurufend, ihm zu folgen, stürzte er sich in das Schlachtgewühl. Mittlerweile waren die Litauer auf dem Kampfplätze angelangt und es entstand solch ein Wirrwar, solch ein Getümmel, daß das menschliche Auge kaum mehr etwas zu unterscheiden vermochte.
Der Meister wurde von der Spitze eines litauischen Wurfspießes in den Mund getroffen und zweimal im Gesicht verwundet. Mit der ermatteten Rechten wehrte er noch einige Zeit die Streiche ab, doch schließlich, als ihm ein Speer in den Hals drang, stürzte er, einer gefällten Eiche gleich, zu Boden. Und bald ward er durch eine Schar der in Felle gekleideten Krieger den Blicken aller entzogen.
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Werner Tetlingen flüchtete sich mit einigen Fähnlein, aber die Zurückgebliebenen wurden von dem königlichen Kriegsheere wie von einem eisernen Ringe umschlossen. Die Schlacht verwandelte sich allmählich in ein wahres Gemetzel, und die Kreuzritter erlitten eine so unerhörte Niederlage, wie in der ganzen Geschichte der Menschheit nur wenige verzeichnet sind. Niemals noch in der Christenheit, seit dem Kampfe der Römer und Goten mit Attila und des Karl Martell mit den Arabern hatten so mächtige Heere miteinander gestritten. Aber jetzt lag das eine zum größten Teil schon darnieder wie gemähtes Korn auf dem Ackerfelde. Die von dem Meister zuletzt in die Schlacht geführten Scharen ergaben sich. Die Ritter aus Chelm pflanzten ihre mit Fähnlein versehenen Lanzen in den Boden, andere deutsche Ritter sprangen von ihren Pferden, zum Zeichen, daß sie sich ergeben wollten, und knieten auf der mit Blut überströmten Erde nieder. Die ganze, unter dem Banner des hl. Georg vereinigte Heeresabteilung, in der die fremden Ritter dienten, that mit ihrem Führer das Gleiche.
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Aber die Schlacht tobte weiter, denn viele Scharen der Kreuzritter wollten lieber sterben als um Gnade bitten und in Gefangenschaft gehen. Nun bildeten die Deutschen, ihrem Kriegsgebrauche gemäß, einen ungeheuren Kreis und verteidigten sich auf eine Weise wie Eber sich verteidigen, wenn sie von einem Rudel Wölfe umringt werden. Aber der eiserne Ring der Polen und Litauer schloß diesen Kreis ein und zog sich dichter und dichter um ihn zusammen, gleich einer Schlange, die sich um den Körper eines Stieres windet. Und wiederum hoben sich drohende Arme, klirrten die eisernen Knittel, sausten die Sensen, blitzten die Schwerter, bohrten sich die Lanzenspitzen in die Körper ein, schwirrten die Beile und Streitäxte in der Luft. Wie die Bäume eines Waldes wurden die Deutschen niedergehauen, und sie starben in düsterem Schweigen, wahrhaft groß in ihrer Furchtlosigkeit.
Etliche schlugen die Visiere zurück, sagten sich Lebewohl und gaben sich den letzten Kuß vor dem Tode, etliche warfen sich blindlings, wie von Wahnsinn getrieben, in das Gewühl der Schlacht, wieder andere kämpften wie in einem Traum befangen, einige auch töteten sich selbst, indem sie sich das »Misericordia« in die Kehle stießen, und gar mancher warf den Halsberg ab, wendete sich zu einem Gefährten und sagte: »Stoß zu!«
Durch das ungestüme Vordringen der Polen wurde der große Kreis bald in kleine Haufen zersprengt, und nun konnten die einzelnen Ritter leichter entfliehen. Aber im allgemeinen kämpften auch diese zersprengten Scharen mit Wut und Verzweiflung. Nur wenige knieten, um Erbarmen flehend, nieder, und als der furchtbare Ansturm der Polen schließlich auch die kleineren Scharen auseinandertrieb, wollten sich sogar die einzelnen Ritter nicht lebend den Siegern ergeben. Für den Orden und für die ganze Ritterschaft des Westens war dies ein Tag der größten Niederlage, aber auch des größten Ruhmes. Vor dem riesenhaften Arnold, der von dem aus Bauern gebildeten Fußvolk umringt war, erhob sich allmählich ein Wall von polnischen Leichen, er aber, der Mächtige, Unbesiegbare, stand auf diesem Wall wie ein fester, in einem Hügel eingerammter Grenzpfahl, und wer sich ihm auf Schwerteslänge näherte, der sank hin wie vom Blitze getroffen.
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Schließlich ritt Zawisza Czarny Sulimezyk heran, doch als er sah, daß Arnold nicht mehr zu Pferde saß, und da er ihn auch nicht, wider alle Sitte, von hinten angreifen wollte, sprang er selbst von seinem Renner herab und rief ihm schon von weitem zu: »Wende Dein Haupt, Deutscher, und ergieb Dich, oder kämpfe mit mir!«
Arnold wendete sich um, und Zawisza an der schwarzen Rüstung sowie am Wappen erkennend, sagte er sich im Innern: »Nun kommt der Tod und meine Stunde hat geschlagen, denn diesem Ritter kann niemand lebend entrinnen. Wäre ich aber im stande, ihn zu besiegen, so würde ich mir unsterblichen Ruhm erringen und vielleicht auch mein Leben retten.«
So sprechend stürzte er ihm entgegen, und wutentbrannt kämpften sie miteinander auf der von Leichnamen übersäten Erde. Aber Zawisza übertraf alle andern so sehr an Kraft, daß die Eltern unglückselig genannt werden mußten, deren Kinder sich ihm im Kampfe zu stellen hatten. Unter den Hieben seines Schwertes barst in der That der in Marienburg geschmiedete Schild, barst auch der stählerne Helm gleich einem irdenen Topfe, und der tapfere Arnold sank mit zerschmettertem Haupte zur Erde.
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Heinrich, der Komtur aus Czluchow, der erbittertste Feind des polnischen Volkes, welcher geschworen hatte, er werde zwei Schwerter so lange vor sich her tragen lassen, bis er beide in polnisches Blut getaucht habe, wollte sich heimlich vom Schlachtfelde hinwegschleichen, wie ein Fuchs sich vor den gefährlichen Jagdnetzen hinwegschleicht, da vertrat ihm Zbyszko aus Bogdaniec den Weg. »Erbarme Dich meiner!« schrie der Komtur, als er die Klinge des Hirschfängers über seinem Haupte blitzen sah, und faltete vor Schrecken die Hände. Der junge Kämpe war zwar nicht mehr im stande, den Arm zurückzuhalten, aber er konnte das Messer noch wenden und so traf er nur mit der flachen Seite das feiste, schweißtriefende Gesicht des Komturs. Dann übergab er ihn seinem Knappen, der einen Strick um den Hals des Deutschen legte und ihn wie einen Stier an den Platz hinzog, wo alle gefangenen Kreuzritter auf einen Haufen zusammengetrieben waren.
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Der alte Macko suchte fortwährend auf dem blutigen Schlachtfelde nach Kuno Lichtenstein, und das den Polen an diesem Tage so günstige Geschick lieferte schließlich den Großkomtur in seine Hände. Kuno hatte sich mit einer kleinen Anzahl geflüchteter Ritter in einem Gebüsche verborgen. Der sich in ihren Rüstungen spiegelnde Sonnenschein verriet sie aber den Verfolgern, und alle fielen auf die Knie und ergaben sich sofort. Macko jedoch, welcher erfahren hatte, daß der Großkomtur des Ordens sich unter ihnen befand, befahl diesem, vorzutreten, und den Helm abnehmend fragte er: »Kuno Lichtenstein, erkennst Du mich?«
Der Großkomtur runzelte die Brauen, und den Blick fest auf Macko richtend, antwortete er nach einer Weile: »Ich sah Dich am Hofe zu Plock!«
»Nicht doch,« entgegnete Macko, »auch schon früher sahst Du mich! Du sahst mich in Krakau, als ich Dich um das Leben meines Bruderssohnes bat, der wegen eines unüberlegten Ueberfalles auf Dich zum Tode verurteilt worden war. Damals legte ich vor Gott ein Gelübde ab und schwur bei meiner Ritterehre, daß ich Dich noch treffen und mit Dir um Leben oder Tod kämpfen werde.«
»Wohl weiß ich dies,« versetzte Lichtenstein und warf hochmütig die Lippen auf, wennschon er zugleich tief erbleichte, »aber ich bin jetzt Dein Gefangener, und Schande würdest Du auf Dich laden, wenn Du das Schwert gegen mich zögest.«
Da verzerrte sich Mackos Gesicht auf unheilverkündende Weise und nahm einen wolfsähnlichen Ausdruck an.
»Kuno Lichtenstein,« begann er, »gegen einen Wehrlosen werde ich mein Schwert nicht erheben, aber ich sage Dir dies: wenn Du es abschlägst, Dich mir zum Kampfe zu stellen, lasse ich Dich wie einen Hund an einem Stricke aufhängen.«
»Mir bleibt keine Wahl! Auf denn!« rief der Großkomtur.
»Um Tod oder Leben, nicht um Gefangenschaft!« ließ sich Macko nochmals warnend vernehmen.
»Um Tod oder Leben!«
Und nach wenigen Augenblicken kämpften sie miteinander in Gegenwart der deutschen und polnischen Ritter. Wohl war Kuno der jüngere und behendere, aber Macko übertraf den Gegner so sehr an Körperkraft, daß er ihn im Nu zu Boden warf und die Knie gegen seinen Bauch stemmte.
Die Augen des Komturs traten vor Entsetzen aus ihren Höhlen.
»Schone meiner!« stöhnte er, während ihm weißer Schaum auf die Lippen trat.
»Nein!« antwortete der unversöhnliche Macko.
Und sein »Misericordia« an den Hals des Gegners setzend, stieß er zweimal zu. Jener röchelte furchtbar, ein Blutstrom quoll aus seinem Munde, ein Zittern fuhr durch seinen Körper, dann streckte er sich und der große Tröster tröstete ihn für immer.
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Mehr und mehr artete die Schlacht zu einem Gemetzel und zu einer Verfolgung der Flüchtlinge aus. Wer sich nicht ergeben wollte, wurde getötet. Gar viele Schlachten, gar viele Treffen waren in jenen Zeiten ausgefochten worden, aber kein Lebender erinnerte sich einer so entsetzlichen Niederlage.
Von siebenhundert »Weißmänteln« befanden sich kaum noch fünfzehn am Leben. Mehr denn vierzigtausend Leichen lagen in ewigem Schlafe auf dem von Blut überströmten Schlachtfelde. Die zahlreichen Banner, welche um die Mittagszeit noch lustig über dem unermeßlichen Heere des Ordens geweht hatten, befanden sich in den blutigen und siegreichen Händen der Polen. Nicht ein einziges Banner war gerettet worden, und nun legten die polnischen und litauischen Ritter sie zu den Füßen Jagiellos nieder, welcher, die Augen fromm zum Himmel erhebend, in bewegtem Tone sagte: »Gott hat es so gewollt!« Die angesehensten Gefangenen wurden ihm nun vorgeführt. Abdank Skarbek aus Gora brachte den Fürsten Kasimir aus Stettin, der böhmische Ritter aus Troznow brachte Konrad, den Fürsten aus Olesnica, und Przedpelko aus Kopidlow brachte den verwundeten, fast immer bewußtlosen Georg Gersdorf, der unter dem Banner des heiligen Georg alle fremdländischen Ritter vereinigt und angeführt hatte.
Zweiundzwanzig Volksstämme hatten an diesem Kampfe des Ordens gegen die Polen teilgenommen. Durch die Schreiber des Königs wurde nun genau verzeichnet, wie viele Gefangenen man gemacht hatte, und diese knieten vor dem König nieder, indem sie um Gnade flehten und um die Erlaubnis, gegen Lösegeld in die Heimat zurückzukehren.
Das ganze Heer des Ordens war vernichtet. Die Polen nahmen das ungeheure Lager der Kreuzritter in Besitz und dadurch geriet noch der Rest des geschlagenen Heeres in ihre Hände, sowie eine Unzahl von Wagen, die mit Fesseln für die Polen und mit Wein für eine Siegesfeier beladen waren.
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Die Sonne neigte sich dem Untergange zu. Ein kurzer, starker Regenschauer war niedergegangen und hatte den Staub gelegt. Der König, Witold und Zindram aus Maszkowice standen gerade im Begriff, auf das Schlachtfeld zu reiten, als man die Leichen der gefallenen Anführer brachte. Die Litauer trugen den von Speeren durchbohrten, von Blut und Staub bedeckten Leichnam des Großmeisters Ulryk von Jungingen herbei und legten ihn vor den König nieder. Dieser seufzte tief auf, und den Toten betrachtend, der das Gesicht nach oben gekehrt dalag, sagte er: »So ist es nun mit ihm zu Ende, mit ihm, der sich noch heute in der Frühe erhaben über alle Herrscher der Welt dünkte.«
Große Thränen flossen über Jagiellos Wangen und nach einer Weile begann er wieder: »Aber da er den Heldentod gestorben ist, wollen wir seine Tapferkeit preisen und ihn mit einem Begräbnisse ehren, das eines Christen würdig ist.«
In der That gab er sofort Befehl, die Leiche sorgfältig im See zu reinigen, sie in ein prächtiges Gewand zu hüllen und sie, bis der Sarg bereit sei, mit dem Ordensmantel zu bedecken.
Mittlerweile trug man mehr und mehr Leichen herbei, die von den Gefangenen erkannt wurden. Man brachte den Großkomtur Kuno Lichtenstein mit der durch ein Misericordia furchtbar zerfleischten Kehle und den Marschall des Ordens, Friedrich Wallenrod, den Großkämmerer Graf Albert Schwartzberg, den Großschatzmeister Thomas Mercheim, man brachte den Grafen Wende, welcher durch die Hand des Powala aus Taczew gefallen war, und mehr denn sechshundert angesehene Komture und Brüder. Die Knechte reihten sie dicht aneinander und nun lagen sie da wie gefällte Bäume, die Gesichter, die so weiß waren wie ihre Mäntel, gen Himmel gerichtet, mit weit offenen Augen, in denen sich immer noch der Ausdruck von Zorn und Stolz, von Kampfeswut und Entsetzen zeigte.
Zu ihren Häupten wurden die eroberten Banner aufgepflanzt, alle, alle. In dem leichten Windhauche wickelten sich die Fahnen bald um die Stangen, bald wehten sie hin und her, und mit ihrem leisen Rauschen schienen sie den Toten ein Schlaflied zu singen. In der Ferne, im Scheine der Abendröte, wurden die litauischen Heeresabteilungen mit den eroberten Kanonen sichtbar, deren sich die Kreuzritter zum erstenmale auf offenem Schlachtfelde bedient hatten, ohne daß es ihnen gelungen wäre, den Siegern beträchtlichen Schaden zuzufügen. Um den König hatten sich auf dem Hügel die hervorragendsten polnischen Ritter versammelt, und vor Ermüdung schwer atmend blickten sie auf die Standarten und auf die gefallenen Krieger zu ihren Füßen, wie ermüdete Schnitter auf die zusammengehäuften Garben zu schauen pflegen. Mühsam war die Tagesarbeit gewesen und entsetzlich das Ergebnis der Ernte, jetzt aber war ein bedeutsamer, freudenvoller Abend angebrochen.
Unermeßliches Glück strahlte aus den Mienen der Sieger, denn alle begriffen, daß dieser Abend nicht nur den Leiden und Mühseligkeiten des einen Tages, sondern ganzer Jahrhunderte ein Ziel setzte.
Obwohl der König wußte, welch große Niederlage die Kreuzritter erlitten hatten, blickte er doch voll Staunen umher und fragte schließlich: »Ist es denn der ganze Orden, der hier im Staube liegt?«
Darauf antwortete der Unterkanzler Mikolaj, dem die Prophezeiung der heiligen Brigitta bekannt war: »Es ist die Zeit gekommen, in der ihnen die Zähne ausgebrochen worden sind, in der ihnen die rechte Hand abgehauen wurde!«
So sprechend, erhob er die Rechte und machte das Zeichen des Kreuzes nicht nur über die zunächst liegenden, sondern auch über das ganze Gefilde zwischen Grünwald und Tannenberg. In der klaren, durch den Regen gereinigten Luft, in der noch der letzte Schein der Abendröte zitterte, sah man deutlich das ungeheure, qualmende, blutüberströmte Schlachtfeld, starrend von den Bruchstücken der Lanzen, Wurfspieße und Sensen, bedeckt mit Haufen von toten Pferden und menschlichen Leichnamen, zwischen denen Hände, Füße und Hufe hervorragten. Und dieses traurige Totenfeld mit tausenden von Leichen erstreckte sich weithin, noch weiter, als der Blick zu reichen vermochte.
Unaufhörlich gingen die Troßknechte auf diesem endlosen Gottesacker hin und her, die Massen sammelnd und den Toten die Rüstungen abnehmend. In der Höhe aber, an dem rötlich gefärbten Firmamente, kreisten und schwärmten zahllose Scharen von Krähen, Raben und Adlern, die mit lautem Gekrächze ihre Freude über die Aussicht auf das reiche Futter kundgaben.