Nach Verlauf eines Jahres segnete der Großmeister Konrad das Zeitliche. Jasko aus Zgorzelic, Jagienkas Bruder, vernahm in Sieradz die Kunde von dessen Tod und von der Wahl Ulryks von Jungingen; er brachte daher auch zuerst die Nachricht nach Bogdaniec, wo sie, wie auf allen andern Edelsitzen, die größte Erregung hervorrief.

»Eine Zeit bricht an, wie wir sie zuvor noch niemals erlebt haben,« erklärte der alte Macko in feierlichem Tone, während Jagienka sofort die Kinder zu Zbyszko brachte und von diesem solch rührenden Abschied zu nehmen begann, als ob er schon am nächsten Morgen aufbrechen müsse. Wenn nun aber auch Macko und Zbyszko wußten, daß die Kriegsflamme nicht so rasch auflodern könne wie das Feuer auf dem Herde, sagten sie sich doch, es müsse über kurz oder lang zum Kriege kommen, und trafen deshalb ihre Vorbereitungen. Sie wählten Pferde, Rüstungen und Waffen aus und unterwiesen nicht nur die Knappen und die Dienstleute in dem Kriegshandwerke, sondern auch die nach deutschem Rechte ihres Amtes waltenden Dorfschulzen, welche an jedem Kriegszuge als Berittene teilnehmen mußten, sowie die unbemittelteren Edelleute, denen viel daran lag, sich an wohlhabendere Ritter anschließen zu dürfen. Auch auf allen andern größern Edelsitzen regte sich das gleiche Leben. Fortwährend ertönte der Klang der Hämmer in den Schmieden, allerorts wurden die alten Rüstungen gereinigt, die Bogen und das Riemenzeug mit flüssig gemachtem Fette eingerieben, die Wagen wurden frisch mit Eisen beschlagen, Vorräte von gemahlenem Korn und geräuchertem Fleische wurden aufgespeichert. An Sonn- und Festtagen teilte man sich in den Kirchen die eingetroffenen Nachrichten mit, die, wenn sie friedlich lauteten, stets eine gewisse Niedergeschlagenheit hervorriefen. Jedermann hegte die feste Ueberzeugung, daß man endlich den furchtbaren Feind des polnischen Volkes darniederwerfen müsse, daß das Königreich erst dann erstarken, sich erst dann einer gedeihlichen Entwickelung erfreuen könne, wenn sich die prophetischen Worte der heiligen Brigitta erfüllt haben würden, laut derer den Kreuzrittern die Zähne ausgebrochen werden würden und sie der rechten Hand verlustig gehen sollten.

Besonders um Macko und Zbyszko, welche viel von dem Orden zu erzählen wußten und schon mit den Deutschen gekämpft hatten, bildete sich in Krzesnia stets ein Kreis von Neugierigen, denn nicht nur neue Kunde wollte man von ihnen erfahren, sondern sich von ihnen auch über die angemessenste Art der Kriegsführung gegen die Deutschen unterrichten lassen. »Wie können wir am besten gegen sie aufkommen? Wie erweisen sie sich im Kampfe? In welcher Hinsicht sind sie den Polen überlegen, in welcher Hinsicht stehen sie hinter denselben zurück? Ist es ratsamer, mit der Streitaxt oder mit dem Schwerte gegen sie vorzugehen, wenn der Speer entzwei gebrochen ist?« so lauteten die Fragen, die man an die Ritter aus Bogdaniec stellte.

Letztere waren aber auch in der That wohl unterrichtet über all diese Dinge, was wunder daher, daß man ihren Aussprüchen mit umso größerer Aufmerksamkeit lauschte, als die Ueberzeugung immer mehr um sich griff, der Krieg werde ein sehr blutiger werden, denn die Polen, welche sich zweifellos mit den berühmtesten Rittern aus aller Herren Länder zu messen haben würden, konnten sich nicht damit zufrieden geben, dem Feinde da und dort eine Niederlage beizubringen, sondern sie mußten ihn, um nicht selbst zu Gründe gerichtet zu werden, völlig vernichten. »Was geschehen muß, muß geschehen!« sprachen die Edelleute untereinander, »es handelt sich um den Tod des Feindes oder um den unsern.« Und das ganze Volk schloß sich diesem Glauben an, dieses Volk, in dem ein Ahnen seiner zukünftigen Größe dämmerte, ließ sich nicht darniederdrücken, nein, im Gegenteil, der Wunsch nach Kraftbethätigung steigerte sich in jedem einzelnen täglich, stündlich. Doch ohne Selbstüberhebung, ohne Ruhmsucht sahen Hohe und Niedrige den kommenden Ereignissen entgegen, ernst, entschlossen und todesmutig bereiteten sie sich für ihre Aufgabe vor.

Uns oder ihnen der Tod! war die Losung.

Indessen verstrich die Zeit, aber zum Kriege wollte es nicht kommen. Wohl verbreitete sich die Kunde von neuen Mißhelligkeiten, die zwischen dem König Wladislaw Jagiello und dem Orden entstanden sein sollten wegen dem schon vor Jahren erworbenen Gebiete von Dobrzyn, wegen Grenzbestimmungen und wegen Dresden, wovon viele in damaliger Zeit noch nichts gehört hatten. Doch vom Kriege war noch keine Rede. Mehr und mehr regten sich Zweifel darüber, ob es überhaupt zum Kriege kommen werde, waren doch bisher alle Zwistigkeiten durch Verhandlungen, Vergleiche und durch die Absenkung von Gesandten beigelegt worden. Thatsächlich entstand auch bald das Gerücht, es seien Gesandte des Ordens nach Krakau, Gesandte der Polen nach Marienburg geschickt worden, und plötzlich sprach man allenthalben davon, daß nicht nur die Könige von Böhmen und Ungarn zu vermitteln versuchten, sondern daß auch der Papst seine Vermittlung angeboten habe. Genaues wußte man freilich nur in der Nähe von Krakau, vielleicht aber gerade deshalb tauchten im ganzen Lande die merkwürdigsten und seltsamsten Vermutungen auf. Der König ließ jedoch noch immer auf sich warten.

Schließlich wußte selbst Macko, nach dessen Ansicht der Krieg sicher drohte, nicht mehr recht, was er von all dem denken solle, und machte sich nach Krakau auf, um genauere Kunde zu erlangen. Seine Abwesenheit währte indessen nicht lange, denn schon nach fünf Wochen kehrte er wieder zurück – und mit einem freudestrahlenden Gesichte kehrte er wieder zurück. Den Edelleuten aber, die ihn wie gewöhnlich in Krzesnia umringten und voll Spannung seiner Mitteilungen harrten, antwortete er auf ihre tausenderlei Fragen mit der Gegenfrage: »Sind Eure Lanzen, Eure Speere und Eure Streitäxte geschärft?«

»Weshalb? Warum? Bei den Wundenmalen des Erlösers, was bringt Ihr Neues? Wen habt Ihr gesehen?« rief man ihm nun von allen Seiten zu.

»Wen ich gesehen habe? Zindram aus Maszkowice! Und was ich Neues bringe? Traun, ich glaube, daß Ihr Eure Pferde bald satteln dürft.«

»Guter Gott! Was wollt Ihr damit sagen? Sprecht doch!«

»Habt Ihr schon von Dresden gehört?«

»Gewiß hörten wir schon davon. Doch diese kleine Burg unterscheidet sich ja in nichts von vielen andern Burgen, und unserm Ermessen nach umfaßt sie kein größeres Gebiet als Bogdaniec.«

»Eine geringfügige Ursache für einen Krieg – seid Ihr nicht auch der Meinung?«

»Eine gar geringfügige Ursache – fürwahr! Wegen ganz anderer Ländergebiete hat es schon Zwistigkeiten gegeben, und doch ist es nie zum Kriege gekommen.«

»Wißt Ihr aber, wie sich Zindram aus Maszkowice über Dresden geäußert hat?«

»Sprecht schnell! Spannt uns nicht länger auf die Folter!«

»Er sagte folgendes zu mir: ›Ein Blinder ging einst eine Landstraße entlang und fiel über einen Stein. Er fiel, weil er blind war, trotzdem bildete aber der Stein die Ursache seines Falles.‹ Bei meiner Treu, dies Dresden ist solch ein Stein!«

»Was soll dies heißen? In voller Kraft steht ja der Orden da!«

»Versteht Ihr mich nicht? Dann will ich Euch noch ein anderes Beispiel geben. Wenn ein Gefäß voll ist, genügt ein Tropfen, um es zum Ueberfließen zu bringen.«

Diese Worte entflammten die Kampflust der Edelleute dermaßen, daß Macko sie nur mit Mühe beschwichtigen konnte, wollten sie doch ungesäumt zu Pferde steigen und nach Sieradz reiten.

»Haltet Euch bereit!« ließ sich der alte Ritter stets von neuem vernehmen, »haltet Euch bereit, aber wartet geduldig. Man wird unserer nicht vergessen, dessen dürft Ihr sicher sein.«

Und so harrten sie und harrten sie! Allein so lange wurde ihre Geduld abermals auf die Probe gestellt, daß sich wiederum in aller Herzen der Zweifel an dem Ausbruche des Krieges regte. Nur Macko hielt seine Ansicht aufrecht, denn als das Eintreffen der Zugvögel das Nahen des Frühlings verkündigte, da erkannte er, kraft seiner langen Erfahrung, aus verschiedenen Anzeichen, daß der Krieg, und zwar ein gewaltiger Krieg, vor der Thüre stehe.

Zuvörderst wurden so große Jagden in allen königlichen Forsten und Waldwildnissen angeordnet, wie sich ihrer kaum die ältesten Leute zu erinnern wußten. Tausende von Treibern wurden aufgeboten und demzufolge auch ganze Herden von Auerochsen, Bisons, Hirschen, Ebern und von allerlei anderm Wild erlegt. Wochen und Monde hindurch stieg der Rauch in den Wäldern empor, denn die gesalzenen Fleischstücke wurden geräuchert, um an die größeren Plätze der Wojwodschaft verschickt, vornehmlich aber, um in Plock aufgespeichert werden zu können. Offenbar wollte man Vorräte für gewaltige Kriegsheere sammeln, und Macko wußte sich dies sehr wohl zu deuten, da Witold derartige Jagden vor allen seinen bedeutenden Unternehmungen gegen Litauen hatte abhalten lassen. Doch auch noch andere Anzeichen sprachen für den Krieg. Die Bauern zum Beispiel entzogen sich haufenweise der Herrschaft der Deutschen, indem sie in das Königreich und nach Masovien entwichen. In dem Gebiete um Bogdaniec trafen zwar hauptsächlich Flüchtlinge ein, welche den deutschen Rittern in Schlesien unterthan waren, doch wie die Leute berichteten, zeigte sich allerorts, besonders aber in Masovien die gleiche Bewegung. Hlawa, der ja Spychow in Masovien bewirtschaftete, schickte gegen zwanzig Masuren, die aus Preußen zu ihm geflohen waren. Diese Mannen hatten um die Erlaubnis gebeten, unter dem Fußvolke an dem Kriege teilnehmen zu dürfen, weil sie an den ihnen aus ganzer Seele verhaßten Kreuzrittern Rache nehmen wollten. Den Aussagen jener nach standen bereits verschiedene Grenzansiedelungen fast gänzlich verödet, da die Großbauern mit Weibern und Kindern sich unter den Schutz der Fürsten von Masovien gestellt hatten. Bald zeigten sich in dem ganzen Lande Scharen von Bettlern, die aus Preußen kommend, nach Krakau ziehen wollten. Aus Danzig, aus Marienburg und Thorn, ja, sogar aus dem fernen Königsberg, kurz aus allen preußischen Städten, aus allen Komtureien eilten sie herbei, und nicht nur Bettler waren es, sondern auch Küster, Orgelspieler, Klosterbedienstete, ja sogar Kleriker und Priester. Von ihnen hoffte man allerlei über Preußen zu erfahren, durch sie glaubte man, sich darüber unterrichten zu können, wie es sich mit den Kriegsvorbereitungen, mit der Befestigung der Burgen, mit den Besatzungstruppen, mit den fremden Kriegern und Gästen verhalte. In der That flüsterte auch einer dem andern zu, die Wojwoden in den größeren Städten der Wojwodschaft und die Ratsherren in Krakau hätten sich schon Stunden lang mit verschiedenen der Flüchtlinge eingeschlossen, um sie zu vernehmen und ihre Berichte niederzuschreiben. Etliche begaben sich sogar heimlich wieder nach Preußen, um mit neuer Kunde in das Königreich zurückzukehren, ja, aus Krakau traf die Nachricht ein, der König und die Ratsherren seien nunmehr über jeden einzelnen Schritt der Kreuzritter unterrichtet.

Ganz anders verhielt es sich in Marienburg. Ein von dort entflohener Geistlicher erschien in Koniecpole und erzählte den daselbst hausenden Herren, daß sich weder Ulryk von Jungingen, noch irgend ein anderer der Kreuzritter durch Nachrichten aus Polen beunruhigen lasse, indem sie von der festen Ueberzeugung durchdrungen seien, im Falle der Not mit einem Schlage das ganze Königreich derart verwüsten und darniederwerfen zu können, »daß keine Spur davon übrig bleibe.« Er wiederholte wörtlich den von dem Großmeister Ulryk bei einem Feste in Marienburg gethanen Ausspruch: »Je zahlreicher sie sind, desto wohlfeiler werden die Schafspelze in Preußen werden.« In dem gewaltigen Horte der Kreuzritter sah man daher jubelnd und siegesbewußt dem Kriege entgegen, voll Vertrauen auf die eigene Kraft und auf die Hilfe, die man sogar aus den entferntesten Königreichen erwartete.

Doch trotz all dieser Kriegsanzeichen, trotz aller Vorbereitungen und Anordnungen kam es immer noch nicht zum Ausbruch des Krieges. Selbst dem jungen Ritter in Bogdaniec wurde diese Ungewißheit mehr und mehr lästig. Alles, was geschehen mußte, war gethan, seine Seele dürstete nach Kampf und Ruhm, mit jedem Tage der Verzögerung wuchs seine Ungeduld und häufig genug verlieh er dieser Empfindung seinem Oheim gegenüber Ausdruck. gerade als ob von Macko Krieg oder Friede abhängig sei.

»Seht Ihr nun!« erklärte er diesem einmal, »Ihr habt den Krieg prophezeit, und nun ist noch immer nichts daraus geworden.«

»Klug bist Du wohl, doch nicht allzuklug!« entgegnete Macko. »Bemerkst Du denn nicht, was um Dich vorgeht?«

»So aber der König im letzten Augenblicke nachgiebt? Allgemein wird behauptet, er wünsche den Krieg nicht.«

»Fürwahr, er wünscht den Krieg nicht. Doch war es nicht er, der ausrief: ›Ich wäre nicht der König, würde ich ruhig mit ansehen, wie sie sich Dresdens bemächtigen‹. Nichtsdestoweniger nahmen aber die Deutschen Dresden und haben es bis zu dieser Stunde in ihrer Gewalt. Traun, der König versteht sich nur schwer dazu, Christenblut zu vergießen, allein seine Ratgeber besitzen einen scharfen Verstand und treiben, die Uebermacht der Polen fühlend, die Deutschen immer mehr in die Enge – ich sage Dir nur das eine: wenn es Dresden nicht wäre, würde ein anderer Streitpunkt ausfindig gemacht werden.«

»Wie ich hörte, hat der Großmeister Konrad selbst Dresden genommen, und er fürchtete doch gewiß den Krieg.«

»Wohl fürchtete er ihn, kannte er doch besser als alle andern die Macht Polens. Gegen die Habsucht des Ordens anzukämpfen, dazu war er freilich nicht fähig. In Krakau ließ ich mir folgendes erzählen: der alte von Ost, der Gebieter Dresdens, leistete zur Zeit, als die Kreuzritter sich der Nova Marchia bemächtigten, dem König den Eid als Lehnsmann, denn seit ewigen Zeiten ward jenes Gebiet zu Polen gerechnet, und so wollte auch er zu dem Königreiche gehören. Da luden ihn die Kreuzritter nach Marienburg ein, machten ihn mit Wein trunken und entlockten ihm eine Beschreibung. Nun war es aber auch mit des Königs Geduld zu Ende.«

»Bei meiner Treu, das läßt sich denken!« rief Zbyszko aus.

»Es ist, wie Zindram sagte,« fuhr Macko fort. »Dresden ist nur der Stein, über den der Blinde stürzte.«

»Was wird aber geschehen, wenn die Deutschen auf Dresden verzichten?«

»Dann wird sich ein anderer Stein finden lassen. Was der Orden aber einmal verschlungen hat, das giebt er nicht wieder her, bis man ihm den Schlund öffnet. Und Gott gebe, daß uns dies bald gelingen werde.«

»Traun!« rief nun Zbyszko wie neu gekräftigt, »Konrad hätte schließlich nachgegeben, Ulryk wird nie nachgeben. Er ist ein echter Ritter, an dem kein Makel haftet, doch furchtbar aufbrausend und entflammbar.«

In solcher Weise besprachen sich die beiden häufig miteinander, inzwischen traten aber Ereignisse ein, die gleich den Steinen, die ein Vorübergehender mit dem Fuße einen steilen Bergpfad hinabstößt, und die mit immer größerer Schnelligkeit dem Abgrunde zurollen, unaufhaltsam zu der Entscheidung trieben.

Mit Blitzesschnelle verbreiteten sich bedeutsame Nachrichten in dem ganzen Lande. Die Kreuzritter waren in das seit alten Zeiten Polen gehörende und den Johannitern verpfändete Santok plündernd und verwüstend eingefallen, und der neue Großmeister Ulryk hatte nicht nur vorsätzlich Marienburg verlassen, als die polnischen Gesandten dort eingetroffen waren, um ihn zu seiner Wahl zu beglückwünschen, sondern er hatte auch vom ersten Augenblick seiner Herrschaft an den Befehl erlassen, daß in den Verhandlungen mit dem Könige und mit Polen von nun an statt der lateinischen die deutsche Sprache gebraucht werden müsse. Damit kennzeichnete er sofort seinen Standpunkt. Den Herren in Krakau, die insgeheim für den Krieg wirkten, ward es sofort klar, daß dieser Großmeister es darauf anlegte, öffentlich seine Kriegslust darzuthun, ging er doch geradezu mit einer blinden Unüberlegtheit und mit einer Rücksichtslosigkeit gegen Polen vor, wie es bis jetzt keiner der Großmeister selbst zu einer Zeit gewagt hätte, in welcher der Orden an Macht dem Königreiche noch weit mehr überlegen gewesen war.

Die Würdenträger des Ordens freilich, die weniger leidenschaftlich und weit verschlagener als Ulryk waren und die Witold kannten, ließen nichts unversucht, diesen auf ihre Seite zu bringen. Sie kargten nicht mit Gaben, ja, sie überschütteten ihn mit Schmeicheleien, wie man sie kaum maßloser zu der Zeit hätte ersinnen können, in der man den römischen Kaisern, noch während sie lebten, Tempel und Altäre errichtete. »Der Orden erfreut sich zweier Wohlthäter,« sprachen die Gesandten der Kreuzritter, als sie sich vor dem Statthalter Jagiellos bis zur Erde neigten, »Gott ist der eine, Witold der andere. Deshalb ist aber auch jedes Wort, jeder Wunsch Witolds den Kreuzrittern heilig.« Und sie beschworen ihn, Dresdens wegen zu vermitteln, insgeheim von der Hoffnung getragen, daß wenn er, der Untergebene des Königs, sich erkühne, über seinen Oberherrn zu urteilen, er diesen kränken und einen Bruch der guten Beziehungen zwischen sich und dem Könige, wenn auch nicht auf immer, so doch auf lange Zeit hinaus herbeiführen werde. Da aber des Königs Ratgeber in Krakau stets von allem unterrichtet waren, was in Marienburg geplant und ausgeführt ward, wählte Jagiello selbst Witold zum Schiedsrichter.

Nur zu bald sollten aber die Kreuzritter diese Wahl bedauern. Die Würdenträger des Ordens, welche den Großfürsten zu kennen geglaubt hatten, sahen ihren Irrtum zu spät ein, denn Witold sprach, kraft seiner richtigen Beurteilung der kommenden Dinge, nicht nur Dresden den Polen zu, reizte die Samogitier nicht nur von neuem zum Aufstände, sondern schickte, dem Orden immer feindlicher entgegentretend, Kriegsleute und Waffen, sowie Korn aus den fruchtbaren Gefilden Polens nach Samogitien.

Jetzt aber begriff ein jeder in dem großen, unermeßlichen Königreiche, daß die Stunde der Entscheidung geschlagen hatte. Und so war es in der That!

Als einmal in Bogdaniec der alte Macko, Zbyszko und Jagienka, sich des warmen, herrlichen Wetters erfreuend, vor dem Burgthore saßen, sprengte ein fremder Mann auf schäumendem Pferde heran, warf wie zu einem Kranze gebogene Weidenzweige vor die beiden Ritter und galoppierte mit dem Rufe: »Aufgebot zum Heerbann, Aufgebot zum Heerbann!« wieder davon.

Aufs höchste erregt, sprangen Macko und Zbyszko empor. Auf dem Antlitz des alten Ritters malten sich Ernst und Feierlichkeit. Zbyszko eilte hinweg, um den Knappen mit der Botschaft weiter zu senden, kehrte aber rasch mit leuchtenden Augen wieder zurück, indem er rief: »Krieg! Gott hat endlich unsern Wunsch erhört! Krieg!«

»Und nicht ein Krieg, wie wir ihn schon erlebt haben, nein, einen großen Krieg, einen gewaltigen Krieg wird es geben!« ergriff in erhobenem Tone Macko das Wort, um sich dann «an die Dienstleute zu wenden, die sich blitzesschnell um ihren Gebieter versammelt hatten.

»Eilt auf die Warte!« gebot er, »und laßt die Hörner nach allen vier Richtungen der Welt ertönen. Etliche von Euch mögen die Botschaft den Dorfschulzen verkünden, andere sollen die Pferde satteln, die Wagen bespannen. Rasch, sputet Euch!«

Kaum hatte er zu Ende gesprochen, so waren die Dienstleute schon nach allen Richtungen zerstreut, um seine Befehle auszuführen, was um so leichter wurde, weil alles längst vorbereitet gewesen, weil Rüstungen, Waffen und Vorräte in genügender Menge vorhanden waren. So standen denn auch in kürzester Zeit Mannen, Pferde und Wagen zum Aufbruche fertig, und man harrte nur der beiden Ritter, um die Fahrt anzutreten.

Diese besprachen indessen noch allerlei mit Jagienka, und schließlich fragte Zbyszko seinen Ohm: »Wollt Ihr nicht in Bogdaniec bleiben?«

»Ich? Was kommt Dir in den Sinn?«

»Dem Gesetze nach habt Ihr als ein Mann von vorgeschrittenem Alter das Recht, zu bleiben, und außerdem könntet Ihr auch der Schützer Jagienkas und der Kinder sein.«

»Traun, so höre nun auch mich. Bis ich weiße Haare hatte, habe ich auf diese Stunde warten müssen.«

Für Zbyszko genügte ein Blick in das entschlossene Antlitz seines Ohms, um zu wissen, daß jedes weitere Wort verloren sei. Macko war aber auch, trotz seiner siebzig Jahre, ein Mann, kräftig wie ein Eichbaum, und seine Hand bewegte sich noch so geschmeidig in den Gelenken, daß, wenn er die Streitaxt schwang, es geradezu in der Luft schwirrte und sauste. Was wollte es daher bedeuten, wenn er nicht mehr in voller Rüstung auf das Pferd zu springen vermochte, ohne die Steigbügel zu berühren? Gar viele jüngere als er, besonders unter den Rittern des Westens, waren ja auch nicht dazu im stande. Was wollte ein solch kleiner Mangel bedeuten gegenüber seiner umfassenden Erfahrung in allen ritterlichen Uebungen und Unternehmungen? Fürwahr, weit und breit kam ihm darin kein zweiter Krieger gleich.

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»Wäre es nicht um dieser kleinen willen, würde ich so lange vor Dir auf den Knien liegen, bis Du mir die Erlaubnis erteiltest, mit Dir zu ziehen.«

Offenbar ängstigte sich auch Jagienka nicht vor dem Alleinsein, denn die Hand ihres Ehegemahls küssend, ließ sie sich also vernehmen: »Sorge Dich nicht um mich, geliebter Zbyszko, ist doch die Burg gar fest und stark. Bedenke auch, daß ich nicht allzu zaghaft bin, sind mir doch Bogen und Speer vertraut. Nicht an uns dürfen wir denken, wenn es sich um die Rettung des Königreichs handelt. Gott wird über uns wachen.«

Thränen traten ihr in die Augen und rannen langsam, in großen Tropfen über ihre Wangen, als sie, auf die inzwischen herbeigebrachten Kinder deutend, mit einer vor Bewegung zitternden Stimme also fortfuhr: »Hei! Wäre es nicht um dieser Kleinen willen, würde ich so lange vor Dir auf den Knien liegen, bis Du mir die Erlaubnis erteiltest, mit Dir zu ziehen.«

»Jagus!« schrie Zbyszko auf, sie an seine Brust ziehend.

Da umschlang sie ihn mit ihren Armen, schmiegte sich fest an ihn an und flüsterte: »Nur kehre wieder zu mir zurück, mein Goldsöhnchen, mein Einziger, mein Liebstes auf der ganzen Welt.«

»Zbyszko,« ließ sich jetzt Macko in bewegtem Tone vernehmen, »Zbyszko, danke Gott dem Herrn täglich dafür, daß er Dir ein solches Eheweib gegeben hat.«

Eine Stunde später ward das Banner auf der Warte eingezogen, zum Zeichen, daß die Gebieter die Burg verlassen hatten. Zbyszko und Macko erlaubten Jagienka, sie mit den Kindern bis nach Sieradz zu begleiten und nach einem reichlichen Imbiß machten sie sich mit den Mannen und mit einem ganzen Wagenzuge auf den Weg. Der Tag war hell und klar. Eine atemlose Stille lag über den Wäldern. Das Vieh auf den Wiesen und in dem Brachlande schien, wie in Gedanken versunken und seine Nahrung bedächtig wiederkäuend, die mittägliche Ruhe zu genießen. Durch die Trockenheit der Luft stiegen da und dort gelbliche Staubwölkchen auf, hinter denen es zuweilen in dein glänzenden Sonnenlichte wie von unzähligen feurigen Funken blitzte. Als Zbyszko dies gewahr wurde, machte er sein Weib und seine Kinder mit den Worten darauf aufmerksam: »Wißt Ihr, woher diese Funken rühren? Speere, Lanzen und Wurfspieße sind es. Die Kunde von dem Aufgebot des Heerbannes hat sich schon allerorts verbreitet, von allen Seiten ziehen die Mannen gegen die Deutschen.«

Und so verhielt es sich in der That. Kaum hatten sie die Grenze von Bogdaniec hinter sich gelassen, trafen sie mit Jagienkas Bruder, Jasko, zusammen, der als Erbe von Zgorzelic über großen Wohlstand gebot und mit drei Speerreitern und zwanzig andern Kriegsknechten auszog.

Kurz darauf tauchte aus der Staubwolke das bärtige Gesicht Cztans aus Rogow auf, der, wenn er auch kein allzugroßer Freund von den Gebietern in Bogdaniec war, diesen doch nun schon aus der Ferne zurief: »Jetzt geht’s gegen die Weißmäntel!« um gleich darauf wieder in dem Staube zu verschwinden. Auch mit dem alten Wilk aus Brzozowa stießen sie zusammen, dessen Haupt freilich aus Altersschwäche schon ein wenig zitterte, welcher aber trotzdem nicht zurückblieb, da er den Tod seines in Schlesien erschlagenen Sohnes an den Kreuzrittern rächen wollte.

Je näher sie Sieradz kamen, je dichter wurden die Staubwolken, und als in der Ferne der Turm der Stadt sichtbar ward, da wimmelte die Straße von Rittern, Dorfschulzen und Kriegsknechten, die alle dem Sammelplatze zustrebten. Beim Anblick dieser zahlreichen, kräftigen, kampfeslustigen Scharen, die jeder Unbill des Wetters, allen Strapazen zu trotzen vermochten, da schwoll die Brust des alten Ritters von Siegeshoffnung.