19. Kapitel


Worin das Abenteuer vom verliebten Schäfer und manch andere wirklich ergötzliche Begebnisse erzählt werden

Noch nicht weit hatte sich Don Quijote von Don Diegos Dorf entfernt, als ihm zwei Leute, die wie Geistliche oder Studenten aussahen, und zwei Bauern begegneten, die alle vier auf Tieren vom Geschlechte der Esel ritten. Der eine der Studenten hatte eine Art Mantelsack aus grünem Drillich bei sich, der anscheinend etwas weiße Wäsche und zwei Paar grobe wollene Strümpfe enthielt, der andre nichts als zwei Rapiere mit aufgesetzten Knöpfen. Die Bauern trugen andre Sachen, die da zeigten und erraten ließen, daß die Eselsreiter eben aus einer größeren Stadt kamen, wo sie die Sachen eingekauft hatten, um sie in ihr Dorf heimzubringen. Studenten wie Bauern gerieten in die nämliche Verwunderung, die jeden ergriff, der Don Quijote zum erstenmal erblickte, und sie vergingen schier vor Begierde zu erfahren, wer jener Mann sei, der von dem gewöhnlichen Aussehen aller andern Menschen so sehr abstach. Don Quijote grüßte sie, und als er gehört, welchen Weg sie verfolgten, nämlich denselben wie er, bot er ihnen seine Begleitung an und bat sie, den Schritt zu mäßigen, da ihre Eselinnen rascher trabten als sein Roß; und um sich ihnen verbindlich zu erweisen, sagte er ihnen in kurzen Worten, wer er sei und was sein Beruf und Stand, nämlich der eines fahrenden Ritters, der in allen Landen der Welt auf die Suche nach Abenteuern gehe. Er erklärte, er heiße mit seinem Namen Don Quijote von der Mancha und mit seinem Beinamen der Löwenritter.

Den Bauern klang das alles, als hätte er mit ihnen Griechisch oder Rotwelsch gesprochen, aber nicht so den Studenten, die sofort Don Quijotes Gehirnschwäche erkannten. Dessenungeachtet betrachteten sie ihn mit Bewunderung und Achtung, und einer von ihnen sprach zu ihm: »Wenn Euer Gnaden, Herr Ritter, einen bestimmten Weg nicht vorhat, wie dies bei denen, die auf Abenteuer ausgehen, der Fall zu sein pflegt, so wolle Euer Gnaden uns begleiten; Ihr werdet eines der stattlichsten und reichsten Hochzeitsfeste sehen, das bis zum heutigen Tage in der Mancha und auf viele Meilen in der Runde gefeiert worden.«

Don Quijote fragte ihn, ob es die Hochzeit eines Fürsten sei, daß er sie so sehr rühme.

»Das nicht«, antwortete der Student, »sondern die eines Bauern mit einer Bäuerin. Er ist der reichste in dieser ganzen Gegend und sie die allerschönste, die je ein Mensch gesehen. Die Veranstaltungen zum Hochzeitsfest sind außerordentlich und von ganz neuer Art, denn es soll auf einem Anger nahe dem Dorf der Braut gefeiert werden. Sie wird zur besondern Auszeichnung Quitéria die Schöne genannt, und er heißt Camacho der Reiche; sie ist achtzehn Jahre alt und er zweiundzwanzig. Beide passen wohl zueinander, wenn auch einige Vielwisser, die die Familienregister der ganzen Welt im Kopfe haben, behaupten wollen, die Familie der schönen Quitéria sei vornehmer als die Camachos. Aber das spielt keine Rolle, denn der Reichtum füllt manchen Graben zu. Tatsächlich ist dieser Camacho freigebigen Sinnes, und er hat den Einfall gehabt, den ganzen Anger mit Zweigen von oben her umziehen und überdecken zu lassen, so daß es der Sonne schwerfallen wird, einzudringen und ihren Blick auf das Gras zu werfen, mit dem der Boden bewachsen ist. Er hat auch Kunsttänze vorgesehen, sowohl Schwerter- als auch Schellentänze; denn es gibt in seinem Dorfe manchen, der die Schellen aufs vortrefflichste schüttelt und rüttelt und erklingen läßt. Von den Leuten für den Pantoffeltanz will ich gar nichts sagen; es ist ein Gotteswunder, wieviel Tänzer er dazu bestellt hat. Aber von allem, was ich erzählt habe, und von viel andrem, was ich unerwähnt gelassen, wird nichts diese Hochzeit so merkwürdig machen, als was bei ihr voraussichtlich der tiefgekränkte Basilio tun wird. Dieser Basilio ist ein Bauernsohn aus dem Dorfe Quitérias; er war in seinem Hause der Wandnachbar ihrer Eltern, und daher ergriff Amor die Gelegenheit, die schon vergessene Liebschaft zwischen Pyramus und Thisbe der Welt aufs neue vorzuführen; denn Basilio verliebte sich in Quitéria von seinem zarten Kindesalter an, und sie erwiderte seine Neigung mit tausend unschuldigen Gunstbezeigungen, so daß man sich im Dorf die Liebe der beiden Kinder Basilio und Quitéria zur Unterhaltung zu erzählen pflegte. Sie wuchsen heran, und nun verbot Quitérias Vater dem Basilio den gewohnten Zutritt zu seinem Hause; und um nicht ständig in Angst und Argwohn leben zu müssen, beschloß er, seine Tochter mit dem reichen Camacho zu vermählen, da es ihm nicht wohlgetan schien, sie mit Basilio zu verheiraten, der nicht so viele Gaben vom Glück als von der Natur empfangen hatte. Denn um ganz neidlos die Wahrheit zu sagen, er ist der gewandteste Jüngling, den wir kennen, er ist der beste Speerwerfer, der kräftigste Ringer und ein trefflicher Ballspieler; er läuft wie ein Hirsch, springt besser als eine Gemse und schiebt Kegel, als wenn seine Kugel hexen könnte; er singt wie eine Lerche und spielt die Gitarre, als ob er ihr Sprache gäbe, und zu alledem handhabt er den Degen im Schwertertanz wie der Allertüchtigste auf Erden.«

»Um dieser Begabung allein willen«, fiel hier Don Quijote ein, »verdiente dieser Jüngling nicht nur, sich mit der schönen Quitéria zu vermählen, sondern mit der Königin Ginevra selbst, wenn sie jetzt lebte – trotz Lanzelot und allen jenen, so es verwehren möchten!«

»Das sagt nur einmal meiner Frau!« sprach Sancho Pansa, der bis dahin schweigend zugehört hatte; »die will es nicht anders haben, als daß ein jeder seinesgleichen heiraten soll, nach dem Sprichwort, das da sagt: Schäfchen beim Schaf, so gefällt sich’s, Gleich mit Gleichem, so gesellt sich’s. Wenn es auf mich ankäme, müßte der brave Basilio, den ich schon anfange gern zu haben, die Jungfer Quitéria heiraten. Möchten doch alle die zur Seligkeit und ewigen Ruhe eingehen« – er wollte das Gegenteil sagen –, »die es Leuten, die einander liebhaben, wehren, einander zu nehmen!«

»Wenn alle, die einander liebhaben, sich heiraten sollten«, sprach Don Quijote, »würde den Eltern die Wahl und das Recht entzogen, ihre Kinder zu verheiraten, mit wem und wann es am besten ist; und wenn es dem Willen der Töchter überlassen bliebe, ihre Ehemänner zu wählen, so gäbe es manche, die den Diener ihres Vaters wählen würde, und manche andre den ersten besten, den sie auf der Straße in einem nach ihrer Meinung prächtigen und vornehmen Aufzug gesehen, und wäre er auch ein ganz liederlicher Raufbold. Denn Liebe und Leidenschaft blenden leicht die Augen des gesunden Urteils, die so nötig sind bei der Wahl fürs Leben; und ganz besonders ist der Ehestand der Gefahr eines Fehlgriffs ausgesetzt, und es bedarf großer Vorsicht und besonderer Gunst des Himmels, um hierbei das Richtige zu treffen. Es will einer eine Reise tun, und wenn er verständig ist, so sucht er sich, eh er sich auf den Weg begibt, einen verläßlichen und angenehmen Gefährten als Begleiter; warum also soll der nicht das nämliche tun, dessen Reise sein ganzes Leben hindurch bis an die Pforten des Todes dauert, zumal wenn der Gefährte ihn zu Bett und Tisch und überallhin begleiten soll wie die Frau ihren Mann? Die Gesellschaft der Frau ist keine Ware, die, einmal gekauft, zurückgegeben oder umgetauscht oder ausgewechselt werden kann; sie ist ein unzertrennbarer Bestandteil, der so lang dauert wie das Leben selbst; es ist eine Schlinge, und hast du sie dir einmal um den Hals geworfen, so verwandelt sie sich in einen gordischen Knoten, der unlösbar ist, bis ihn die Sense des Todes durchschneidet. Viel anderes noch könnte ich über diesen Gegenstand sagen, wenn es mir nicht der Wunsch verböte zu erfahren, ob der Herr Lizentiat nicht noch etwas über Basilios Geschichte zu sagen hat.«

Darauf antwortete der Student oder Baccalaureus oder Lizentiat, wie ihn Don Quijote nannte: »Weiter habe ich nichts zu sagen, als daß von dem Augenblick an, wo Basilio erfuhr, daß die schöne Quitéria sich mit Camacho dem Reichen verheiraten sollte, keiner ihn mehr lachen sah noch ein vernünftiges Wort reden hörte; stets geht er gedankenvoll und schwermütig vor sich hin und spricht mit sich selber, womit er unzweifelhaft und klärlich zeigt, daß ihm der Verstand in die Brüche gegangen ist; er nimmt wenig zu sich und schläft wenig, und was er verzehrt, sind etwa Früchte, und wenn er schläft, so im freien Felde auf harter Erde wie ein unvernünftiges Tier. Von Zeit zu Zeit schaut er lange gen Himmel, zu andern Malen bohrt er die Blicke in den Boden, so regungslos in sich versunken, daß er aussieht wie eine bekleidete Bildsäule, deren Gewänder von der Luft bewegt werden. Kurz, er gibt so viele Beweise eines von der Leidenschaft völlig beherrschten Herzens, daß wir alle, die ihn kennen, fürchten, wenn die schöne Quitéria morgen das Ja ausspricht, wird es sein Todesurteil sein.«

»Gott wird es zu Besserem wenden«, sprach Sancho; »Gott, der den Schmerz der Wunde sendet, sendet auch die Heilung; keiner weiß, was nachkommt; von heut bis morgen sind’s viele Stunden, und in einer, ja in einem Augenblick kann ein Haus einstürzen; ich habe regnen und die Sonne scheinen sehen, alles in einem Nu; mancher legt sich nachts gesund zu Bett und kann am andern Morgen kein Glied rühren. Und sagt mir doch, gibt es einen Menschen, der sich rühmen kann, er habe in das Rad des Glücks einen Nagel zum Festhalten eingeschlagen? Gewiß nicht; und zwischen das Ja und das Nein eines Weibes möchte ich keine Nadelspitze stecken, denn sie würde keinen Platz haben. Laßt mir nur einmal Quitéria den Basilio von ganzem Herzen und mit rechter Zuneigung lieben, dann will ich ihm einen ganzen Sack voll Glück in die Hand geben, denn die Liebe, hab ich sagen hören, sieht durch eine Brille, die Kupfer in Gold, Armut in Reichtum und Tränen in Perlen verwandelt.«

»Wohinaus willst du, Sancho?« versetzte Don Quijote. »Verwünscht seist du! Wenn du anfängst, Sprichwörter und Märlein aneinanderzureihen, kann keiner dein Ende abwarten als etwa der Verräter Judas, und der mag dich zur Hölle führen! Sag mir, dummes Tier, was weißt du vom Nagel und vom Rad und von was sonst?«

»Oho! Wenn man mich nicht versteht«, antwortete Sancho, »dann ist’s freilich kein Wunder, daß man meine Sprüche für ungereimtes Zeug hält. Aber mir ist’s gleich; ich verstehe mich schon, und ich weiß, daß ich gar nicht viel Unsinn geredet habe, daß aber Ihr, Herre mein, beständig gegen meine Reden, so auch gegen meine Taten, den Staatsbrockenrater spielt.«

»Staatsprokurator mußt du sagen«, fiel Don Quijote ein, »nicht Brockenrater, du Sprachverderber, den Gott verderben möge!«

»Werdet doch nicht gleich so ärgerlich«, entgegnete Sancho, »Ihr wißt doch, ich bin nicht in der Residenz groß geworden und habe nicht in Salamanca studiert, daß ich wissen könnte, ob ich bei meinen Worten einen Buchstaben zuviel hintue oder fortlasse. Wahrlich, so wahr mir Gott helfe, man soll vom Bauern aus Sayago nicht verlangen, daß er so spricht wie ein Städter aus Toledo, und doch kann’s auch in Toledo Leute geben, die nicht gerade allzu fein sprechen.«

»So ist es«, fiel der Lizentiat ein; »denn wer in den Gerbereien oder auch auf dem Zocodover aufgewachsen ist, kann nicht so gut sprechen wie einer, der fast den ganzen Tag im Kreuzgang der Domkirche spazierengeht, und sie sind alle dennoch Toledaner. Die reine Sprache, der richtige, feine und klare Ausdruck findet sich bei den gebildeten Leuten vom Hofe, und wären sie selbst in Majalahonda geboren; ich sage ›gebildet‹, denn es gibt ihrer viele, die es nicht sind, und die Bildung ist die Grammatik des richtigen Sprechens, und der Sprachgebrauch steht ihr zur Seite. Ich, meine Herren, habe zur Strafe meiner Sünden in Salamanca das Kirchenrecht studiert und bilde mir was drauf ein, meine Gedanken mit klaren, glatten, sinnentsprechenden Worten aussprechen zu können.«

»Hättet Ihr Euch nicht weit mehr darauf eingebildet, Eure Rapiere mit mehr Nutzen zu gebrauchen als die Zunge«, sprach der andre Student, »so hättet Ihr den ersten Platz bei der Lizentiatenprüfung davongetragen statt den letzten.«

»Hört mal, Baccalaureus«, gab ihm der Lizentiat zur Antwort, »Ihr befindet Euch in der allerirrtümlichsten Meinung über die Geschicklichkeit im Fechten, wenn Ihr sie für unnütz haltet.«

»Für mich ist das keine Meinung, sondern eine feststehende Wahrheit«, entgegnete Corchuelo; »und wenn Ihr den Beweis dafür haben wollt – Ihr führt Rapiere bei Euch, wir haben bequeme Gelegenheit, ich habe eine feste Hand und habe Kraft, und damit und mit meinem Mute, der nicht gering ist, will ich Euch zum Eingeständnis zwingen, daß ich nicht im Irrtum bin. Steigt ab und macht Eure Ausfälle, all die Bewegungen im Kreise und in der schiefen Linie und all Eure Künste, und es soll Euch vor den Augen flimmern, daß Ihr nicht aus noch ein wißt. Das will ich Euch mit meiner neuen bäurischen Manier beibringen, mittels deren, nächst Gottes Hilfe, ich hoffe, daß der noch geboren werden soll, der mich zwingt, den Rücken zu wenden, und daß keiner auf Erden ist, den ich nicht zum Weichen bringe.«

»Den Rücken wenden oder nicht wenden, das wollen wir erst einmal sehen«, versetzte der Fechtkünstler; »zwar könnte es sein, daß man auf derselben Stelle, wo Ihr zuerst den Fuß aufsetzt, Euch gleich Euer Grab graben müßte; ich meine, daß Ihr tot auf dem Flecke bliebet, weil Ihr die Fechtkunst verachtet.«

»Das wird sich schon finden«, entgegnete Corchuelo, sprang in größter Hast von seinem Esel und riß wütend eines der Rapiere heraus, die der Lizentiat auf dem seinigen führte.

»So darf das nicht vor sich gehen!« rief in diesem Augenblick Don Quijote; »ich will der Aufseher sein bei diesem Kampf und der Schiedsrichter in dieser schon öfters ungelöst gebliebenen Streitfrage.«

Und von seinem Rosinante absteigend und seinen Speer fassend, stellte er sich mitten auf die Landstraße, während bereits der Lizentiat mit zierlicher Haltung und Fechterschritt gegen Corchuelo ausfiel, der seinerseits mit Augen, die Blitze schossen – wie man zu sagen pflegt –, sich auf den Gegner stürzte. Die zwei andern Reisegenossen, die Bauern, waren, ohne von ihren Eselinnen herabzusteigen, die Zuschauer bei diesem gefährlichen Schauspiel. Die Hiebe, Stiche, Quarten, Terzen, die Primen mit beiden Händen hoch herab, die Corchuelo schlug, waren zahllos, dichter als ein Platzregen und prasselnder als Hagel. Er griff an wie ein gereizter Löwe, aber da flog ihm entgegen auf den Mund ein Stoß vom Rapierknopf des Lizentiaten, der ihm mitten in seiner Wut Einhalt tat und ihn den Knopf, als ob es eine Reliquie wäre, zu küssen zwang, wiewohl nicht mit soviel Andacht, wie man Reliquien zu küssen schuldig und gewohnt ist. Kurz, der Lizentiat zählte mit Rapierstößen alle Knöpfe des Überwurfs, den Corchuelo trug, und zerfetzte ihm die Schöße in lange Streifen wie die Arme eines Polypen; er schlug ihm zweimal den Hut herunter und setzte ihm so zu, daß jener vor Ärger, Zorn und Wut das Rapier mit solcher Gewalt ins Blaue hinein schleuderte, daß einer der beiden Zuschauer – er war in seinem Ort Gemeindeschreiber –, der lief, um es zu holen, späterhin erklärte, Corchuelo habe es beinahe dreiviertel Meilen weit von sich fortgeschleudert; und dies Zeugnis diente und dient noch als klarer Beweis dafür, wie die Stärke stets von der Kunst besiegt wird.

Corchuelo setzte sich ermattet nieder, und Sancho trat zu ihm und sagte: »Meiner Treu, Herr Baccalaur, wenn Euer Gnaden meinen Rat annehmen will, so müßt Ihr fürderhin keinen zum Fechten herausfordern, sondern zum Ringen oder Stangenwerfen, denn dazu habt Ihr das Alter und die Kraft; aber von denen, die man Fechtkünstler nennt, hab ich gehört, sie stechen mit der Degenspitze durch ein Nadelöhr.«

»Es ist mir ganz recht«, erwiderte Corchuelo, »daß mir ein Licht angesteckt worden ist und daß meine eigne Erfahrung mir die Wahrheit gezeigt hat, von deren Kenntnis ich so weit entfernt war.«

Hiermit stand er auf, umarmte den Lizentiaten, und ihre Freundschaft wurde noch inniger als zuvor. Den Gemeindeschreiber, der nach dem Rapier gegangen war, wollten sie nicht abwarten, weil sie glaubten, er werde zu lang ausbleiben; und so beschlossen sie, ihren Weg fortzusetzen, um zeitig nach dem Dorfe Quitérias zu kommen, wo sie alle herstammten. Unterwegs setzte ihnen der Lizentiat die hohen Vorzüge der Fechtkunst auseinander mit so viel überzeugenden Gründen und so viel mathematischen Figuren und Beweisen, daß alle von der Trefflichkeit der Kunst überzeugt waren und Corchuelo von seinem Eigensinn geheilt wurde.

Es war Nacht geworden; aber ehe sie anlangten, kam es ihnen allen vor, als breite sich vor dem Dorfe ein Himmel aus voll unzähliger funkelnder Sterne. Auch hörten sie in wirrem Durcheinander die lieblichen Töne verschiedener Instrumente wie Flöten, Tamburine, Gitarren, Schalmeien, Hand- und Schellentrommeln; und als sie näher gekommen, sahen sie eine dicht vor dem Eingang des Dorfes errichtete Laube, ganz mit brennenden Lampen behängt, die der Wind nicht gefährdete, da er nur so sacht wehte, daß er nicht einmal die Blätter zu bewegen vermochte. Die Musikanten waren hier bei der Hochzeit die Lustigmacher, zogen in verschiedenartigen Gruppen auf dem heiteren Platz umher, die einen singend, die andern tanzend, wieder andre ihre mannigfaltigen Instrumente ertönen lassend. Kurz, es war nicht anders, als ob auf dieser ganzen Wiese nur die Freude umherspränge und das Ergötzen umherhüpfte. Andrer Leute viel waren beschäftigt, Gerüste aufzuschlagen; von denen herab sollte man am nächsten Tage mit Bequemlichkeit den Vorstellungen und Tänzen auf diesem Platze zusehen können, der für das Hochzeitsfest Camachos bestimmt war – und für die Leichenfeier Basilios.

Don Quijote wollte das Dorf nicht betreten, trotz der Bitten sowohl der Bauern als auch des Baccalaureus; er gab dafür die nach seiner Meinung mehr als genügende Entschuldigung zum besten, es sei fahrender Ritter Brauch, lieber in Feldern und Wäldern zu schlafen als an bewohnter Stätte, und wäre es selbst unter vergoldetem Dache; und hiermit bog er ein wenig von der Landstraße ab, sehr gegen Sanchos Wunsch, der an das gute Quartier dachte, dessen er sich in der Burg oder dem Schloß Don Diegos erfreut hatte.

2. Kapitel


Welches von dem denkwürdigen Streite zwischen Sancho Pansa und Don Quijotes Nichte und Haushälterin handelt, nebst andern anmutigen Begebenheiten

Es erzählt die Geschichte: Das Geschrei, welches Don Quijote, der Pfarrer und der Barbier hörten, wurde von der Nichte und der Haushälterin im Streit mit Sancho Pansa erhoben, der mit aller Gewalt zu Don Quijote hinein wollte, während die beiden ihm den Eingang wehrten und riefen: »Was will der Landstreicher in unsrem Hause? Mach, daß du heimkommst, Geselle, denn du bist’s und sonst keiner, der unsern Herrn verführt und beschwatzt und ihn hinaus in die Wüsteneien schleppt.«

Darauf entgegnete Sancho: »Du Teufels-Haushälterin! Der Beschwatzte und Verführte bin ich, der hinaus in die Wüsteneien Geschleppte bin ich und nicht dein Herr! Er, er hat mich draußen in der Welt herumgeschleppt, ihr aber irrt euch, eure Rechnung ist um die Hälfte zu hoch. Er hat mich mit falschen Vorspiegelungen aus meinem Hause herausgeholt und hat mir eine Insul versprochen, auf die ich noch jetzt vergeblich warte.«

»Daß dir doch die schändlichen Insuln im Halse steckenblieben, du verwünschter Sancho!« versetzte die Nichte. »Insuln, was ist denn das? Ist’s was zu essen, du Naschmaul, du Vielfraß?«

»Nichts zu essen«, antwortete Sancho, »sondern was zu Statthaltern, besser als ein halb Dutzend Städte, und was zu verwalten, besser als ein halb Dutzend Oberhofrichterstellen.«

»Trotz alledem«, schrie die Haushälterin, »kommst du hier nicht herein, du Sack voller Schlechtigkeiten, du Sammelbüchse aller Bosheiten! Geh und statthaltere über dein Haus und bestell deine paar Brocken Land und laß die Hand von Insuln und Insulinnen.«

Mit großem Vergnügen hörten Pfarrer und Barbier dem Wortgefecht der drei zu; allein Don Quijote, in der Besorgnis, Sancho möchte sich verplaudern und einen Haufen boshafter Albernheiten zum besten geben und Einzelheiten berühren, die seinem Ansehen nicht zugute kommen könnten, rief ihn herbei und befahl den beiden Frauenzimmern, zu schweigen und ihn hereinzulassen. Sancho trat ein, und Pfarrer und Barbier nahmen Abschied von Don Quijote, an dessen Genesung sie verzweifelten, da sie sahen, wie fest er an seinen verrückten Einbildungen hing und wie er von der Einfältigkeit seines so übelfahrenden Rittertums besessen war.

Daher sprach der Pfarrer zum Barbier: »Ihr werdet sehen, Gevatter, wann wir uns dessen am wenigsten versehen, wird unser Junker von dannen ziehen und wieder auf die Falkenjagd gehen.«

»Daran hege ich keinen Zweifel«, versetzte der Barbier, »aber ich wundere mich nicht so sehr über die Narrheit des Ritters als über die Einfalt des Schildknappen, der an die Geschichte mit der Insul so festiglich glaubt, daß ich überzeugt bin, wenn er auch noch soviel Enttäuschungen erlebt, so bringt das ihm keine aus dem Hirnkasten wieder heraus.«

»Gott helfe ihnen zur Genesung!« sagte der Pfarrer; »wir wollen aufpassen und wollen sehen, worauf es hinauswill mit diesem Sammelsurium von Verrücktheiten eines solchen Ritters und eines solchen Knappen. Es sieht aus, als hätten die beiden ihre Torheiten in der nämlichen Form gemünzt, und die Narreteien des Herrn wären ohne die Albernheiten des Dieners nicht einen Pfennig wert.«

»Das ist wahr«, sprach der Barbier, »und es würde mich höchlich ergötzen, zu erfahren, was die beiden jetzt miteinander verhandeln.«

»Ich versichere Euch«, entgegnete der Pfarrer, »die Nichte oder die Haushälterin erzählt es uns hernach; denn sie sind sicher nicht von der Art, daß sie das Horchen unterlassen sollten.«

Inzwischen hatte sich Don Quijote mit Sancho Pansa in seinem Gemache eingeschlossen, und sobald sie sich allein sahen, sprach der Ritter: »Es tut mir sehr leid, Sancho, daß du gesagt hast und sagst, ich sei es gewesen, der dich aus dem Häuschen gebracht, da du doch weißt, daß auch ich nicht zu Hause geblieben. Zusammen sind wir von Hause fort, zusammen sind wir umhergezogen und zusammen gewandert; dasselbe Schicksal, dasselbe Los ist über uns beide ergangen; wenn du einmal gewippt wurdest, so bin ich hundertmal zerdroschen worden, das ist alles, was ich vor dir voraushabe.«

»Und das mit vollem Recht«, entgegnete Sancho; »denn wie Euer Gnaden sagt, hängt sich das Pech mehr an die fahrenden Ritter als an ihre Schildknappen.«

»Darin irrst du, Sancho«,, sprach Don Quijote, »nach jenem Spruche: Quando caput dolet, und so weiter.«

»Ich verstehe keine andre Sprache als meine Muttersprache«, versetzte Sancho.

»Ich will sagen«, fuhr Don Quijote fort, »wenn das Haupt schmerzt, so schmerzen alle Glieder. Da ich also dein Herr und Gebieter bin, so bin ich dein Haupt und du ein Glied von mir, da du mein Diener bist; und aus diesem Grunde muß jedes Leid, das mich trifft oder treffen wird, dich schmerzen und mich das deinige.«

»So sollte es sein«, sprach Sancho. »Aber dazumal, wo ich gewippt wurde als ein Glied, da verweilte das Haupt hinter der Hofmauer und sah zu, wie ich durch die Lüfte flog, ohne den geringsten Schmerz zu empfinden; und wenn es die Pflicht der Glieder ist, über das Leid des Hauptes Schmerz zu empfinden, so mußte es auch die Pflicht des Hauptes sein, ihren Schmerz mitzufühlen.«

»Willst du damit sagen«, entgegnete Don Quijote, »daß es mich nicht schmerzte, als du gewippt wurdest? Und wenn du das meinst, so darfst du es nicht sagen, ja es nicht einmal denken; denn ich fühlte damals mehr Schmerz in meinem Geiste als du in deinem Körper. Aber lassen wir dies für jetzt beiseite, es wird sich schon eine Zeit finden, wo wir es erörtern und richtigstellen können; und sage mir, Freund Sancho, was sagen die Leute von mir hier am Ort? Was urteilt über mich das Volk, was urteilen die Leute vom Junkerstand, was die Ritter? Was sagen sie von meiner Tapferkeit? was von meinen Taten? und was von meiner feinen Sitte? Was spricht man von der Aufgabe, der ich mich unterzogen, den bereits vergessenen Orden des Rittertums aufzuerwecken und der Welt wieder zurückzugeben? Kurz, ich verlange von dir, Sancho, daß du mir alles sagst, was hierüber dir zu Ohren gekommen ist; und das sollst du mir sagen, ohne das geringste dem Guten hinzuzufügen oder vom Schlimmen wegzulassen. Denn es ist die Art eines redlich treuen Lehensmannes, seinem Herrn die Wahrheit in ihrem Wesen und in ihrer eignen Gestalt zu künden, ohne daß Wohldienerei sie vergrößere oder irgendeine andre eitle Rücksicht sie verringere. Du mußt wissen, Sancho, wenn die Wahrheit nackt und ohne das Gewand der Schmeichelei zu den Ohren der Fürsten gelangte, dann wären die Zeiten anders und man würde andre Zeitalter eher eisern nennen als das unsre, welches, wie ich meine, unter denen, die die Welt bisher kennt, immerhin als das vergoldete gelten kann. Laß dir dieses zur Belehrung dienen, Sancho, auf daß du in verständiger und wohlmeinender Art über alles, was du in betreff meiner Frage erfahren hast, die Wahrheit mir zu Ohren bringest.«

»Das will ich sehr gerne tun«, sprach Sancho hierauf, »unter der Bedingung, daß Euer Gnaden über nichts von allem, was ich sage, in Ärger geraten darf, da Ihr verlangt, ich soll alles splitternackt sagen, ohne es in andre Gewänder zu kleiden, als wie es mir zu Ohren gekommen ist.«

»Keinesfalls werde ich mich ärgern«, entgegnete Don Quijote; »du kannst frei heraus und ohne alle Umschweife reden.«

»So ist denn das erste, was ich sage«, begann Sancho, »daß das Volk Euer Gnaden für einen der größten Narren und mich für nicht weniger verrückt hält. Die Leute vom Junkerstand sagen: Ihr habt Euch nicht in den Grenzen Eures Junkertums halten wollen und Euch ein Don vorgesetzt und habt Euch zum Ritter aufgeworfen mit einem halb Dutzend Rebstöcken und ein paar Morgen Land, mit einem Lumpen hinten und einem Lappen vorn. Die Ritter sagen, sie hätten es nicht gern, daß die Junker sich mit ihnen gleichstellen wollten, vollends solche Junker, die eigentlich nur vom Knappenstande sind, die ihre Schuhe mit Ruß schmieren und ihre schwarzen Strümpfe mit grüner Seide stopfen.«

»Das paßt nicht auf mich«, sprach Don Quijote, »denn ich bin stets gut gekleidet und nie geflickt; mit Rissen, das könnte schon sein, aber die Risse rühren eher von feindlichen Waffen als vom Abtragen.«

»Was Eure Tapferkeit, Feinheit des Benehmens, Taten und übernommene Aufgabe betrifft, da sind die Meinungen verschieden. Die einen sagen: ein Narr, aber ein ergötzlicher; die andern: ein tapferer Mann, aber stets im Pech; wieder andre: fein von Benehmen, aber täppisch und linkisch; und so reden sie hin und her über so vielerlei, daß sie an Euer Gnaden und an mir kein gutes Haar lassen.«

»Sieh, Sancho«, sprach Don Quijote, »wo immer sich die Tugend auf hoher Stufe zeigt, da wird sie verfolgt; wenige oder keiner von den berühmten Männern, die gelebt, konnten dem Schicksal entgehen, von der Bosheit verleumdet zu werden. Julius Cäsar, einem der kühnsten, geistvollsten und tapfersten Feldherrn, wurde vorgeworfen, er sei ehrgeizig und nicht ganz sauber, weder in seiner Kleidung noch in seinen Sitten. Von Alexander, dem seine Heldentaten den Namen des Großen erwarben, sagt man, er habe zur Trunksucht geneigt. Von Herkules, dem Mann der zwölf Arbeiten, erzählt man, er sei wollüstig und weichlich gewesen. Don Galaor, dem Bruder des Amadís von Gallien, sagt man nach, er sei allzu händelsüchtig, und von seinem Bruder, er sei ein Tränensack gewesen. So können denn, o mein Sancho, unter so vielen Verleumdungen gegen vortreffliche Männer die gegen mich auch mitlaufen, wenn sie nicht ärger sind, als was du gesagt hast.«

»Ja, da liegt eben der Hund begraben, bei meines Vaters Seel und Seligkeit!« entgegnete Sancho.

»Also geht es noch weiter?« fragte Don Quijote.

»Freilich«, antwortete Sancho; »sie haben die ganze Haut abgezogen bis auf den Schwanz, und der kommt jetzt dran. Alles Bisherige ist nur Honigkuchen und Zuckerbrot; aber wenn Euer Gnaden alles wissen will, was gegen Euch an Verleumdungen umläuft, will ich Euch augenblicks jemanden bringen, der Euch alles hersagt, ohne daß ein Bröckelchen daran fehlt. Gestern abend ist der Sohn des Bartolomé Carrasco angekommen, der hat in Salamanca ausstudiert und ist Baccalaureus worden; und als ich hinging und ihn willkommen hieß, da sagte er mir, daß die Geschichte von Euer Gnaden schon in Büchern steht unter dem Titel Der sinnreiche Junker Don Quijote von der Mancha; und er sagt auch, ich sei darin unter meinem eignen Namen Sancho Pansa aufgeführt und auch das Fräulein Dulcinea von Toboso nebst andrem, was ganz allein unter vier Augen zwischen uns beiden vorgegangen, und ich habe mich kreuzigen und segnen müssen vor Entsetzen, wie der Geschichtsschreiber, der die Geschichte geschrieben, das wissen konnte.«

»Ich versichere dir, Sancho«, versetzte Don Quijote, »irgendein gelahrter Zauberer muß der Verfasser unsrer Geschichte sein; denn solchen ist nichts von den Dingen verborgen, worüber sie schreiben wollen.«

»Und ob er ein gelahrter Mann und ein Zauberer war!« sprach Sancho. »Denn, so sagt der Baccalaureus Sansón Carrasco – so heißt der Mann, den ich erwähnt habe –, der Verfasser der Geschichte nennt sich Sidi Hamét Ben-Engerling.«

»Das ist ein maurischer Name«, sagte Don Quijote.

»So mag’s wohl sein«, entgegnete Sancho; »denn meistenteils, so hab ich sagen hören, kommen bei den Mauren die Engerlinge gar oft vor.«

»Jedenfalls«, sprach Don Quijote, »irrst du dich in dem Zunamen Sidi, denn das bedeutet in der arabischen Sprache ›Herr‹.«

»Das kann schon sein«, entgegnete Sancho, »aber wenn es Euer Gnaden angenehm ist, daß ich den Baccalaur gleich herkommen lasse, will ich ihn im Fluge herbeiholen.«

»Da tust du mir einen großen Gefallen«, sprach Don Quijote; »denn ich bin in Spannung ob deines Berichtes, und kein Bissen, den ich esse, wird mir schmecken, bis ich das Nähere über alles erfahre.«

»Nun, dann hole ich ihn«, versetzte Sancho, und seinen Herrn verlassend, ging er, den Baccalaureus aufzusuchen, und kehrte nach kurzer Zeit mit ihm zurück; und die drei führten sodann ein höchst ergötzliches Gespräch miteinander.

20. Kapitel


Worin die Hochzeit Camachos des Reichen erzählt wird, nebst den Begebnissen mit Basilio dem Armen

Kaum hatte die silberweiße Aurora dem leuchtenden Phöbus verstattet, mit der Glut seiner brennenden Strahlen die feuchten Perlen ihres goldenen Haares zu trocknen, als Don Quijote, die Trägheit von seinen Gliedern abschüttelnd, sich erhob und seinen Schildknappen Sancho rief, der noch schnarchte. Als Don Quijote ihn so liegen sah, sprach er zu ihm, bevor er ihn weckte: »O du Glückseliger vor allen, die auf der Erdenflur leben! Denn ohne Neid zu hegen oder beneidet zu werden, schlummerst du mit ruhigem Gemüte; nicht verfolgen dich Zauberer, nicht schrecken dich Zauberkünste. Schlummere, sag ich noch einmal und werd es noch hundertmal sagen, da keine Eifersucht auf deine Gebieterin dich in steter Nachtwache hält, da dir nicht der Schlaf verscheucht wird durch Sorgen, wie du fällige Schulden zahlen oder was du tun sollst, um auf den nächsten Tag Brot für dich und deine bedrängte kleine Familie zu schaffen. Weder quält dich Ehrgeiz, noch bekümmert dich der eitle Prunk der Welt; die Grenzen deiner Wünsche erstrecken sich nicht weiter als auf die Sorge für deinen Esel, denn die für deine Person hast du auf meine Schultern geladen, eine Last und Bürde, welche Natur und Herkommen den Herren auferlegt. Es schlummert der Diener, und der Herr wacht und sinnet nach, wie er ihn nähren, ihm voranhelfen und Wohltaten erweisen mag. Der Kummer, zu sehen, daß der Himmel ehern wird und der Erde nicht mit dem erforderlichen Naß zu Hilfe kommt, drückt den Diener nicht, sondern den Herrn, der bei Mißwachs und Hungersnot den Mann ernähren muß, der ihm gedient zur Zeit der Fruchtbarkeit und Fülle.«

Auf all das gab Sancho keine Antwort, denn er schlief und wäre nicht so bald aufgewacht, wenn Don Quijote ihn nicht mit dem Schaft seines Speers zum Bewußtsein gebracht hätte. Endlich wachte er auf, noch schlaftrunken und träge, wandte den Kopf nach allen Seiten und sprach: »Dort aus der Laube, wenn ich mich nicht irre, kommt ein Dunst und Geruch, weit eher von gerösteten Speckschnitten als von Heu und Thymian. Bei einer Hochzeit, die mit solchen Gerüchen anfängt, heilig Kreuzdonnerwetter! muß alles überreich und verschwenderisch hergehen.«

»Hör auf, Vielfraß«, sagte Don Quijote. »Komm, wir wollen uns diese Heirat mit ansehen, damit wir erfahren, was der verschmähte Basilio anfangen wird.«

»Mag er doch anfangen, was er will«, entgegnete Sancho; »er sollte eben nicht arm sein! Sonst könnte er Quitéria heiraten. Was, braucht man weiter nichts, als keinen Pfennig in der Tasche zu haben, und dann beim Heiraten über die Wolken hinauswollen? Wahrlich, Señor, ich bin der Meinung, der Arme soll mit dem zufrieden sein, was er findet, nicht aber Trüffeln aus dem Meer heraufgraben wollen. Ich will meine zehn Finger wetten, der Camacho kann den Basilio mit lauter Realen zudecken, und wenn dem so ist – und es muß doch so sein –, so wäre die Quitéria eine große Närrin, wollte sie all den Staat und die Schätze wegwerfen, die ihr Camacho sicher schon geschenkt hat und noch schenken kann, um dafür das Stangenwerfen und Kunstfechten des Basilio einzutauschen. Für einen guten Wurf mit der Eisenstange und für die schönste Finte mit dem Rapier gibt man keinen Schoppen Wein im Wirtshaus. Das sind Geschicklichkeiten und Talente, die unverkäuflich sind, und mag sie auch der Graf Dirlos besitzen; aber wenn derlei Talente von oben herab auf einen fallen, der brav Geld hat, da möcht ich ein Leben führen, so glänzend, wie dann diese Talente glänzen! Auf einem guten Boden kann man einen guten Bau aufführen, und der beste Boden und Baugrund auf Erden ist das Geld.«

»Um Gottes willen, Sancho«, fiel hier Don Quijote ein, »hör auf, ich glaube, wenn man dich die Predigten, die du jeden Augenblick anfängst, immer weiterfort halten ließe, würde dir keine Zeit bleiben zum Essen und zum Schlafen; du würdest sie ganz und gar verschwätzen.«

»Wenn Euer Gnaden ein gut Gedächtnis hätte«, entgegnete Sancho, »würdet Ihr Euch der verschiedenen Punkte in unsrem Übereinkommen erinnern, bevor wir dies letzte Mal von Hause zogen; von denen war einer, daß Ihr mich schwatzen lassen müßtet, soviel ich nur Lust hätte, sofern es nichts gegen den Nächsten wäre und nichts gegen die Euch schuldige Ehrerbietung, und bis jetzt meine ich nicht gegen diesen Punkt verfehlt zu haben.«

»Ich erinnere mich nicht eines solchen Artikels, Sancho«, sprach Don Quijote dagegen, »und falls dem auch so wäre, so will ich jetzt, du sollst schweigen und mitkommen; denn bereits beginnen die Instrumente, die wir gestern abend vernommen haben, das Tal wiederum zu erheitern, und ohne Zweifel wird die Vermählung in der Kühle des Morgens und nicht in der Hitze des Nachmittags gefeiert werden.«

Sancho tat, wie sein Herr ihm gebot, legte Rosinanten und seinem Esel den Sattel auf, und beide bestiegen ihre Tiere und ritten Schritt für Schritt dem Laubdach zu. Das erste, was sich Sanchos Blicken zeigte, war ein ganzer Ochse, der an einem Bratspieß aus einem ganzen Rüsterstamme steckte, und im Feuer, wo er gebraten werden sollte, lag ein wahrer Berg von Holz; die sechs Töpfe, die rings um die Glut herumstanden, waren nicht von der gewöhnlichen Form wie sonst wohl Töpfe, denn es waren sechs halbe Stückfässer, in deren jedes ein Metzgerladen voll Fleisch hineinging und welche ganze Hammel einschluckten und in ihrem Schoß bargen, ohne daß man sie von außen sehen konnte, gerade als wären es nur Täubchen. Abgebalgte Hasen und gerupfte Hühner hingen in wahren Mengen ringsum an den Bäumen, um alsbald in den Töpfen zu verschwinden; Geflügel und Wild aller Art war in unendlicher Menge da und hing an den Bäumen, um in der Luft abgekühlt zu werden. Sancho zählte mehr als sechzig Schläuche, jeden von mehr als zwanzig Maß, und alle, wie sich nachher zeigte, mit den edelsten Weinen gefüllt; so waren auch Massen weißesten Brotes aufgeschichtet, wie man auf den Tennen den Weizen in hohen Haufen liegen sieht. Die Käse, gitterförmig übereinandergelegt wie Backsteine, bildeten eine Mauer, und zwei Kessel mit Öl, größer als die in einer Färberei, dienten dazu, das Backwerk zu bereiten, welches man sodann wohlausgebacken mit zwei mächtigen Schaufeln herauslangte und in einen nebenan stehenden Kessel mit zerlassenem Honig tauchte. Die Zahl der Köche und Köchinnen überstieg die fünfzig, alle sauber angezogen, alle geschäftig und alle vergnügt. In dem weiten Bauch des Ochsen steckten eingenäht zwölf zarte Ferkel, um ihn schmackhafter und zarter zu machen. Die Gewürze aller Art schien man nicht pfund-, sondern zentnerweise gekauft zu haben; sie lagen sämtlich vor aller Augen da in einem großen Kasten. Kurz, die Zurüstungen zur Hochzeit waren zwar nach Bauernart, aber in solcher Fülle, daß man ein Kriegsheer damit hätte sättigen können.

Sancho sah sich alles an, betrachtete alles und hatte an allem sein Wohlgefallen. Zuerst ward seine Begierde von den Töpfen gefangengenommen und gefesselt, und er hätte sich aus ihnen gar zu gern ein gehöriges Frühstück geholt; gleich darauf gewannen die Schläuche seine Zuneigung und zuletzt das Backwerk in den Pfannen, wenn man solch prunkhafte Kessel als Pfannen bezeichnen darf; und da er es nicht länger aushalten konnte und es nicht in seiner Macht war, anders zu handeln, näherte er sich einem der geschäftigen Köche und bat ihn mit höflichen und hungrigen Worten, er möchte ihn einen Brocken Brot in einen dieser Töpfe eintunken lassen.

Darauf antwortete der Koch: »Mein Lieber, dank dem reichen Camacho ist dieser Tag keiner von denen, an denen der Hunger das Wort hat; steigt ab und seht zu, ob sich hierherum ein Suppenlöffel findet, und schöpft Euch ein oder zwei Hühner ab, und wohl bekomm’s Euch.«

»Ich sehe keinen«, erwiderte Sancho.

»Wartet einmal«, sagte der Koch. »Gott verzeih mir meine Sünden, wie zimperlich und ungeschickt seid Ihr doch!«

Mit diesen Worten ergriff er einen Schöpfeimer, fuhr damit in eines von den halben Stückfässern hinein, holte in dem Eimer drei Hühner und zwei Gänse heraus und sprach zu Sancho: »Esset, Freund, und vertreibt Euch den ersten Hunger mit diesem Abhub, bis die Essensstunde kommt.«

»Ich habe aber nichts, wo ich es hineintun kann«, entgegnete Sancho.

»So nehmt den Schöpfeimer und alles mit«, sagte der Koch; »Camachos Reichtum und Vergnügen am Bewirten gestatten alles.«

Während sich dies mit Sancho zutrug, schaute Don Quijote aufmerksam zu, wie zur einen Seite des Laubenganges gegen zwölf Bauern hereinritten auf wunderschönen Gäulen mit reichem prachtvollem Zaumzeug und einer Menge Schellen am Brustriemen; alle zwölf in festlich heiterer Tracht galoppierten in guter Ordnung, nicht nur einmal, sondern mehrmals über die Wiese unter freudigem Gejauchze und Geschrei und mit dem Ruf: »Es lebe Camacho und Quitéria, er so reich wie sie schön, und sie die Allerschönste auf Erden!«

Als Don Quijote das hörte, sprach er für sich: »Wohl sieht man, daß diese Leute meine Dulcinea von Toboso nicht gesehen haben, denn sonst würden sie ihre Lobreden auf diese ihre Quitéria wohl etwas mäßigen.«

Gleich darauf zogen zu verschiedenen Seiten der Laube viele und mannigfache Tanzgruppen herein; darunter war ein Schwertertanz von vierundzwanzig jungen Burschen, stattlichen und munteren Aussehens, sämtlich in feines und glänzend weißes Linnen gekleidet, mit passenden Kopftüchern, die mannigfarbige Stickereien aus feiner Seide zeigten. Ihren Führer, einen gewandten Jüngling, fragte einer der berittenen Bauern, ob sich etwa einer von den Tänzern verwundet habe.

»Bis jetzt hat sich Gott sei Dank keiner verwundet. Wir sind alle frisch und gesund.«

Und sogleich begann er sich mit seinen Genossen in den Verschlingungen der Tanzfiguren zu drehen mit so viel Wendungen und so vieler Gewandtheit, daß Don Quijote, wiewohl er des Anblicks von derlei Tänzen gewohnt war, keinen je so reizend gefunden hatte wie diesen. Desgleichen gefiel ihm eine andre Tanzgruppe, die jetzt hereinkam, bestehend aus schönen jungen Mägdelein, deren keine dem Anscheine nach unter vierzehn und über achtzehn Jahre alt war; sie waren alle in grünes Tuch von Cuenca gekleidet; ihr Haar, zum Teil geflochten, zum Teil frei fliegend, war bei allen so goldblond, daß es mit dem des Sonnengottes wetteifern konnte, und sie trugen es bekränzt mit Jasmin, Rosen, Amarant und Geißblatt. Ihre Führer waren ein ehrwürdiger Alter und eine Greisin, beide jedoch weit behender und leichtfüßiger, als ihre Jahre erwarten ließen. Ein zamoranischer Dudelsack spielte ihnen auf, und sie, in Gesicht und Augen Sittsamkeit, in den Füßen leichteste Gewandtheit zeigend, bewährten sich als die besten Tänzerinnen auf der Welt.

Nach diesem kam ein Figurentanz, einer von jener Art, die man redende Tänze nennt. Er wurde ausgeführt von acht Nymphen, die in zwei Reihen aufgestellt waren; Führer der einen Reihe war der Gott Kupido und der andern Reihe der Reichtum, jener geschmückt mit Flügeln, Bogen, Köcher und Pfeilen, dieser gekleidet in Gold und Seide von reichen und mannigfachen Farben. Die Nymphen, die dem Amor folgten, trugen ihre Namen am Rücken mit großen Buchstaben auf weißes Pergament geschrieben; Poesie hieß die erste, Klugheit die zweite, edle Abkunft die dritte, Tapferkeit die vierte. Auf dieselbe Weise waren die bezeichnet, die dem Reichtum folgten; Freigebigkeit lautete der Name der ersten, Geschenk der zweiten, Schatz der dritten, der der vierten friedlicher Besitz. Vor ihnen allen her kam eine Burg aus Holz, welche vier wilde Männer zogen, ganz in Efeu und grüngefärbtes Segeltuch gekleidet und so natürlich aussehend, daß sie Sancho beinahe in Schrecken gesetzt hätten. Vorn an der Burg und auf ihren vier Seiten stand geschrieben: Burg der züchtigen Wachsamkeit. Den Nymphen wurde von vier geschickten Tamburinschlägern und Flötenbläsern aufgespielt.

Kupido eröffnete den Tanz, und nachdem er zwei Figuren getanzt, blickte er auf, spannte den Bogen gegen eine Jungfrau, die zwischen die Zinnen der Burg trat, und sprach also zu ihr:

Ich, der Gott, der hoch in Lüften
Waltet wie in Erdentalen,
In des Meeres Wogengrüften,
Und wo, fern den Sonnenstrahlen,
Jammer herrscht in Abgrunds Klüften:
Nimmer bang ich, nimmer zag ich;
Alles, was ich will, vermag ich,
Ob auch, was ich will, unmöglich;
Alles, was auf Erden möglich,
Geb und nehm, gewähr, versag ich.

Die Strophe war zu Ende gesungen, Amor schoß einen Pfeil nach der Zinne der Burg und zog sich an seinen Platz zurück. Sogleich trat der Reichtum hervor und tanzte ebenfalls zwei Figuren; die Tamburine schwiegen, und er sprach:

Ich bin’s, dem selbst Amor weicht,
Der doch muß mein Führer werden;
Meinen Glanz hat nie erreicht,
Was der Himmel schafft auf Erden,
Da mir nichts an Reizen gleicht.
Reichtum heiß ich, meinetwegen
Geht die Welt auf schlechten Wegen;
Ohne mich will keiner leben.
Doch so, wie ich bin, ergeben,
Weih ich gern dir ewgen Segen.

Der Reichtum zog sich zurück, und nun trat die Poesie vor, die, nachdem sie ihre Figuren getanzt wie die andern, die Augen auf die Jungfrau der Burg heftete und sprach:

Hier in Reimen, zierlich netten,
Wild und milden, heißen, linden,
Weiß die Dichtkunst zu verketten
All ihr Denken und Empfinden,
Sendet dir’s in viel Sonetten.
Wirst du dich nicht spröd erweisen
Meiner Werbung, wird man preisen
Dein Geschick; trotz Neides Toben
Sieht es sich durch mich erhoben
Ob des Mondes hohen Kreisen.

Die Poesie trat ab, und aus der Gruppe des Reichtums trat die Freigebigkeit hervor, tanzte ihre Figuren und sprach:

Geben ist Freigebigkeit,
Wenn sich’s hält in rechter Mitte,
Von Verschwendung stets so weit
Wie von Geiz, der schnöden Sitte,
Der ein kaltes Herz sich weiht.
Doch dich preisend zu erheben,
Will ich der Verschwendung leben;
Ist’s ein Laster, ist’s doch Güte,
Zeugt von liebendem Gemüte,
Das man stets erkennt am Geben.

So traten alle Personen beider Gruppen auf und wieder ab; eine jede tanzte ihre Figuren und sprach ihre Verse, deren einige voll freier Wendungen, andre possierlich waren, von welchen aber Don Quijote in seinem Gedächtnis – obwohl dieses sehr gut war – nur die hier mitgeteilten behielt.

Alle Tänzer mischten sich nun untereinander, bildeten Verschlingungen und lösten sie wieder mit reizender Anmut und edler Unbefangenheit, und sooft Amor an der Burg vorüberkam, schoß er seine Pfeile hinauf, der Reichtum aber zerschlug an ihr vergoldete Sparbüchsen. Endlich, nachdem er eine geraume Weile getanzt hatte, zog der Reichtum einen mächtigen Beutel hervor, der aus dem Fell einer großen römischen Katze geschnitten war und mit Geld gefüllt schien, schleuderte ihn gegen die Burg, und durch den heftigen Wurf gingen die Holztafeln der Wände aus den Fugen und fielen zu Boden und ließen die Jungfrau ungedeckt und schutzlos. Der Reichtum eilte mit seinem ganzen Anhang herbei; sie warfen ihr eine lange goldene Kette um den Hals, und es sah aus, als ob sie sie ergriffen, überwältigten und gefangennähmen. Wie Amor und seine Helfer das sahen, machten sie Miene, als wollten sie die Jungfrau ihnen wieder entreißen. Alle Einzelheiten der ganzen Darstellung waren vom Schall der Tamburine, von dazu passenden Bewegungen und Tänzen begleitet. Die wilden Männer stifteten Frieden zwischen den Parteien, schlugen rasch die Bretterwände wieder auf und fügten sie zusammen, und die Jungfrau schloß sich wie von Anfang in die Burg ein. Damit endete der Tanz, zum großen Vergnügen der Zuschauer.

Don Quijote fragte eine der Nymphen, wer das Ballett entworfen und einstudiert habe. Sie antwortete, ein Meßpfründner im Dorfe hier, der in solchen Dingen sehr geschickt sei.

»Ich möchte wetten«, sprach Don Quijote, »der besagte Meßpfründner oder Baccalaureus wird besser freund mit Camacho als mit Basilio sein und sich besser auf Satire als auf Messelesen verstehen. Sehr gut hat er im Ballett Basilios Geistesgaben und Camachos Reichtum angebracht.«

Sancho Pansa, der dies mit anhörte, sagte: »Wes Brot ich eß, des Lied ich sing. Ich halte es mit Camacho.«

»Alles in allem«, entgegnete Don Quijote, »sieht man wohl, daß du eben ein Bauer bist und zu den Leuten gehörst, die sagen: Hoch der Sieger!«

»Ich weiß nicht, zu welchen Leuten ich gehöre«, entgegnete Sancho; »aber das weiß ich, daß ich aus Basilios Töpfen niemals einen so herrlichen Abhub schöpfen werde wie aus denen Camachos.«

Und hiermit zeigte er ihm den Schöpfeimer voller Gänse und Hühner, griff nach einem Huhn, begann in bester Laune und mit großem Appetit zu essen und sagte: »Mir schmeckt’s, trotz Basilios Talenten! Denn soviel einer hat, soviel ist einer wert, und es ist einer so viel wert, als er hat. Nur zweierlei Familienstämme gibt es auf der Welt, wie meine Großmutter sagte, das Hab-ich und das Hätt-ich, sie aber hielt es ganz allein mit dem Hab-ich. Heutigentags, mein verehrter Señor Don Quijote, fragt man: ›Wessen ist die Habe?‹ und nicht: ›Wessen ist die Geistesgabe?‹ Besitz gilt mehr als Witz, und ein Esel, mit Gold beladen, nimmt sich besser aus als ein Pferd mit einem Eselssattel. Und so sag ich nochmals: Ich halte es mit Camacho, denn aus seinen Töpfen hat man als reichlichen Abhub Gänse und Hühner, Hasen und Kaninchen, und aus Basilios Töpfen bekommt man höchstens, vielleicht auch tiefstens, nur Wassersuppe.«

»Bist du mit deiner Predigt fertig, Sancho?« sprach Don Quijote.

»Ich muß wohl damit fertig sein«, antwortete Sancho, »denn ich sehe, daß sie Euer Gnaden verdrießt; andernfalls fände ich noch für drei Tage Arbeit zugeschnitten.«

»Gott gebe«, erwiderte Don Quijote, »daß ich dich einmal stumm sehe, bevor ich sterbe.«

»Bei der Art Leben, das wir führen«, entgegnete Sancho, »werde ich lang vor Euer Gnaden Ableben Staub fressen, und dann bin ich wahrscheinlich so stumm, daß ich kein Wort mehr spreche bis ans Ende der Welt oder wenigstens bis zum Tage des Jüngsten Gerichts.«

»O Sancho«, versetzte Don Quijote, »auch dann wird doch deines Stillschweigens nie so viel werden, als was du geschwatzt hast, schwätzest und in deinem Leben noch schwätzen wirst, zumal es durchaus in der natürlichen Ordnung der Dinge liegt, daß der Tag meines Todes eher kommt als der des deinigen. Und sonach glaub ich, nimmer werde ich dich stumm sehen, nicht einmal, wenn du beim Trinken oder Schlafen bist – und das sagt alles.«

»Wahrlich, Señor«, gab Sancho darauf zur Antwort, »dem dürren Gerippe, ich meine dem Tod, ist nicht zu trauen; er frißt das Lamm wie den Hammel, und ich hab unsern Pfarrer sagen hören, er tritt mit gleichem Fuß in die hohen Burgen der Könige wie in die niederen Hütten der Armen. Dieser große Herr ist weit gewalttätiger als wählerisch; vor nichts ekelt es ihm, von allem frißt er, und alles ist ihm recht, und mit Leuten von jeder Art, jeglichem Lebensalter, jedem Rang und Stand füllt er seinen Zwerchsack. Er ist kein Schnitter, der sein Mittagsschläfchen hält; zu jeder Stunde mäht und schneidet er, dürres wie frisches Kraut, und er verschlingt und schluckt alles ungekaut hinunter, was ihm vorgesetzt wird, denn er hat einen Wolfshunger, der nie zu sättigen ist; und obschon er keinen Wanst hat, so ist’s doch, als hätte er die Wassersucht und als dürste ihn nach dem Leben aller Lebenden, wie einer einen Krug frisches Wasser hinuntertrinkt.«

»Nicht weiter, Sancho«, fiel Don Quijote hier ein; »bleib fest im Sattel und fall nicht herunter; denn wahrlich, was du in deiner Bauernsprache über den Tod gesagt hast, das hätte auch ein guter Prediger sagen können. Ich sage dir, Sancho, wenn du soviel Bildung hättest wie gute Anlagen, könntest du auf eine Kanzel steigen und weit in der Welt herum allerhand Schönes predigen.«

»Wer brav ist im Leben, der predigt auch brav«, entgegnete Sancho; »weiter weiß ich halt nichts von der Tologie.«

»Du brauchst auch nichts weiter«, sprach Don Quijote. »Aber da doch Gottesfurcht aller Weisheit Anfang ist, so kann ich wirklich nicht verstehn und begreifen, wie du, der sich vor einer Eidechse mehr fürchtet als vor dem lieben Gott, so mancherlei Weisheit in dich aufgenommen hast.«

»Gnädiger Herr, bekümmert Euch um Euer Ritterwesen«, versetzte Sancho, »und nicht um anderer Leute Furcht und Mut; ich fürchte Gott ganz so gebührlich wie jeder Bauernbursche im Dorf. Jetzt aber laßt mich mit diesem Abhub fertigwerden, denn alles andre sind müßige Worte, über die man dereinst im andern Leben Rechenschaft von uns fordern wird.«

Und mit diesen Worten begann er einen neuen Angriff auf seinen Schöpfeimer und tat das mit so mächtiger Eßlust, daß er derengleichen in Don Quijote erweckte, und dieser würde ihm ohne Zweifel geholfen haben, wenn ihn daran nicht ein Umstand gehindert hätte, der notwendigerweise nachher berichtet werden muß.

21. Kapitel


Wo die Hochzeitsfeier Camachos weitererzählt wird, nebst andern annehmlichen Begebnissen

Während Don Quijote und Sancho noch bei dem Zwiegespräch waren, das im vorigen Kapitel erzählt worden, hörte man lautes Schreien und großen Lärm; verursacht war es von den Berittenen, die in voller Jagd mit schallenden Rufen das Brautpaar zu empfangen eilten, das, umgeben von tausenderlei Instrumenten und allerhand Kunstfiguren, einherzog, geleitet von dem Pfarrer und der beiderseitigen Verwandtschaft und den ansehnlichsten Leuten aus den umliegenden Ortschaften; alle in festlicher Tracht. Als Sancho die Braut erblickte, sagte er: »Wahrhaftig, die geht in einem Anzug einher, nicht wie eine Bäuerin, sondern wie eine feine Hofdame. Weiß Gott, statt der Goldplättchen, die sie um den Hals hätte tragen sollen, seh ich prächtige Korallen, und das grobe grüne Tuch von Cuenca, hier ist’s dreißigfädiger Samt! Und freilich, der Besatz wird von weißen Linnenstreifen sein? Bei allen Heiligen, er ist von Atlas! Und seht nur mal, die Hände sind ja mit Ringen von Achat geschmückt – jawohl! Meiner Lebtage will ich kein Glück haben, wenn die Ringe nicht von Gold sind, von schwerem Gold und besetzt mit Perlen, so weiß wie Milch, für jede gäbe man ein Auge drum. O du Hurenkind, was für Haare! Wenn sie nicht falsch sind, hab ich mein Leben lang keine so lang und so blond gesehen. Und keiner soll mir etwas an ihrem feinen Anstand und an ihrem Wuchs aussetzen! Ist sie nicht wie eine Palme, die da sich sachte bewegt mit ihrer Bürde von Datteln in langen Trauben? Denn geradeso sehen die Geschmeide aus, die sie im Haar und am Hals hängen hat. Ich schwör’s bei meiner Seel, die ist noch vom rechten Schlag, die wird auch bei der Sandbank von Flandern sicher fahren.«

Don Quijote lachte über die bäurischen Lobreden Sancho Pansas; doch schien es ihm selbst, er habe außer seinem Fräulein Dulcinea von Toboso nie ein schöneres Weib gesehen. Die reizende Quitéria war ein wenig blaß; das kam gewiß von der schlaflosen Nacht, welche die Bräute stets mit den Zurüstungen für den kommenden Hochzeitstag verbringen. Der Zug wandte sich einer Bühne zu, die an der einen Seite der Laube aufgeschlagen und mit Teppichen und Zweigen geschmückt war; dort sollte die Trauung stattfinden, und von dort aus sollte man den Tänzen und den mancherlei Künsten zuschauen. Im Augenblicke aber, wo die Teilnehmer am Zug bei der Stelle anlangten, hörten sie hinter ihrem Rücken ein großes Geschrei, und jemand rief: »Wartet doch noch, ihr Leute! Ihr seid ebenso unüberlegt als übereilt!«

Auf diesen Ruf, auf diese Worte wandten sich alle um und sahen, daß das Geschrei von einem Manne ausgestoßen wurde, dessen Kleidung aussah wie ein schwarzer Kittel mit einem Saum von hochrot geflammter Seide. Er trug auf dem Kopfe, wie man alsbald bemerkte, einen Kranz von unglückbedeutenden Zypressen, in den Händen einen langen Stab. Als er näher kam, erkannten alle in ihm den wackeren Basilio, und alle standen voll Spannung, was er mit seinem Rufen und seinen Worten bezwecke, da sie von seinem Erscheinen in einem solchen Augenblick nur Schlimmes befürchten konnten.

So nahte er denn, abgemüdet und atemlos, und vor das Brautpaar tretend, stieß er seinen Stab mit der stählernen Spitze fest in den Boden und heftete die Augen starr auf Quitéria; erbleichend sprach er mit heiserer, fürchterlicher Stimme folgende Worte: »Wohl weißt du, undankbare Quitéria, daß nach dem heiligen Glauben, zu dem wir uns bekennen, du, solang ich lebe, keinen andern Gatten nehmen kannst; und zugleich ist es dir nicht unbekannt, daß ich, in der Hoffnung, die Zeit und mein Fleiß würden meine Glücksumstände bessern, niemals die Rücksichten der Ehrbarkeit außer Augen lassen wollte, die deiner jungfräulichen Würde gebührten. Du aber hast alle Verpflichtungen, die du meinen redlichen Absichten schuldest, hinter dich geworfen und willst zum Herrn dessen, was mein ist, einen andern erheben, dessen Reichtümer ihm nicht nur einen hohen Glücksstand, sondern jetzt die höchste Seligkeit gewähren; und damit er diese, wie er sie meiner Meinung nach nicht etwa verdient, sondern wie der Himmel sie ihm zu schenken beliebt, voll und ganz besitzt, will ich mit eignen Händen die Unmöglichkeit oder das Hindernis, das sie ihm verwehren kann, beseitigen, will mich aus dem Wege schaffen. Es lebe, es lebe der reiche Camacho mit der undankbaren Quitéria lange glückselige Jahre! Und es sterbe, es sterbe der arme Basilio, dessen Armut seinem Glück die Flügel verschnitten und ihn ins Grab gestürzt hat!«

Und mit diesem Wort ergriff er den Stab, den er in den Boden gestoßen; dessen eine Hälfte blieb in der Erde stecken und entpuppte sich als die Scheide eines schmalen Stoßdegens, der in ihr verborgen gewesen; er stemmte das andre Ende, das man den Griff nennen konnte, wider den Boden, mit raschem Mute und fester Entschlossenheit stürzte er sich auf den Degen, und in einem Augenblick sah man die blutige Spitze mit der Hälfte der Stahlklinge zum Rücken herausdringen. Der Arme lag in seinem Blute gebadet auf dem Boden hingestreckt, von seiner eignen Waffe durchbohrt. Seine Freunde eilten sofort ihm zu Hilfe, tief erschüttert von seinem Leid und seinem Unglück. Auch Don Quijote ließ seinen Rosinante im Stich und kam, ihm beizustehen; er nahm ihn in die Arme und fand, daß das Leben ihm noch nicht geschwunden war. Man wollte ihm die Klinge herausziehen, allein der Pfarrer, der dabeistand, war der Meinung, man sollte sie ihm noch nicht herausziehen, bis er gebeichtet habe, da das Herausziehen des Degens und das Verscheiden Sache eines und desselben Augenblicks sein würden. Jetzt aber kam Basilio wieder einigermaßen zu sich und sagte mit schmerzbewegter schwacher Stimme: »Wolltest du, grausame Quitéria, in dieser unabänderlichen letzten Not mir die Hand als Gattin reichen, so würde ich glauben, meine vermessene Tat könne noch Entschuldigung verdienen, da ich durch sie das Glück errungen hätte, der Deinige zu sein.«

Als der Pfarrer diese Worte hörte, sagte er ihm, er solle lieber an das Heil der Seele als an des Leibes Freuden denken und aufrichtig Gott um Verzeihung anflehen für seine Sünden und seinen verzweifelten Entschluß.

Darauf entgegnete Basilio, er werde keinesfalls beichten, wenn ihm Quitéria nicht zuvor die Hand als seine Gattin gereicht habe; dies frohe Bewußtsein würde ihm zum Beichten den Willen kräftigen und den Mut gewähren.

Als Don Quijote die Bitte des Verwundeten vernahm, sprach er mit hocherhobener Stimme, was Basilio verlange, sei gerecht und wohlbegründet und außerdem leicht ausführbar; und der Herr Camacho werde sich ebenso geehrt fühlen, wenn er das Fräulein Quitéria als Witwe des mannhaften Basilio, wie wenn er sie aus den Händen ihres Vaters empfinge. »Hier darf weiter nichts als ein Ja erfolgen, das keinen andern Wert haben soll, als daß es ausgesprochen wird; denn das Hochzeitsbett dieser Ehe wird ja doch das Grab sein.«

Alles das hörte Camacho mit an, und alles brachte ihn in Verwirrung und Bestürzung; er wußte nicht, was er tun oder sagen sollte. Allein das Geschrei von Basilios Freunden ward immer dringender, sie baten ihn inständig, er möge doch zugeben, daß Quitéria ihm die Hand als Gattin reiche, damit er nicht in Verzweiflung aus diesem Leben scheiden müsse und seine Seele nicht in Verdammnis komme; und so vermochten sie ihn oder vielmehr nötigten sie ihn gewaltsam zu der Erklärung, wenn Quitéria dem Basilio die Hand reichen wolle, so sei er es zufrieden, da das Ganze ja doch nur die Erfüllung seiner Wünsche um einen Augenblick verzögere.

Don Quijote

Sogleich wandten sich alle an Quitéria; und die einen mit Bitten, die andern mit Tränen, wieder andre mit zwingenden Gründen, redeten sie ihr zu, sie möchte doch dem armen Basilio die Hand reichen. Sie aber, härter als Marmor und starrer als eine Bildsäule, sah aus, als ob sie kein Wort zu erwidern wüßte oder vermöchte oder den Willen hätte; und in der Tat hätte sie nicht geantwortet, wenn ihr der Pfarrer nicht gesagt hätte, sie müsse sich eiligst entscheiden, was sie tun wolle, denn Basilio habe die Seele schon auf den Lippen schweben und sei nicht in der Lage, schwankende Entschlüsse abzuwarten.

Die schöne Quitéria, ohne ein Wort zu erwidern, dem Anscheine nach ohne Fassung, traurig und tiefbekümmert, schritt der Stelle zu, wo Basilio lag, der bereits die Augen verdrehte, kurz und keuchend atmete, zwischen den Lippen den Namen Quitéria flüsterte und deutlich zeigte, daß er als Heide und nicht als Christ sterben werde. Endlich trat Quitéria näher heran, warf sich auf die Knie und bat ihn durch Zeichen, nicht mit Worten, um seine Hand. Basilio riß die Augen weit auf, sah sie unverwandten Blickes an und sprach zu ihr: »O Quitéria, so bist du endlich barmherzig geworden, jetzt, wo dein Erbarmen zum Dolche werden muß, mir das Leben vollends zu rauben; denn schon habe ich nicht Kräfte mehr, daß ich die Wonne ertragen könnte, von dir zu deinem Gatten erkoren zu werden, oder daß ich dem Schmerz Einhalt tun könnte, der schon eilig mir mit dem grausigen Schatten des Todes die Augen umhüllen will! Was ich von dir erbitte, ist dies eine, o du mein Unglücksstern: Wenn du jetzt meine Hand begehrst und die deine mir reichen willst, so tu es nicht aus leerer Gefälligkeit oder um mich abermals zu täuschen, sondern bekenne und erkläre, daß du deinem Willen nicht Gewalt antust, vielmehr sie mir reichst als einem rechtmäßigen Ehegatten; denn es wäre unrecht, wenn du in dieser Todesnot mich täuschen und Verstellung gegen den üben wolltest, der stets so wahr gegen dich gewesen.«

Während er dies sprach, wurde er wiederholt ohnmächtig, und alle Anwesenden dachten, jede Ohnmacht würde seinen Lebenshauch mit sich fortnehmen. Quitéria, züchtig und verschämt, ergriff Basilios Hand mit ihrer Rechten und sagte: »Keine Gewalt vermag je meinen Willen zu beugen, und so, mit der größten Willensfreiheit, deren ich fähig bin, reiche ich dir die Hand als dein rechtmäßiges Weib und nehme die deinige an, sofern du mir sie aus freiem Entschlusse reichst, ohne daß das Unglück, in welches deine Verzweiflungstat dich gebracht, dir das Bewußtsein stört oder vernichtet.«

»Ja, so reiche ich sie dir«, entgegnete Basilio, »weder verstört noch wirr im Geiste, sondern mit dem klaren Verstande, den es dem Himmel gefiel mir zu verleihen, und so gebe und übereigne ich mich dir als deinen Ehegatten.«

»Und ich mich dir als Gattin«, sprach Quitéria dagegen, »ob du nun lange Jahre lebest oder ob man dich aus meinen Armen zu Grabe trägt.«

»Dafür, daß dieser Bursche so schwer verwundet ist«, bemerkte hier Sancho Pansa, »spricht er wirklich viel. Macht doch, daß er von seinem verliebten Gerede abläßt und an das Heil seiner Seele denkt; sie schwebt ihm zwar eigentlich schon auf den Lippen, sitzt ihm aber meines Erachtens noch immer fest auf der Zunge.«

Als nun Basilio und Quitéria die Hände verschlungen hielten, gab ihnen der Pfarrer gerührt und mit Tränen seinen Segen und betete zum Himmel, der Seele des Neuvermählten glückselige Ruhe zu gewähren. Aber dieser hatte kaum den priesterlichen Segen empfangen, da sprang er rasch und behende auf die Füße und zog mit unerhörter Verwegenheit den Degen heraus, dem sein Körper als Scheide gedient hatte. Die Umstehenden alle gerieten in Erstaunen, und einige unter ihnen, die mehr Einfalt als Scharfsinn besaßen, begannen mit lauter Stimme zu rufen: »Wunder, ein Wunder!« Jedoch Basilio entgegnete: »Saget nicht Wunder, Wunder, sondern List, nur List.«

Der Pfarrer trat erstaunt und außer sich näher und befühlte mit beiden Händen die Wunde und fand, daß die Klinge dem Basilio keineswegs durch Fleisch und Rippen gegangen war, sondern durch eine eiserne Röhre, die an der richtigen Stelle geschickt angebracht und mit Blut gefüllt war; das Blut, wie man später erfuhr, war so zubereitet, daß es nicht gerinnen konnte. Nach alledem hielten sich der Pfarrer und Camacho nebst den meisten Umstehenden für betrogen und verhöhnt. Die Neuvermählte indes schien den Spaß durchaus nicht übelzunehmen; im Gegenteil, als sie hörte, diese Vermählung könne nicht gültig sein, entgegnete sie, sie erkläre die Ehe aufs neue für rechtskräftig. Daraus schlossen denn alle, die ganze Sache sei mit Wissen und Willen beider so geplant worden, und Camacho und seine Anhänger wurden darob so erbittert, daß sie ihre Rache der Gewalt der Fäuste anheimstellen wollten; es wurden nicht wenige Schwerter gezogen, und die Gegner stürmten auf Basilio ein, dem zur Hilfe wohl ebenso viele Schwerter aus der Scheide fuhren. Aber Don Quijote, hoch zu Roß, kam allen zuvor, und den Speer im Arm, wohlgedeckt mit seinem Schild, zwang er alle, ihm Raum zu geben.

Sancho, welchen derlei Auftritte nimmermehr behaglich oder erfreulich deuchten, suchte Zuflucht bei den Fleischtöpfen, aus denen er seinen lieblichen Abhub geschöpft hatte, denn die Stätte dieser Töpfe erschien ihm wie eine geweihte Freistatt, die jedermann achten werde.

Don Quijote rief mit dröhnender Stimme: »Haltet ein, ihr Herren, haltet ein! Es ist wider Recht und Vernunft, Rache zu suchen für Kränkungen, die die Liebe uns zufügt. Bedenket, Krieg und Liebe sind eins und dasselbe; und so wie es im Krieg erlaubt und herkömmlich ist, schlaue Künste und Kriegslisten anzuwenden, um den Feind zu besiegen, so gelten auch im Kampf und Wettstreit der Liebe Listen und Ränke als recht und billig, wenn sie den Zweck haben, das ersehnte Ziel zu erreichen, sofern sie nur dem geliebten Gegenstand nicht zur Schädigung und Unehre gereichen. Quitéria gehörte dem Basilio, Basilio gehörte Quitéria an durch des Himmels gerechte und gütige Fügung. Camacho ist reich und kann sich seines Herzens Wunsch erkaufen, wann, wo und wie es ihm fürderhin beliebt. Basilio besitzt nur dies eine Schäflein, und keiner darf es ihm rauben, so mächtig er auch sei; denn ein Paar, das Gott zusammenfügt, soll der Mensch nicht scheiden, und wer es versuchen wollte, der soll mit der Spitze dieses Speeres zu tun bekommen!«

Und mit diesen Worten schwang er den Speer so gewaltig und so gewandt, daß er jeden, der ihn nicht kannte, mit Furcht erfüllte. Aber auf Camachos Gemüt machte Quitérias geringschätziges Benehmen einen so tiefen Eindruck, daß er sie in einem Augenblick aus seinem Angedenken auslöschte, und daher fanden die Vorstellungen des Pfarrers, der ein verständiger und wohlgesinnter Mann war, Gehör bei ihm und bewirkten, daß er und seine Leute bald friedlichen Sinnes wurden und sich beruhigten. Zum Zeichen dieser Gesinnung steckten sie die Schwerter wieder ein, indem sie Quitérias Leichtfertigkeit mehr als der List Basilios die Schuld an allem beimaßen. Camacho seinerseits bedachte, wenn Quitéria schon als Mädchen den Basilio liebhatte, würde sie als Ehefrau ihn liebbehalten, und er müsse dem Himmel eher dafür danken, daß er jetzt sie ihm genommen, als daß er sie vorher ihm gegeben habe.

Da nun Camacho und seine Anhänger sich getröstet und zum Frieden bekehrt hatten, beruhigten sich auch die Parteigänger Basilios, und der reiche Camacho, um zu zeigen, daß er ob des ihm gespielten Streichs nicht grolle, ja sich gar nichts aus ihm mache, wollte, daß die Festlichkeiten ihren Gang weitergehen sollten, gerade als ob er wirklich Hochzeit hielte. Allein Basilio und seine Gattin und seine Anhänger wollten dem Feste nicht beiwohnen, und sie zogen daher nach Basilios Dorfe, denn auch die Armen, wenn sie tugendsam und geistig begabt sind, finden Leute, die sie treulich geleiten, in Ehren halten und schützen, wie die Reichen Leute haben, die ihnen schmeicheln und zur Gesellschaft dienen.

Die Freunde des jungen Paares nahmen Don Quijote mit, weil sie ihn für einen tüchtigen Mann hielten, der Haare auf den Zähnen habe. Nur allein dem guten Sancho verdüsterte sich das Gemüt, da er nun die Unmöglichkeit sah, Camachos prachtvolles Mahl und Fest abzuwarten, das bis in die Nacht hinein dauerte, und so folgte er ratlos und betrübt seinem Herrn, der mit Basilios Genossenschaft von dannen zog. So ließ er die Fleischtöpfe Ägyptens hinter sich zurück, wiewohl er sie in seinem Herzen mitnahm, da ihr beinahe schon verzehrter und aufgegessener Abhub, den er im Schöpfeimer bei sich führte, ihm die Herrlichkeit und Fülle des verlorenen Glücks vor Augen stellte. Und also, in Trauer versunken und in Gedanken verloren, wenn auch frei von Hunger, folgte er auf seinem Grauen den Spuren Rosinantes.

22. Kapitel


Woselbst Bericht erstattet wird über das Abenteuer in der Höhle des Montesinos, welche sich im tiefsten Innern der Mancha befindet, und wie der mannhafte Don Quijote von der Mancha selbiges Abenteuer zu glückhaftem Ende geführt

Herrlich und reichlich war die Bewirtung und Pflege, die Don Quijote bei den Neuvermählten fand. Sie fühlten sich ihm verpflichtet ob der Proben seines Heldentums, die er als Verteidiger ihrer Sache abgelegt, und ebenso hoch wie seine Tapferkeit stellten sie seinen verständigen Geist, da sie ihn für einen Cid im Waffenwerk und für einen Cicero in der Beredsamkeit hielten. Der biedre Sancho erlustete sich drei Tage lang auf Kosten der jungen Eheleute. Von diesen erfuhr man, daß die angebliche Verwundung keineswegs ein mit der schönen Quitéria verabredeter Anschlag war, sondern ausschließlich eine List Basilios, der von ihr genau den Erfolg erhoffte, der wirklich eingetreten war. Allerdings gestand er ein, er habe einigen seiner Freunde Mitteilung von seinem Plan gemacht, damit sie im erforderlichen Augenblick seine Absicht unterstützen und seinem Trug nachhelfen könnten.

»Das kann und darf man nicht Trug nennen«, sagte Don Quijote, »was tugendsame Ziele im Auge hat«; und daß ein liebendes Paar sich vermähle, fügte er bei, sei das höchste, das edelste Ziel. »Dabei ist zu beachten«, fuhr er fort, »daß die größten Feinde, die die Liebe hat, Hunger und dauernde Not sind; denn die Liebe ist ganz und gar Freude, Ergötzen und Wonne, zumal wenn der Liebende im Besitz des geliebten Gegenstands ist, Not und Armut aber sind ihre erklärten Feinde.«

Alles das, bemerkte er dann, sage er, um Señor Basilio zu bewegen, daß er von der Ausübung seiner Talente fürderhin abstehe; denn wenn sie ihm auch Ehre verschafften, so verschafften sie ihm doch kein Geld; er möge sich also darauf legen, mit den erlaubten Mitteln der Betriebsamkeit, an denen es verständigen und fleißigen Leuten nie fehle, Vermögen zu erwerben. »Der Arme«, sagte er weiter, »der ein Mann von Ehre ist – sofern nämlich der Arme für einen Mann von Ehre erachtet werden kann –, besitzt einen Schatz, wenn er ein schönes Weib sein eigen nennt, und raubt man ihm diesen Schatz, so raubt und mordet man ihm seine Ehre. Ein Weib, das schön und ehrenhaft, wenn ihr Mann arm ist, verdient, mit den Lorbeern und Palmen des Siegs und Triumphes bekränzt zu werden. Die Schönheit für sich allein zieht alle an, die sie erschauen und kennenlernen, und wie auf eine wohlschmeckende Lockspeise schießen auf sie herab die königlichen Aare und anderes hochfliegendes Federspiel; aber wenn sich dieser Schönheit Not und Dürftigkeit gesellt, dann fallen auch die Raben sie an und die Habichte und die andern Raubvögel, und die Frau, die gegen soviel Angriffe fest bleibt, verdient wohl ihres Mannes Krone genannt zu werden.

»Erwäget, verständiger Basilio«, fügte Don Quijote noch bei: »Es war die Meinung eines, ich weiß nicht welches Weisen, es gebe in der ganzen Welt nur eine einzige brave Frau; und er gab den Rat, jeder solle meinen und festiglich glauben, jene einzige brave sei eben die seine, dann werde er ein zufriedenes Leben führen. Ich bin nicht verheiratet, und bis jetzt ist es mir auch nicht in den Sinn gekommen zu heiraten, aber dessenungeachtet würde ich mich erkühnen, dem, der mich darum bäte, Rat zu erteilen, welchen Weg er bei der Wahl einer Frau einschlagen soll. Fürs erste würde ich ihm raten, mehr auf guten Namen zu sehen als auf Vermögen, denn das tugendhafte Weib erlangt einen guten Namen nicht bloß dadurch, daß sie tugendhaft ist, sondern dadurch, daß sie es auch scheint; die Ehre der Frau leidet weit mehr durch Unvorsichtigkeiten und freies Benehmen in der Öffentlichkeit als durch heimliche Schlechtigkeiten. Wenn du eine tugendsame Frau in dein Haus führst, so ist es wohl leicht, sie in ihrer Tugend zu erhalten, ja sie darin noch vorzüglicher zu machen; aber führst du eine schlechte heim, so wird es dir große Mühsal bereiten, sie zu bessern; denn es ist nicht leicht, von einem Äußersten zum andern überzugehen. Ich sage nicht, es sei unmöglich, aber ich halte es für schwer.«

Alles dies hörte Sancho mit an und sprach zu sich selber: Dieser mein Herr, wenn ich von etwas rede, das Hand und Fuß hat, pflegt zu sagen, ich könnte eine Kanzel zur Hand nehmen und in der Welt herumziehn und allerhand Schönes predigen; ich aber sage von ihm, wenn er anfängt, Sprüche aneinanderzureihen und Ratschläge zu erteilen, kann er nicht nur eine Kanzel zur Hand nehmen, sondern zwei auf jeden Finger, und kann auf den Marktplätzen umher reden gehn, Herz, was begehrst du. Hol dich der Kuckuck, was für ein fahrender Ritter bist du, daß du so vieles weißt und verstehst! Ich dachte in meinem Sinn, er wisse weiter nichts, als was sein Rittertum angeht; aber es gibt gar nichts, woran er nicht pickt und seinen Schnabel hineinsteckt.

Sancho murmelte das ein wenig lauter; sein Herr hörte etwas davon und fragte ihn: »Was murmelst du vor dich hin, Sancho?«

»Ich sage nichts, ich murre über nichts«, antwortete Sancho; »ich sagte nur so bei mir, was Euer Gnaden da gesprochen hat, hätte ich vor meiner Verheiratung hören sollen; dann würde ich vielleicht jetzo sagen: Der Ochs, der nicht im Joche steckt, sieh, wie sich der behaglich leckt.«

»Ist denn deine Teresa so schlimm, Sancho?« fragte Don Quijote.

»Sie ist nicht besonders schlimm«, antwortete Sancho, »aber auch nicht besonders gut; wenigstens ist sie nicht so gut, wie ich es wünschte.«

»Du tust übel daran, Sancho«, sagte Don Quijote, »wenn du von deiner Frau schlecht sprichst; am Ende ist sie doch die Mutter deiner Kinder.«

»Wir bleiben einander nichts schuldig«, entgegnete Sancho; »auch sie spricht von mir nichts Gutes, wenn es ihr einfällt, besonders wenn sie eifersüchtig ist; alsdann mag’s der Teufel mit ihr aushalten.«

Drei volle Tage blieben die beiden nun bei den Neuvermählten und wurden da gepflegt und bedient wie die Prinzen. Don Quijote bat den fechtkundigen Lizentiaten, ihm einen Führer zu verschaffen, der ihn zur Höhle des Montesinos geleiten sollte; denn er hatte ganz besondre Lust, in diese einzudringen und mit eigenen Augen zu sehen, ob die Wunder wahr seien, die man in der ganzen Umgegend von ihr erzählte. Der Lizentiat versprach, ihm einen Vetter von sich mitzugeben, einen studierten Mann von großen Verdiensten und besonderen Liebhaber von Ritterbüchern; dieser werde ihn sehr gern bis an den Eingang der besagten Höhle bringen und ihm auch die Ruidera-Seen zeigen, die ebenfalls in der ganzen Mancha, ja in ganz Spanien berühmt seien. Er fügte hinzu, der Ritter würde angenehme Unterhaltung bei ihm finden, denn der junge Mann verstehe sich darauf, Bücher zu schreiben, die geeignet seien, gedruckt und fürstlichen Personen gewidmet zu werden.

Der Vetter kam denn auch bald auf einer trächtigen Eselin heran, deren Sattel mit einem bunten Teppich oder einer Decke belegt war. Sancho sattelte Rosinante, richtete seinen Grauen und versorgte seinen Zwerchsack, welchem der ebenfalls wohlgefüllte des Vetters Gesellschaft leistete, und sich dem lieben Gott befehlend und von allen Abschied nehmend, begaben sie sich auf den Weg und schlugen die Richtung nach der weltberühmten Höhle des Montesinos ein.

Unterwegs fragte Don Quijote den Vetter, welcher Art und Beschaffenheit seine Arbeiten, sein Beruf und seine Studien seien. Darauf antwortete dieser, sein Beruf sei die Beschäftigung mit den schönen Wissenschaften; seine Arbeiten und Studien bestünden darin, Bücher für den Druck zu schreiben, der Allgemeinheit zu großem Nutzen und nicht minder zum Vergnügen. Eines derselben heiße Das Buch von den Rittertrachten, wo er siebenhundertunddrei solche Trachten mit ihren Farben, Wahlsprüchen und sinnbildlichen Zeichen schildere, aus denen die Ritter am Hofe alle ihnen beliebigen bei Festen und Ergötzlichkeiten auswählen und entnehmen könnten, ohne sie erst von jemandem erbetteln und sich, wie man wohl sagt, den Kopf zerbrechen zu müssen, um etwas ihren Wünschen und Absichten Entsprechendes auszusinnen. »Denn«, sagte er, »ich gebe dem Eifersüchtigen, dem Verschmähten, dem Vergessenen und dem Abwesenden diejenigen, die für ihn passen, Trachten, die ihnen allen gerecht und also nicht sündhaft sind. Ich habe auch noch ein Buch unter der Feder, das Die Verwandlungen oder der spanische Ovid heißen soll, von neuer und ganz eigentümlicher Erfindung; denn darin ahme ich Ovid in burlesker Weise nach und stelle dar, was die Giralda von Sevilla und der Engel der Magdalena war, was der Graben von Vecingusrra zu Córdoba, was die Stiere von Guisando, die Sierra Morena, die Brunnen in den Gemarkungen von Leganitos und Lavapiés, nicht zu vergessen den Läusebrunnen, den goldenen Brunnen und den der Priorin; und das alles mit den zugehörigen Allegorien, poetischen Figuren und Verwandlungen, so daß es zu gleicher Zeit unterhält, spannt und belehrt. Noch ein anderes Buch habe ich, mit dem Titel Ergänzungen zu Polydorus Vergilius, das von der Erfindung der Dinge handelt; es ist ein Buch von großer Gelehrsamkeit und tiefem Studium, da ich alles Wesentliche, was Polydorus übergangen hat, ergründe und in artiger Weise darstelle. Polydorus Vergilius hat zum Beispiel vergessen, uns zu berichten, wer zuerst auf der Welt den Schnupfen hatte, wer zuerst Einreibungen gebraucht hat, um sich von der Franzosenkrankheit zu heilen, und ich berichte es aufs genaueste und beweise es mit mehr als einem Viertelhundert Quellenschriftstellern; da kann Euer Gnaden ersehn, ob ich tüchtig gearbeitet habe und ob das Buch nicht der ganzen Welt von Nutzen sein muß.«

Sancho, der den Mitteilungen des Vetters sehr aufmerksam gefolgt war, sprach zu ihm: »Sagt mir doch, Señor, so wahr Euch Gott Euer Glück mit der Bücherschreiberei machen lasse, wißt Ihr auch – aber sicher werdet Ihr es wissen, denn Ihr wißt ja alles –, wer war der erste, der sich den Kopf gekratzt hat? Ich meine, es muß unser Stammvater Adam gewesen sein.«

»Der wird es wirklich gewesen sein«, entgegnete der Vetter; »denn ohne Zweifel hat Adam Kopf und Haar gehabt, und da dem so ist und da er der erste Mensch auf Erden war, wird er sich auch manchmal gekratzt haben.«

»Das glaub ich auch«, sprach Sancho darauf; »aber sagt mir jetzt, wer hat den ersten Purzelbaum auf der Welt geschlagen?«

»Wahrlich, lieber Freund«, antwortete der Vetter, »das kann ich jetzt im Augenblick nicht sagen, bevor ich es studiert habe; ich will es aber studieren, sobald ich heimkehre, wo ich meine Bücher habe, und will Euch Bescheid geben, wenn wir uns das nächstemal wiedersehn, denn dies wird gewiß nicht das letztemal sein.«

»Nun, so hört, Señor«, versetzte Sancho, »Ihr braucht Euch damit nicht zu plagen, denn eben bin ich draufgekommen, wie meine Frage zu beantworten ist. Wisset also, den ersten Purzelbaum auf der Welt hat Luzifer geschlagen; als man ihn aus dem Himmel hinausstieß oder hinabstürzte, schlug er lauter Purzelbäume, bis er in den höllischen Abgrund hinabpurzelte.«

»Du hast recht, Freund«, sagte der Vetter.

Und Don Quijote sprach: »Diese Frage und diese Antwort sind nicht auf deinem Acker gewachsen, Sancho; du hast sie von jemandem einmal gehört.«

»Seid nur still, Señor«, erwiderte Sancho; »denn wahrhaftig, wenn ich mich einmal aufs Fragen und Antworten verlege, so werde ich von jetzt bis morgen früh nicht fertig. Ja, so ist’s, denn um Dummheiten zu fragen und Narreteien zu antworten, brauche ich keine Nachbarshilfe.«

»Du hast vernünftiger gesprochen, Sancho, als du selber weißt«, versetzte Don Quijote. »Es gibt Leute, die sich abmühen, Dinge zu lernen und zu ergründen, die ihrem Verstand und Gedächtnis keinen Deut frommen.«

Unter diesen und andern erheiternden Gesprächen verging ihnen dieser Tag, und zur Nacht nahmen sie in einem Dörfchen Herberge, wo der Vetter zu dem Ritter sagte, es sei von da bis zur Höhle des Montesinos nicht weiter als zwei Meilen, und wenn er entschlossen sei, sie zu besichtigen, müsse er sich mit Seilen versehen, um sich festzubinden und sich in ihre Tiefe hinabzulassen.

Don Quijote erwiderte, wenn sie auch bis hinab zum Höllenschlund reiche, wolle er doch sehen, wohin sie führe.

So kauften sie denn etwa hundert Klafter Seil, und am nächsten Tage gelangten sie um zwei Uhr nachmittags an die Höhle, deren Eingang geräumig und weit ist, aber umzogen von Dornbüschen und wilden Feigen, von Brombeersträuchern und mancherlei Gestrüpp, alles so dicht und ineinander verwachsen, daß es den Eingang gänzlich verdeckte und unsichtbar machte. Als man die Höhle erblickte, stiegen der Vetter, Sancho und Don Quijote ab, und man band alsbald den letzten so fest als möglich; und während man ihn umschnürte und umgürtete, sagte Sancho zu ihm: »Bedenket, Euer Gnaden, Herre mein, was Ihr tut; begehret doch nicht, Euch selber lebendig zu begraben, und steigt nicht da hinunter, wo Ihr ausseht wie eine Flasche, die man zum Kühlen in einen Brunnen hinabtut; ja, es geht Euch nichts an und ist Eure Sache nicht, den Forscher in dieser Höhle zu spielen, die da gewiß ärger ist als ein unterirdischer Sklavenkerker in Algier.«

»Binde fest und schweige still«, erwiderte Don Quijote; »ein Unternehmen wie dieses war mir vorbehalten.«

Jetzt sagte der Führer: »Flehentlich bitte ich Euch, Señor Don Quijote, beobachtet und spähet mit hundert Augen, was dort im Innern verborgen ist; vielleicht findet sich da manches, was ich in meinem Buch von den Verwandlungen anbringen kann.«

»Die Trommel ist in Händen, die sie schon gut rühren werden«, sprach Sancho Pansa.

Hierauf und nachdem Don Quijote ringsum gebunden war, nicht über dem Harnisch, sondern über dem Waffenrock, sprach der Ritter: »Wir haben unvorsichtig gehandelt, daß wir uns nicht mit einer kleinen Schelle versahen, die man dicht bei mir an demselben Seil angebunden und bei deren Ton man vernommen hätte, daß ich noch immer abwärts gleite und am Leben bin; jedoch, da es nicht mehr möglich ist, so befehle ich mich in Gottes Hände, sie mögen mich leiten.«

Und alsbald warf er sich auf die Knie, richtete mit leiser Stimme ein Gebet zum Himmel und flehte zu Gott, ihm beizustehen und ihm guten Erfolg in diesem offenbar gefahrvollen und noch nicht dagewesenen Abenteuer zu gewähren. Darauf sprach er mit lauter Stimme: »O Herrin meiner Handlungen und Empfindungen, strahlende, unvergleichliche Dulcinea von Toboso, so es möglich ist, daß die Gebete und flehentlichen Anrufungen dieses deines glückhaften Verehrers zu deinen Ohren gelangen, so flehe ich dich bei deiner unsagbaren Schönheit an, daß du ihnen lauschest, denn sie haben keinen andern Inhalt, als daß sie bitten, du wollest mir deinen Schutz und Beistand anjetzo nicht versagen, wo ich dessen so sehr benötigt bin. Ich bin eben im Begriff, mich in den Abgrund, der sich hier vor mir auftut, zu werfen, zu stürzen, zu versenken, lediglich damit die Welt erkenne, daß, wenn du mir beistehst, es keine Unmöglichkeit gibt, an die ich mich nicht wage und die ich nicht besiege.«

Mit diesen Worten trat er an die Öffnung heran; allein er sah, daß es nicht möglich war, sich hinabzulassen oder sich Zugang zu verschaffen, wenn nicht mit voller Gewalt der Arme oder mit Schwerthieben. So nahm er denn sein Schwert zur Hand und begann das Gestrüpp, das den Eingang zur Höhle verdeckte, abzuschlagen und wegzuräumen, und bei dem Krachen und Brechen schwirrte eine unendliche Menge der größten Raben und Krähen in so dichter Schar und so pfeilschnell heraus, daß sie Don Quijote zu Boden warfen. Hätte er ebensoviel auf Vorbedeutungen gehalten wie auf seinen katholischen Glauben, so würde er das für ein böses Vorzeichen erachtet und es unterlassen haben, sich an einem solchen Ort einzukerkern. Er indessen stand wieder auf, und als er sah, daß keine Raben mehr herausflogen noch andre Nachtvögel, wie Fledermäuse, die mit den Raben aufgeflogen waren, befahl er dem Vetter und Sancho, das Seil nachzulassen, und glitt allmählich zum Grund der schaurigen Höhle hinab. Im Augenblick, wo er in die Mündung einfuhr, gab ihm Sancho seinen Segen, schlug tausendmal das Kreuz über ihn und sagte: »Gott und die Heilige Jungfrau vom Frankenfels mögen dich geleiten, samt der Heiligen Dreifaltigkeit von Gaeta, du Blume und Glanzpunkt und Silberblick der fahrenden Ritter! Du gehst dahin, du gewaltigster Haudegen auf Erden, du Herz von Stahl und Arm von Erz; noch einmal fleh ich, Gott geleite dich und bringe dich frei, gesund und sonder Gefährde zurück an das Licht dieses Lebens, das du verlassest, um in dieser Finsternis, die du aufsuchst, dich zu vergraben.«

Der Vetter erging sich in denselben Gebeten und Fürbitten. Inzwischen rief Don Quijote öfters, sie möchten mehr Seil und immer mehr Seil nachlassen, und sie taten es sacht und allmählich; als sein Rufen, das aus der Höhle wie aus einer Röhre heraufscholl, nicht mehr zu hören war, hatten sie bereits die hundert Klafter Seil hinabgelassen, und sie dachten, man müsse Don Quijote wieder heraufziehen, da sie kein Seil mehr nachzugeben hatten. Dessenungeachtet warteten sie etwa eine halbe Stunde lang, und erst nach Verfluß dieser Zeit begannen sie das Seil wieder aufzuwinden; allein dies geschah sehr leicht, und ohne daß sie das geringste Gewicht verspürten, so daß sie daraus schlossen, Don Quijote sei unten geblieben, und Sancho, der dies wirklich glaubte, weinte bitterlich und zog so rasch wie möglich, um sich der Wahrheit zu vergewissern. Als sie aber beim Aufwinden, ihrer Berechnung nach, bis zu etwas mehr als achtzig Klafter gekommen waren, spürten sie ein Gewicht und freuten sich darob über die Maßen. Endlich, bei zehn Klaftern, erblickten sie Don Quijote und konnten ihn deutlich erkennen. Sancho schrie ihm entgegen: »Glückselige Rückkehr, gnädiger Herr! Wir dachten schon, Ihr wäret da unten geblieben auf Nimmerwieder-sehn!«

Allein Don Quijote antwortete keine Silbe, und als sie ihn vollends heraufgezogen, sahen sie, daß er die Augen geschlossen hatte und allen Anzeichen nach von tiefem Schlafe befangen war. Sie legten ihn auf den Boden nieder und banden ihn los, aber trotz alledem wachte er nicht auf. Indessen wendeten sie ihn hin und wendeten ihn her, schüttelten und rüttelten so lange, bis er endlich nach geraumer Weile wieder zu sich kam und sich reckte und streckte, als erwache er eben aus einem schweren tiefen Traume; er sah sich wie in jähem Schreck nach allen Seiten um und sprach: »Verzeih es euch Gott, meine Freunde! Ihr habt mich aus dem köstlichsten Leben, aus dem lieblichsten Schauspiel hinweggerissen, so je ein menschlich Wesen erlebt und erschaut hat. In der Tat, jetzt erst erkenne ich es völlig, daß alle Freuden dieses Lebens wie Schatten und Traum vergehen oder wie die Blume des Feldes verwelken. O unseliger Montesinos! O du wundgeschlagener Durandarte! O du glückverlassene Belerma! O tränenfeuchter Guadiana, und ihr auch, ihr von Unheil Getroffenen, ihr Töchter der Ruidera, ihr, deren Wasserströme zeigen, wieviel Tränenströme Eure schönen Augen geweint!«

In äußerster Spannung horchten der Vetter und Sancho auf Don Quijotes Worte, die er mit unsäglichem Schmerz sich aus dem tiefsten Herzen zu reißen schien. Sie baten ihn flehentlich, ihnen den Sinn seiner Äußerungen zu erklären und ihnen zu sagen, was er in jener Hölle gesehen habe.

»Hölle nennt ihr’s?« entgegnete Don Quijote. »Nein doch, nennt es nicht so, denn den Namen verdient die Höhle nicht, wie ihr gleich sehen werdet.«

Er bat, ihm etwas zu essen zu geben, denn er habe großen Hunger. Sie legten die Decke des Vetters auf das grüne Gras, machten sich an den Proviant in ihren Zwerchsäcken, setzten sich alle drei in treuer Liebe und Kameradschaft zusammen und nahmen ihr Vesperbrot und ihr Abendessen in einer Mahlzeit ein. Sobald alsdann die Decke wieder weggenommen war, sprach Don Quijote von der Mancha: »Es stehe mir keiner vom Platze auf, Kinder; hört mir aufmerksam zu.«

14. Kapitel


Wo das Abenteuer mit dem Waldritter sich weiterentwickelt

Nachdem Don Quijote und der Ritter vom Walde mancherlei Zwiesprach miteinander gepflogen, sagte, so berichtet die Geschichte, der vom Walde zu Don Quijote: »Kurz, Herr Ritter, ich will Euch zu wissen tun, daß mein Schicksal, oder besser gesagt: meine eigene Wahl mich dahin brachte, in die unvergleichliche Casildea von Vandalien mich zu verlieben; ich nenne sie unvergleichlich, denn sie hat nicht ihresgleichen weder an Größe des Körpers noch an Höhe des Ranges und der Schönheit. Diese besagte Casildea nun, von der ich anitzt berichte, vergalt meine redlichen Absichten und bescheidenen Wünsche damit, daß sie mich wie den Herkules seine Stiefmutter antrieb, mich in vielfache gefährliche Abenteuer einzulassen; und jedesmal, wenn ich ein solches glücklich beendigt, verspricht sie mir, daß mit dem Sieg im nächsten Abenteuer auch meine Hoffnung zum Sieg kommen werde. Aber an der Kette meiner Mühsale haben sich so viel Glieder aneinandergereiht, daß sie nunmehr zahllos sind und ich nicht weiß, was meiner Arbeiten letzte sein wird, welche den Anfang zur Belohnung meines redlichen Strebens bilden soll. Einmal gebot sie mir, jene weitberufene Riesin zu Sevilla zum Kampf zu fordern, welche die Giralda genannt wird und welche so wehrhaft und stark ist, als ob sie von Erz wäre, und die, ohne sich von der Stelle zu bewegen, das veränderlichste und flatterhafteste Weib auf Erden ist. Ich kam, ich sah, ich siegte und zwang sie, ruhig und im gleichen Windesstrich zu bleiben – denn länger als eine Woche wehte kein anderer Wind als der aus Norden. Einmal gebot sie mir, die uralten steinernen Stiere zu Guisando in meinen Händen zu wägen, ein Unternehmen, das eher für einen Taglöhner als für einen Ritter paßt. Ein andermal gebot sie mir, ich solle mich in den Schlund von Cabra stürzen und da versinken – eine unerhörte und furchtbare Fährlichkeit! – und ihr umständlichen Bericht über alles erstatten, was diese finstere Tiefe umschließe. Ich brachte die Bewegung der Giralda zum Stillstand, ich wog die Stiere zu Guisando, stürzte mich in den Schlund und holte das in seinen Tiefen Verborgene ans Licht hervor, und meine Hoffnungen blieben so tot wie zuvor und ihre Forderungen und ihre Verschmähung so lebendig wie je. Kurz und gut, zuletzt hat sie mir geboten, durch alle Gaue Spaniens zu ziehn und alle fahrenden Ritter, die in selbigen umirren, zum Bekenntnis zu zwingen, daß sie, sie allein, die schönste ist unter allen Frauen, die heutzutage leben, und daß ich der heldenhafteste und liebeglühendste Ritter des Erdkreises bin; und in diesem Streben und Begehr bin ich bereits durch den größten Teil Spaniens gezogen und habe daselbst viele Ritter besiegt, die sich erkühnten, mir zu widersprechen. Wes ich mich aber am höchsten rühme und worauf ich am stolzesten bin, ist, daß ich im Einzelkampf jenen so ruhmreichen Ritter Don Quijote von der Mancha besiegt und ihn zum Bekenntnis gezwungen habe, daß meine Casildea schöner ist als seine Dulcinea, und mit diesem einzigen Sieg bin ich überzeugt, alle Ritter auf Erden besiegt zu haben; denn sotaner Don Quijote, von dem ich rede, hat sie alle besiegt, und da ich ihn besiegt habe, so sind sein Ruhm, sein Name und seine Ehre auf meine Person übertragen und völlig übergegangen.

So höher der Besiegte ward geehrt,
Um so viel höher steigt des Siegers Wert.

Demnach gehen sie jetzt auf meine Rechnung und sind mein eigen, all die unzählbaren Heldentaten des schon erwähnten Don Quijote.«

Hocherstaunt saß Don Quijote da, wie er den Ritter vom Walde solches reden hörte, und war tausendmal auf dem Punkte, ihm zuzurufen, daß er lüge, und schon hatte er auf der Zungenspitze das Wort: Ihr lügt! Jedoch er hielt an sich, so gut er es vermochte, weil er ihn zwingen wollte, mit seinem eignen Munde seine Lüge zu bekennen, und so sagte er ganz gelassen zu ihm: »Herr Ritter, daß Euer Gnaden die meisten der fahrenden Ritter Spaniens, ja der ganzen Welt besiegt haben will, darüber sage ich nichts, aber daß Ihr Don Quijote von der Mancha besiegt hättet, das stell ich in Zweifel, es könnte wohl ein anderer gewesen sein, der ihm geglichen, wiewohl es wenige gibt, die ihm gleichen mögen.«

»Wie, Ihr sagt nein?« entgegnete der vom Walde. »Beim Himmel über uns! Ich habe mit Don Quijote gekämpft und ihn besiegt und überwältigt. Er ist ein Mann von hoher Gestalt, hageren Angesichts, die Glieder lang und dürr, das Haar mit Grau untermischt, die Adlernase etwas gebogen, mit großem schwarzem Schnurrbart, dessen Enden herabhängen; er zieht zu Felde unter dem Namen des Ritters von der traurigen Gestalt und hat als Schildknappen einen Bauern des Namens Sancho Pansa; er belastet den Rücken und lenkt die Zügel eines berühmten Rosses, das den Namen Rosinante führt; und endlich hat er zur Herrin seines Herzens eine gewisse Dulcinea von Toboso, die eine Zeitlang Aldonza Lorenzo geheißen, so wie ich die meinige, weil sie Casildea heißt und aus Andalusien ist, Casildea von Vandalien nenne. Wenn also diese Zeichen nicht genügen, um der Wahrheit meiner Aussage Glauben zu verschaffen, so ist hier mein Schwert, das den Unglauben selbst zum Glauben an sie zwingen wird.«

»Sänftigt Euer Gemüte, Herr Ritter«, sprach Don Quijote, »und höret, was ich Euch sagen will. Ihr müßt wissen, daß jener Don Quijote, von dem Ihr redet, der beste Freund ist, den ich auf dieser Welt habe, und zwar so völlig, daß ich sagen kann, er gilt mir wie mein eigenes Selbst. Nach den Zeichen, die Ihr mir von ihm gegeben und die so genau und sicher sind, kann ich nicht anders glauben, als daß es derselbe ist, den Ihr besiegt habt; anderseits aber sehe ich es mit den Augen und greife es mit den Händen, daß er unmöglich derselbe sein kann; es wäre denn etwa der Fall, da er viele Zauberer zu Feinden hat, namentlich einen, der ihn regelmäßig verfolgt, daß einer von diesen seine Gestalt angenommen hätte, um sich besiegen zu lassen, weil er ihn um den Ruhm bringen möchte, den seine hohen Rittertaten ihm in allen bis heut entdeckten Landen der Erde erworben und gewonnen haben. Und zu dessen Bestätigung will ich Euch ferner zu wissen tun, daß die besagten Zauberer, seine Feinde, erst vor nicht mehr als zwei Tagen die Gestalt und Person der schönen Dulcinea von Toboso in eine schmutzige gemeine Bäuerin verwandelt haben; und solcherweise werden sie auch Don Quijote verwandelt haben. Und wenn alles dies nicht genügt, um Euch von der Wahrheit meiner Angaben zu überzeugen, so seht hier Don Quijote selber, der sie mit seinen Waffen aufrechterhalten wird, zu Fuß oder zu Pferd oder auf jede andre Weise, die Euch genehm sein mag.«

Mit diesen Worten stand er auf, faßte den Knauf seines Schwertes und erwartete, welchen Entschluß der Ritter vom Walde fassen würde. Und dieser, ebenfalls mit ruhigem gemessenem Ton, antwortete und sprach: »Dem guten Zahler ist es um sein Pfand nicht leid. Wer einmal, Señor Don Quijote, Euch in Eurer Verwandlung besiegen konnte, der darf auch die Hoffnung hegen, Euch in Eurer eigenen Wesenheit zu bewältigen. Aber weil es den Rittern nicht geziemend ist, ihre Waffentaten im Dunkeln zu tun wie Wegelagerer und Raufbolde, so wollen wir den Tag abwarten, auf daß die Sonne unsere Werke erschaue; und es soll die Bedingung unsers Kampfes sein, daß der Besiegte dem freien Willen des Siegers anheimgegeben sei, damit dieser nach seinem Belieben mit jenem verfahre, doch so, daß alles Verlangte einem Ritter geziemend sei.«

»Ich bin mehr als zufrieden mit dieser Bedingung und Übereinkunft«, entgegnete Don Quijote.

Mit diesen Worten wandten sie sich nach der Ruhestätte ihrer Schildknappen und fanden sie schnarchend und in demselben Zustand, in welchem der Schlaf sie überrascht hatte. Sie weckten sie auf und hießen sie, die Pferde bereit zu halten, weil sie bei Sonnenaufgang einen blutigen Kampf ohnegleichen ausfechten würden. Bei dieser Nachricht entsetzte sich Sancho und blieb starr, da er für das Wohl seines Herrn zitterte ob der Heldentaten, welche der andere Schildknappe von dem seinigen erzählt hatte; indessen gingen beide und suchten ihre Tiere auf, und siehe da, die drei Gäule und der Graue hatten Witterung voneinander bekommen und sich alle zusammengefunden.

Unterwegs sagte der vom Walde zu Sancho: »Ihr müßt wissen, Bruder, daß in Andalusien die Kämpen, wenn sie bei einem Kampfe Sekundanten sind, nicht ruhig dabeistehen und die Hände in den Schoß legen, während die Streiter sich miteinander messen; ich sage Euch das, damit Ihr zum voraus wisset, während unsere Herren einander befehden, müssen auch wir kämpfen und uns zu Splittern zerhauen.«

»Dieser Brauch, Herr Schildknappe«, entgegnete Sancho, »mag dort bei den Raufbolden und Kämpen, die Ihr erwähnt, vorkommen und im Schwange sein, aber bei den Schildknappen fahrender Ritter kommt es gar nicht in Frage; wenigstens habe ich meinen Herrn niemals dergleichen Brauch erwähnen hören, und er weiß doch alle Vorschriften der fahrenden Ritterschaft auswendig. Ich will’s meinetwegen gelten lassen, daß es Wahrheit und ausdrückliche Vorschrift ist, daß die Knappen miteinander kämpfen, während ihre Herren kämpfen; aber ich will sie nicht befolgen, sondern lieber die Buße bezahlen, die derlei friedliebenden Schildknappen auferlegt sein mag, und selbige geht sicher nicht über zwei Pfund Wachs hinaus; und lieber will ich besagte zwei Pfund bezahlen, denn ich weiß, sie werden mich weniger kosten als die Scharpie, die ich kaufen müßte, um mir den Kopf zu verbinden, den ich schon für zerschlagen und in zwei Stücke gespalten ansehe. Aber noch mehr: was mir das Fechten ganz unmöglich macht, ist, daß ich kein Schwert habe, denn nie in meinem Leben habe ich mir ein solches angehängt.«

»Dafür weiß ich ein gutes Auskunftsmittel«, sagte der vom Walde. »Ich habe hier zwei Leinwandsäcke von gleicher Größe; Ihr nehmt den einen, ich den andern, und so plumpsacken wir aufeinander mit gleichen Waffen.«

»Auf die Art mag es in Gottes Namen sein«, sprach Sancho dagegen, »denn ein derartiger Kampf wird eher geeignet sein, uns abzustäuben, als uns Wunden zu schlagen.«

»So ist’s nicht gemeint«, versetzte der andre, »denn damit der Wind die Säcke nicht davonführt, muß ein halb Dutzend schöne saubere Kieselsteine hineingetan werden, von denen jeder so viel wie der andre wiegen muß, und auf solche Art können wir uns plumpsacken, ohne einander leid und weh zu tun.«

»Seh einmal einer an, bei meines Vaters Seel und Seligkeit!« sprach Sancho dagegen; »was für Zwiebelpelz oder was für Flocken von kardätschter Baumwolle tut Er in die Säcke, damit unsre Hirnschädel nicht zerdroschen und unsre Knochen nicht zu Staub zermalmt werden! Aber sollten sie auch mit Seidenkokons gefüllt werden, wisset, werter Herr, ich werde nicht fechten. Fechten mögen unsre Herren, und sie mögen sehen, wie sie damit fertigwerden; wir aber wollen trinken und leben, denn die Zeit sorgt schon dafür, uns das Leben wegzunehmen, da brauchen wir nicht erst nach Mitteln zu suchen, damit es aufgezehrt wird, ehe die rechte Zeit und Stunde dafür gekommen, oder damit es vom Baum fällt, ehe es reif ist.«

»Trotzdem«, entgegnete der vom Walde, »müssen wir wenigstens ein halbes Stündchen zusammen fechten.«

»Keineswegs«, erwiderte Sancho; »ich werde doch nicht so unhöflich und so undankbar sein, mit wem ich gegessen und getrunken habe, mich mit dem in einen Streithandel einzulassen, und war er noch so unbedeutend. Zudem, wenn einer keinen Zorn und keinen Ärger verspürt, wer Teufel sollte sich dazu hergeben, ohne allen Anlaß zu fechten?«

»Dafür«, sagte der vom Walde, »will ich ein ganz wirksames Mittel verschreiben; bevor wir nämlich zu fechten anfangen, will ich mich sachte an Euer Gnaden heranmachen und Euch drei oder vier derartige Maulschellen verabreichen, daß ich Euch zu meinen Füßen niederstrecke, und mit besagten Schellen werde ich Euren Zorn schon aufwecken, und läge er auch in festerem Schlaf als ein Siebenschläfer.«

»Gegen dies Auskunftsmittel weiß ich ein andres«, sagte Sancho, »das nicht hinter ihm zurücksteht; ich nehme einen Knüppel, und bevor Euer Gnaden herankommt, um meinen Zorn aufzuwecken, will ich den Euren mit Stockprügeln so einschläfern, daß er nicht mehr aufwacht, es sei denn in der andern Welt, wo man zur Genüge weiß, daß ich nicht der Mann bin, der sich von irgendwem ins Gesicht greifen läßt, und jeder sehe, wie er’s treibe. Indessen das Gescheiteste wäre, ein jeder ließe seinen Zorn schlafen; denn keiner kann keinem ins Herz sehen, und mancher geht nach Wolle aus und kommt geschoren nach Haus, und der Friede ist gesegnet von Gott und der Hader verflucht; denn wenn eine Katze, die man hetzt und einsperrt und peinigt, sich in einen Löwen verwandelt, so weiß Gott, da ich doch ein Mensch bin, in was ich mich verwandeln würde. Und somit will ich Euch gleich jetzt ansagen, alles Böse und Verderbliche, das aus unsrem Kampfe entstehen würde, kommt auf Eure Rechnung.«

»Schon gut«, erwiderte der vom Walde; »Gott wird Tag werden lassen, und da wollen wir weiter sehen.«

Unterdessen begannen bereits tausenderlei bunte Vöglein auf den Bäumen zu trillern und schienen mit ihren mannigfachen frohen Gesängen Willkomm und Gruß zu bieten der frischen Morgenröte, die bereits an den Pforten und Erkern des Ostens die Reize ihres Angesichts enthüllte und aus ihren Locken eine unzählige Menge feuchter Perlen schüttelte, in deren süßem Naß sich die Pflanzen badeten und nun auch aus ihrem Schoße weißen feinen Perlenstaub auszustreuen und niederzuregnen schienen. Die biegsamen Weiden tröpfelten erquickliches Manna, die Brünnlein lachten plätschernd, die Bäche murmelten, die Wälder wurden heiter, und die Wiesen schmückte reicher der Glanz des kommenden Morgens. Aber kaum gestattete die Helle des Tages, die Dinge zu sehen und zu unterscheiden, da war das erste, was sich Sancho Pansas Blicken darbot, die Nase des Schildknappen vom Walde, die so groß war, daß sie fast über seinen ganzen Körper ihren Schatten warf. Man erzählt wirklich, sie sei von übermäßiger Größe gewesen, in der Mitte gebogen und ganz bedeckt mit Warzen, dunkelbläulich von Farbe wie ein Tollapfel; sie hing ihm mehr als zwei Zoll über den Mund herunter. Größe, Farbe, Warzen und Buckel dieser Nase gaben seinem Gesicht ein so scheußliches Ansehen, daß Sancho, als er es erblickte, mit Händen und Füßen um sich schlug wie ein Kind, das die Gichter hat, und sich in seinem Herzen vornahm, sich lieber zweihundert Maulschellen geben zu lassen, als daß er seinen Zorn aufwecken sollte, um mit diesem Ungetüm zu fechten.

Derweilen betrachtete auch Don Quijote seinen Kampfgegner, der mit bereits aufgesetztem Helm und herabgelassenem Visier dastand, so daß er dessen Gesicht nicht sehen konnte; jedoch bemerkte er, daß es ein Mann von kräftigen Gliedern und nicht sehr hohem Wuchs war. Über seiner Rüstung trug er ein Überwams aus einem dem Anscheine nach äußerst feinen Goldstoff, der mit kleinen Monden von widerstrahlendem Spiegelglas übersät war, die ihm ein überaus stattliches und glanzvolles Aussehen gaben; auf dem Helme flatterten ihm in großer Menge grüne, gelbe und weiße Federn; der Speer, den er an einen Baum gelehnt hatte, war sehr lang und dick, mit einer mehr als ellenlangen stählernen Spitze. All dies beobachtete und merkte sich Don Quijote, und er schloß daraus, der Ritter müsse von großer Körperkraft sein. Aber darum fürchtete er sich keineswegs wie Sancho Pansa; vielmehr sprach er mit edlem Mute zu dem Ritter mit den Spiegeln: »Wenn allzu große Kampfeslust, Herr Ritter, nicht Eure ganze Höflichkeit aufgezehrt hat, so bitte ich Euch um dieser Eurer Höflichkeit willen, das Visier ein wenig zu lüften, auf daß ich ersehe, ob die Schönheit Eures Angesichts dem Glanz Eurer Rüstung entspricht.«

»Ob Ihr nun besiegt oder siegreich aus diesem Abenteuer hervorgeht, Herr Ritter«, antwortete der mit den Spiegeln, »so wird Euch Zeit und Gelegenheit mehr als genug verbleiben, mich zu sehen; und wenn ich jetzt Eurem Wunsche kein Genügen tue, so ist der Grund, daß ich der schönen Casildea von Vandalien eine beträchtliche Ungebühr anzutun vermeine, wenn ich auch nur so lange Zeit, als ich mit dem Aufheben meines Visiers verbrächte, zögern würde, Euch zu jenem Bekenntnis zu zwingen, auf welches, wie Ihr schon wißt, mein Begehren steht.«

»Dann könnt Ihr, während wir zu Pferde steigen«, sprach Don Quijote, »mir doch wohl sagen, ob ich jener Don Quijote bin, den Ihr besiegt haben wollt.«

»Darauf antworte Ich Euch«, versetzte der Spiegelritter, »daß Ihr dem nämlichen Ritter, den ich besiegt habe, gleicht wie ein Ei dem andern; aber da Ihr sagt, daß Euch Zauberer verfolgen, so wage ich es nicht mit Gewißheit zu behaupten, ob Ihr der von mir gemeinte seid oder nicht.«

»Das genügt mir«, entgegnete Don Quijote, »um mich von Eurem Irrtum zu überzeugen; jedennoch, um Euch in jeder Beziehung daraus zu reißen, laßt unsere Rosse kommen, und in kürzerer Zeit, als Ihr gebraucht hättet, Euer Visier zu heben, wofern Gott, wofern meine Gebieterin und meines Armes Kraft mit mir sind, werde ich Euer Angesicht sehen, und Ihr werdet erkennen, daß ich nicht der besiegte Don Quijote bin, den Ihr meint.«

Hiermit brachen sie ihre Unterredung ab, bestiegen ihre Rosse, und Don Quijote wendete Rosinante, um den erforderlichen Anlauf wider seinen Gegner zu gewinnen; und das nämliche tat der Spiegelritter. Allein Don Quijote hatte sich noch keine zwanzig Schritte weit entfernt, als er hörte, wie der mit den Spiegeln ihm zurief; beide blieben auf halbem Wege halten, und der Spiegelritter sagte zu jenem: »Beachtet wohl, Herr Ritter, die Bedingung unsres Kampfes ist, daß der Besiegte, wie ich schon einmal gesagt, dem Sieger auf Gnade und Ungnade verfällt.«

»Ich kenne die Bedingung bereits«, versetzte Don Quijote; »doch vorbehalten, daß, was dem Besiegten auferlegt und anbefohlen wird, die Gesetze des Rittertums nicht überschreiten darf.«

»Das versteht sich«, antwortete der mit den Spiegeln.

In diesem Augenblick fielen Don Quijotes Blicke auf die merkwürdige Nase des Schildknappen, und er staunte sie nicht weniger als Sancho dermaßen an, daß er den Knappen für eine Mißgeburt hielt oder für einen Menschen ganz neuer Art, wie sie sonst in der Welt nicht vorkommen.

Als Sancho seinen Herrn abreiten sah, um einen Anlauf zu nehmen, wollte er mit dem Nasenungeheuer nicht allein bleiben; denn er fürchtete, wenn jene Nase der seinigen nur einen einzigen Schneller versetzte, so würde es mit seinem Fechten zu Ende sein, da er jedenfalls, sei es vom Stoße, sei es von der Angst, zu Boden gestreckt würde. Er lief seinem Herrn nach, faßte Rosinante am Steigriemen, und als ihm der Augenblick gekommen schien, daß Don Quijote zum Kampf wenden würde, sprach er zu ihm: »Ich bitte Euer Gnaden flehentlich, Herre mein, daß Ihr, ehe Ihr zum Angriff wendet, mir hier auf den Korkbaum helft, von wo ich viel angenehmer für mich und besser als von ebener Erde aus das kühne Turnier mit ansehen kann, das Euer Gnaden mit diesem Ritter bestehen will.«

»Ich glaube eher«, sprach Don Quijote, »du willst in die Höhe und auf das Gerüst, um dem Stiergefecht ohne Gefahr zusehen zu können.«

»Um die Wahrheit zu gestehen«, gab Sancho zur Antwort, »das Ungeheuer von Nase, das dieser Schildknappe an sich trägt, verursacht mir Angst und Entsetzen, und ich getraue mich nicht, allein bei ihm zu bleiben.«

»Allerdings ist sie derartig«, sprach Don Quijote, »daß, wäre ich nicht der Mann, der ich bin, sie auch mich erschrecken würde. Komm also, ich will dir hinaufhelfen, wo du hinbegehrst.«

Während Don Quijote sich dabei aufhielt, seinem Sancho auf den Korkbaum zu helfen, nahm der Spiegelritter soviel Feld zum Anlauf, als ihm nötig schien, und im Glauben, daß Don Quijote das nämliche getan, wartete er weder den üblichen Trompetenstoß ab noch sonst ein Zeichen zum Kampf, wandte sein Pferd, das weder leichtfüßiger noch bessern Aussehens war als Rosinante, und ritt in dessen schnellstem Lauf, das heißt in mäßigem Trab, vorwärts, um seinen Gegner anzurennen; aber da er ihn beim Hinaufklettern Sanchos beschäftigt sah, zog er die Zügel an und hielt mitten im Rennen still, wofür ihm sein Pferd höchst dankbar war, weil es sich schon nicht mehr rühren konnte. Don Quijote, in der Meinung, daß sein Gegner im Fluge herankomme, drückte seinem Rosinante die Sporen kräftig in die Lenden, die elenden, und trieb ihn zu solcher Eile, daß die Geschichte dies das einzige Mal nennt, wo er ein klein wenig galoppiert haben soll; denn die andern Male war es stets nur ein unverkennbarer Trab und nicht mehr. Mit diesem rasenden, noch nicht dagewesenen Ungestüm stürmte er dahin, wo der Spiegelreiter hielt und sich damit beschäftigte, seinem Pferde die Sporen bis an die Fersen einzubohren, ohne daß er es nur einen Zollbreit von der Stelle fortbringen konnte, wo es wie angewurzelt stehengeblieben war. In diesem günstigen Augenblick und Zustand fand Don Quijote seinen Gegner, wie er völlig durch sein Pferd und seinen Speer in Anspruch genommen war, den einzulegen er nicht verstand oder nicht genügend Zeit hatte. Don Quijote kümmerte sich nicht um diese mißlichen Umstände, und in aller Sicherheit und ohne jede Gefahr traf er den Spiegelritter mit so kräftigem Stoß, daß dieser sehr wider Willen über die Kruppe des Pferdes zu Boden flog und einen solchen Fall tat, daß er weder Hand noch Fuß rührte und wie tot dalag.

Kaum sah Sancho ihn am Boden, so rutschte er von seinem Korkbaum herunter und lief in aller Eile zu seinem Herrn; dieser stieg von Rosinante ab, machte sich über den Spiegelritter her, löste ihm die Helmriemen, um zu sehen, ob er tot sei, und damit die frische Luft ihm ins Gesicht streiche, wenn er sich vielleicht noch am Leben befinde, und sah … Wer vermag zu sagen, was er sah, ohne in jedem, der dies hören wird, Staunen, Verwunderung und Entsetzen zu wecken? Er sah, berichtet die Geschichte, das leibhafte Angesicht, die wahre Gestalt, das ganze Äußere, die leibhaftigen Gesichtszüge, das wirkliche Ebenbild, das lebenstreue Äußere des Baccalaureus Sansón Carrasco.

Don Quijote

Bei diesem Anblick rief er mit laut erhobener Stimme: »Komm herbei, Sancho, und betrachte hier, was du sehen wirst, du wirst es nicht glauben; eile, mein Sohn, und merke, was die Magie vermag, was Hexenmeister und Zauberkünstler vermögen.«

Sancho kam herzu, und als er das Gesicht des Baccalaureus Sansón Carrasco erblickte, bekreuzte er sich tausendmal und segnete sich noch tausendmal dazu. Während dieser ganzen Zeit gab der niedergeworfene Ritter kein Lebenszeichen von sich, und Sancho sprach zu Don Quijote: »Ich bin des Dafürhaltens, Herre mein, Euer Gnaden sollte für den Fall, daß, und für den Fall, daß nicht, diesem hier, der aussieht wie der Baccalaureus Carrasco, das Schwert in den Mund stecken und hineinstoßen; vielleicht daß Ihr in diesem Mann einen von Euern Feinden, den Zauberern, umbringt.«

»Was du sagst, ist nicht übel«, versetzte Don Quijote; »denn je weniger Feinde, desto besser.« Und als er schon das Schwert zog, um Sanchos Rat und Weisung zu befolgen, kam der Schildknappe des Spiegelritters herzu, jetzt ohne die Nase, die ihn so häßlich gemacht hatte, und schrie mit gewaltiger Stimme: »Bedenket wohl, Señor Don Quijote, was Ihr tut, denn der Mann, den Ihr zu Euern Füßen liegen habt, ist der Baccalaureus Senór Carrasco, Euer Freund, und ich bin sein Schildknappe.«

Als Sancho ihn ohne seine frühere Häßlichkeit sah, sprach er zu ihm: »Und die Nase?«

Darauf antwortete jener: »Hier hab ich sie in der Tasche.«

Und er steckte die Hand rechts in die Hose und zog eine Maskennase aus lackiertem Pappdeckel von der beschriebenen Gestalt hervor, und als Sancho sich länger und länger verwunderte, brach er endlich laut aufschreiend in die staunenden Worte aus: »Heilige Maria, steh mir bei! Ist das nicht Tomé Cecial, mein Nachbar und Gevatter?«

»Ob ich es bin!« antwortete der entnaste Schildknappe. »Ich bin Tomé Cecial, o mein Gevatter und Freund Sancho Pansa! Und ich werd Euch sogleich all die Mittel und Wege, die Vorspiegelungen und Ränke erzählen, mit denen ich hergelockt worden; aber mittlerweile müßt Ihr Euern gnädigen Herrn bitten und anflehen, daß er den Spiegelritter zu seinen Füßen nicht berührt, mißhandelt, verwundet, umbringt; denn Ihr dürft nicht daran zweifeln, es ist der tollkühne und übelberatene Baccalaureus Sansón Carrasco, unser Landsmann.«

Indem kam der Spiegelritter wieder zu sich, und als Don Quijote das sah, hielt er ihm die Spitze seines entblößten Schwertes über das Gesicht und sprach zu ihm: »Ihr seid des Todes, Ritter, wenn Ihr nicht bekennt, daß die unvergleichliche Dulcinea von Toboso an Schönheit Eurer Casildea von Vandalien voransteht. Überdies müsset Ihr geloben, wofern Ihr aus diesem Strauß und Sturz mit dem Leben davonkommt, nach der großen Stadt Toboso zu ziehen und Euch ihr in meinem Namen zu stellen, damit sie mit Euch tue, was ihr zu Willen und Belieben stehen mag. So sie Euch aber die Freiheit gibt, so sollet Ihr im gleichen Augenblick umkehren, mich aufzusuchen, denn die Spur meiner Rittertaten wird Euch zum Führer dienen und Euch dahin geleiten, wo ich weile, und da sollet Ihr mir künden, was Ihr mit ihr besprochen habet. Das sind Bedingungen, die, denen gemäß, welche wir vor unserm Kampfe festgesetzt haben, die Gesetze des fahrenden Ritterwesens nicht überschreiten.«

»Ich bekenne«, sprach der gestürzte Ritter, »daß ein schmutziger und aus den Nähten gegangener Schuh des Fräuleins Dulcinea von Toboso mehr wert ist als der schlecht gekämmte, wenn auch saubere Bart Casildeas, und gelobe hinzuziehen und von ihrer Person zur Eurigen zurückzukehren und Euch völligen und umständlichen Bericht über alles zu erstatten, was Ihr mir gebietet.«

»Auch sollet Ihr bekennen und glauben«, fügte Don Quijote hinzu, »daß jener von Euch besiegte Ritter keineswegs Don Quijote von der Mancha war noch sein konnte, sondern ein anderer, der ihm ähnlich war; wie auch ich bekenne und glaube, daß Ihr, obschon Ihr das Aussehen des Baccalaureus Sansón Carrasco habt, es keineswegs seid, sondern vielmehr ein anderer, der ihm gleicht und den meine Feinde mir in seiner Gestalt hier vor die Augen gestellt, damit ich das heiße Ungestüm meines Zornes hemme und mäßige und damit ich des Siegerruhms mit Milde mich bediene.«

»Alles dies bekenn ich und sehe es so an und denke es, wie Ihr es glaubt und anseht und denket«, entgegnete der lendenlahme Ritter. »Laßt mich aufstehen, bitt ich Euch, wenn nämlich die Erschütterung von meinem Fall es mir erlaubt, der mich gar übel zugerichtet hat.«

Don Quijote und des Spiegelritters Schildknappe Tomé Cecial halfen ihm auf. Sancho verwendete kein Auge von dem letzteren und fragte ihn nach Dingen, deren Beantwortung ihm deutliche Beweise gab, er sei wirklich der Tomé Cecial, für den er sich ausgab; aber in Sancho hatte seines Herrn Behauptung, die Zauberer hätten die Gestalt des Spiegelritters in die des Baccalaureus Carrasco verwandelt, ängstliche Vorstellungen erweckt, die ihm nicht gestatteten, der Wahrheit Glauben zu schenken, die er doch mit seinen eigenen Augen sah. Kurz, Herr und Diener verharrten in ihrem Wahn, und der mit den Spiegeln und sein Schildknappe, grämlich, weil sie so übel gefahren, schieden von Don Quijote und Sancho mit der Absicht; ein Dorf aufzusuchen, um den Gestürzten zu verbinden und ihm die Rippen wieder einzurichten.

Don Quijote und Sancho wandten sich wieder auf ihren Weg nach Zaragoza, und hier verläßt sie die Geschichte, um zu berichten, wer der Spiegelritter war und sein großnasiger Schildknappe.

15. Kapitel


Wo erzählt und nachgewiesen wird, wer der Spiegelritter und sein Schildknappe gewesen

Äußerst zufrieden, stolz und aufgeblasen war Don Quijote, den Sieg über einen so mannhaften Ritter erlangt zu haben, wie es in seiner Einbildung der mit den Spiegeln war. Auf dessen ritterlich Wort vertraute er, um zu erfahren, ob die Verzauberung seiner Herzensgebieterin noch fortdaure, denn unfehlbar mußte sotaner besiegte Ritter bei Strafe, nicht mehr ein Ritter zu sein, zurückkehren, um getreulich zu berichten, was zwischen ihm und der Dame vorgefallen.

Aber anders dachte Don Quijote und anders der mit den Spiegeln; denn dieser hatte, wie gesagt, für jetzt keinen anderen Gedanken, als einen Platz zu suchen, wo er verbunden werden könnte.

Es sagt nun die Geschichte, daß damals, als der Baccalaureus Sansón Carrasco unserm Don Quijote den Rat erteilte, seine unterbrochene Ritterlaufbahn wieder fortzusetzen, dies nur deshalb geschehen sei, weil er vorher mit dem Pfarrer und dem Barbier beraten hatte, welches Mittel man ergreifen könne, um Don Quijote ruhig und friedsam zu Hause zu halten, ohne daß ihn seine stets zum Unheil aufgesuchten Abenteuer wieder in Aufregung brächten. Aus dieser Beratung ging mit sämtlichen Stimmen, und insbesondere nach dem Vorschlag Carrascos, der Beschluß hervor, Don Quijote ziehen zu lassen, da ihn zurückzuhalten unmöglich schien; Sansón solle als fahrender Ritter ihm den Weg verlegen und einen Kampf mit ihm beginnen, da es an einem Grund zum Streite nicht fehlen würde; er solle ihn besiegen, was für etwas Leichtes erachtet wurde, und es solle dabei Bedingung sein, daß der Besiegte sich dem Sieger auf Gnade und Ungnade ergeben müsse; und wenn demnach Don Quijote besiegt sei, solle ihm der zum Ritter gewordene Baccalaureus gebieten, zu seinem Dorf und Hause zurückzukehren und sein Heim nicht zu verlassen, bis zwei Jahre vorüber seien oder bis ihm vom Sieger ein anderes auferlegt würde. Es war klar, daß der besiegte Don Quijote dies unweigerlich befolgen würde, um nicht gegen die Gesetze der Ritterschaft zu verfehlen und sich gegen sie aufzulehnen; es wäre möglich, daß während seiner Haft seine eitlen Torheiten ihm in Vergessenheit kämen oder daß man Gelegenheit fände, ein passendes Heilmittel für seine Verrücktheit zu entdecken.

Carrasco übernahm den Auftrag, und es bot sich ihm zum Schildknappen der Gevatter und Nachbar Sanchos an, Tomé Cecial, ein lustiger Geselle und heller Kopf. Sansón rüstete sich, wie schon beschrieben, und Tomé Cecial befestigte über seiner natürlichen Nase die erwähnte Maskennase, damit er von seinem Gevatter nicht erkannt würde, wenn sie einander sähen; und so verfolgten sie denselben Weg, den Don Quijote eingeschlagen hatte. Beinahe wären sie rechtzeitig gekommen, um das Abenteuer mit dem Wagen des Todes mitzuerleben, und endlich trafen sie jene im Walde, wo ihnen all das begegnete, was der aufmerksame Leser bereits weiß; und hätten die wundersamen Meinungen Don Quijotes es nicht verhindert, der da des Glaubens war, der Baccalaureus sei nicht der Baccalaureus, so wäre es dem Herrn Baccalaureus auf ewige Zeiten unmöglich geworden, zum Grad eines Lizentiaten vorzurücken. Das kam davon, daß er Vögel auszuheben ging und nicht einmal ein Nest fand.

Tomé Cecial, der nun sah, wie arg ihm seine Pläne mißraten waren und welches schlimme Ende seine Reise genommen, sagte zu dem Baccalaureus: »Wahrlich, Herr Sansón Carrasco, wir haben unseren verdienten Lohn bekommen; mit Leichtigkeit ersinnt und beginnt man ein Unternehmen, und mit Schwierigkeit zieht man sich in den meisten Fällen wieder heraus. Don Quijote der Narr, wir die Gescheiten: er zieht heil und lachend von dannen, Ihr bleibt zerschlagen und betrübsam zurück. Nun wollen wir einmal sehen, wer der größere Narr ist: wer es ist, weil er eben nicht anders kann, oder wer es aus eignem freiem Willen ist?«

Darauf antwortete Sansón: »Zwischen diesen zwei Narren ist der Unterschied, daß der eine, der es unter dem Zwange seiner Natur ist, es für immer sein wird, und der es aus freien Stücken ist, seiner Narrheit ein Ende machen kann, sobald er es will.«

»Da nun dem so ist«, sprach Tomé Cecial, »so war ich aus eigenem freiem Willen ein Narr, als ich mich zu Euer Gnaden Schildknappen hergab, und ebenso aus eigenem freiem Willen will ich meiner Narrheit ein Ende machen und nach meinem Hause zurückkehren.«

»Das mag gut sein für Euch«, entgegnete Sansón; »aber wenn Ihr glaubt, daß ich in das meinige zurückkehre, bevor ich Don Quijote ganz gehörig zerprügelt habe, irrt Ihr gewaltig. Und was mich von nun an treiben wird, ihn aufzusuchen, ist nicht mehr der Wunsch, daß er wieder zu Verstand komme, sondern der Wunsch nach Rache; denn mein gewaltiger Rückenschmerz läßt keinen barmherzigeren Gedanken bei mir aufkommen.«

Unter diesen Gesprächen kamen sie zu einem Dorfe, wo sie das große Glück hatten, einen Wundarzt zu finden, bei dem sich Sansón in Pflege gab. Tomé Cecial verließ ihn und kehrte heim, und Sansón blieb zurück und sann seiner Rache nach. Die Geschichte wird seinerzeit wieder von ihm sprechen, da sie nicht umhinkann, jetzt erst mit Don Quijote fröhlich zu sein.

16. Kapitel.


Von der Begegnung Don Quijotes mit einem verständigen Edelmann aus der Mancha

Mit den freudigen, selbstzufriedenen und stolzen Regungen, die wir geschildert, setzte Don Quijote seine Reise fort, und ob des soeben erfochtenen Sieges hielt er sich für den tapfersten der fahrenden Ritter, den die Welt in diesem Zeitalter aufzuweisen habe. Alle Abenteuer, die ihm fürderhin begegnen könnten, hielt er bereits für so gut wie abgetan und zu glücklichem Ende geführt; die Verzauberungen samt den Zauberern achtete er gar gering; er gedachte nicht mehr der zahllosen Prügel, die er im Verlauf seiner Ritterfahrten empfangen, noch des Steinhagels, der ihm die Hälfte seiner Zähne ausgeschlagen, noch der Undankbarkeit jener Galeerensklaven noch des frechen Angriffs und Prügelregens der Yanguesen. Und endlich sprach er leise für sich: wenn er nur ein Mittel, eine Art und Weise fände, seine Gebieterin Dulcinea zu entzaubern, so würde er das größte Glück nicht beneiden, das der glücklichste unter den fahrenden Rittern der verflossenen Jahrhunderte erlangt hat oder erlangen konnte.

In diese Betrachtungen war Don Quijote völlig versunken, als Sancho zu ihm sprach: »Ist es nicht drollig, Señor, daß ich noch immer die ungeheure, alles Maß überschreitende Nase meines Gevatters Tomé Cecial vor Augen habe?«

»Und du, Sancho; glaubst du vielleicht«, fragte Don Quijote dagegen, »daß der Spiegelritter wirklich der Baccalaureus Carrasco war und sein Schildknappe dein Gevatter Tomé Cecial?«

»Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll«, meinte Sancho; »ich weiß nur: was er mir von meinem Hause, Weib und Kindern erzählt hat, konnte kein anderer als er selbst angeben. Auch das Gesicht war nach Wegnahme der Nase ganz das Gesicht Tomé Cecials, wie ich es oft genug an ihm gesehen habe dort in meinem Dorf, wo er mein Nachbar ist; auch war der Ton der Stimme völlig derselbe.«

»Wir wollen einmal überlegen, Sancho«, entgegnete Don Quijote. »Komm her! Wie könnte wohl der Baccalaureus Sansón Carrasco als fahrender Ritter daherkommen, zu Schutz und Trutz gerüstet, um mit mir zu kämpfen? Bin ich vielleicht sein Feind gewesen? Hab ich ihm jemals Anlaß gegeben, Groll gegen mich zu hegen? Bin ich sein Nebenbuhler, oder betreibt er das Waffenwerk, um mir den Ruhm zu neiden, den ich dadurch errungen habe?«

»Was sollen wir aber dazu sagen«, antwortete Sancho, »daß dieser Ritter, er sei, wer er sei, so sehr dem Baccalaur Carrasco ähnlich sieht und sein Schildknappe meinem Gevatter Tomé Cecial? Und wenn das Verzauberung ist, wie Euer Gnaden gesagt hat: gab es denn in der Welt nicht noch zwei andere, denen sie hätten ähnlich sehen können?«

»Alles das ist ein Kunstgriff und Anschlag der bösartigen Zauberer, die mich verfolgen«, erklärte Don Quijote. »Da sie vorhersahen, daß ich in dem Streite Sieger bleiben würde, haben sie dafür gesorgt, daß der besiegte Ritter das Angesicht meines Freundes, des Baccalaureus, zeigen sollte, auf daß die Freundschaft, die ich für ihn hege, sich zwischen die Schneide meines Schwertes und die Gewalt meines Armes würfe und den gerechten Grimm meines Herzens mäßige und auf solche Weise der dem Leben erhalten bliebe, der das meine mir mit Blendwerk und falschem Spiel rauben wolle. Und zu dessen Erweis bist du ja, o Sancho, belehrt durch Erfahrung, die dich nicht belügen oder täuschen wird, wie leicht es den Zauberern ist, ein Gesicht in ein anderes zu verwandeln, indem sie aus dem Häßlichen Schönes, aus dem Schönen Häßliches schaffen; sintemal es noch nicht zwei Tage her ist, daß du mit eigenen Augen die Schönheit und Stattlichkeit der unvergleichlichen Dulcinea in ihrer ganzen Vollkommenheit und ihrer natürlichen Gestaltung gesehen hast, während ich sie in der Häßlichkeit und Niedrigkeit einer plumpen Bäuerin sah, die Augen triefend und den Mund voll üblen Geruches. Und wenn nun der heillose Zauberer sich einer so argen Umgestaltung erfrecht hat, so ist es nichts Sonderliches, daß er auch diejenige des Sansón Carrasco und die deines Gevatters bewerkstelligte, weil er mir den Siegesruhm aus den Händen winden wollte. Indessen tröste ich mich darüber; denn am Ende, unter welcher Gestalt es auch geschehen sei, bin ich meines Feindes Herr geworden.«

»Gott allein weiß die Wahrheit«, entgegnete Sancho. Da er wußte, daß Dulcineas Verwandlung sein eigener Anschlag und Schelmenstreich gewesen, so vermochten die Hirngespinste seines Herrn seine Zweifel nicht zu lösen; allein er wollte ihm nicht antworten, um nicht allenfalls mit einem Wort sein Schelmenstück zu verraten.

In diesem Zwiegespräch waren sie begriffen, als ein Mann sie einholte, der des nämlichen Weges hinter ihnen herkam; er ritt eine prächtige Grauschimmelstute und trug einen Mantel von feinem grünem Tuch, mit violettem Samt verbrämt, nebst einer Jagdmütze vom nämlichen Samt. Sein Pferdezeug war reisemäßig, gleichfalls violett und grün, und die Bügel waren kurz geschnallt; er hatte einen maurischen Säbel an einem breiten Schulterriemen von Grün und Gold hängen; seine Halbstiefel waren von ebenso gewirktem Stoff wie das Wehrgehänge; die Sporen waren nicht vergoldet, sondern grün gestrichen und so blank poliert, daß sie, weil sie zu dem ganzen Anzug paßten, schöner aussahen, als wären sie von echtem Golde gewesen. Als der Reisende sie erreicht hatte, grüßte er sie höflich, spornte seine Stute und wollte vorbeireiten; allein Don Quijote sprach zu ihm: »Trefflicher Herr, wenn etwa Euer Gnaden desselben Weges zieht wie wir und es Euch nicht auf besondere Eile ankommt, so würdet Ihr mir eine Gunst erweisen, wenn wir zusammen reisten.«

»In der Tat«, antwortete der Reiter, »würde ich nicht sogleich das Weite gesucht haben, wenn ich nicht befürchtet hätte, daß durch die Nähe meiner Stute Euer Hengst unruhig würde.«

»Ihr könnt Eure Stute ruhig gehen lassen, Señor«, fiel hier Sancho ein, »denn unser Gaul ist der sittigste und anständigste auf Erden; nie hat er in ähnlichen Fällen eine Gemeinheit begangen, und das eine Mal, wo er sich vergessen hatte, haben mein Herr und ich es mit siebenfacher Buße entgelten müssen. Ich sag also noch einmal, Euer Gnaden kann langsam reiten, wenn Ihr wollt, denn wenn man ihm auch eine Stute auf dem Präsentierbrett entgegenbrächte, ganz gewiß würde er sie nicht ansehen.«

Der Reisende zog die Zügel an, voll Staunens ob Don Quijotes Aufzug und Angesicht, da der Ritter den Helm nicht aufhatte, welchen Sancho am Sattelknopf wie einen Mantelsack bei sich führte. Und wenn der Grünmantel Don Quijote aufmerksam ansah, so sah Don Quijote den Grünmantel noch aufmerksamer an, da ihm dieser ein Mann von Bedeutung schien. Sein Äußeres zeigte seine fünfzig Jahre, das Haar war dünn und grau, das Gesicht mit einer Adlernase, seine Miene zwischen munter und ernst; in Tracht und Haltung endlich ließ er den Mann von gutem Stande erkennen.

Des Grünmantels Urteil über Don Quijote von der Mancha aber war, daß er ein solches Auftreten und Aussehen noch bei keinem Menschen gefunden. Er bestaunte die langgestreckte Gestalt seines Gaules und die Don Quijotes selbst, die welken Züge und die gelbe Farbe seines Gesichts, seine Wehr und Waffen, sein Benehmen, seine Haltung: kurz, eine Erscheinung, ein Bild, wie es seit längst vergangenen Zeiten in diesem Lande nicht gesehen worden.

Wohl bemerkte Don Quijote die Aufmerksamkeit, mit welcher der Reisende ihn betrachtete, und las in seinen Zügen seinen Wunsch. Und da der Ritter so voll höflichen Anstandes war und so gern jedem Angenehmes erwies, so kam er, ohne eine Frage abzuwarten, ihm auf halbem Weg entgegen und sprach: »Da der Aufzug, den Euer Gnaden an mir bemerkt, jedem Auge so neu ist und so fern von dem, was heutzutage bräuchlich, sollte es mich nicht wundern, wenn dies Euch sollte gewundert haben; aber Ihr werdet alsobald von Eurer Verwunderung ablassen, wenn ich Euch sage – und das tue ich anitzo –, daß ich ein Ritter bin von jenen,

die, wie die Leute sagen,
hinausziehn auf ihre Abenteuer.

Ich schied von meiner Heimat, verpfändete mein Eigentum, gab mein bequemes Leben auf und warf mich dem Glück in die Arme, mich hinzuführen, wo es ihm belieben mag. Das fahrende Rittertum, das schon erstorbene, wollte ich zum Leben auferwecken, und viele Tage ist’s her, daß ich, hier strauchelnd, dort fallend, hier niederstürzend, dort wieder aufstehend, einen großen Teil meines Vorhabens ausgeführt, indem ich Witwen zu Hilfe kam, Jungfrauen Schutz verlieh, Ehefrauen, Waisen und Unmündigen zur Stütze wurde: ein Amt und Beruf, so den fahrenden Rittern eigentümlich und angeboren. Und so habe ich durch meiner zahlreichen, mannhaften, christlichen Taten Verdienst es dahin gebracht, daß ich bei fast allen oder doch den meisten Völkerschaften der Welt bereits im Druck zu finden bin. Dreißigtausend Bände sind von meiner Geschichte gedruckt worden, und es hat den Anschein, als sollten dreißigtausendmaltausend gedruckt werden, so der Himmel es nicht abwendet. Kurz, um alles in wenige Worte oder vielmehr in ein einziges zusammenzufassen, so sag ich: ich bin Don Quijote von der Mancha, sonst auch mit andrem Namen der Ritter von der traurigen Gestalt geheißen. Und wiewohl Eigenlob übel riecht, bin ich doch zuweilen genötigt, das meinige zu verkünden; versteht sich, wenn kein andrer sich anwesend findet, der es verkünde. Sonach, mein werter Edelmann, werden weder dies Roß noch dieser Speer, weder dieser Schild noch Schildknappe noch all diese Wehr und Waffen zusammen noch die gelbliche Blässe meines Gesichtes noch die Magerkeit meines Körpers Euch hinfüro wundern, nachdem Ihr nunmehr erfahren habt, wer ich bin und welchen Beruf ich übe.« Nach diesen Worten schwieg Don Quijote, und der Grünmantel zögerte so mit der Antwort, daß es schien, als ob er keine zu finden wisse. Nach einer guten Weile jedoch sagte er: »Es ist Euch gut gelungen, Herr Ritter, an meinem Erstaunen meinen Wunsch zu erkennen; aber es ist Euch nicht gelungen, mich aus der Verwunderung zu reißen, in die mich Euer Anblick versetzt hat. Denn obschon Ihr sagt, daß ich nur zu wissen brauche, wer Ihr seid, Señor, um mich von meinem Erstaunen zu erholen, so ist es doch nicht geschehen; vielmehr sind jetzt, wo ich es weiß, Staunen und Verwunderung bei mir nur noch mehr gewachsen. Wie? Ist es möglich, daß es heutzutage noch fahrende Ritter in der Welt gibt und daß es sogar gedruckte Geschichten von wirklichen Rittertaten gibt? Ich kann mich nicht davon überzeugen, daß es heut auf Erden jemand geben kann, der sich Witwen hilfreich erwiese, Jungfrauen in seinen Schutz nähme oder für der Ehefrauen Ehre einstünde oder den Waisen Beistand leistete; und ich würde es nicht glauben, wenn ich es nicht an Euch mit meinen eignen Augen gesehen hätte. Gott sei gelobt, daß durch diese Geschichte, die nach Euer Gnaden Mitteilung von Euren hohen und wahrheitsgemäßen Rittertaten gedruckt vorliegt, die zahllosen Erzählungen von erdichteten fahrenden Rittern nun wohl in Vergessenheit versenkt sein werden, mit denen die Welt überfüllt war zu so großem Nachteil für die guten Sitten und zu so großer Beeinträchtigung und Mißachtung der guten Geschichtsbücher.«

»Es ist viel darüber zu sagen«, entgegnete Don Quijote, »ob die Geschichten der fahrenden Ritter erdichtet sind oder nicht.«

»Gibt’s denn jemand, der zweifelt«, versetzte der Grüne, »daß die Geschichten dieser Art unwahr sind?«

»Ich zweifle daran«, gab Don Quijote zur Antwort, »und wir wollen es hierbei bewenden lassen; denn wenn unsre Reise länger dauert, so hoffe ich zu Gott, Euch klarzumachen, daß Ihr übel daran getan, mit dem Strom derer zu schwimmen, die es für ausgemacht halten, sie seien nicht wahr.«

Aus dieser letzten Äußerung schöpfte der Reisende die Vermutung, Don Quijote müsse geistesgestört sein, und wartete darauf, ob noch andre Äußerungen von ihm dies bestätigen würden. Bevor sie sich jedoch in ein weiteres Gespräch einließen, ersuchte ihn Don Quijote, ihm zu sagen, wer er sei, da auch er ja ihm über seinen Beruf und sein Leben Auskunft erteilt habe.

Darauf sagte der Grünmantel: »Ich, Herr Ritter von der traurigen Gestalt, bin ein Landedelmann, gebürtig aus einem Orte, wo wir heute zu Mittag speisen wollen, so Gott will. Ich besitze mehr als mittelmäßigen Reichtum; mein Name ist Don Diego de Miranda; ich verbringe mein Leben mit Frau und Kindern und Freunden. Meine Beschäftigungen sind Jagen und Fischen; ich halte mir aber weder einen Falken noch Windhunde, sondern nur ein abgerichtetes Lockhuhn und ein furchtloses Frettchen. Ich habe sechs Dutzend Bücher, einige spanisch, einige lateinisch, einige sind Geschichts- und andre Andachtsbücher; Ritterbücher sind noch nicht über die Schwelle meines Hauses gekommen. Ich blättere in den weltlichen Büchern mehr als in den geistlichen, sofern sie anständige Unterhaltung bieten, durch schöne Sprache erfreuen und durch Erfindung in Bewunderung und Spannung versetzen, wiewohl es derartige gar wenig in Spanien gibt. Manchmal speise ich bei meinen Nachbarn und Freunden, und sehr häufig lade ich sie ein; meine Gasttafel ist stets reinlich und nett und sicher nicht kärglich. Ich gebe mich nicht mit übler Nachrede ab und erlaube sie nicht in meiner Gegenwart; ich spüre den Verhältnissen Dritter nicht nach und laure ihren Handlungen nicht mit Luchsaugen auf. Ich höre jeden Tag die Messe; ich teile den Armen mit von meiner Habe, prunke aber nicht mit meinen guten Werken, weil ich Heuchelei und Ruhmredigkeit nicht in meinem Herzen aufkommen lassen will, diese Feinde, die sich auch des besonnensten Geistes schmeichlerisch bemächtigen. Ich mühe mich, Frieden zu stiften zwischen Leuten, die uneins sind, verehre Unsre Liebe Frau und baue stets auf Gott unsern Herrn und sein unendliches Erbarmen.«

Mit höchster Aufmerksamkeit hörte Sancho den Junker erzählen, wie er lebe und womit er sich unterhalte; ein solches Leben erschien ihm ein vortreffliches und heiliges, und wer es führe, meinte er, müsse Wunder tun können. So sprang er von seinem Grautier herab, eilte rasch hin und ergriff des Junkers rechten Steigbügel, und mit andächtigem Herzen und beinahe mit Tränen küßte er ihm die Füße einmal über das andre.

Als der Junker das sah, fragte er: »Was tut Ihr da, guter Freund? Was sollen diese Küsse bedeuten?«

»Laßt mich nur küssen«, antwortete Sancho; »denn es deucht mir, Euer Gnaden ist der erste Heilige zu Pferde, den ich all mein Lebtag gesehen habe.«

»Ich bin kein Heiliger«, antwortete der Junker, »sondern ein großer Sünder; Ihr aber, Freund, müßt ein guter Mensch sein, wie es Eure Einfalt an den Tag legt.«

Sancho stieg wieder auf seinen Eselssattel, nachdem er der tiefen Schwermut seines Herrn ein Lächeln entlockt und in Don Diego eine Verwunderung neuer Art erweckt hatte.

Don Quijote fragte den Fremden, wieviel Kinder er habe, und fügte bei: »Zu den Dingen, worin die alten Philosophen, die der wahren Kenntnis Gottes ermangelten, das höchste Glück erblickt haben, gehörten die Gaben der Natur und des Glückes, der Besitz zahlreicher Freunde und zahlreicher wohlgeratener Kinder.«

»Ich, Señor Don Quijote«, antwortete der Junker, »habe einen Sohn, und hätte ich ihn nicht, so würde ich mich vielleicht für glücklicher erachten, als ich es bin, und zwar nicht, weil er ungeraten ist, sondern weil er nicht so gut geraten ist, wie ich wünschte. Er wird etwa im Alter von achtzehn Jahren stehen, sechs hat er in Salamanca mit dem Erlernen der lateinischen und griechischen Sprache zugebracht, und als ich verlangte, er solle zum Studium andrer Wissenschaften übergehen, fand ich ihn so erpicht auf die der Poesie – wenn man diese als Wissenschaft bezeichnen kann –, daß es nicht möglich ist, ihm Geschmack an der Rechtswissenschaft beizubringen, die er nach meinem Willen studieren sollte, noch an der Königin aller, der Gottesgelahrtheit. Ich hätte gewünscht, er sollte die Krone seiner Familie werden, da wir in einem Zeitalter leben, wo unsre Könige die an Tugend und allem Edlen reiche Gelehrsamkeit reich belohnen; denn Gelehrsamkeit ohne Tugend ist wie Perlen auf einem Misthaufen. Den ganzen Tag verbringt er damit, herauszufinden, ob Homer in dem und dem Verse der Ilias sich gut oder nicht gut ausgedrückt hat; ob Martial in dem und dem Epigramm schlüpfrig gewesen; ob diese oder jene Verse Vergils so oder so zu deuten sind. Kurz, all seine Unterhaltungen drehen sich um die Bücher der erwähnten Dichter nebst denen des Horaz, Persius, Juvenal und Tibullus; denn auf die neueren Dichter in spanischer Sprache gibt er nicht viel. Und trotz aller Abneigung, die er gegen die spanische Dichtung an den Tag legt, schwindelt ihm jetzt der Kopf von dem Vorhaben, eine Glosse auf vier Verse zu schreiben, die man ihm von Salamanca zugesendet hat und die, glaub ich, eine literarische Preisaufgabe waren.«

Auf all dieses entgegnete Don Quijote: »Die Kinder, Señor, sind Stücke, aus der Eltern Herz geschnitten, und mithin muß man sie lieben, ob sie gut oder böse sind, wie die Seele, die uns Leben gibt. Es ist der Eltern Sache, sie von klein auf stets den Weg der Tugend, der edlen Bildung und der guten christlichen Sitte zu leiten, auf daß sie, wenn erwachsen, ihren Eltern die Stütze des Alters und der Ruhm ihrer Nachkommenschaft seien; aber sie zum Studium dieser oder jener Wissenschaft zu zwingen, halte ich nicht für wohlgetan, obzwar es nicht schaden kann, ihnen gütlich zuzureden. Und falls man nicht pro pane lucrando studieren muß, wenn nämlich der Student das Glück hat, daß ihm der Himmel Eltern gegeben, die ihm Brot hinterlassen können, da wäre ich der Meinung, sie sollen ihn dasjenige gelehrte Fach wählen lassen, zu welchem er sich hingezogen fühlt. Und obschon die Dichtkunst weniger zum Nutzen als zum Ergötzen dient, so gehört sie doch nicht zu den geistigen Übungen, die den entehren, der sich ihnen hingibt. Die Dichtkunst, werter Junker, ist meiner Meinung nach wie eine zarte, jugendliche, vollendet schöne Jungfrau, um welche andre Jungfrauen bestrebt sind, sie zu bereichern, zu schmücken, mit höherem Glanze zu umgeben; diese letzteren sind die andern Wissenschaften alle, und jene will ihrer aller Dienste benutzen, und alle wollen durch sie höheren Wert erlangen. Aber diese Jungfrau will nicht plump betastet und auf den Gassen umhergeschleppt, will nicht an den Ecken der Marktplätze noch in den Plauderwinkeln der Paläste zur öffentlichen Kunde gebracht werden. Sie ist aus einem Erz von so edlem Gehalt gebildet, daß, wer es zu behandeln versteht, es in reinstes Gold von unschätzbarem Werte zu verwandeln vermag. Wer sie besitzt, muß sie in den rechten Schranken halten und nicht gestatten, daß sie sich in unsittlichen Satiren oder gewissenlosen Sonetten ergehe. Sie darf um nichts feil sein, ausgenommen, wenn es sich um Heldengedichte, trauervolle Tragödien und heitere, kunstreiche Komödien handelt; man soll die Kunst der Poesie nicht von den Possenreißern üben lassen noch von dem Pöbel, der unfähig ist, die Schätze zu erkennen und zu würdigen, die sie in sich birgt. Und denkt nicht etwa, Señor, daß ich hier nur die Leute von plebejischem und niedrigem Stande Pöbel nenne; nein, jeder Ungebildete, wenn er auch ein vornehmer Herr und ein Fürst ist, kann und muß zum Pöbel gerechnet werden.

Derjenige also, der, all den erwähnten Erfordernissen genügend, sich mit Poesie beschäftigt und Poesie in sich hat, wird berühmt, und sein Name wird bei allen gebildeten Völkerschaften der Welt hochgeschätzt werden. Und wenn Ihr sagt, Señor, daß Euer Sohn die spanische Dichtung nicht sonderlich schätze, bin ich überzeugt, daß er sich hierin auf einem Irrwege befindet, und zwar aus folgendem Grund: der große Homer hat nicht auf lateinisch geschrieben, weil er ein Grieche war; ebensowenig hat Vergil griechisch geschrieben, denn er war ein Lateiner. Kurz, alle Dichter des Altertums schrieben in der Sprache, die sie mit der Muttermilch eingesogen, und suchten nicht nach einer fremden, um die Erhabenheit ihrer Gedanken auszudrücken. Und da dem so ist, so wäre es vernünftig, wenn sich ein gleicher Brauch über alle Völkerschaften verbreitete und wenn man also den deutschen Dichter nicht mißachtete, weil er in seiner Sprache schreibt, noch den kastilianischen noch auch den biskayischen, der in der seinigen dichtet. Allein Euer Sohn, Señor, wie ich es wenigstens mir vorstelle, wird nicht eigentlich an der spanischen Dichtung Mißfallen haben, sondern vielmehr an den Dichtern, die ausschließlich in ihrem Spanisch schreiben, ohne eine andre Sprache oder eine andre Wissenschaft zu verstehen, die ihre angeborene dichterische Gabe mit höherer Zierde bereichern und erwecken und unterstützen würden. Aber selbst hierin kann ein Irrtum walten, denn, wie es richtig heißt: der Dichter wird geboren; das heißt, der geborene Dichter kommt schon aus dem Mutterleib als Dichter; und mit jener Gabe, die ihm der Himmel verliehen, schafft er ohne weiteres Studium oder Kunst Werke, die den Spruch jenes Alten wahr machen, der da sagte: Est deus in nobis, et cetera. Auch sage ich, daß der geborene Dichter, wenn er die Kunst zu Hilfe nimmt, Besseres leisten und höhere Geltung erlangen wird, als wer nur deshalb, weil er sich auf die Kunst versteht, ein Dichter sein will. Der Grund ist, weil die Kunst niemals die Natur übertrifft, sondern diese nur vervollkommnet; und wenn sonach die Natur mit der Kunst und die Kunst mit der Natur verbunden ist, werden beide zusammen einen vollendeten Dichter hervorbringen.

Nun will ich aus dem Gesagten den Schluß ziehen, werter Junker, daß Ihr Euren Sohn den Weg gehen lassen sollt, wohin sein Stern ihn ruft; denn da er so tüchtig im Studium ist – und das wird er jedenfalls sein –, da er bereits die erste Staffel der Wissenschaft erstiegen hat, nämlich die der Sprachen, wird er mittels dieser letzteren von selbst zum Gipfelpunkte des weltlichen Wissens steigen, das einem Edelmann, der keine gelehrte Laufbahn ergreifen will, wohl ansteht und ihn sonach ziert, ehrt und erhöht wie die Mitra den Bischof und der Talar den erfahrenen Rechtsgelehrten. Ihr möget Euern Sohn schelten, wenn er Satiren schreibt, die der Ehre anderer zu nahe treten, und mögt ihn strafen und sie zerreißen; wenn er aber Satiren in der Art des Horaz schreibt und darin die Laster im allgemeinen verurteilt, wie jener es in so geschmackvoller Weise getan hat, dann lobt ihn, sintemal es dem Dichter verstattet ist, gegen den Neid zu schreiben und in seinen Versen die Neider und ebenso andere Laster zu geißeln, wenn er nur keine bestimmten Personen bezeichnet. Aber es gibt Poeten, die, nur um eine Bosheit zu sagen, sich der Gefahr aussetzen würden, auf die Inseln des Pontus verbannt zu werden. Wenn der Dichter keusch ist, wird er es auch in seinen Versen sein; die Feder ist die Zunge des Geistes, und so, wie die Gedanken sind, die sein Geist erzeugt, so werden auch seine Schriften sein. Wenn die Könige und Fürsten die wundervolle Gabe der Poesie bei verständigen, tugendsamen und würdigen Personen finden, so ehren, schätzen und bereichern sie diese, ja bekränzen sie mit den Blättern jenes Baumes, den der Blitzstrahl nie verletzt, zum Zeichen, daß niemand denen ein Leid zufügen soll, deren Schläfen mit solchen Kränzen geehrt und geschmückt sind.«

In hohe Verwunderung geriet der Grünmantel ob der Rede Don Quijotes, und zwar in solchem Grade, daß er von seiner Meinung, der Ritter sei gestörten Geistes, nach und nach einiges aufgab.

Mitten in diesem Gespräche aber, das nicht sehr nach seinem Geschmacke war, hatte sich Sancho beiseite gemacht, um etwas Milch von den Hirten zu erbitten, die dort in der Nähe mit dem Melken von Schafen beschäftigt waren. Inzwischen wollte der Junker, im höchsten Grade befriedigt von Don Quijotes Verstand und Klugheit, das Gespräch schon wieder anknüpfen, als der Ritter den Kopf erhob und auf der Straße einen mit königlichen Fahnen über und über verzierten Wagen kommen sah, und da er glaubte, es komme hier ein neues Abenteuer, rief er mit mächtiger Stimme nach Sancho, er solle kommen, um ihm den Helm zu reichen. Als unser Sancho sich rufen hörte, ließ er die Hirten stehen, spornte sein Grautier und kam in aller Eile zur Stelle, wo sein Herr hielt; dem aber begegnete nun ein erschreckliches und gar befremdliches Abenteuer.

17. Kapitel


Wo der höchste Punkt und Gipfel geschildert wird, allwohin Don Quijotes unerhörter Heldenmut sich verstieg und sich versteigen konnte; benebst dem glücklich bestandenen Abenteuer mit dem Löwen

Es erzählt die Geschichte, daß Sancho, als Don Quijote ihm zurief, er solle den Helm bringen, gerade dabei war, den Hirten etliche Laibe Rahmkäse abzukaufen. Wegen der großen Eile seines Herrn wußte er nicht, was er mit ihnen anfangen noch worin er sie mitnehmen sollte; und um den bereits bezahlten Käse nicht zu verlieren, kam er auf den Gedanken, ihn in den Helm seines Herrn zu schütten, und mit diesem trefflichen Proviant wandte er sich zu seinem Herrn, um zu hören, was er von ihm wolle. Als er sich näherte, sprach Don Quijote zu ihm: »Gib mir den Helm, Freund, denn ich verstehe entweder wenig von Abenteuern, oder was ich dort erspähe, ist ein solches, das mich nötigen wird, ja mich sofort nötigt, zu den Waffen zu greifen.«

Der Grünmantel, der dies hörte, wendete seine Augen nach allen Seiten, konnte aber nichts andres entdecken als einen Karren, der ihnen entgegenkam und mit ein paar Fähnchen verziert war, aus denen er schloß, daß besagter Karren Geld für Seine Majestät führen müsse, und dieses sagte er auch zu Don Quijote. Der aber schenkte ihm keinen Glauben, da er stets überzeugt war, alles, was ihm begegne, sei ein Abenteuer und immer wieder ein Abenteuer. Daher antwortete er dem Junker: »Gute Vorbereitung ist schon halber Sieg. Es kann nichts schaden, wenn ich mich rüste, denn ich weiß aus Erfahrung, daß ich sichtbare und unsichtbare Feinde habe, und ich weiß nicht, wann oder wo oder zu welcher Zeit oder in welcherlei Gestalten sie mich angreifen werden.«

Und sich zu Sancho wendend, forderte er seinen Helm, und da Sancho keine Möglichkeit sah, den Rahmkäse herauszunehmen, mußte er ihm notgedrungen den Helm reichen, so wie er war. Don Quijote nahm ihn, und ohne zu bemerken, was darin lag, stülpte er ihn eiligst über den Kopf; und da der Käse hierbei zusammengedrückt und gequetscht wurde, so begann der Quark dem Ritter über Gesicht und Bart zu fließen, worüber er so erschrak, daß er zu Sancho sagte: »Was mag das sein, Sancho? Es kommt mir vor, als wenn mein Hirn sich erweichen und meine Sinne zerschmelzen wollten oder als wenn ich von Kopf zu Füßen in Schweiß wäre. Und sollte ich wirklich schwitzen, so geschieht es wahrlich nicht aus Furcht; allerdings glaube ich, das Abenteuer, das mir jetzt bevorsteht, ist ein erschreckliches. Wenn du was hast, mich abzutrocknen, so gib’s her, denn der starke Schweiß macht mir die Augen ganz blind.«

Sancho schwieg still und brachte ihm ein Tuch und dankte zugleich dem gütigen Gotte, daß sein Herr nicht hinter die Sache gekommen war. Don Quijote trocknete sich und nahm den Helm ab, um zu sehen, was ihm eigentlich den Kopf so erkältete, wie es ihm vorkam; aber als er den weißen Brei im Helme sah, hielt er die Nase daran, beroch ihn und sagte: »Beim Leben meiner Gebieterin Dulcinea von Toboso, Rahmkäse sind’s, die du mir hier hineingelegt hast, Schurke, frecher Schelm, schlechtgesinnter Schildknappe!«

Darauf antwortete Sancho mit großer Gelassenheit und Verstellung: »Wenn es Rahmkäse sind, so wolle Euer Gnaden mir selbige verabreichen, ich will sie essen; aber nein, der Teufel soll sie essen, denn der muß sie da hineingetan haben. Ich, ich sollte die Frechheit haben, Euer Gnaden Helm zu besudeln? Da habt Ihr den frechen Kerl schön erraten! Wahrhaftig, Señor, das ist ein Fingerzeig Gottes; auch ich muß Zauberer haben, die mich verfolgen, mich als Geschöpf und Glied von Euer Gnaden, und die werden diesen Unflat da hineingetan haben, um Euere Geduld zum Zorne zu reizen, daß Ihr mir den Rücken zerdrescht, wie Ihr gewohnt seid. Aber wahrhaftig, diesmal, glaub ich, gehen ihre Sprünge ins Blaue hinein; denn ich baue auf die weise Einsicht meines Herrn, der sicher erwogen hat, daß ich weder Rahmkäse noch Milch noch sonst was gleicher Art bei mir habe und daß ich, wenn ich’s hätte, es lieber in meinen Magen als in den Helm hineintun würde.«

»Alles ist möglich«, sagte Don Quijote darauf. Und alles das sah der Landjunker aufmerksam mit an, und über alles wunderte er sich, besonders als Don Quijote, nachdem er sich Kopf, Gesicht, Bart und Helm gereinigt, den letztern aufstülpte, sich fest in den Bügeln zurechtsetzte, sein Schwert versuchsweise aus der Scheide zog und, den Speer fassend, so sprach: »Jetzt komme, was da kommen mag, denn hier bin ich, fest entschlossen, mit dem Teufel in eigner Person anzubinden.«

Indem näherte sich der Karren mit den Fahnen, bei dem sich niemand befand als der Fuhrmann auf einem der Maultiere und ein Mann, der auf dem Vorderteil des Karrens saß. Don Quijote pflanzte sich vor dem Fuhrwerk auf und sprach: »Wohin des Weges, gute Leute? was ist dies für ein Karren? was habt ihr darin? und was für Fähnlein sind dies?«

Darauf antwortete der Fuhrmann: »Der Karren gehört mir; was darauf ist? Zwei wilde Löwen im Käfig, die der Oberbefehlshaber zu Orán als Geschenk für Seine Majestät nach der Residenz schickt; die Fahnen sind die des Königs, unsres Herrn, zum Zeichen, daß, was sich hierin befindet, königliches Eigentum ist.«

»Und sind die Löwen groß?« fragte Don Quijote.

»So groß«, antwortete der Mann vor der Tür des Käfigs, »daß niemals größere oder auch nur ebenso große aus Afrika nach Spanien herübergekommen sind; und ich bin der Löwenwärter und habe ihrer schon mehr herübergebracht, aber wie diese keinen. Es ist ein Löwe und eine Löwin; der Löwe ist in diesem vorderen Käfig und die Löwin in dem dahinter. Jetzt sind sie hungrig, weil sie heute noch nichts gefressen haben, und darum wolle Euer Gnaden aus dem Wege gehen, denn wir müssen eiligst einen Ort erreichen, wo wir ihnen ihr Futter geben können.«

Darauf sagte Don Quijote mit fast unmerklichem Lächeln: »Mir kommt man mit jämmerlichen Löwchen? Mir mit armseligen Löwchen, und gerade zu dieser Stunde? Nun, bei Gott, so sollen jene Herren, die sie hierhersenden, sehen, ob ich ein Mann bin, der sich vor Löwen fürchtet! Steigt herunter, guter Freund, und da Ihr der Löwenwärter seid, so öffnet die Käfige hier und treibt mir die Untiere heraus; denn mitten auf dem Gefilde hier will ich ihnen zeigen, wer Don Quijote von der Mancha ist, zu Trotz und Ärger den Zauberern, die sie mir hierhersenden.«

»Aha!« sagte hier der Junker leise für sich, »nun hat unser guter Ritter ein deutliches Zeichen gegeben, wes Geistes Kind er ist; ganz gewiß hat der Rahmkäse sein Hirn erweicht und seine Sinne mürbe gemacht.«

In diesem Augenblick näherte sich Sancho dem Fremden und sprach zu ihm: »Señor, um Gottes willen bitt ich Euer Gnaden, seht doch, wie Ihr es fertigbringt, daß mein Herr Don Quijote nicht mit den Löwen da anbindet, denn wenn er’s tut, so reißen sie uns alle auf der Stelle in Stücke.«

»Ist denn Euer Herr so verrückt«, entgegnete der Junker, »daß Ihr fürchtet und glaubt, er werde wirklich mit diesem wilden Getier anbinden?«

»Verrückt ist er nicht«, antwortete Sancho, »aber tollkühn.«

»Ich will es schon fertigbringen, daß er es diesmal nicht ist«, versetzte der Junker.

Er näherte sich Don Quijote, der den Löwenwärter drängte, die Käfige zu öffnen, und sprach zu ihm: »Herr Ritter, die fahrenden Ritter sollen sich an Abenteuer wagen, die die Hoffnung glücklichen Ausgangs verheißen, und nicht an solche, die ihnen jede Aussicht rauben; denn die Tapferkeit, die in den Bereich der Vermessenheit übergreift, hat mehr von der Torheit als von Seelenstärke an sich. Zudem kommen diese Löwen nicht, Euer Gnaden zu befehden, ja, dies fällt ihnen nicht im Traume ein; sie kommen als Geschenk für Seine Majestät, und so tut Ihr nicht wohl daran, sie aufzuhalten oder an ihrer Fahrt zu hindern.«

»Geht nur, werter Junker«, antwortete Don Quijote, »und macht Euch mit Eurem abgerichteten Lockhuhn zu tun und mit Eurem tapferen Frettchen und laßt einen jeglichen seines Amtes walten; dies ist mein Amt, und ich weiß schon, ob diese Herren Löwen zur Fehde mit mir gekommen sind oder nicht.«

Und sich zu dem Löwenwärter wendend, sprach er: »Ich schwör’s bei dem und jenem, Er Spitzbube, wenn Er die Käfige nicht gleich auf der Stelle aufmacht, so werd ich Ihn mit diesem Speer an den Karren nageln!«

Der Kärrner sah die Entschlossenheit dieser gewappneten Spukgestalt und sagte: »Gnädiger Herre mein, wollet aus Barmherzigkeit gestatten, daß ich die Maultiere ausspanne und mich mit ihnen in Sicherheit bringe, ehe die Löwen aus ihrem Käfig kommen; denn wenn sie mir sie umbringen, bin ich für mein ganzes Leben zugrunde gerichtet; der Karren und die Maultiere sind meine ganze Habe.«

»O du Kleingläubiger!« entgegnete Don Quijote; »steig ab und spann aus und tu, wozu du Lust hast; bald wirst du sehen, daß du dich vergeblich bemüht hast und daß du dir diese Fürsorge hättest ersparen können.«

Der Kärrner stieg ab und spannte eiligst aus, und der Löwenwärter sprach mit erhobener Stimme: »Seid mir Zeugen alle, die ihr hier zugegen seid, wie ich gegen meinen Willen und nur gezwungen die Käfige aufmache und die Löwen freilasse und wie ich diesem Herrn gegenüber mich verwahre, daß aller Schaden und Nachteil, den diese Tiere verüben mögen, auf seine Rechnung und Gefahr geht und steht, dergleichen auch meine Löhnung und meine anderen Ansprüche. Ihr aber, meine Herrschaften, begebt euch in Sicherheit, bevor ich aufschließe; ich meinesteils bin sicher, daß sie mir nichts Böses tun.«

Der Junker redete dem Ritter nochmals zu, er solle keine solche Torheit begehen; es heiße Gott versuchen, einen solchen Unsinn zu unternehmen. Darauf gab Don Quijote zur Antwort, er wisse, was er tue. Jener bat ihn nochmals, die Sache wohl zu erwägen; er sei überzeugt, daß er in Selbsttäuschung befangen sei.

»Jetzo, Señor«, entgegnete Don Quijote, »wenn Euer Gnaden kein Zuschauer bei dem Stück sein will, das nach Eurer Ansicht ein Trauerspiel sein wird, so gebt Eurem Grauschimmel die Sporen und bringt Euch in Sicherheit.«

Als Sancho das hörte, flehte er ihn mit tränenden Augen an, von einem solchen Unternehmen abzulassen; im Vergleich mit ihm seien das Abenteuer mit den Windmühlen und jenes so fürchterliche mit der Walkmühle und kurz alle Heldentaten, an die er sich im ganzen Verlauf seines Lebens gewagt, nur Zuckerbrot und Hochzeitskuchen gewesen. »Bedenket, Señor«, sagte Sancho, »hier ist keine Zauberei dabei noch irgend etwas Ähnliches, denn ich habe durch die Latten und Ritzen des Käfigs hindurch die Tatze eines wirklichen Löwen gesehen, und aus ihr schließe ich, daß besagter Löwe, dem die besagte Klaue angehört, größer sein muß als ein Berg.«

»Zum mindesten wird die Furcht«, entgegnete Don Quijote, »ihn dir größer erscheinen lassen als eine halbe Welt. Weiche hinweg, Sancho, und laß mich, und wenn ich hier sterben sollte, so kennst du ja unser altes Übereinkommen, du begibst dich zu Dulcinea, und weiter sag ich dir nichts.«

Diesen Worten fügte er noch andre hinzu, mit denen er allen die Hoffnung raubte, er würde doch vielleicht noch davon abstehen, in seinem wahnwitzigen Vorhaben weiterzugehen. Der Grünmantel hätte sich ihm gern widersetzt; allein er sah, daß er ihm an Bewaffnung zu ungleich war, und dann deuchte es ihn nicht vernünftig, mit einem Verrückten anzubinden, denn als ein solcher erschien ihm Don Quijote jetzt in jeder Beziehung.

Als nun Don Quijote aufs neue den Löwenwärter zur Eile drängte und seine Drohungen wiederholte, gab er dem Junker hinreichenden Grund, seinem Pferde, und dem guten Sancho, seinem Grauen, und dem Kärrner, seinen Maultieren die Sporen einzusetzen, und alle waren darauf bedacht, sich von dem Karren so weit als möglich zu entfernen, bevor die Löwen losgelassen würden. Sancho beweinte seines Herrn sichern Tod, der diesmal, so glaubte er, ihn in den Krallen der Löwen treffen werde; er verwünschte sein Schicksal, und unselig nannte er die Stunde, in der ihm der Gedanke gekommen, aufs neue in des Ritters Dienste zu treten; aber bei allem Weinen und Jammern versäumte er doch nicht, auf sein Grautier loszuprügeln, um so rasch wie möglich von dem Karren fortzukommen.

Als der Löwenwärter sah, daß die Flüchtlinge weit weg waren, bestürmte er den Ritter aufs neue mit denselben Vorstellungen und Verwahrungen wie schon vorher; Don Quijote antwortete indessen, er verstehe ihn wohl, aber er solle sich nicht weiter mit Vorstellungen und Verwahrungen bemühen, da alles umsonst sei, und er solle sich eilen.

Während der Löwenwärter noch zögerte, den vorderen Käfig aufzuschließen, erwog Don Quijote, ob es geraten sei, den Kampf lieber zu Fuß als zu Pferde auszufechten; endlich aber beschloß er, ihn zu Fuß zu unternehmen, da er fürchtete, Rosinante würde vor den Löwen scheuen. Er sprang daher vom Pferde, warf den Speer weg, faßte den Schild in den Arm, zog das Schwert aus der Scheide und trat Schritt für Schritt mit wunderbarer Entschlossenheit und mannhaftem Herzen vor den Karren hin, wobei er sich von ganzem Herzen Gott und seiner Herrin Dulcinea anbefahl.

Hier ist zu bemerken, daß der Verfasser dieser wahrhaftigen Geschichte, als er an diese Stelle kommt, im Ausbruch bewundernden Gefühles sagt: O du heldenstarker und über allen Preis tapferer Don Quijote von der Mancha, du Spiegel aller Kämpen der Welt, du neuer Don Manuel de León, der da Ruhm und Ehre war der Ritter in spanischen Landen! Mit welchen Ausdrücken soll ich diese so erschreckliche Großtat erzählen, mit was für Worten soll ich sie den kommenden Jahrhunderten glaublich machen? Welche Lobpreisungen kann es geben, die dir nicht geziemten und deinem Werte nicht gemäß wären, und sollten sie auch alle Überschwenglichkeiten übersteigen? Du zu Fuße, du allein, du unverzagt, du hochherzig, nur mit einem Schwert, und zwar keineswegs mit einem von scharfer Schneide und der Marke Toledo, mit einem Schild von nicht sonderlich glänzendem poliertem Stahl, du stehst da und erharrest und erwartest die zwei wildesten Löwen, welche die afrikanischen Wälder jemals erzeugt haben. Deine eignen Taten sollen dich loben, tapferer Manchaner, denn ich lasse sie hier in ihrer Verwerflichkeit beruhen, weil mir die Worte fehlen, sie zu preisen.

Hiermit waren die begeisterten Ausrufungen des Verfassers, die wir berichten, zu Ende. Indem er den Faden der Geschichte wieder aufnimmt, fährt er mit folgenden Worten fort:

Als der Löwenwärter sah, daß Don Quijote bereits Stellung genommen und daß er nicht umhinkönne, den männlichen Löwen loszulassen, wenn er nicht bei dem erzürnten und verwegenen Ritter in Ungnade fallen wollte, machte er den vorderen Käfig sperrangelweit auf, in welchem sich, wie gesagt, der Löwe befand, der von ungeheurer Größe und entsetzlichem, furchtbarem Aussehen war. Das erste, was er tat, war, daß er sich im Käfig, worin er gelegen hatte, nach allen Seiten hin drehte, die Tatze ausstreckte und sich um und um reckte und dehnte; dann riß er den Rachen auf und gähnte lang und gemächlich, wischte sich mit der Zunge, die fast zwei Spannen lang heraushing, den Staub aus den Augen und leckte sich das Gesicht ab. Dann streckte er den Kopf aus dem Käfig und sah sich nach allen Seiten um, mit Augen, die wie Kohlen glühten; es war ein Anblick, um die Tollkühnheit selbst mit Entsetzen zu erfüllen. Nur Don Quijote schaute ihn unverwandten Auges an mit dem Wunsche, er möchte gleich vom Karren springen und mit ihm handgemein werden, da er mit seinen Händen ihn in Stücke zu zerhauen gedachte.

Bis zu diesem Punkt verstieg sich das Übermaß seiner noch nie dagewesenen Verrücktheit. Allein der großmütige Löwe bewies viel eher Freundlichkeit als Hochmut, und ohne sich um Kindereien und Großsprechereien zu kümmern, und nachdem er sich nach allen Seiten umgesehen, wandte er den Rücken, wies Don Quijote sein Hinterteil und streckte sich höchst gelassen und gemächlich wiederum im Käfig nieder.

Als Don Quijote dies sah, gebot er dem Wärter, den Löwen zu reizen und mit dem Stock herauszutreiben.

»Das werde ich nimmermehr tun«, antwortete der Löwenwärter; »denn wenn ich ihn reize, bin der erste, den er in Stücke reißt, ich selber. Euer Gnaden, Herr Ritter, möge sich’s an dem genug sein lassen, was Ihr getan habt; denn dies ist schon alles, was man in Sachen der Tapferkeit nur immer sagen kann, und wollet nicht zum zweitenmal Euer Glück versuchen. Der Löwe hat die Tür offenstehen, bei ihm steht es, herauszukommen oder nicht herauszukommen; aber da er bis jetzt den Käfig nicht verlassen hat, so wird er es den ganzen Tag nicht mehr tun. Euer Gnaden Heldenmut ist bereits hinreichend zutage getreten; kein wackerer Kämpe, soviel ich verstehe, ist zu mehrerem verpflichtet, als seinen Feind herauszufordern und ihn in offenem Felde zu erwarten; und wenn der Gegner nicht erscheint, so haftet an ihm die Schande, und der Herausforderer gewinnt die Krone des Siegs.«

»So ist’s in Wahrheit«, gab Don Quijote zur Antwort. »Schließ die Tür, Freund, und bezeuge mir in bester Form Rechtens, so gut du’s vermagst, was du mich hier vollbringen gesehen: nämlich, wie du dem Löwen aufgetan hast, ich ihn erwartete und er nicht herauskam, ich ihn wiederum erwartete, er wieder nicht herauskam und sich dann wieder hinlegte. Zu mehrerem bin ich nicht verpflichtet; und nun fort mit den Zauberkünsten! Und Gott schütze das Recht und die Wahrheit und das wahre Rittertum! Nun schließ zu, wie ich dir gesagt, während ich den Flüchtigen und Abwesenden Zeichen gebe, damit sie aus deinem Munde diese Heldentat erfahren.«

Der Löwenwärter tat also, und Don Quijote befestigte an die Spitze seines Speers das Tuch, mit welchem er sich das Gesicht vom Käseregen gereinigt hatte, und begann die andern herbeizurufen, die immer noch flüchteten und dabei den Kopf jeden Augenblick rückwärts wandten, alle auf einem Haufen, von dem Junker vor sich hergetrieben. Als aber Sancho endlich das Zeichen des weißen Tuches erblickte, sprach er: »Ich will des Todes sein, wenn mein Herr nicht die wilden Untiere besiegt hat, da er uns herbeiruft!«

Sie hielten alle und sahen, daß Don Quijote es war, der ihnen die Zeichen gab; sie erholten sich von ihrer Angst, und Schritt vor Schritt kamen sie näher, bis sie deutlich Don Quijotes Stimme hörten, der ihnen zurief. Endlich kehrten sie zu dem Karren zurück, und sofort bei ihrem Herannahen sprach Don Quijote zu dem Kärrner: »Schirret Eure Maultiere wieder an, guter Freund, und setzet Eure Reise fort; und du, Sancho, gib ihm zwei Goldtaler für ihn und für den Löwenwärter zum Lohn für die Zeit, die sie um meinetwillen hier verloren haben.«

»Die geb ich sehr gerne«, versetzte Sancho; »aber was ist aus den Löwen geworden? Sind sie tot oder lebendig?«

Nunmehr berichtete der Löwenwärter ausführlich, in einzelnen Absätzen, den Ausgang des Kampfes, wobei er, so gut er es nur vermochte, die Tapferkeit Don Quijotes übertrieb, vor dessen Anblick der Löwe entmutigt seinen Käfig zu verlassen weder begehrt noch gewagt habe, obwohl er den Käfig eine geraume Zeit offenstehn hatte. Weil nun er, der Wärter, dem Ritter gesagt habe, es heiße Gott versuchen, wenn man, wie es derselbe verlangte, den Löwen reize und mit Gewalt heraustreibe, so habe der Ritter endlich, obzwar sehr ungern und durchaus gegen seinen Wunsch, verstattet, die Tür wieder zu schließen.

»Was deucht dich hiervon, Sancho?« sagte Don Quijote. »Gibt es Zauberkünste, die gegen die wahre Tapferkeit aufkommen können? Die Zauberer können mir wohl das Glück rauben, aber die Kühnheit und den Mut – das ist unmöglich.«

Sancho gab die Taler her, der Kärrner spannte an, der Löwenwärter küßte Don Quijote die Hand für die empfangene Gnade und versprach ihm, diese heldenhafte Tat dem Könige selbst zu erzählen, sobald er in der Residenz sein würde.

»Wenn dann Seine Majestät fragen sollte, wer sie getan, so sagt ihm: der Löwenritter; denn von Stund an will ich, daß hinfüro mein bisheriger Name Ritter von der traurigen Gestalt sich in diesen Namen verwandle, umwechsle, verändere und umgestalte; und hierin folge ich dem alten Brauch der fahrenden Ritter, die ihre Namen veränderten, wann es sie gelüstete oder wann es ihnen zupaß kam.«

Der Karren fuhr seines Weges weiter, und Don Quijote, Sancho und der Grünmantel setzten den ihrigen fort. Während dieser ganzen Zeit hatte Don Diego de Miranda kein Wort gesprochen, da er völlig damit beschäftigt war, Don Quijotes Taten und Worte zu beobachten und zu verfolgen, und er hielt ihn für einen gescheiten Kopf, der ein Narr sei, und für einen Narren, der vieles vom gescheiten Kopf an sich habe. Der erste Teil von Don Quijotes Geschichte war noch nicht zu seiner Kenntnis gekommen; denn wenn er ihn gelesen hätte, so hätte er sich nicht mehr über des Ritters Taten und Worte gewundert, da er alsdann schon gewußt hätte, welcher Art seine Verrücktheit sei. Allein da er sie nicht kannte, so hielt er ihn bald für verrückt und bald für gescheit; denn was der Ritter sprach, war vernünftig und gut ausgedrückt, und was er tat, ungereimt, tollkühn und albern. Und so sprach der Junker für sich: Welch größere Verrücktheit kann es geben, als den Helm voll Rahmkäse aufzusetzen und sich einzubilden, daß die Zauberer ihm das Hirn erweicht haben? Und welch größere Verwegenheit und Verkehrtheit, als mit aller Gewalt gegen Löwen kämpfen zu wollen?

Aus diesen Betrachtungen und diesem Selbstgespräch riß ihn Don Quijote, indem er zu ihm sprach: »Wer kann zweifeln, Señor Don Diego de Miranda, daß Ihr mich für einen unsinnigen, verrückten Menschen haltet? Auch wär es nicht verwunderlich, wenn dem so wäre; denn meine Taten lassen auf nichts anderes schließen. Wohl denn, trotz alledem will ich Euch zeigen, daß ich weder so verrückt noch so geisteskrank bin, wie ich Euch gewiß vorgekommen bin. Schön steht es einem stattlichen Ritter an, wenn er vor seines Königs Augen, mitten auf öffentlichem Platze, einem wilden Stier mit glücklichem Erfolg einen Speeresstoß versetzt; schön steht es einem Ritter an, wenn er, mit schimmernder Wehr bewehrt, in fröhlichem Turnier vor den Frauen den Kampfplan durchstürmt; schön ist es, wenn all jene Ritter mit kriegerischen Übungen oder solchen, die kriegerisch aussehen, dem Hof ihres Fürsten Unterhaltung, Ergötzen und, wenn man dies sagen darf, Ehre verleihen. Aber über all diesem, weit schöner ist es, wenn ein fahrender Ritter über Wüsteneien, über Einöden und Kreuzwege hin, durch wilde Forsten und Bergwälder hindurch auf die Suche geht nach gefahrdrohenden Abenteuern, mit dem Vorhaben, sie zu glücklichem und wohlgelungenem Ziele zu führen, lediglich um strahlenden unvergänglichen Ruhm zu erringen. Schöner ist es, sag ich, wenn ein fahrender Ritter irgendwo in einer verlassenen Öde einer Witwe zu Hilfe eilt, als wenn in den großen Städten ein Ritter vom Hofe ein Fräulein mit Liebesworten umwirbt. Ein jeglicher Ritter hat seinen besonderen Beruf; der am Hofe lebt, möge den Frauen dienen, mit der Pracht seines Gefolges dem Hof seines Königs größern Glanz verleihen, ärmere Ritter mit den prunkenden Schüsseln seiner Tafel nähren, Kampfspiele veranstalten, Turniere abhalten, sich groß, freigebig und prachtliebend, vor allem aber sich als guter Christ zeigen, und durch solch Gebaren wird er seine vorgeschriebenen Obliegenheiten gebührend erfüllen. Jedoch der fahrende Ritter soll die dunkeln Winkel in der weiten Welt aufsuchen, in die verworrensten Labyrinthe dringen, bei jedem Schritt das Unmögliche versuchen, auf einsamer Heide die glühenden Strahlen der Sonne männlich aushalten inmitten des Sommers und im Winter die rauhe Strenge der Stürme und der eisigen Kälte; ihn sollen Löwen nicht schrecken, Ungetüme nicht mit Entsetzen schlagen, Drachen nicht in Furcht jagen, denn jene aufspüren, diese angreifen und sie alle überwinden, das ist sein hauptsächlicher und wahrer Beruf. Ich nun, da es mir zuteil ward, einer aus der Zahl der fahrenden Ritterschaft zu sein, ich kann nicht umhin, alles und jedes in die Hand zu nehmen, was meines Erachtens in den Bereich meines Ritteramtes fällt; mithin: die Löwen anzugreifen, das lag von Rechts wegen mir ob, wiewohl ich einsah, es sei eine übermäßige Verwegenheit. Denn wohl weiß ich, was Tapferkeit ist, eine Tugend, die mitteninne steht zwischen zwei äußersten Lastern, nämlich Feigheit und Tollkühnheit, und jedenfalls ist es das mindere Übel, wenn der Tapfere die Grenzlinie der Tollkühnheit streift und zu ihr emporsteigt, als wenn er bis zur Grenzlinie der Feigheit streift und herabsinkt. So wie der Verschwender leichter freigebig ist als der Geizhals, so geschieht es auch leichter, daß der Tollkühne sich wie ein wahrhaft Tapferer benimmt, als daß der Feigling sich zur wahren Tapferkeit erhebt. Und wenn es darauf ankommt, Abenteuer zu bestehen, so glaubt mir, Señor Don Diego, daß man das Spiel leichter verliert, wenn man des Guten zuviel, als wenn man zuwenig tut; denn es klingt besser in den Ohren, wenn einer hört: jener Ritter ist verwegen und tollkühn, als wenn er hört: jener Ritter ist feige und ängstlich.«

»Ich erkläre, Señor Don Quijote«, gab ihm Don Diego zur Antwort, »daß alles, was Euer Gnaden getan und gesagt hat, auf der Waage der Vernunft so abgewogen ist, daß das Zünglein mitteninne und die Schalen gleichstehen; und meine Meinung ist, wenn die Ordnungen und Gesetze des fahrenden Rittertums sich verlören, so würden sie sich in Euerm Busen als in ihrem natürlichen Verwahrungsort und Archiv wiederfinden. Jetzt aber sputen wir uns, denn es wird spät; wir wollen nach meinem Dorf und Hause, wo Euer Gnaden von der überstandenen Mühsal ausruhen wird, die, wenn nicht eine Mühsal des Körpers, so doch eine solche des Geistes war, welche zuweilen in eine Ermattung des Körpers übergeht.«

»Ich weiß dies Anerbieten als sonderliche Gunst und Gnade zu schätzen, Señor Don Diego«, entgegnete Don Quijote.

Sie spornten nun ihre Tiere schärfer als bisher, und es mochte etwa zwei Uhr nachmittags sein, als sie im Dorf und im Hause Don Diegos anlangten, den Don Quijote den Ritter vom grünen Mantel nannte.

10. Kapitel


Worin Sanchos List erzählt wird, deren er sich bediente, um das Fräulein Dulcinea zu verzaubern. Auch von andern Begebnissen, sämtlich ebenso kurzweilig wie wahrhaft

Indem der Verfasser dieser großen Geschichte zur Erzählung dessen gelangt, was er in diesem Kapitel erzählt, sagt er, er möchte es gern mit Stillschweigen übergehen aus Besorgnis, keinen Glauben zu finden, weil Don Quijotes große Narreteien hier den Gipfel und Grenzpunkt der größten erreichen, die zu erdenken sind, ja noch ein paar Flintenschußweiten über die größten hinausgehen. Am Ende aber, ungeachtet dieser Besorgnis und Furcht, hat er sie doch niedergeschrieben, und zwar geradeso, wie der Ritter sie vollführte, ohne der Geschichte auch nur ein Stäubchen Wahrheit zuzufügen oder wegzutun und ohne sich im geringsten um den Vorwurf vermeintlicher Lügenhaftigkeit zu kümmern, den man gegen ihn erheben könnte. Und er hatte recht; denn die Wahrheit bleibt immer die Wahrheit, und sie erhält sich immer über der Lüge wie Öl über dem Wasser. Und sonach fährt er mit seiner Geschichte fort und erzählt, daß Don Quijote, da er sich in dem Wäldchen, Eichenhain oder Gebüsch nahe bei dem großen Toboso versteckte, seinem Knappen gebot, nach der Stadt zurückzukehren und nicht wieder vor seinem Angesicht zu erscheinen, ohne vorher in seinem Namen mit seiner Gebieterin gesprochen und sie gebeten zu haben, sie möchte gelieben, ihrem in Liebe gefangenen Ritter ihren Anblick zu vergönnen, und geruhen, ihm ihren Segen zu spenden, damit er durch sie die Hoffnung herrlichsten Erfolges erlange bei all seinen Wagnissen und schwierigen Abenteuern. Sancho nahm es auf sich, so zu tun, wie ihm befohlen, und ihm einen ebenso guten Bescheid zu bringen, wie er ihm das erstemal gebracht.

»Geh, mein Sohn«, versetzte Don Quijote, »und gerate nicht in Bestürzung, wenn du vor dem Glanze der Schönheitssonne stehst, die du nunmehr aufsuchen sollst. Du Glücklicher vor allen Schildknappen auf Erden! Halte fest im Gedächtnis und laß es nicht daraus schwinden, wie sie dich empfängt; ob sie die Farbe wechselt, während du dastehst, ihr meine Botschaft auszurichten; ob sie Ruhe und Fassung verliert, wenn sie meinen Namen hört; ob sie es auf ihrem Polsterkissen nicht aushalten kann, falls du sie auf dem reichen Prunksitze ihres hohen Ranges sitzend findest; wenn aber sie dich stehend empfängt, so beobachte sie, ob sie sich bald auf den einen, bald auf den andern Fuß stellt; ob sie den Bescheid, den sie dir erteilt, zwei- oder dreimal wiederholt; ob sie ihn aus einem milden in einen rauhen, aus einem herben in einen liebreichen umändert; ob sie mit der Hand ans Haupthaar greift, um es zu ordnen, auch wenn es nicht in Unordnung ist. Kurz, mein Sohn, beobachte all ihre Handlungen und Bewegungen, denn wenn du sie mir so berichtest, wie sie waren, kann ich entnehmen, was alles sie bezüglich meiner Minne im geheimen Schrein ihres Herzens verschlossen hält. Du mußt nämlich wissen, Sancho, wenn du es noch nicht weißt: bei den Verliebten sind die äußeren Bewegungen und Handlungen, die sie sehen lassen, wenn von ihrer Liebe die Rede ist, die sichersten Boten, welche die Kunde dessen bringen, was dort im Innersten des Gemütes vorgeht. Geh, Freund, und es geleite dich ein anderes, ein besseres Glück als das meine, und es führe dich ein anderer, ein besserer Erfolg hierher zurück, als den ich fürchte und erharre in dieser bittern Einsamkeit, in der du mich verlassest.«

»Sofort geh ich und komm ich wieder«, erwiderte Sancho, »und macht nur, Herre mein, daß Euer Herzchen weiter wird: Ihr müßt jetzt ein so enges und kleines haben wie eine Haselnuß. Und bedenkt auch, wie man gemeiniglich sagt: Frischer Mut macht alles Böse gut, und wo’s an Speckseiten fehlt, da fehlt’s auch zum Aufhangen von Stangen; es heißt auch: Wo man’s am wenigsten denkt, springt der Hase aus dem Korn. Damit will ich sagen, wenn wir diese Nacht nicht unsers Fräuleins Königsburg oder Palast gefunden haben, so denke ich’s jetzt, wo es Tag ist, zu finden, wenn ich’s am wenigsten denke, und ist es gefunden, so soll man mich nur mit ihr fertigwerden lassen.«

»Ganz gewiß«, sprach Don Quijote, »die Sprichwörter, die du beibringst, passen so auf die Gegenstände unserer Besprechung und glücken dir so, daß ich mir wahrlich besseres Glück von Gott erbitte für die Gegenstände meiner Sehnsucht.«

Nach diesen Worten seines Herrn wendete Sancho den Rücken und trieb seinen Esel mit dem Stecken an, Don Quijote aber blieb zu Pferde zurück, in den Bügeln ruhend und auf seinen Speer gelehnt, voll trüber und wirrer Gedanken. Darin wollen wir ihn denn lassen und wollen Sancho Pansa begleiten, der nicht minder verwirrt und nachdenklich von seinem Herrn schied, als dieser dort zurückblieb. Er befand sich in solcher Stimmung, daß er, als er den Kopf drehte und bemerkte, daß Don Quijote nicht mehr zu sehen war, sofort von seinem Tier abstieg, sich am Fuß eines Baumes niedersetzte und anfing, folgendermaßen mit sich zu Rate zu gehen: Laßt uns jetzt einmal hören, lieber Sancho, wo Euer Gnaden hin will. Geht Ihr aus, einen Esel zu suchen, der Euch etwa verlorengegangen? – Nein, sicherlich nicht. – Nun, was wollt Ihr denn suchen gehen? – Ich geh und suche, als ob das so gar nichts wäre, eine Prinzessin und in ihr die Sonne der Schönheit und den ganzen Himmel zusammen. – Und wo gedenkt Ihr zu finden, was Ihr da sagt? – Wo? In der großen Stadt Toboso. – Gut; aber in wessen Auftrag geht Ihr sie suchen? – Im Auftrag des ruhmreichen Ritters Don Quijote, der alle Unbilden abtut und dem Hungernden zu essen und dem Dürstenden zu trinken gibt. – Alles gut und schön. Wißt Ihr aber auch ihre Wohnung, Sancho? – Mein Herr sagt, das müsse ein königlicher Palast oder eine stolze Königsburg sein. – Und habt Ihr die Dame vielleicht irgendeinmal gesehen? – Weder mein Herr noch ich haben sie jemals gesehen. – Und meint Ihr, es wäre klug und wohlgetan, wenn die Leute zu Toboso erführen, daß Ihr Euch hier in der Absicht befindet, ihnen ihre Prinzessinnen abspenstig und ihre Damen rebellisch zu machen, damit sie dann kämen und Euch mit Prügeln die Rippen einschlügen und Euch keinen Knochen im Leibe ganz ließen? – Allerdings hätten sie da ganz recht, wenn sie nicht etwa in Betracht zögen, daß ich nur als Abgesandter komme; denn

Nur als Bote kommt Ihr, Guter,
Euch trifft kein Verschulden, nein.

– Verlaßt Euch nicht darauf, Sancho, denn die Leute aus der Mancha geraten ebenso leicht in Harnisch, wie sie auf ihre Ehre halten, und lassen sich von keinem auf der Nase tanzen. So wahr Gott lebt, wenn sie Euch wittern, versprech ich Euch, es geht Euch schlecht. – Bleib mir vom Leib, schlechter Kerl! Blitz, schlag anderswo ein! Ei gewiß, ich werde mich ohne Not in des Teufels Küche begeben, fremdem Gelüste zuliebe! Zudem, die Dulcinea in Toboso zu suchen ist geradeso, als wollte ich nach Jungfer Mariechen in Ravenna und nach dem Herrn Doktor in Salamanca fragen. Der Teufel, ja der Teufel hat mich in die Geschichte gebracht, und sonst keiner.

Dieses Selbstgespräch hielt Sancho mit sich, und die Lehre, die er daraus zog, sprach er jetzt in folgenden Worten aus: Nun gut, für alles und jedes gibt es eine Hilfe, nur für den Tod nicht, unter dessen Joch wir alle hindurchmüssen, so ungern wir’s tun, wenn unser Leben zu Ende geht. Dieser mein Herr, das hab ich an tausend Zeichen ersehen, ist ein Narr zum Anbinden, aber auch ich stehe nicht viel hinter ihm zurück, denn da ich ihn begleite und geleite, bin ich noch verrückter als er, wenn das Sprichwort recht hat, das da lautet: Sag mir, mit wem du umgehst, so sag ich dir, wer du bist, oder wie das andere sagt: Frag nicht, wo seine Wiege steht, sondern mit wem er zur Atzung geht. Wenn mein Herr also ein Narr ist, wie er es wirklich ist, und eine Art Narrheit hat, die meistenteils ein Ding fürs andere nimmt und weiß für schwarz und schwarz für weiß hält wie damals, als er die Windmühlen für Riesen ausgab und die Maultiere der geistlichen Herren für Dromedare und die Schafherden für feindliche Heere und noch viel andere Dinge nach derselben Melodie, so wird es auch nicht schwerfallen, ihm weiszumachen, daß eine Bäuerin, die erste beste, die mir hierherum in den Wurf kommt, das Fräulein Dulcinea ist. Und wenn er’s nicht glaubt, so beschwör ich’s, und schwört er dagegen, so schwör ich noch einmal, und wenn er hartnäckig auf seinem Kopfe bleibt, so bleib ich noch hartnäckiger auf meinem, so daß mein Bolzen immer aufs Ziel trifft, es mag gehen, wie es will. Vielleicht, daß ich es gerade mit dieser meiner Hartnäckigkeit bei ihm dahin bringe, daß er mich nicht abermals auf dergleichen Botengängereien ausschickt, wenn er sieht, wie übel ich sie ausrichte; oder vielleicht glaubt er, wie ich mir die Sache vorstelle, daß ein böser Zauberer, einer von denen, die ihm feind sind, wie er zu sagen pflegt, ihre Gestalt verwandelt hat, um ihm Leid und Schaden zuzufügen.

Mit diesem Plan beruhigte sich Sancho in seinem Gemüte und hielt seine Aufgabe für wohl gelöst. Er verweilte nun dort bis zum Nachmittag, damit er Don Quijote so viel Zeit lasse, um annehmen zu können, er habe so viel Zeit gehabt, um nach Toboso hin- und zurückzuwandern; und es geriet ihm alles so gut, daß er, als er aufstand, um seinen Grauen zu besteigen, von Toboso her drei Bäuerinnen auf seinen Standort zukommen sah. Sie ritten auf drei Eseln oder Eselinnen, denn der Verfasser äußert sich darüber nicht bestimmt; doch kann man eher des Glaubens sein, daß es Eselinnen waren, da diese gewöhnlich von den Dorfbewohnerinnen zum Reiten benutzt werden. Allein da hierauf nicht viel ankommt, so brauchen wir uns mit der Richtigstellung dieses Punktes nicht aufzuhalten. Kurz, sobald Sancho die Bäuerinnen erblickte, ritt er in raschem Trab zurück, um seinen Herrn Don Quijote zu suchen, und fand ihn seufzend und zahllose Liebesklagen ausstoßend. Als Don Quijote ihn gewahrte, fragte er ihn: »Was gibt es, Freund Sancho? Soll ich diesen Tag mit weißer oder mit schwarzer Farbe anschreiben?«

Sancho antwortete: »Besser, Euer Gnaden schreibt ihn mit roter an, wie das Verzeichnis der neuen Doktoren am Schwarzen Brett, damit, wer es ansieht, es recht deutlich sehen kann.«

»Demnach«, versetzte Don Quijote, »bringst du gute Zeitung.«

»So gute«, entgegnete Sancho, »daß Euer Gnaden weiter nichts zu tun hat, als Rosinante zu spornen und hinaus ins freie Feld zu reiten, um das Fräulein Dulcinea von Toboso zu erschauen, die mit zwei anderen Fräulein, ihren Hofdamen, kommt, um Euer Gnaden aufzusuchen.«

»Heiliger Gott! Was sagst du, teurer Sancho?« rief Don Quijote. »Hüte dich, mich anzuführen und meinen wahren Schmerz mit falscher Freude aufzuheitern!«

»Was hätte ich davon, wenn ich Euer Gnaden anführen würde?« entgegnete Sancho, »zumal da Ihr ja doch im nächsten Augenblick die Wahrheit meiner Worte finden müßt? Setzt die Sporen ein, Señor, und kommt nur, und Ihr werdet die Prinzessin, unsere Herrin, kommen sehen, angezogen! und geschmückt! kurz, wie es ihrem Stande zukommt. Ihre Fräulein und sie, sie sind ein wahres Glutmeer von Gold, jede ist ein ganzer Perlenbüschel, jede ist lauter Demanten, lauter Rubinen, lauter Brokat mit einem Dutzend Lagen von Seiden- und Goldstickereien übereinander, die Haare hangen den Rücken herunter und sind wahre Sonnenstrahlen, die mit den Lüften spielen. Und was mehr als alles, sie reiten auf drei scheckigen Zelten. Schöneres ist in der Welt nicht zu ersehen.«

»Auf Zeltern willst du wohl sagen, Sancho.«

»Wenig Unterschied ist das«, entgegnete Sancho. »Aber sie mögen reiten, worauf immer sie reiten mögen, sie zeigen sich als die stattlichsten Fräulein, die man nur wünschen kann, besonders die Prinzessin Dulcinea, meine Gebieterin, daß einem die Sinne verzückt werden.«

»Vorwärts denn, Sancho, mein Sohn«, antwortete Don Quijote, »und zum Botenlohn für diese ebenso unverhoffte als gute Zeitung bestimme ich das beste Beutestück, so ich in meinem allernächsten Abenteuer gewinnen werde; und wenn dir das nicht genug ist, bestimme ich dir die Fohlen, die mir dies Jahr meine drei Stuten werfen werden, die, wie du weißt, auf unserer Gemeindewiese trächtig gehen.«

»Da halt ich mich an die Fohlen«, versetzte Sancho, »denn daß die Beutestücke aus Eurem ersten Abenteuer gut sein werden, ist nicht ganz sicher.«

Indem kamen sie schon aus dem Walde und erblickten die drei Bäuerinnen in der Nähe. Don Quijote ließ seine Blicke über den ganzen Weg nach Toboso hinschweifen, und da er niemanden weiter als die drei Bäuerinnen sah, geriet er in volle Bestürzung und fragte Sancho, ob er die Damen vor der Stadt verlassen habe.

»Wie denn vor der Stadt?« antwortete Sancho; »hat Euer Gnaden vielleicht die Augen hinten im Kopf, daß Ihr nicht seht, daß es die sind, die hier kommen, strahlend wie die Sonne am Mittag?«

»Ich sehe nichts«, sprach Don Quijote, »als drei Bäuerinnen auf drei Eseln.«

»Nun, so soll mich Gott vor dem Bösen behüten!« entgegnete Sancho; »ist es möglich, daß drei Zelter, oder wie die Dinger heißen, weiß wie der gefallene Schnee, Euer Gnaden als Esel vorkommen? So wahr Gott lebt, ich will mir den Bart ausreißen, wenn das wahr ist.«

»Ich aber sage dir, Freund Sancho«, versetzte Don Quijote, »so wahr sind es Esel oder Eselinnen, so wahr ich Don Quijote bin und du Sancho Pansa. Wenigstens kommen sie mir so vor.«

»Schweigt, Señor«, sprach Sancho, »sagt so was nicht, sondern putzt Euch die Augen aus und kommt und macht Eure Verbeugung vor der Herrin Eurer Gedanken, denn sie kommt schon ganz nahe.«

Mit diesen Worten ritt er voran, um die drei Bäuerinnen zu empfangen; er stieg von seinem Grautier, ergriff den Esel einer der drei Bäuerinnen am Halfter, fiel vor ihr auf beide Knie nieder und sprach: »Königin und Prinzessin und Herzogin der Schönheit, geruhe Euer Hochmütigkeit und Fürnehmigkeit in Gnade und Großgünstigkeit diesen Euern Sklaven anzunehmen, diesen Ritter, der hier zu Marmor versteinert dasteht, ganz verwirrt und ohne Pulsschlag darob, daß er sich vor Hochdero erhabener Gestaltung sieht. Ich bin sein Schildknappe Sancho Pansa, und er ist der weit und breit umirrende Ritter Don Quijote von der Mancha, auch mit anderem Namen geheißen der Ritter von der traurigen Gestalt.«

Jetzt hatte sich auch Don Quijote neben Sancho Pansa auf die Knie geworfen und schaute mit weit vortretenden Augen und wirrem Blick die an, welche Sancho Pansa als Königin und Herrin angeredet hatte, und da er nichts an ihr gewahr wurde als eine Dirne aus dem Dorf und dazu mit keineswegs hübschen Zügen, denn sie hatte ein kugelrundes Gesicht und eine Plattnase, so war er in Zweifeln und Staunen befangen und wagte nicht, die Lippen zu öffnen. Auch die Bäuerinnen waren hocherstaunt, als sie sahen, wie diese zwei Männer, so verschieden voneinander, auf den Knien lagen und ihre Gefährtin nicht von der Stelle ließen; diese aber brach das Schweigen und sagte höchst unfreundlich und ärgerlich: »Macht euch in Kuckucks Namen aus dem Weg und laßt uns weiter, wir haben Eil!«

Darauf entgegnete Sancho: »O Prinzessin und allumfassende Herrin von Toboso, wie mag Euer großgünstiges Herz sich nicht erweichen, wenn Ihr schauet, wie da niederkniet vor Eurem hocherhabenen Angesicht die Säule und Stütze des fahrenden Rittertums.«

Eine von den zwei andern hörte dies und sprach: »Prr! oder ich gerbe dir das Fell, willst du nicht fort, langohriger Gesell! Seh einer an, wie jetzt die Herrchen kommen und sich über die Mädchen vom Dorf lustig machen, als würden wir uns nicht so gut wie sie auf Sticheleien verstehen. Schert euch eurer Wege und laßt uns unserer Wege ungeschoren, oder es soll euch gereuen!«

»Erhebe dich, Sancho«, sprach hier Don Quijote; »wohl seh ich allbereits, daß das Schicksal, meines Leids noch nicht ersättigt, mir alle Straßen verlegt hat, wo dem armen trüben Herzen, das ich in diesem Busen trage, irgendeine Freude kommen kann. Und du, höchster Ausdruck aller Vortrefflichkeit, die sich nur erwünschen läßt, Inbegriff aller irdischen Liebenswürdigkeit, einziges Labsal dieses schwergeprüften Herzens, das dich anbetet! Sintemalen der boshafte Zauberer, der mich verfolget und mir einen Nebelflor und grauen Star auf die Augen gelegt und nur für meine und nicht für andrer Augen deine Schönheit sondergleichen und dein holdes Angesicht in das einer armseligen Bäuerin verwandelt und umgeschaffen hat – wenn er nicht auch das meinige umgeändert hat in das eines Ungetüms, damit es in deinen Augen verabscheuungswert erscheine –: oh, so verschmähe es nicht, mich mild und liebevoll anzuschauen, nachdem du in dieser Unterwürfigkeit und meinem Kniefall vor deiner jetzt so verunstalteten Schönheit die Demut erkennst, mit der meine Seele dich anbetet.«

»Sieh da! Erzähl das meinem Großvater!« gab die Bäuerin zur Antwort. »Wahrhaftig, das wäre mir recht, so verliebte Schnurren und nichts dahinter! Macht Platz und laßt uns weiter, so wollen wir’s euch danken.«

Sancho machte Platz und ließ sie weiter, seelenvergnügt, daß ihm sein listiger Anschlag so wohl geglückt war. Kaum sah sich die Bauerndirne, die die Rolle Dulcineas gespielt hatte, frei, als sie ihren »Zelter« mit dem Stachel, den sie an einem Stecken hatte, antrieb und in größter Hast fort über die Wiese trabte; da aber die Eselin die Spitze des Steckens spürte, der ihr mehr als gewöhnlich zusetzte, fing sie an, auszuschlagen und Sätze zu machen, so daß sie das Fräulein Dulcinea zu Boden schleuderte. Als Don Quijote das sah, eilte er herbei, um ihr aufzuhelfen; und so auch Sancho, um den Sattel, der der Eselin unter den Bauch gerutscht war, zurechtzulegen und fester zu gürten. Als der Sattel wieder in Ordnung war und Don Quijote sein verzaubertes Fräulein in seinen Armen auf das Tier heben wollte, da überhob sie ihn dieser Mühe, trat etwas zurück, nahm einen kurzen Anlauf, legte der Eselin beide Hände auf die Kruppe, schwang ihren Körper, der leichter als ein Falke schien, in den Sattel und blieb darauf rittlings sitzen, als ob sie ein Mann wäre.

Da sagte Sancho: »So wahr ich lebe, unsere Prinzessin Gebieterin ist leichter als ein Jagdfalke und kann dem besten Reiter aus Córdoba oder Mexiko Unterricht geben, wie man in den Sattel springt. Mit einem Satz ist sie über den hinteren Sattelbogen gesprungen, und ohne Sporen treibt sie den Zelter wie ein Zebra zu eiligem Lauf, und ihre Kammerfräulein bleiben nicht hinter ihr zurück, denn sie eilen alle wie der Wind.«

Und so war es in der Tat; denn sobald sie Dulcinea im Sattel sahen, sprengten alle beide hinter ihr her und galoppierten auf und davon und wendeten den Kopf nicht um, bis sie über eine halbe Meile weit entfernt waren. Don Quijote folgte ihnen mit den Augen, und als sie nicht mehr zu sehen waren, wendete er sich zu Sancho und sprach zu ihm: »Sancho, was bedünket dich, wie verhaßt ich den Zauberern bin? Und sieh, wie weit sich ihre Bosheit erstreckt und die Feindseligkeit, die sie gegen mich hegen, da sie mich der Freude berauben wollten, die es mir bereitet hätte, meine Gebieterin in ihrer wahren Wesenheit zu erschauen. In der Tat, ich bin geboren, um das Vorbild aller vom Glück Verlassenen zu sein, Zielpunkt und Schießscheibe für alle Pfeile des Mißgeschicks. Auch mußt du wohl beachten, daß jene tückischen Schurken sich nicht daran genügen ließen, meine Dulcinea zu verwandeln und umzugestalten, sondern sie haben sie verwandelt und umgewandelt in ein so gemeines und häßliches Geschöpf wie jene Bauernmagd, und zugleich entzogen sie ihr, was so sehr das Wesentliche bei vornehmen Damen ist: das ist nämlich der Wohlgeruch, weil sie sich ja immer unter Ambra und Blumen bewegen. Denn ich tue dir zu wissen, Sancho, als ich herzueilte, um Dulcinea auf ihren Zelter zu heben – wie du es benennest, denn mir erschien es als eine Eselin –, da befiel mich ein Duft von rohem Knoblauch, der mir das Innerste verpestet und vergiftet hat.«

»Ha, ihr Lumpengesindel!« schrie hier Sancho, »ha, ihr unseligen, mißgünstigen Zauberer! Wer euch doch alle in einer Reihe hängen sähe, die Schnur durch die Kiemen gezogen wie Sardellen an der Gerte! Ihr wißt viel, ihr vermögt viel, und ihr tut noch weit mehr. Es müßte euch doch genug sein, ihr Schufte, daß ihr unsrem Fräulein die Perlen ihrer Augen in Galläpfel von Korkeichen verwandelt habt und Haar vom feinsten Gold in Borsten vom roten Farrenschwanz, kurz alle ihre Schönheiten in Häßlichkeiten, und mußtet sie auch noch an ihrem Geruch schädigen? Denn aus diesem wenigstens hätten wir entnehmen können, was unter der häßlichen Rinde verborgen war. Indessen, die Wahrheit zu sagen, ihre Häßlichkeit hab ich nie gesehen, sondern nur ihre Schönheit, die ums Zehnfache erhöht wurde durch ein Muttermal, das sie über der rechten Lippe hatte, nach Art eines Schnurrbarts, mit sieben oder acht blonden Haaren wie Goldfäden und über eine Spanne lang.«

»Nach diesem Mal zu schließen«, sagte Don Quijote, »da die Muttermale im Gesicht denen am Körper entsprechen, muß Dulcinea noch ein solches an der Vorderseite desjenigen Schenkels haben, welcher der Seite entspricht, wo sie das Mal im Gesichte hat; aber für Muttermale sind die Haare von der Größe, die du angibst, doch allzu lang.«

»Aber ich kann Euer Gnaden versichern«, warf Sancho ein, »daß sie an jener Stelle aussahen, als wäre das Fräulein damit auf die Welt gekommen.«

»Ich glaube es, Lieber«, versetzte Don Quijote, »denn die Natur hat nichts an Dulcinea geformt, das nicht vollkommen und durchaus vollendet wäre; und mithin, wenn sie hundert solcher Male hätte, wie du erwähnst, so wären sie an ihr nicht Muttermale, sondern Siegesmale und strahlende Sternbilder. Aber sage mir, der Sattel, den du ihr wieder festgeschnallt hast und der mir als ein Eselssattel erschien, war es ein gewöhnlicher Frauensattel oder einer mit Rückenlehne?«

»Es war nichts andres«, antwortete Sancho, »als ein Sattel mit kurzgeschnallten Bügeln, mit einer Schabracke, die ein halbes Königreich wert ist, so prachtvoll ist sie.«

»Und daß ich alles das nicht gesehen haben soll, Sancho!« klagte Don Quijote. »Jetzt sage ich wiederum und werde es tausendmal sagen: ich bin der unglücklichste unter allen Menschen.«

Der Schelm von Sancho hatte viel Mühe, das Lachen zu verbeißen, als er die Narreteien seines so köstlich angeführten Herrn zu hören bekam. Endlich, nachdem sie noch viele Worte miteinander gewechselt, bestiegen sie ihre Tiere wieder und verfolgten die Straße nach Zaragoza, wo sie zeitig genug einzutreffen gedachten, um an den herrlichen Festlichkeiten teilzunehmen, die in dieser erlauchten Stadt alljährlich abgehalten werden. Aber ehe sie dahin gelangten, erlebten sie so vieles, so Großes und Neues, daß es verdient, niedergeschrieben und gelesen zu werden, wie man im folgenden ersehen wird.