Kasperle und der Zauberer

Personen:

Kasperle

Der Zauberer

Schlambus und Bambus, des Zauberers Diener

Höhle des Zauberers, zur Seite ein dunkles Loch, von einer kleinen Tür verschlossen.

Kasperle: »Guten Tag, Herr Zauberer.«

Zauberer: »Guten Tag, wer bist du denn?«

Kasperle: »Nu, Kasperle.«

Zauberer: »So, Kasperle, na, das freut mich. Was willst du denn?«

Kasperle: »Zaubern lernen.«

Zauberer: »Dazu bist du viel zu dumm.«

Kasperle: »Oho, ich bin neunmalklug und siebenmalgescheit.«

Zauberer: »Wer sagt denn das?«

Kasperle: »Der Kasperlemann.«

Zauberer: »Der muß es freilich wissen.«

Kasperle: »Na und ob, sogar singen kann ich.«

Zauberer: »Singen, was denn?«

Kasperle: »Ein Frühlingslied, paß mal auf!« (Es singt nach eigener Melodie):

»Der Mai ist gekommen,

Die Pferde schlagen aus,

Da bleibe, wer Kinder hat,

Mit ihnen zu Haus.«

Zauberer: »Das ist aber ein seltsames Frühlingslied.«

Kasperle: »Schön, nicht wahr, da staunste?«

Zauberer: »Was kannst du dann noch?«

Kasperle (stößt ihn mit der Fußspitze an die Nase): »Das!«

Zauberer: »Das war aber frech, ich werde dich zur Strafe verzaubern.«

Kasperle: »Erst können vor Lachen!«

Zauberer: »Du bist ja ganz frech. Warte, jetzt verwandle ich dich in einen Storch.«

Kasperle: »Nä, das will ich nicht.«

Zauberer: »Doch, Strafe muß sein.«

Kasperle: »Mir schmeckt’s ohne Strafe.«

Zauberer: »Ach was, Hokuspokus, eins, zwei, drei, ein Storch er sei!«

Kasperle (lacht): »Heißa! ich bin kein Storch geworden, ich bin Kasperle!«

Zauberer: »Dann werde ich stärker zaubern, warte, jetzt wirst du ein Hase.«

Kasperle: »Nä, das will ich auch nicht, da muß ich immer Kohl fressen, und ich fresse lieber Pfannküchlein und Pudding.«

Zauberer: »Nichts da, jetzt wirst du verzaubert. Hokuspokus, eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, ein Hase ist geblieben.«

Kasperle: »Hach, der Hase ist davongelaufen und Kasperle ist geblieben.«

Zauberer: »Potzhundert, das Zaubern geht heute aber schlecht, es muß am Wetter liegen, ich werde den Zaubermantel nehmen.« (Wirft einen Mantel über Kasperle) »Hokuspokus, eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht, neun, ein Löwe sollst du sein. Bist du jetzt ein Löwe?«

Kasperle: »Nä, ich bin Kasperle.«

Zauberer: »Noch einen stärkeren Zauber muß ich anwenden.«

Kasperle: »Da bin ich doch neugierig, was bei der Zauberei herauskommt.«

Zauberer: »Hokuspokus, Hokuspokus –«

Kasperle: »Jetzt sagt er zweimal seinen Quatsch.«

Zauberer: »Stille, man unterbricht keinen Zauberer. Hokuspokus, eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht, neun, zehn, einen Löwen will ich sehn.«

Kasperle (brüllt): »Huhuhuhuhuhuhu!«

Zauberer: »Ha, nun bist du ein Löwe.«

Kasperle (wirft den Mantel ab): »Nä, ich bin Kasperle.«

Zauberer: »Du hast aber doch gebrüllt.«

Kasperle: »Hach, ich kann noch viel besser brüllen. Huhuhuhuhu!«

Zauberer: »Genug, mir platzen die Ohren.«

Kasperle: »Mir platzt höchstens mal der Bauch, wenn ich nämlich zuviel gegessen habe, das kommt aber höchstens alle acht Tage einmal vor.«

Zauberer: »Jetzt gehste mal ins Zauberloch.«

Kasperle: »Was soll ich denn da drin?«

Zauberer: »Du kriechst als Kasperle hinein und kommst als Löwe wieder heraus.«

Kasperle: »Hach, fein! Aber du mußt es mir vormachen, ich weiß nicht, wie man in das Loch kriecht.«

Zauberer: »Bist du aber dumm!«

Kasperle: »Du bist noch dümmer. Du kannst mir nicht einmal vormachen, wie man in das Loch kriecht.«

Zauberer: »Oho, du Einfaltspinsel, das kann ich schon. Paß mal auf!« (Schlüpft in das Loch; Kasperle wirft schnell die Türe zu.)

Kasperle: »Wer ist nun ein Einfaltspinsel? Nun bist du in die Falle gegangen, jetzt geht es dir schlecht.«

Zauberer (schreit) »Holla Bambus, Schlambus, herbei, kommt schnell herbei!« (Des Zauberers Diener, der große Schlambus und der kleine Mohr Bambus, kommen eilig herbei.)

Schlambus: »Was ist denn los?«

Kasperle: »Was nicht angebunden ist.«

Schlambus: »Was ist denn nicht angebunden?«

Kasperle: »Was los ist.«

Schlambus: »Du bist aber frech.«

Bambus: »Ja, sehr frech, Kasperle, wir kennen dich.«

Zauberer (schreit): »Zu Hilfe! Zu Hilfe!«

Kasperle: »Etsch, ihr kennt mich nicht, der da drinne schreit, ist Kasperle, ich bin der Zauberer.«

Bambus: »Du siehst doch aber aus wie Kasperle.«

Kasperle: »Ich habe mich in Kasperle verzaubert und das Kasperle in den Zauberer, weil es so ungezogen war und nicht glauben wollte, daß ich zaubern kann. Dafür muß es bestraft werden.«

Schlambus: »Ja, dafür muß es bestraft werden, wir wollen es durchprügeln.«

Bambus: »Ja, wir wollen das verzauberte Kasperle durchprügeln.«

Kasperle: »So ist es recht, aber tüchtig. Ich mache jetzt das Loch auf und lasse es heraus.« (Er öffnet die Türe, und der Zauberer kommt heraus, Schlambus und Bambus fallen über ihn her und verprügeln ihn.)

Zauberer: »Zu Hilfe! Zu Hilfe! Ich bin doch der Zauberer!«

Kasperle: »Ein Schwindler bist du und kein Zauberer, du kannst gar nicht zaubern. Wenn du zaubern kannst, verwandle uns doch alle in Kohlköpfe.« (Der Zauberer schweigt.)

Kasperle: »Siehst du, du kannst es nicht.« (Zieht den Vorhang zu) »Meine Herrschaften, die Geschichte ist aus.«

Zauberer (schreit hinter dem Vorhang): »Ich will’s nicht wieder tun!«

Kasperle und der Räuber

Personen:

Peter Pumpelbams, der Räuber

Minettchen, seine Frau

Kasperle

Spielt vor dem Haus des Räubers.

Peter Pumpelbams zu Minettchen: »Frau, jetzt geh ich rauben.«

Minettchen: »Ach, Mann, tu das doch nicht.«

P. Pumpelbams: »Doch, der erste, der mir in die Hände kommt, wird ausgeraubt.«

Minettchen: »Es kommt nichts Gutes dabei heraus.«

P. Pumpelbams: »Doch, Schinken, Hasenbraten und Torte, denn das alles will ich mir von dem geraubten Gelde kaufen.«

Minettchen: »Du kriegst vielleicht die Nase auf die Tischecke, mehr nicht.«

P. Pumpelbams: »Sei still!«

Minettchen: »Arbeite lieber, gestern warst du doch noch so fleißig.«

P. Pumpelbams: »Still, da kommt jemand, der wird beraubt!«

Minettchen: »Hu, wie schrecklich!« (Läuft laut weinend davon) (Kasperle tritt auf.)

Kasperle: »Warum heult denn die alte Tante?«

P. Pumpelbams: »Das ist keine alte Tante, das ist meine Frau.«

Kasperle: »Ach so, dann ist sie eine alte Schachtel.«

P. Pumpelbams: »Du bist aber frech. Wer bist du denn?«

Kasperle: »Sag erst, wer du bist, ich bin ein großmächtiger Herr.«

P. Pumpelbams: »Hast du viel Geld?«

Kasperle: »Mächtig viel Geld.«

P. Pumpelbams: »Das mußt du mir geben.«

Kasperle: »Das wäre gelacht. Mein Geld soll ich dir geben? Wer bist du denn, daß du so etwas verlangst?«

P. Pumpelbams: »Erschrick, ich bin ein Räuber.«

Kasperle: »Uh je, ich bekomme gleich Leibschmerzen vor Schreck.«

P. Pumpelbams: »Das glaube ich, daß du Angst bekommst, ich heiße Peter Pumpelbams.«

Kasperle: »Wie, Peter Stumpelschwanz?«

P. Pumpelbams: »Bist du dumm: Peter Pumpelbams.«

Kasperle: »Ach so, Jeder Humpelhans.«

P. Pumpelbams (schreit): »Peter Pumpelbams, hörst du nicht!«

Kasperle: »Ich höre schon, Ceder Schrumpelgans.«

P. Pumpelbams: »Das ist zum Verrücktwerden! Minettchen!«

Minettchen (hinter der Bühne): »Was soll ich denn, ich koche gerade, ich habe keine Zeit.«

P. Pumpelbams: »Du sollst dem Manne sagen, wie ich heiße.«

Kasperle: »Heio, ich weiß schon, du heißt Rumpelfranz.«

Minettchen: »Peter Pumpelbams, du Schafskopf.«

Kasperle: »Ach so, Herr Schafskopf Pumpelbams heißt du.«

P. Pumpelbams: »Du bist der Schafskopf, nun her mit deinem Geld!«

Kasperle: »Welchem Geld?«

P. Pumpelbams: »Na, deinem Geld, ich raube dir’s!«

Kasperle: »Was, meine zehn Pfennig willst du?«

P. Pumpelbams: »Zehn Pfennige, mehr hast du nicht?«

Kasperle: »Das ist doch viel Geld für ein Kasperle.«

P. Pumpelbams: »Wer bist du?«

Kasperle: »Kakakasperle, Herr Schafskopf Strumpelschwanz.«

P. Pumpelbams: »Ach je, da bin ich ja an den Rechten gekommen.«

Kasperle: »Jawohl, wirklich an den Rechten.« (Es gibt Peter Pumpelbams eine Ohrfeige, daß der gleich hintenüber fällt. Es holt einen Stock und will Peter Pumpelbams damit schlagen.)

P. Pumpelbams (schreit laut): »Hilfe, Minettchen!«

Kasperle: »Bleib weg, Minettchen, hier gibt es nur Prügel.«

Minettchen: »Au, danke, die will ich nicht.«

P. Pumpelbams: »Feiges Weib!«

Kasperle »Bist selbst feige.« (Zieht einen Strick hervor und bindet Peter Pumpelbams) »So, jetzt geh ich zu Minettchen zum Mittagessen. Minettchen, was gibt es denn?«

Minettchen (hinter der Szene): »Schweinebraten und Klöße.«

Kasperle »Hach, fein, das ist mein Leibgericht.«

P. Pumpelbams: »Meines auch.« (Heult)

Kasperle »Siehst du, hättest du meine zehn Pfennig nicht rauben wollen, könntest du jetzt mit uns zu Mittag essen, ätsch!«

P. Pumpelbams »Ich tue es nie wieder.« (Der Vorhang fällt.)

Kasperle und das Gespenst

Personen:

Schutzmann

Kasperle

Ein Gespenst

Spielt in einer leeren Stube.

Schutzmann: »Hier darfst du nicht hinein, Kasperle.«

Kasperle: »Warum denn nicht, hier ist doch nichts drin.«

Schutzmann: »O ja, etwas schon, aber sag’s nicht weiter!«

Kasperle: »Na, was denn?«

Schutzmann (geheimnisvoll): »Ein Gegegegespenst.«

Kasperle: »Du zitterst ja, hast du eine so große Angst?«

Schutzmann: »Freifreifreilich hahahab ich das.«

Kasperle: »Du mußt wohl Wache stehen?«

Schutzmann: »Jjjjjjjjjaja.«

Kasperle: »Ich will an deiner Stelle Wache stehen, ich fürchte –«

Schutzmann: »Rered nicht weweiter, sonst kokommt das Gespenst.«

Kasperle: »Du alter Bibberbabberfritze!«

Schutzmann: »Beleidige mich nicht, ich bin ein Schuschutzmann.«

Kasperle: »Ein Angstmeier biste.«

Schutzmann: »Iiiiiiiich werde dich verververhaften.«

Kasperle: »Jemine, da kommt das Gespenst.« (Der Schutzmann reißt aus und ruft von draußen.)

Schutzmann: »Ich ffffffürchte mimimimich nicht, iiiich will nur mal Luuuft schnappen.« (Das Gespenst tritt auf.)

Gespenst: »Du hast mich gerufen, da bin ich.«

Kasperle (erschrocken): »Uh jegerle, es ist da! Was willst du denn?«

Gespenst: »Dir den Hals umdrehen.«

Kasperle: »Danke schön, dafür bin ich nicht zu haben.« (Gibt dem Gespenst mit seinem Bein einen Nasenstüber)

Gespenst: »Das war frech, vor einem Gespenst muß man Respekt haben.«

Kasperle: »Den habe ich. Siehst du, so.« (Gibt ihm mit dem andern Bein einen Nasenstüber)

Schutzmann (von draußen): »Kakakasperle, hat’s diiiir den Haaals umgedreht?«

Kasperle: »Noch nicht, wir unterhalten uns vorerst.«

Gespenst: »Jetzt wird ihm der Hals gleich umgedreht.«

Kasperle: »Erst können vor Lachen!« (Stößt dem Gespenst mit der Fußspitze in die Seite)

Gespenst: »Das darfst du nicht machen, ich bin kitzelig.«

Kasperle: »Darum gerade erst recht.« (Er kitzelt das Gespenst wieder.)

Gespenst (kichert): »Das sollst du sein lassen.«

Kasperle: »Du wirst dich noch kaputt lachen.«

Schutzmann (draußen): »Kakakakasperle, biiiste schoon tot?«

Gespenst: »Noch nicht, aber gleich wird ihm der Hals umgedreht.«

Kasperle: »Eile mit Weile, mein liebes Gespenst, kiks!« (Kitzelt das Gespenst wieder)

Gespenst: »Hihihihihi, ich muß so lachen.«

Kasperle: »Lachen ist gesund, warte mal, jetzt komme ich von der anderen Seite.« (Kasperle springt um das Gespenst herum und kitzelt es von der anderen Seite.)

Gespenst: »Hihihihihihi, das sollste unterlassen. Komm mal her, daß ich dir den Hals umdrehen kann.«

Kasperle: »Ich hab es nicht eilig.« (Springt wieder um das Gespenst herum und gibt ihm einen Nasenstüber)

Gespenst: »Das ist unverschämt, das sollst du unterlassen.«

Schutzmann (draußen): »Jemine, Kakakasperle, sag doch, biiiste schon toooot?«

Kasperle: »Noch nicht, erst kommt das Gespenst dran.« (Er springt immer um das Gespenst herum und kitzelt es von allen Seiten, bis das Gespenst kichernd zusammenfällt.)

Kasperle: »Siehst du Nauke, da hast du Pauke. Komm rein, Schutzmann, das Gespenst ist tot.« (Schutzmann tritt wieder auf.)

Schutzmann (prahlerisch): »Ich hatte nämlich gar keine Angst, ich hätte es auch umgebracht.«

Kasperle (seufzt tief): »Ach heißa! Das Gespenst lebt noch!«

Schutzmann: »Lelelebt noch! Da verzieh ich mich.« (Reißt aus)

Kasperle (lacht): »Hahahahaha, das war reingefallen.«

Gespenst (richtet sich auf und nimmt Kasperle beim Kragen): »Ja, es lebt noch, nun hab ich dich, nun geht es dir schlimm.«

Kasperle: »Au weh, jetzt muß ich stirbsen.«

Gespenst (lacht): »Hahahahaha, nein, stirbsen sollst du nicht. Weil du mich zum Lachen gebracht hast, bin ich erlöst, ich brauche nun nicht mehr zu geistern.« (Es läßt Kasperle los und sinkt zusammen. Kasperle hebt sein Gewand auf, das ganz voller Löcher ist.)

Kasperle: »Nun ist es wirklich ganz kapores. Schutzmann, komm rein, jetzt ist das Gespenst ganz entzwei. Ich habe es erlöst.«

Schutzmann (kommt stolz herein): »Ich hab mit geholfen! Da bin ich!« (Der Vorhang fällt.)

Kasperle und der Teufel Schwenzelbrenzel

Personen:

Teufels Großmutter

Schwenzelbrenzel, ein kleiner Teufel

Kasperle

Der erste Aufzug spielt in der Stube von des Teufels Großmutter, der zweite im Walde.

Erster Aufzug

Spielt in der Stube von des Teufels Großmutter. Personen: Teufels Großmutter und Schwenzelbrenzel.

Teufels Großmutter: »Uhlalla, wie langweilig ist das!«

Schwenzelbrenzel: »Höre doch Radio!«

Teufels Großmutter: »Das ist mir erst recht zu langweilig.«

Schwenzelbrenzel: »Dann wollen wir Fußball spielen.«

Teufels Großmutter: »Schwenzelbrenzel, du bist für deine tausend Jahre doch noch recht dumm. Wenn man so viele tausend Jahre alt ist wie ich, spielt man nicht mehr Fußball. Ich will was zum Lachen sehen.«

Schwenzelbrenzel: »Wir wollen Wattepusten spielen.«

Teufels Großmutter: »Das ist ein Spiel für solche tausendjährigen Knirpse, wie du einer bist. Ich weiß was Besseres.«

Schwenzelbrenzel: »Warum hast du denn das nicht gleich gesagt?«

Teufels Großmutter (hebt den Stock und droht): »Warte, du Frechdachs!«

Schwenzelbrenzel: »Nicht hauen, sonst muß ich weinen, und du willst doch, daß ich mitlachen soll. Sage lieber, über was du lachen willst.«

Teufels Großmutter: »Du sollst mir Kasperle holen.«

Schwenzelbrenzel: »Was hat denn der angestellt?«

Teufels Großmutter: »Leider nichts.«

Schwenzelbrenzel: »Dann darf ich ihn doch nicht holen, ich darf doch nur Bösewichter holen.«

Teufels Großmutter: »Du sollst Kasperle auch nicht so beim Schlafittchen packen und mit ihm abfahren, du sollst ihn fein höflich einladen, und wenn er dann bei uns unten ist, dann behalten wir ihn einfach hier.«

Schwenzelbrenzel: »Das wird fein, dann spielen wir immer Kasperltheater und du lernst Purzelbäume schießen.«

Teufels Großmutter: »Das werde ich mir mal überlegen. Aber nun gehe und hole mir Kasperle!«

Schwenzelbrenzel: »Wenn ich ihn aber nun nicht bringe?«

Teufels Großmutter: »Dann mußt du zur Strafe Wintersport treiben und Weltmeister im Rodelfahren werden. Du mußt den Schlitten immer die Zugspitze hinaufziehen. Merke dir das, und bringe mir also Kasperle!«

Schwenzelbrenzel: »Uhje, uhje, an der Zugspitze rodeln, da erfriere ich armer Teufel ja.«

Teufels Großmutter: »Wenn du nicht bald gehst, schicke ich dich an den Nordpol.«

Schwenzelbrenzel: »Uhje, uhje, ich gehe schon, und wenn Kasperle nicht mitkommen will, dann – bleibe ich droben auf der Erde.«

Zweiter Aufzug

Im Walde. Personen: Kasperle und Schwenzelbrenzel.

Kasperle (singt):

»Lallalla, der Frühling ist da,

Der Teufel hat den Winter geholt« –

Schwenzelbrenzel: »Das ist nicht wahr, ich habe den Winter nicht geholt.«

Kasperle: »Ei der Daus, da guckt der Teufel raus.«

Schwenzelbrenzel: »Ich komm, dich zu holen.«

Kasperle: »Das darfst du gar nicht, ich habe nichts angestellt, was teufelswürdig ist.«

Schwenzelbrenzel: »Das schon, aber ich lade dich ja auch nur freundlich ein.« (Gibt Kasperle einen Stoß, daß er gleich hinfällt.)

Kasperle: »Au, wenn du das freundlich einladen nennst, nenn ich das freundlich danken.« (Versetzt Schwenzelbrenzel eins mit dem Fuß, der fällt hintenüber in eine Grube)

Schwenzelbrenzel: »Das war grob. Mit einem Teufel geht man, weiß der Teufel, anders um.« (Kriecht aus der Grube heraus): »Au weh, alle meine Glieder tun mir weh. Zur Strafe mußt du mit mir gehen.«

Kasperle: »Das fällt mir gar nicht ein. Paß auf, da hast du wieder eine.« (Gibt Schwenzelbrenzel einen Nasenstüber, daß der wieder in die Grube fällt)

Schwenzelbrenzel: »Kasperle, du bist ja schlimmer als der Teufel. Zweimal in ein Loch fallen ist zuviel.« (Kriecht wieder heraus)

Kasperle: »Alle guten Dinge sind drei, da haste noch eine.« (Gibt ihm wieder einen Nasenstüber, der Teufel fällt zum drittenmal in die Grube)

Schwenzelbrenzel: »Au weh, au weh, jetzt sind mir alle Rippen gebrochen. Wenn ich das meiner Großmutter erzähle!«

Kasperle: »Dann wird die alte Dame lachen und sagen: Warum läßt du dich auch mit dem tollen Kasperle ein?«

Schwenzelbrenzel: »Das wird sie nicht sagen.«

Kasperle: »Warum denn nicht?«

Schwenzelbrenzel: »Weil Sie mich ja zu dir geschickt hat. Sie will Purzelbäume schießen lernen.«

Kasperle: »Alle Wetter, die hat es gut vor. Wie alt ist sie denn?«

Schwenzelbrenzel: »So an die fünfzigtausend.«

Kasperle: »Potztausend, die möcht’ ich sehen.«

Schwenzelbrenzel: »Also komm mit, wir fahren zusammen zur Hölle.«

Kasperle: »Mit einem Auto?«

Schwenzelbrenzel: »Nä, auf einem Besenstiel.«

Kasperle: »Danke schön, das ist mir zu unmodern, dann schon lieber mit einem Staubsauger.«

Schwenzelbrenzel: »Es fährt sich gut auf einem Besenstiel. Komm doch mit, sonst muß ich . . . . .«

Kasperle: »Was mußte denn?«

Schwenzelbrenzel: »Ach, das ist so schrecklich, das kann ich gar nicht sagen.«

Kasperle: »Na, dann sage es nicht. Ich gehe aber nicht mit.«

Schwenzelbrenzel: »Ich weiß was. Wir boxen miteinander, und wer Sieger bleibt, der muß dem andern dienen und mit ihm gehen, wohin der will.«

Kasperle: »Meinetwegen, ist mir auch recht.«

Schwenzelbrenzel »Also komm, du wirst gleich sehen, was ich kann.« (Sie boxen miteinander, Kasperle boxt den Teufel zu Boden und stellt sich auf ihn.)

Kasperle: »Ätsch, jetzt bist du reingefallen, ich kann nämlich auch boxen.«

Schwenzelbrenzel: »Ach, ich bin schon lieber dein Diener, als daß ich ohne dich zu meiner strengen Großmutter zurückfahre.«

Kasperle: »Kannst du mit dem Besen überall hin fahren?«

Schwenzelbrenzel: »Wohin du willst.«

Kasperle: »Dann wollen wir auf die Zugspitze zum Wintersport fahren, das ist schon lange mein Wunsch, schnell, tummle dich.«

Schwenzelbrenzel: »O je, ich armer reingefallener Teufel.« (Er weint) »Da bin ich vom Regen in die Traufe gekommen.«

Kasperle: »Auf, nicht gefackelt, es geht zum Wintersport auf die Zugspitze!«

Kasperle als Lehrer

Personen:

Kasperle

Plumpmann, der Schuldiener

Schulkinder (sämtliche Puppen, die es gibt)

Lehrer Müller

Spielt in einer Schule.

Kasperle (tritt auf; ehe man es sieht, hört man es nach Kasperleart schreien, dann betritt es den Schulhof, fällt auf die Nase und schreit erst recht):

»Jemine, jemine,

Mein Bein tut weh,

Meine Nase auch

Und auch der Bauch.« (steht wieder auf)

»Wenn alles weh tut, kann man nicht dichten, und mein Freund, der Kasperlemann, hat doch gesagt, das wünschen die Kinder.« (Man hört die Kinder Hans, Heinz, Hinz, Lotte, Lore, Liese durcheinander rufen.)

Kasperle: »Wenn man von Kindern spricht, sind sie auch nicht mehr weit, da hör’ ich schon welche.« (Geht in die Schule) »Heda, was macht ihr denn da?«

Kinder: »Wir warten auf den neuen Lehrer.«

Kasperle: »Der bin ich.«

Kinder: »Hat der eine große Nase!«

Plumpmann (der Schuldiener, kommt eilig herbei): »Was sagen Sie, mein Herr, der neue Lehrer wollen Sie sein? Wer das glaubt, so sehen Sie gar nicht aus.« (Beiseite: »Den will ich mal ausfragen, daß er vor Angst bibberbebbern soll.«)

Plumpmann »Hören Sie, wie heißen Sie denn, am Ende Müller?«

Kasperle: »Jawohl, Müller 18000. So viele Müller gibt es noch außer mir bei uns daheim.«

Plumpmann: »Ach nein.« (Beiseite: »Scheint ein heller Kopf, daß er gleich die Zahl weiß, aber ich frag’ weiter«): »Woher kommen Sie denn, aus Frankfurt?«

Kasperle: (stolz): »Aus Frankfurt, lieber Mann!«

Plumpmann (beiseite: »Jetzt fällst du rein«): »Plumpmann heiße ich, das wissen Sie wohl sicher nicht.«

Kasperle: »Plumpmann heißen Sie, wie sollt’ ich das nicht wissen?«

Plumpmann (beiseite: »Er ist’s scheint’s doch, alle Fragen beantwortet er«) »Daß unser Bürgermeister Dick heißt, wissen Sie wohl auch?«

Kasperle: »Jawohl, weiß ich, Dick und nicht Dünn!«

Plumpmann: »Jemine, er ist’s! Kommen Sie nur rein, Herr Lehrer. Wir haben lange auf Sie gewartet, weil Herr Strohmeyer – wissen Sie übrigens, wie unser richtiger Lehrer heißt?«

Kasperle (schlau): »Strohmeyer natürlich.«

Plumpmann: »Sie sind anscheinend doch der neue Lehrer. Die Kinder sind schon lange ohne Aufsicht, und vertreten Sie Ihren Kollegen gut.«

Kasperle (tritt Plumpmann auf den Fuß.)

Plumpmann: »Au! Aber Herr Lehrer Müller!«

Kasperle: »Sie wollten doch getreten sein.« (Lacht)

Plumpmann (beiseite: »Er ist’s scheint’s doch nicht, er sieht auch so merkwürdig aus«): »Sie wissen wohl nicht, daß Sie Sing-, Lese- und Rechenstunden geben sollen. Was für Stunden wollen Sie denn jetzt geben?«

Kasperle: »Singen, Lesen und Rechnen, singen kann ich selbst sehr gut.« (Singt):

»Bei meinem Kasperlebein,

Jetzt komm’ ich in die Schule rein

Und haue rechts und haue links

Jedes Trippeltrappeldings –

Nehmet euch in acht,

Daß mir niemand lacht,

Kasperle ist ein ernster Mann –

Seht nur meine Nase an.«

Kinder (alle): »Kasperle, hurra, Kasperle kommt!«

Kasperle:

»Wollt ihr wohl nicht so schrein,

Potz Donner, Licht und Strampelbein,

Gleich gebt ihr jetzt Ruh’,

Mäuler auf und Ohren zu.

Nicht doch, nicht doch, andersrum –«

Kinder: »Heisassa, ist Kasperle dumm.«

Kasperle: »Ich heiße doch, na wie?«

Kinder: »Du heißt Kasperle.«

Kasperle:

»Potz Donner und Licht,

Das bin ich nicht –

Bin Herr Müller, wer mich anders nennt,

Dem bald sein Buckel brennt –«

Kinder:

»Oje! Kasperle will Lehrer sein,

Das wird aber fein.«

Kasperle:

»Grob oder fein, mir ganz gleich,

Paßt auf, nun kommt der erste Streich:

Wieviel ist ein Bein und noch ein Bein?«

Kinder (alle): »Zwei, zwei, zwei!«

Kasperle: »Falsch! Das sind drei.« (Es streckt seine Beine u. seinen Stock über die Brüstung u. zählt): »Eins, zwei, drei!«

Kinder: »Das eine ist doch ein Stock!«

Kasperle:

»Stock her, Stock hin,

Ein Bein soll’s sin.«

Kinder: »Er kann selbst nicht rechnen.«

Kasperle:

»Oho, das kann ich gut,

Gebt mir mal einen Hut –

Wieviel Stücke sind das?«

Kinder: »Eins.«

Kasperle:

»Zwei, denn er geht einmal entzwei,

vielleicht werden’s auch gleich drei.

Aber ihr seid dumm, laßt’s Rechnen bleiben,

wir wollen jetzt mal schreiben.«

Kinder: »Kasperle.«

Kasperle: »Das geht leider nicht, die Wandtafel hängt zu hoch –«

Kinder: »Du bist doch Herr Müller!«

Kasperle: »Ach so! Herr Müller – das war ja nur ein Spaß. Bald kommt der rechte Herr Müller!« (Man hört vor der Türe Lärm, der richtige Lehrer kommt.)

Der richtige Lehrer: »Lassen Sie mich rein, ich muß hinein, bin zur Vertretung hergeschickt. Was sagen Sie? Ich wär’ schon drin, ich, der Lehrer Müller aus Frankfurt? Platz da, Plumpmann, ich kenne meine Pflicht, Sie vertreiben mich nicht!«

Plumpmann: »Nee, noch einer wird nicht reingelassen!«

Richtiger Lehrer: »Das wollen wir doch mal sehen!« (Er schiebt Plumpmann heftig zur Seite, der vor Schreck über die Brüstung fliegt.)

Plumpmann (von unten): »Der andere, der schon drin ist, ist doch der Richtige, der hat alles gewußt, was ich ihn gefragt habe!«

Richtiger Lehrer: »Still! Jetzt gehe ich in die Klasse!« (Kasperle macht einen Satz und kriecht unter das Katheder.)

Richtiger Lehrer: »Guten Morgen, Kinder!«

Kinder: »Guten Morgen, Herr Schulze!«

Richtiger Lehrer: »Ich heiße Müller.«

Kinder: »So hieß ja der, der vorher da war.«

Richtiger Lehrer: »Wo ist er denn?« (Dreht sich im Kreise herum, jedesmal, wenn er am Katheder vorbeikommt, zwickt ihn Kasperle in die Beine.) »Potzwetter, das ist ja eine verhexte Schule.«

Kasperle:

»Schrippelschrappelschrumm,

Ein Gespenst geht hier um,«

Richtiger Lehrer:

»Ich lasse mich nicht schrecken,

Von dem Gespenst nicht necken,

Denn – (er packt Kasperle)

Hab’ ich dich oder nicht,

Du bist es sicherlich – du Wicht.«

Kasperle (heult): »Ich bin Kasperle.«

Richtiger Lehrer: »Was, Kasperle hier in der Klasse? Was ist das für ein Unsinn? Raus mit ihm!« (Er wirft Kasperle hinaus; Plumpmann, der gerade horchen will, bekommt ihn an den Magen.)

Plumpmann: »Herr Lehrer, das war nicht fein.«

Kasperle:

»Laß sein, ich will nur raus,

Der da drin ist mir zu graus.«

(Purzelt über die Brüstung)

Plumpmann:

»Ich sehe rechts, ich sehe links,

immer ist’s dieses Klapperdings.

Müller hin, Müller her,

ich gehe heim, ich mag nicht mehr.«

(Er verläßt die Szene.)

(Man hört den richtigen Lehrer in dem Klassenzimmer sagen): »Das Gelächter hört jetzt auf. Jetzt wird gelernt! Das –«

Kasperle (steckt den Kopf über die Brüstung): »Guten Tag, ihr Kinder, ich bin wieder da. Wollt ihr mich haben, bin gleich wieder bei euch.«

Kinder:

»Herein, herein, Kasperle klein,

Du sollst uns willkommen sein.«

Plumpmann (kehrt zurück): »Ruhe, es ist jetzt Schluß.« (Klingelt mit einer großen Glocke)

Der Löwe

Als Kasperle noch in Torburg war, kam zum Jahrmarkt eine kleine Menagerie dahin, deren Glanzstück ein Löwe war. Mit dem Löwen war das eine sonderbare Sache. Meist lag er ganz still in einem dunklen Winkel und rührte sich nicht. Aber manchmal stand er auf und brüllte ganz fürchterlich. Er kam aber nie vor an das Gitter, sondern blieb immer im Hintergrund.

Wie der Löwe brüllte! Es hörte sich schrecklich an, und der Menageriebesitzer sagte immer: »Meine Frau kann es nicht hören, die verkriecht sich immer im Bett vor Angst, wenn er anfängt.« Wirklich war die Frau nie zu sehen, und ein alter Professor, der lauter wunderliche Einfälle hatte, sagte: »Der Löwe brüllt gar nicht wie ein Löwe, er brüllt wie ein Mensch.«

Das glaubte aber anfangs dem alten Professor niemand so recht. Alle sagten: »Der Löwe brüllt eben wie ein Löwe brüllt.« Es hatte nämlich noch nie jemand in Torburg einen Löwen brüllen hören. Darum hatten alle Angst, wenn der Löwe brüllte, am meisten fürchtete sich aber Kasperle. Das dachte immer, der Löwe wolle es fressen, gerade auf es, das kleine Kasperle, hätte er es abgesehen. Wenn nämlich Kasperle in die Menagerie hineinlief, ohne Eintritt zu zahlen, weil es meinte, es gehöre zum Jahrmarkt und hätte das nicht nötig, dann stand die Frau Menageriebesitzerin auf und sagte: »Ich geh jetzt ins Bett, der Löwe wird gleich brüllen, wenn er Kasperle sieht.«

Und richtig, kaum war sie fort, gleich fing der Löwe zu brüllen an.

Zu seltsam, und noch seltsamer war es, daß der Löwe nie zum Vorschein kam. Immer blieb er im Hintergrund. Er stand auf, reckte und dehnte sich, und Kasperle dachte: Jetzt wird er springen. Aber er sprang nicht. Der Löwe brüllte noch besser als Kasperle. Der brüllte, daß die Wände wackelten. Wenn das Gebrüll anhub, dann liefen alle Kinder, die noch Geld hatten, in die Menageriebude, um Kasperle und den Löwen zu sehen. Kasperle bebte vor Ärger, denn daß jemand besser brüllen konnte als es, das hatte es noch nie erlebt. Es sagte daher kühn: »Er soll nur kommen, ich geb’ ihm eins auf die Schnauze.«

Doch der Löwe kam nicht, und Kasperle ging nicht in den Käfig, so sehr ihm seine Kameraden auch zuredeten.

Das ging so fünf Tage lang. Kasperle und der Löwe waren das Tagesgespräch in Torburg. Die einen nannten Kasperle feige, die andern den Löwen. Es kränkte Kasperle tief, daß man es feige nannte, und es wäre schon in den Käfig gegangen, wenn der Löwe nur nicht so fürchterlich gebrüllt hätte.

Am sechsten Tage schlich sich Kasperle um die Bude herum. Die Frau saß vorn an der Kasse, obgleich kein Mensch kam, um sich die paar Tiere anzusehen. Es waren drei Affen, zwei große Papageien, ein lahmes Reh und ein Zebra, bei dem manchmal die Farbe ausging, weil es eigentlich ein angestrichener Maulesel war, dem man die schwarzen Striche aufgemalt hatte. Das wollte aber der Menageriebesitzer nicht zugeben.

Während Kasperle um das Budchen herumstrich, sagte die Frau zu ihrem Manne: »Es ist gar kein Geld mehr in der Kasse, Kasperle könnte auch mal wieder kommen und brüllen, damit ein paar Besucher hereinspazieren und Geld in die Kasse kommt, sonst müssen wir morgen hungern.«

Kasperle hatte inzwischen einen schmalen Spalt entdeckt. Da klaffte die Leinwand auseinander und Kasperle konnte ganz gut hindurchkriechen. Vielleicht gelangte es gerade beim Löwenkäfig in die Bude. Kasperle fürchtete sich mächtig, aber die Neugierde, das grimmige Tier einmal in der Nähe zu sehen, war stärker als die Angst. Es redete sich selbst Mut ein, und dann schlüpfte es durch den Spalt in die Bude. Es war dunkel darin und Kasperle stolperte gleich beim Eintritt über etwas, und fiel hin, und als es recht hinsah, war es der Löwe, über den es gefallen war. Kasperle wurde fast ohnmächtig vor Schreck, und beinahe hätte es losgebrüllt, aber da fiel ihm noch zu rechter Zeit ein, daß der Löwe vielleicht gerade schlief, und wenn er nun so unversehens aufgeweckt würde, fräße er Kasperle gewiß gleich auf. Sicher, das tat er. Kasperle stand also ganz leise auf, um den Löwen nicht zu wecken und hinwegzuschleichen. Dabei sah es aber, daß der Löwe die Augen ganz weit auf hatte. Er sah überhaupt nicht aus, als ob er schliefe, aber er rührte sich nicht. Es war doch ein seltsames Tier. Mit offenem Maul lag es da wie tot, ohne nur einen Schnaufer zu tun oder sich sonst irgendwie zu rühren.

Kasperle blieb stehen und betrachtete das Tier genauer. Da sah es, daß aus dem Bauch Stroh heraushing.

Hallo, der Löwe ist ausgestopft, dachte Kasperle. Es begann nun, sich den Löwen höchst unverzagt anzusehen. Er war wirklich ausgestopft, war nur ein Löwenfell mit einem Kopf daran. Aber er dehnte und reckte sich doch und brüllte so fürchterlich. Wie machte er das nur?

Kasperle stand da und sann und sann, bis ihm auf einmal einfiel, wie der Löwe sich bewegen könnte. Es kroch jemand in sein Fell. Ja, ganz sicher, so war es.

Kasperle dachte: Das muß ich einmal versuchen. Und eins, zwei drei riß es das Stroh aus dem Löwenbauch und kroch selbst hinein. Es schlüpfte mit Armen und Beinen in die vier Beine des Fells, und auf einmal stand ein Löwe im Käfig, reckte und dehnte sich ganz genau so, wie es Kasperle vorher fünf Tage lang gesehen hatte. Gerade wollte der kleine Schelm brüllen, als ihm etwas anderes einfiel, Es kroch rasch wieder aus dem Fell heraus, stopfte das Stroh wieder hinein und riß eilends aus.

Es war aber auch höchste Zeit. Leute kamen, die sich die Menagerie ansehen wollten, namentlich den Löwen, der wieder faul in seinem Winkel lag. Während die Besucher über die Affen lachten und warteten, bis der Löwe aufwachte, rannte Kasperle auf dem Jahrmarkt herum und rief mit schallender Stimme: »Kasperle geht nachher in den Löwenkäfig.«

Da rannte alles, was Beine hatte in die Menagerie, um das Schauspiel mitanzusehen. Die meisten sagten: »Donnerwetter, ist Kasperle mutig. Zu einem Löwen in den Käfig zu gehen, ist kein Spaß.«

Die Kinder jammerten, der Löwe würde ihr liebes Kasperle fressen, doch Kasperle erklärte kühn: »Der frißt mich nicht, ja, wenn ich ein Pfannkuchen wäre.« Über den Witz lachten zwar alle, aber unheimlich war ihnen die Geschichte doch. Am ängstlichsten war Marlenchen. Die bat ihren guten Freund himmelhoch, er solle nicht in den Käfig gehen, sie würde vor Angst krank werden. Das konnte Kasperle nicht verantworten. Es flüsterte Marlenchen etwas zu. Da ging dieses auf einmal ganz mutig in die Menagerie hinein. Und als das die anderen Kinder sahen, gingen sie mutig mit, sicher machte Kasperle irgendeinen Spaß. Es gingen so viele Menschen in die Menageriebude, daß das Geld nur so in die Kasse flog und der Besitzer der Menagerie Angst bekam, seine kleine Bude könnte umfallen. Zuletzt kam Kasperle mit einer ganzen Anzahl Kinder an. Die bezahlten alle ihren Zehner und wollten auch noch hinein. Da gab es ein großes Gedränge. Von den Erwachsenen konnten viele nicht einsehen, daß allemal da, wo ein Kasperle ist, die Kinder das Vorrecht haben. Sie schimpften, und die Kinder lachten und schubsten. Endlich gingen ein paar Einsichtige hinaus, und die Kinder bekamen Platz und sagten sehr zufrieden: »Nun kann es losgehen.« Kasperle trat an’s Gitter, und die Kinder schrien: »Es geht wirklich hinein!« Da brüllte der Löwe fürchterlich.

Kasperle erschrak ein bißchen, dachte aber gleich: Ein Fell kann doch nicht brüllen, es muß jemand drin stecken. Doch wer konnte das sein?

Etwas zitterte Kasperle doch, als es den Käfig betrat.

»Geh’ nicht hinein, es geschieht sonst ein Unglück!« schrie der Budenbesitzer. Aber da war Kasperle schon drin. Der Löwe brüllte noch lauter. Kasperle aber ging mutig weiter. Es sah nämlich, als es nahe genug bei dem Löwen war, einen Zipfel des Kleides von der Frau Budenbesitzerin aus dem Löwenbauch gucken. Da wußte es, wer in dem Fell steckte. Auf einmal schnappte die Stimme des Löwen über und man hörte nur noch ein ganz heiseres Krächzen. Das klang allerdings menschlich. Der Löwe war heiser geworden.

Aber jetzt, da er nicht mehr brüllen konnte, verloren die Kinder die große Angst, sie drängten näher an das Gitter heran und ermahnten Kasperle: »Hau feste drauf!« Kasperle wollte gerade der Aufforderung Folge leisten, als etwas geschah, das groß und klein einen tüchtigen Schrecken einjagte: Der Löwe stürzte sich auf Kasperle!

»Aber Frau Schulz!« schrie es ganz erschrocken.

Daß jemand einen Löwen Frau Schulz nennt, kam den Zuschauern doch merkwürdig vor. Sie lachten alle und fragten Kasperle: »Wie heißt der Löwe?«

Kasperle aber hatte gar keine Zeit zu antworten, es mußte sich ja mit dem Löwen herumbalgen, denn der war sehr wütend geworden. Er hatte es anscheinend sehr übelgenommen, daß Kasperle ihn Frau Schulz genannt hatte. Er zwickte und zwackte Kasperle ganz gründlich und die Kinder begannen schon zu schreien: »Er frißt Kasperle, er frißt Kasperle!«

Selbst die Erwachsenen, die den Schwindel schon gemerkt hatten, wurden unsicher. Wenn es doch ein richtiger Löwe wäre und nicht Frau Schulz, die Budenbesitzerin?

Da rief die kleine Grete, die dicht am Gitter stand:

»Er hat schon Frau Schulz aufgefressen, ihr Kleid guckt ihm noch zum Bauche raus.« Nun sahen auf einmal alle das Kleid unter dem Löwen hervorgucken, und die Erwachsenen riefen: »Frau Schulz, lassen Sie Kasperle los!«

Die Kinder lachten und die Frau merkte, daß sie erkannt war. Sie beutelte Kasperle noch einmal tüchtig und raunte ihm zu: »Du bist an allem schuld.« Dann schlüpfte sie aus dem Fell und ging vor an das Gitter. Kasperle heulte laut, und deshalb wurde Frau Schulz nicht sehr freundlich empfangen. Sie mußte bitten und betteln, mußte Kasperle um Verzeihung bitten, ehe ihr selbst der Betrug verziehen wurde. Sie erzählte nun die traurige Geschichte von dem Löwen Ali, in dessen Fell sie gesteckt hatte, und den sie einmal lebend besessen hatten. »Damals wäre Kasperle nicht in den Käfig gegangen«, sagte sie.

»Doch, Kasperle hat ja fest geglaubt, daß du ein Löwe bist!« riefen alle Kinder.

»Na, na!« meinten einige Erwachsene.

Kasperle ließ seine Nase tief hängen, und alle merkten, daß da etwas nicht stimmte. Frau Schulz lächelte ein bißchen. Sie zweifelte stark an Kasperles Mut. Sie erzählte weiter, wie Ali eines Tages ausgerissen sei und gerade ein Kind hätte anfallen wollen, ehe er von dem Vater des Kindes erschossen worden sei. Es war sehr rührend, als die Frau erzählte, daß sie durch den Verlust des Löwen in große Not geraten seien, weil niemand die Menagerie ohne den stattlichen Löwen ansehen wollte. Da sei sie auf den Gedanken gekommen, selbst den Löwen zu spielen. Viel geholfen hätte es freilich nicht, denn die Besucher hätten immer gesagt, es wäre ein komischer Löwe, der nie zum Vorschein käme. Hier in Torburg habe ihnen Kasperle durch sein Brüllen geholfen, aber trotzdem hätten sie heute früh kein Geld mehr gehabt. Das Futter für die Affen und anderen Tiere koste so viel.

So arm waren also die Leute. Kasperle, das dem Kasperlemann schon oft in der Not geholfen hatte, zeigte wieder einmal, was für ein butterweiches Herz es eigentlich besaß. Es griff in seine Hosentasche und holte zwei Zehner heraus. Die legte es Herrn Schulze in die Hand. »Für Affenfutter«, sagte es.

Es war das einzige Geld, das Kasperle besaß. Es war ihm für Zuckerstangen geschenkt worden, und alle sahen voll Bewunderung auf das gutherzige Kasperle.

Flugs fuhren da auch andere Hände in die Taschen. Von einem Kasperle wollten sich die anderen Zuschauer nicht beschämen lassen. Herr Schulz mußte beide Hände aufhalten, so viel Geldstücke bekam er.

Die Frau versprach, sie wolle nie mehr betrügen und keinen Löwen mehr spielen, und dann bedankten sich beide noch herzlich bei Kasperle, daß es ganz verlegen wurde. Und weil es gerade an den Schlitz in der Leinwand dachte, und daß es doch auch ein bißchen geschwindelt hatte, erzählte es flugs die ganze Geschichte.

»So arg mutig ist also Kasperle doch nicht gewesen«, sagte ein Herr und lachte herzlich.

»Aber gut, sehr gut«, sagte Frau Schulz. Sie wollte Kasperle einen Kuß geben, aber Kasperle sträubte sich mit Händen und Füßen dagegen und schrie: »Lieber gehe ich zu einem richtigen Löwen in den Käfig, ehe ich mir einen Kuß geben lasse.«

Ja, so war eben Kasperle.

Der geheimnisvolle Gast

Es gab in Torburg, als Kasperle dort lebte, arme und reiche Leute, und mit allen war Kasperle gut Freund. Zu seinen besten Freunden gehörte ein Buchbinder, der mit seiner Frau und seinen beiden kleinen Kindern ein stilles und bescheidenes Leben führte. Er arbeitete von früh bis spät, um seine Familie zu ernähren. Aber in Torburg gab es nicht viel lohnende Arbeit für einen Buchbinder. In der Hauptsache hatte er beschädigte Schulbücher wieder instand zu setzen, und dabei kam nicht viel heraus, der Verdienst war gering.

Den Meister Haber aber störte das nicht viel. Er war ein heiterer, unverzagter Mann, der mit derselben Pünktlichkeit ein altes Schulbuch ausbesserte, wie er einen teuren Einband anfertigte. Er sang und pfiff bei seiner Arbeit und war allzeit guter Dinge. Deshalb liebte ihn auch Kasperle sehr, das manche Stunde bei dem Meister verbrachte, wobei es manch lustigen Spaß zwischen den beiden gab. So klebte einmal der Meister dem Kasperle einen Zettel auf den Rücken, auf dem stand: »Vorsicht, Glas!« Da lief Kasperle den ganzen Tag als Glas herum, und die Leute lachten nicht wenig über den neuen und sonderbaren Einfall Kasperles, sich als Glas zu bezeichnen. Kasperle wieder wunderte sich, daß die Leute bei seinem Anblick immer »Vorsicht!« riefen, denn was einem auf dem Rücken geschrieben steht, kann er nicht sehen. Es ging so lange, bis Meister Severin fragte, was denn das Plakat auf Kasperles Rücken bedeuten sollte. Da merkte dieses erst den Ulk. Es lachte sehr darüber und stibitzte dem Meister Haber beim nächsten Besuch einen Zettel, auf dem stand: »Ausverkauf!« Den klebte es an die Ladentüre. Da kamen die Leute herbeigeströmt und verlangten im Preise herabgesetzte Waren. Der Meister machte dabei ein gutes Geschäft und war Kasperle dankbar für sein Späßlein.

So neckten und zerrten sich die beiden hin und her, keiner nahm dem andern etwas übel und beide hatten ihren Spaß zusammen. Als Kasperle von Torburg wegging, gehörte Meister Haber zu denen, die am traurigsten waren. Er sagte, Kasperle würde ihm sehr fehlen. Kasperle versprach zu schreiben, Kasperle versprach wiederzukommen. Zu schreiben vergaß Kasperle, weil es nämlich gar nicht schreiben konnte, es hatte es wieder verlernt, Aber das Wiederkommen vergaß es nicht. Eines Tages stand Kasperle vor dem kleinen Laden des Meisters Haber und gedachte mit einem Purzelbaum einzutreten. Das ging aber nicht, der Laden war geschlossen. Kasperle läutete und dachte, der Meister würde angestürmt kommen und es begrüßen. Aber der Meister kam nicht, an seiner Stelle kam seine Frau heraus. Die sah blaß und sehr traurig aus und sagte betrübt, der Meister sei krank.

Krank? Wie konnte jemand krank sein, den Kasperle besuchen wollte? Kasperle riß den Mund sperrangelweit auf und fragte: »Wie denn krank?«

»Ja, er ist halt krank«, sagte die Frau, »und der Doktor sagt, er könnte nur gesund werden, wenn er viel und gut ißt.«

»Da soll er doch essen!« schrie Kasperle.

»Er hat nichts zu essen.«

Kasperle konnte erst gar nicht begreifen, als ihm die Frau erzählte, daß sie kaum ein Stück trockenes Brot zu essen hätten, wie so etwas möglich wäre. Wenn Mister Stopps dagewesen wäre, der hätte gleich geholfen, aber der war mit Bob nach England gereist, und Kasperle hatte all sein Geld für andere eßbare Dinge ausgegeben. Das tat ihm leid, als es am Bett des Kranken stand und sah, wie blaß und schmal der gute Meister Haber geworden war. Auch still war der Meister geworden, er scherzte gar nicht mehr wie früher, und Kasperle fing auf einmal an bitterlich zu weinen. Weil der gute Meister dadurch noch trauriger wurde, rannte Kasperle davon und nahm sich vor, etwas zu essen für den Meister zu holen. Es rannte so blindlings, daß es im Eifer beinahe einen andern guten Freund und Spaßmacher, den Turmwächter Gangerling umgerannt hätte.

»Hallo, Kasperle, wohin denn so eilig?« rief der Turmwächter.

»Essen holen!« schrie Kasperle so laut, als wäre der Turmwächter stocktaub. Der fragte erstaunt, für wen es denn Essen holen wollte. Nun erzählte Kasperle die ganze Geschichte, wie schlecht es dem Meister Haber ginge, und daß er Hunger leiden müßte und darum nicht gesund werden könnte. Die Buchbindersleute taten auch dem Turmwächter herzlich leid, und obgleich er selbst ein armer Mann war, beschloß er doch, seine Vorräte mit ihnen zu teilen. Er lud Kasperle ein, mit ihm auf den Turm zu kommen, er wolle ihm ein Körbchen voll Eßwaren einpacken.

Wer war froher als Kasperle? Es ging vergnügt mit zum Turm, den der Wächter bewohnte. Um die Ecke links, da stand er. Es war ein sonderbarer alter Turm. Er war zwar nicht sehr hoch, etwa wie zwei Häuser aufeinander, er hatte zwei Stockwerke, und jedes Stockwerk eine Galerie, auf der Blumen blühten. Im oberen Stockwerk wohnte der Turmwächter, der zu tuten hatte, wenn irgendwo Feuer ausbrach, aber nur dann, wenn er es sah – manchmal sah er es auch nicht – und die Torburger schalten dann, daß er nicht getutet hatte. Dann tutete er aber auch manchmal, wenn es gar nirgends brannte, nur damit die guten Bürger etwas Abwechslung und zu reden hatten. Da schalten sie wieder, der Turmwächter aber lachte dazu, der war ein Schalk, der gern sein Späßchen machte.

Kasperle stieg vergnügt die steile Wendeltreppe hinauf, es war gern auf dem Turm, und heute freute es sich besonders, weil es etwas zu essen für Meister Haber bekommen sollte. Kasperle lief, als es oben angelangt war, gleich auf die Galerie, um hinunter auf die Stadt zu schauen, was es sehr gerne tat. Wie es hinabsah, stieg ihm ein leckeres Düftlein in die Nase. Woher kam das nur?

Kasperle schnupperte und schnupperte, und als der Turmwächter die Galerie betrat, schnupperte auch dieser. »Ei«, sagte er, »da brät die Madame Backofen wieder ein Hühnchen.«

»Wer ist Madame Backofen?« wollte Kasperle wissen.

Da erzählte ihm der Turmwächter, die Madame Backofen wäre eine reiche, aber keineswegs gute Frau. Sie dächte nur an sich und äße jeden Tag die besten Sachen. Die Putzfrau müßte ihr jeden Tag die feinsten Dinge einkaufen, dann briet und brotzelte sie in der Küche herum, deckte dann feierlich den Tisch und setzte sich mutterseelenallein zum Essen daran, von dem sie nur ihrer dicken Katze einige Brocken abgäbe. »Und dabei hungert ihr eigener Neffe«, schloß der Turmwächter, »denn der Buchbindermeister Haber ist der Sohn ihres Bruders.«

»Dann nehme ich ihr das Huhn weg und bringe es dem Meister Haber!« rief Kasperle.

Herr Gangerling dachte, Kasperle mache nur Spaß, darum sagte er: »Das bringst du nicht fertig! Wie willst du denn in ihre Wohnung hineinkommen?«

»Ich klettere vom Turm runter auf ihre Galerie.«

Der Wächter lachte. »Das wäre ein Kunststück«, erwiderte er, »dabei fällst du noch auf die Nase oder brichst dir ein Bein.«

»Ich falle nicht auf die Nase und breche mir auch kein Bein«, schrie Kasperle empört über diesen Zweifel an seiner Kletterkunst. Und flugs war es fort.

Der Wächter dachte noch immer, es sei alles nur Spaß, aber Kasperle machte keinen Spaß, es kletterte draußen flink über die Brüstung der Galerie und kletterte, wie nur ein Kasperle klettern kann, hinunter, um gleich darauf auf der Galerie von Madame Backofen zu landen. Dort stand auf einem sauber gedeckten Tisch eine Platte mit einem gebratenen Huhn, und ein Teller mit köstlichem Kuchen, auch ein Glas Wein fehlte nicht. Kasperle trank zuerst den Wein aus, stopfte sich den Mund voll Kuchen, nahm sein Taschentuch, das ausnahmsweise einmal sauber war, wickelte das Huhn hinein und trat den Rückweg an. Es war auch die höchste Zeit. Madame Backofen hatte in der Küche Soße, Kartoffeln und Gemüse in Schüsseln gefüllt und trug alles auf die Galerie, um ihr Mahl zu beginnen. Aber wie erstarrt blieb sie stehen, als sie die Bescherung sah. Die Bratenschüssel leer, das Weinglas ausgetrunken, von dem Kuchen fehlte das beste Stück. Wer war das gewesen?

Oben zeigte gerade Kasperle dem Turmwächter das Huhn im Schnupftuch, und der Wächter wollte eigentlich böse sein. Er mußte aber so herzlich lachen, daß es unten Madame Backofen hörte, die gleich dachte, das hängt sicher mit meinem verschwundenen Huhn zusammen. Wie sie ging und stand lief sie die Turmtreppen hinauf, um den Turmwächter, wenn möglich, beim Hühneressen zu erwischen. Sie war aber eine dicke Frau und die Treppe ächzte und quietschte unter ihren Schritten.

Das hörte oben Herr Gangerling und sagte zu Kasperle: »Sie kommt, nun mach dich aus dem Staube, sonst erwischt sie dich und ich bekomme noch den Vorwurf, ich hätte dich zum Stehlen verleitet.«

»Mich erwischt sie nicht«, antwortete Kasperle kühn. Es nahm ein Körbchen, legte das Huhn hinein und stieg wieder über die Brüstung der Galerie. Kasperle rutschte wieder am Turm hinab, und Madame Backofen kam oben mit lautem Geschrei bei dem Turmwächter an.

Der sagte unschuldig, er hätte kein Huhn, er wäre ein alter Mann und könnte keine Kletterkunststücke machen, vielleicht hätte es der Teufel geholt.

Da erschrak die Frau fürchterlich. Weil sie kein gutes Gewissen hatte, hegte sie große Angst, der Teufel könnte sie einmal besuchen. Sie ging niedergeschlagen die Treppen wieder hinunter und als sie an ihren Tisch auf der Galerie kam, hatte Kasperle noch den ganzen Rest des Kuchens abgeräumt. Es hatte gedacht: Meister Haber ißt auch mal ganz gern ein Stück guten Kuchen.

Während die Frau unter Seufzen und Weinen ihr übriggebliebenes Mittagessen verzehrte, lief Kasperle zu Meister Haber, und dort herrschte große Freude über die guten Dinge, die Kasperle brachte, namentlich über das Huhn, das dem Kranken wohltat. Kasperle sagte, morgen würde es wieder etwas bringen. Woher es das Huhn hatte, sagte es aber nicht. Es nahm sich jedoch vor, wieder Madame Backofen heimzusuchen. Es lief gleich geschwind wieder zu dem Turmwächter, um diesem seinen Plan zu verraten. Der war aber gar nicht damit einverstanden.

Ja, er schalt sogar und sagte, das wäre gestohlen, und er wolle kein Hehler sein. Dann erzählte er, daß die Frau dächte, es wäre der Teufel gewesen.

Kasperle mußte darüber unbändig lachen, und flugs kam ihm ein Gedanke. »Aber wenn sie es mir selber freiwillig gibt, dann kann ich es doch dem Meister Haber hintragen. Das ist doch kein Unrecht.«

Der Wächter lachte. »Sie wird dir ihr Essen nicht geben, dazu ist sie viel zu geizig«, erwiderte er.

»Wetten wir, sie gibt es mir!« schrie Kasperle so laut, daß der Wächter Angst bekam, Madame Backofen könnte es hören.

»Schrei nicht so«, gebot er. Aber Kasperle vergaß alle Vorsicht und rief noch lauter: »Wetten wir um drei Pfannküchlein!«

»Meinetwegen«, sagte der Wächter, »aber sei still.«

Kasperle ging auch wirklich ganz leise und still von dannen. Es schlich sich auch ganz vorsichtig an Madame Backofens Haus vorbei, denn es wollte nicht vorzeitig von der Frau gesehen werden.

Am nächsten Tag briet Madame Backofen eine Ente. Sie tat es mit schwerem Herzen, denn der gestrige Vorfall bedrückte sie sehr. Schön goldbraun und knusperig lag die Ente in der Pfanne, und die Frau wollte gerade ein Stückchen Haut versuchen, als es an der Türe klingelte.

Madame Backofen dachte: Ich mache jetzt einfach nicht auf.

Aber bimlimbimlim läutete die Klingel immer heftiger und heftiger. Jetzt wurde an die Türe geklopft und eine laute Stimme sagte: »Ich komme wieder über die Galerie zu dir.«

Da erschrak die gute Madame Backofen furchtbar. Mit zitternden Knien ging sie hin und öffnete.

Draußen stand ein kleiner Teufel mit einer großen Nase, der eine furchtbare Fratze schnitt. Er sagte mit tiefer Stimme: »Gib mir dein Mittagessen.«

Er gab der Frau einen Puff und ging einfach in die Küche.

»Tu Kartoffeln in die Pfanne und stelle Rotkraut aufs Feuer!« gebot der Teufel.

Madame Backofen tat es gehorsam. Ihr ganzes Mittagessen gab sie dem Teufel, als es fertig war, und der tat alles in einen Korb und trug es hinaus. An der Tür drehte er sich noch einmal um und rief: »Morgen werde ich wieder kommen, dann will ich Kalbsbraten!«

Dann ging der kleine Teufel und die arme Madame Backofen weinte bitterlich, besonders über diese Schande, daß der Teufel zu ihr ins Haus kam!

Meister Haber verzehrte die Ente und wunderte sich, wer ihm so gute Bissen schickte, denn der Eßkorb hatte auf einmal vor seiner Türe gestanden, aber Kasperle hatte sich nicht blicken lassen.

Am Nachmittag saß der kleine Schelm wieder bei dem Turmwächter und erzählte ihm, wie er seine Wette gewonnen habe. Herr Gangerling lachte, daß er beinahe platzte. Als aber Kasperle erzählte, daß es für den nächsten Tag Kalbsbraten bestellt habe, wollte es der Turmwächter nicht erlauben, daß Kasperle wieder zu Madame Backofen ging, um den Kalbsbraten zu holen. Es wäre Unrecht. Und dabei blieb er.

Kasperle wollte aber das Unrecht nicht einsehen und bestand darauf, auch morgen wieder hinzugehen, um das Essen für Meister Haber zu holen.

Madame Backofen hatte unterdessen aufgehört zu weinen und sich die Geschichte vom Teufel gründlich überlegt. Dabei kam es ihr doch sehr unnatürlich vor, daß ein Teufel am hellen Tage durch die Straßen wandeln und den Leuten den Braten aus der Pfanne holen sollte. Auch meinte sie, ihr Lebenswandel sei doch nicht so, daß der Teufel zu ihr kommen müsse. Also hatte ihr wohl jemand einen schlimmen Streich gespielt. Sie lief darum, als sie sich darüber im klaren war, zu dem Ortspolizisten und lud ihn zu seiner nicht geringen Verwunderung für den nächsten Tag zum Mittagessen mit Kalbsbraten ein. Warum sagte sie nicht, denn sie wußte, daß dieser Mann nicht gerade sehr mutig war und hegte dabei im stillen die Hoffnung, daß er nicht kommen werde, wenn er etwas vom Teufel hören würde.

Buben sehen im allgemeinen immer das zuerst, was sie nicht sehen sollen. So sahen auch ein paar von Kasperles Freunden den Polizisten zu Madame Backofen gehen und erzählten das natürlich sofort dem Kasperle.

Kasperle verriet ihnen aber nichts von seinem Vorhaben, sondern nahm sich sehr in acht. Es ging deshalb nicht durch die Türe, sondern kletterte außen am Turm empor, um über das Dach des Häuschens von Madame Backofen auf deren Galerie zu gelangen.

Es hatte sich zuerst umgesehen, ob auch niemand auf der Straße war. Diese lag aber gerade ganz leer und still da, denn es gingen wenig Menschen am Turm vorbei.

Oben saß Herr Gangerling am Fenster. Er hatte Kasperle kommen sehen, genau so, wie er auch vorher schon bemerkte, daß der Polizist in Madame Backofens Haus verschwand. Er dachte: Die Sache wird sicher für Kasperle schlimm ausgehen, ich muß sehen, ob ich ihm nicht dabei helfen kann. Er machte sich also auf und stieg die Turmtreppen hinab, um Madame Backofen zu besuchen. Diese hatte gerade Kalbsbraten auf dem Tisch auf der Galerie serviert, als es draußen klingelte.

»Ha, jetzt kommt er!« rief Madame Backofen und nahm einen Besen. Sie ging mit dem Polizisten hinaus, öffnete die Türe und schrie: »Warte, du Teufel, du sollst jetzt deinen Braten bekommen.«

Es war aber nicht der Teufel, auf den die Frau mit dem Besen losfuhr, sondern der Turmwächter. Der lachte herzhaft, tat sehr verwundert und sagte, er wäre noch nie ein Teufel gewesen, er brächte nur das Salz wieder, das die Nachbarin ihm neulich geliehen hätte.

Madame Backofen schämte sich ihrer Voreiligkeit und lud den Wächter zu seiner großen Überraschung ebenfalls zum Mittagessen ein. Sie dachte nämlich: Zwei Helfer sind bei einem Teufelsbesuch besser als einer. Sie gingen nun alle drei unter vielen höflichen Worten auf die Galerie, um dort den Braten zu essen.

Aber wo war der? Verschwunden war er. Leer war die Schüssel, ganz leer.

Madame Backofen schrie laut vor Entsetzen: »Das war wieder der Teufel!«

»Ach, wo soll denn der herkommen?« brummte der Polizist. »Es ist sicher jemand am Haus heraufgeklettert.«

Madame Backofen wollte das nicht glauben, und eine Weile stritt sie sich mit dem Polizisten. Der aber sagte, er würde den unbekannten Bratendieb schon ausfindig machen. Herr Gangerling sagte nichts dazu, der ärgerte sich über das ungezogene Kasperle und war froh, daß ihn niemand fragte, was er von der Geschichte hielt, denn er war ernstlich böse auf Kasperle, wollte aber den kleinen Strick nicht verraten.

Endlich besann sich Madame Backofen darauf, daß sie doch Gäste hatte, und schnitt Schinken auf und brachte den Rest des Mittagessens herein, und alle drei ließen es sich gut schmecken. Nur Madame Backofen weinte dazwischen immer ein bißchen. Es war ihr zu schrecklich, daß der Teufel wieder bei ihr gewesen war. Wenn das die Torburger erfuhren, wie würde sie ausgespottet werden. Sie schämte sich entsetzlich, und eine leise Stimme in ihrem Herzen nannte sie hart und selbstsüchtig. Das war recht unangenehm, sie hätte lieber gehört, wenn sie die innere Stimme gut und edel genannt hätte. Ihre beiden Gäste suchten sie zu trösten und versprachen, niemand etwas von dem Teufelsbesuch zu sagen. Sie hielten dann auch Wort.

Bei Meister Haber wurde auch der Kalbsbraten gegessen, und man ahnte dort nichts von Madame Backofens großem Kummer. Desto mehr bekam Kasperle davon zu hören. Herr Gangerling hielt ihm eine lange Strafrede, die sich gewaschen hatte.

Himmel! konnte der sonst so freundliche Mann schimpfen. Dem Kasperle wurde es ganz wind und weh zumute, und es spielte auch danach nicht mehr den Teufel, der den Braten wegholte. Mister Stopps kam zurück und gab Kasperle Geld für den Meister Haber. Da konnte Frau Haber selbst gute kräftige Dinge richten, und ihr Mann erholte sich wieder.

Die Zeit verging. Madame Backofen aber vergaß ihren Teufelsschreck nicht, und sie fing an, mildtätiger zu werden. Sie dachte jetzt manchmal, wenn sie von einem Kranken hörte: Dem will ich ein Huhn braten, damit mir der Teufel nichts mehr holt. Sie hatte noch immer große Angst, sie könnte verspottet werden. Weil Madame Backofen aber oft so traurig war, beredeten sie eines Tages ihre Freundinnen, sie sollte mit ihnen auf den Vergnügungsplatz gehen, dort spiele das lebendige Kasperle, und das sei zum Totlachen.

Na, totlachen tat sich ja Madame Backofen nicht gerade, schon eher krankweinen. Kasperle hüpfte gerade als Teufel auf der Kasperlebühne herum, als Madame Backofen es erblickte. Sie stieß einen lauten Schrei aus, und Kasperle stieß auch einen lauten Schrei aus, und beide fielen um, Kasperle in die Bude, Madame Backofen in Ohnmacht.

Es gab eine große Aufregung auf dem Festplatz, da niemand wußte, warum die Frau ohnmächtig geworden war.

Es erfuhr aber niemand, was eigentlich geschehen war, Die Freundinnen brachten Frau Backofen heim, und der Turmwächter holte Kasperle aus der Bude heraus. Obgleich dies schrie: »Ich stirbse!«, mußte es doch mit nach dem Turm gehen und Madame Backofen Abbitte leisten.

Es tat dies mit vielem Ächzen und Stöhnen, und die Frau dachte, es wäre krank, und wollte ihm Baldriantropfen geben. Aber Kasperle stöhnte: »Küchlein!« Es sah nämlich welche auf dem Tisch stehen.

Madame Backofen mußte lachen, und mit dem Bösesein war es vorbei. Fortan wurde sie mit Kasperle gut Freund, und auch für Meister Haber sorgte sie von da ab gut und herzlich.

Kasperle sucht eine Frau

Kasperle hätte zu gerne geheiratet, es dachte sich das wunderschön, mit einer kleinen Frau in einem fitzelbunten Häuschen zu wohnen und alle Tage Pudding zu essen, denn das gehörte seiner Meinung nach zum Verheiratetsein. Es bestand aber eine Schwierigkeit: es fand keine Frau. Die kleinen Mädchen, die es kannte, sagten alle: »Wir heiraten erst, wenn wir groß sind.« Ja, aber eine Frau, die groß werden wollte, konnte das kleine Kasperle nicht brauchen. Es mußte eine sein, die klein blieb. Doch soviel es auch suchte, eine solche fand Kasperle nicht. Einmal sah es eine Zwergenfrau, aber die gefiel ihm gar nicht, sie war schon alt und sagte auch, sie wolle keinen Kasper zum Manne haben. Marlenchen gefiel Kasperle lange Zeit am besten. Aber auch Marlenchen wuchs, wie ein Spargel schoß es in die Höhe, alle seine Kleider wurden ihm zu kurz. Es war also auch mit Marlenchen nichts.

Einmal nun ging Kasperle in Torburg eine Gasse entlang, in der es noch nie gewesen war. In der Gasse stand ein putzniedliches Häuschen, blitzeblank von oben bis unten. Das Häuschen stand an der Straße, dahinter aber blühte ein sommerbunter Garten, in dem die Blumen lustig durcheinander wuchsen.

Es war niemand zu sehen, und Kasperle trat näher, um sich die bunte Herrlichkeit recht nahe anzuschauen.

Wie es so näher kam, sah es auf einmal in einem der spiegelblanken Fenster eine Braut sitzen, eine richtige Braut in weißem Seidenkleid mit Kranz und Schleier. Es war eine schöne Braut, die still und ernsthaft geradeaus sah. Was Kasperle am besten gefiel, war, daß die Braut klein war, sogar kleiner als es. Es fand, daß sie gut zu ihm paßte.

Wie es so dastand und die Braut bewunderte, dachte es, es müßte ihr einmal etwas vorkaspern, damit sie es freundlich ansähe. Es tat das auch, aber die schöne weiße Braut blieb ernsthaft wie vorher. Kasperle schnitt so viele Gesichter wie es nur konnte, aber alles half ihm nichts, die Braut lachte nicht. Jemand anderes lachte dagegen auf einmal laut und herzlich. Im Garten stand ein alter Mann, der lachte so, daß ihm der Bauch wackelte.

»Was treibst du denn da, Kasperle?« fragte er.

»Sie soll doch einmal lachen!« Kasperle deutete mit einem Schmutzfinger auf die Braut, und der alte Mann lachte und sagte: »Gelt, die gefällt dir?«

Kasperle nickte und fragte: »Wie heißt sie denn?«

»Rosalinde. Du möchtest sie wohl haben?«

»Ja«, antwortete Kasperle kühn, »ich will sie heiraten.«

»Heiraten willst du die Rosalinde?« Der alte Mann lachte sich beinahe krank. Er sagte mit lustigem Blinkern in den Augen: »Da komm nur nächsten Sonntag wieder und bringe deine Freunde mit, dann feiern wir die Hochzeit.«

»Was gibt es denn zu essen?« fragte Kasperle, dem das Essen immer und überall die Hauptsache war.

Der Mann stutzte. Er wußte nicht, was für ein kleiner Vielfraß Kasperle war. »Eine Schüssel Stachelbeeren«, versprach er. Aber das war Kasperle nicht genug. Bei einer Hochzeit mußte es Braten und Torte geben, viele Torten und sonst noch allerlei gutes Gebackenes, Geschmortes und Gebratenes. Es war einmal auf einer Hochzeit in Oberheudorf gewesen. Alle Wetter, was hatte es da für gute Gerichte gegeben!

Es erzählte das dem alten Mann.

Der nickte und sagte, das würde stimmen, und das alles sollte es auch bei seiner Hochzeit geben. Dann fragte er: »Hast du auch Geld? Zum Heiraten gehört nämlich Geld. Da mußt du eine Wohnung mieten und deiner Frau Kleider kaufen, denn sie hat nur dies eine.«

Der alte Mann redete ganz ernsthaft, aber er blinkerte immer mit den Augen, als dächte er an einen rechten Spaß. Das kam Kasperle sonderbar vor. Es überlegte, was es wohl sein könnte, und auf einmal fragte es: »Will sie mich denn auch?«

»Freilich will sie dich.« Der alte Mann ging ins Haus hinein, und nach einer Weile tauchte er in der Stube, in der Rosalinde saß, neben ihr auf und redete mit ihr.

Dabei hatte er eine Hand auf den Rücken der Braut gelegt und die drehte den Kopf zu Kasperle hin und nickte ihm zu.

Kasperle war selig. Nun hatte es wirklich eine Braut.

Es wollte gerade in das Haus laufen und selbst mit der schönen Rosalinde reden, aber da kam der alte Mann schon wieder heraus. Der hielt es am Rockzipfel fest und sagte, hinein könne es jetzt nicht, Rosalinde wünsche es nicht, aber am Sonntag solle es nur zur Hochzeit kommen und auch alle seine Freunde und Freundinnen mitbringen.

Kasperle besprach nun mit dem alten Mann, wie es bis dahin noch viel Geld verdienen könnte, es wollte auf dem Lindenanger kaspern. Dort stand noch des Kasperlemanns Budchen vom Pfingstmarkt her, das wollte es benützen und allen Zuschauern sagen, sie sollten ihm viel Geld geben, denn es wolle mit der schönen Rosalinde Hochzeit feiern.

Sein neuer Freund ermahnte Kasperle, ja recht pünktlich zur Hochzeit zu kommen. Dabei blinkerte er wieder mit den Augen, und Kasperle wurde recht nachdenklich. Etwas stimmte da nicht, aber was nur? Der alte Mann sah so freundlich aus, und Rosalinde war so hübsch. Sie hatte so ein liebes Gesicht, und sie hatte doch auch genickt, als der alte Mann sie gefragt hatte, ob sie Kasperle heiraten wollte.

Nachdenklich ging der kleine Kerl seinen Weg weiter.

Auf einmal fiel ihm etwas ein, und er rannte wieder zurück.

Der alte Mann stand noch vor der Türe, als Kasperle wieder kam. »Heute ist doch noch nicht die Hochzeit!« rief er.

»Ich weiß ja noch gar nicht, wie sie heißt.«

»Nun Rosalinde.«

»Und weiter?«

»Ach so, nun Gänsekopf.«

Das war allerdings kein schöner Name. Kasperle sagte es auch, denn eine Frau Kasperle, geborene Gänsekopf, wollte ihm schlecht gefallen. Der alte Mann aber meinte, das täte nichts, sie würde trotz des Namens allen Leuten gut gefallen.

Der Name verdroß Kasperle arg, und verdrießlich ging es heim. Unterwegs traf es viele Buben und Mädels, und allen erzählte es, daß es heute nachmittag auf dem Lindenanger kaspern wollte, es ginge jetzt zum Kasperlemann, ihn um seine Mithilfe zu bitten. Es wollte ein neues Stück von der Prinzessin Gundolfine spielen.

Da freuten sich seine kleinen Freunde und Freundinnen, und Kasperle rief ihnen allen nach, sie müßten aber viel Geld mitbringen, es gäbe eine Überraschung.

Auf eine Überraschung freuten sich alle, weniger dagegen auf das Geldmitbringen, das behagte keinem.

Der Nachmittag kam heran. Auf dem Lindenanger waren kleine Leute und große Leute, und alle waren neugierig auf Kasperles Überraschung.

Selbst Meister Severin, das Prinzlein, Marlenchen und der Kasperlemann wußten nicht, was Kasperle vorhatte. Kasperle war verschwiegen gewesen wie ein verschlossener Kleiderschrank.

Und dann spielte der kleine Schelm so gut wie noch nie. Der Lindenanger hallte wider von dem Gelächter der Zuschauer.

Als Kasperle sein Stücklein zu Ende gespielt hatte, trat es vor und erzählte von Rosalinde, und daß es sie am Sonntag heiraten wolle.

Groß und klein lachte, und das arme Kasperle wurde mit seiner Heirat recht gründlich ausgelacht. Da fing Kasperle bitterlich zu weinen an, und das Gelächter verstummte.

»Wie heißt sie denn?« fragte eine Frau.

»Rosalinde.«

Aber damit wollte sich die Frau nicht zufrieden geben, sie fragte weiter: »Wie denn noch?«

»Gänsekopf.«

Da lachten wieder alle, und das Kasperle schrie erbost: »Ich heirate sie doch. Gebt mir nur viel Geld, zum Heiraten braucht man Geld. Und Sonntag seid ihr alle zur Hochzeit eingeladen.«

Da lachten wieder alle, und einer von Kasperles Freunden fragte: »Gibt es auch Kuchen?«

»Ja, viel Kuchen.«

»Torten?«

»Ja, feine Torten.«

»Und Puddings?« fragte ein anderer.

»Schöne Puddings.«

»Die Hochzeit ist mir zu süß, Braten muß es geben«, meinte ein Mann. »Gibt es auch Braten und Pasteten?«

Kasperle dachte: Je mehr ich sage, desto besser ist es. Darum schrie es noch: »Es gibt auch Wein, Suppe und Gemüse und sehr viel Kompott.«

»Aber Kasperle, wer bezahlt denn dies alles?« wollten die Zuschauer wissen.

»Der alte Mann«, rief Kasperle ganz unverzagt.

»Der Herr Gänsekopf«, rief ein vorlauter Bube. Da lachten wieder alle und wollten Näheres von Herrn Gänsekopf wissen. Aber das wußte Kasperle selbst nicht. Es stellte sich nun heraus, daß alle zwar das kleine Haus kannten, aber seine Bewohner nicht. Die waren erst kürzlich nach Torburg gezogen. Über dem vielen Hinundherreden vergaßen die Leute das Geldgeben. Sie sagten alle, sie würden ihm etwas zur Hochzeit mitbringen.

So hatte Kasperle nur sechs Zehner eingenommen. Das war wenig für einen, der heiraten will. Kasperle hatte aber keine Ahnung von Geld und Geldeswert und dachte: Am Sonntag bekomme ich Geld genug.

Kasperles Freunde nahmen alle die Hochzeit für einen Spaß, und der kleine Schelm ließ sie bei diesem Glauben, desto größer würde die Überraschung sein. Am Samstag lief Kasperle in die kleine Gasse. Dort fand er schon eine Anzahl Kinder versammelt, die auch die Braut sehen wollten. Es saß aber keine Braut mehr am Fenster, auch der alte Mann war nirgends zu sehen, und der Garten und das Haus waren verschlossen. Die Freunde waren recht enttäuscht, aber Kasperle meinte, morgen wäre ja erst Hochzeit.

Am nächsten Nachmittag gab es ein großes Gelaufe von groß und klein nach dem Häuschen mit dem bunten Garten. Aber das lag still und verschlossen da, niemand und nichts war zu sehen. Als den Wartenden schon die Zeit lang wurde, kam Kasperle mit Marlenchen. Dem Mädchen war das Herz schwer. Sie allein betrachtete die Heirat nicht als Spaß, denn sie wußte, ihr Kasperle nahm es ernst.

Als Kasperle kam, es hatte sich sehr fein gemacht, öffnete sich die Haustüre, und der alte Mann trat heraus, mit der schönen Rosalinde auf dem Arm. Sie nickte langsam und feierlich mit dem Kopf. Erst waren alle ganz still und schauten verwundert die schöne Rosalinde an. Plötzlich aber jauchzten alle los: »Eine Puppe, eine Puppe!«

Es war wirklich eine Puppe, und der alte Mann war ein Puppenmacher, der kunstvolle bewegliche Puppen anfertigte. Mit Kasperle hatte er seinen Spaß getrieben. Kasperle stand ganz verdattert da. Eine Puppe, nur eine Puppe hatte es heiraten wollen.

Alle lachten und jauchzten. Auf einmal aber verstummte das Lachen. Kasperle weinte. Nicht so laut und ungebärdig, wie es sonst brüllte, sondern leise und tiefschmerzlich. Da merkten erst alle, daß dem kleinen Schelm ein großes Leid widerfahren war, und allen tat er arg leid. Doch helfen konnte ihm niemand. Es war nur gut, daß Marlenchen dabei war. Es führte seinen kleinen Freund heim und wußte ihn sanft zu trösten.

Drei Tage war Kasperle still und traurig, dann aß es sechsundzwanzig Butterbrezeln und lachte wieder. Von seiner Hochzeit aber sprach es nie mehr, und die schöne Rosalinde sah es auch nie mehr an, obgleich sie noch viele Wochen am Fenster des alten Puppenmachers saß und nickte. Weiter konnte sie nämlich nichts.

Kasperle sucht Ostereier

Einmal war Kasperle um die Osterzeit mit Mister Stopps in Torburg, denn es hatte Ferien. Mister Stopps, der damals bald die Prinzessin Gundolfine heiraten wollte, war mitgekommen, weil ihm Kasperle so viel von dem Torburger Osterhasen erzählt hatte.

Mister Stopps wollte es nämlich gar nicht glauben, daß ein Hase Eier legen konnte. Ja, wenn es ein Osterhuhn gewesen wäre! Kasperle versicherte aber immer wieder, ein Osterhase wäre etwas ganz Besonderes.

»Wenn es so etwas Merkwürdiges ist, werde ich es kaufen«, sagte Mister Stopps, der immer darauf aus war, merkwürdige Dinge zu kaufen.

Als Kasperle antwortete, Osterhasen wären nicht zu verkaufen, heulte Mister Stopps beinahe, weil er doch so gern einen Osterhasen besitzen wollte. Da versprach Kasperle, ihm einen zu fangen. Das dumme Kasperle dachte nämlich, alle Hasen, die um die Osterzeit im Walde herumliefen, wären Osterhasen. Es dachte es sich auch sehr hübsch, seinen eigenen Osterhasen zu besitzen. Wenn man dem gut zuredete, legte er gewiß das ganze Jahr Ostereier, und Kasperle aß Ostereier schrecklich gern. Es freute sich schon darauf, immer Ostereier zu haben.

Als es zwei Tage in Torburg war, ging es auf die Osterhasenjagd. Es nahm dazu zwei Kameraden mit, Klaus und Klemens, und alle drei redeten von dem Osterhasen, als hätten sie ihn schon gefangen. Sie mußten lange suchen, ehe sie einen Hasen trafen, und der lief ihnen davon, wie, ja wie eben nur ein Hase laufen kann. Selbst Kasperle mit seinen flinken Beinen konnte ihn nicht einholen. Das war betrüblich.

Und mit einem zweiten und dritten ging es ihnen nicht besser. Da gaben sie das Hasenfangen für diesen Tag auf, und Kasperle begann auf einer Waldwiese seinen Kameraden etwas vorzukaspern. Das Lachen der Jungen hörte auch ein dicker, alter Waldhase, der zwar kein Osterhase war, er hatte noch nie im Leben ein Ei gelegt, aber er war zu jedem Streich bereit. Als er das Lachen hörte, dachte er gleich: Da muß ich dabei sein. Und flugs rannte er hin. Er rannte in seinem Eifer Kasperle gerade zwischen die Beine, und das, nicht faul, setzte sich gleich auf den Hasen. Der wollte ausreißen, aber das Kasperle war zu schwer, das konnte der Hase nicht tragen, auch hielt es ihn an den Ohren fest. So wurde der Hase, der mitlachen wollte, gefangen und in einen Sack gesteckt.

Das war sehr unangenehm für ihn. Der Hase wehrte sich, so gut er konnte, aber die drei waren stärker als er. Er wurde in dem Sack nach Torburg getragen. »Vielleicht legt er schon unterwegs Eier«, sagte Kasperle erwartungsvoll.

»Wenn sie nur nicht kaputt gehen«, sagte Klaus.

Kasperle rief: »Die sind gleich hartgekocht!«

Der Gedanke, daß der Osterhase die Eier gleich gekocht legen sollte, kam den Buben so spaßig vor, daß beide in ein heftiges Gelächter ausbrachen. Und Kasperle lachte flink über die eigene Dummheit mit.

So kamen die drei laut lachend in Torburg vor dem Gasthaus an, in dem Mister Stopps wohnte. Der stand fein angezogen in hellgrauen Hosen und dunklem Überrock vor der Türe, und Bob öffnete gerade die Türe eines Wagens. Mister Stopps wollte zur Prinzessin Gundolfine fahren. Mister Stopps war sehr neugierig, und als Kasperle mit dem Sack dahermarschiert kam, fragte er gleich: »Uas ist da drin?«

»Ein Osterhase!« riefen die drei stolz, als hätten sie eine Krone gefunden.

Bob und die Leute, die vor dem Gasthaus standen, um Mister Stopps’ Abfahrt mit anzusehen, lachten auch alle und fragten: »Ist es auch wirklich einer?«

Ehe Kasperle noch antworten konnte, rief Mister Stopps: »Oh, ich uill ihn sehen!«

Kasperle öffnete bereitwillig den Sack, und Mister Stopps nahm ihn und steckte seine Nase hinein. Weil er aber nicht recht sehen konnte, setzte er den Sack auf den Boden und öffnete ihn weit. Der Hase überlegte nicht lange, was er tun sollte, er sprang mit einem großen Satz Mister Stopps an die Nase, und der neugierige Herr setzte sich gleich auf den Erdboden. Leider hatte er sich aber gerade eine große Pfütze ausgesucht, was den hellgrauen Hosen gar nicht bekam. Der Hase kümmerte sich aber kein bißchen um das angerichtete Unheil, der dachte nur an das Ausreißen.

Als Klaus, Klemens und Kasperle den Hasen davonrennen sahen, dachten sie auch nicht an Mister Stopps in seiner Pfütze. Sie rannten mit lautem Geschrei dem Hasen nach. Das Geschrei wieder nahmen die Pferde des Wagens übel, die rannten auf einmal, ohne sich nach dem Kutscher umzusehen, dem Hasen und den drei Freunden nach. Der Kutscher und der Wirt waren wieder damit nicht einverstanden, die rannten eilig den Pferden nach und schrien aus Leibeskräften: »Halt!«

So rannten Hase, Buben, Pferde, Kutscher und Wirt die Straße entlang, und Mister Stopps saß in der Pfütze, denn vor Erstaunen über das Wettrennen vergaß auch Bob, zuerst seinem Herrn zu helfen.

Endlich aber sah er dessen Lage und half ihm wieder auf die Beine. Mister Stopps schimpfte über den Hasen, Kasperle, die Pferde, den Kutscher, über Bob und die Pfütze, aber das half ihm alles nichts, er mußte wieder ins Gasthaus gehen und sich umziehen, und mußte auf den Wagen warten, um zur Prinzessin zu fahren.

In Torburg bleibt es natürlich nicht unbemerkt, wenn ein Hase, Kasperle und zwei Buben, zwei Pferde mit einem Wagen und dem danebenlaufenden Kutscher mit Geschrei eine Straße entlangrennen. Es fanden sich Leute dazu, die mitrannten, und zuletzt war ganz Torburg in Aufregung. Das war gut für den Kutscher und den Wirt. Hilfreiche Männer hielten nämlich die Pferde auf, und so kam es, daß der Wagen gerade wieder am Wirtshaus anlangte, als Mister Stopps, angetan mit reinen Hosen, vor die Türe trat.

Aber wo war Kasperle? Mister Stopps verlangte unbedingt Kasperle und den Osterhasen zu sehen, denn er wollte beide der Prinzessin mitbringen. Aber so erwartungsvoll der lange Herr auch die Straße auf und ab sah, kein Kasperle ließ sich blicken.

Das lag im Walde unter einem Busch und wartete auf einen neuen Osterhasen. Der erste war richtig ausgerissen. Auch Klaus und Klemens waren abhanden gekommen und deshalb war der kleine Strick sehr schlechter Laune. So fand ihn Bob, der ihn suchte und der ihm nun erzählte, daß Mister Stopps lange auf ihn gewartet hätte, und nun allein zur Prinzessin Gundolfine gefahren sei.

Kasperle war das ganz gleichgültig, denn zur Prinzessin wollte es nicht gern. Trotzdem es das immer sagte, freute es sich am andern Tage sehr, als Mister Stopps sagte, die Prinzessin hätte laut über den ausgerissenen Osterhasen gelacht, und sie ließe Kasperle sagen, ihr Osterhase ginge ihr nicht durch, der hätte schon ein ganzes Nest voll Eier für Kasperle gelegt, und es solle kommen und sie suchen.

Kasperle fuhr also am Nachmittag sehr vergnügt mit dem Mister Stopps zur Prinzessin. Es fand, es wurde auch Zeit, daß es Ostereier bekam, morgen war schon Gründonnerstag, und es hatte bis jetzt noch kein Osterei geschenkt bekommen.

Seit die Prinzessin mit Mister Stopps verlobt war, war sie immer sehr nett zu Kasperle, und auch an dem Tage sagte sie freundlich: »Nun, geh nur in den Garten und suche die Ostereier, es ist ein ganzes Nest voll da für dich.«

Ganz allein auf die Ostereiersuche gehen, ist aber nicht sehr unterhaltend. Jemand muß zum Mitlachen, zum Mitfreuen dabei sein. Kasperle suchte eine Weile nach dem Eiernest herum. Da es aber nirgends ein Ei entdeckte, setzte es sich auf eine kleine Bodenerhöhung um nachzudenken, wo es noch suchen könnte. Eigentlich war Ostern gar nicht so lustig, wie es sich Kasperle gedacht hatte. Der ausgerissene Osterhase ärgerte es immer noch besonders schwer. Weil Nachsinnen anstrengend ist, schlief Kasperle ein bißchen ein. Auf einmal wachte es durch einen Schrei auf. Vor ihm stand die Prinzessin Gundolfine, die rang entsetzt die Hände und rief: »Kasperle, du sitzt ja auf den Ostereiern!«

Es war so. Kasperle saß wirklich auf dem Nest, das ein wenig mit Reisig bedeckt gewesen war. Zu Mus und Brei hatte es alle Eier zusammengesessen, denn die bunten Ostereier waren auf Wunsch der Prinzessin ganz weich gekocht worden. Kasperle sollte sich mit hartgekochten Eiern den Magen nicht verderben. Und wie sah Kasperles himmelblaues Sonntagskittelchen erst aus! Auf dem Hosenbödle klebte ein großer Eierkuchen mit lauter grünen, roten und blauen Punkten dazwischen, die kamen von den bunten Eierschalen. Kasperle heulte laut, die Prinzessin jammerte dazu. Aber alles half nichts, die Eier waren und blieben Mus und Brei, und andere gab es nicht, es waren keine mehr da.

Kasperle fuhr sehr betrübt mit Mister Stopps heim, und als es in den Gasthof kam, lag dort ein Brief für es, in dem stand, Kasperle möchte am nächsten Tag zu Herrn Peter kommen und Ostereier suchen. Das war noch was. Herr Peter besaß einen großen Garten. Er lud oft Kinder zu sich ein und ließ sie in seinem Garten spielen.

Kasperle freute sich nun auf den nächsten Tag. Da wollte es schon tüchtig suchen, um von allen die meisten Ostereier zu finden, denn sicher würden mehrere Kinder zum Eiersuchen eingeladen sein.

Als Kasperle am nächsten Tag zu Herrn Peter kam, fand es dort Klaus und Klemens und die drei Freundinnen Lore, Dore und Annemarie, die freuten sich alle auf das Eiersuchen mit Kasperle. Sehr zum Verdruß der drei Freundinnen sagten aber Klaus und Klemens, sie gingen mit Kasperle, die Mädels könnten allein suchen. Da Kasperle damit einverstanden war, blieb den Mädels nichts anderes übrig, als allein auf die Suche zu gehen. Sie hatten aber Glück dabei. Sie gingen nämlich in den Blumengarten, in dem Herr Peter alle Eier versteckt hatte, die deshalb alle von den drei Mädels gefunden wurden. Sie teilten sie redlich untereinander und fragten sich, ob wohl die Buben auch so viel gefunden hätten. Die waren unterdessen mit Mister Stopps in den Baumgarten gegangen. Dort fanden sie keine Eier. Kasperle untersuchte jedes Reisighäufchen, aber es fand kein Ei. Auf einmal aber rief es: »Da oben« und deutete auf eine hohe Ulme, auf deren Spitze ein Nest war. »Da sind welche drin«, sagte Kasperle und schickte sich an, den Baum zu erklettern.

»Unsinn, warte bis Herr Peter kommt«, rief Mister Stopps.

Aber Kasperle wartete nicht, es kletterte flink wie ein Eichhörnchen auf den Baum. Oben in dem Nest lagen wirklich fünf graugrüne, dunkelgefleckte Eier. »Nur fünfe, und so kleine!« rief Kasperle enttäuscht.

»Wirf sie runter!« forderten es die Jungen auf.

»Auffangen!« schrie Kasperle, und klatsch! hatte Mister Stopps eins auf der Nase und eine gelbe Soße rann vom Gesicht herab. Ehe noch jemand halt rufen konnte, hatte Kasperle alle Eier Klaus und Klemens zugeworfen. Da rannen gelbe Bächlein von den guten Sonntagsanzügen der beiden Buben herab, und Mister Stopps wischte an seiner Nase herum und brummte: »Ostereier suchen ist eine merkwürdige Sache.«

»Ja, freilich, wenn man sie im Krähennest sucht«, schalt Herr Peter, der von weitem alles mitangesehen hatte, und der nun eilig herbeigekommen war. Da wurde Kasperle tüchtig ausgescholten, daß es ein Krähennest ausgenommen hatte, und Klaus und Klemens jammerten über ihre verschmierten Anzüge und daß sie gar keine Eier gefunden hätten.

Ja, die hatten alle die Mädels. Aber die waren anständig und gaben den unhöflichen Buben einige ab, freilich nicht die schönsten, und die hätte Kasperle gerade gerne gehabt, aber Herr Peter sagte, die hätte es nicht verdient.

Kasperle kam wieder sehr betrübt heim, und es hätte wohl auch kein frohes Osterfest für es gegeben, wenn nicht Marlenchen gewesen wäre. Das lud es zum Ostersonnabend nach Lindeneck ein. Da gab es denn ein Eiersuchen nach Kasperles Geschmack. Die Eier lagen frisch und bunt zwischen den Frühlingsblumen und auf dem grünen Rasen, und Kasperle fand so viele, daß es die beiden Feiertage noch davon schmausen konnte. Das Eiersuchen in Lindeneck gefiel selbst Mister Stopps. Nur wollte er nicht glauben, daß der Osterhase alle diese Eier gelegt hatte. Aber Kasperle sagte: »Das ist so und das bleibt so, da kann man nicht dran tippen!«

Der stumme Knecht

Es war November und bitterkalte Stürme wehten schon über das Land. Der Kasperlemann war wieder einmal mit Kasperle unterwegs. Der alte Mann und das klapperdürre Pferdchen froren beide schrecklich, aber Kasperle saß warm und weich in Decken gehüllt im Wagen und redete wie ein kleiner Wasserfall. Was sagte es alles? Es schalt, daß der Kasperlemann mit ihm, dem einzig echten Kasperle, bei diesem Sauwetter unterwegs sei. Ja, Sauwetter, sagte das schlimme Kasperle, obgleich das wirklich nicht schön klingt.

»Es wird schneien«, sagte das Kasperle.

»Es wird nicht schneien.« Aber da schneite es schon, und Kasperle lachte den alten Mann aus. Dem war es gar nicht lächerlich zumute. Er fror so sehr und sein armes Pferdchen tat ihm arg leid. »Wenn nur endlich der Rosenhof käme«, sagte er.

»Was ist das, blühen da jetzt Rosen?«

»Na, jetzt noch nicht, im Juni. Es ist ein großer Bauernhof.«

»Wer wohnt da?«

»Ein Bauer und eine Bäuerin mit Sohn und Tochter und dem stummen Valentin.«

»Wer ist das? Warum ist er stumm?«

»Weil er so erschrocken ist.«

»Warum ist er so erschrocken?«

»Kasperle, du bist ein lebendiges Fragezeichen!« rief der Kasperlemann. Weil aber reden warm macht, erzählte er von dem stummen Knecht. Es hatte einmal gebrannt im Rosenhof, und die Tochter des Hauses wäre beinahe mitverbrannt. Valentin aber hatte sie gerettet, aber vor Schreck und Aufregung hatte er die Sprache verloren.

»Kann er denn gar nicht reden?« fragte Kasperle.

»Nein, kein Wort.«

»Auch nicht, wenn ich ein Späßlein mache?«

»Auch nicht.«

»Das ist schlimm.« Kasperle sah ganz traurig drein.

Der Sturm und das Schneegestöber nahmen zu, und der Kasperlemann sagte: »Ich und mein Pferd, wir werden noch erfrieren.«

»Stirbst du dann?« fragte Kasperle ängstlich.

»Ja, dann bin ich ganz tot.«

Das war übertrieben von dem Kasperlemann, der nicht an das Sterben dachte. Aber Kasperle nahm es bitterernst und begann heftig zu weinen. Es weinte so laut und herzbrechend, daß dem Kasperlemann das Herz schwer wurde. »Armes, kleines Kasperle«, sagte er mitleidig, »ich sterbe ja nicht.«

»Du wirst doch stirbsen.« Kasperle weinte immer lauter und schmerzlicher. Auf einmal steckte jemand seinen Kopf in den Wagen und sah das Kasperle mitleidig an, sagte aber kein Wort.

»Hallo! Da sind wir mal wieder, und dort liegt anscheinend der Rosenhof«, rief der Kasperlemann.

Der Mann nickte nur, es war der stumme Valentin.

Kasperle faßte gleich Zutrauen zu ihm, er hatte so gute Augen und es dachte, vielleicht lernt er das Sprechen wieder, wenn ich ihm etwas vorkaspere, und es kroch aus seinen Decken heraus und fing an, Gesichter zu schneiden.

Der stumme Valentin lächelte ein wenig, aber er lachte nicht laut und sprach auch nicht. Er blieb stumm wie zuvor.

Da merkte Kasperle, daß einer nicht so schnell von einem Gebrechen geheilt wird, und es ließ das Kaspern und weinte bitterlich. Der stumme Valentin merkte wohl, warum Kasperle so weinte, und er streichelte den kleinen Schelm gutmütig, und zwischen beiden entstand eine treue Freundschaft.

Es schneite immer heftiger, aber unter Mithilfe des stummen Valentin, der mitziehen half, langten sie bald auf dem Rosenhof an. Sie wurden herzlich aufgenommen, und Kasperle wurde von den jungen Leuten gebührend angestaunt. Kasperle erfuhr nun auch, warum der Kasperlemann hierher gekommen war. Im nahen Oberheudorf sollte eine große Hochzeit sein, und zur Belustigung der Gäste sollte Kasperle kaspern. Die Oberheudorfer wollten immer etwas besonders Lustiges sehen.

Der Besitzer vom Rosenhof lud den Kasperlemann ein, bei ihm zu wohnen, denn im Hochzeitshaus sei alles besetzt.

Der Kasperlemann nahm die Einladung gerne an, und auch Kasperle spazierte mit Vergnügen in das Haus des wohlhabenden Bauern hinein. Es roch darin köstlich nach Pfefferkuchen, denn der wurde immer schon lange vor Weihnachten gebacken, damit er zum Fest recht mürb wurde. Er durfte aber nicht vorher gegessen werden, und das gefiel dem Kasperle gar nicht. Anderen Kuchen gab es genug, aber es hatte gerade einen rechten Pfefferkuchenhunger. Die Bäuerin sagte, den müßte es sich verkneifen. Nicht einmal eine Kostprobe gab es. Das war hart, denn der Pfefferkuchenhunger wollte nicht vergehen, der blieb und quälte Kasperle sehr.

Der nächste Tag war ein Ruhetag für den alten Kasperlemann, der ihm wohltat nach der Fahrt in Sturm und Schnee.

Kasperle geisterte im Hause herum und trieb Unsinn, schnitt Gesichter und brachte alle zum Lachen. Nur Valentin blieb stumm, er sah aber so gütig aus, daß Kasperle rechtes Mitleid mit ihm hatte und ihm himmelgern geholfen hätte. Alle seine Gesichter schnitt Kasperle, nur sein Teufelsgesicht nicht, damit hatte es nämlich ein Späßlein vor. Der Kasperlemann hatte ihm allerlei Kostüme machen lassen, darunter war auch ein pechschwarzes Teufelskleid. Das wollte es am Abend, ehe das Nachtessen begann, anziehen und ein bißchen den Teufel spielen. Die Mädchen sollten erschrecken.

Nach dem Nachmittagskaffee trieb sich Kasperle auf dem Hofe herum, aber bald wurde es ihm langweilig, und es dachte, es sei nun Zeit, wieder in die Wohnstube zu gehen. Es zog heimlich sein Teufelskostüm an, denn auch der Kasperlemann sollte nicht wissen was es vorhatte. Es wäre möglich gewesen, daß der ihm das Spiel verboten hätte. Als Kasperle in die Wohnstube kam, war kein Mensch darin, nur die Lampe brannte, und auf dem Tisch stand ein großer Korb voll frischer Pfefferkuchen.

Kasperle besann sich nicht lange. Eins, zwei, drei war es auf dem Tisch und begann zu schmausen. Drei Küchlein hatte es schon gegessen und gerade wollte es in den vierten Pfefferkuchen beißen, als jemand in das Zimmer trat. Es war die Haustochter. Das Mädchen blieb fassungslos stehen, als es das schwarze Untier auf dem Tisch sitzen und Küchlein fressen sah.

Da drehte sich Kasperle nach ihr um und schnitt sein Teufelsgesicht. Ganz fürchterlich sah das aus. Mit einem gellenden Schrei flüchtete das Mädchen aus dem Zimmer.

Der erste, der den Schrei hörte, war der stumme Valentin. Der erschrak sehr, denn er trug eine heimliche, stille Liebe zu der Bauerntochter im Herzen und glaubte, ihr könnte ein Unheil widerfahren sein. Er rannte darum eilig in den Hausflur, woher das Schreien jetzt kam. Dort saß die Haustochter auf der Erde, denn ihre Füße trugen sie nicht mehr weiter.

»Was fehlt dir, warum schreist du so?« sagte da auf einmal Valentin.

Da vergaß die Haustochter das pfefferkuchenfressende Teufelchen und sagte erstaunt: »Du kannst ja reden!«

Nun erst merkte Valentin selbst, daß er ja seine Sprache wiedergefunden hatte. Er wollte versuchen, ob er wirklich sprechen könnte, und sagte geschwind dem Mädchen, daß er sie lieb hätte und sie nun zur Frau nehmen könnte, denn sein Vater wollte ihm seinen Hof übergeben.

Gerade hatte er das gesagt, da kam eine Magd in den Flur, die sagte im Vorbeigehen: »Jetzt war es mir gerade, als hörte ich dich sprechen, Valentin.«

Valentin wollte etwas sagen, aber schon hatte die Magd die Stubentüre geöffnet, doch mit einem lauten Schrei fuhr sie zurück, und bebend rief sie: »Da drinnen sitzt der Teufel und frißt unsere Pfefferkuchen!«

»Darum schreist du so.« Valentin sprach es zur großen Verwunderung der Magd laut und deutlich. Er ging in das Zimmer hinein und kehrte bald mit dem zappelnden und heulenden Kasperle zurück. Die Magd, die Kasperle noch immer nicht erkannte, lief schreiend auf den Hof: »Valentin hat den Teufel gefangen und kann sprechen!« rief sie dort.

Der Bauer und die Bäuerin, der Haussohn und die andere Magd, der Kasperlemann, alle kamen angelaufen und fragten, was geschehen sei. Als die Magd vom Teufel sprach, sagte der Kasperlemann: »Den kenne ich. Der muß tüchtig Hiebe bekommen.« Dazu kam es aber nicht. Die Freude, daß Valentin wieder reden konnte, war zu groß, und aus Freude darüber wurde Kasperle seine Untat verziehen.

Valentin verlobte sich mit des Bauern Tochter, und am Abend wurde im Rosenhof noch ein fröhliches Fest gefeiert. Kasperle lachte und aß so viel, daß es dem Kasperlemann um das Spielen auf der Hochzeit in Oberheudorf bange wurde. Er mahnte deshalb: »Lache nicht so viel, sonst kannst du morgen nicht kaspern.« Wer aber nicht hörte, das war Kasperle. Das trieb bis Mitternacht seine Narrenpossen.

Na, man wird ja sehen, wie es ihm auf der Hochzeit erging.