861. Wolffindis

861. Wolffindis

Im Landgerichte Dingolfing nahe beim Markte Reisbach steht eine kleine Kirche, die ist einer heiligen Jungfrau geweiht, welche eine Märtyrerin ihrer Frömmigkeit und Keuschheit wurde. Wolffindis, so war ihr Name, war eines Gaugrafen Tochter, der auf dem Schlosse Warth saß, und neigete ihr Herz dem Christentume zu, da ihr Vater noch ein blinder Heide war. Darüber ergrimmte dieser Vater also sehr, daß er die Tochter an die Schweife wilder Ochsen binden und diese von dannen peitschen ließ. Dort bei Reisbach blieben die Ochsen stehen, und an jener Stelle, wo die Unschuldige verblutete, sprudelte eine Heilquelle hervor. Andere sagen, es habe ein fremder Krieger sich in die fromme Wolffindis also vergafft, daß er ihrer, da sie ihm nicht im guten sich zu eigen geben wollen, mit Gewalt begehrt, und weil er, obschon er ihrer sich bemächtigt, doch nichts erlangen können, habe er sie an seines Rosses Schweif gebunden und sie selbst auf so grausame Weise zu Tode geschleift. Nahe dem Markte Reisbach endete die fromme Wolffindis, und der Wunderquell entsprang.

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862. Die Hunde zu Weißenstein

862. Die Hunde zu Weißenstein

Auch im Bayrischen Walde widerhallt und wiederholt die Sage von den jungen Hunden. Einer Frau Gräfin von Weißenstein begegnete die Bettlerin, die, von jener verhöhnt, sie verwünschte, und eine Zigeunerin prophezeiete ihr, sie werde auf einmal sieben Söhne gebären, von denen würden sechse ihr den Tod zuwegebringen. Solches zu verhüten, ward sie einig mit ihrer Kammerfrau, als bereits der erste Teil der Prophezeiung sich erfüllt hatte, daß jene die sechs nachgebornen Knäblein ersäufen solle. Der begegnete nun auch der aus dem Hussitenkriege zurückkehrende Graf und entdeckte die Untat, ließ die allzudienstfertige Magd alsogleich binden und in den Regenfluß werfen und die Knäblein heimlich aufziehen und ihnen Ammen geben. Heimgekehrt, ließ der Graf sich nichts merken, während sieben ganzer Jahre lang, nahete aber auch seiner Frau nie wieder in Liebe, sondern schützte ein Enthaltsamkeitsgelübde vor, wie die Männer in jenen alten frommen Zeiten sich bisweilen auferlegten. Dann aber, als die sieben Jahre nun um waren, ließ er ein Gastmahl zurichten und fragte die Gäste, indem er die Untat nannte, welche Strafe einer solchen Mutter gebühre. Da fuhr seine eigne Frau, von Angst des Gewissens getrieben, heraus: Lebendig einmauern müsse man solche Rabenmutter! – Du hast es gesagt! zürnte der Graf, dir geschehe, wie du gesagt hast, denn die Rabenmutter bist du! Siehe hier die jungen Raben, die der Herr ernährt und erhalten, deine – Hunde! – Und ließ die sechs frischen Knäblein eintreten. Da war viel Wonne und Weh beisammen und wurden viele Fürbitten laut für die entartete Mutter, sie selbst aber bestand auf der gerechten Strafe und empfing sie. Darauf hat der Graf eines Hundes Bild in sein Wappenschild genommen und die Söhne als die seinen erkannt, ihnen aber zu ihrem Zunamen noch den Hund gefügt, so ist das Geschlecht der Hunde von Weißenstein, gleich jenem der Hunde von Wenkheim und der Rüden von Collenberg im Frankenlande, entstanden, aber der Graf verließ seine Stammburg, und sie fiel in Trümmer.

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863. Der Stockenfels

863. Der Stockenfels

Zwischen Burg Lengenfeld und Rittenau am Regen beim Dorfe Fischbach liegt eine Burgruine auf einem hohen Berge, Stockenfels geheißen, darinnen ist es nicht geheuer; verwunschene und hineingebannte Spieler sitzen drinnen und karten und würfeln und haben eiserne Karten, wie die Spieler in der Burgtrümmer von Waldstein und die Männer im Flußberg, und glühende Marken und Becher. Wer sie sieht, dem grauset. Und wer sind denn diese Männer? Ritter sind es nicht, Pfaffen auch nicht, Bauern auch nicht. Sie haben große schwarzlederne Schurzfelle und harte Köpfe. Spielen dürfen sie nicht beständig, sie müssen auch was tun. Da ist ein grausam tiefer Brunnen auf Stockenfels, der geht bis zum Bergesgrunde, da stehen sie auf einer Leiter von oben bis unterst, und der unterste schöpft Wasser und langt es herauf, und der oberste schüttet’s aus, und rastlos wandern die Eimer die ganze Woche lang, und das sind die abgeschiedenen Bierbrauer von Regensburg, von Straubing, Cham, Burglengenfeld, Landshut und andern Orten, die solche Buße tun müssen, dieweil sie bei ihrem Leben zu viel Wasser in jedes Gebräu gemischt, und werden ihrer immer mehr, »daß bald gor kani mehr in den Brunnen eini gohn,« als welches sehr schade ist, sonst wollt‘ einer dem Stockenfelser Brunnen die ***er Brauer ebenfalls bestens empfohlen haben.

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864. Juditha

864. Juditha

Aus dem Böhmerlande zog der junge Herzogsohn Brzetislav durch den Böhmerwald, erkor sich am Regenfluß eine heimliche Stelle in den waldigen Talwinkeln nahe bei Regenstauf und ging mit nur wenig Dienern nach Regensburg hinein. Er hatte von einer überaus schönen Nonne vernommen namens Juditha, welche die Tochter eines Grafen vom Rheine soll gewesen sein, Otto des Weisen. Es gelang ihm, sie zu sehen, und alsbald entbrannte in beiden zueinander heftige Liebe, und der junge Herzogsohn beschloß, die schöne Juditha zu entführen. Diesen Plan führte Brzetislav auch ohne Säumen aus, er bestach die Torwächter, daß sie ihm das Tor, und die Brückenwächter, daß sie ihm die Brücke offen hielten, und die Torwächter drüben in Stadtamhof nicht minder, band sein Roß vor der Klosterpforte an, ging hinein und holte sich seine Erkorene ohne alle Umstände. Mittlerweile war der Weg vor dem Kloster durch eine mächtig große Kette gesperrt worden, die hieb Brzetislav entzwei, hob die Entführte auf sein Roß und sprengte mit ihr von bannen, seine Getreuen folgten, und hinter ihnen rasselten die Tore samt und sonders zu. Ehe sie den Verfolgern wieder aufgetan wurden, verging die längste Zeit, das Regensburger Stadttor, drei Brückentore und zwei Tore von Stadtamhof, alle mit schweren Schlössern und Riegeln; es war offenbar eine wahre Torheit, die Flüchtigen verfolgen zu wollen. Auf der Brücke verlor Juditha einen roten Schuh, wie Katharina von Bora, da sie aus Kloster Nimbschen bei Grimma an der Mulde flüchtete, der wurde samt der zerhauenen Kette lange als ein Denkzeichen aufbewahrt. Der Vater der Entführten klagte nun zwar beim Kaiser über den Jungfrauenraub, und das Kloster klagte nicht minder, aber der Vater Herzog Brzetislav gab seinem Sohne Mähren und erwirkte ihm Verzeihung.

Wundersamerweise, nur mit minderer Wahrscheinlichkeit, wiederholt sich dieselbe Sage zu Schweinfurt, nur heißt die Nonne dort Jutta, wohnt im Kloster auf der Petersstirn. Der Vater ist ein Markgraf von Schweinfurt oder gar – doch heimlich – Kaiser Konrad der Salier selbst, und als der Bote mit der Klage an den Kaiser gesendet ward, behändigte man ihm zur Beglaubigung den verlornen Schuh – da er ihn aber überreichen wollte, verschwand er ihm aus der Hand hinweg.

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865. Leuchtenberg

865. Leuchtenberg

Vor dem Böhmerwald liegt die alte Landgrafschaft Leuchtenberg, dazu gehört auch Schloß, Stadt und Amt. Daselbst weilte Heinrich der Vogler, da er diese Gaue gegen die Ungarn und Wenden schirmte, und war auch seine Tochter Jutta bei ihm und weidwerkete mit ihm. Da geschah es, daß die Prinzessin eine schlanke Hinde verfolgte und ganz abkam von ihrem Vater und sämtlichem Jagdgefolge, und ward ihr bänglich zumute, wie der Jungfrau Lorenz zu Tangermünde. Es kam aber kein stolzer Edelhirsch, die Kaisertochter aus dem Walde zu tragen, doch fand sich ihr ein Helfer. Dem Vater aber war und blieb sie verloren Tage, Wochen, Monden lang, und grämte dieser sich sehr. Vergebens war die Prinzessin durch den ganzen weiten Wald gesucht worden, sie blieb verschwunden. Jahr und Tag verging, der Kaiser suchte noch immer sein verlorenes Kind, einstens bis zum späten Abend, und verirrte sich selbst nach einer Gegend hin, die er noch nie betreten. Da leuchtete ihm von einem Berge aus einer Burg ein tröstliches Licht, er klomm hinan und begehrte Einlaß, und alsbald wurde der Gast vor den Burgherrn, einen Ritter Gebhardt, und dessen junges Ehegemahl geführt. Und siehe, selbiges junges Ehegemahl war des Königs Tochter Jutta, welche der Ritter im Walde vom Verderben erlöst und an sich genommen hatte als einen werten Fund, von dem er sich nimmer zu trennen vermochte. Da ernannte ihn der Kaiser zum Grafen und gab ihm den Namen Leuchtenberg, in alter Sprache Luichtenbergk, weil der Berg ihm zum frohen Wiederfinden geleuchtet. Nahe der alten Landgrafenburg, die nun auch längst in Trümmern liegt, steht einsam ein alter Baum, der wird der kalte Baum genannt. Unter ihm ruht ein erschlagener Rittersmann, der eine Leuchtenbergerin liebte; ihr Vater aber erschlug ihn, weil er ihm nicht ebenbürtig erschien, und ließ ihn unter diesen Baum einscharren, gegenüber einem Turme der Burg, darin er seine Tochter zur Strafe ihrer Minne einsperrte. Und die Tochter fluchte dem Baume, daß er ewig erkaltet stehen solle, wie ihres Liebsten Herz. Turm und Burg sind gebrochen, wie das Herz der liebenden Jungfrau brach, aber der Baum steht noch. Kühl weht die Luft stetig auf seiner Höhe, wenn es auch drunten noch so heiß, Frostschauer umwehen sein Gezweig, und seine Blätter erbeben fort und fort wie der Espe Laub, und er heißt noch bis heute: der kalte Baum.

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856. Dollinger und Krako

856. Dollinger und Krako

Zu Kaiser Heinrichs des Hunnensiegers Gezeiten hielt derselbe in Regensburg Hof und daselbst ein Stechen. Da kam unter Geleit ein freisamer Heide geritten, des Name war Krako, der forderte die Ritterschaft zum Lanzenbrechen auf mit großem Übermut, und wer im Stechen auf Leben und Tod unterliege, dessen Seele sollte dem Teufel eigen sein, denn er hatte heimlich zwei Teufel in seinem Dienst, die ihn stark machten und nach Teufelart auf Christenseelen lauerten. Die Ritter aber alle schwiegen bestürzt, und keiner wagte den Kampf anzunehmen, und der Kaiser fragte zornig: Habe ich denn an meinem Hofe keinen Mann, der mit dem Heiden das Stechen darauf wagt, daß seine Seele, wenn sie ihn verläßt, dem Heiland, unserm Herrn, gehört und mitnichten dem Teufel? – Da trat ein mannlicher Ritter hervor, Hans Dollinger geheißen, andere sagen, derselbe habe ob Hochverrats im Kerker gelegen und sei zum Kampfe zugelassen worden, um gleichsam hier in einem Gottesgerichtskampf seine Seele zu lösen, und begann das erste Stechen mit dem gewaltigen Heiden, und da sah er in des Heiden Spiegelschild die zwei Teufel, die ihm kämpfen halfen, allen andern unsichtbar, und da stach der Heide den Dollinger vom Roß, daß er auf dem Rücken lag wie ein gepreschter Frosch und zu Jesu im Himmel hineinschrie, ihm von den Heiden und seinen Teufeln zu helfen. Da ritt der Kaiser zu dem Gefällten und hielt ihm ein Kruzifix an den Mund, daß er das küsse, und von dem Kuß wurde der Dollinger frisch und gesund und sprang aus, bestieg sein Roß, und da taten sie das zweite Reiten gegeneinander, und stach der Dollinger dem Heiden die Lanze in das Ohr, wie der junge Königsohn am Rhein dem Heidenweibe sein Schwert, daß die Spitze zum andern Öhrlein wieder heraustrat und der Heide vom Rosse fiel wie ein Nußsack und seine Seele dahin fuhr, wohin er sie verlobt, nämlich zu allen Teufeln. Hernach hat der Dollinger an seiner Herberge zu Regensburg sotanen Kampf in Stein hauen und abbilden lassen, das wurde auch ein Regensburger Wahrzeichen, ward auch vielfach gemalt und besungen in alten Liedern.

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857. Die schöne Maria

857. Die schöne Maria

Wie zu Worms und zu Prag schon vor Christi Geburt Juden gewohnt, also auch zu Regensburg, die waren auch gute Juden und sahen mit Schrecken und Entsetzen die große Verfinsterung der Sonne, da Christus zu Jerusalem am Kreuze hing, und da gerade ihre Bauleute einen Turm bauten, so verließen sie den Bau vor Schrecken und ließen einen Gerüstbalken stecken, welcher auch noch lange Jahre nachher als ein Wahrzeichen gewiesen worden ist. Darum schützten auch die Regensburger Bürger ihre Juden in der grausen Zeit, als die verrückten Geißler durch die Lande fuhren und allüberall die Juden erschlagen wurden. Nachher aber, als die Unvernunft zur Herrschaft kam, der Huß zu Kostnitz verbrannt worden war und die zwei Geistlichen zu Regensburg und mit der Vernunft das Glück der Stadt sich gewandt hatte, da ging es auch zu Regensburg den Juden schlecht, sie wurden des Mordes von sieben Christenkindern beschuldigt und grausam vertrieben. An die Stelle ihrer geschleiften Synagoge wurde eine hölzerne Kapelle gebaut und in diese ein Gnadenbild gesetzt, das hieß die schöne Maria, und ward zu ihr ein Gelaufe des Volkes in hellen Haufen, gerade wie zum Pauker von Niklashausen. Die Leute ließen alles und alles stehen und liegen, Haus und Hof, Arbeit und Geschäft, liefen viele Meilen Weges barfuß, zum Teil ganz nacket, den Adamiten gleich, brachten ihre Rechen, Beile, Mistgabeln und Sicheln vom Felde mit und gaben ihren letzten Heller der schönen Maria willig zum Opfer hin. Da nun so ein schönes Geldlein einging, so meinte der Rat zu Regensburg, der Bischof brauche das nicht alles in des Stifts Säckel zu streichen, und wollte den Spendepfennig mit ihm teilen, der Bischof aber wollte mitnichten teilen; darüber entbrannte heftiger Zwist und Hader, und das Ende vom Liede war, daß über selben Zwiespalt die schöne Maria in Abnahme kam und der größte Teil des Volkes der gesunden Vernunft und der Lehre Luthers zufiel, weil es endlich einsah, daß nur um des Geldes willen und nicht um der Ehre Gottes und der gnadenreichen Jungfrau willen das Bild der schönen Maria aufgestellt war, und so gewann auch diese Wallfahrt, gleich der zu Niklashausen und der zu Grimmenthal, ein schnelles Ende.

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858. Natternberg

858. Natternberg

Nicht weit vom Kloster Metten, welches ein frommer Hirte gründete, der unter einem Baume schlummernd beim Erwachen ein Buch auf seinem Herzen fand, am schönen Donaustrom, aber an dessen rechtem Ufer, zwischen Straubing und Passau, ragt der Natternberg empor, der einst ein stolzes Schloß der Grafen von Bogen trug. Diesen Natternberg hat der alte Steinschlepper und Bergversetzer, der Teufel, geradeso hieher an die Donau getragen wie die Sanddüne, den Losberg, bei Aachen. Trug er die Düne dorthin vom Meeresstrand, so trug er den Natternberg gar über die Alpen aus Welschland, von wo herüber er überhaupt gar manch verfluchtes Teufelsgut nach Deutschland einzuschleppen und zu schleifen schon gewohnt, und zwar deshalb, weil die Bürger von dem nahen, am Stromesufer liegenden Städtlein Deggendorf gar fromme Leute waren, deren Gottesfurcht dem Erzfeind bitterlich verhaßt, und wollte mit dem Berg die Donau dämmen, um das arme Deggendorf in des Stromes übertretender Flut zu ersäufen. Aber wie er dahergesaust kam mit dem gewaltigen Berge, da läutete drüben im Kloster Metten die Glocke das Ave, und da er wohl wußte, daß dieses Sei gegrüßt nicht ihm galt, sondern einer, vor der er und alle Höllennattern aller Macht bar wurden, so ließ er vor Schreck und Zorn den Berg mitten in die ganz ebene Flur fallen, wie den Feldstein über Themar, und hat es somit dem Teusel eigentlich nur wunderselten geglückt, sondern hat sich fast allüberall vergeblich geschunden und geplagt und sich allenden hin nur Denkmäler seiner Ohnmacht gesetzt.

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85. Metz versagt den Tanz

85. Metz versagt den Tanz

Das alte Metz, welches Frankreich, gleich den früher deutschen Städten Toul, Verdun und Straßburg, Deutschland abgedrungen hat, leitet schon von den Römerzeiten seinen Ursprung und Aufbau her. Ein Feldherr Julius Cäsars, Marius Metius, habe die Stadt, welche Cäsar hartnäckig widerstanden, einnehmen müssen, und habe sie verheert, dann aber herrlich wieder aufgebaut, nach seinem Namen Metia genannt, auch neunzehn Jahre daselbst regiert, auch einen Rat aus dreizehn Stadtältesten eingesetzt, der lange bestanden habe.

Zur Zeit Kaiser Karls V. sandte König Heinrich II. von Frankreich den Connetable Annas Montmorency vor diese deutsche Reichsstadt, der versprach ihr völligen Schutz, wenn sie nur ein einziges Fähnlein französisches Kriegsvolk, darunter man einen kleinen Heerhaufen, etwa was heute eine Kompagnie besagt, verstand, einnehmen wollte. Dies bewilligte der Rat der Stadt Metz, und es zogen nicht minder denn dreitausend Franzosen, allerdings nur mit einem einzigen Fähnlein, in die Stadt und nahmen sie ohne Schwertschlag für ihren König in Besitz, befestigten die Stadt auf das beste und versahen sie mit Mundvorräten aller Art. Als nun im darauffolgenden Jahre Kaiser Karl V. mit einem Kriegsheere kam, Metz den Franzosen wieder abzunehmen, glückte ihm das nicht, obschon er mit siebenzigtausend Mann davorlag und vierzig Tage und Nächte lang die Stadt so heftig beschießen ließ, daß es gleichsam Kugeln regnete und die ganze Gegend von dem Pulverdampfe fort und fort wie in einen starken Nebel gehüllt blieb. Bis nach Straßburg hin ward der Donner des Geschützes gehört. Der tapfere Verteidiger von Metz war der Herzog von Guise, welcher dem Kaiser viel Volk zuschanden machte. Dazu halfen noch Hunger, Seuchen und Kälte gegen Karl V. streiten, und es sind damals vor Metz dreißigtausend Mann geblieben. Endlich brachte noch eine Kriegslist den Kaiser zum Abzug. Der Herzog, welcher fürchtete, die Stadt auf die Länge dennoch nicht halten zu können, zumal sie an ihrer schwächsten Seite angegriffen war, schrieb einen Brief an seinen König des Inhaltes, daß die Belagerung ganz fruchtlos und gefahrlos sei, zumal Karl sie an der stärkstbefestigten Seite am meisten angegriffen habe. Diesen Brief mußte ein scheinbar ungeschickter Bote durch das feindliche Lager tragen, sich fangen lassen, und nun gelangte der Brief vor Karls Augen. Dieser ließ sich wirklich betören, hielt den Brief für wahr, zog die Streitkräfte von der schwachen Seite zurück, griff an anderen sehr gut befestigten Stellen an, verlor die bereits errungenen Vorteile und mußte endlich nach dem Verlust von fast der Hälfte seines Heeres die Belagerung aufgeben. Da fehlte es nicht an Hohn und Spott, der sich reichlich über Karl in allen deutschen Landen ergoß, und da es ihm vor Magdeburg auch fast in gleicher Weise ergangen war, so lief gar bald der Spottreim von Munde zu Munde:

Eine Metze und eine Magd
Haben Karln den Tanz versagt.

Dieses und noch anderes Leid soll sich der Kaiser so zu Gemüte genommen haben, daß er drei Jahre später der Regierung ganz entsagte und 1586 als Mönch in das Kloster St. Just in Spanien trat, wo er Uhren baute. In diesem selben Jahre geschah es, daß Metz, Toul und Verdun – Virdung zu deutsch – durch den Vertrag und Friedensschluß zu Cambray von Deutschland völlig abgetreten und unter den Schutz der Krone Frankreichs gestellt wurden.

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859. Der Passauer Tölpel

859. Der Passauer Tölpel

Zu Passau, das als eine Dreistadt nächst Oberhausen am Zusammenstrom dreier Flüsse liegt, der Donau, des Inn und der Iltz, ist gegen der großen Kirche über bei einer Mauer ein abscheulich großes Mensch«nhaupt in Stein gehauen zu sehen, dessen Mund zwei Spannen lang ist, woraus zu schließen, welche Anmut das Ganze zeigt, das wird der Passauer Tölpel genannt und ist weit und breit bekannt als ein Wahrzeichen, neben dem Stadtwappen, das nicht minder als ein solches gilt und einen geschundenen Wolf vorstellt. Und erging es den Passauer Gesellen immer schlecht genug, wenn sie in die Fremde kamen, denn da war des Fragens nach ihrer guten Stadt Wahrzeichen kein Ende. Die Klugen wußten sich aber gar gut zu helfen, denn sie erwiderten dann insgemein den unkundigen Fragern, sie hätten ein getreues Abbild des Tölpels mit sich in die Fremde gebracht, und so nun einer geneigt war, solches zu sehen, ließen sie ihn in einen Spiegel blicken, da sähe er Tölpels zur Genüge. So auch in der eigenen Stadt, wenn einer neugierig war und den Tölpel sehen wollte und nach ihm fragte, führten sie ihn zu einem Rohrbrunnen, ließen ihn in dem Wasserspiegel sein eigen Antlitz schauen, und wenn sie es recht wohl mit ihm meinten, gössen sie ihm einen Stutz Wasser über den Kopf oder stießen sein Gesicht zum Gesicht im Wasser, da hatte er dann gleich eine Tölpelei zu Gesicht bekommen.

Ein anderweites Wahrzeichen zu Passau war der Blutstein, auf diesem ließ Herzog Otto von Bayern einen ihm feindlichen Legaten des Papstes des Namens Albrecht, der ihm die Stadt aufsässig gemacht, erwürgen, schinden und in Stücke hauen, davon soll noch der geschundene Wolf im Passauer Stadtwappen herrühren.

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