877. Heilsbrunn

877. Heilsbrunn

Es war ein Ritter aus dem Geschlecht derer von Heideck, den peinigte ein jahrelanges Siechtum. Einst ritt er in einem Walde umher, und die Macht der Krankheit befiel, brennender Fieberdurst quälte ihn aufs neue. Da kam er auf eine Waldblöße, auf der ein frischer Brunnquell zutage kam, wo die Vögel lieblich sangen und die Bäume kühl schatteten. Da warf sich der lechzende Ritter vom Roß, kniete hin an die frische Quelle, rief die Mutter des Heilandes an und trank in vollen Zügen. Und da ging es ihm wie dem Ritter Heinz Teufel, die Königin der Engel erhörte ihn, und der Brunnen half und heilte ihm sein Gebrest, und da nannte er die Quelle seinen Heilsbrunnen und erbaute an ihr eine Kapelle. Bald kamen die Pilger in Scharen gezogen, tranken und genasen, und bald faßte das Kirchlein nicht die Zahl der Beter. Da gründeten dann die Brüder Rapoto und Konrad, Grafen zu Abenberg, mit dreien ihrer Schwestern eine große Kirche und ein Kloster in Gemeinschaft mit Bischof Otto zu Bamberg, der ein Graf von Andechs und der Pommern Apostel war, im Jahre des Herrn 1122, und weihten es in die Ehre der Gottesmutter und St. Jakobs Zebedeus, und daö Kloster wurde mit Zisterziensermönchen besetzt und eine Enkelin Morimonts genannt. Kaiser Ludwig der Bayer setzte die Burggrafen von Nürnberg zu Schutzherren des Klosters ein, und diese erkoren es zu ihrem Erbbegräbnisse, daher die Fülle herrlicher Denkmäler der Zollern in der noch wohlerhaltenen Klosterkirche. Diese Kirche hatte nicht weniger als achtundzwanzig Altäre, davon der Hochaltar, ein überreiches Schnitzwerk von eines Heilsbrunner Mönches Hand, den ganzen Chor einnahm. Dieser mönchische Künstler fertigte infolge eines Gelübdes den Altar und vermaß sich, nichts zu vergessen, allein da das Werk vollendet war, so fand sich, daß die eine Hand der Figur der heiligen Jungfrau nur vier Finger hatte. Dafür hat des Mönches Leib keine Rast im Grabe finden können und ist sein Gebein unbegraben aufbewahrt worden. Dieser Bildschnitzer war aber wohl ohne Zweifel ein Schalk; er brachte nicht nur irgendwo in der Kirche eine Schweinsmutter an, welche Juden an ihren Zitzen saugen ließ, sondern auf der Stolspange der Statue des heiligen Bischofs Otto ein üppiges Tänzerpaar und einen Sackpfeifer, der diesem aufspielte, vor welchen prostituierlichen Figuren viele Tausende niedergekniet sind und gebetet haben.

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866. Wichteln bei Kelheim

866. Wichteln bei Kelheim

Bei Kelheim an der Donau oberhalb Regensburg, wo in grauer Vorzeit die Kelten eine Burg hatten und Römerschanzen unter dem Namen des Heidengraben noch zu finden sind, gab es vorzeiten auch Wichteln, die waren von guter, hülfreicher Art, in Haus und Hof, Acker und Wiese, man hörte nur Gutes von ihnen sagen; sie begabten sogar die von ihnen Begünstigten, außer daß sie jegliche Arbeit für sie taten, mit römischen goldenen und silbernen Pfennigen, waren auch insonderheit den Schiffern hülfreich und förderlich, absonderlich an den gefahrvollen Stellen der langen Wand, wo zu beiden Seiten die Felsen sich schroff und steil in den Stromspiegel senken, daß kein Fußbreit Landes bleibt für eines Menschen Tritt, und starre Felsgebilde auf die Schiffenden herabschaun. Ein Zwergenschloß hat in jener Gegend gestanden, aber niemand vermag es zu finden, und der Schatz, der in dessen Tiefen ruht, bleibt verloren. Endlich sind auch hier die Zwerge von dannen gezogen, vielleicht zur selben Zeit, als Herzog Thassilo das Kloster Arzberg in Kelheims Nähe gründete, welches das erste in ganz Bayern war, das war in der Zeit, als der heilige Kolumban in dieser Gegend den Heunen und Wenden den christlichen Glauben predigte, denn das Gebimmel der Klosterglocken war den Zwergen unausstehlich. Ein Fährmann bei Weltenburg hörte nachts den Ruf: Hol über! – der fand ein Gezwerg und nahm es in seinen Nachen, und der Nachen wurde so schwer, daß er bis zum Rand in die Flut sich senkte. Drüben wimmelten Hunderte aus dem Nachen, und jeder spendete einen Denar, altes Römergeld, als alle gezahlt hatten, hatte der glückliche Schiffer ein römisches Münzkabinett in seiner Mütze, Consulares, Familiares, Imperiales und Städtemünzen, alles bunt durcheinander, aber die Wichteln waren ausgewandert, und niemals ließ sich wieder eins blicken. Sie haben aber hübsche Andenken hinterlassen, sie haben in den Kelheimer Schiefer die schönen allerliebsten Bäumchen und Strauchwerke und die niedlichen Fische und sonstiges mit feinstem Pinsel auf das sauberste gemalt.

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867. Wichtlein und wildes Gejaig an der Altmühl

867. Wichtlein und wildes Gejaig an der Altmühl

Gleichwie an der Donau bei Kelheim, so hat es auch an der Altmühl, die sich ja eben bei Kelheim schwesterlich in der Donau Umarmung senkt, Wichteln. Dort im Altmühlbereich ist ohnehin ein weiter Tummelplatz von allerlei Spukgeistern. Da ist eine Mühle am Altmühlfluß gelegen, heißt die Bubenroder Mühle, der gegenüber sich der Burgstein hebt, ein hoher Steinfels mit einem Schlaufloch und unterirdischem Gang, daraus kamen allabendlich nach dem Gebetläuten drei Wichtlein in die Mühle und arbeiteten, reinigten, fegten, schütteten auf und mahlten, und am Morgen war alle Arbeit getan. Auch legten sie dem Müller auf einen Stein am Burgstein alle Tage einen blanken Funfzehner oder gar einen Sechsbätzner, die er fand und ruhig einsteckte. Mit dem ersten Schlag der Morgenglocke kehrten die Wichtlein wieder in ihren Felsen zurück. Da wollte es der Müller auch gut machen und meinen, wie viele andere, zum Beispiel die Schleifmüller bei Brotterode, und ließ ihnen neue Kleidchen machen und legte sie auf den Steg, damit sie ihre alte schäbige Tracht ablegen sollten, denn sie sahen immer aus, als würden sie, wenn sie einer an eine Wand würfe, daran kleben bleiben. Da kamen sie, da nahmen sie die neuen Kleidchen, besahen sie her und hin, wandten sie traurig nach oben und nach unten und sprachen dann:

Abgelohnt,
Ausgefront, –
Treuer Sinn,
Fahre hin! –

Und schwanden samt den neuen Kleidchen hinweg und kamen nimmermehr wieder. Der Name Bubenrod soll von den Wichtlein herrühren, weil sie nicht größer als kleine Buben gewesen.

Nicht weit vom Burgstein ist ein Fels, heißt der Kloppengipfel, von dem zieht zum öftern das wilde Gejaig, wie in dieser Gegend die wilde Jagd heißt, zum Burgstein mit seinem Lärm und Hallo hinüber und fährt längs der Teufelsmauer dahin.

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868. Teufelsmauer und Teufelsstraße

868. Teufelsmauer und Teufelsstraße

Wenn dort vor dem Harz einige vereinzelt stehende zerklüftete Felswände Teufelsmauern heißen, so ist doch deren räumliche und Längenausdehnung nur gering, hier aber im Altmühlgebiet sind Teufelsmauer und Teufelsstraße von erstaunenswerter Ausdehnung und Länge. Sie beginnen schon bei Pförring an der Donau, ohnweit Regensburg, durchstreichen das ganze eichstättische Gebiet und die ansbachischen Ämter, aufwärts der Altmühl, ziehn über Berg und Tal, überspringen Bäche und Flüsse und enden erst bei der alten Reichsstadt Wimpfen im Neckartale; ihre ganze Länge wird auf dreißig Meilen angeschlagen, und es ist wohl außer Zweifel, daß die Teufelsmauer ein altes Römerbauwerk ist, dies zeigen die zahlreichen Fundstücke an Gewaffen und Münzen. Sie war ohnstreitig das, was die Deutschen eine Landwehre nannten, deren als tiefe Gräben noch viele in andern Ländergebieten vorkommen, die Römer ein Vallum, einen Wall, eine Schutzwehr, und wohl teilweise auch Heerstraße. Der Mauergrund geht fünf bis sechs Fuß tief in die Erde; heutzutage sind ihre Spuren nur noch wenig sichtbar; zwischen Ellingen und Pleinfeld erblickt man linker Hand an der Nürnberger Straße noch ein sechs Schuh hohes und ebenso breites Stück über der Erde. In Günzenhausen durchstreicht die Teufelsmauer die Vorstadt, dort sind noch Spuren eines Römercastrums. Eine Strecke weit heißt dieses Werk auch die Pfahlhecke, vielleicht vom Worte Vallum gebildet, vielleicht auch nicht. Zwei Nachbardörfer, eines dicht an der Pfahlhecke, führen die Namen Pfahldorf und Pfahlspaint. Eine Stunde von Uffenheim liegt auch ein Dorf Pfahlheim mit einem wundertätigen St. Ottiliabild. Die Sage nennt diesen alten Mauerbau ein Werk des Teufels. Ein Bauer zu Gundelsheim, dessen Schlafkammer gerade über der Teufelsmauer stand, hat erzählt, daß er und seine Frau in tiefer Nacht vom Peitschenknall erweckt worden. Ein Reiter hoch zu Roß sprengte am Ehebett vorüber, schreckliches Getöse hinter ihm drein, über hundert Pferde, zahllose rollende Wägen, viel Volks und ein Stimmengewirr wie beim babylonischen Turmbau, alles wild vorüber – das wilde Gejaig, und mit Blitzesschnelle, daß den Leuten noch die Haare zu Berge standen, wenn sie nur daran dachten. Solch eine Schlafkammer wird sich keiner wünschen. Und dergleichen wissen die Umwohner der Teufelsmauer gar viel zu erzählen. In manchen Dörfern haben sie sich die alte Teufelsmär örtlich zurechtgelegt und zugeschnitzt, wie die Steine der Teufelsstraße bei Ried, in der Nähe von Dollenstein und Kunstein. Dort lebte eine Bäuerin als Teufelsbuhle und Bündnerin, wurde ihm aber treulos in der Sterbestunde, und obschon der Teufel ihrer Seele gewiß zu sein glaubte, so ging es doch wie bei Pape Döne: der Pfaffe überwand den Teufel und betete die Seele der alten Hexe in den Himmel hinein; damit noch nicht zufrieden, zwang er sogar den Teufel, vor ihm her bis Ried eine Straße zu pflastern, weil der Weg schmierig war wie dort die Straße zu Bommel, die Doktor Faust von seinem Teufel Jost pflastern, aber auch hinter sich wieder aufreißen ließ. Hier aber ließ der Pfaffe die Straße nicht wieder aufreißen, und der Teufel hatte die ganze Geschichte so satt, daß er vor Ärger von dannen fuhr und die von ihm gebaute Straße in des Teufels Namen stehen ließ. Das nämliche wird auch erzählt von einem Stück Teufelsweg bei Ostendorf, da mußte der Teufel gar vor einem Reiter her in aller Hurtigkeit pflastern. Da hat er rechtschaffen geschwitzt. Als er’s satt hatte, reckte er einen Stein, darüber stürzte das Pferd, und der Reiter brach den Hals. So machte er es auch bei der Pfahlhecke; er hatte, wie dort am Harz, auch mit dem lieben Herrgott Teilung beschlossen und wollte vor dem Hahnenkrähen ein Stück Land mit einer Mauer abgrenzen, hatte sich auch ein gütlich Stück deutschen Landes abgesteckt, man weiß nur nicht recht, ob er das nördliche oder das südliche Stück für sich haben wollte, wahrscheinlich aber das südliche, weil er da den Pfaffensack München mit in den Kauf bekommen – allein der Hahn krähete zu früh, und der Teufel zertrümmerte vor Ärger gleich selbst die ganze Mauer. Es geht auch die Sage, daß dieser Teufelsweg um die ganze Welt reiche und die Straße sei, die der ewige Jude laufen müsse, und alle sieben Jahre komme er wieder auf die nämliche Stelle.

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86. Der Teufelsbündner in Virdung

86. Der Teufelsbündner in Virdung

Als die Stadt Virdung noch eine deutsche war, und zwar schon zu Kaiser Rudolf von Habsburg Zeiten, saß ein Bürger dortselbst, der verfiel in Armut und durch sie in Versuchung und Stricke, nach dem Sprüchwort: An armer Leute Hoffart wischet der Teufel seinen Hintern, denn jener Bürger mochte gar gern prangen und prassen. Damit er nun neue Schätze gewinne, verlobte er sich mit eines alten Weibes Beistand dem Teufel, schwur Gott und seinen Heiligen ab und empfing einen Heckebeutel mit Brutpfennigen; sooft er in den Beutel griff, so oft konnte er die Hand voll Goldes oder Silbers herausziehen. Da mehrte er seinen Reichtum von Tage zu Tage, kaufte Gärten und Häuser, Äcker und Wiesen und lebte alle Tage herrlich und in Freuden. Eines Tages aber geschah es, daß er vor seinem Hause im Schatten saß und mit Freunden zechte, da kamen zwei unbekannte ernste Männer auf schwarzen Rossen geritten, die führten mit sich ein drittes aufgezäumtes schwarzes Roß und trugen dunkle Tracht. Die Männer hielten an des Bürgers Haus und forderten, daß er das ledige Roß besteige. Der Bürger sahe mit Kummer, wo das hinauswolle, nahm traurig von seinen Angehörigen, zwei Söhnen und Freunden Abschied und bestieg das dunkle Roß, auf welchem er mit den beiden Reitern rasch von dannen ritt. Die Söhne hätten gern erfahren, wohin doch ihr Vater geritten auf Nimmerwiederkehr. Da fielen sie auf den Gedanken, die alte Hexe zu fragen und ihr Geld zu geben, daß sie ihnen ihren Vater zeige und den Ort, da er weile. Das alte Hexenweib ging mit den Jünglingen in einen Wald, wo sie ihre Zauberkunst übte und die Hölle beschwur. Da tat sich der Erdboden auf, und die Zwei steigen herauf, welche den Bürger hinweggeführt hatten, und waren schrecklich anzusehen. Da fragte die Alte die Jünglinge: Wollt ihr euern Vater auch sehen? – Den Ältesten ergriff ein Grauen, und er verneinte die Frage, der Jüngere aber besaß mehr Herzhaftigkeit und verlangte nach des Vaters Anblick. Da winkte das Weib den dunkeln Männern, und diese hießen den Jüngling ihnen folgen. Nach einer Weile kamen sie an ein schönes Haus, und in einem Gemach desselben sah der Jüngling seinen Vater, ganz so gekleidet, wie er von Hause hinweggeritten war, auch fast von solchem Aussehen, nur lag auf seinem Gesicht der Ausdruck eines namenlosen Leidens. Wie geht es Euch, Vater? fragte der Jüngling. Ist Euch wohl oder wehe? – Der Vater seufzte und sprach: Sohn, ich habe um irdisches Gut Gott entsagt und seinem Anteil an mir und habe dem Teufel Leib und Seele zu eigen gegeben. Tut euch beide ab eures ererbten Gutes, denn es würde dessen Nutzung euch schaden und euch der gleichen Pein überliefern, die ich dulde. – Leidet Ihr Pein, Vater? fragte der Sohn. Ich sehe doch nichts von einer Flamme! – Rühre an mich mit der Spitze deines kleinen Fingers, Sohn! antwortete der Vater, zucke aber schnell wieder hinweg. Da tat das der Jüngling und rührte seinen Vater nur so lange an, als ein Blitz zuckt, und verbrannte sich alsbald den Finger und die Hand und den Arm bis zum Ellenbogen und empfand den allerglühendsten Schmerz. Voll Entsetzen rief er nun: O armer, armer Vater! Können wir nichts für Euch tun, das Euch fromme und helfe? – In Ewigkeit nichts, sagte der Vater, als daß ihr euch des Höllengutes abtut. – Da nahm der Jüngling trauernd Urlaub von seinem Vater, und die Männer brachten ihn zurück zu dem Hexenweibe, dem zeigte er den verbrannten Arm, und wer ihn sonst sehen wollte, und gab alles vom Vater ererbte Gut nebst seinem Bruder an ein Kloster, das nahm es willig an, und schadete ihm mitnichten etwas, die Brüder aber sind Mönche geworden und haben ihr ganzes Leben hingebracht, für ihres Vaters Erlösung aus der Flammenpein zu beten.

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869. Wilden Heeres Spuk

869. Wilden Heeres Spuk

Einst ritt ein vornehmer Reiter zur Nachtzeit zwischen Ober-Hochstadt und Burgsalach längs der Teufelsmauer seine Straße hin, da begann sein Pferd zu schnauben und zu schlagen und närrische Kapriolen zu machen, denn es sähe etwas, was der Reiter nicht sah, weil Tiere, vornehmlich Pferde, Esel und Hunde, Geister und Gespenster sehen, als welches schon die Eselin Bileams bewahrheitete. Es mochte wohl die Höllenpferde wittern und erblicken, auf denen das wilde Gejaig dahinfuhr.

Im dicken Walde Harleslohe in der Gegend von Theilenhofen und Rittern ist aller Spuk und Greuel des wilden Heeres bald nah, bald fern zur Nachtzeit vernommen worden, ja einem Bauer begegnete das Heer am hellen Tage in Gestalt von Schatten, die von fern auf ihn zukamen, Jäger mit Saufedern, zu Roß, Treibknechte, Hundejungen mit ganzen Koppeln von Hunden, aber alles in tiefer Stille, so sei es an ihm vorüber zu Walde gezogen. Es herrscht auch dort der Glaube, wie in Thüringen, daß Frau Holle die Zugführerin des Heeres sei, dieselbe, die den Mägden, die zur Weihnachtzeit ihren Rocken nicht abgesponnen haben, den Flachs verwirrt und einen stinkenden Possen hineintut.

Zu Heidenheim saß der Zolleinnehmer, guckte nachts zum Fenster heraus und sah das wilde Heer von Sammenheim hergebraust kommen; er hatte viel Herz im Leibe und schrie, als es nahe war: Alles z’samm nei in Moarkt! Alles z’samm nur nei! – Ratsch! hatte er einen Schlag auf den Kopf, und als er diesen rasch zurückziehen wollte, pump, da krachte der obere Fensterrahmen, und der Kopf tat weh und ging nicht hinein, dieweil ihm der wilde Jäger ein Hirschgeweih aufgesetzt hatte. Ähnlich ging es auch einem Turmwächter zu Eichstätt, im Ostentor, wo gewöhnlich das Heer durchzieht – das Loch ist noch zu sehen –, der war auch fürwitzig und schaute nach dem Geisterspuk, und da schwoll ihm der Kopf so dick, daß er nicht wieder zurückgezogen werden konnte, und wurde sein Maul zwei Spannen breit, und als es Tag wurde, guckte er noch, und die Gassenjungen deuteten hinauf und schrieen: Hei! der Passauer Tölpel! der Passauer Tölpel! –

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870. Der Löll

870. Der Löll

Zu Großlellenfeld, auch Unterlellenfeld, im eichstättischen Gebiete, sonst zum Kastenamt Arberg gehörig, hat vordessen an der Kirchmauer ein Steinbild gestanden, das hießen sie den Löll, und war gestaltet wie die Figur des Götzen Loll oder Lollus bei Schweinfurt. Es hielt mit dem Daumen und Zeigefinger die Junge, und der Ortsname sollte von ihm herkommen, wie nicht minder für solche, die gern Kinder necken und zerren, gar ein spöttlich Schimpfwort, das nicht wohl zu schreiben ist, und ein Spitzname. Man nennt in dieser Gegend jemand, der sich nicht gut zu verreden weiß und gleichsam die Zunge sperrt, noch heutiges Tages einen Löll oder auch einen Lolli und, ist die Person weiblichen Geschlechts – eine Lull’n. Die Lellenfelder hören diese Sage vom Löll nicht gern, weil der Zerr… von Lellenseld dort in aller Munde so unsterblich lebt wie der Hans …. von Rippach in seiner Gegend, und um nicht fort und fort daran zu erinnern, wird gesagt, daß sie das Löllenbild vor etwa fünfzig Jahren von der Kirchmauer weggenommen und auf das Langhaus der Kirche gebracht hätten.

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871. Die Galgendenkler

871. Die Galgendenkler

Fünf Stunden von Eichstätt, im alten Kastenamte Kipfenberg, liegt der Marktflecken Enkering, dessen Bewohner müssen auch einen Spitznamen tragen. Sie hatten nämlich draußen vor Enkering einen niedrigen hölzernen Galgen, und da daselbst, wenn die Bauern auf dem Felde, kein Bürger daheim war, so geschah es häufig, daß sie zur Erntezeit, wann gemäht wurde, ihre Sensen auf das Galgenholz auflegten und sie dengelten, was man in dieser Gegend denkeln nennt. Davon haben die Umwohner den Enkeringern den Spitznamen Galgendenkler gegeben, darüber bat es schon oft Schlägereien und blutige Köpfe gesetzt. Der Volkswitz ist überhaupt in diesem Lande stets rasch bei der Hand mit neckischen Redensarten. So steht auf dem Berge über dem eichstättischen Dorfe Bettenhofen die Kirche nebst dem Pfarrhaus und der Schule, und ist erstere weit sichtbar, darum lebt in der Gegend das Sprüchwort, wenn einer Unglaubhaftes erzählt: Du – mache mir nichts weiß, ich kenne schon Bettenhofen, liegt die Kirch‘ auf dem Berg.

So auch die Seglau, das ist der Name einer ganz kleinen Wiese im untern Hochstifte Eichstätt bei Burggriesbach, von der aber wird die ganze große Ebene zwischen Jettenhofen, Burggriesbach, Obermäßing und Forchheim die Seglau genannt, und weil auf dieser fetten Wiesenflur viele Butterblumen wachsen, so sagen die Umwohner, wenn rechter Sturmwind weht: Die Hexen fahren auf die Seglau ins Schmalz. –

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872. Heiligblut und Sankt Salvator

872. Heiligblut und Sankt Salvator

Eine Stunde nördlich von Pleinfeld und ebenso weit südlich von Spalt liegt einsam im tiefen Walde das Franziskanerkloster Heiligblut, wohin viele Wallfahrten geschahen und noch geschehen. Es wird in der Kirche unter einem der Altäre der Stock eines abgehauenen Fichtenstammes gezeigt und dieses erzählt: Als im Jahre 1444 eine große Hungersnot das Land heimsuchte, beredete ein Jude einen armen Tagelöhner zu Unterbreitenlohe, aus der Kapelle zu Stirn eine geweihte Hostie zu stehlen, diese auf jenen Fichtenstock zu legen und dreimal aus allen Kräften mit der Axt auf die Hostie zu hauen. Andere sagen, der Jude habe selbst mit dem Messer in dieselbe hineingestochen. So oder so – floß aus der Hostie Blut, der Tagelöhner wurde hierauf von entsetzlicher Reue ergriffen, zeigte seine und des Juden Freveltat an, und das heilige Blut ward aufgehoben, über dem Fichtenstamm zunächst ein Altar errichtet, über diesen dann eine Kirche erbaut und das Kloster begründet, dem der Ruf von jenem Wunder zahllose Waller zuführte, so daß es insgemein nur die Wallfahrt genannt wird.

Ein anderer berühmter Wallfahrtort im Eichstättischen, und noch dazu der älteste, ist Sankt Salvator, und auch zu dessen Gründung gab eine heilige Hostie den ersten Anlaß, die ein Edelfräulein von Neuses bei Oberbach in der Karwoche zu Rauenzell empfing und im Munde behielt, aber im Walde vor einem Kruzifix fallen ließ. Die Hostie konnte nicht wieder aufgehoben werden, und es ging mit derselben wie mit dem Gott im Kasten. Erst als der Weihbischof mit dem ganzen Klerus zu Herrieden und alle Pfarrer von Burgoberbach, Großenried, Neunstetten mit allen ihren Pfarrkindern in zahlreicher Prozession naheten, ließ die heilige Hostie sich erheben und in ein gläsernes Gefäß legen und in der Rauenzeller Pfarrkirche in einem Reliquienschrein aufbewahren.

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863. Der Stockenfels

863. Der Stockenfels

Zwischen Burg Lengenfeld und Rittenau am Regen beim Dorfe Fischbach liegt eine Burgruine auf einem hohen Berge, Stockenfels geheißen, darinnen ist es nicht geheuer; verwunschene und hineingebannte Spieler sitzen drinnen und karten und würfeln und haben eiserne Karten, wie die Spieler in der Burgtrümmer von Waldstein und die Männer im Flußberg, und glühende Marken und Becher. Wer sie sieht, dem grauset. Und wer sind denn diese Männer? Ritter sind es nicht, Pfaffen auch nicht, Bauern auch nicht. Sie haben große schwarzlederne Schurzfelle und harte Köpfe. Spielen dürfen sie nicht beständig, sie müssen auch was tun. Da ist ein grausam tiefer Brunnen auf Stockenfels, der geht bis zum Bergesgrunde, da stehen sie auf einer Leiter von oben bis unterst, und der unterste schöpft Wasser und langt es herauf, und der oberste schüttet’s aus, und rastlos wandern die Eimer die ganze Woche lang, und das sind die abgeschiedenen Bierbrauer von Regensburg, von Straubing, Cham, Burglengenfeld, Landshut und andern Orten, die solche Buße tun müssen, dieweil sie bei ihrem Leben zu viel Wasser in jedes Gebräu gemischt, und werden ihrer immer mehr, »daß bald gor kani mehr in den Brunnen eini gohn,« als welches sehr schade ist, sonst wollt‘ einer dem Stockenfelser Brunnen die ***er Brauer ebenfalls bestens empfohlen haben.

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