882. Die drei seltsamen Heiligen

882. Die drei seltsamen Heiligen

Die vierzehn Nothelfer hatten einen dauerbaren Altar in der Wallfahrtkirche zu Enslingen, darin waren noch zwei andere Altäre, einer in die Ehre Sankt Guntheri Victoris, der andere dem heiligen Quirin geweiht. Den Bauern waren diese Heiligennamen schwer zu merken und zu nennen, sie nannten sie Sant Gunter, Bieter und Quitter, und die noch gröberen Verstandes waren, nannten sie die drei wunderlichen oder seltsamen Heiligen. Da nun 1497 eine Wallfahrt nach Enslingen entstand, fanden die Waller auf den Altären keine andere Bilderzier als drei kleine weiße Alabasterbildlein, dagegen eine große Tafel mit dem Bilde der vierzehn Nothelfer, und da achteten sie der ungeschmückten Altäre nicht, sondern opferten den vierzehn Nothelfern. Also wurden die drei seltsamen Heiligen unter die Bank geschoben und ihrer vergessen; nur im Sprüchwort leben sie noch fort, da man von einem, dessen Handlungsweise man sich so wenig klarmachen kann, als das Volk über jene Bilder sich klar war, zu sagen pflegt: Das ist ein wunderlicher oder ein seltsamer Heiliger. Nach der bäuerischen Empörung ward auch die Enslinger Wallfahrtkirche geschlossen und niemand mehr eingelassen. So erging es auch mit der berühmten Wallfahrt auf dem Wurmlinger Berge und andern mehr.

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883. Regiswindis

883. Regiswindis

Zwei Stunden von Heilbronn neckaraufwärts liegt die Stadt Lauffen, mit einem vormals berühmten Kloster. Der Name soll dem raschen Laufe des vorbeiströmenden Neckars entnommen sein. Im Jahr 814 empfing ein tapferer Ritter aus dem Nordgau des Namens Ernst den Grund und Boden zum Geschenk und gewann von seiner Gemahlin Frideburg ein Töchterlein, welchem man den Namen Regiswindis gab. Das Kind erhielt eine Amme, welche die Schwester eines der Dienstmannen des Ritter Ernst war, und das Unglück wollte, daß dieser Knecht einst wegen übler Aufführung von seinem Herrn sehr hart behandelt wurde. Da er nun seiner Schwester sein Leid klagte, wurde diese so von Zorn bewegt, daß sie an dem unschuldigen Kinde, ihrem Säugling, Rache zu nehmen beschloß, und die Gelegenheit wahrnehmend, daß ihre Herrschaft einen Ausflug machte, drehte sie dem Kinde das Hälschen um und warf es in den Neckar. Der Strom trug aber die kleine Regiswindis nicht von bannen, sondern setzte sie auf einem nahen Werder ab, und so wurde die Untat schnell offenbar; Ritter Ernst ließ die Amme in einen Turm am Neckar einmauern und darin verhungern, und der Papst sprach das ermordete Kind heilig. Der kleinsten aller Heiligen zu Ehren wurde nun eine Kirche erbaut, zu der so viele Wallfahrten geschahen, daß man sie Heiligreich oder Kirchreich nannte. Darin ward der silberne Sarg der Regiswindis hinter dem Altar in einem schönen Kenotaph aufgestellt und der Jahrtag der kleinen Heiligen am 15. Juli begangen, und es kam die Sitte auf, zur Erinnerung an jenes treulose Gesinde, an diesem Tage das Gesinde zu wechseln.

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873. Vom Hesselberg und Oselberg

873. Vom Hesselberg und Oselberg

Das Ansbacher Land hat keine Gebirge, nur wo die Sulzbach in die Wörnitz fällt, an der schwäbischen Grenze, erhebt sich der Hesselberg, der in der Gegend weit berufen ist. Er teilt sich in den großen und kleinen Hesselberg, der letztere heißt auch Schlößleins Buik, weil eine Burg darauf gestanden, die der Familie von Lentersheim Stammhaus war. Der große Hesselberg besteht aus drei Höhen, welche wieder ihre besonderen Namen haben: Röcklingen, Ehinger- und Geralfingerberg. Auf dem Röcklingerberge liegt die Ostwiese, auf dieser sollen die Druiden, als noch keltische Bevölkerung im Lande seßhaft gewesen, zur Osterzeit jedesmal ein Kind geopfert haben. Fast in des Berges Mitte gegen Norden ist ein Loch von geringer Tiefe, das soll vordessen eine große Höhle gewesen sein, und hieß die Gottmannshöhle, ist jetzt das Gottmannsloch genannt. Ein Schloß soll auch dort gestanden haben, aber versunken sein, sonst hörte man droben noch bisweilen den Hahn krähen, jetzt kräht kein Hahn mehr danach; ein Schatz soll in der Tiefe ruhen. Einst waren mehrere Hirtenknaben droben und beschlossen, einen aus ihrer Mitte an Stricken hinabzulassen. In Gottes Namen steig‘ ich nieder! rief der Erwählte, kam tief unten in die Höhle auf Schätze und brachte seine Taschen voll Gold herauf, wie jener Hirtenknabe auf dem Schloßberge über Tilsit. Ei du Teufelskerl! schrie neidisch ein Gefährte mit feuerfuchsrotem Haar, da will ich ins Teufels Namen gleich auch hinunter! – Die Knaben ließen ihn hinab, da rauschte es in einem nahen Busch, und vorüber sprang ein dreibeiniger Hase. Erschrocken sprangen die Knaben auf, der Strick entglitt ihrer Hand, das Ende schnurrte in die Tiefe, der Hase verschwand, und der Fuchs kam nimmermehr wieder herauf. Jetzt ist das Gottmannsloch kaum noch drei Schuh tief und mit Rasen überwachsen.

Noch liegt auf dem Hesselberg ein Stein, der hat dem Schwedenkönig Gustav Adolf im Dreißigjährigen Kriege zum Tisch gedient, als er droben die Gegend überschaut. Man kann bei heiterm Himmel von des Hesselberges Höhe über dreihundert Ortschaften sehen. »Die Druidengläubigen, welche die Ortsnamen Wassertrüdingen und Altentrüdingen am Fuß des Hesselberges von den Druiden ableiten, leiten auch des Burges Namen vom gallischen Kriegsgott Hesus ab. Hesus, Hessus, Hessel – höchst einleuchtend! Wahrscheinlich hat auch der Oselberg bei Dinkelsbühl von demselben Gott seinen Namen: Hesus, Hosus, Osus, Osel – auf welchem auch ein Schloß gestanden, darin eine Jungfrau einsam lebte und mit dem alten Gemäurig verfiel, um das sie noch als Geist mit ihrem Schlüsselbunde schwebt und wandelt, absonderlich in den vier Quatembernächten, keineswegs aber als Tut-Osel, welche eigentlich auf dem Oselberge Hausen sollte, sondern still und lautlos. Die alten Bauern sagen, selbige Jungfrau sei eines Heiden Tochter gewesen und sei in eine Schlange verwünscht worden, mit Beibehaltung von Frauenhaupt und Brust und Armen zum zärtlichen Umfangen, gleich der Schlangenjungfrau im Heidenloch bei Augst, und da hat es die Tut-Osel doch noch besser, die darf doch umherfliegen und sich ihren Schatz suchen.

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874. Der Schlegel

874. Der Schlegel

Im Landgericht Feuchtwangen liegen zwei Dörfer, Mosbach an der Görnitz und Kühnhard, nahe beisammen. Mitten im Weiler steht eine sehr hohe Tanne oder Hahnenbaum; an diesem hängt ein ziemlich großer aus einem Stück geschnitzter Schlegel, an welchem fünf Mann zu heben haben. Hat nun ein Weib mit ihrem Manne Uneinigkeit, rauft oder schlägt sie denselben, so wird augenblicklich der Schlegel herabgenommen und dem Manne an die Hausrüre gehängt. Die Wegnahme geschieht erst nach der durch den Mann beim Bauermeister geschehenen Nachsuchung mit Zuziehung der ganzen Gemeinde, der er sogleich im Wirtshause einen Gulden und fünfzehn Kreuzer zum Vertrinken erlegen muß. Weigert sich der Mann mitzugehen, so wird er noch ärger gestraft. Dieser Schlegel wird auch im Winter nach starkem Schneefall gebraucht, der Gemeinde Kühnhard den Weg in die Kirche nach Mosbach zu bahnen. Sie nimmt ihn alsdann herab und schleift mit demselben durch zwei oder vier Ochsen die Bahn nach Mosbach. Dieser Schlegel ist berühmt, daß man des einen Dorfes Lage geradezu bezeichnet Kühnhard am Schlegel.

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875. Die arme Seele

875. Die arme Seele

Der Teufel war lange Zeit ledig gewesen und ein gar alter Junggeselle trotz der vielen Buhlschaften, wollte endlich auch freien, und als er sich auf der ganzen Welt umgesehen, gefiel ihm auf der Welt keine Maid so wohl als eine zu Rothenburg an der Tauber, eines ehrsamen Bürgers Kind. Der Teufel warb in Züchten um das Mägdelein, verblendete des Vaters Augen durch Glanz und Pracht, und ward die Hochzeit gar herrlich gehalten. Der Teufel tanzte wie ein Gott und machte Bockssprünge wie ein Faun und hatte zwei Spielleute mitgebracht, die machten eine höllische tolle Musik, und alles wirbelte vor Lust. Dem Brautvater wurde das Ding aber endlich gar zu toll und kam ihm schier unheimlich vor, ließ daher heimlich seinen Beichtiger holen, und der geistliche Herr roch auf der Stelle durch die vielen Hochzeitbraten den Teufelsbraten heraus und rückte ihm, mit geistlichem Rüstzeug wohl versehen, ganz ernst zu Leibe, peinigte ihn mit Fragen und Bibelsprüchen, bis der Teufel vor Ärger zwar nicht aus der Haut, aber doch aus dem Hause fuhr und einen höllischen Gestank hinterließ; ihm folgten auch sogleich die Spielleute, und an der Stelle dieses höllischen Kleeblattes lagen die Leichen von drei vor wenigen Wochen Gehenkten im Tanzsaal und stanken wie tausend Teufel.

Der Teufel aber hatte nun einen großen Zorn auf Rothenburg, verdarb der guten Stadt ihren Tauberwein und lauerte stetig darauf, ihr Possen zu spielen oder seine Macht zu zeigen. Im Jahre 1522 zettelte er die Judenteufelei dort an, und 1525 schürte er die Aufruhrflammen des Bauernkriegs. Da kam eines Heiligentages ein Bäuerlein durch den Torweg unter der Hauptkirche, fluchte und wetterte zum Teufelholen und vermaß sich bei seiner armen Seele, daß jetzt allen Fürsten der Garaus gemacht werde, ein halbes Hundert seien schon tot, und die andern müßten Reißaus nehmen, und es sei einmal Zeit, daß die Bauerschaft auch endlich an das Ruder der Gewalt käme, und es müsse das Pfaffen- und Schreiberregiment durchaus aufhören, und werde auch, und wenn das nicht wahr und wahrhaftig sei, so solle ihn der Teufel gleich auf der Stelle holen. Und siehe, da fuhr der Teufel aus der kleinen Türe im Torwege hervor, krallte nach dem Bäuerlein, dem kaum der Torweg breit genug war, so focht und stürmte es mit seinen Armen, und warf es hoch an die Mauer. Mausetot und wie ein Nußsack fiel der Leichnam wieder herab, an der Wand aber blieb die arme Seele des Bäuerleins, die selbiges verschworen, hängen, und hängt noch immer dort, man kann sie mit Augen sehen. Sie ist von Farbe braun und mit schwarzen Flecken besprenkelt, wie eine Steinforelle. Es ist die einzige Menschenseele, welche sichtbar ist.

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876. Freudengäßle

876. Freudengäßle

Zu Rothenburg an der Tauber wächst auch Wein, man will ihn aber nicht allewege loben. Einst war der Tilly dort, den wollte der Rat hoch ehren, gab ihm ein stattlich Mahl auf dem Rathaus und setzte ihm von seinem besten Weine vor. Aber der alten Kriegsgurgel des Tilly mundete selbiger Wein mitnichten, schmeckte wie thüringscher, und zog der Feldherr ein schiefes Maul und die Stirne in Falten und schrie: Ihr Rothenburger sollt alle die Kränke kriegen mit euerm Sauerracher! Gleich leert einer von euch selbigen Humpen auf einen Zug aus, oder ich lasse euch Herren allesamt und sonders die Köpfe durch den Meister Scharfrichter abschlagen! – Der Scharfrichter wurde alsbald geholt, und die armen Ratsherren erzitterten und wurden bleich und rot, denn der Tod saß ihnen schon auf der Zunge. Wie wäre es möglich gewesen, ihr Gewächs so rasch und so viel auf einmal hinunterzubringen? War es nicht auch ein Scharfrichter, dessen Schärfe den Magen bedrohte, wie das Schwert des wirklichen den Hals? Aber – dulce et decorum est pro patria mori – es fand sich ein Heldenherz in der Brust eines jungen Ratsmannes, er hatte in Würzburg studiert und konnte sich etwas zutrauen. Er nahm den vollen Humpen, hob ihn und trank ihn leer bis zur Nagelprobe. Nicht ohne Schauder sahen es die Ratsherren, und der Tilly strich sich den Schnurrbart und lächelte – was bei ihm nicht häufig vorgekommen sein soll. Der Rat von Rothenburg war gerettet. Tilly erhielt andern Wein, der Scharfrichter wurde von den Spielleuten in sein Haus zurückgeleitet, und weil das das erste Freudenzeichen war, so erhielt das Gäßchen, darin er wohnte, den Namen Freudengäßle bis auf diesen Tag. Der junge Märtyrer für seine Vaterstadt blieb am Leben und hat nachher vom dankbaren Rat eine stattliche Verehrung an Tauberwein zur Vergnügung empfangen, doch nie wieder ein so großes Maß voll auf einmal zu sich genommen.

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877. Heilsbrunn

877. Heilsbrunn

Es war ein Ritter aus dem Geschlecht derer von Heideck, den peinigte ein jahrelanges Siechtum. Einst ritt er in einem Walde umher, und die Macht der Krankheit befiel, brennender Fieberdurst quälte ihn aufs neue. Da kam er auf eine Waldblöße, auf der ein frischer Brunnquell zutage kam, wo die Vögel lieblich sangen und die Bäume kühl schatteten. Da warf sich der lechzende Ritter vom Roß, kniete hin an die frische Quelle, rief die Mutter des Heilandes an und trank in vollen Zügen. Und da ging es ihm wie dem Ritter Heinz Teufel, die Königin der Engel erhörte ihn, und der Brunnen half und heilte ihm sein Gebrest, und da nannte er die Quelle seinen Heilsbrunnen und erbaute an ihr eine Kapelle. Bald kamen die Pilger in Scharen gezogen, tranken und genasen, und bald faßte das Kirchlein nicht die Zahl der Beter. Da gründeten dann die Brüder Rapoto und Konrad, Grafen zu Abenberg, mit dreien ihrer Schwestern eine große Kirche und ein Kloster in Gemeinschaft mit Bischof Otto zu Bamberg, der ein Graf von Andechs und der Pommern Apostel war, im Jahre des Herrn 1122, und weihten es in die Ehre der Gottesmutter und St. Jakobs Zebedeus, und daö Kloster wurde mit Zisterziensermönchen besetzt und eine Enkelin Morimonts genannt. Kaiser Ludwig der Bayer setzte die Burggrafen von Nürnberg zu Schutzherren des Klosters ein, und diese erkoren es zu ihrem Erbbegräbnisse, daher die Fülle herrlicher Denkmäler der Zollern in der noch wohlerhaltenen Klosterkirche. Diese Kirche hatte nicht weniger als achtundzwanzig Altäre, davon der Hochaltar, ein überreiches Schnitzwerk von eines Heilsbrunner Mönches Hand, den ganzen Chor einnahm. Dieser mönchische Künstler fertigte infolge eines Gelübdes den Altar und vermaß sich, nichts zu vergessen, allein da das Werk vollendet war, so fand sich, daß die eine Hand der Figur der heiligen Jungfrau nur vier Finger hatte. Dafür hat des Mönches Leib keine Rast im Grabe finden können und ist sein Gebein unbegraben aufbewahrt worden. Dieser Bildschnitzer war aber wohl ohne Zweifel ein Schalk; er brachte nicht nur irgendwo in der Kirche eine Schweinsmutter an, welche Juden an ihren Zitzen saugen ließ, sondern auf der Stolspange der Statue des heiligen Bischofs Otto ein üppiges Tänzerpaar und einen Sackpfeifer, der diesem aufspielte, vor welchen prostituierlichen Figuren viele Tausende niedergekniet sind und gebetet haben.

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878. Des Teufels Nase

878. Des Teufels Nase

Zu Hall am Kocher im Schwabenlande ist ein uralt Salzwerk, wie schon des Ortes Name kundgibt, und soll es allezeit um den Salzbrunnen herum merkliche Poltergeister gegeben haben, daher man, sie zu vertreiben, viele Jahre lang stets am Dienstag nach Vocem jucundidatis (Sonntag Rogate) mit Heiltümern prozessionsweise um den Brunnen gegangen ist. Zu einer Nacht erschien der Teufel einem Salzsieder und streckte seine Nase, die außerordentlich groß war, durch einen Spalt in das Hallhaus und schnarchte dabei: Wie gefällt dir die Nas? Kann das auch ein‘ Nas sein? – da nahm flugs der Siedeknecht einen Kübel siedender Sole und schüttete den dem Teufel auf seine Nase, indem er rief: Kann das auch ein Spaß sein? – Zornig brach jetzt der Teufel durch die Bretterwand, erwischte den Sieder und warf ihn durch die Luft über den Kocher auf den Gänsberg (die Höhe bei dem mittleren Gerberspförtlein), daß ihm alle Rippen krachten, und rief: Kann das auch ein Wurf sein? –

Andere sagen, der Teufel habe den Siedeknecht auf den Steinbruch jenseit dem Kocher beim Haimbacher Törlein geworfen, allwo der Galgen stand, der nachgehends abgebrochen wurde, weil die daranbaumelnden Kadaver, wenn die Sonne gegen sie geschienen, in einige Häuser der Stadt ihre klunkernden Schatten geworfen, was nicht appetitlich, wenn sie über das Essen dahinglitten.

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87. Die getreue Frau Florentina

87. Die getreue Frau Florentina

Zu Metz lebte ein edler Rittersmann, der hieß Alexander, der hatte eine gar tugendsame Ehewirtin, die hieß Florentina. Der Ritter gelobte sich zu einer Bußfahrt zum Heiligen Grabe, und sein Ehegemahl fertigte ihm ein feines neues Hemde, das zeichnete sie mit einem roten Kreuze und hieß es ihm stetig tragen. Es sei also gefeit und geweiht, daß es immer rein bleibe, zum Zeichen ihrer steten Reinheit und Treue, die sie ihm bewahren wolle bis zu seiner Wiederkehr. Im Heiligen Lande aber geriet Ritter Alexander aus Metz in Gefangenschaft und mußte mit anderen als Knecht den Pflug ziehen und Geißelhiebe und ein Joch auf seinem Nacken dulden wie ein Stier. Das Hemd aber blieb trotz harter Arbeit, trotz Staub und Schweiß und Blut stets rein und weiß, wie Schnee. Das verwunderte die Aufseher, und sie brachten es vor den Sultan. Da erkundigte sich der Sultan, welche Bewandtnis es mit des Sklaven Hemde habe, und Alexander erzählte ihm von der Treue und Reinheit seiner Florentina. Solches dünkte dem Sultan eine Lügenmäre zu sein, und er ward sehr neugierig, ob dem in der Welt nur so sein könnte, und ließ auf seine Kosten einen vertrauten Eilboten ins Abendland reisen, der kam auch glücklich nach Metz, erkundete die Frau, erzählte ihr von ihres Herrn harter Gefangenschaft und warb, da er sie zumal besonders schön fand, mit starker Versuchung um ihre Minne. Allein da er ganz vergebens sich um die Gunst der Frau bemühte, so zog er wieder ab und brachte seinem Herrn die Nachricht von Florentinas unwandelbarer Treue. Diese aber kleidete sich in Pilgrimtracht, nahm eine Harfe mit, die sie meisterlich zu spielen verstand, und reiste dem Heiden nach, holte zu Venedig ihn ein und fuhr mit ihm, ohne daß er sie wiedererkannt hätte, in das Heidenland. Als sie nun an des Heidenkönigs Hofe ankamen, meldete der Abgesandte, was er zu Metz ausgerichtet, und rühmte seines Reisegefährten kunstreiches Harfenspiel. Da wurde der Pilgrim an den Hof gefordert und durfte sich hören lassen und wurden ihm große Geschenke für sein Spiel dargeboten. Er weigerte aber, solche anzunehmen, und bat nur um die Freilassung eines der Sklaven, die im Pfluge gingen. Das ward ihm zugestanden, und nun ging Florentina zu den Sklaven und suchte unter ihnen ihren Mann, den bat sie los, gab sich ihm aber nicht zu erkennen, weder zu Lande, noch zur See, sondern blieb in ihrer Verkleidung als Mann und fuhr mit ihrem Manne der Heimat zu. Da sie noch zwei Tagereisen von Metz waren, sprach Florentina: Mein lieber Wandergesell, nunmehr gehen unsere Wege voneinander. Gib mir dafür, daß ich dich befreit, doch auch etwas zum Andenken. – Was soll ich dir geben, der ich so viel wie nichts habe? fragte der befreite Ritter. – Du hast ein sonderbares Hemde an, von dessen Wunder habe ich im Heidenlande reden hören, schneide mir ein Stück heraus, damit ich auf meiner Pilgerschaft auch andern von dem Wunder singen und sagen kann. – Weil du es bist und ich so großen Dank dir schuldig geworden, sprach der Ritter, so will ich’s tun, keinem anderen auf der Welt gäbe ich vom Hemde, das mir meiner Frauen Reine und tugendsame Zucht so wunderbar verbrieft. – Schnitt ihm also ein Stücklein, nicht gar groß, aus dem Hemde heraus und schied so dankend von dem Pilgrim. Florentina eilte ihrem Gatten schnell voraus nach Metz, legte ihre Frauenkleidung wieder an, und als er nun, einen ganzen Tag später wie sie, daheim ankam, empfing sie ihn mit herzlicher Liebkosung und Freude, des ward er sehr glücklich. Als aber nun der heimgekehrte Ritter allmählich seine Freunde wieder sah, da merkte er an ihrem sondern Wesen, daß sie etwas Heimliches gegen ihn auf den Herzen hatten, und endlich sagte ihm einer: Mich nimmt viel Wunders, daß du dein Weib wieder daheim funden hast, sie muß deine Heimkunft gerochen haben. Ein fremder Mann war oft und lange bei ihr, und endlich ist sie ihm nachgefahren und zwölf Monate außen blieben und nur kurz vor dir wiederkommen. – Da ward der Ritter sehr zornig, lud seine Freunde und Verwandten zu einem Mahl und fragte dann dabei sein Weib öffentlich, warum sie so untümlich lange Zeit ihr Haus verlassen, und wo sie denn in der Welt herumgereist sei nach fahrender Fräulein Art. – Da stund die getreue Florentina schweigend vom Tische auf, ging in das Zimmer nebenan und kam als Pilgrim mit der Harfe wieder und reichte ihm das Stücklein Leinwand aus seinem Hemd. Da hob der Ritter seine Hände auf und rief: Vergib, du Himmlische, du Reine! Du befreitest mich aus Sklavenbanden, aus dem Joche am Pfluge, und fiel ihr weinend um den Hals und bat sie um Verzeihung, und jede Anklage verstummte auf immerdar.

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879. Kinderwallfahrt

879. Kinderwallfahrt

Im Jahre 1448 hat es sich zugetragen, daß zu Schwäbisch-Hall am Donnerstage nach Pfingsten plötzlich eine Sucht die Knaben überkam, nach Sankt Michael in der Normandie zu wallfahren, und gingen ihrer über zweihundert an der Zahl wider den Willen ihrer Eltern auf einmal von dannen, denn sie wurden von dieser Sucht ganz schnell und plötzlich erregt und ließen sich nicht einmal von ihren eignen Müttern halten, auch erfolgte bei einigen, welche mit Gewalt zurückgehalten wurden, alsbald der Tod. War wohl, wie ein alter Chronikenschreiber sagt, eine seltsame und wunderliche Begeisterung. Da sich die Knaben nicht halten ließen, so gab ihnen der für das Wohl der Stadtkinder besorgte Rat zum Geleit einen Schulmeister und einen Esel mit, damit ihnen nichts Böses zustoße. In so guter Gesellschaft mag wohl die weite Reise und Betfahrt glücklich vonstatten gegangen sein. Nachderhand erfolgte eine große Pest, und war es vielleicht Gottes Hand, welche den Knaben winkte, dieser zu entgehen. Wunders genug war es, daß diese Knaben so weit außer Landes begehrten und zogen, da es doch im Schwaben- wie im nachbarlichen Franken- und Bayerlande der berühmtesten Wallfahrtsorte eine übergroße Menge gab.

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