85. Metz versagt den Tanz

85. Metz versagt den Tanz

Das alte Metz, welches Frankreich, gleich den früher deutschen Städten Toul, Verdun und Straßburg, Deutschland abgedrungen hat, leitet schon von den Römerzeiten seinen Ursprung und Aufbau her. Ein Feldherr Julius Cäsars, Marius Metius, habe die Stadt, welche Cäsar hartnäckig widerstanden, einnehmen müssen, und habe sie verheert, dann aber herrlich wieder aufgebaut, nach seinem Namen Metia genannt, auch neunzehn Jahre daselbst regiert, auch einen Rat aus dreizehn Stadtältesten eingesetzt, der lange bestanden habe.

Zur Zeit Kaiser Karls V. sandte König Heinrich II. von Frankreich den Connetable Annas Montmorency vor diese deutsche Reichsstadt, der versprach ihr völligen Schutz, wenn sie nur ein einziges Fähnlein französisches Kriegsvolk, darunter man einen kleinen Heerhaufen, etwa was heute eine Kompagnie besagt, verstand, einnehmen wollte. Dies bewilligte der Rat der Stadt Metz, und es zogen nicht minder denn dreitausend Franzosen, allerdings nur mit einem einzigen Fähnlein, in die Stadt und nahmen sie ohne Schwertschlag für ihren König in Besitz, befestigten die Stadt auf das beste und versahen sie mit Mundvorräten aller Art. Als nun im darauffolgenden Jahre Kaiser Karl V. mit einem Kriegsheere kam, Metz den Franzosen wieder abzunehmen, glückte ihm das nicht, obschon er mit siebenzigtausend Mann davorlag und vierzig Tage und Nächte lang die Stadt so heftig beschießen ließ, daß es gleichsam Kugeln regnete und die ganze Gegend von dem Pulverdampfe fort und fort wie in einen starken Nebel gehüllt blieb. Bis nach Straßburg hin ward der Donner des Geschützes gehört. Der tapfere Verteidiger von Metz war der Herzog von Guise, welcher dem Kaiser viel Volk zuschanden machte. Dazu halfen noch Hunger, Seuchen und Kälte gegen Karl V. streiten, und es sind damals vor Metz dreißigtausend Mann geblieben. Endlich brachte noch eine Kriegslist den Kaiser zum Abzug. Der Herzog, welcher fürchtete, die Stadt auf die Länge dennoch nicht halten zu können, zumal sie an ihrer schwächsten Seite angegriffen war, schrieb einen Brief an seinen König des Inhaltes, daß die Belagerung ganz fruchtlos und gefahrlos sei, zumal Karl sie an der stärkstbefestigten Seite am meisten angegriffen habe. Diesen Brief mußte ein scheinbar ungeschickter Bote durch das feindliche Lager tragen, sich fangen lassen, und nun gelangte der Brief vor Karls Augen. Dieser ließ sich wirklich betören, hielt den Brief für wahr, zog die Streitkräfte von der schwachen Seite zurück, griff an anderen sehr gut befestigten Stellen an, verlor die bereits errungenen Vorteile und mußte endlich nach dem Verlust von fast der Hälfte seines Heeres die Belagerung aufgeben. Da fehlte es nicht an Hohn und Spott, der sich reichlich über Karl in allen deutschen Landen ergoß, und da es ihm vor Magdeburg auch fast in gleicher Weise ergangen war, so lief gar bald der Spottreim von Munde zu Munde:

Eine Metze und eine Magd
Haben Karln den Tanz versagt.

Dieses und noch anderes Leid soll sich der Kaiser so zu Gemüte genommen haben, daß er drei Jahre später der Regierung ganz entsagte und 1586 als Mönch in das Kloster St. Just in Spanien trat, wo er Uhren baute. In diesem selben Jahre geschah es, daß Metz, Toul und Verdun – Virdung zu deutsch – durch den Vertrag und Friedensschluß zu Cambray von Deutschland völlig abgetreten und unter den Schutz der Krone Frankreichs gestellt wurden.

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84. Der Heiligen Gräber

84. Der Heiligen Gräber

Im Mosellande beim Dorfe Chau steht eine dem heiligen Eucharius geweihte Kapelle. Sankt Eucharius war ein Sohn des Königs Baccius von Catalonien und der Lientrudis, dessen Gemahlin. Dieses fromme Paar gab aber nicht nur dem heiligen Eucharius das Leben, sondern auch dem heiligen Eligius, der heiligen Liberia, der heiligen Susanna, der heiligen Memia, der heiligen Oda und der heiligen Gertrudis. Alle diese Heiligen wurden mit vielen Edlen dieses Gaues durch die wilden Vandalenhorden, welche Julianus Apostata in das Land führte, umgebracht, an der Zahl zweitausendzweihundert, und das geschah im Jahre 262 nach Christi Geburt, am 10. Mai. So wurde jene Gegend ein großer Totenhof, und die alte Kapelle an der Mosel, Chau gegenüber, wurde zum Grabstein der frommen Märtyrer und bewahrt auf Gedenktafeln das Gedächtnis derselben der Nachwelt auf.

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849. Schweppermanns Eier und Grab

849. Schweppermanns Eier und Grab

Ohnweit Amberg in der bayrischen Oberpfalz, im Kloster Castel, ruht der fromme Schweppermann, der war Feldmarschall Kaiser Ludwigs des Bayern, tapfer und bewährt, und half ihm vornehmlich zum Siege wider seinen Gegenkönig, Friedrich den Schönen von Österreich. Da nun die Siegesschlacht geschlagen war, darin Friedrich der Schöne gefangen worden, so sprach der Sieger zu dem Besiegten: Seid gottwillkommen, Herr Vetter! Wir sehen Euch gerne – und behandelte ihn mild und gütig. Wie es nun an des Königs Tafel wenig zum besten war, denn die Kriegsgurgeln hatten allen Vorrat aufgezehrt, und gab nur Eier, und auch deren nur ein einziges mehr, als Personen an der Tafel saßen, so überzählte sie der Kaiser, nahm zwei Eier, legte diese auf Schweppermanns Teller und sprach:

Jedem ein Ei,
Dem frommen Schweppermann zwei.

Als nun Schweppermann gestorben und begraben war, da wurde ihm diese schöne Grabschrift gesetzt:

Hie liegt begraben Herr Seyfried Schwepperman
Alles thuns wandel an (makellos)
Ein Ritter keck vnde fest
Der czu Grundersdorf thät das best
Er ist nu tod
Dem genate got
Jedem eyn ey
Deme frommen Schwepperman zwey.

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850. Trausnitz

850. Trausnitz

Da Ludwig der Bayer den Österreicher Friedrich den Schönen in seine Macht und Gewalt gebracht hatte, so ließ er ihn nach der sichern Feste Trausnitz ob Landshut bringen, ihn da verwahrlich aufzubehalten. Wie nun Friedrich nach dem Namen des Schlosses fragte und selben erfuhr, erseufzete er und sprach: Ja wohl, truwes nit, trau’s nicht! Ich habe sein je nit getraut, daß ich sollte darein gebracht werden. – Zu Friedrichs Bruder, Herzog Leopold dem Ruhmreichen, trat bald darauf ein Zauberer, der erbot sich, mit des Teufels Beihülfe Friedrich zu befreien, und sandte auch wirklich einen Teufel auf die Trausnitz, den Gefangenen hinwegzuführen. Dieser stellte sich dem Könige in Pilgrimstracht vor Augen und erbot sich, ihn auf seinen Schultern von dannen zu tragen, wie Herzog Heinrich den Löwen über Meer. Da fragte der König Friedrich: Wer bist du? – Mußt du es wissen? fragte der Teufel zurück. Dich aus dem Kerkerschloß zu holen, kam ich her, nicht um deinen Fragen Rede zu stehn. – Da graute dem Könige, und schlug ein Kreuz, und der höllische Postmeister fuhr von dannen. Hernach hat Herzog Leopold dem König Ludwig mit Krieg also weh getan, daß er den Gefangenen doch entlassen mußte.

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851. Der Krötenberg

851. Der Krötenberg

Im Landgerichte Rottenburg, zwischen Landshut und Abensberg, liegt im Biebertale ein kleines Kirchdorf, Nordholz geheißen, und nahe dabei ein Berg, der eine Burgtrümmer trägt, allwo ein ritterliches Geschlecht gleichen Namens hauste. Mit diesem Berge hat es eine sondere Beschaffenheit; alljährlich im Maimond gebiert er – nicht Mäuse gleich dem kreisenden Berge des Sprüchworts, sondern eitel Kröten. Scharenweise wie aus einer Quelle schwulgern sie hervor und purzeln und patschen übereinander in Haufen den Berg hinab und rauschen und rascheln im Laub und Gesträuch. Drunten ist ein Weiher, da ziehen sich die Kröten hinein, und binnen drei Tagen ist der so voll, daß er überläuft, und da laufen die Kröten auch mit über und statten der nahen Mühle Besuch ab, verbreiten sich über Hof und Garten, in Stuben und Keller, Kammern und auf den Boden und machen das Haus fast unbewohnbar. Niemand weiß, woher der so plötzliche Zuspruch, item, die Kröten sind da, und niemand tut ihnen etwas, denn – das ist die Hauptsache – je mehr ihrer kommen, je willkommener sind sie, weil sie prophetische Tiere sind, nämlich Vorboten einer reichen Getreideernte, wenn sie in recht großer Zahl erscheinen, wie der Heerwurm auf dem Thüringer Walde. Nach drei Tagen verlieren sie sich, ohne daß man gewahrt, wo sie hinkommen; zurück in den Berg gehen sie nicht, derselbe hat aber von dieser seltsamen Naturerscheinung den Namen Krötenberg erhalten.

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852. Die Abensberger Schar

852. Die Abensberger Schar

Da Kaiser Heinrich II. zu Regensburg Hof hielt, stellte er ein Jagen an in den Forsten zwischen Regensburg und Abensberg und lud dazu die benachbarten Edeln, doch mit dem Gebot, es möchte ihrer keiner mehr denn nur einen Diener mitbringen, sintemalen es schien, als sei der Kaiser freigebiger gegen die Pfaffen gewesen als gegen die Jäger. Siehe, da nahete dem Hoflager im Walde von Avensberg her eine starke und stattliche Männerschar, alle in guter Jagdwehr und hoch zu Roß, und große Dienerschaft lief neben den Rossen. Wer nahet dorten mit so vielem Gefolge? fragte der Kaiser, und die Antwort lautete: Graf Babo ist’s, der Abensberger. – Da nun der Graf nahe herzuritt, sah ihn der Kaiser ungnädig an und fragte: Du hast wohl Unser Gebot nicht vernommen oder verstanden, daß du so viele Mäuler uns ins Lager führest? – Darauf sprang Graf Babo vom Roß und beugte seine Kniee vor dem Kaiser und sprach: Hoher Herr! Du hattest die Gnade, mir und meinen Söhnen zu erlauben, dem Jagen beizuwohnen. Jeder von uns kommt selbander nur mit einem Diener! – Das sind ja über sechzig Mannen! rief der Kaiser. – Ja, hoher Herr! Es sind unserer sechsundsechzig! erwiderte mit heiterer Miene Graf Babo. Und da traten zweiunddreißig Männer, Jünglinge und Knaben, die indes von ihren Rossen gestiegen waren, und knieten nieder, und Babo sprach: Siehe, hoher Herr, das sind alle meine lieben Söhne, die und noch acht Töchter habe ich mit zwei Frauen erzeugt in Gottes Hülfe und die Söhne erzogen zu deinem Dienst, und übergebe und widme sie dir mit Leib und Leben! – Das laß ich gelten! rief der Kaiser, sind das deine Söhne, ei, so sollen es auch meine Söhne sein. Einem ist die Natur freigebig, einem ist sie karg. – Und reichte einem jeden der zweiunddreißig die Hand, und dem Vater zu allererst, und verhieß ihnen Schlösser und Lehen, ihren gräflichen Stand wohl fortzuführen.

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853. Die heilige Stilla

853. Die heilige Stilla

Aus dem Geschlechte der Grafen von Abensberg ging eine fromme Maid hervor, deren Name war Stilla. Sie war die Tochter Wolfram II. Stilla erbaute eine Kapelle unfern Abensberg in die Ehre Sankt Peters und stiftete mit ihren Brüdern Rapoto und Konrad das Kloster Heilsbronn. Stilla gelobte dem Himmel ewige Keuschheit, besuchte täglich im Geleit ihrer Frauen ihren Andachtsort und hätte nichts lieber gehabt, als auch an dessen Stätte ein Kloster erstehen zu sehen. Sie teilte mit dem heiligen Sebald ganz ein und dasselbe Sehnen, da zu ruhen, wohin weiße Stiere ihren Leichnam ohne Führer ziehen würden. Diesen Ort bezeichnete auch bereits ein Handschuh, den Stilla in die Luft warf, aber nicht im Zorn wie die thüringische Sophia oder Alberade von Banz, sondern in lauterer frommer Zuversicht, und der Handschuh war, einer weißen Taube gleich, nach ihrer Kapelle zugeflogen und hatte auf diese sich niedergelassen. Da nun Stilla gestorben war, sollte sie in das Kloster gen Heilsbronn begraben werden, aber da taten die Dienerinnen deren letzten Willen kund, und so ward derselbe befolgt, und das weiße Stiergespann zog ihre Leiche ohne Lenker zu ihrer Kapelle hin. Danach ist auch ihr heißer Wunsch noch erfüllt und an deren Stätte ein Frauenkloster erbaut worden, welches den Namen Marienburg empfing. Rechts beim Eingang in die Klosterkirche erblickt man Stillas Grab, und geschahen allda viele Wunder, und wurde Stilla als Heilige vom Volke verehrt, gleichwie die preußische Dorothea, obschon kein Papst sie kanonisierte; aber Bischof Rainboto von Eichstätt hatte in der Peterskapelle ihr zu Ehren einen Altar errichtet und geweiht.

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854. Sankt Emmeran

854. Sankt Emmeran

Was der heilige Sebald für Nürnberg ward, hochverehrter Wundertäter, segenwirkender Schutzpatron und gefeierter Heiliger, das alles wurde Sankt Emmeran für die freie Reichs- und Reichstagstadt Regensburg, von der die Rede geht, daß sie so viele Kirchen und Kapellen gehabt als das Jahr Tage. Der heilige Emmeran oder Heimeran stammte aus Guienne und war Bischof von Poitiers. Aus Neigung, die Heiden zu bekehren, kam er nach Deutschland und nach Bayern. In diesem Lande hatte zwar der heilige Rupert bereits den Samen des Christentums ausgestreut, jedoch noch nicht an allen Orten, und Theodo V., der Bayerherzog, bat Sankt Emmeran, das gottselige Werk fortzusetzen. Herzog Theodo hatte eine schöne Tochter namens Utha, und Utha hatte einen Liebsten namens Siegebald, und der hatte den Namen mit der Tat, er hatte bald gesiegt, und zwar allzubald, und war darüber bei Utha großes Herzeleid, und wußte sich keines Rates, fürchtete vielmehr, daß der Zorn ihres Vaters und Bruders sie und ihren Geliebten töten würde. Da entdeckte sie sich dem heiligen Emmeran, und der fromme reine Mann war von so himmlischer Güte, daß er ihr den Rat gab, sie möge ihn als Täter nennen. Ob er nun glaubte, die Sache damit minder schlimm für Utha zu machen und der Rache zu entgehen, da er gerade im Begriff war, gen Rom zu reisen, oder ob er sich nach dem martervollsten Tode sehnte, weiß man nicht. Er reiste ab, und die geängstigte Utha befolgte seinen Rat. Zornentbrannt warf sich alsbald Landopert, ihr Bruder, mit einer Schar Mannen aufs Roß und setzte dem frommen Pilger nach, holte ihn auch bald genug zwischen dem Inn und der Isar beim Dorfe Helfenburg ein und schrie ihn spöttlich an: Ei guten Tag, Bischof! Ei guten Tag, Herr Schwager! – ließ alsbald Emmeran greifen, auf eine Leiter binden, ihm die Hände und Füße abhauen, die Nase und Ohren abschneiden, die Augen ausstechen und den verstümmelten noch lebenden Körper in die Sonne stellen. Als die grause Tat geschehen war, wurden zwei Männer sichtbar, welche eilig die abgelösten Gliedmaßen des heiligen Mannes sammelten und vor den Augen der Mordknechte verschwanden, und zu dem wahnbetörten Landopert trat Wolflet, ein Geistlicher, dem Emmeran alles vertraut und seinen Tod vorausgesagt hatte, und welcher, als die Mordtat geschah, nicht beihanden war, hätte sie auch schwerlich hemmen können. Nun freilich ward Landopert die übereilte grausame Tat von Herzen leid, war aber einmal geschehen, und wurde der Körper erhoben und gen Regensburg geführt, und da fuhr die Seele aus dem Munde des Gemordeten wie ein rosenroter Blitzstrahl und fuhr gen Himmel. An dem Orte des Mordes wölbte sich von selbst ein grüner Hügel, wie ein Grab, und geschahen daselbst unzählige Wunder. Der heilige Leichnam wurde zu Regensburg in St. Georgen beigesetzt, und Landopert erbaute zur Sühne und zur Buße seiner Untat das berühmte Stift St. Emmeran. Solches alles hat sich begeben im Jahre des Herrn 652, da noch die Agilolfinger in Bayern herrschten. Ob des heiligen Mannes schuldloser und blutiger Opfertod der Prinzessin Utha zugute gekommen, meldet die Sage nicht, aber der Stadt Regensburg ist dieser Tod zu hohem Glück gediehen bis zur Zeit, da in Kostnitz das Konzil war und der Huß verbrannt wurde. Da sind in Regensburg zwei Geistliche gewesen, die haben es laut gesagt, daß dem Huß zu viel geschehen sei. Da wurden diese beiden ergriffen und ihnen auch gleichwie dem Huß getan, und ward damals der Ketzerturm erbaut. Von dieser Zeit an, erging die Sage, habe man bemerken wollen, daß sich das Glück dieser Stadt gar merklich verkehrt und ins Abnehmen gekommen.

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845. Sankt Sebaldus‘ Wunder und Grab

845. Sankt Sebaldus‘ Wunder und Grab

Es ist eine alte Sage, daß der heilige Sebaldus zu Ende des achten oder zu Anfang des neunten Jahrhunderts nach Christo nach Nürnberg gekommen. Dieser Heilige war eines Königs von Dänemark Sohn, hatte in Paris studiert und eines Grafen in Frankreich Tochter geheiratet. Er war aber gar fromm und gottesfürchtig, und seine Braut erhielt in ihm nicht einen Gemahl, sondern einen vollkommenen Behüter und Beschirmer ihrer Jungfräulichkeit, und nachdem er ihr guten Unterricht in der Keuschheit erteilt, verließ er sie und seines Vaters Palast heimlich und wurde ein Einsiedel, wälzte sich auf Dornen und Disteln und kreuzigte sein aufrührerisches Fleisch, daß sein Leib davon ganz armselig und mager wurde. Darauf pilgerte er samt seinem Schüler Dionysius barfuß gen Rom, traf auch auf seinem Wege die heiligen Männer Willibald und Wunibald und nahm sie in seine Gesellschaft und gab ihnen Speise, die er aus Engelhand, empfing, hatte auch einen Legel, der immer wieder voll Weines wurde, wann die Gesellschaft ihn ausgetrunken, und wann etwan ein Glas zerbrach, so machte St. Sebald selbiges wieder ganz, und lehrte und predigte hin und her auf seinem Wege allem Volke die sanfte Lehre unsers Herrn und Heilandes. Da sich einstmals ein verdammter Ketzer fand, der dem Volke zuschrie, Sebalds Lehre sei falsch, so mußte sich auf der Stelle das Erdreich auftun und selben Ketzer verschlingen, doch nur bis an den Hals. Da nun der arme Ketzer so im Erdloch stak und nicht einmal zappeln konnte, so wünschte er wieder herauszukommen und bekehrte sich, da hob ihn der milde Heilige wieder heraus. Über die Donau schwamm St. Sebald auf dem groben Mantel, den er über seinem härenen Hemde trug und aus das Wasser breitete, stehenden Fußes, weil kein Nachen vorhanden war. Und da kam der Heilige in den Norgau, da hatte ein Bäuerlein seine Ochsen verloren und jammerte, denn es war Nacht, und es wußte nicht, wo es die Ochsen suchen sollte. Da schuf St. Sebald durch sein Gebet, daß des Bauern Finger leuchteten und großen Schein warfen, wie ein Kronleuchter, und da fand und fing er seine Ochsen wieder. Nun kam der heilige Mann gen Nürnberg und nahm seine Herberge bei einem Wagner. Selbem Wagner aber ging es wie jenem Müller, des Mühle die drei Gänge hatte, nach Wasser, Korn und Brot – er hatte nicht einmal Holz zum Einheizen, geschweige zum Wagenbauen. Da heizte der heilige Sebald mit Eiszapfen ein, die brannten, daß es knitterte und knatterte, und wärmte sich, und der Wagner und sein Weib lobten Gott für so billiges Brennmaterial. Eines Tages wünschte Sebaldus Fische zu speisen, es war aber durch die Herrschaft, die auf der Burg wohnte, bei Verlust des Augenlichts allen verboten, vor ihr Fische zu kaufen. Da nun Sebaldus‘ Wirt solches dennoch tat, so ward er ergriffen und geblendet. Dieses tat Sebalds leid, er tat sein Gebet zu Gott und gab dem Wirt sein Augenlicht wieder. Bei diesem guten Manne und dessen Weibe blieb auch Sebaldus bis zu seinem seligen Ende, vor welchem er noch verordnete, daß zwei Ochsen seinen auf einen Wagen gelegten Leichnam ohne Lenker dahin ziehen sollten, wo er bestattet sein wolle, und zogen die Ochsen den Wagen bis zu Sankt Peters Kapelle und keinen Schritt weiter trotz aller Bezwangnis und Geißelhiebe. Da ruhete und rastete Sankt Sebaldus gnädiglich, und ward über ihn ein hölzern Kapellchen erbaut, welches aber hernachmals der Blitz entzündete und einäscherte. Da setzten sie den heiligen Leichnam in das Schottenkloster St. Agidien. Darin war ein vorwitziger, junger Mönch, der zupfte den heiligen Leichnam am Bart und sprach spöttlich: Ei du alter Lügenvater!

Wie viele Menschen hast du dein Lebtage betrogen?! – Solches Schmähwort verdroß den heiligen Leichnam sehr; er erhob sich und verehrte dem Mönch eine so schreckliche Ohrfeige, daß jenem davon alsbald ein Auge aus dem Kopfe sprang. Der Mönch schrie Zeter, alle Mönche liefen herbei und riefen St. Sebald um Vergebung an und um Wiederherstellung des Geschlagenen. Darob wurde der heilige Leichnam beweget, dem Mönch das geschlagene Auge wieder einzusetzen, die Schelle konnte er ihm aber nicht wieder abnehmen, und war ihm selbe auch gar gesund. Nach diesem Vorgang gefiel es Sebalds nicht mehr in St. Agidien, und war ihm lieb, in sein eigen Münster und in einen silbernen Sarg zu kommen. Allda ruhend, war es Sebaldi Segen, der Nürnberg groß und reich und blühend machte als der Stadt sonderlicher Patron und Hauptherr, und fortwährend tat er hohe Wunder. Blinde machte er sehend, Pilgrime errettete er von Straßenräubern, Kranke machte er gesund, Tote lebendig. Einst sandte eine fromme Bäuerin in Nürnbergs Nähe St. Sebald einen großen Käs zum Opfer; der Nachbar aber, dem sie den Käse mitgab, dachte: der liebe Gottesheilige ißt doch keinen Käs, sondern im Paradiese das himmlische Manna, es tut’s also auch ein kleiner, den großen willst du für dich behalten. Da machte St. Sebald den kleinen Käse zu Stein und auf dem Heimwege des Bauers auch den großen. – Da nun zu Nürnberg der unübertreffliche Rotgießermeister Peter Bischer lebte, so bekam derselbe den Auftrag mit seinen fünf verheirateten Söhnen Peter, Hermann, Hans, Paul und Jakob, die alle bei ihm im Hause wohnten und in seiner Gießhütte arbeiteten, St. Sebald ein neues schönes Grabmal zu fertigen, auf dem der Silbersarg mit den heiligen Gebeinen ruhen sollte, und fertigte dieses also herrlich und kunstvollendet schön, mit frommem Sinn und hohem Geist, daß es als Nürnbergs größte Zier dasteht. Und von den vielen Tausenden, die von Jahr zu Jahr dieses herrliche Kenotaph anstaunen, denkt kaum einer noch an den Heiligen, der darinnen ruhet, und an dessen Wunder, sondern nur an die Wunderwerke deutscher Kunst, die Nürnbergs unsterbliche Söhne, ein Peter Bischer, ein Albrecht Dürer, ein Adam Kraft, bewirkt und vollbracht durch den schaffenden wunderwirkenden Gottesgeist in der Menschenseele.

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846. Die Teufelssäulen

846. Die Teufelssäulen

Zu Nürnberg in der alten Kaiserburg ist eine Kapelle, die ruht auf vier Säulen, eine davon ist, weil sie gebrochen, in der Mitte mit einem eisernen Reif umschlossen. Oben am Gewölbe aber schaut ein Pfaffengesicht herab, das ist der Kopf des ersten Kapellans an dieser Burgkirche, der ging mit dem Teufel eine Wette ein, oder umgekehrt der Teufel mit ihm, daß er, bevor das Pfäfflein, das sehr hurtig Messe lesen konnte, eine Messe läse, vier Säulen aus Rom herbeibringen wolle, eine nach der andern. Vermöge der Teufel solches, so solle des Pfaffen Seele sein eigen sein, vermöge er es nicht, so sollten die schönen Säulen aus einem antiken Heidentempel die christliche Kapelle stützen und schmücken. Der Teufel fuhr ab, und der Kapellan begann seine Messe; da ging es fast wie beim Puppenspiel, wenn Fausts Diener die Furien beschwört: perlicko – perlocko! – Im Hui war der Teufel fort, und im Hui war er wieder da und brachte die erste Säule. Als der Pfaffe an das Credo kam, war schon die zweite Säule da, und beim Evangelium die dritte – jetzt hieß es hurtig und geschwind. Ite! missa est! scholl dem Teufel entgegen, als er mit der vierten Säule anrasaunt kam, da warf der Teufel die Säule hin, daß sie mit einem Donnerkrach in zwei Stücke zersprang, und fuhr erhitzt von dannen, denn er kochte von Anstrengung und nun vor Ärger, und stürzte sich in den Dutzendteich, wo die Druden-Eila haust und spukt. Um die zerborstene Säule aber ward der eiserne Reif gelegt, und alle viere schmückten nun die alte Burgkapelle. Sie sind von weißem Marmelstein und gar schön. Des schnellen Messelesers steinern Haupt blickt sie noch immer mit stillem Vergnügen an.

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