838. Die geraubte Hostie

838. Die geraubte Hostie

Bei Eckenbütter spielte ein Metzgerbursche mit einem andern, dem sein Meister vieles Geld zum Vieheinkauf mitgegeben, und verspielte alles; zuletzt zog er den Rock aus, trennte die Silberknöpfe von der Weste und verlor auch die. Da kam ihm der Gedanke, in der Martinskirche eine goldene Monstranz zu stehlen; er brach heimlich ein, nahm die Monstranz und entwich. Auf dem Wege nach Forchheim entnahm er der Monstranz die heilige Hostie und warf sie auf einen Acker in das Korn. Als er durch Forchheim wanderte und sich nach einem Goldschmiedsladen umsah, siehe, da stellten ihn die Hunde, wie vordessen die Torsoldaten zu Forchheim die Wanderer stellten, und ließen ihn nicht weiter. Als nun hochlöbliche Polizei zu Forchheim des Gesellen sich annahm und die Monstranz bei ihm fand, wurde er eingesponnen. Am andern Morgen ging eine Magd ins Gras, die sah helle Lichter auf dem Kornacker brennen, sie ging näher und sah nichts; als sie wieder entfernter war, sah sie die Lichter wieder, gerade wie es dem Seher im Frankental erging. Sie sagte das Gesicht ihrer Herrschaft an, und auch dieser geschah das gleiche. Darauf gelangte an Geistliche die Kunde, die kamen und erhoben die geweihte Hostie, und auf der Stelle, wo sie gefunden ward, wurde eine Kapelle erbaut. Der Dieb aber ward auf einer Kuhhaut zum Richtplatz geschleift.

Diese Sage wiederholt sich an vielen Orten, unter andern in Erfurt, so genau, daß es auch dort eine Martinskirche ist, aus welcher die Monstranz geraubt wird, nur sind dort der Diebe drei, die Hostie wird in ein Loch geworfen, und den einen der Diebe treibt Reue zur Offenbarung der Missetat.

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83. Vom Ursprung des Moselweins

83. Vom Ursprung des Moselweins

Es ist eine alte Sage, daß der herrliche Moselwein aus dem deutschen Franken stamme. Merowig, der Westfranken König, habe zwölftausend Bewohner des Mosellandes in das morgenländische Franken geführt und aus letzterem zwölftausend Einwohner in das Moselland versetzt. Diese östlichen Franken waren gute Wingersleute, entnahmen aus ihrem heimatlichen Boden edle Reben und pflanzten diese im neuen Vaterlande an, wo sie herrlich gediehen und liebliche Weine lieferten bis auf diesen Tag.

Die Mosel entspringt im Vogesengebirge im deutschen Sundgau aus zwei Hauptquellen, deren Flüsse sich bei Remiremont vereinigen, und durchfließt in den mannigfaltigsten Krümmungen das welsche Lothringen, dann begrüßt sie deutsche Gaue und rauscht altberühmten Städten vorüber.

Wie vom Frankenwein bis auf den heutigen Tag der Spruch geht und gilt: Frankenwein, Krankenwein, also daß selbst Kranken derselbe heilsam sei, so von seinem Sohne, dem Moselwein, dem Erben seines Ruhmes und seiner Tugenden, geht und gilt der lateinische Reim: Vinum Mosellanum fuit omni tempore sanum, das ist zu deutsch: Moselwein soll allzeit gesund gewesen sein.

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839. Das scharfe Eck

839. Das scharfe Eck

Hart an Baiersdorf zwischen Forchheim und Nürnberg sieht man, von Nürnberg kommend, ganz nahe der ersten Stadt zur Linken mitten in dem grünen Tale der Rednitz ein altergraues Ruinenschloß, vier Stockwerke hoch mit vielen Fenstern. Dieses Schloß hieß Scharfeneck, gehörte einst als Sommerlustort einem Abt und barg in seinen Tiefen grauenvolle Kerker, in denen mancher Gefangene schmachtete und verschmachtete, und weil diese Armen so scharf behandelt wurden, nannte das Volk Schloß Scharfeneck das scharfe Eck, und nennt es noch so. In der Ruine soll es gar nicht geheuer sein, zumal in der Mittags- und Mitternachtsstunde. Neugierige werden mit Steinen geworfen oder durch Spukgestalten erschreckt, daher meidet das Volk den öden und verrufenen Bau.

Im markgräflichen Kriege, da der wilde Brandenburger Markgraf Albrecht Alcibiades diese Lande verheerte, hatte er das Schloß Scharfeneck als Eigentum inne und drangsalte von da aus die Umgegend weit und breit. So berannte er auch Kunreuth, das Schloß, welches zwei Herren von Egloffstein verteidigten, da sie es aber nicht halten konnten, so kapitulierten sie auf freien Abzug der Besatzung und räumten die Burg; der Markgraf aber ließ achtzig Landsknechte sotaner Besatzung festhalten, berief den Burgkaplan und gebot diesem, diese Männer zu absolvieren. Als dies geschehen war, ließ er auf einem langen Gang der Burg Kunreuth die achtzig aufhenken, einen hinter dem andern, darum heißt derselbe Gang noch bis heute der Totengang. Darnach nahm der Markgraf den Pfaffen und ließ ihn vor dem Schloß an der großen Linde, die noch steht, gleichermaßen auch henken; heißt noch die Pfaffenlinde. Die beiden Ritter von Egloffstein, welche glücklicherweise entkommen waren, nahmen aber für diesen schändlichen Mord eine empfindliche Rache an dem grausamen Markgrafen; sie sammelten neues Volk, ersahen ihre Zeit und berannten Schloß Scharfeneck, nahmen eö und brannten es aus, daß auch nicht ein Balken darin unverkohlt blieb. Nun steht der einsame Steinbau noch immer da, und – in den öden Fensterhöhlen wohnt das Grauen.

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840. Der Rabenflug

840. Der Rabenflug

Mit dem wilden Markgrafen verbunden und in seinem Sold und Dienst war Sigismund von Egloffstein, der führte dem Kriegsherrn eine Schar Reiter zu, als dieser Nürnberg einschloß und belagerte. Wie Sigismund nun so an der Spitze seiner Schar zwischen Erlangen und Nürnberg im Walde dahinritt, so zeigte sich über ihnen ein starker Rabenflug, und die Vögel flogen ganz niedrig und schlugen mit den Flügeln und schrieen fort und fort: Zieh ab, ab, ab, ab, ab! – Deine Frau ist krank, krank, krank, krank! – Das fiel dem Egloffsteiner aufs Herz, und da er zu dem Markgrafen stieß, sagte er es diesem an und bat um Enturlaubung und wollte heim. Aber der Markgraf verlachte ihn und ließ ihn nicht von sich. Nun geschahe es, daß die markgräflichen Soldaten und auch die egloffsteinischen Reiter, die nicht von den wohlgesittetsten waren, den Nürnbergern auch solche Spiegel zeigten wie die Bardewieker dem Herzog Heinrich dem Löwen, und das nahmen die Nürnberger nicht minder krumm, fielen mit Macht heraus und richteten im Heere des Markgrafen und unter den Egloffsteinern ein solches Gemetzel und Blutbad an, daß ihnen alles Spekulieren verging. Nun kehrte der Egloffsteiner heim, aber leider zu spät; es war gegangen wie bei dem Rodensteiner, die Frau war gestorben, und der Egloffsteiner war, gleich jenem, erbenlos; nur einen Bruder hatte er noch, der verließ auch keine Erben und war gar nicht daheim. Da nun Sigismund sich so einsam und verwaist sah, hielt es ihn nicht länger in der Heimat; er steckte sein Schwert in einen Winkel des Stadels (der Scheuer) und nahm das Kreuz. Nach tapfern Kämpfen und nach langen Jahren kehrte Sigismund heim; sein Bruder hatte sich’s unterdessen, daß jener fort war, bequem gemacht im väterlichen Erbe, obschon er dennoch nicht gefreit, und so drohete das alte Geschlecht zu erlöschen. Mit einem Male kam ein Mann aus dem Heiligen Lande, der sagte: Ich bin dein Bruder. – Da könnte jeder kommen, sprach der Egloffsteiner, ich kenne dich nicht, woran soll ich erkennen, daß du mein Bruder bist? – An meinem Schwerte sollst du mich erkennen, entgegnete der Heimkehrende, darauf unser Wappen gegraben ist, und das ich, bevor ich schied, in der Scheuer geborgen habe da und da. – Wohlan, wenn es sich also verhält, so sollst du mein Bruder sein, sprach der heimgebliebene Egloffsteiner und ließ sich von dem Fremden zur Stelle führen, wo das Schwert stecken sollte, und siehe, da stak es auch wirklich noch, und nun kam jenem das Glauben mit dem Schauen in die Hand. Darauf vermählte sich Sigismund aufs neue, und ihm entstammte der Egloffsteiner mannlich Geschlecht, das Würzburg einen Bischof gab und in zahlreichen Gliedern und auf vielen Burgen in Oberfranken fortblüht bis auf den heutigen Tag.

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829. Die lichten Steine

829. Die lichten Steine

Inmitten des Steinschuttes der Burgruine Lichtenstein erheben sich hochragend zwei Felsenblöcke über dem Boden, und es geht die Sage, daß dieselben seit undenklichen Zeiten in dieser Stellung gestanden, nämlich einer dicht über dem andern gelehnt und geneigt, ohne daß einer den andern berührt, und so dem Lichte zwischen sich freie Bahn lassend. Davon soll nun auch der Namen der Lichtensteiner sowie ihr Wappen herrühren, welches zwei weiße gezackte Steine im roten Felde, deren Spitzen sich nicht berühren, zeigt. Man sagt, solange diese Steine ständen, werde das Geschlecht nicht gänzlich erlöschen, und so lange sei der alten Burg Wiederaufbau zu hoffen. Noch ist auch das Geschlecht der Freiherren von Lichtenstein nicht erloschen; doch gingen die meisten der ehemaligen Besitzungen in fremde Hände über. – Die Ruine Lichtenstein besteht aus mehreren Gebäuden, deren eins zur Försterwohnung dient. Dort zeigt die Sage noch die Stätte eines Heidentempels und einer Folterkammer, darin sie von den Martern der ersten Christen des Landes aus grauer Urzeit erzählt. Ein hoher Wartturm steht noch allda, und der tiefe Ziehbrunnen dient noch heute dem Bedarf der Bewohner. – Im Dorfe Lichtenstein stand nur eine kleine alte Kapelle, welche 1292 aufgeführt worden war. Da geschähe es, daß eine Freiin von Lichtenstein, die ihren Schoß nicht gesegnet sah, einst träumte, sie sähe an der Stelle, wo die jetzige Kirche steht, einen Rosenstock aufsprossen und Blumen und Knospen tragen. Da gelobte sie an jene Stätte einen Kirchenbau, und siehe, sie empfing die ersehnte Nachkommenschaft und ließ eine freundliche Kirche anstatt jener alten Kapelle aufführen.

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830. Der Stettfelder Rügerecht

830. Der Stettfelder Rügerecht

Zwischen dem Städtlein Eltmann am Main und Bamberg liegt ein Dorf, Stettfeld geheißen, da haben sie ein sonderes Rügerecht, wenn einen Mann die Frau prügelt. Solch ein Mann, der nicht viel Mut und Kraft hatte, lebte vor sechzig oder siebenzig Jahren allda, der hatte einen Höllendrachen zum Weib und bekam den Häslinger von ihr weit öfter zu schmecken als Hasenbraten, und wenn die Nachbarn herbeiliefen von dem schrecklichen Geschrei, das gewöhnlich vorfiel, wenn die Frau die Motten aus des Mannes Pelz klopfte, obschon er selbigen noch am Leibe hatte, so bekamen auch sie an Schimpf- und Scheltworten ihr überreichlich Teil, und wenn auf einen, der sich zu nahe heranwagte, ein Klaps abfiel, so mußt‘ er’s haben. Als nun eines Tages auch so ein Ehesturm und Wetter mit Blitz, Hagel und verschiedenen Schlägen vorübergebraust war, da übten die Stettfelder ihr Rügerecht; sie kamen in stiller Nacht herbeigeschlichen, legten Leitern an das Haus, kletterten in Scharen zum Dach hinan und deckten selbiges in aller Stille ab, daß auch kein Ziegel droben blieb. Himmel, gab das einen Zorn, als nun am Morgen der Boden aussah wie ein Judendach, darunter das Lauberhüttenfest gefeiert werden soll! Nun war das Ehepaar auf einmal einig, denn Pack schlägt sich, Pack verträgt sich, und rannten in voller Hurre zum Landrichter nach Eltmann und klagten ob ihres abgedeckten Daches und aufgedeckter Schande, denn die war und ist es für beide Teile, wo die Frau dem Manne Prügelsuppe bei ungebrannter Asche kocht. Darauf machte der Landrichter einen großen Bericht über Tat- und Sachbestand gen Würzburg und erbat Bescheid, denn er mochte diese hochwichtige Sache, weil das Dach hoch und die Ziegeln gewichtig waren, nicht selbst entscheiden. Da kam denn ein Spruch von Würzburg, der war lang und breit und Hub an: Sintemal und alldieweil, das heißt auf neudeutsch: In Erwägung daß, und daß, und ferner daß, und noch mehrere daß – so kann den Stettfeldern ihr altes Rügerecht, einem vom Weibe geprügelten Manne das Dach abzudecken, nicht genommen werden, wasmaßen die Sache damit ihr Bewenden behält und die zänkischen Eheleute in Tragung von Gerichtskosten und Sporteln zu nehmen, im Wiederholungsfalle aber zur Tragung des Strafhelms mit der Schelle und den Eselsohren und öffentlicher Ausstellung mit selbigen zu verurteilen sind. V.R.w., das heißt: von Rechts wegen. Dabei blieb es.

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831. Des Bamberger Domes Gründung

831. Des Bamberger Domes Gründung

Da Baba, Heinrichs des Voglers Schwester, auf ihrer hohen Feste im Ostfrankenlande saß, die nach ihr die Babenburg heißt, gründete sie auch die Stadt Baba am Berge, das ist das heutige Bamberg. Auch zur ältesten Kirche legte diese Herrin den Grund, und während des Baues setzte sie eine große Schüssel voll Geldes für die Tagelöhner hin, damit sich jeder seinen Lohn herausnehme, so viel ihm gebührete, und war die Schüssel also gefeit, daß sie sich täglich von selbst mit Geld füllte, und konnte von dem Gelde keiner mehr herausnehmen, als ihm gebührte. Nahm einer mehr, so wurden ihm die Finger glühend. Diese zaubermächtige Baba zwang auch den Teufel, daß er ihr Säulen zum Kirchenbau herbeischleppen mußte. Den jetzigen Dom zu Bamberg gründeten Kaiser Heinrich II. und seine Gemahlin Kunigunde, sie wohnten in dem kleinen Häuschen am Dom, darin jetzt der Mesner wohnt, und waren gar ein frommes Paar, hatten sich ewiger Keuschheit verlobt. Trotzdem kam aber – auf alle Fälle durch keine andere Tücke als die des Teufels – die gute Kaiserin in mancherlei Gespräch und etwas schlimmern Ruch als den der Heiligkeit, welcher erst später sie umduftete, da sie in Jahre gekommen, die ihr nicht gefielen, oder da sie gar gestorben war. Die bösen Jungen munkelten von einem Herzog, wie von einem schönen Leibjäger, laut und immer lauter, bis es vor den Kaiser kam und dieser die fromme Gemahlin aller Unehren zieh. Da erbot sich Frau Kunigunde, ihre Frauenehre zu erweisen durch ein Gottesurteil, und wandelte auf sieben glühenden Pflugscharen unversehrt und kecklich, nachdem sie Gött angerufen, ihre Unschuld darzutun, wie er der keuschen Susanna Unschuld auch dargetan habe. Und da sie über die glühenden Pflugscharen wandelte, sprach sie: Siehe, Kaiser, so schuldig ich deiner bin, bin ich aller Männer! – Und bestand die Feuerprobe und ward also gereinigt mit großen Ehren, und der König und alle Herren fielen ihr zu Füßen. Darum ersieht man noch im Georgenchor des Domes auf einem steinernen Hochbild die hohe Frau dargestellt, wie sie die Feuerprobe besteht. Aber rechtfertige sich einer oder eine noch so sehr oder werde gerechtfertigt, gegen wen sich einmal die Teufelszunge der Verleumdung herausgestreckt, der bleibt von ihr beleckt und befleckt. So ging es auch der guten Kaiserin. Als sie eines Morgens früh von der Babenburg herabstieg, nach dem Dome, den sie mit gegründet, zu gehen, überschritt sie die Regnitz da, wo heutzutage der Schiffskran ist, da wuschen Weiber hinterm Gebüsch ihre Wäsche im Fluß, und eine dieser Frauen verlästerte nach der Waschweiber Art die Herrin greulich, daß diese es voll starren Schreckens in ihre Ohren hinein hörte. Von Scham erglühend, flehte Kunigunde noch einmal zum Herrn, ihre Unschuld zu beweisen, ging zur Burg hinauf und sandte alsbald einen Korb mit leckern Speisen und Wein zu den Waschfrauen hinab, die wußten sich nicht genug zu verwundern über der Kaiserin Gnade und ließen sich’s trefflich wohlschmecken. Aber da die Verleumderin auch aß und trank, so hatte sie Mistjauche im Becher, und ihr Weck wurde ihr im Maule zu einer Kröte, wie jenen Lästerbuben, die den Vater angespuckt, ihre Jungen. Selbiges Waschweib hat nie wieder verlogenes Gewäsch weitererzählt, und wäre gut für viele ihresgleichen, wenn alle Tage noch solch Wunder sich begäbe. Da würd‘ es eine solche Last Kröten geben, daß sie schwerer wöge als die großen Steinkröten vor dem Bamberger Dom. Diese Kröten sollen vordessen gelebt und beim Dombau des Nachts alles, was am Tage gebaut worden, aus des Teufels Antrieb wieder zerstört haben. Das Volk nennt sie Kröten, es waren aber ursprünglich roh gebildete Löwen aus grauer Zeit. Auf dem Rücken des einen entdeckte man runenschriftähnliche Zeichen.

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826. Regiomontanus

826. Regiomontanus

Aus Königsberg ging ein berühmter Gelehrter hervor hieß Johannes Müller, wurde Magister und ein großer Mathematikus und schrieb sich deutsch Magister Johann von Kunsperk, lateinisch aber Regiomontanus. Noch steht auf dem Salzmarkt daselbst Nr. 29 ein altes Häuschen, das Hennebergische genannt, darin soll Regiomontanus geboren sein und gewohnt haben. Auf dem Gang steht mit großen lateinischen Buchstaben an der Türe einer dunkeln Kammer folgendes Distichon:

Cur vivae et cur vivas hoc nascere disce,
Si facis hoc coelo dignus eris.

D.h.:

Wem du lebst und warum du lebst, dies lerne erkennen,
Tust du dieses, dann wirst würdig des Himmels du sein

Diesen Spruch soll Regiomontanus als Jüngling an seine Kammertüre geschrieben haben. In neuerer Zeit hat man alldorten dem berühmten Landsmann ein Ehrendenkmal errichten wollen.

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827. Das Kirschbäumchen auf Burg Raueneck

827. Das Kirschbäumchen auf Burg Raueneck

Von den Trümmern des alten Bergschlosses Raueneck in Franken geht eine ganz gleiche Sage wie von dem gleichnamigen Schloß bei Baden in Osterreich. Es liegt dort noch ein großer Schatz vergraben, den bewacht ein ruheloser Geist, der ängstlich auf Erlösung hofft. Aber wer kann und soll diesen Schatz wohl heben und den Geist erlösen? Auf der Mauer steht ein Kirschbäumchen; das wird einst ein Baum werden, und der Baum wird abgehauen und daraus eine Wiege gemacht. Wer nun in dieser Wiege als ein Sonntagskind geschaukelt wird, wird erwachsen, aber nur, wenn er rein und jungfräulich geblieben, in einer Mittagsstunde den Geist befreien und den Schatz heben und über alle Maßen reich werden, so daß er die Burg Raueneck und alle zerstörten Burgen in der Nähe wieder ausbauen kann. Wenn das Bäumchen verdorrt oder ein Sturm es bricht, dann muß der Geist wieder harren, bis abermals ein durch einen Vogel auf die hohe Mauer getragener Kirschkern aufkeimt und aufgrünt und vielleicht zum Baume wird. Da mag sich wohl das Sprüchwort erfüllen: Harren ist langweilig, macht aber weise. Auch diese Sage hat noch an andern Orten ihren Widerhall, wie unter andern dort bei Auerbach, wo an die Erlösung der Wiesenjungfrau die gleiche Bedingung geknüpft ward.

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828. Die Ritter vom Altenstein

828. Die Ritter vom Altenstein

Auf dem fränkischen Schlosse Altenstein saßen dreizehn Ritterbrüder des uralten Geschlechtes derer von Altenstein, die waren in Fehde mit dem Bischof Iring von Reinstein zu Würzburg. Beide Gegner, der Bischof und die Ritter, waren kriegslustig und mannlich und schädigten einander nach Herzenslust, doch kämpften nur zwölf Altensteiner gegen Iring, denn ihr dreizehnter Bruder, Seifried geheißen, ein Johanniter, war im Ausland. Der Bischof belagerte Burg Altenstein, das war sehr fest und trutzlich, und die Brüder mit ihrem Ingesinde schlugen jeden stürmenden Angriff ab. Da griff der Bischof zum unrühmlichen Mittel schnöder List, denn er wollte um jeden Preis die Ritter bändigen und demütigen; daher bot er den zwölf Brüdern friedlichen Vergleich an, und diese gewährten seinen Wunsch, öffneten dem Feind mit einigen seiner Mannen die sichere Felsenfeste und bewirteten ihn köstlich. Nach der Mahlzeit ging der Bischof in sein Gemach und heischte da mit den Brüdern zu reden und gütlichen Vertrages zu pflegen; doch mit jedem besonders. Sowie nun einer der Ritter von Stein eintrat in das Zimmer des Bischofs, ward er durch einen unversehenen Schwertstreich meuchlings gefällt. So waren eilf Brüder gefallen, als den letzten und mannlichsten der Ritter eine schwere Ahnung erfaßte; bewaffnet trat er ein, sah den fürchterlichen Bischof triumphierend über den Leichnamen der Gemordeten stehen und drang mit seinem Weidmesser auf den Bischof ein; da packten ihn aber schon die Mordgesellen, und er behielt nur noch Kraft, das Weidmesser nach dem Bischof mit einem Fluche zu schleudern; doch traf es nicht des Mörders Hals oder Herz, sondern nur seine Nase, die davon um ein kleines kürzer wurde. Dann sank auch der tapfere Hervegen in sein Blut. Im Kloster Langheim wurden die zwölf Ritter beerdigt, andere sagen, nur die Häupter. Noch zeigt man in den Burgruinen das Gemach, darin die schauderhafte Untat verübt worden. Der Platz, wo sie geschehen, wird Untereichelboden genannt. – Seifried von Altenstein kehrte aus der Fremde zurück, entbot, als er die grause Tat vernahm, dem Hochstift Würzburg neue Fehde und ruhte nicht, bis er in das Erbe seiner ermordeten Brüder wieder eingesetzt war; er war es, von dem die späteren Altensteiner ihre Abkunft herleiten. Man sagt, Seifried habe eine Zeitlang sich unerkannt gehalten und habe als Maurer gearbeitet, und davon sollen auch die drei Hämmer im Wappen der fränkischen Herren von Altenstein herrühren. Die verkehrten Altertumsdiftler, die nicht der Geschichte in das Herz, sondern woandershin blicken, haben aber freilich des Wappens Ursprung höher hinauf gediftelt und gedeutelt und besagte Hämmer der Familie abgeleitet vom Hammer des Donnergottes Thor – die überklugen Toren. Von der grausen blutigen Tat des Bischofs an den Altensteinern leben noch alte Reime, die sagen, es wären nicht dreizehn, sondern nur zwölf gewesen, und habe der zwölfte Herdegen oder Herieden geheißen, derselbe, der dem Bischof die Nase abhieb.

Im Walde bei Altenstein steht ein hoher Fels; das Volk der Umgegend sagt, daß dieser Felsen innen hohl sei und reich gefüllt mit Schätzen der Urzeit. Zu gewissen Zeiten und Stunden wäre Sonntagskindern vergönnt, die Felsenpforte geöffnet zu finden oder mit der Glücksblume sie zu öffnen, dann liege reiche, blendende Pracht vor Augen. Eigentümlich ist es, daß auch bei dem meiningischen Schloß Altenstein ein Fels, der hohle Stein, liegt, und daß dessen Höhlung offen, diese beim fränkischen Altenstein aber verschlossen ist.

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