831. Des Bamberger Domes Gründung

831. Des Bamberger Domes Gründung

Da Baba, Heinrichs des Voglers Schwester, auf ihrer hohen Feste im Ostfrankenlande saß, die nach ihr die Babenburg heißt, gründete sie auch die Stadt Baba am Berge, das ist das heutige Bamberg. Auch zur ältesten Kirche legte diese Herrin den Grund, und während des Baues setzte sie eine große Schüssel voll Geldes für die Tagelöhner hin, damit sich jeder seinen Lohn herausnehme, so viel ihm gebührete, und war die Schüssel also gefeit, daß sie sich täglich von selbst mit Geld füllte, und konnte von dem Gelde keiner mehr herausnehmen, als ihm gebührte. Nahm einer mehr, so wurden ihm die Finger glühend. Diese zaubermächtige Baba zwang auch den Teufel, daß er ihr Säulen zum Kirchenbau herbeischleppen mußte. Den jetzigen Dom zu Bamberg gründeten Kaiser Heinrich II. und seine Gemahlin Kunigunde, sie wohnten in dem kleinen Häuschen am Dom, darin jetzt der Mesner wohnt, und waren gar ein frommes Paar, hatten sich ewiger Keuschheit verlobt. Trotzdem kam aber – auf alle Fälle durch keine andere Tücke als die des Teufels – die gute Kaiserin in mancherlei Gespräch und etwas schlimmern Ruch als den der Heiligkeit, welcher erst später sie umduftete, da sie in Jahre gekommen, die ihr nicht gefielen, oder da sie gar gestorben war. Die bösen Jungen munkelten von einem Herzog, wie von einem schönen Leibjäger, laut und immer lauter, bis es vor den Kaiser kam und dieser die fromme Gemahlin aller Unehren zieh. Da erbot sich Frau Kunigunde, ihre Frauenehre zu erweisen durch ein Gottesurteil, und wandelte auf sieben glühenden Pflugscharen unversehrt und kecklich, nachdem sie Gött angerufen, ihre Unschuld darzutun, wie er der keuschen Susanna Unschuld auch dargetan habe. Und da sie über die glühenden Pflugscharen wandelte, sprach sie: Siehe, Kaiser, so schuldig ich deiner bin, bin ich aller Männer! – Und bestand die Feuerprobe und ward also gereinigt mit großen Ehren, und der König und alle Herren fielen ihr zu Füßen. Darum ersieht man noch im Georgenchor des Domes auf einem steinernen Hochbild die hohe Frau dargestellt, wie sie die Feuerprobe besteht. Aber rechtfertige sich einer oder eine noch so sehr oder werde gerechtfertigt, gegen wen sich einmal die Teufelszunge der Verleumdung herausgestreckt, der bleibt von ihr beleckt und befleckt. So ging es auch der guten Kaiserin. Als sie eines Morgens früh von der Babenburg herabstieg, nach dem Dome, den sie mit gegründet, zu gehen, überschritt sie die Regnitz da, wo heutzutage der Schiffskran ist, da wuschen Weiber hinterm Gebüsch ihre Wäsche im Fluß, und eine dieser Frauen verlästerte nach der Waschweiber Art die Herrin greulich, daß diese es voll starren Schreckens in ihre Ohren hinein hörte. Von Scham erglühend, flehte Kunigunde noch einmal zum Herrn, ihre Unschuld zu beweisen, ging zur Burg hinauf und sandte alsbald einen Korb mit leckern Speisen und Wein zu den Waschfrauen hinab, die wußten sich nicht genug zu verwundern über der Kaiserin Gnade und ließen sich’s trefflich wohlschmecken. Aber da die Verleumderin auch aß und trank, so hatte sie Mistjauche im Becher, und ihr Weck wurde ihr im Maule zu einer Kröte, wie jenen Lästerbuben, die den Vater angespuckt, ihre Jungen. Selbiges Waschweib hat nie wieder verlogenes Gewäsch weitererzählt, und wäre gut für viele ihresgleichen, wenn alle Tage noch solch Wunder sich begäbe. Da würd‘ es eine solche Last Kröten geben, daß sie schwerer wöge als die großen Steinkröten vor dem Bamberger Dom. Diese Kröten sollen vordessen gelebt und beim Dombau des Nachts alles, was am Tage gebaut worden, aus des Teufels Antrieb wieder zerstört haben. Das Volk nennt sie Kröten, es waren aber ursprünglich roh gebildete Löwen aus grauer Zeit. Auf dem Rücken des einen entdeckte man runenschriftähnliche Zeichen.

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820. Die scharfe Schere

820. Die scharfe Schere

Außen an der Pfarrkirche zu Münnernerstadt ersieht man einen Grabstein, auf welchem eine Schere eingehauen ist. Der unter dem Grabstein Ruhende war ein andächtiger Schneider, welcher sich aber in seiner Andacht gar zu oft vom Teufel gestört sah. Dieser erschien ihm dann und flüsterte ihm zu, daß er recht viel Tuch in die Hölle werfen solle, und trieb auch sonst mit dem Schneider viele verfängliche Possen. Der Geplagte klagte seine Not einem frommen Manne und empfing von diesem den Rat, so der Teufel das nächste Mal sich wieder einstelle, solle er die Schere nehmen und ihm den Schwanz abschneiden. Diesem Rat beschloß der andächtige Schneider zu folgen; er schärfte seine Schere, und als der Teufel wiederkam, schnitt er ihm den Schwanz rups und kahl vom Leibe weg. Der Teufel schrie Mordio!, fuhr von dannen und ließ den Schneider fortan in Ruhe. Die Schere blieb lange als Erbstück bei der Familie, und auf des Schneiders Grabstein wurde ihr Abbild eingegraben. Von dieser Zeit an hat der Teufel keinen Schwanz mehr. Der arme Teufel! Es ist schrecklich, wie ihm die Menschheit mitgespielt hat, und was er sich alles hat müssen gefallen lassen; er müßte sich vor seinem Schatten schämen, wenn er einen Schatten hätte. Haare, Hörner, Klauen und den schönen Schwanz hat er lassen müssen, beide nicht unbeträchtliche Ohren sind ihm längst abgelogen worden, denn das Sprüchwort besagt ja: Der lügt dem Teufel ein Ohr ab. Schuhe oder Stiefeln hat er auch nicht mehr, denn sehr viele haben ihn barfuß laufen sehen. Deswegen ist er so unkenntlich geworden, daß die Welt gar nicht mehr recht an ihn glauben kann und mag, und daher eben kommt es, daß jetzt immer, ehe man sich’s versieht, bald da, bald dort der Teufel los ist, weil man ihn nicht mehr am Äußeren erkennt und meidet. Es sind auch sonst noch an der Münnerstädter Kirche unterschiedliche Wahrzeichen, unter andern ein Wolf, der eine Henne frißt, der soll das Hochstift Würzburg bedeuten, das einen guten, ja den besten Teil der alten Grafschaft Henneberg verschluckt hat, denn das ganze Gebiet ringsumher, was nicht kaiserliches Dominium war, war hennebergisch, und ward auch hier wiederum bestätigt, daß die Kirche einen guten Magen habe.

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821. Die heiligen Salzflüsse und die Salzburgen

821. Die heiligen Salzflüsse und die Salzburgen

Im gesegneten Frankenlande fließt die Saale, an deren Ufernähe reiche Salzquellen hervorbrachen und noch hervorbrechen. Eine andere Saale, und zwar ein ungleich mächtigerer Strom, durchfließt das Thüringerland, und auch dort gaben ergiebigreiche Salzquellen den Völkern der germanischen Frühzeit Anlaß zu blutigen Kämpfen um das den Göttern heilige, den Menschen unentbehrliche Salz. Darum wurden die Flüsse Saalen genannt, an beiden kämpften Chatten und Hermunduren, und letztere waren meist siegreich, und die Sieger opferten alle gefangenen Männer und Pferde ihren Göttern. Hoch über das Ufer der fränkischen Saale ward eine mächtige Feste hingebaut, die Salzburg, welche den weiten Saal- und Grabfeldgau beherrschte; auf ihr weihte der thüringische Apostel Bonifazius vor mehr als eintausendeinhundert Jahren, nachdem schon vor ihm die Apostel Frankoniens, St. Kilian, Totnan und Kolnat, in jene Gegenden das Kreuz und die Leuchte des Christentums getragen, drei Bischöfe und hielt dort mehr als ein geistliches Konzil.

Auf der alten Salzburg weilte schon Karl Martell, ein naher umfangreicher Wald hieß der Salzforst und war Reichsdomäne; in ihm hat auch Pipin gejagt, und Karl der Große empfing auf dieser fränkischen Salzburg die Abgesandten des griechischen Kaisers Nikophoras aus dem fernen Byzanz, welche den heiligen Leichnam Josephs von Arimathia mitbrachten, den Kaiser Karl der Große in den Dom zu Aachen schenkte.

Zum öftern haben auch die spätern Karolinger auf der Salzburg verweilt, bis Kaiser Otto III. im Jahr des Herrn Eintausend das Palatium Salz dem Hochstift Würzburg zu eigen gab.

Schon die Quellen des fränkischen Saalflusses heißen Salzbrunnen und Salzloch, und die Sage geht, daß der jetzt kleine Fluß, der bei Gemünden in den Main einmündet, vorzeiten schiffbar gewesen, und daß Kaiser Karl der Große von Worms zu Schiffe den Rhein hinab, von da in den Main, vom Main in die Saale gekommen sei und also zu Wasser gefahren bis zur Salzburg, als er die Burg zum ersten Male besuchte.

So erbaute auch die Völkerschaft, die an der thüringischen Saale siegreich und im Besitz der Salzquellen blieb, allmählich eine Stadt und nannte sie Hala, das ist soviel als Salzstätte, daraus wurde später sprachüblich Halle. Kaiser Otto II. hat dann diesen Ort erweitert und ihm Stadtrecht verliehen. Eine andere Stadt, Hall in Schwaben, trägt gleicherweise ihren Namen von ihren Salzquellen.

Außer diesen beiden Salzströmen, Saalen, hat Deutschland aber auch noch andere, deren Namen auf Salzquellen hindeuten, da ist die Salza (Salzach) und Saala und die Sulzbach in Osterreich und im Bayernland. An der österreichischen Salza liegt die bedeutende Stadt Salzburg mit ihrer stattlichen Feste, und ihr nahe liegt der berühmte Salzort Hallein. Ein anderer Fluß, Salzbach, ergießt sich in den Rheinstrom. All diese Ströme und Flüsse waren den Urvätern heilig, und Salz und Brot waren es nicht minder; Salz zu verschütten galt für eine ungünstige Vorbedeutung, Brot unnütz zu verwüsten für eine Versündigung. Salz und Brot mit jemand zu essen, war Zeichen des Friedens und der Gastlichkeit, ja selbst ein deutsches Sprüchwort sagt aus, man solle keinem eher trauen, bis man eine Metze Salz mit ihm gegessen habe, wozu eine gute und lange Zeit des gegenseitigen Bekanntseins und Zusammenlebens gehört.

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822. Vom Kloster Theres und Adalberts des Babenbergers Grab

822. Vom Kloster Theres und Adalberts des Babenbergers Grab

Zwischen Schweinfurt und Haßfurt lag vorzeiten ein stattliches Schloß, das gehörte dem Grafen Adalbert von Babenberg, der auch ein Kloster allda gegründet hatte, das führte den Namen Sondernshus. Diesen Adalbert verriet auf eine schändliche Weise jener Bischof Hatto von Mainz, den die Mäuse bei lebendigem Leibe gefressen haben. Adalbert hatte den Bruder des Königs Ludwig im Kampfe erlegt, und der König belagerte ihn in seiner hohen Feste, der Babenburg über Bamberg, und Hatto war des Königs Ratgeber und Kanzellar. Der ging als Abgesandter hinauf auf die Babenburg und beredete den Grafen zu einer persönlichen Zusammenkunft mit dem Könige und verhieß ihn vor dem Essen wieder sicher und ungefährdet auf die Burg zurückzubringen. Da sie nun hinabstiegen, ward es dem Hatto flau, und klagte sich Heißhungers, da er noch nüchtern, so lud ihn Adalbert zur Umkehr in die Burg ein, erst etwas zu frühstücken. Dann gingen sie hinab in des Königs Lager, und der König ließ den Grafen alsobald verstricken. Adalbert klagte über den Treuebruch und berief sich auf Hattos Zusage freien und sicheren Geleites zurück auf die Burg, da sprach der lügnerische Pfaff: Hab‘ ich dich nicht, wie ich versprochen, vor dem Essen ohne Gefährde wieder auf deine Babenburg zurückgebracht? – Und da ließ der König Ludwig den Grafen Adalbert zur Sühne seines Bruders Konrad gleich im Lager enthaupten, andere sagen, es sei dies in Adalberts Schloß Sondernshus geschehen, denn alldort liegt er begraben. Der König Ludwig hatte Adalberts Leichnam nach der Enthauptung in den Main werfen lassen, davon kam schnelle Kunde nach Adalberts Schloß, da sammelte sich die Dienerschaft am Strom, und als der Leichnam geschwommen kam, riefen sie weinend: Der is! der is! (der ist es) – und davon wurde Hernachmals das Schloß und Kloster Theris und Theres genannt. In der Klosterkirche wurde Adalbert feierlich beerdigt und ihm ein stattliches Epitaphium errichtet; es stand an der Wand, linker Hand gegen den Hochaltar, und der Graf war darauf abgebildet in seinem Harnisch und lebensgroß, stehend auf einem liegenden Löwen, und darum oder darunter die Worte: Anno Domini DCCCCVIII obiit nobilis Alberrtus comes de Babenberg qui hic incinneratus monasterii hujus fundator opum quantam dator, cujus anima requiescit cum sanctis. Amen. (Im Jahre des Herrn 908 starb der edle Albert, Graf von Babenberg, dessen Asche hier beigesetzt wurde, dieses Klosters Gründer, ein Geber reicher Güter, dessen Seele ruhe mit den Heiligen. Amen.) Nach der Zeit ist die Kirche samt dem Kloster neu gebaut worden, und man weiß nicht, wohin das Epitaphium gekommen. Von Adalberts Grab hat sich die Sage erhalten, daß dasselbe ein kostbares, reich mit Schätzen gefülltes und noch nicht wieder aufgefunden sei. Alte Leute geben an, wenn man im Tore des Klosterhofes gestanden und zwischen zwei Säulen, die einen Betstock gebildet, hindurchgeschaut habe, so habe man die Linie der Richtung gehabt, in welcher sich das Grab befinde. Noch soll der alte doppelsäulige Bildstock ohnweit des ehemaligen Klosters vorhanden sein, man weiß aber nicht, ob er noch auf der alten Stelle steht. Im Klosterhofe steht ein neuerer schöner Bildstock, zwei Säulen tragen ein Bild der Kreuzigung mit einem geteilten Wappenschilde, darinnen St. Veit und ein Saitenspiel, welches ein Abtshut krönt. Gerade durch die Säulen geht der Meridian, und wer durch sie hindurchblickt, blickt über Adalberts Begräbnisstätte.

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823. Die Ritterkapelle in Haßfurt

823. Die Ritterkapelle in Haßfurt

Am obern Ende der Stadt Haßfurt Main, an welcher jetzt die Eisenbahn vorbeizieht, steht die Ritterkapelle, eine geräumige Kirche und Muster deutscher Architektur. Man sagt, die gesamten Edeln des Frankenlandes haben sie erbauen lassen zu einer Grabdenkmalkapelle ihrer Geschlechter, deshalb zieht auch rings um die Kapelle ein Fries von lauter Wappen, und mag wohl kein Adelsgeschlecht in Franken geblüht haben oder noch blühen, des Wappen hier nicht mitgefunden würde. Unter dem Portal und über der Vorhalle wird ein wunderlich Steinbild erblickt, das nennen sie in Haßfurt das Wahrzeichen der Ritterkapelle. Eine männliche nackte Figur ist mit Armen und Beinen so ausgespannt, daß die Glieder die Gradrippen des Gewölbbogens bilden. Das sei des Meisters Bildnis, geht die Sage, der die Kapelle erbaute und die Gesellen betrog. Er soll an seinen Gliedern mit Gewichten also ausgespannt worden sein, die auch an der Steinfigur angebracht sind.

Noch ein anderes Wahrzeichen findet sich an der Außenseite der Kapelle linker Hand, nämlich an einem der nördlichen Pfeiler in ziemlicher Höhe ein Fisch, andeutend, daß einst bei einer Überschwemmung das Wasser also hoch gestanden.

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824. Der Kirchenbau zu Königsberg

824. Der Kirchenbau zu Königsberg

An der schönen neuen Pfarrkirche zu Unser lieben Frauen in Königsberg in Franken, ohnweit Haßfurt, erblickt man außen zwei Steingebilde in lächerlicher Gestalt. Davon wird folgendes erzählt. Der Kirchenbau, bereits l297 begonnen, schritt äußerst langsam vorwärts und verzögerte sich an siebenundsechzig Jahre. Man hatte den Bau einem fremden Meister übertragen, dieser aber zog von dannen, arbeitete anderswo und ließ sich lange mahnen und drängen, den Bau doch zu vollenden; darüber entstand viel Unwillen in der Stadt und üble Nachreden des Meisters, und besonders konnten zwei Bürger und Ratsherrn, die der Kirche gegenüberwohnten, kein Ende ihres Scheltens über den Steinmetzen finden. Eines Tages erblickten die Wächter eine große Männerschar, die von Haßfurt her herannahte, und stießen in die Lärmhörner, denn es dünkte ihnen ein feindliches Heer, das einen Überfall des Städtleins versuchen wollte. Hell blinkte und blitzte es im Strahl der Morgensonne wie Partisanen und Streitäxte von ferne her. Die Bürgerschaft griff zu den Waffen, schickte sich an, den Feind abzuwehren, und sandte einen Abgeordneten entgegen mit der Frage, was des Haufens Begehren sei. Da war es der bestellte Steinmetz mit nicht weniger als vierhundert Gesellen, die er allesamt herbeiführte mit ihrem Werkzeug, Äxten und Beilen, blanken Sägen und Winkelmaßen, die so hell erglänzten. Und nun ging die Arbeit rüstig und wacker vonstatten; da aber dem Baumeister zu Ohren kam, daß die beiden Bürger so übel von ihm gesprochen, brachte er ihre beiden Gestalten an der Kirche auf lächerliche Weise an, darum, daß sie als alberne Philister voreilig über ihn geurtelt.

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825. Die kühne Magd

825. Die kühne Magd

Vor vielen Jahren ist am Breitenweg zu Königsberg, wo man auf Altershausen ins Rod oder auf den Pappelsee zugeht, rechter Hand am Fahrwege gegen die Warte zu eine Kapelle zur Ehre Unser lieben Frauen erbaut worden. Schon im vierzehnten Jahrhundert wird ihrer gedacht. Im Jahre 1535 wurde sie bei einer Kirchenvisitation vom Stadtrat den Kastenpflegern zum Aufbau einer Hofstätte bewilligt und deshalb abgebrochen.

Von vielen Leuten wird für gewiß ausgegeben, daß bei dieser Kirche eine denkwürdige Geschichte sich ereignet habe. Was die Zeit betrifft, so läßt sich aus der Erzählung der Leute vermuten, daß es nach der Reformation, da die Kapelle ohne Gebrauch und ohne Kapellmann gewesen, geschehen sei. In der Vorstadt vor dem Haßfurter Tor hatten die jungen Dirnen eine Spinnstube. Nun kam das Gespräch auf die Kapelle, von der man immer sagte, daß es darin nicht geheuer sei, und das mutwillige Volk sprach, wer zur Kapelle laufe und ein Wahrzeichen zurückbrächte, solle ein neues Kleid bekommen. Eine kühne Magd lief auch wirklich in der finstern Nacht zur Kapelle, da erblickt sie vor der Türe ein Pferd mit einem Bündel und vernimmt aus der Kirche ein großes Gewinsel und Wehklagen, sie schneidet jedoch den Bündel vom Pferd und eilt heimwärts. Unterdessen kommt ein Reiter ihr stracks nachgeritten, und die Magd verbirgt sich in der größten Angst hinter einem am breiten Weg liegenden Düngerhaufen. Als der Reiter vorbeigesprengt, eilt, vor Furcht am ganzen Leibe zitternd und schreckenbleich, die Magd in die Spinnstube, öffnet den Bündel, da finden sich darin allerlei Kostbarkeiten, Gold, Perlen und dergleichen, wie auch Briefe, woraus sie denn ersehen, daß eine reiche Jungfrau verreisen wollte, aber von ihrem Gefährten, dem treulosen Knecht, in der Kapelle ermordet wurde.

Diese Sage wiederholt sich mit mancher kleinen Abwandlung da und dort. Auch vom Dorfe Schwarza bei Meiningen, allwo Frau Holle mit dem treuen Eckart durchzog, soll sich mit einem Mädchen in der Kirchhofkapelle das gleiche begeben haben. Der nacheilende Reiter hieb noch mit seinem Schwerte Schrammen in die Haustürpfosten.

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812. Die Bilseiche

812. Die Bilseiche

Bei Albertshofen im Forst, zwischen Kitzingen und Dettelbach, ist ein verrufener und unheimlicher Platz von ziemlicher Ausdehnung, den man insgemein die Bilseiche nennt. In der Mitte dieses Platzes standen drei große uralte Eichen, von denen in neuerer Zeit zwei gefällt sein sollen, eine davon steht aber noch, und man nennt sie die Bils- oder Bildseiche. In der alten Heidenzeit sollen auf jenem Platze große Versammlungen gehalten und Opfer errichtet worden sein. Jetzt lärmt und pfeift es dort oft, als wenn der wilde Jäger an der Stätte hausete, und niemand betritt, ohne Schauer zu empfinden, diesen Platz. Nicht weit davon ist ein Brunnen, welcher der Weihbrunnen heißt, da sollen in uralten Zeiten besondere Weihungen vorgenommen worden sein. Dieses Wasser rühmt das Volk als sehr gut und heilkräftig gegen Fieber.

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813. Casteller Sage

813. Casteller Sage

Auf der alten Burg Castell in Franken, dem Stammhaus eines noch blühenden Reichsgrafengeschlechtes, haben die Geister keine Bewohner geduldet. Die Herrschaft hat sich’s vieles Geld kosten lassen und hat Leute droben schlafen lassen, aber niemand hat vermocht, es auszuhalten, und so ist die alte Stammburg verlassen worden und verfallen.

In dieser Burg Castell ist ein Brunnen, des Tiefe reicht von der Bergeshöhe bis zum Grunde und hat Zusammenhang mit dem Gründlersloch. Eine Ente, welche in den Casteller Schloßbrunnen gelassen ward, kam im Gründlersloch wieder zum Vorschein, eine halbe Stunde weit von dem Schlosse. Dieses Loch duldet keine Leichname, obschon sich viele darin ersäuft haben, es läßt auch keinen Stein in sich niedersinken, sondern wirft ihn aus. Dabei ist’s unergründlich.

Bei Gereuth oder Greuth, ganz nahe bei Castell, ruht im Schoß der Erde ein versunkenes Dorf. Auch dessen Glocke, wie die so vieler andern, wühlten Schweine aus.

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814. Eule legt Dukaten

814. Eule legt Dukaten

Zu Prichsenstadt in Franken hat vordessen ein Mann gewohnt, der hatte in seiner Oberstube, wie allgemein die Rede ging, eine Ohreule, die legte ihm alle Tage, wie ein Huhn sein Ei legt, einen Dukaten. Das war hübsch von der Eule, aber umsonst geschieht dergleichen Wunder nicht, und mochte wohl ein Aber mit selbem Nachtvogel haben. Der Mann hatte nun Geldes vollauf, denn die fleißige Eule hatte jahrelang gelegt und starb nicht, und der Mann hatte endlich Gründe, zu wünschen, die Eule los zu sein, denn es war die Zeit bald um. Und da dachte er, du willst die Eule wegschenken, und als einstmals eine Frau zu ihm kam, die einen Tragkorb auf dem Rücken hatte, so setzte er ihr die Eule heimlich in den Korb. Aber siehe da, plötzlich sank die Frau in die Kniee und schrie: Ach was Schweres liegt denn in meinem Korbe? und riß den Korb von der Schulter und schaute in die tückischen feurigen Augen des Ungetüms und schrie: Jesus, Maria, Joseph! – Da fauchte die Eule, gleich einer Katze, und flog aus dem Korbe, und die Frau raffte ihren Korb an sich und entwich. Nachher hat der Mann die Eule behalten müssen und konnte sie nimmermehr loswerden, nicht verschenken, nicht verkaufen, nicht töten, und als eines Morgens die Türe seines Schlafgemachs lange verschlossen blieb und er nicht zum Vorschein kam, so ward die Türe erbrochen, und da lag er tot auf seinem Lager, und die Eule saß auf seinem blutigen Kopfe und hatte ihm die Augen ausgehackt, als welches gar schrecklich anzusehen war, und war so groß wre der größte Steinadler und flog durch die geöffnete Türe alsbald fauchend von bannen. Für solche Eule lobt sich doch wohl mancher die Dukatenmännchen, die sie zu Nürnberg und Sonneberg machen, die fügen keinem ein Leid zu und bringen auch die Seele in keine Gefahr, dafür legen sie auch keine Dukaten, sondern tun nur so.

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