851. Der Krötenberg

851. Der Krötenberg

Im Landgerichte Rottenburg, zwischen Landshut und Abensberg, liegt im Biebertale ein kleines Kirchdorf, Nordholz geheißen, und nahe dabei ein Berg, der eine Burgtrümmer trägt, allwo ein ritterliches Geschlecht gleichen Namens hauste. Mit diesem Berge hat es eine sondere Beschaffenheit; alljährlich im Maimond gebiert er – nicht Mäuse gleich dem kreisenden Berge des Sprüchworts, sondern eitel Kröten. Scharenweise wie aus einer Quelle schwulgern sie hervor und purzeln und patschen übereinander in Haufen den Berg hinab und rauschen und rascheln im Laub und Gesträuch. Drunten ist ein Weiher, da ziehen sich die Kröten hinein, und binnen drei Tagen ist der so voll, daß er überläuft, und da laufen die Kröten auch mit über und statten der nahen Mühle Besuch ab, verbreiten sich über Hof und Garten, in Stuben und Keller, Kammern und auf den Boden und machen das Haus fast unbewohnbar. Niemand weiß, woher der so plötzliche Zuspruch, item, die Kröten sind da, und niemand tut ihnen etwas, denn – das ist die Hauptsache – je mehr ihrer kommen, je willkommener sind sie, weil sie prophetische Tiere sind, nämlich Vorboten einer reichen Getreideernte, wenn sie in recht großer Zahl erscheinen, wie der Heerwurm auf dem Thüringer Walde. Nach drei Tagen verlieren sie sich, ohne daß man gewahrt, wo sie hinkommen; zurück in den Berg gehen sie nicht, derselbe hat aber von dieser seltsamen Naturerscheinung den Namen Krötenberg erhalten.

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852. Die Abensberger Schar

852. Die Abensberger Schar

Da Kaiser Heinrich II. zu Regensburg Hof hielt, stellte er ein Jagen an in den Forsten zwischen Regensburg und Abensberg und lud dazu die benachbarten Edeln, doch mit dem Gebot, es möchte ihrer keiner mehr denn nur einen Diener mitbringen, sintemalen es schien, als sei der Kaiser freigebiger gegen die Pfaffen gewesen als gegen die Jäger. Siehe, da nahete dem Hoflager im Walde von Avensberg her eine starke und stattliche Männerschar, alle in guter Jagdwehr und hoch zu Roß, und große Dienerschaft lief neben den Rossen. Wer nahet dorten mit so vielem Gefolge? fragte der Kaiser, und die Antwort lautete: Graf Babo ist’s, der Abensberger. – Da nun der Graf nahe herzuritt, sah ihn der Kaiser ungnädig an und fragte: Du hast wohl Unser Gebot nicht vernommen oder verstanden, daß du so viele Mäuler uns ins Lager führest? – Darauf sprang Graf Babo vom Roß und beugte seine Kniee vor dem Kaiser und sprach: Hoher Herr! Du hattest die Gnade, mir und meinen Söhnen zu erlauben, dem Jagen beizuwohnen. Jeder von uns kommt selbander nur mit einem Diener! – Das sind ja über sechzig Mannen! rief der Kaiser. – Ja, hoher Herr! Es sind unserer sechsundsechzig! erwiderte mit heiterer Miene Graf Babo. Und da traten zweiunddreißig Männer, Jünglinge und Knaben, die indes von ihren Rossen gestiegen waren, und knieten nieder, und Babo sprach: Siehe, hoher Herr, das sind alle meine lieben Söhne, die und noch acht Töchter habe ich mit zwei Frauen erzeugt in Gottes Hülfe und die Söhne erzogen zu deinem Dienst, und übergebe und widme sie dir mit Leib und Leben! – Das laß ich gelten! rief der Kaiser, sind das deine Söhne, ei, so sollen es auch meine Söhne sein. Einem ist die Natur freigebig, einem ist sie karg. – Und reichte einem jeden der zweiunddreißig die Hand, und dem Vater zu allererst, und verhieß ihnen Schlösser und Lehen, ihren gräflichen Stand wohl fortzuführen.

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853. Die heilige Stilla

853. Die heilige Stilla

Aus dem Geschlechte der Grafen von Abensberg ging eine fromme Maid hervor, deren Name war Stilla. Sie war die Tochter Wolfram II. Stilla erbaute eine Kapelle unfern Abensberg in die Ehre Sankt Peters und stiftete mit ihren Brüdern Rapoto und Konrad das Kloster Heilsbronn. Stilla gelobte dem Himmel ewige Keuschheit, besuchte täglich im Geleit ihrer Frauen ihren Andachtsort und hätte nichts lieber gehabt, als auch an dessen Stätte ein Kloster erstehen zu sehen. Sie teilte mit dem heiligen Sebald ganz ein und dasselbe Sehnen, da zu ruhen, wohin weiße Stiere ihren Leichnam ohne Führer ziehen würden. Diesen Ort bezeichnete auch bereits ein Handschuh, den Stilla in die Luft warf, aber nicht im Zorn wie die thüringische Sophia oder Alberade von Banz, sondern in lauterer frommer Zuversicht, und der Handschuh war, einer weißen Taube gleich, nach ihrer Kapelle zugeflogen und hatte auf diese sich niedergelassen. Da nun Stilla gestorben war, sollte sie in das Kloster gen Heilsbronn begraben werden, aber da taten die Dienerinnen deren letzten Willen kund, und so ward derselbe befolgt, und das weiße Stiergespann zog ihre Leiche ohne Lenker zu ihrer Kapelle hin. Danach ist auch ihr heißer Wunsch noch erfüllt und an deren Stätte ein Frauenkloster erbaut worden, welches den Namen Marienburg empfing. Rechts beim Eingang in die Klosterkirche erblickt man Stillas Grab, und geschahen allda viele Wunder, und wurde Stilla als Heilige vom Volke verehrt, gleichwie die preußische Dorothea, obschon kein Papst sie kanonisierte; aber Bischof Rainboto von Eichstätt hatte in der Peterskapelle ihr zu Ehren einen Altar errichtet und geweiht.

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854. Sankt Emmeran

854. Sankt Emmeran

Was der heilige Sebald für Nürnberg ward, hochverehrter Wundertäter, segenwirkender Schutzpatron und gefeierter Heiliger, das alles wurde Sankt Emmeran für die freie Reichs- und Reichstagstadt Regensburg, von der die Rede geht, daß sie so viele Kirchen und Kapellen gehabt als das Jahr Tage. Der heilige Emmeran oder Heimeran stammte aus Guienne und war Bischof von Poitiers. Aus Neigung, die Heiden zu bekehren, kam er nach Deutschland und nach Bayern. In diesem Lande hatte zwar der heilige Rupert bereits den Samen des Christentums ausgestreut, jedoch noch nicht an allen Orten, und Theodo V., der Bayerherzog, bat Sankt Emmeran, das gottselige Werk fortzusetzen. Herzog Theodo hatte eine schöne Tochter namens Utha, und Utha hatte einen Liebsten namens Siegebald, und der hatte den Namen mit der Tat, er hatte bald gesiegt, und zwar allzubald, und war darüber bei Utha großes Herzeleid, und wußte sich keines Rates, fürchtete vielmehr, daß der Zorn ihres Vaters und Bruders sie und ihren Geliebten töten würde. Da entdeckte sie sich dem heiligen Emmeran, und der fromme reine Mann war von so himmlischer Güte, daß er ihr den Rat gab, sie möge ihn als Täter nennen. Ob er nun glaubte, die Sache damit minder schlimm für Utha zu machen und der Rache zu entgehen, da er gerade im Begriff war, gen Rom zu reisen, oder ob er sich nach dem martervollsten Tode sehnte, weiß man nicht. Er reiste ab, und die geängstigte Utha befolgte seinen Rat. Zornentbrannt warf sich alsbald Landopert, ihr Bruder, mit einer Schar Mannen aufs Roß und setzte dem frommen Pilger nach, holte ihn auch bald genug zwischen dem Inn und der Isar beim Dorfe Helfenburg ein und schrie ihn spöttlich an: Ei guten Tag, Bischof! Ei guten Tag, Herr Schwager! – ließ alsbald Emmeran greifen, auf eine Leiter binden, ihm die Hände und Füße abhauen, die Nase und Ohren abschneiden, die Augen ausstechen und den verstümmelten noch lebenden Körper in die Sonne stellen. Als die grause Tat geschehen war, wurden zwei Männer sichtbar, welche eilig die abgelösten Gliedmaßen des heiligen Mannes sammelten und vor den Augen der Mordknechte verschwanden, und zu dem wahnbetörten Landopert trat Wolflet, ein Geistlicher, dem Emmeran alles vertraut und seinen Tod vorausgesagt hatte, und welcher, als die Mordtat geschah, nicht beihanden war, hätte sie auch schwerlich hemmen können. Nun freilich ward Landopert die übereilte grausame Tat von Herzen leid, war aber einmal geschehen, und wurde der Körper erhoben und gen Regensburg geführt, und da fuhr die Seele aus dem Munde des Gemordeten wie ein rosenroter Blitzstrahl und fuhr gen Himmel. An dem Orte des Mordes wölbte sich von selbst ein grüner Hügel, wie ein Grab, und geschahen daselbst unzählige Wunder. Der heilige Leichnam wurde zu Regensburg in St. Georgen beigesetzt, und Landopert erbaute zur Sühne und zur Buße seiner Untat das berühmte Stift St. Emmeran. Solches alles hat sich begeben im Jahre des Herrn 652, da noch die Agilolfinger in Bayern herrschten. Ob des heiligen Mannes schuldloser und blutiger Opfertod der Prinzessin Utha zugute gekommen, meldet die Sage nicht, aber der Stadt Regensburg ist dieser Tod zu hohem Glück gediehen bis zur Zeit, da in Kostnitz das Konzil war und der Huß verbrannt wurde. Da sind in Regensburg zwei Geistliche gewesen, die haben es laut gesagt, daß dem Huß zu viel geschehen sei. Da wurden diese beiden ergriffen und ihnen auch gleichwie dem Huß getan, und ward damals der Ketzerturm erbaut. Von dieser Zeit an, erging die Sage, habe man bemerken wollen, daß sich das Glück dieser Stadt gar merklich verkehrt und ins Abnehmen gekommen.

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84. Der Heiligen Gräber

84. Der Heiligen Gräber

Im Mosellande beim Dorfe Chau steht eine dem heiligen Eucharius geweihte Kapelle. Sankt Eucharius war ein Sohn des Königs Baccius von Catalonien und der Lientrudis, dessen Gemahlin. Dieses fromme Paar gab aber nicht nur dem heiligen Eucharius das Leben, sondern auch dem heiligen Eligius, der heiligen Liberia, der heiligen Susanna, der heiligen Memia, der heiligen Oda und der heiligen Gertrudis. Alle diese Heiligen wurden mit vielen Edlen dieses Gaues durch die wilden Vandalenhorden, welche Julianus Apostata in das Land führte, umgebracht, an der Zahl zweitausendzweihundert, und das geschah im Jahre 262 nach Christi Geburt, am 10. Mai. So wurde jene Gegend ein großer Totenhof, und die alte Kapelle an der Mosel, Chau gegenüber, wurde zum Grabstein der frommen Märtyrer und bewahrt auf Gedenktafeln das Gedächtnis derselben der Nachwelt auf.

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849. Schweppermanns Eier und Grab

849. Schweppermanns Eier und Grab

Ohnweit Amberg in der bayrischen Oberpfalz, im Kloster Castel, ruht der fromme Schweppermann, der war Feldmarschall Kaiser Ludwigs des Bayern, tapfer und bewährt, und half ihm vornehmlich zum Siege wider seinen Gegenkönig, Friedrich den Schönen von Österreich. Da nun die Siegesschlacht geschlagen war, darin Friedrich der Schöne gefangen worden, so sprach der Sieger zu dem Besiegten: Seid gottwillkommen, Herr Vetter! Wir sehen Euch gerne – und behandelte ihn mild und gütig. Wie es nun an des Königs Tafel wenig zum besten war, denn die Kriegsgurgeln hatten allen Vorrat aufgezehrt, und gab nur Eier, und auch deren nur ein einziges mehr, als Personen an der Tafel saßen, so überzählte sie der Kaiser, nahm zwei Eier, legte diese auf Schweppermanns Teller und sprach:

Jedem ein Ei,
Dem frommen Schweppermann zwei.

Als nun Schweppermann gestorben und begraben war, da wurde ihm diese schöne Grabschrift gesetzt:

Hie liegt begraben Herr Seyfried Schwepperman
Alles thuns wandel an (makellos)
Ein Ritter keck vnde fest
Der czu Grundersdorf thät das best
Er ist nu tod
Dem genate got
Jedem eyn ey
Deme frommen Schwepperman zwey.

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841. Die Waldjungfrauen

841. Die Waldjungfrauen

In der Nähe des Städtchens Baiersdorf zwischen Erlangen und Forchheim liegt ein Wald und in dem Wald ein Quell, aus diesem kamen, so erzählen alte Leute, zum öftern Jungfrauen in die Stadt von holdseliger Gestalt und Gebärde. Sie wohnten den Tänzen der Jugend bei und erfreuten auch mit süßem Gesang die Zuhörer. Da traf sich’s wohl bisweilen, daß eines Jünglings Herz in Liebe kam gegen diese zarten Mädchen, und daß er ihnen nachfolgte, wenn sie zum Wald zurückgingen. Oder es trieb auch manchen die Neugier hinaus in den Wald, zu erspähen, in welchem Schloß oder Haus diese Huldinnen wohnten, doch hat es keinem Glück gebracht, der ihren Spuren folgte. Die Liebenden kehrten meist in sich gekehrt und tiefsinnig zurück; einer sprach, ein anderer lachte nie mehr, ein dritter fiel in schwere Krankheit des Gemüts, daran er starb. Die Neugierigen wurden geschreckt durch häßliche Waldgespenste und empfingen zum Teil allen Übeln Lohn des Vorwitzes. Daher wurde es bald im Volke üblich, die Kinder zu warnen, zumal abends, nicht in den Wald zu gehen oder im Walde einer Jungfrauenerscheinung nachzuwandeln, weil es Unglück bringe. Heutzutage sieht man die Waldjungfrauen nicht mehr und hört nichts mehr von ihnen.

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842. Die Spinnerin

842. Die Spinnerin

Die Spinnerin, so nennt das Volk eine romantische Felsengruppe zwischen Westheim und Dochstätten, nicht weit von Marktbergel in Mittelfranken gelegen. Einst ging vom nahen Wessachhof ein junges Mädchen mit ihrem Rocken im Arm nach Westheim spinnen; in der Spinnstube ging es lustig her, und sie blieb ungewöhnlich lange trotz der Warnung ihrer Eltern, nicht über zehn Uhr auszubleiben – es war aber schon zwischen elf und zwölf Uhr, als sie ihren Nachhauseweg antrat, und weil es ungewöhnlich finster war, hatte sie die Begleitung zweier junger Bursche angenommen. Als nun die drei über die Felsen und Abgründe dahinschritten, wurde es so stockfinster, daß sie keinen Weg und Steg mehr sahen. Darüber begannen die beiden Bursche zu fluchen und zu lästern und riefen den bösen Feind zu Hülfe, während das arme Mädchen ängstlich schrie und klagte. Der Teufel ließ gar nicht lange auf sich warten, er erschien, packte die Lästerer, drehete ihnen die Hälse um und warf sie in die Schluchten hinab. Die arme Spinnerin aber war vor Schreck und Graus auf der Stelle des Todes und stürzte ebenfalls in den Abgrund. Sie spukt heute noch dort; die Wanderer, welche zur Abendzeit des Weges kommen, die führt sie irre. Zuweilen hören sie auch das wütende Heer über sich vorüberziehen. Noch in neuerer Zeit geschah dies einem jungen Mann, der seine Verwandten besuchen wollte; er mußte die ganze Nacht gehen, und früh war er ebenso weit von dem Ort entfernt, den er besuchen wollte, als des Abends vorher, ohnerachtet er den Weg genau kannte. Er klagte seinen Irrgang einem alten Jäger einige Tage daraus! Ja! sagte dieser, da hat die Spinnerin Sie irregeführt. – Diese Spinnerin kann immer noch zufrieden sein, sie wandelt doch noch auf Erden und ist nicht so weit hinweggewünscht wie die Spinnerin im Mond.

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843. Der Petersberg

843. Der Petersberg

Von dem steilen Petersberg oder Werberg bei Marktbergel gehen viele Sagen im Munde des Volks. In der Nacht auf den ersten Mai, so lautet eine, tanzen die Druden oder Hexen darauf herum; kein ehrlicher Mensch darf es in dieser Nacht wagen, den Berg zu besteigen, sonst wird ihm der Hals umgedreht. Schon in der Heidenzeit soll der Berg berüchtigt gewesen sein; in spätern christlichen Zeiten stand eine Benediktinerabtei darauf, nebst einer Wallfahrtskirche, die von den Päpsten mit großem Ablaß begnadigt war; aber Kloster und Kirche wurden später zerstört, wann, weiß man nicht. Noch finden sich viele Gewölbe und unterirdische Gänge in diesem Berge, einer deren soll in die Kirche von Marktbergel und von da bis ins Pfarrhaus gehen. – Eines Tags wagte ein Mann in diese Gewölbe, welche große Schätze enthalten, einzudringen. Als er hineinkam, sah er alles glimmern und schimmern und steckte sich von den Kostbarkeiten, die seine Augen schier blendeten, so viel in seine Schubsäcke, als nur hineinwollte. Als er nun wieder zu dem Ausgang kam, so fand sich, daß dieser so enge war, daß der Mann nicht herauskonnte, voll Angst drängte er sich dennoch durch die Öffnung, blieb aber in der Felskluft stecken wie jener Gute im Weingartenloch und konnte weder vorwärts noch rückwärts, bis ihm, dem ängstlich um Hülfe Schreienden und Winselnden, einige Leute zu Hülfe kamen; diese rissen ihn mit großer Mühe aus der Spalte, aber seine Kleider hatten sich so dazwischengeklemmt, daß ihm die Taschen davon abrissen und im Berge zurückblieben, in ihnen waren nun auch die Kleinodien und Kostbarkeiten. Mußte froh sein, daß er seinen Kopf noch glückhaft wieder ans Tageslicht gefördert sah. Kein Mensch wagte es, wieder in die Kluft hineinzugehen, am wenigsten der, dem der Gang in das Bergesinnere so übel bekommen war, der verlangte all sein Lebetage nicht wieder hinein.

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844. Kaiser Karl im Brunnen und im Berge

844. Kaiser Karl im Brunnen und im Berge

Eine Fürstin unter den Städten ist Nürnberg, sie war der deutschen Kaiser liebste Tochter, des fränkischen Reiches Krone und Thüringens Vormauer. Nürnberger Tand ging durch alle Land. So klang und klingt der alten freien Reichsstadt Lob von einer Zeit zur andern. Auf dem Markt zu Nürnberg steht der schöne Brunnen, mit herrlichem Bildwerk geziert und vom künstlichen Gitter umgeben. Der Brunnen soll sechzehnhundert Schuh tief sein, nach andern nur dreihundert, die Kette, an der die Eimer hangen, wiegt dreitausend Pfund. In dieses Brunnens Tiefe hat Kaiser Carolus Magnus sich verwünscht, da drunten der Welt Ende zu erwarten. Einst ließen die Herren von Nürnberg einen Verbrecher in die Tiefe des Brunnens hinab, der sahe Carolum drunten sitzen an einem Steintisch, wie den Barbarossa im Kyffhäuser. Der Bart war durch den Tisch hindurchgewachsen und reichte schon zweimal um den Tisch herum. Wann er zum dritten umreicht, wird der Welt Ende vor der Türe sein.

Nicht weit von Nürnberg erhebt sich der Kaiser-Karlsberg, auch in diesem soll der Kaiser Karl sitzen und auf der Welt Ende harren mit allen seinen Wappnern. In frühern Zeiten ward aus dem Berge oft ein schöner Gesang vernommen – da waren die Zeiten noch gut –, jetzt hört man aus ihm nur noch klagendes Weinen, weil die Zeiten so schlecht sind. Damit besagtes Weltende nicht allzu schnell herbeirücke, als welches schrecklich und sehr störend wäre, so muß des Kaisers Bart siebenmal um den Tisch wachsen, und da sich nun die Leute darüber gestritten und noch streiten, ob der Bart des verzauberten Kaisers dreimal oder siebenmal um den Tisch wachsen müsse, so ist davon das Sprüchwort entstanden, wann über unausgemachte Sachen nutzlos gestritten wird: es ist ein Streit um des Kaisers Bart. Die Sage geht, ein Bäckerjunge aus Fürth habe einst, wie dort der Semmelknabe im Guckenberge, durch einen Gang Brot in den Kaiser-Karlsberg gebracht, es sei ihm aber auch gleich jenem ergangen, oder noch schlimmer, denn als er das Geheimnis zu entdecken gezwungen worden, sei er zum letzten nicht wiedergekehrt, und nur seine Kleider seien zerstückt außen am Berge gefunden worden.

Aus dunkler Mythenzeit klingt schon die Sage herein, daß ein König Noro im Berge verzaubert sitze, der habe der Stadt ihren alten Namen verliehen: Nor im Berg; aus seines Namens spätem Nachhall ist aber ohne Sinn Nero geworden, ein prächtig Fündlein für die Diftler, die nun gleich die Stadt vom Römerkaiser Nero gründen ließen, denn römisch mußte diesen klassischen Narren alles sein, was gelten sollte, Deutsches paßte nicht in ihren gelahrten Kopf, Kropf und Zopf.

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