Wahrscheinlichkeit

Wahrscheinlichkeit ist ein Grad der Gewißheit, wobei die Gewißheit unterschiedliche Gründe haben kann.

Nach Platon ergibt bloße Wahrnehmung nicht Wahrheit, sondern Wahrscheinlichkeit (Tim. 78).

Arkesilaos hält die Erkennten der Wahrscheinlichkeit für möglich. Sie soll insbesondere für das Handeln maßgebend sein.

Ebenso wie Arkesilaos hielt Karneades Erkenntnis der Wahrheit für unmöglich, räumte aber ein, dass es Wahrscheinlichkeiten gebe.

Karneades unterschied drei Grade der Wahrscheinlichkeit:

  1. das einfach Wahrscheinliche
  2. das Wahrscheinliche und Widerspruchsfreie
  3. das Wahrscheinliche, Widerspruchsfreie und Prüfbare

Aristoteles studierte bereits Syllogismen mit wahrscheinlichen Urteilen.

Locke unterteilt die Erkenntnisse in Wissen und in wahrscheinliche Kenntnisse. Wissen liegt vor, wenn die Verbindung zweier Ideen nachgewiesen werden kann. Wenn der Zusammenhang zwischen Ideen nur ungenau nachgewiesen werden kann und erst durch Argumente beschrieben werden muss, haben die Kenntnisse nur einen höheren oder niedrigen Grad der Wahrscheinlichkeit.

Hume versteht unter probability den Grad der Gewißheit, dem noch Ungewißheit anhaftet. Hume unterscheidet:

  1. die Wahrscheinlichkeitserkenntnis, die sich auf die Betrachtung des Zufalls gründet, und
  2. die Wahrscheinlichkeitserkenntnis aus Ursachen.

Leibniz betrachtete das Fehlen einer Abstufung der Wahrheit nach Wahrscheinlichkeiten als einen Fehler der klassischen Logik. Für ihn ist die Wahrscheinlichkeit ein Maß für die Kenntnis eines Objektes.

Als klassische Wahrscheinlichkeit bezeichnet man die auf Laplace zurückgehende Definition der Wahrscheinlichkeit als Quotient aus der Anzahl der günstigen Fälle und der Anzahl aller möglichen Fälle.

Die statistische Wahrscheinlichkeit entstammt der Erfahrung. Zählt man bei häufiger Wiederholung eines Experimentes, wie oft ein bestimmtes Versuchsergebnis eintritt, und teilt diese Zahl durch die Anzahl der Versuche, so erhält man die relative Häufigkeit des Ereignisses.

Kiesewetter bezeichnet die klassische Wahrscheinlichkeit als logische Wahrscheinlichkeit, Fries und Bernoulli nennen sie mathematische Wahrscheinlichkeit, Windelband nennt sie wissenschaftliche Wahrscheinlichkeit.

Die statistische Wahrscheinlichkeit nennt Kiesewetter reale Wahrscheinlichkeit. Bernoulli nennt sie empirische Wahrscheinlichkeit.

Die philosophische Wahrscheinlichkeit geht nach Fries von allgemeinen Grundsatz aus, die schon aus einem einzigen Fall einen Induktionsschluß ermöglichen. Eine philosophische Wahrscheinlichkeit besteht darin, dass wir eine Behauptung mit ihren Gründen vergleichen und, ohne diese vollständig erhalten zu können, doch überwiegende Gründe dafür haben.

Für die Kohärenztheorie scheint der Wahrscheinlichkeitsbegriff von Volkmann von besonderem Interesse. Er schreibt: "Wir halten für wahr, wovon wir vollkommen überzeugt sind. Kommt kein Prädicat zu diesem absoluten Vorzug, nimmt aber gleichwohl eines von ihnen den übrigen gegenüber den relativ höchsten Klarheitsgrad dauernd ein, dann nennen wir das Urteil, das dieses Prädicat dem Subjecte beilegt, wahrscheinlich" (Lehrb. d. Psychol. II 4, 297). Damit entspricht der Wahrscheinlichkeitsbegriff weitgehend meinem Begriff der Rechtfertigung.

Diesen beiden objektiven Begriffe der Wahrscheinlichkeit (mathematische und statistische Wahrscheinlichkeit) steht die subjektive Wahrscheinlichkeit, d. h. der Grad der Neigung, etwas für wahr zu halten, gegenüber.

Die Unterscheidung von objektiver und subjektiver Wahrscheinlichkeit geht wahrscheinlich auf Hofbauer zurück (Logik, § 419).

Insbesondere Mill vertritt einen subjektiven Wahrscheinlichkeitsbegriff. Für ihn ist Wahrscheinlichkeit "nicht eine Eigenschaft des Ereignisses selbst, sondern ein bloßer Name für die Stärke des Grundes, wonach wir dasselbe erwarten" (Logik II, 67).

In der heutigen Wahrscheinlichkeitstheorie verwendet man heute gewöhnlich keine expliziten Definitionen, sondern Axiomensysteme.

Carnap unterscheidet zwei Begriffe der Wahrscheinlichkeit:

  1. der Grad der Bestätigung einer Hypothese durch Tatsachenaussagen,
  2. die statistisch ermittelte durchschnittliche Häufigkeit mit der ein bestimmter Fall eintritt.