Karneades von Kyrene (214 – 129 v.u.Z.)

Karneades war der vierte Nachfolger des Arkesilaos in der Leitung der Akademie. Sein Lehrer Hegesinos von Pergamon war Schüler des Euandros, der wiederum Lakydes, den Schüler des Arkesilaos, gehört hatte [1].

Neben Hegisinos zählt der Stoiker Diogenes von Babylon zu den Lehrern von Karneades. Er unterrichtete ihn in Dialektik. [2].

Auch Philo soll – so Hieronymus – Lehrer von Karneades gewesen sein.

Besonders gründlich studierte er die Schriften der Stoa. Diogenes Laërtios berichtet, dass Karneades gesagt habe: "Wenn Chrysipp nicht wäre, dann wäre auch ich nicht." [3].

Diogenes Laërtios berichtet, dass Karneades von der Philosophie so fasziniert war, dass er darüber vergessen habe, seine Haare und Nägel zu schneiden. [4].

Karneades selbst hat nichts geschrieben. Seine Lehre wurde von seinem Schüler und Nachfolger Kleitomachos aufgezeichnet.

Sextus Empiricus lässt mit Karneades die "Neue Akademie" beginnen [5].

Das bekannteste Ereignis aus dem Leben des Karneades ist sein Auftritt im Jahr 155 in Rom. Athen hatte die attische Küstenstadt Oropos überfallen und geplündert. Die Bürger wandten sich an Rom mit der Bitte um Beistand, und das von Rom zum Schiedsrichter eingesetzte Sikyon (norwestlich von Korinth) verhängte 500 Taler Strafe über Athen. Daraufhin schickten die Athener die drei bekanntesten Philosophen, Karneades, den Stoiker von Babylon und den Peripatetiker Kritolaos, nach Rom. Sie erreichten, dass die Strafe auf 100 Talente herabgesetzt wurde [6].

Karneades demonstrierte seine Kunst, mit gleicher Überzeugungskraft für und gegen eine Sache zu sprechen. An einem Tag trug er ein Verteidigung der Gerechtigkeit vor, um am Tag darauf alles umzustoßen und die Gründe gegen die Gerechtigkeit vorzutragen [7].

Für Sextus Empiricus steht Arkesilaos der pyrrhonischen Skepsis näher als Karneades [8].

Karneades untersuchte als erster die Theorie der Wahrscheinlichkeit sowie die Frage nach der Möglichkeit des Wissens: Urteile können nur Gültigkeit haben, wenn ihre Prämissen gültig sind. Diese hängen aber ihrerseits wieder von der Gültigkeit der eigenen Vordersätze ab, und so fort bis ins Unendliche.

Da Kaneades auch die Existenz eines Wahrheitskriteriums leugnete, kam er zu dem Schluss, dass es Wissen nicht geben könne, und forderte die Enthaltung von jeglichem Urteil.

Das praktische Verhalten solle sich auf die Wahrscheinlichkeit stützen, von der es drei Grade gebe, deren höchsten man im Interesse der eigenen Glückseligkeit anstreben solle.

Karneades kritisierte die Erkenntnistheorie und die polytheistischen Gottesvorstellungen der Stoa.


[1] Luc. 16
[2] Luc. 98
[3] DL IV 62
[4] DL IV 62
[5] PH I 220
[6] Pausanias VII 11, Ciceor, De orat. II 155 [7] Laktanz, Inst. V 14,3-5
[8] PH I 232