Sechstes Kapitel.

Sechstes Kapitel.

Er ist zu empfindlich, zu geputzt, zu geziert und zu dumm;
Er ist aus der Fremde; ich behaupt‘ es kurz um.

Shakespeare.

 

Die Angloamerikaner rühmen sich gern und nicht ohne scheinbaren Grund, daß ihr Volk mit weit mehr Recht sich eine rühmliche Abstammung anmaßen kann, als alle andern Nationen, deren Geschichte Glauben verdient. Wie groß auch immer die Schwachheiten der ersten Anpflanzer gewesen sein mögen, ihre Tugenden sind selten geläugnet worden. Wenn sie abergläubisch waren, so waren sie auch aufrichtig fromm, und folglich gut. Die Ankömmlinge dieser einfachen Provinzialen voll Einfalt des Herzens verwarfen die gewöhnlichen und künstlichen Mittel, wodurch Ehrenbezeugungen in den Familien sich fortpflanzen, und setzten an deren Stelle einen Kampfpreis, der den Einzelnen selbst in den Bereich der Würdigung des Staats bringt, indem er so wenig als nur möglich aus Rücksicht auf die Vorfahren zuerkannt wird. Dieser Gleichmuth, diese Selbstverläugnung, dieser gesunde Verstand, oder mit welchem andern Ausdruck man sonst diese Maßregel belegen mag, hat der Nation den Vorwurf zugezogen, als habe sie einen unedeln Ursprung. Lohnte es der Mühe, so würde man bei näherer Untersuchung finden, daß weit mehr als die Hälfte der berühmten Namen des Mutterlandes bis auf diese Stunde in seinen früheren Colonieen gefunden wird; und es ist eine den Wenigen, welche mit einem so unwichtigen Gegenstand sich beschäftigt haben, wohlbekannte Thatsache, daß die Sprößlinge von gerader Linie aus manchem aussterbenden Geschlecht, welches Englands Politik durch Seitenlinien hat stützen wollen, jetzt die Aemter einfacher Bürger unter uns verwaltet. Der Stock ist derselbe geblieben, und die, welche den ehrwürdigen Korb umflattern, mögen gerne die leere Auszeichnung des Alters ihrer Geburt sich anmaßen, uneingedenk der Baufälligkeit ihrer Besitzung, und der Genüsse der zahlreichen und kräftigen Schwärme, welche die frischeren Süßigkeiten einer neuen Welt einsammeln. Aber da dies ein Gegenstand ist, der mehr für einen Politiker und Geschichtschreiber als für den bescheidenen Erzähler der heimischen Vorfälle gehört, die wir darlegen wollen, so müssen wir unsere Betrachtungen auf solche Dinge beschränken, welche eine unmittelbare Beziehung auf den Gegenstand der Erzählung haben.

Obgleich der Bürger der Vereinten Staaten mit so vielem Recht auf ein hohes Geschlecht Anspruch machen darf, ist er doch gar nicht von der Strafe wegen seines Falls befreit. Gleiche Ursachen bringen, wie bekannt, gleiche Wirkungen hervor. Der Tribut, den, wie es scheint, die Nationen immer durch mühsame Erfahrung am Altar der Ceres bezahlen müssen, ehe sie deren volle Gunst erfahren, wird gewissermaßen in Amerika von dem Abkömmling, statt von dem Vorfahr bezahlt. Der Gang der Civilisation bei uns hat eine außerordentliche Aehnlichkeit mit dem aller kommenden Begebenheiten, welche, wie man sagt, »ihren Schatten vor sich werfen.« Alle Stufen der Gesellschaft, von dem Zustand an, welcher der verfeinerte genannt wird, bis zu dem, der so nahe an Barbarei gränzt, als es die Verbindung mit einem verständigen Volk erlaubt, kann man nachweisen aus der Mitte der Staaten, wo Reichthum, Ueppigkeit und Künste anfangen sich niederzulassen, bis zu den entfernten, und immer zurückweichenden Grenzen, welche die Scheide abmarken, und die Nähe der Nation anzeigen, wie bewegliche Nebel dem Tag vorauszugehen pflegen.

Hier und hier allein findet man die weitverbreitete, aber gar nicht zahlreiche Classe, welche in allem mit denen verglichen werden kann, die den intellektuellen Fortschritten der Nationen in der alten Welt den Weg gebahnt haben. Die Aehnlichkeit zwischen dem amerikanischen Grenzwohner und seinem europäischen Urbild ist sonderbar, wiewohl sie nie ganz zur Gleichheit wird. Beide können unbeschränkt genannt werden, da der eine über, der andere unter dem Bereich des Gesetzes ist; – beide tapfer, da sie unter Gefahren aufwuchsen, – stolz, da sie unabhängig waren, – rachsüchtig, da jeder selbst Rächer des ihm angethanen Unrechts war. Eine weitere Fortsetzung der Parallele würde dem Grenzwohner Unrecht thun. Er ist irreligiös, weil er die Lehre ererbt hat, daß die Religion nicht in Formen besteht, und seine Vernunft eine Mummerei verwirft, die sein Gewissen nicht billigt. Er ist nicht Ritter, weil er nicht die Macht hat, Auszeichnungen zu erweisen, und er hat nicht die Macht, weil er das Kind, nicht der Vater des Systems ist. Auf welche Art diese verschiedenen Eigenschaften sich in einigen der markirtesten Menschen aus der letztern Classe darstellen, wird man aus dem Verlauf der folgenden Erzählung ersehen.

Ismael Busch hatte das Ganze eines Lebens von mehr als fünfzig Jahren auf den Grenzen der bürgerlichen Gesellschaft zugebracht. Er rühmte sich, daß er nie gewohnt, wo er nicht sicher jeden Baum hätte fallen können, den er von seiner Schwelle aus sah; daß das Gesetz selten in seinen Wohnbezirk gekommen, und seine Ohren nie freiwillig den Ton einer Kirchenglocke zugelassen. Seine Bemühungen gingen selten weiter als seine Bedürfnisse, die, seiner Classe eigenthümlich, selten unbefriedigt geblieben. Er hatte keine Achtung vor irgend einem Wissen, die Heilkunde ausgenommen; weil er die Anwendung einer Wissenschaft nicht begreifen konnte, wenn sie nicht in die äußern Sinne fiel. Seine Achtung für diesen besondern Zweig der Wissenschaft hatte ihn vermocht, dem Wunsche eines Mediziners Gehör zu geben, dessen Eifer für Naturgeschichte ihn getrieben, die Wanderungsliebe des Grenzwohners zu benutzen. Diesen Herrn hatte er liebevoll in seine Familie oder vielmehr in seinen Schutz aufgenommen, und sie reisten so weit in vollkommner Eintracht durch die Steppen; Ismael wünschte seinem Weibe oft Glück zu dem Besitz eines Gefährten, der in ihrer neuen Wohnung, wo sie auch immer sein möchte, so nützlich sein würde, bis die Familie sich gänzlich acclimatisirt habe. Die Ausflüge des Naturforschers führten ihn jedoch zu Zeiten häufig Tage lang von der geraden Linie der Reiseroute des Grenzwohners ab, der selten eine andere Führerin als die Sonne zu haben schien. Viele würden sich glücklich gepriesen haben, daß sie bei dem gefährlichen Sioux-Einfall abwesend gewesen, und so that auch Obed Bat (oder, wie er sich gern nannte, Battius, M. D. und Mitglied mehrerer cisatlantischen gelehrten Gesellschaften), – der kühne Herr, von dem die Rede ist.

Obgleich Ismael’s träger Charakter nicht sehr aufgeregt ward, war er doch sehr verstimmt durch die Freiheiten, die man sich mit seinem Eigenthum genommen. Er begab sich zur Ruhe, denn es war die Stunde, die er zu dieser Erfrischung bestimmt, und weil er wußte, wie unnütz jede Bemühung sein würde, seine Habe in der Dunkelheit der Mitternacht wieder zu erlangen. Er kannte auch die Gefahr seiner gegenwärtigen Lage zu wohl, um, was noch übrig ist, für das zu wagen, was er verloren. So sehr auch die Bewohner der Steppen, wie man weiß, die Pferde lieben, so wissen sie doch auch andere Dinge, die noch in dem Besitz der Wanderer waren, gehörig zu schätzen. Es war eine gewöhnliche List, die Heerden zu zerstreuen, und dann die Verwirrung zu benutzen. Aber Mahtoree hatte, wie es schien, in dem gegenwärtigen Fall die Klugheit des Mannes, den er angriff, zu gering angeschlagen. Die Gleichgültigkeit, mit der der Grenzwohner seinen Verlust hörte, haben wir schon gesehen, und es bleibt noch übrig, den Erfolg seiner gereifteren Entschließungen darzulegen.

Obgleich das Lager manches Auge einschloß, das lange offen blieb, und manches Ohr, welches das geringste Zeichen eines neuen Lärms schnell auffing, lag es doch in tiefer Ruhe während des übrigen Theils der Nacht. Stille und Ermüdung übten endlich ihre Rechte aus, und ehe der Morgen erschien, war alles, die Schildwachen ausgenommen, wieder in tiefem Schlaf begraben. In wie weit diese schläfrigen Wachter ihre Pflicht nach dem Ueberfall erfüllten, ist nie recht bekannt geworden, da nichts vorfiel, was ihre nachherige Wachsamkeit hätte darthun oder widerlegen können.

Sobald jedoch der Tag zu dämmern begann, und ein graues Licht vom Himmel auf die dunkeln Gegenstände der Ebene fiel, erhob sich Ellen Wade’s halb wirres, angstvolles und doch blühendes Antlitz unter der Masse der Kinder empor, unter die sie sich bei ihrer verstohlnen Rückkehr in’s Lager gemischt hatte. Sie stand leise auf, wand sich leicht durch die ausgestreckten Körper und ging mit derselben Vorsicht bis zu den äußersten Vertheidigungswerken Ismael’s. Hier lauschte sie, als untersuchte sie, ob es rathsam sei, weiter zu gehn. Doch dauerte dies nur einen Augenblick, und lange, ehe die schlaftrunkenen Augen der Schildwache, die die Stelle übersah, wo sie stand, Zeit gehabt, einen Lichtstrahl von ihrer behenden Gestalt aufzufangen, eilte sie der Niederung hin, und stand auf dem Gipfel der nächsten Anhöhe.

Ellen lauschte jetzt lang und aufmerksam, um einen andern Laut zu vernehmen, als das Säuseln der Morgenluft, das leise in dem Gras zu ihren Füßen spielte. Sie wollte eben, in ihrer Erwartung getäuscht, die Erforschung aufgeben, als das Geräusch eines Menschentritts durch das nasse Gras zu ihrem Ohr drang. Schnell vorwärts eilend, sah sie die Umrisse einer Gestalt, die nach der Anhöhe zuschritt, auf der dem Lager entgegengesetzten Seite, als habe sie ihrem Schatten wahrgenommen. Sie hatte schon Paul’s Namen ausgestoßen, und wollte eben mit der eiligen, schnellen Stimme, womit weibliche Zuneigung den Freund zu grüßen pflegt, das Gespräch beginnen, als sich bei’m Umwenden das Mädchen getäuscht sah, und ihrem Gruß kalt hinzufügte: »Ich hätte nicht gedacht, Doctor, Euch zu dieser ungewöhnlichen Stunde zu begegnen.«

»Alle Stunden, jede Zeit, meine gute Ellen, sind dem wahren Freund der Natur gleich« erwiederte ein kleiner, hagerer aber außerordentlich lebendiger Mann, der in eine sonderbare Mischung von Tuch und Häuten gekleidet war, und schon das mittlere Alter zurückgelegt hatte; »und wer bei diesem dunkeln Licht nichts zu finden weiß, was er bewundern muß, kennt einen großen Theil der Segnungen nicht, die er genießt.«

»Sehr wahr,« sagte Ellen, der plötzlich beifiel, daß sie ihr eigenes Erscheinen zu so ungewöhnlicher Stunde entschuldigen müsse, »ich kenne viele, welche meinen, die Erde sei reizender bei der Nacht, als im vollen Sonnenschein!«

»Ei, da müssen ihre Sehorgane zu convex sein; der, welcher die Sitten des Katzengeschlechts, oder die Abart, die Albinos, studiren will, muß sich zu dieser Stunde aufmachen. Ja, es gibt auch Menschen, die lieber bei der Dämmerung die Dinge betrachten, aus dem einfachen Grund, weil sie sie besser zu dieser Tageszeit sehen.«

»Und ist dies die Ursache, warum auch Ihr so viel bei Nacht aus seid?«

»Ich bin auch in der Nacht aus, mein gutes Kind, weil die Erde in ihrer täglichen Umwälzung nur die Hälfte der Zeit das Sonnenlicht unter Einem gegebenen Mittagskreis läßt, und weil, was ich zu thun habe, nicht in zwölf oder fünfzehn Stunden hinter einander abgemacht werden kann. Jetzt bin ich zwei Tage von der Familie weg gewesen, suche eine Pflanze, von der man gewiß ist, daß sie in dem Flußgebiet des la Plata sich findet, ohne auch nur einen Grashalm zu finden, der noch nicht aufgezählt und in seine Classe gebracht wäre.«

»Da seid Ihr recht unglücklich gewesen, Doctor, aber –«

»Unglücklich!« wiederholte der kleine Mann, ihr näher tretend und zog seine Mappe hervor, mit einer Miene, worin Freude auf sonderbare Art mit einer angenommenen Demuth kämpfte. »Nein, nein, Ellen, ich bin eher alles andere als unglücklich; es müßte denn ein Mann so genannt werden können, dessen Glück gemacht, dessen Ruf für immer gegründet ist, dessen Name mit Buffon zur Nachwelt übergehen wird, – mit Buffon, das ist ein bloßer Compilator, ein Mann, der aus dem Grund, den andere bearbeitet, blüht. Nein pari passu (gleichen Schritt) mit Solander der seine Wissenschaft durch Mühe und Entbehrungen erkaufte.«

»Habt Ihr eine Mine entdeckt, Doctor Bat?« – »Mehr als eine Mine; einen gemünzten Schatz; und tauglich zu augenblicklichem Gebrauch, Kind, – hör‘! Ich zog den nöthigen Winkel, um die Linie vom Zug Eures Oheims zu durchschneiden, nachdem ich lange fruchtlos gesucht; als ich einen Schall gleich dem Abbrennen von Feuergewehren hörte –«

»Ja,« rief Ellen schnell, wir hatten Lärm –«

»Und dachtet, ich sei verloren,« fuhr der wissensreiche Mann fort, zu vertieft in seine eigenen Gedanken, um ihre Unterbrechung zu verstehen. – »Da hatte es ein wenig Noth. – Ich zeichnete meine eigene Grundlinie hin, fand die Länge der Perpendiculare durch Rechnung, und hatte nun, um die Hypothenuse zu ziehen, nichts weiter zu thun, als den Winkel zu berechnen. Ich dachte, die Gewehre seien meinetwegen abgefeuert worden, und änderte meine Richtung nach den Tönen, nicht daß ich glaubte, die Sinne seien genauer oder auch nur so genau als eine mathematische Rechnung; sondern ich fürchtete, eins von den Kindern brauche etwa meine Hülfe.« »Sie sind all‘ wohl – –«

»Hört,« unterbrach der andere und hatte schon seine angenommene Aengstlichkeit für seine Patienten bei der größern Wichtigkeit des gegenwärtigen Gegenstandes vergessen; »ich hatte ein großes Stück der Steppe durchschritten, – der Schall dringt weit, wenn ihm nichts entgegensteht, – als ich ein Trappeln hörte, als ob Bison die Erde schlügen. Dann sah ich in der Ferne eine Heerde Quadrupeden, die sprangen die Hügel auf und ab, Thiere, die noch unbekannt und unbeschrieben geblieben, wäre nicht ein höchst glücklicher Zufall eingetreten. Eins, und das ein edleres Exemplar als alle übrigen, sprang ein wenig von den andern weg. Die ganze Heerde machte eine Biegung nach meiner Richtung und das Thier, welches sich abgesondert, schlug eben diese ein, wodurch es auf etwa fünfzig Fuß mir zu Gesicht kam. Ich benutzte die Gelegenheit und schrieb seine Beschreibung mit Hülfe meiner Bleifeder und meiner Lampe auf der Stelle ein. Ich hätte tausend Dollar, Ellen, für einen einzigen Schuß von einem von den Jungen gegeben!«

»Ihr führt ein Pistol, Doctor, warum gebrauchtet Ihr es nicht?« sagte das halb unaufmerksame Mädchen, das ängstlich die Steppe mit dem Blick durchsuchte; aber immer noch blieb, wo sie stand und sich gerne aufhalten ließ.

»Ei, es schießt nur mit ganz kleinem Blei, wie es sich zur Tödtung größerer Insekten und Reptilen eignet. Nein, ich that so besser, als mich in einen Kampf zu wagen, worin ich nicht Sieger sein konnte. – Ich bemerkte den Vorfall und notirte jedes einzelne mit der Genauigkeit, welche die Wissenschaft fordert. Ihr sollt alles hören, Ellen, denn Ihr seid ein gutes, lernbegieriges Kind, und wenn Ihr behaltet, was Ihr auf diese Art lernt, so könnt Ihr noch der Wissenschaft sehr nützlich werden; sollte mir etwa ein Unglück zustoßen. In der That, würdige Ellen, mein Gewerb hat seine Gefahren eben so gut, als das eines Kriegers. Eben diese Nacht,« fuhr er fort und warf sein Auge unwillkührlich um sich, »diese schreckliche Nacht ist der Funke des Lebens selbst in großer Gefahr gewesen zu erlöschen.«

»Wodurch?«

»Durch das Ungeheuer, das ich entdeckt. Es kam mir oft ganz nahe und selbst wenn ich zurückging, näherte es sich mir. Ich glaubte bloß die kleine Lampe, die ich führte, hat mich geschützt. Ich hielt sie zwischen uns, während ich schrieb, und brauchte sie so zu dem doppelten Zweck, als Leuchte und als Schild. Aber Ihr sollt die Charakterzeichen des Thiers hören und dann über die Gefahr urtheilen, die wir Beförderer der Wissenschaft zum Besten der Menschheit uns aussetzen.«

Der Naturforscher hob jetzt seine Mappe gegen den Himmel, und schickte sich an, so gut als möglich bei dem wenigen Licht, das auf die Ebene fiel, vorzulesen, nachdem er als Vorrede vorausgeschickt:

»Merkt auf, mein Kind, jetzt sollt Ihr hören, mit welchem Schatz es mein schönes Loos war, die Blätter der Naturgeschichte zu bereichern.«

»Es ist also ein Wesen Eurer Schöpfung,« sagte Ellen, von ihrem fruchtlosen Suchen sich wegwendend mit einem Blick aus ihren lebhaften blauen Augen, welcher zeigte, daß sie mit den Schwachheiten ihres gelehrten Gefährten zu scherzen verstehe.

»Ist denn die Kraft, unbelebten Wesen Leben zu geben, ein Geschenk des Menschen? Ich wünschte, es wäre so! Ihr solltet bald eine Historia naturalis Americana sehen, welche die schreienden Nachbeter des Franzmanns Buffon beschämen würde. Große Verbesserung könnte in der Bildung aller Quadrupeden vorgenommen werden, besonders bei denen, wo Schnelligkeit eine Tugend ist. Zwei der untern Gliedmaßen müßten nach den Grundsätzen des Hebels gebaut sein; Räder vielleicht, wie man sie jetzt macht; obgleich ich mich noch nicht entschieden habe, ob die Verbesserung besser an die Vorder- oder an die Hinterbeine angebracht würden, da ich erst noch ausmachen muß, ob Ziehen oder Stoßen eine größere Muskelkraft erfordert. Das natürliche Schwitzen des Thieres würde die Reibung vermindern helfen, und so ein großer Vortheil erlangt werden. Aber all dies ist nicht zu hoffen, wenigstens für jetzt nicht,« fügte er mit einem leichten Seufzer hinzu, hob seine Mappe wieder gegen das Licht, las laut: »October 6ten 1805, – dies ist nur das Datum, welches, wie ich sagen darf, Ihr so gut wißt, als ich, – Quadruped, gesehen bei Sternlicht, und mit Hülfe einer Taschenlampe, in den Steppen von Nordamerika, – Breite und Meridiane sehe Journal, – Genus – unbekannt; deßwegen genannt nach dem Entdecker und von dem glücklichen Zufall, daß es bei Nacht gesehen ward, – Vespertilio horribilis, Americanus . Verhältnisse (nach beiläufiger Schätzung) – Größeste Länge, eilf Fuß; Höhe, sechs Fuß; Kopf, aufrecht; Nasenlöcher, weit aufstehend; Augen, ausdrucksvoll und feurig; Zähne, sägeförmig und zahlreich; Schwanz, horizontal, wellenförmig und fast katzenartig; Beine groß und haarig; Krallen, lang, gekrümmt, gefährlich; Ohren, unansehnlich; Hörner, lang, abstehend, furchtbar; Farbe, aschgrau mit schönen Flecken; Stimme, volltönig, martialisch, schreckhaft; Lebensart, heerdenweis, fleischfressend, stolz und furchtlos. – Da habt Ihr,« rief Obed, als er diese sententiöse aber zusammenfassende Beschreibung geendet, »da habt Ihr ein Thier, das wohl mit dem Löwen um den Titel: König der Thiere streiten mag.«

»Ich verstehe nichts von allem, was Ihr da gelesen habt, Doctor Battius,« erwiederte das listige Mädchen, das die Schwachheiten des Philosophen kannte, und oft ihm einen Titel gab, den er so gern hörte; »aber ich halt‘ es für gefährlich, sich so weit vom Lager zu wagen, wenn solche Ungeheuer in den Steppen wüthen.«

»Ihr könnt’s wohl wüthen nennen,« entgegnete der Naturforscher, drückte sich fester an sie, und dämpfte seine Stimme zu so leisen und vielleicht etwas zu zutraulichen Tönen, daß sie fast noch mehr sagten, als sie sollten; »nie vorher ward mein Muth auf eine solche Probe gestellt; ja es gab einen Augenblick, ich muß es gestehen, wo das fortiter in re vor einem so schrecklichen Feind zurückbebte; aber die Liebe zur Naturwissenschaft hielt mich aufrecht und ließ mich triumphiren.«

»Ihr sprecht eine so ganz verschiedene Sprache von der in Tenessee,« sagte Ellen, und bemühte sich, ihr Lachen zu verbergen, »daß ich kaum weiß, ob ich Euch verstanden habe. Wenn ich nicht irre, so wollt Ihr sagen, Ihr hättet fast ein Herz wie eine Henne.«

»Das ist ein Gleichniß, wie nur gänzliche Unbekanntschaft mit der Bildung dieses Vogels eins machen kann. Das Herz einer Henne steht im gehörigen Verhältniß mit ihren übrigen Organen, und das Hausgeflügel ist in seinem Naturzustand sehr muthig. Ellen,« fügte er mit einem so ernsten Blick hinzu, daß er selbst auf das Mädchen einigen Eindruck machte; »ich ward verfolgt, gejagt, ja es war eine Gefahr, daß ich gar nicht – – doch was ist das!«

Ellen staunte hin, denn der Ernst und die einfache Aufrichtigkeit ihres Gefährten hatte selbst in ihrem leichtfertigen Sinn fast Glauben sich verschafft. Als sie nach der Richtung hinschaute, die der Doctor ihr bezeichnete, sah sie in der That ein Thier, das über die Steppe hinstreifte, und schnurstracks auf die Stelle zukam, die sie einnahmen. Der Tag war noch nicht weit genug vorgerückt, um es ihr möglich zu machen, dessen Gestalt und Art zu unterscheiden, obgleich es sichtbar genug war, ihr den Glauben beizubringen, es sei ein starkes, wildes Thier.

»Es kommt, es kommt!« rief der Doctor, und suchte, fast instinctartig, seine Mappe, während seine Kniee, trotz der Anstrengung, die er machte, sich aufrecht zu erhalten, gar schön zitterten und bebten. »Nun, Ellen, hat das Glück mir eine Gelegenheit gegeben, die bei’m Sternenlicht gemachten Fehler zu verbessern – halt, – aschgrau, – keine Ohren, – Hörner, außerordentlich.« – Seine zitternde Stimme, seine bebende Hand, beides ward durch ein Brüllen oder vielmehr durch einen Schrei des Thieres reglos gemacht, der so furchtbar war, daß er selbst einen größern Muth als den des Naturforschers gebeugt hätte.

Die Töne des Thieres schallten über die Steppe in fremdartigen, wilden Cadenzen, und dann folgte ein tiefes, feierliches Schweigen, das nur durch ein herzliches, unbändiges Gelächter von Ellen Wade’s wohltönenderer Stimme unterbrochen wurde. Indeß stand der Naturforscher wie eine Bildsäule vor Erstaunen, und ließ einen wohlgewachsenen Esel, gegen dessen Annäherung er nicht länger sein gepriesenes Lichtschild vorhielt, ohne weitere Bemerkung oder Weigerung um seine eigene Person herumriechen.

»Es ist Euer eigener Esel,« rief Ellen, so bald sie wieder zu Worten kommen konnte, »Euer eigener geduldiger, hart-arbeitender, armer Schelm.« Der Doctor wandte wild die Augen vom Thier zur Sprecherin, von der Sprecherin zum Thier, aber gab seiner Verwunderung keinen hörbaren Ausdruck. »Wollt Ihr denn ein Thier nicht anerkennen, das so lange in Eurem Dienst sich abgemüht hat,« fuhr das Mädchen, immer noch lachend, fort. »Ein Thier, von dem ich Euch tausendmal sagen hörte, es habe Euch gut gedient, und das Ihr wie Euern Bruder liebtet.«

» Asinus domesticus!« brachte der Doctor hervor, und holte Athem, als wenn er nah‘ am Ersticken gewesen. »Ja das Genus ist nicht mehr zweifelhaft, und ich werde immer behaupten, daß das Thier nicht von der Species equus ist. Es ist offenbar Asinus selbst, Ellen Wade, aber nicht Vespertilio horribilis der Steppen. Sehr verschiedene Thiere, versichere Euch, Kind, und in jedem wichtigeren Einzelnen von verschiedenem Charakter. Jenes fleischfressend,« fuhr er fort, und sein Auge fiel auf seine offene Mappe, »dieses pflanzenfressend; Gemüthsart, stark, gefährlich; Gemüthsart, geduldig, enthaltsam; Ohren, unansehnlich; Ohren, lang; Hörner, abstehend u. s. w.; Hörner, keine!«

Er ward durch ein zweites Lachen von Ellen unterbrochen, und dies diente gewissermaßen dazu, ihn wieder zu sich zu bringen.

»Das Bild des Vespertilio war nur auf der r etina,« bemerkte fast entschuldigend der erstaunte Forscher in die Geheimnisse der Natur, »und ich war thöricht genug, mein eigenes treues Thier für das Ungeheuer zu halten? Doch bin ich auch jetzt noch sehr verwundert, das Thier so im Weiten herumirren zu finden.«

Ellen erzählte ihm dann im Einzelnen die Geschichte des Angriffs und seine Folgen. Sie beschrieb mit einer Genauigkeit, die jedem Andern als ihrem verdachtlosen Zuhörer ihren eigenen Ausflug verrathen hätte, die Art, wie die Thiere aus dem Lager getrieben worden, und sich eiligst in der offenen Ebene zerstreut hätten. Ob sie es gleich nicht mit deutlichen Worten sagte, so wußte sie doch die große Wahrscheinlichkeit ihrem Gefährten einleuchtend zu machen, daß er den erschreckten Haufen für wilde Thiere gehalten, und schloß dann ihre Erzählung mit einem Bedauern des Verlustes, und einigen sehr natürlichen Bemerkungen über den hülflosen Zustand, in welchen er die Familie gebracht. Der Naturforscher hörte in stillem Staunen zu, unterbrach nicht die Erzählung, und unterdrückte selbst jeden Ausruf der Verwunderung. Doch bemerkte das scharfsichtige Mädchen, daß er, als sie fortfuhr, das wichtige Blatt aus der Mappe herausnahm, und auf eine Art, die zeigte, daß ihr Besitzer von seiner Täuschung zurückgekommen war. Seit der Zeit hat die Welt nichts mehr von dem Vespertilio horribilis Americanus gehört, und die Naturwissenschaft unwiederbringlich ein wichtiges Glied in der großen lebendigen Kette verloren, welche Himmel und Erde verbinden soll, und worin der Mensch so traulich mit dem Affen zusammengestellt wird.

Als Doctor Bat alle Umstände des Einfalls vernommen, nahm seine Besorgniß alsbald eine andere Richtung. Er hatte eine Menge Folianten und sehr viele Kisten, mit Pflanzenexemplaren und todten Thieren wohl versehen, unter Ismael’s guter Obhut gelassen; nun fiel’s ihm plötzlich ein, daß so listige Plünderer wie die Sioux nie die Gelegenheit versäumen würden, ihn dieser Schätze zu berauben.

Nichts, was auch Ellen vom Gegentheil versichern mochte, konnte seine Furcht beruhigen; so trennten sie sich, er seiner Zweifel und Besorgnisse ledig zu werden, sie so schnell und leise, wie sie es eben verlassen, in das stille, heimliche Zelt zurück zu schleichen.

Dreiundzwanzigstes Kapitel.

Dreiundzwanzigstes Kapitel.

»Herr, rettet Euch.«

Shakespeare.

 

Der Schlaf der Flüchtlinge dauerte mehrere Stunden. Der Streifschütz schüttelte zuerst seine Herrschaft ab, wie er sich ihm auch zuletzt überlassen. Er stand auf, als gerade das graue Licht des Tages jenen Theil der hohen Wölbung zu erleuchten begann, der auf dem Ostrande der Ebene ruhte, rief seine Gefährten von ihrer warmen Streu auf, und machte ihnen bemerklich, wie sehr nochmalige Anstrengung Noth sei. Während Middleton sich mit den Vorkehrungen für Inez und Ellens Bequemlichkeit auf der langen, mühsamen Reise, die vor ihnen lag, beschäftigte, sorgten der Alte und Paul für das Mahl, welches, wie jener rieth, sie einnehmen sollten, ehe sie zu Pferde stiegen. Diese verschiednen Anordnungen nahmen nicht viel Zeit weg, und die kleine Gruppe saß bald um ein Essen, das, wenn ihm auch die Eleganz fehlte, woran Middletons Braut gewöhnt war, doch in den wichtigeren Erfordernissen, Geschmack und Nahrhaftigkeit, nicht nachstand.

»Wenn wir tiefer in die Jagdgründe der Pawnee hineindringen,« sagte der Streifschütz, und legte ein Stück zartes Wild auf einem kleinen, niedlich in Horn gearbeiteten Teller, der besonders zu seinem Gebrauch gemacht war, vor Inez, »dann werden wir die Büffel fetter und lieblicher finden, die Rehe häufiger und alle Gaben des Herrn im Ueberfluß, unserm Bedürfniß abzuhelfen. Vielleicht können wir selbst einen Biber erhaschen, und ein Stück von seinem Schwanz als Leckerbissen erhalten.«

»Welchen Weg gedenkt Ihr einzuschlagen, wenn Ihr jetzt diese Bluthunde von unsrer Spur abgebracht habt?« fragte Middleton.

»Wenn ich rathen darf,« rief Paul, »wär’s zu Wasser; wir führen den Strom abwärts so bald als möglich. Gebt mir einen Baumwollenstamm, und ich will ein Kanoe daraus machen, das uns Alle tragen soll, das Eselein ausgenommen, und das in nicht längrer Zeit als Tag und Nacht. Ellen hier ist lebendig genug, aber sie ist kein besondrer Wettreiter und es würde weit bequemer sein, sechs- oder achthundert Meilen im Boot zu fahren, als wie Elenne die Steppen zu durchstreichen; außerdem läßt das Wasser keine Spur zurück.«

»Dafür will ich nicht stehn,« entgegnete der Streifschütz, »ich hab‘ oft gemeint, eine Rothhaut könnte in der Luft eine Spur finden.«

»Seht, Middleton,« rief Inez in einem plötzlichen Ausbruch jugendlichen Entzückens, das sie für einen Augenblick ihre Lage vergessen ließ; »wie lieblich ist die Luft; sicher verspricht sie glücklichere Zeiten!«

»Es ist herrlich,« entgegnete ihr Gemahl, »glorreich und himmlisch ist jener Streifen hohen Roths und hier noch ein glänzenderes Karmoisin; selten hab‘ ich einen reicheren Sonnenaufgang gesehen.«

»Sonnenaufgang!« wiederholte bedächtig der Alte, und erhob seine schlanke Gestalt mit einem nachdenkenden, sinnenden Blick von seinem Sitz, während er sein Auge auf die wechselnden und gewiß schönen Tinten richtete, die die Wölbung des Himmels umgrenzten. »Sonnenaufgang! Ich lieb nicht solchen Aufgang. Ah, die Schurken haben mit ihrer Rache uns umzingelt. Die Steppe ist in Feuer!«

»Gott im Himmel schütz‘ uns!« rief Middleton und drückte Inez bei der drängenden Gefahr an seinen Busen; »es ist keine Zeit zu verlieren, alter Mann, jeder Augenblick ist ein Tag, laßt uns fliehen!«

»Wohin?« fragte der Streifschütz und winkte ihm mit Ruhe und Würde, stille zu stehen. »In dieser Wildniß voll Gras und Disteln seid Ihr wie ein Boot ohne Compaß auf der hohen See. Ein einziger Schritt nach der unrechten Seite könnte uns Allen den Untergang bereiten. Selten ist eine Gefahr so drängend, daß sie der Vernunft nicht Zeit ließe zu handeln, junger Offizier, darum laßt uns ihre Befehle abwarten.«

»Was mich betrifft,« sagte Paul, und sah mit deutlicher Bekümmerniß um sich, »ich gestehe, sollte dieses dürre Bett von Gestrüpp die Flammen ergreifen, eine Biene müßte höher als gewöhnlich fliehen, um ihre Flügel nicht zu versengen. Deßwegen, alter Streifschütz, stimm‘ ich dem Capitain bei, und sage, steigt auf und flieht.«

»Ihr habt Unrecht, der Mensch soll nicht wie ein Thier dem Instinct folgen, und seine Kenntniß durch einen Geruch in der Luft, oder ein Getös sich verschaffen, er muß sehen, und urtheilen und schließen. So folgt mir ein wenig zur Linken, wo eine kleine Anhöhe ist und wir recognosciren können.«

Der Alte winkte gebietend mit der Hand und führte ohne weiteres Reden nach der Stelle, die er angedeutet hatte; ihm folgten seine erschreckten Gefährten. Ein weniger geübtes Auge als das des Streifschützen hätte wohl die geringe Anhöhe nicht entdeckt, von welcher er gesprochen, und die auf der Fläche der Steppe wie eine etwas höher mit Gras bewachsene Stelle erschien. Als sie jedoch den Ort erreichten, verrieth das dürre Gras selbst den Mangel jener Nässe, welche die höheren Halmen auf der übrigen Ebene ernährt hatte, und gab einen neuen Beweis, wie scharfsinnig er die Bildung des unten verborgenen Bodens beurtheilt hatte. Hier wurden einige Minuten damit verloren, die Spitzen des umgebenden Gesträuchs, das trotz ihrer Größe über Middletons und Paul’s Kopf reichte, niederzubrechen, um dadurch eine Aussicht zu erlangen, die einen weiten Theil des umgebenden Feuermeers beherrschen könnte.

Der furchtbare Anblick erhöhte die Hoffnung derer nicht, die so hohes Interesse bei einem glücklichen Erfolg hatten. Obgleich der Tag zu dämmern begann, fuhren die lebhaften Farben der Luft fort, dunkler zu werden, als kämpfe das stolze Element, gottlosen Kampf mit dem Licht des Tages, Helle Flammensäulen schossen hier und da längs des Randes der Wüste hervor, dem plötzlichen Roth des Nordens nicht unähnlich, aber weit wilder und drohender in Farbe und Schattirung. Die Angst in den starren Zügen des Streifschützen ward allmählig größer, als er bedächtig sich von der Feuersbrunst überzeugt hatte, die sich in einem breiten Gürtel um ihren Zufluchtsort ausdehnte, bis sie den ganzen Horizont umfaßt hatte.

Er schüttelte den Kopf, als er sich wieder auf den Punct richtete, wo die Gefahr am nächsten schien, trat schnell herbei und sagte: »Da haben wir uns sehr betrogen, als wir glaubten, wir hätten diese Teton von unserer Spur abgebracht; hier ist ein hinreichender Beweis, daß sie nicht allein wissen, wo wir sind, sondern auch uns durch den Rauch herauszutreiben meinen, als wären wir versteckte Raubthiere. Seht, sie haben zugleich das Feuer um die ganze Gegend herumgeführt, und wir sind gänzlich von den T– ln eingeschlossen, wie ein Eiland vom Wasser.«

»Laßt uns aufsteigen und reiten,« schrie Middleton, »ist das Leben nicht des Kampfes Werth?«

»Wohin wolltet Ihr gehen? Ist ein Teton-Pferd ein Salamander, der unverletzt durch feurige Flammen geht, oder meint Ihr, der Herr werde Euretwegen seine Macht beweisen wie in den Tagen des Alterthums, und Euch ohne Gefahr durch solch einen Ofen führen, wie Ihr dort unter jenem rothen Himmel sehen könnt? Auch Sioux sind da, die mit ihren Pfeilen und Messern auf jeder Seite von uns das Feuer umgeben, oder ich müßte mich nicht auf ihre mörderischen Grausamkeiten verstehen.«

»Wir wollen in den Mittelpunkt des ganzen Stammes reiten,« entgegnete der Jüngling stolz, »und ihre Kraft versuchen.«

»Ei, schöne Worte, aber was wären sie in der Ausführung? Da ist ein Bienenjäger, der Euch in so etwas Weisheit lehren kann.«

»Nun, was das betrifft, alter Streifschütz,« sagte Paul und streckte seine athletische Gestalt aus wie ein Bullenbeißer, der sich seiner Stärke bewußt ist; »darin stimm‘ ich dem Capitain bei, und bin ganz für eine Flucht auf das Feuer los, sollte sie uns auch in ein Tetondorf führen. Da ist Ellen, welche –«

»Wozu nutzt Euer hoher Muth, wenn die Elemente des Herrn, und Menschen zu besiegen sind? Seht um Euch, Freunde; der Kranz von Rauch, der sich aus den Gründen erhebt, sagt deutlich, daß aus diesem Ort kein Ausgang ist als durch einen Feuergürtel. Seht selbst, seht hin, und könnt Ihr eine einzige Oeffnung finden, dann will ich folgen.«

Die Untersuchung, welche seine Gefährten sogleich und so aufmerksam anstellten, diente eher dazu, sie von ihrer verzweifelten Lage zu überzeugen, als ihre Furcht zu mindern. Große Rauchsäulen wälzten sich von der Ebene auf und lagerten sich in düstern Massen um den Horizont, Der rothe Glanz, der auf ihren riesigen Schichten strahlte, beleuchtete jetzt ihre Wucht mit dem Schein des Brandes und blitzte dann nach einem andern Punct, wenn die Flamme unten werter glitt, und Alles sich in furchtbares Dunkel hüllte, lauter als die Worte die drohende, stürmisch nahende Gefahr verkündend.

»Es ist schrecklich!« rief Middleton und drückte die zitternde Inez an’s Herz. »Zu solcher Zeit, auf solche Art!«

»Die Pforten des Himmels sind allen wahren Gläubigen offen,« murmelte das ergebene Opfer an seinem Busen.

»Diese Entsagung bringt zur Raserei. Aber wir sind Männer, und werden für unser Leben kämpfen! Wie nun, mein tapferer, muthiger Freund, werden wir aussitzen und durch die Flammen dringen, oder sollen wir hier stehen, und die umkommen sehen, die wir am meisten lieben, umkommen auf diese furchtbare Art, ohne Rettung zu versuchen?«

»Ich bin für’s Schwärmen, für die Flucht, ehe der Korb zu heiß ist, uns zu fassen,« sagte der Bienenjäger, zu dem, wie man leicht steht, der halbwirre Middleton sich wandte. »Kommt, alter Streifschütz, Ihr müßt zugeben, das ist ein zu langsamer Weg, uns aus der Gefahr zu bringen. Wenn wir hier noch viel länger zögern, liegen wir um das Stroh wie die Bienen; nachdem der Korb des Honigs wegen ausgeräuchert worden ist. Ihr könnt das Feuer schon brüllen hören, und ich weiß aus Erfahrung, daß wenn einmal das Feuer recht an’s Steppengras kommt, kann man durch Trägheit ihm nicht entgehn.«

»Meint Ihr,« entgegnete der Alte, und deutete verächtlich auf das dürre, falbe Gras, das sie umgab, »ein sterblicher Fuß könne auf solchem Pfad dem Feuer zuvorkommen? Wenn ich jetzt nur wüßte, auf welcher Seite die Schelme lägen.«

»Was sagt Ihr, Freund Doctor,« rief der aufgeregte Paul, zu dem Naturforscher gewendet, wie oft in seiner Hülflosigkeit der Stärkere Rath bei’m Schwachen sucht, wenn Menschenmacht durch ein höheres Wesen zu Schanden geworden, »was sagt Ihr? Habt Ihr keinen Rath, wo es Leben und Tod gilt?«

Der Naturforscher stand mit der Brieftasche da, und sah auf das furchtbare Schauspiel mit eben so großer Ruhe, als wenn der Brand gestiftet worden, um eine wissenschaftliche Aufgabe zu lösen. Durch die Frage seines Gefährten aufgeregt, wandte er sich zu seinem gleichfalls ruhigen, aber anders beschäftigten Genossen, dem Streifschützen, und fragte mit der empörendsten Gleichgültigkeit gegen ihre bedrängte Lage: »Verehrungswürdiger Jäger, Ihr seid oft von ähnlichen prismatischen Experimenten Zeuge gewesen – –«

Er ward wild von Paul unterbrochen, der ihm mit einer Gewalt die Brieftasche aus der Hand riß, die die gänzliche Verstandesverwirrung verrieth, welche seinen Gleichmuth überwältigt hatte. Ehe jener Vorstellungen machen konnte, nahm der Alte, welcher während der ganzen Scene ungewiß geschienen, was zu thun sei (obwohl mehr verwirrt als erschreckt) auf einmal eine entschiedene Miene an, als wenn er nicht länger über den Weg zweifelhaft wäre, den zu verfolgen er am räthlichsten hielt.

»Es ist Zeit, zu handeln,« sagte er und unterbrach den Streit, der zwischen dem Naturforscher und Bienenjäger erfolgen wollte, »es ist Zeit, Bücher und Klagen wegzulassen und zu handeln.«

»Ihr seid zu spät zu Euch gekommen, armer Alter,« rief Middleton; »die Flammen sind noch eine Viertelmeile von uns, und der Wind bringt sie herunter an diese Stelle mit furchtbarer Schnelligkeit.«

»Ach, die Flammen; mich kümmern nur wenig die Flammen. Wüßte ich nur der List der Teton zu entgehn, wie ich die Flammen um ihren Raub zu betrügen weiß, brauchte es weiter nichts mehr, als ein Dankgebet dem Herrn für unsere Rettung. Nennt Ihr das ein Feuer? Hättet Ihr gesehn, wovon ich auf den Osthügeln Zeuge war, als mächtige Berge einer Schmiedesse glichen, dann wüßtet Ihr, was Flammen fürchten, und danken heißt, daß man ihnen entgangen. Kommt, Jungen, kommt, jetzt müssen wir handeln und nicht weiter sprechen, denn jene sich kräuselnde Flamme kommt wirklich heran wie ein trabendes Wiesel. Legt Hand an dies kurze, dürre Gras, wo wir stehen, und entblöst die Erde!«

»Denkt Ihr, das Feuer auf so kindische Art seiner Opfer zu berauben?« rief Middleton.

Ein leichtes, aber ernstes Lächeln ging über die Züge des Alten, als er antwortete:

»Euer Großvater hätte gesagt, daß wenn ein Feind nahe wäre, ein Soldat nichts Besseres thun könnte, als gehorchen.«

Der Capitain fühlte den Verweis, und begann sogleich, Paul’s Eifer nachzuahmen, der mit einer Art verzweifelter Folgsamkeit gegen des Streifschützen Anweisung das verblichene Gras aus dem Boden riß. Selbst Ellen legte Hand an’s Werk, auch Inez sah man bald eben so beschäftigt, obgleich Niemand von ihnen wußte, warum und wozu. Wenn das Leben der Lohn der Arbeit ist, ist der Mensch fleißig. Sehr wenig Minuten reichten hin, eine Stelle von einigen zwanzig Fuß im Durchmesser zu entblößen. In die eine Ecke dieses kleinen Platzes brachte der Streifschütz die Frauen, und wieß Middleton und Paul an, ihre leichten und brennbaren Kleider mit den Tüchern, die sich fanden, zu decken. Sobald diese Vorsicht beobachtet worden, trat der Alte an den entgegengesetzten Rand des Grases, das sie noch in einem hohen, gefährlichen Kreis umgab, wählte eine Hand voll von dem trockensten Gesträuch, und legte es auf die Pfanne seiner Büchse, Der leicht brennbare Stoff fing bei’m Abdrücken Feuer. Nun legte er die geringe Flamme in das hohe Gestrüpp, trat von der Stelle in den Mittelpunkt des Kreises zurück, und erwartete geduldig den Erfolg.

Das seine Element ergriff im Nu den neuen Zunder, und in einem Augenblick glitten spitze Flammen im Gras, wie man die Zungen der wiederkäuenden Thiere unter ihrem Heu sich hinbewegen sieht, offenbar, um die süßesten Pflanzen auszusuchen.

»Nun,« sagte der Alte, hielt den Finger in die Höhe und lachte auf seine eigene stille Art; »nun sollt Ihr Feuer gegen Feuer kämpfen sehen. Ach, manchmal hab‘ ich einen schwierigen Pfad aus eitler Lässigkeit durch struppigen Boden so gebrannt!«

»Aber ist’s nicht gefährlich!« rief der erstaunte Middleton; »bringt Ihr uns den Feind nicht näher, statt ihn zu meiden?«

»Verbrennt Ihr so leicht? Euer Großvater hatte eine rauhere Haut. Aber wir werden noch so lange leben, um es zu sehn; wir Alle!«

Des Streifschützen Erfahrung war richtig. Als das Feuer Kraft und Hitze erlangte, verbreitete es sich auf drei Seiten, und erlosch von selbst auf der vierten aus Mangel an Nahrung. Als es sich vermehrte und das düstere Rauschen seine Macht andeutete, nahm es Alles vor sich weg und ließ den schwarzen, rauchenden Boden weit nackter zurück, als wenn der Scythe darüber hingestreift wäre. Die Lage der Flüchtlinge würde noch gefährlich gewesen sein, hätte nicht der Raum sich vergrößert, wie die Flamme sie umgab. Aber indem sie sich der Stelle näherten, wo der Streifschütz das Gras angesteckt hatte, vermieden sie die Hitze, und in wenig Augenblicken wichen die Flammen nach allen Seiten zurück, und ließen sie in eine Rauchwolke eingehüllt, aber vollkommen sicher vor dem Feuerstrom, der noch wüthend weiter rollte.

Die Zusehenden betrachteten das einfache Hülfsmittel des Streifschützen mit jener Art Verwunderung, mit welcher Ferdinand’s Höflinge die Art angestaunt haben sollen, wie Kolumbus sein Ei auf die Spitze stellte, jedoch statt mit Neid mit Dankbarkeit erfüllt.

»Wunderbar!« sagte Middleton, als er den vollkommenen Erfolg des Mittels sah, wodurch sie aus einer Gefahr errettet worden, die er für unvermeidlich gehalten. »Der Gedanke war ein Geschenk vom Himmel, und die Hand, die ihn ausführte, sollte unsterblich sein.«

»Alter Streifschütz!« rief Paul, und wickelte seine Finger in seine krause Locken, »ich hab‘ manche beladene Biene in ihr Loch verfolgt, und versteh‘ mich auf die Natur der Wälder, aber das heißt einer Horniß den Stachel nehmen, ohne sie zu berühren.«

»Es geht,« entgegnete der Alte, der im ersten Augenblick seines Erfolgs nicht mehr an seine That zu denken schien, »nun haltet die Pferde bereit. Laßt die Flammen eine kurze halbe Stunde ihr Werk thun und dann wollen wir aufsitzen. So lange braucht’s, die Steppe zu kühlen, denn diese unbeschlagenen Teton-Thiere sind so zart am Huf wie ein barfüßiges Mädchen.«

Middleton und Paul, welche diese unerwartete Errettung wie eine Art Auserstehung betrachteten, erwarteten geduldig die Zeit ab, welche der Streifschütz mit erneuertem Vertrauen auf die Unfehlbarkeit seines Urtheils festgesetzt hatte. Der Doctor hob seine Schreibtafel, die etwas dadurch gelitten hatte, daß sie in’s Gras gefallen, worüber die Flamme gegangen war, wieder auf, und tröstete sich über dies kleine Ungemach, indem er ununterbrochen die verschiedenen Schwankungen im Licht und Schatten bemerkte, die er als Phänomene betrachten wollte.

Mittlerweile beschäftigte sich der Veterane, dessen Erfahrung sie alle so sehr ihre Rettung verdankten, damit, daß er durch die Oeffnungen, welche die Luft gelegentlich in den dicken Massen Rauch machte, der um diese Zeit in ungeheueren Säulen auf jeder Seite der Ebene lag, die fernen Gegenstände betrachtete.

»Seht hier, Jungen,« sagte der Streifschütz nach einer langen und ängstlichen Untersuchung, »Eure Augen sind jung und mögen besser sein als mein schlechtes Gesicht; – obwohl es eine Zeit gegeben hat, wo ein weises und tüchtiges Volk mich für weitsichtig hat halten wollen; aber diese Zeit ist vorüber, und manch treuer, geprüfter Freund ist mit ihr hingegangen. Ach, wenn ich eine Aenderung von der Vorsehung erlangen könnte! – was ich nicht kann, und was Gotteslästerung wäre zu versuchen, da ich sehe, daß Alles von einem weiseren Verstande gelenkt wird, als menschlicher Schwäche zukommt; aber könnte eine Aenderung vorgehen, würde ich wünschen, daß die, welche lange zusammen in Freundschaft und Liebe gelebt, und die gezeigt haben, daß sie zu einander passen, durch manches Leiden und Wagen, für einander übernommen, daß die dann, wann der Tod des einen dem andern wenig Lust am Leben übrig läßt, zusammen daraus scheiden dürften.«

»Ist es ein Indianer, was Ihr seht?« fragte der ungeduldige Middleton.

»Roth- oder Weißhaut, es ist einerlei. Freundschaft und Umgang kann die Menschen so fest in den Wäldern als in Städten aneinanderknüpfen; ja, und noch fester. Da sind die jungen Krieger der Steppen. Oft verbinden sie sich paarweise, und wagen ihr Leben in Thaten der Freundschaft; und wohl und treu handeln sie nach ihrem Versprechen. Der Todesschlag auf den einen ist gemeinlich tödtlich dem andern. Ich bin viel von meiner Zeit allein gewesen, wenn ich den allein nennen kann, der siebenzig Jahre im Schooß der Natur gelebt hat und wo er jeden Augenblick sein Herz eröffnen konnte, ohne es erst von den Sorgen und Schlechtigkeiten der Ansiedelungen zu befreien; – aber das ausgenommen, bin ich allein gewesen, und doch hab‘ ich immer gefunden, daß Umgang mit meinem Geschleche angenehm, ihn abzubrechen, peinlich war, vorausgesetzt, der Genosse war tüchtig und ehrlich. Tüchtig, weil ein schwacher Gefährte in den Wäldern,« hier ließ er einen Augenblick unvermerkt seine Augen auf dem vertieften Naturforscher ruhen, »leicht einen kurzen Weg lang macht, und ehrlich, weil List eher Instinct der Thiere, als eine Eigenschaft ist, welche der Vernunft des Menschen zukommt.«

»Aber das, was Ihr saht, war es ein Sioux?«

»Wohin es mit der Welt von Amerika kommen wird, wo die Bestrebungen und Erfindungen seines Volks ein Ende haben werden, der Herr, er allein weiß es. Ich hab‘ zu meiner Zeit den Häuptling gesehen, der zu seiner Zeit den ersten Christen gesehen hatte, welcher seinen verruchten Fuß in den Landschaften von York setzte. Wie sehr ist die Schönheit der Wildniß entstellt worden in zwei kurzen Lebensaltern! Meine eigenen Augen öffneten sich zuerst auf den Küsten des östlichen Sees, und wohl erinnere ich mich, wie ich die Eigenschaften der ersten Büchse versuchte, die ich je trug, als ich einen Marsch gemacht von der Thür meines Vaters in den Wald, so weit ein Kind kommen konnte zwischen Sonnenaufgang bis zum Untergang; und dies Alles, ohne die Rechte und Vorurtheile irgend Jemandes zu beleidigen, der sich zum Herrn der Thiere des Feldes aufgeworfen hatte. Damals lag die Natur in ihrer Glorie längs der ganzen Küste und ließ nur einen schmalen Streif zwischen den Wäldern und dem Ocean zur Benutzung der Ansiedler. Und wo bin ich jetzt? Hätt‘ ich die Schwingen eines Adlers, sie würden ermüden, ehe ein Zehntel des Zwischenraums, der mich von der See trennt, zurückgelegt werden könnte; und Städte und Dörfer, Pachthöfe und Heerstraßen, Kirchen und Schulen, kurz alle Erfindungen Und Teufeleien des Menschen haben sich verbreitet über das Land. Ich hab die Zeit gesehen, wo einige Rothhäute, die an den Grenzen streifen, die Provinzen in ein Fieber brachten, und Männer bewaffnet wurden, und Truppen zum Schutz herbeigerufen aus fernem Land, und Gebete gesprochen wurden, und die Weiber sich entsetzten, und Wenige ruhig schliefen, weil der Irokese in den Krieg gezogen, und der verfl–te Mingo den Tomahawk in der Hand hatte. Wie ist es jetzt! Das Land sendet aus seine Schiffe in ferne Länder, Schlachten zu bestehen, Kanonen sind häufiger, als sonst Flinten gebraucht wurden, und geübte Soldaten fehlen nimmer, zu Zehntausenden sind sie da, wenn die Noth ihre Dienste erheischt. Das ist der Unterschied zwischen einer Provinz und einem Staat, und ich, unglücklich und abgelebt, wie ich scheine, lebte, all dies zu sehn!«

»Daß Ihr manchen Holzfäller gesehen haben müßt, der den Rahm von der Oberfläche der Erde abgeschäumt und manchen Ansiedler, der den Honig der Natur sich verschaffte, alter Streifschütz,« sagte Paul, »kann oder soll kein vernünftiger Mann bezweifeln. Aber da ist Ellen, die sich vor den Sioux fürchtet, und nun habt Ihr uns Eure Meinung so frei über diese Dinge gegeben, daß wenn Ihr nur die Richtung unserer Flucht angeben wollt, der Schwarm zum zweiten Mal fliegen will.«

»O!«

»Ich sage, Ellen wird unruhig, und der Rauch verläßt die Ebene und es wäre klug, wieder aufzubrechen.«

»Der Junge ist vernünftig. Ich hatte vergessen, daß wir mitten in einem wilden Feuer sind, und die Sioux um uns, wie hungrige Wölfe, die eine Heerde Büffel bewachen. Aber wenn das Gedächtniß in einem alten Gehirn über längst vergangenen Zeiten brütet, übersieht es leicht die Bedürfnisse des Tages. Ihr habt Recht, meine Kinder, es ist Zeit aufzubrechen, und nun kommt das Schwierige unserer Lage. Es ist leicht eine Feueresse zu überlisten, denn es ist nur ein tobendes Element, auch ist es nicht immer schwer, einen zottigen Bären von seiner Spur abzubringen, denn das Thier wird zugleich erleuchtet und geblendet von seinem Instinct; aber den Augen eines wachenden Tetons zu entgehen, ist eine schwierige Sache, da seine Teufelei von der listigen Vernunft unterstützt wird.«

Obgleich der Alte so sich der Schwierigkeit bewußt schien, ging er doch an die Ausführung seines Unternehmens mit großer Standhaftigkeit und mit Eifer. Nachdem er die Untersuchung vollendet, die durch die traurigen Wanderungen seines Geistes unterbrochen worden, gab er seinen Gefährten das Signal, aufzusitzen. Die Pferde, welche während der Wuth des Feuers sich leidend verhalten und gezittert hatten, nahmen ihre Lasten mit so sichtbarer Freude auf, daß es eine günstige Vorbedeutung ihres künftigen Eifers gab. Der Streifschütz lud den Doctor ein, sich seiner Stute zu bedienen und erklärte sich bereit zu Fuß zu gehn.

»Ich bin nur wenig gewohnt, auf den Füßen Anderer zu reisen,« fuhr er fort, »und meine Beine ermüden vom Nichtsthun. Außerdem sollten wir plötzlich in einen Hinterhalt fallen, was gar nicht unmöglich ist, wird das Thier besser mit einem als mit zwei auf dem Rücken fortrennen können. Was mich betrifft, was liegt daran, ob meine Zeit einen Tag kürzer oder länger ist. Mögen die Teton mich scalpiren, wenn es Gotteswille ist; sie werden mein Haupt mit grauen Haaren bedeckt finden, und es geht über des Menschen Macht hinaus, mich der Weisheit und Erfahrung zu berauben, durch die sie weiß geworden sind.«

Da Niemand unter den ungeduldigen Zuhörern geneigt schien, der Anordnung zu widerstreben, ward sie stillschweigend angenommen. Der Doctor, wenn er auch einige klagende Ausrufungen um seinen verlorenen Esel murmelte, war doch zu sehr darüber erfreut, daß er statt zwei, vier Beine gefunden, die seine Eile unterstützen sollten, um lange zu zögern, und so verkündete in wenig Minuten der Bienenjäger, der nie der letzte war, bei solchen Gelegenheiten zu sprechen, mit volltönender Stimme, daß sie bereit wären aufzubrechen.

»Nun seht dorthin nach Osten,« sagte der Alte, als er sie über die schwarze und noch rauchende Ebene führte, »wenig braucht man sich auf solchem Pfad vor kalten Füßen zu fürchten, –, aber seht nach Osten, und wenn Ihr ein Stück glänzendes Weiß, schimmernd wie ein Teller von geschlagenem Silber durch die Oeffnungen des Rauchs erblickt, – nun das ist Wasser. Ein edler Strom fließt hier herum und ich meinte, schon etwas von ihm gesehen zu haben, aber andere Gedanken kamen und ich verlor diesen. Es ist ein breiter Fluß, so wie der Herr viele gemacht hat in dieser Wüste. Denn hier kann man die Natur in all ihrem Reichthum sehen, Bäume ausgenommen; Bäume, die für die Erde sind, was Früchte für den Garten, ohne die nichts angenehm und recht nützlich sein kann. Nun gebt alle Acht, mit offenen Augen, auf jenen Streifen glänzenden Wassers, denn wir sind nicht sicher, bis er zwischen unsrer Spur und diesen scharfsichtigen Teton fließt.«

Die letztere Erklärung war genug, um von Seiten aller Gefährten des Streifschützen eines wachsamen Spähens nach dem ersehnten Strom sicher zu sein. Diesen Gegenstand im Auge schritt die Gesellschaft in tiefem Schweigen fort, da der Alte bei’m Eintritt in die Rauchwolken, die noch wie Nebelmassen über die Ebene hinzogen, (besonders da, wo das Feuer auf stehende Wasser getroffen war) sie an die Nothwendigkeit der Vorsicht erinnert hatte.

Sie waren auf diese Weise fast eine Meile fortgezogen, ohne den ersehnten Strom zu erblicken. Das Feuer wüthete noch in der Ferne, und wenn die Luft die ersten Dämpfe des Brandes wegtrieb, zogen neue Massen über den Ort und beschränkten die Aussicht. Endlich machte der Alte, der einige Unruhe gezeigt hatte, was seine Schützlinge fürchten ließ, daß selbst sein scharfes Auge in den Labyrinthen des Rauches verwirrt zu werden anfinge, plötzlich Halt, stieß seine Büchse auf den Boden und stand da, scheinbar nachdenkend über Etwas zu seinen Füßen. Middleton und die Uebrigen ritten zu ihm und fragten nach der Ursache.

»Seht dorthin,« entgegnete der Streifschütz und deutete nach dem Aas eines Pferdes, das mehr als halb verzehrt in einer kleinen Schlucht lag; »da könnt ihr die Gewalt eines Steppenbrandes sehen. Die Erde ist naß hier herum, und das Gras stand höher als gewöhnlich. Dies arme Thier ist auf seinem Lager überrascht worden. Ihr seht die Knochen, die gerunzelte, gedörrte Haut und die grinzenden Zähne. Tausend Winter hätten das Thier nicht so verwittern können, als das Element es gethan in einem Nu.«

»Und dies hätte unser Schicksal werden können,« sagte Middleton, »wären die Flammen im Schlaf über uns gekommen.«

»O, das sag‘ ich nicht. Nicht, als ob der Mensch nicht brenne, so gut wie Holz; sondern weil er, vernünftiger als ein Pferd, besser die Gefahr zu vermeiden wissen würde.«

»Vielleicht war dies dann auch nur der Leichnam eines Thiers, sonst wäre es geflohen.«

»Seht Ihr diese Zeichen in dem feuchten Boden? Hier sind seine Hufe gewesen, und da ist die Spur eines Moccasin, so wahr ich ein Sünder bin. Der Eigenthümer hat sich hart angestrengt, ihn von der Stelle zu bringen; aber es ist so der Instinkt des Thiers, feig und störrig im Feuer zu sein.«

»Das ist bekannt, Aber wenn das Thier einen Reiter gehabt, wo ist er?«

»Ei, das ist das Geheimniß,« entgegnete der Streifschütz und hielt, um die Fußstapfen genauer zu untersuchen. »Ja, ja, es ist deutlich, es ist hier ein Kampf zwischen Zweien gewesen. Der Herr hat sich sehr bemüht, sein Thier zu retten, und die Flammen müssen sehr schnell gewesen sein, oder es wär‘ ihm besser gelungen.«

»Seht her, alter Streifschütz,« fiel Paul ein und deutete ein wenig weiter, wo der Grund trockener und das Gestrüpp also weniger reich war; »sagt zwei Pferde, dort liegt noch eins.«

»Der Junge hat Recht; ist’s möglich, daß die Teton in ihrer eigenen Falle gefangen worden sind? So etwas fällt vor, und das ist ein Beispiel für alle Uebelthäter. Ei, seht hierher; da ist Eisen, Erfindungen der Weißen, die Thiere zu fangen. Es muß so sein, Ein Theil der Schelme hat uns im Gras aufgepaßt, während ihre Freunde die Steppe anzündeten, und seht jetzt die Folgen. Sie haben ihre Thiere verloren, und glücklich waren sie, wenn ihre Seelen nicht herumschweifen auf dem Pfad, der zum indianischen Himmel führt.«

»Sie hatten dasselbe Mittel zu Gebot wie Ihr,« nahm Middleton wieder auf, als sie langsam vorwärts gingen und sich dem andern Aas näherten, das gerade auf ihrem Wege lag.

»Ich weiß nicht; nicht jeder Wilde führt Feuer und Stahl, oder eine solche Flintenpfanne, wie dieser mein alter Freund. Es dauert lange, Feuer mit zwei Hölzern anzumachen, und wenig Zeit wurde gelassen, um nachzudenken und gerade auf der Stelle zu erfinden, wie Ihr an jenem Flammenstrahl sehen könnt, der vor dem Winde hinschießt, als wär‘ es Laufpulver. Es ist noch nicht lange, daß das Feuer von hier weg ist, und es möchte gut sein, nach Euren Hähnen zu sehen, nicht als wenn ich gern die Teton bekämpfen wollte, Gott bewahre; aber wenn ein Gefecht einmal sein muß, ist es immer gut, den ersten Schuß zu haben.«

»Das ist ein sonderbares Thier gewesen, Alter,« sagte Paul, der den Zaum oder vielmehr Halfter seiner Stute bei dem Aas angezogen, während die Uebrigen in ihrer Eile schon vorüber waren; »ein seltsames Pferd nenn‘ ich’s; es hat weder Kopf noch Huf.«

»Das Feuer ist nicht müßig gewesen,« entgegnete der Streifschütz und strengte eifrig sein Auge an, um jene Lichtblicke am Horizont zu benutzen, die der wirbelnde Rauch seiner Untersuchung darbot. »Es backt Euch bald einen ganzen Büffel, oder verwandelt seine Hufe und Hörner in weiße Asche. Schäm‘ dich, alter Hektor, des Capitains Kleiner mag seine Jugend verrathen und selbst, mit Erlaubniß zu sagen, seine schlechte Erziehung; aber für einen Hund wie du, der so lange im Wald gelebt, ehe er in diese Ebenen kam, ist es schändlich, Hektor, die Zähne vor dem Leichnam eines gerösteten Pferdes zu zeigen und vor ihm zu heulen, gleichsam als wollt‘ er seinem Herrn sagen, er habe die Spur eines zottigen Bären gefunden.«

»Ich sag‘ Euch, alter Streifschütz, das ist kein Pferd, weder dem Huf, dem Kopf, noch der Haut nach.«

»Was? Kein Pferd! Eure Augen sind gut für Bienen und hohle Bäume, mein Junge; aber, – behüt‘ mich, der Junge hat Recht! Daß ich die Haut eines Büffels, verbrannt und gerunzelt wie sie ist, für den Leichnam eines Pferdes halten konnte! Ei, es gab ’ne Zeit, wo ich Euch den Namen eines Thiers sagen konnte, sobald es mein Auge erblickte, und zwar auch seine Farbe, sein Alter und Geschlecht.«

»Da hattet Ihr einen unschätzbaren Vortheil, verehrungswürdiger Jäger,« bemerkte der aufmerksame Naturforscher; »der, welcher diese Unterscheidungen in einer Wüste machen kann, spart die Mühe manches sauren Wegs und oft auch eine Untersuchung, die sich als unnütz erweist. Bitte, sagt mir, dehnte sich Eure außerordentliche Vortefflichkeit des Gesichts so weit aus, daß Ihr Ordnung oder Genus unterscheiden konntet.«

»Ich weiß nicht, was Ihr mit Eurer Ordnung des Genius wollt.«

»Nicht!« fiel der Bienenjäger etwas verächtlich ein; »nun, alter Streifschütz, das heißt Eure Unbekanntschaft mit der englischen Sprache weiter treiben, als ich es von einem Mann von Eurer Erfahrung und Wissenschaft erwartet hätte; unter Ordnung meint unser Camerad, ob sie in gemischten Zügen gehen, wie ein Schwarm, der seiner Königin folgt, oder in einer Linie, wie Ihr oft die Büffel einen nach dem andern über die Steppe schreiten seht. Und Genius, das ist doch gewiß ein deutliches Wort und in Jedermanns Mund. Da ist der Congreß-Mann in unserm District und der kleine Bursch mit der geläufigen Zunge, der das Papier ausstellt in unserer Grafschaft, die werden Beide so genannt, ihrer Lustigkeit wegen. Das meint der Doctor, wie ich glaube, da er nie ohne ganz besondern Sinn spricht.«

Als Paul diese nette Erklärung geendet, sah er hinter sich mit einem Ausdruck, welcher sagen sollte, wenn man ihn recht interpretirte: »Ihr seht, obwohl ich mich nicht oft in Eure Sachen mische, bin ich doch kein Narr.«

Ellen bewunderte Paul in Allem, nur nicht in der Gelehrsamkeit. Es war genug in seinem freien, furchtlosen, männlichen Charakter, noch unterstützt von seinem Aeußern, was ihre Liebe erweckte, ohne daß sie sich in seine geistigen Vorzüge hätte zu vernarren brauchen. Das arme Mädchen erröthete wie eine Rose, ihre schönen Finger spielten mit ihrem Gürtel, durch den sie sich auf dem Pferde festhielt, und sie bemerkte schnell, als wolle sie die Aufmerksamkeit der andern Zuhörer von einer Schwäche abziehen, wobei sie selbst nicht verweilen wollte.

»Und so ist das also gar kein Pferd?« sagte sie. »Es ist nichts mehr und nichts weniger als eine Büffelhaut,« entgegnete der Streifschütz, der eben so sehr durch Paul’s Erklärung als durch die Sprache des Doctors erstaunt worden; »das Haar ist weg, das Feuer ist drüber hingegangen, wie Ihr seht; denn da es frisch war, konnten die Flammen nicht hasten. Das Thier ist noch nicht lange getödtet, und vielleicht ist noch etwas vom Fleisch in der Nähe.«

»Hebt den Zipfel der Haut auf, alter Streifschütz,« sagte Paul in einem Ton, als fühle er, er habe jetzt das Recht, bei’m Rathe mitzusprechen; »wenn noch etwas von dem Höcker übrig ist, muß es gut gekocht werden und soll willkommen sein.«

Der Alte lachte herzlich über den Irrthum seines Genossen, Er stieß mit dem Fuß unter die Haut; sie bewegte sich. Dann fiel sie plötzlich bei Seite, und ein indianischer Krieger sprang aus seinem Versteck auf die Füße mit einer Leichtigkeit, welche verrieth, wie dringend er es halte.

Vierundzwanzigstes Kapitel.

Vierundzwanzigstes Kapitel.

»Doch sag‘ mir, Hal, bist du entsetzlich nicht Erstaunt?« –

Shakespeare.

 

Ein zweiter Blick war hinreichend, um die ganze erstaunte Gesellschaft zu überzeugen, daß der junge Pawnee, auf den sie schon einmal gestoßen, wieder vor ihnen stünde. Verwunderung hielt beide Theile stumm, und mehr als eine Minute ward damit hingebracht, daß sie sich gegenseitig mit großen, wenn nicht mißtrauischen Augen anstarrten. Doch war die Ueberraschung des jungen Kriegers bei weitem gemäßigter und würdevoller als die seiner christlichen Bekanntschaft. Während Middleton und Paul den Schrecken, der ihre zarten Begleiterinnen befiel, durch ihr eignes erregtes Blut durchpricklen fühlten, ging das strahlende Auge des Indianers von einem zum andern, als könne der stärkste Angriff es nimmer zu Boden schlagen. Sein Blick ruhte endlich, nachdem er die Runde an jedem verwunderten Antlitz vorüber gemacht hatte, in einem stolzen, festen Schauen auf den gleich unbeweglichen Zügen des Streifschützen. Das Schweigen wurde zuerst von Doctor Battius mit dem Ausruf unterbrochen:

»Ordnung: primates; Genus: homo; Species: Steppe!«

»Ei, ei, da haben wir das Geheimniß,« sagte der alte Streifschütz, und nickte mit dem Kopf, wie wenn man sich Glück wünscht, daß man endlich hinter die Verstecktheit einer knotenreichen Schwierigkeit gekommen. »Der Bursche hat sich in das Gras versteckt, das Feuer ist im Schlaf über ihn gekommen, und, da er sein Pferd verloren, ist er genöthigt gewesen, unter diese frische Büffelhaut sich zu retten. Keine üble Erfindung, wo Pulver und Feuerstein fehlte, um einen Cirkel abzubrennen. Ich schwöre darauf, es ist ein tüchtiger Junge, einer, mit dem es sicher reisen ist. Ich will gütig mit ihm sprechen, denn Leidenschaft kann auf keinen Fall uns in etwas nützen. Mein Bruder ist nochmals willkommen,« sagte er in der dem andern verständlichen Sprache, »die Teton haben ihn geräuchert, wie sie’s etwa einem Tapir machen würden.«

Der junge Pawnee ließ die Augen über die Steppe rollen, als wolle er die furchtbare Gefahr untersuchen, der er eben entgangen, aber er hielt es für unwürdig, die geringste Rührung wegen ihrer Nähe zu verrathen. Seine Stirn zog sich zusammen, als er auf die Bemerkung des Streifschützen antwortete:

»Ein Teton ist ein Hund. Tönt der Pawnee Kriegsgeschrei in ihre Ohren, dann heult die ganze Nation.«

»So ist’s. Die Schurken sind uns auf der Spur, und ich bin froh, einen Krieger zu treffen, der, die Schlachtaxt in der Hand, sie nicht liebt. Will mein Bruder meine Kinder in sein Dorf führen? Wenn die Sioux uns folgen, werden meine jungen Leute sie ihm schlagen helfen.«

Der junge Pawnee wandte seine Blicke von einem der Fremden zum andern, scharf forschend, ehe er auf so wichtige Frage eine Antwort geben wollte. Seine Untersuchung bei den Männern war kurz, und, wie es schien, befriedigend. Aber seine Beschauung, wie dies auch bei ihrer ersten Zusammenkunft geschehen, hielt sich länger auf, und verrieth Bewunderung, als er die hervorstechende und ungewöhnliche Schönheit eines so reizenden und so seltenen Wesens wie Inez in Augenschein nahm. Obwohl auf Augenblicke sein Anstaunen von ihrem Antlitz zu den faßlicheren und doch ausgezeichneten Reizen Ellens hinüberwanderte, kehrte es bald zu dem Studium eines Geschöpfs zurück, das für sein ungeübtes Auge, und seine unbeschränkte Einbildungskraft mit allen Vorzügen ausgeschmückt war, womit der jugendliche Dichter gern die glühenden Gebilde seines aufgeregten Geistes zu begaben pflegt. Nichts so Schönes, so Idealisches, so in jeder Hinsicht Würdiges, dem Muth, der Hingebung eines Kriegers zu lohnen, war ihm noch in den Steppen begegnet, und der junge Tapfere schien tief und sichtlich von ihrem so seltenen Muster der Lieblichkeit ihres Geschlechts gerührt. Als er jedoch bemerkte, daß sein Staunen den Gegenstand seiner Bewunderung beunruhige, wandt‘ er die Augen weg, legte mit Ausdruck die Hand auf die Brust, und antwortete bescheiden:

»Mein Vater soll willkommen sein; die jungen Leute meines Volks sollen mit seinen Söhnen jagen, die Häupter mit dem Greise rauchen. Die Pawnee-Mädchen werden singen vor den Ohren seiner Töchter.«

»Und wenn wir auf die Teton treffen?« fragte der Streifschütz, der vollkommen die wichtigeren Bedingungen seiner neuen Verbündeten zu vernehmen wünschte.

»Der Feind der Großmesser soll den Arm der Pawnee fühlen!«

»Gut. Nun lasse meinen Bruder und mich uns berathen, damit wir nicht gehen mögen auf krummem Pfad, sondern daß unser Weg nach seinem Dorf gleich sei dem Flug der Tauben.«

Der junge Pawnee machte eine ausdrucksvolle Geberde der Zustimmung, und folgte dem Andern etwas bei Seite, damit sie nicht von dem unruhigen Paul oder dem vertieften Naturforscher unterbrochen werden möchten, Ihre Unterredung dauerte nicht lange, aber da sie auf die sententiöse Weise der Eingebornen vor sich ging, war sie hinreichend, beiden Theilen alle nöthige Belehrung zu geben. Als sie zu den Andern zurückkamen, wollte der Alte, wie folgt, einiges von dem, was zwischen ihnen vorgegangen, mittheilen.

»Ei, ich trog mich nicht,« sagte er, »dieser gutaussehende junge Krieger, – denn gut, edel sieht er aus, obwohl er ein wenig durch Bemalung sich schrecklich gemacht hat, – dieser gutaussehende junge Mann also sagt mir, daß er gerade dieser Teton wegen aus ist. Sein Haufen war nicht stark genug, um die T – l zu schlagen, die herunter sind aus ihren Städten in großer Zahl, Büffel zu jagen, und Flüchtlinge sind in die Pawnee Dörfer gekommen um Hülfe. Es scheint, der Junge kennt keine Furcht, denn er hat ihre Spur allein verfolgt, bis, wie wir, er im Gras ein Lager hat suchen müssen. Aber er sagt mir noch mehr, Leute, und, was mich zu hören sehr betrübt, der listige Mahtoree, statt mit dem Auswanderer handgemein zu werden, ist sein Freund geworden, und beider Brut, roth und weiß, sind uns auf den Fersen, und legten ringsum die Steppe in Asche, unsern Untergang herbeizuführen.«

»Wie kann er all das wissen?« fragte Middleton. »Wie erfuhr er, daß es so sei?«

»Wie? Wie er’s erfuhr? Meint Ihr, Zeitungen und Stadtausrufer brauchte es, um einem Kundschafter zu sagen, was auf den Steppen geschieht, wie dies in den Staaten der Fall ist. Kein Zigeunerweib, das von Haus zu Haus eilt, um das Unglück ihres Nachbars zu verbreiten, kann so schnell mit ihrer Zunge die Neuigkeiten herumbringen, als dieses Volk seine Meinung durch Zeichen und Warnungen, die es allein versteht, kund thut. Das ist ihre Gelehrsamkeit, und was besser ist, sie wird in freier Luft erlangt, nicht innerhalb der Schulwände. Ich versichere Euch, Capitain, was er sagt, ist wahr.«

»Was das anlangt, das will ich beschwören,« sagte Paul. »Es ist vernünftig, und deßwegen muß es wahr sein.«

»Und das könnt Ihr auch, Junge. Er erklärt ferner, daß meine alten Augen mir nochmals treu gewesen, und daß der Fluß hier herum ist, etwa eine halbe Meile entfernt. Ihr seht, das Feuer ist so ziemlich in dieser Gegend fertig, und unser Weg in Wolken von Rauch gehüllt. Er hält es auch für nöthig, unsere Spur im Wasser abzuwaschen. Ja, wir müssen diesen Fluß zwischen uns und die Sioux-Augen setzen, und dann, mit des Herrn Gnade, unsern eigenen Eifer nicht zu vergessen, können wir zum Dorf der Wölfe gelangen.«

»Worte bringen uns keinen Schritt weiter,« sagte Middleton, »laßt uns aufbrechen.«

Der Alte stimmte bei, und die Gesellschaft machte sich nochmals auf den Weg. Der Pawnee warf die Büffelhaut über seine Schulter, und führte an, blickte jedoch oft hinter sich, als er vorwärts schritt, um die ungewöhnliche und für ihn unbegreifliche Lieblichkeit der Inez anzustaunen.

Eine Stunde brachte die Flüchtlinge an die Ufer des Stroms, der einer von den Hunderten war, welche durch das weite Geäder des Missouri und Mississippi die Wasser jenes großen und noch unbewohnten Landes dem Ocean zuführen. Der Fluß war nicht tief, aber sein Lauf trüb und schnell. Die Flammen hatten den Boden bis zu dessen Rande bestrichen, und da die warmen Dämpfe des Wassers sich in der kühleren Luft des Morgens mit dem Rauch des noch wüthenden Brandes mischten, war der größte Theil der Fläche in einen Mantel hinziehender Dünste gehüllt. Der Streifschütz machte auf diesen Umstand mit Vergnügen aufmerksam, und sagte, als er Inez am Rande des Wassers vom Pferd half:

»Die Schelme haben sich selbst hintergangen; ich weiß nicht, ob ich nicht die Steppe auch angezündet hätte, um den Vortheil, daß der Rauch unsere Bewegungen einhülle, zu erlangen; jetzt haben uns die herzlosen Wichte die Mühe erspart. Ich hab’s zu meiner Zeit so gemacht, und mit Erfolg. Kommt, Lady, setzt den zarten Fuß auf den Boden, denn eine furchtbare Zeit ist es gewesen für Jemand von Eurer Erziehung und Zartheit; – ach, was haben nicht zu meiner Zeit die Zarten, Guten, Aengstlichen unter den Schrecken und Nachstellungen des indianischen Kriegs erduldet! Kommt, es ist eine kurze Viertelmeile an das andere Ufer, und dann wenigstens ist unsere Spur unterbrochen.«

Paul hatte unterdeß Ellen bei’m Absteigen unterstützt, und jetzt stand er und betrachtete mit trostlosen Augen die nackten Ufer des Flusses. Kein Baum, kein Gesträuch wuchs an seinem Rand, hier und da verlorenes Gebüsch, unter dem man nicht leicht ein Dutzend Stämme von der Dicke eines gewöhnlichen Spazierstocks hätte finden mögen.

»Hört, alter Streifschütz,« rief der muthwillige Bienenjäger, »da kann man schon von der andern Seite dieses Zwergs von einem Fluß oder Bach, oder wie Ihr ihn nennen wollt, reden; es müßte in der That eine tüchtige Büchse sein, die ihr Blei hinüberbringen könnte, daß es einen Indianer oder ein Reh verletze.«

»Freilich, freilich. Obwohl ich hier eine führe, die zur Noth ihre Pflicht in eben so großer Entfernung gethan hat.«

»Und wollt Ihr Ellen und des Capitains Lady hinüberschießen, oder sollen sie unter’m Wasser nach Art der Forellen hinüber?«

»Ist der Fluß zum Durchwaden zu tief?« fragte Middleton, der wie Paul die Unmöglichkeit zu bedenken begann, sie, deren Rettung er mehr als seine eigene schätzte, auf das andere Ufer zu bringen.

»Wenn die Berge ihn mit ihren Bächen nähren, ist es, Ihr seht’s, ein schneller und mächtiger Strom, und doch bin ich über sein sandiges Bett gegangen, ohne ein Knie zu benetzen. Aber wir haben die Siouxpferde, ich wette, die pfiffigen Schelme schwimmen Euch wie Rehe.«

»Alter Streifschütz,« sagte Paul, und fuhr mit den Händen in seine Haare, wie er zu thun pflegte, wenn eine Schwierigkeit seinen Scharfsinn verwirrte. »Ich habe zu meiner Zeit wie ein Fisch geschwommen, und kann es noch, wenn es die Noth erfordert, auch kümmere ich mich nicht sehr um das Wetter, aber ich frage, ob Ihr Nelly auf ein Pferd bringen könnt, während das Wasser so stürmisch vor ihr hinrollt, außerdem ist es augenscheinlich, das Ding geht nicht trocken ab.«

»Ei, der Junge hat Recht. Also zu unserer Erfindung, oder wir kommen nicht hinüber.« Dann schnell die Unterredung abbrechend, wandte er sich zu dem Pawnee, und machte ihn mit der Schwierigkeit bekannt, die sich bei den Frauen zeigte. Der junge Krieger hörte ernst zu, warf die Büffelhaut von der Schulter, und fing sogleich, gelegentlich von dem Alten unterstützt, an, die nöthigen Vorkehrungen zu dem gewünschten Zweck zu treffen.

Die Haut war bald mit Hülfe von Rehstriemen, womit beide gut versehen waren, in die Gestalt eines Regenschirmes oder umgekehrten Schutzdaches zusammengezogen. Einige leichte Stöcke dienten dazu, die Theile am Zusammenfallen zu hindern, und als dies einfache und natürliche Mittel vorbereitet war, ward es aufs Wasser gesetzt, und der Indianer gab durch Zeichen zu verstehen, es sei bereit, seine Ladung einzunehmen. Inez und Ellen zögerten, sich einer Barke von so leichter Bauart anzuvertrauen, und auch Middleton und Paul wollten es nicht zugeben, bis sie sich durch wirklichen Versuch versichert, daß das Fahrzeug selbst eine weit schwerere Last tragen könne. Da endlich wurden ihre Anstände wiewohl mit Widerstreben besiegt, und die Haut nahm die kostbare Fracht auf.

»Nun laßt den Pawnee Lootsen sein,« sagte der Streifschütz, »meine Hand ist nicht so fest wie vormals, aber er hat Glieder wie gehärtetes Eisenholz. Ueberlaßt alles der Weisheit des Pawnee.«

Der Gemahl und der Liebende konnten nicht gut anders, und wurden sehr theilnehmende aber leidende Zuschauer bei dieser uranfänglichen Art von Färcherei. Der Pawnee wählte sich Mahtoree’s Thier aus den drei Pferden, und das mit einer Schnelligkeit, welche bewies, daß er gar nicht unbekannt mit den Eigenschaften des edeln Rosses sei, warf sich darauf und ritt an den Rand des Flusses. Das eine Ende seiner Lanze in die Haut steckend, zog er das leichte Fahrzeug den Strom hinauf, ließ dem Pferde die Zügel schießen und drang kühn in die Fluth. Middleton und Paul folgten und hielten sich so nahe an der Barke, als es Klugheit rathsam machte. Auf diese Weise brachte der junge Krieger seine kostbare Ladung in vollkommener Wohlbehaltenheit an das andere Ufer, ohne die geringste Beschwerlichkeit für die Reisenden und mit einer Sicherheit und Schnelligkeit, welche verrieth, daß beide, Pferd und Reiter, in dem Werk nicht ungeübt seien. Als das Ufer gewonnen war, machte der junge Indianer seine Arbeit auseinander, warf die Haut über die Schulter, nahm die Stöcke unter den Arm, und ging ohne etwas zu sagen, wieder hinüber, um die Uebrigen auf ähnliche Art an das Ufer zu bringen, welches sehr mit Recht als das sichere betrachtet ward.

»Nun, Freund Doctor,« sagte der Alte, als er den Indianer wieder in den Fluß gehen sah, »nun weiß ich, daß in jener Rothhaut Treue ist. Er ist ein gut aussehender, ja und ein ehrlich aussehender Junge; aber die Winde des Himmels sind nicht betrügerischer als diese Wilden, wenn der T –l sie so recht besessen hat. Wäre der Pawnee ein Teton oder einer von jenen herzlosen Mingo gewesen, die durch die Wälder von York zu streifen pflegten, es mögen etwa sechszig Jahre zurück sein, dann hätten wir sehen können, wie er uns den Rücken und nicht das Gesicht zugewendet. Mein Herz hatte schon seinen Verdacht, als ich den Jungen das bessere Pferd wählen sah, denn mit dem Thier könnte er uns eben so leicht verlassen, als eine gewandte Taube sich von einer Heerde lärmender, schwerfliegender Raben absondern möchte. Aber Ihr seht, Wahrheit ist in dem Jungen, und macht einmal eine Rothhaut Euch zum Freund, und er ist der Eurige, so lange Ihr ihn ehrlich behandelt.«

»Wie weit mag’s bis zur Quelle dieses Stroms sein?« fragte der Doctor, dessen Augen über die kräuselnden Wellen mit sehr zweifelvollem Ausdruck hinstrichen; »in wie weiter Entfernung könnte man sein verborgenes Entspringen auffinden?«

»Je nachdem es Wetter ist. Ich wette, Eure Beine würden müde werden, eh‘ Ihr seinen Lauf bis in die Felsgebirge verfolgt hättet; aber dann gibt’s Jahreszeiten, wo es, ohne einen Fuß naß zu machen, geschehen kann.«

»Und wann ist diese Zeit?«

»Wer diese Stelle einige Monate von jetzt an betritt, wird diesen brausenden Wasserspiegel als eine Wüste von Treibsand wiederfinden.«

Der Naturforscher sann tief nach. Wie viele Andere, die nicht überreichlich mit physischer Kraft versehen sind, hatte sich der Würdige die Gefahr, über den Fluß zu setzen, plötzlich um so größer vorbestellt, als jetzt der Augenblick der Ausführung herankam, daß er wirklich an den verzweifelten Versuch dachte, den Fluß zu umgehen, um die Zufälle bei der Ueberfahrt zu vermeiden. Es ist unnöthig, sich bei dem unglaublichen Scharfsinn aufzuhalten, womit der Schrecken zu jeder Zeit einen wankenden Beweis zu stützen pflegt. Der würdige Obed hatte den ganzen Plan mit löblichem Eifer überdacht, und war eben zu dem tröstlichen Schluß gekommen, daß es fast eben so großer Ruhm sei, die verborgenen Quellen eines so beträchtlichen Stromes aufzusuchen, als eine Pflanze oder ein Insect den Verzeichnissen der Gelehrten einzufügen, – da stieß der Pawnee wieder an’s Ufer. Der Alte nahm mit der größten Ueberlegung seinen Sitz in dem Hauptfahrzeug ein, sobald es nur zu seiner Aufnahme vorbereitet worden, und winkte nachdem er sorgsam den Hektor unter seine Beine untergebracht, dem Gefährten, den dritten Platz zu besetzen.

Der Naturforscher setzte den einen Fuß in das gebrechliche Fahrzeug, wie etwa der Elephant eine Brücke untersucht, oder wie man ein Pferd oft ähnliche Untersuchungen anstellen sieht, ehe es seinen ganzen körperlichen Werth den gefürchteten Dielen anvertrauen will, und zog dann in dem Augenblick wieder zurück, wo der Alte ihn sitzen glaubte.

»Verehrungswürdiger Jäger,« sagte er düster, »das ist eine unwissenschaftliche Barke; ein innerer Mahner verbietet mir auch, ihr meine Sicherheit zu vertrauen.«

»Ei!« sagte der Alte, der mit den Ohren des Hundes spielte, wie es etwa ein Vater mit einem begünstigten Kinde thut.

»Ich habe keine Neigung, auf diese unregelmäßige Art die Fluthen zu versuchen. Das Schiff hat weder Gestalt noch Verhältnisse.«

»Es ist nicht so schön gedrechselt, wie ich ein Canoe von Birkenrinde gesehen, aber Trost ist im Wigwam wie im Palast.«

»Es ist unmöglich, daß ein, auf so sehr aller Wissenschaft widerstrebende Grundsätze gebautes Fahrzeug, sicher sein kann; diese Schüssel, ehrwürdiger Jäger, wird nie sicher das andere Ufer erreichen.«

»Ihr waret ja Zeuge von dem, was sie eben ausgerichtet.«

»Ei, das war eine Anomalie im Glück. Wenn man Ausnahmen für Regeln im Verhalten der Dinge annehmen wollte, würde das Menschengeschlecht bald in die Abgründe der Unwissenheit gestürzt werden. Ehrwürdiger Jäger, dies Werkzeug, auf das Ihr Eure Sicherheit setzen wollt, ist in den Annalen regelmäßiger Erfindungen, was ein lusus naturae (Naturspiel) in den Verzeichnissen der Naturgeschichte heißt, – eine Mißgeburt.«

Wie weit noch Doctor Battius die Rede hinausgesponnen hätte, ist schwer zu sagen; denn außer den mächtigen persönlichen Rücksichten, die ihn bewogen, ein Experiment aufzuschieben, was sicherlich nicht ohne seine Gefahren war, begann der Stolz der Vernunft ihn in seiner Erörterung zu unterstützen. Aber zum Glück für des Alten Geduld erhob sich, als der Naturalist zu dem Wort gekommen, womit er seine Rede endete, ein Ton in der Luft, der eine Art übernatürlichen Widerhalls für des Doctors Ausspruch schien. Der junge Pawnee, welcher das Ende der unbegreiflichen Unterredung mit ernster und charakteristischer Geduld abgewartet, erhob das Haupt und hörte auf den unbekannten Schrei, wie ein Hirsch, dessen geheimnißvolle Fähigkeit die Fußtritte der fernen Hunde entdeckt hat. Doch war der Streifschütz und der Doctor nicht ganz so unerfahren, von welcher Art die ungewöhnlichen Töne seien. Der letztere erkannte in ihnen die wohlbekannte Stimme seines eigenen Thieres, und er wollte die kleine Erhöhung die den Fluß einschloß, mit all dem Bangen zärtlicher Zuneigung hinauseilen, als Asinus selbst in nicht großer Entfernung auf ihn zu galoppirte, zu diesem unnatürlichen Gange durch den ungeduldigen und groben Weucha getrieben, der ihn bestiegen hatte.

Des Tetons Augen und die der Flüchtlinge begegneten sich. Der erstere erhob einen langen, lauten, durchdringenden Schrei, worin die Töne des Jauchzens furchtbar mit denen der Warnung zerschmolzen. Dies Signal machte dem Streit über die Vorzüge der Barke ein Ende, indem der Doctor so schnell an des Alten Seite eilte, als wenn ein geistiger Nebel aus wunderbare Weise von seinen Augen weggenommen worden. Im nächsten Augenblick kämpfte des jungen Pawnee’s Stute kräftig mit der Fluth.

Die äußerste Anstrengung des Pferdes war nöthig, um die Flüchtlinge aus dem Bereich der Pfeile zu bringen, die alsbald durch die Luft segelten. Weucha’s Geschrei hatte fünfzig der Gefährten an’s Ufer gebracht, aber zum Glück war unter ihnen allen keiner von hinlänglichem Rang, um ihm das Privilegium zu geben, eine Flinte zu tragen. Die Hälfte des Stromes jedoch war noch nicht zurückgelegt, als man Mahtoree’s Gestalt selbst an dessen Ufer sah, und eine unwirksame Ladung von den Feuerwaffen zeugte von der Wuth und getäuschten Hoffnung des Anführers. Mehr als einmal hatte der Streifschütz seine Flinte erhoben, als wolle er ihre Kraft gegen seine Feinde versuchen, aber eben so oft ließ er sie nieder, ohne zu feuern. Die Augen des Pawnee-Kriegers glänzten wie jene des Cougars, bei’m Anblick so vieler von dem feindlichen Stamme, und er beantwortete die unmächtigen Anstrengungen ihres Anführers, indem er eine Hand verachtungsvoll in die Luft reckte und das Kriegsgeschrei seiner Nation ausstieß. Die Aufforderung war zu empörend, um geduldet zu werden. Die Teton sprangen in den Fluß alle zusammen, und die Fluth erfüllte sich mit den dunkeln Gestalten von Thieren und ihren Reitern.

Jetzt entstand ein furchtbarer Kampf um die freundliche Küste, da die Dahcotah mit Thieren vordrangen, welche nicht, wie die der Pawnee, ihre Kräfte in früheren Anstrengungen erschöpft hatten, und da sie unbelästigt von allem, nur ihre Reiter trugen, übertraf die Schnelligkeit der Verfolger gar sehr die der Flüchtlinge. Der Streifschütz, der klar die ganze Gefahr ihrer Lage begriff, wandte ruhig die Augen von den Teton auf seinen jungen indianischen Gefährten, um zu untersuchen, ob die Entschlossenheit des letztem zu wanken anfinge, je mehr die ersteren den Zwischenraum zwischen ihnen verringerten. Statt aber Furcht zu verrathen, oder etwas von der Besorgnis zu sagen, die so natürlich aus seinem sonderbaren Wagniß hervorzugehen schien, war die Stirn des jungen Kriegers zu einem Blick zusammengezogen, der hohe, tödtliche Feindschaft aussprach.

»Schätzt Ihr, Freund Doctor, das Leben sehr?« fragte der Alte, mit einer Art philosophischem Gleichmuth, der die Frage für seinen Gefährten doppelt entsetzlich machte.

»Nicht um seiner, selbst willen entgegnete der Naturforscher und schlürfte aus der hohlen Hand etwas Wasser aus dem Fluß, um seine heiße Kehle zu klären. »Nicht um seiner selbst willen, aber ganz außerordentlich, in soweit die Naturgeschichte so tiefes Interesse an meinem Leben nehmen muß, deßwegen –«

»Ei,« erwiederte der Andere, der zu sehr in Gedanken war, um des Doctor’s Ideen mit seinem gewöhnlichen Scharfsinn zu zergliedern. »Das ist freilich eine ganz natürliche Geschichte, und ein tiefes und eingewurzeltes Gefühl ist es; aber das Leben ist dem jungen Pawnee von eben so großem Werth als dem Statthalter der Staaten, und er könnte es retten, oder es wäre wenigstens möglich, daß er es rettete, wenn er uns dem Strom hinabgleiten ließe, und doch seht Ihr hält er sein Wort männlich, und wie ein indianischer Krieger. Ich, ich bin alt, und bereit, das Geschick zu nehmen, wie es der Herr mir verhängen will, auch sehe ich nicht, daß Ihr der Menschheit von großem Nutzen seid. Dagegen ist es eine schreiende Schande, ja eine Sünde, wenn solch ein schöner Junge, wie der, seinen Schädel um zwei so unnütze Wesen wie wir verlieren sollte. Ich bin daher geneigt, vorausgesetzt, daß es Euch recht ist, dem Burschen zu sagen, daß er für sich forteile, und uns der Gnade der Teton überlasse.«

»Ich bestreite den Vorschlag als der Natur widerstrebend, als Verrath an der Wissenschaft,« rief der bestürzte Naturforscher. »Unsere Eile ist bewunderungswürdig, und da die herrliche Erfindung mit so erstaunlicher Leichtigkeit sich bewegt, werden einige Minuten uns ans Land bringen.«

Der Alte betrachtete ihn einen Augenblick ernst, schüttelte den Kopf und sagte: »Himmel was ist Furcht! sie verwandelt die Geschöpfe der Welt und die Werke des Menschen, läßt, was häßlich ist, unsern Augen schön erscheinen, was schön, unansehnlich. Himmel was thut die Furcht!

Doch ward durch das wachsende Interesse der Verfolgung dem Gespräch ein Ende gemacht. Der Dahcotah Pferde hatten jetzt die Mitte des Stroms erreicht, und ihre Reiter erfüllten schon die Luft mit Triumphgeschrei. In diesem Augenblick erschienen Middleton und Paul, welche die Damen in ein kleines Dickicht geführt hatten, wieder am Rand des Stroms und drohten ihren Feinden mit der Büchse.

»Sitzt auf, sitzt auf,« rief der Streifschütz, sobald er sie sah, »sitzt auf und flieht, wenn Ihr die schätzt, die Eurer Hülfe vertrauen. Sitzt auf, und laßt uns in den Händen des Herrn.«

»Nieder mit dem Kopf, alter Streifschütz,« erwiederte Paul’s Stimme, »nieder mit euch Beiden in euer Nest. Der Teton-T–l ist in gerader Linie mit euch, macht einer Kentucky-Kugel Platz.«

Der Alte wandte das Haupt, und sah, daß der eifrige Mahtoree, der seinen Begleitern etwas voraus war, fast in gerade Linie mit der Barke und dem Bienenjager gekommen, der ganz bereit war, seine gefährliche Drohung auszuführen. Er beugte sich, die Büchse ging los, und das schnelle Blei pfiff harmlos an ihm vorüber nach seinem entfernteren Ziel. Aber des Tetonhäuptlings Auge war nicht weniger schnell und sicher als das seines Feindes. Er warf sich einen Augenblick vor dem Schuß vom Pferde und versank in’s Wasser. Das Thier schnaufte vor Schreck und Angst, und erhob sich halb in dem Fluß, dann trieb es fort in der Strömung und färbte die wilden Wasser mit seinem Blut.

Der Tetonhäuptling erschien bald wieder auf der Oberfläche, und schwamm, als er seinen Verlust gewahrte, mit kräftigen Zügen auf den nächsten seiner Leute zu, der als etwas, was sich von selbst versteht, so einem berühmten Krieger seine Stute überließ. Doch veranlaßte der Vorfall eine Verwirrung in der ganzen Dahcotah-Bande, welche den Willen ihres Führers abzuwarten schien, ehe sie ihre Anstrengungen, die Küste zu erreichen, erneuerte. Indeß hatte das, Hauptfahrzeug das Land gewonnen, und die Flüchtlinge vereinten sich nochmals am Rand des Flusses.

Die Wilden schwammen ungewiß herum, wir man etwa Heerde Tauben verwirrt fliegen sieht, wenn sie eine schwere Ladung in ihre Vordercolonne bekommen. Sie zögerten augenscheinlich, ein Ufer zu erstürmen, das so furchtbar vertheidigt ward. Die wohlbekannte Vorsicht der indianischen Kriegskunst trug endlich das Uebergewicht davon, und Mahtoree, durch den vorigen Vorfall gewitzigt, führte seine Krieger zurück an das Ufer, das sie verlassen, um die Pferde zu beruhigen, die scheu zu werden anfingen.

»Nun sitzt auf mit euren Schönen, und eilt nach jenem Hügel,« sagte der Streifschütz, »hinter ihm findet ihr einen andern Strom, über den müßt ihr setzen, euch gegen die Sonne richten, und seinem Lauf eine Meile folgen, bis ihr eine hohe, sandige Ebene erreicht, dort will ich euch treffen. Geht, sitzt auf, dieser Pawnee-Jüngling und ich, und mein tapferer Freund, der Physiker, der ein verzweifelter Held ist, sind Mann genug, das Ufer zu vertheidigen, da, wie wir sehen, Schau nicht, sondern That hier nöthig ist.«

Middleton und Paul wollten gegen diesen Vorschlag nicht vergebens ihre Lungen in Vorstellungen anstrengen. Froh, daß ihr Rücken gedeckt war, wenn auch nur unvollkommen, setzten sie schnell ihre Pferde in Bewegung, und verschwanden bald in der verlangten Richtung, Zwanzig bis dreißig Minuten vergingen, ehe die Teton auf dem andern Ufer geneigt schienen, etwas Neues zu unternehmen. Mahtoree war deutlich in der Mitte seiner Krieger zu sehen, wie er Befehle ausgab, und seine Rachbegierde verrieth, indem er gelegentlich seinen Arm nach den Flüchtlingen ausreckte, aber kein Schritt geschah, der eine unmittelbare Feindseligkeit zu drohen schien. Endlich erhob sich ein Geschrei unter den Wilden, das einen neuen Vorfall andeutete. Dann sah man Ismael und seine lässigen Söhne in der Entfernung, und bald trat die ganze vereinigte Macht an den Rand des Stroms. Der Auswanderer untersuchte die Stellung seiner Feinde mit seiner gewöhnlichen Ruhe, und gleichsam die Kraft seiner Büchse zu versuchen, sandte er eine Kugel unter sie, mit hinlänglicher Kraft, selbst in dieser Entfernung Tod zu bringen.

»Nun laßt uns fort!« rief Obed, und versuchte, das Blei zu erblicken, das, wie er sich einbildete, an seinem Ohr nahe vorbeigepfiffen. »Wir haben das Ufer tapfer vertheidigt, und lange genug, eben so große militärische Kunst zeigt sich im Rückzug als im Vordringen.«

Der Alte warf einen Blick hinter sich, und da er sah, daß die Reiter den Schutz des Hügels gewonnen, machte er gegen den Vorschlag keine weiteren Schwierigkeiten, Das noch übrige Pferd bekam der Doctor mit dem Befehl, dieselbe Richtung wie Middleton und Paul zu verfolgen. Als der Naturforscher saß, und in voller Flucht war, stahl der Streifschütz und der junge Pawnee sich auf eine Weise von der Stelle, die ihre Feinde noch einige Zeit in Zweifel über ihre Bewegungen ließ. Statt jedoch gerade über die Ebene nach dem Hügel zu gehen, was sie zu sehr ausgesetzt hätte, nahmen sie einen kürzeren Weg, der durch die Bildung des Bodens gedeckt war, und setzten über das kleine Wasser an dem Punct, wo Middleton geheißen worden, es zu verlassen, und gerade zu rechter Zeit, sich mit ihm zu vereinigen. Der Doctor hatte so großen Eifer auf der Flucht bewiesen, daß er schon seinen Freunden voraus war, und folglich waren alle Flüchtlinge wieder beisammen.

Der Streifschütz sah sich jetzt nach einer passenden Stelle um, wo der ganze Haufen fünf oder sechs Stunden, wie er sich ausdrückte, Halt machen könnte.

»Halt!« rief der Doctor, als der beunruhigende Vorschlag sein Ohr erreichte; »ehrwürdiger Jäger, es möchte scheinen, daß im Gegentheil wir mehrere Tage lang fliehen sollten!«

Middleton und Paul waren beide dieser Meinung, und jeder sagte es auch auf seine Art.

Der Alte hörte sie mit Geduld, schüttelte aber, nicht überzeugt, den Kopf, und beantwortete dann alle ihre Gründe zugleich und mit einem Worte.

»Warum sollten wir fliehen?« fragte er. »Können die Beine sterblicher Menschen Pferde überflügeln? Meint Ihr, die Teton werden niederliegen und schlafen, ohne über das Wasser zu setzen und nach unserer Spur zu forschen? Dank sei Gott, wir haben unsere Fährte gut im Wasser gewaschen, und wenn wir die Stelle mit Vorsicht und Weisheit verlassen, können wir sie noch von unserer Spur abbringen. Aber Steppe ist nicht Wald. Da kann man lange Reisen machen und braucht sich nur um die Fußtapfen des Moccasins zu bekümmern, während in jenen offenen Ebenen ein Späher, auf jenen Hügel gestellt, so weit nach jeder Seite hinsehen kann, wie ein streichender Habicht, der auf Raub aus ist. Nein, nein, die Nacht muß kommen, Dunkelheit über uns sein, ehe wir diese Stelle verlassen. Aber hört auf das Wort des Pawnee’s, er ist ein Bursche von Geist, und ich schwöre, er hat manchen harten Strauß mit den Sioux-Banden gehabt. Meint mein Bruder, seine Spur sei lang genug?« fragte er ihn dann auf Indianisch.

»Ist ein Teton ein Fisch, daß er sie im Fluß sehen kann?«

»Aber meine Leute meinen, wir sollten sie verlängern, bis sie über die Steppe reicht.«

»Mahtoree hat Augen, er wird es sehen.«

»Was räth mein Bruder?«

»Der junge Krieger studirte einen Augenblick den Himmel, und schien ungewiß. Er überlegte einige Zeit und antwortete dann, wie wenn man fest entschlossen ist:

»Die Dahcotah schlafen nicht, wir müssen in’s Gras uns verstecken.«

»Ah, der Junge ist meiner Meinung,« sagte der Alte und erklärte kurz die Meinung seines Gefährten seinen weißen Freunden. Middleton war genöthigt beizustimmen, und da es offenbar gefährlich war, stehen zu bleiben, machte Jeder Vorkehrungen zu seiner Sicherheit. Inez und Ellen wurden schnell unter die warmen und nicht unbequemen Büffelhäute gebracht, die eine dichte Decke bildeten, und hohes Gras ward über die Stelle gestreut, so daß das Ganze jeder Untersuchung eines gewöhnlichen Auges entging. Paul und der Pawnee banden die Thiere und warfen sie zu Boden, wo man sie, nachdem sie mit Futter versehen worden, auch in dem Nebel der Steppe versteckt ließ. Man verlor keine Zeit; als dies fertig war, suchte Jeder eine Stelle der Ruhe und Verstecktheit für sich selbst, und dann schien die Ebene wieder ihrer Einsamkeit überlassen.

Der Alte hatte seinen Gefährten die Nothwendigkeit bedeutet, Stunden lang in ihrem Versteck zu bleiben. Alle ihre Hoffnung zu entrinnen, hing von dem Gelingen dieser List ab. Wenn sie die Klugheit ihrer Verfolger durch dies einfache und deßwegen weniger vermuthete Mittel hintergehen konnten, mochten sie ihre Flucht, sobald der Abend kam, fortsetzen, und indem sie ihre Richtung änderten, würde die Vermuthung des Erfolgs noch erhöht. Durch diese wichtigen Betrachtungen bewogen, lag der ganze Haufen, über seinen Zustand brütend, bis die Gedanken wirrer wurden, und der Schlaf endlich über alle nach und nach kam.

Das tiefste Schweigen hatte stundenlang geherrscht, als die seinen Ohren des Streifschützen und des Pawnee’s durch einen hellen Schrei des Erstaunens von Inez aufgeregt wurden. Aufspringend wie Leute, welche für ihr Leben kämpfen, fanden sie die weite Ebene, die wellenförmigen Erhöhungen, den kleinen Hügel, und das zerstreute Gebüsch alles in ein weißes, blendendes Schneegewand gehüllt.

»Der Herr hab‘ Mitleid mit euch allen!« rief der Alte und betrachtete den Auftritt mit ängstlichem Auge; »nun Pawnee weiß ich die Ursache, warum Ihr so scharf die Wolken untersuchtet; aber es ist zu spät, zu spät! Ein Eichhörnchen ließe auf dieser leichten Decke eine Spur hinter sich. Ha, nun bekommen die Schurken Gewißheit!

Nieder mit euch, nieder! Unsere Aussichten sind gering, und doch darf man sie nicht übermüthig wegwerfen.«

Der ganze Haufen war sogleich wieder verborgen, obwohl mancher ängstliche und verstohlene Blick durch das Gras nach den Bewegungen der Feinde drang. Eine halbe Meile entfernt sah man die Teton-Bande in einem Kreis herumreiten, der sich allmählig zusammenzog und augenscheinlich auf derselben Stelle endete, wo die Flüchtlinge lagen. Es war nicht schwer, das Geheimnis, dieser Bewegung zu lösen. Der Schnee war früh genug gefallen, um sie zu versichern, daß die Gesuchten hinter ihnen wären und sie beschäftigten sich nun mit der unermüdlichen Ausdauer und Geduld indianischer Krieger damit, die sichern Grenzen ihres Verstecks zu umzingeln.

Jeder Augenblick vergrößerte die Gefahr der Flüchtlinge. Paul und Middleton setzten bedachtsam ihre Büchsen in Stand, und als der ernstlich beschäftigte Mahtoree endlich ihnen auf fünfzig Fuß nahe kam und seine Augen immer auf das Gras geheftet hielt, durch das er ritt, schlugen sie zugleich an und drückten los. Ihre Bemühung ward nur durch das Knappen des Hahns erwiedert.

»Genug,« sagte der Alte und erhob sich mit Würde. »Ich habe die Steine weggeworfen, denn plötzlicher Tod würde auf eure Raschheit folgen. Nun laßt uns unserm Geschick wie Männer begegnen. Weinen und Klagen finden nicht Gnade in indianischen Augen.«

Sein Erscheinen ward durch ein Geschrei begrüßt, das weit und breit über die Ebene drang und in einem Augenblick sah man Hunderte von Wilden wie toll auf die Stätte reiten. Mahtoree empfing, seine Gefangenen mit großer Selbstbezwingung, obwohl ein Strahl stolzer Freude durch sein düsteres Auge brach, und Middleton durchdrang Eiseskälte, als er diesen Ausdruck seines Auges gewahrte, wie er ihn aus die fast unempfindliche, aber noch liebliche Inez richtete.

Die Freude, daß er die weißen Gefangenen wieder habe, war so groß, daß sie für einige Zeit die dunkle unbewegliche Gestalt des Indianers, der sie begleitete, fast ganz bei ihm in Vergessenheit brachte. Dieser stand allein, nicht würdigend sein Auge auf seine Feinde zu werfen, so regungslos, als sei er in dieser würdigen, festen Stellung erfroren. Aber als einige Zeit vorübergegangen, zog selbst dieser Nebengegenstand die Aufmerksamkeit der Teton auf sich. Da erst erfuhr der Streifschütz, durch das Triumphgeschrei und das lange fortgesetzte Rufen, das mit einem Mal aus hundert Kehlen hervorkam, so wie auch durch den furchtbaren Namen selbst, der die Luft erfüllte, daß sein jugendlicher Freund Niemand anders als jener gefürchtete und bisher unbesiegte Krieger, der mächtige Hartherz sei.

Fünfundzwanzigstes Kapitel.

Fünfundzwanzigstes Kapitel.

»Was, seid der alte Pistol und Ihr Freunde noch?« –

Shakespeare.

 

Der Vorhang unsers unvollkommenen Dramas muß fallen, um über einer andern Scene aufzugehen. Die Zeit ist um mehrer Tage hinausgerückt, während welcher wichtige Veränderungen in der Lage der Auftretenden vorgegangen sind. Die Stunde ist Mittag, und der Ort eine erhöhte Ebene, welche in nicht großer Entfernung von dem Wasser etwas plötzlich über den fruchtbaren Boden sich erhob, der längs dem Rande eines der zahlreichen Wasser jener Gegend hinstrich. Der Bach nahm seinen Ursprung nahe dem Fuße der Felsgebirge, und mischte sich, nachdem er einen großen Theil der Ebene bewässert mit einem größeren Wasser, um sich dann endlich in der trüben Fluth des Missouri zu verlieren.

Die Landschaft veränderte sich wesentlich zum Besseren, obgleich die Hand, welche so viel von einer Wüste dem umgebenden Land eingedrückt, auch auf dieser Stelle lastete. Der Anblick der Vegetation war jedoch weniger ermuthigend als auf den dürreren Wüsten der wellenförmigen Steppen. Baumgruppen waren verschwenderischer ausgestreut, und eine lange Linie dichten Walds begrenzte die nördliche Schranke der Aussicht. Hier und da, auf dem Boden, sah man Spuren hastigen, unvollkommenen Anbaus solcher einheimischen Gewächse, die schnell wuchsen und ohne Beihülfe der Kunst in tiefem, angeschwemmtem Boden gediehen. Am Fuße dessen, was man das Hochland nennen konnte, waren die hundert Wohnungen einer Horde wandernder Sioux aufgepflanzt. Ihre leichten Gemächer waren ohne die geringste Rücksicht auf Ordnung gestellt; Nähe beim Wasser schien die einzige Betrachtung gewesen zu sein, die man bei ihrer Anlegung angestellt hatte, und selbst diese wichtige Bequemlichkeit war nicht immer gewahrt worden. Während die meisten Wohnungen an der Grenze des Thals standen, sah man viele in größerer Entfernung solche Stellen einnehmen, wie sie zuerst dem launenvollen Auge ihrer rücksichtslosen Eigner gefallen hatten. Das Lager war nicht militärisch und auch nicht im Geringsten vor Ueberfall durch Lage oder Vertheidigung geschützt. Es war auf jeder Seite offen, auf jeder Seite eben so zugänglich wie jeder andere Punct in jenen Wüsten, wenn man die unvollkommene und natürliche Schwierigkeit, die der Fluß darbot, ausnahm. Kurz die Stelle trug den Anschein, als sei sie länger behauptet worden, als ihre Besitzer eigentlich sich vorgenommen, während ihr die Zeichen nicht abgingen, welche verriethen, sie könne leicht schnell und selbst, wenn Zwang es wolle, plötzlich verlassen werden.

Dies war die einstweilige Lagerung jenes Theils seines Volks, den Mahtoree selbst auf jenen Gründen, welche die ständigen Wohnungen seiner Nation von denen der kriegerischen Pawnee-Stämme trennten, auf die Jagd geführt. Die Wohnungen waren Zelte von Häuten, hoch, kegelförmig und von der einfachsten, uranfänglichen Art. Schild, Köcher, Lanze und Bogen jedes Wohners hing an einem leichten Pfahl vor der Oeffnung oder Thüre jeder Behausung. Die verschiedenen häuslichen Geräthe seines einen Weibes, oder seiner zwei und drei, je nachdem der Tapfere größeren oder geringern Ruhm hatte, waren sorglos bei Seite geworfen, und hier und da konnte man das runde, volle, geduldige Antlitz eines Kindes aus seiner unbequemen Wiege von Rinde hervorpiepen sehen, während es mit einem Riemen von Rehhaut an demselben Pfahl aufgehängt in freier Luft schaukelte. Kinder von höherem Alter wälzten sich in Massen unter einander herum, wobei sich die männlichen selbst in dieser frühen Jugend durch jene Art von Herrschaft auszeichneten, welche für’s künftige Leben die große Schranke zwischen beiden Geschlechtern bilden sollte. Jünglinge waren auf dem Grunde und übten ihre jugendliche Stärke im Bändigen der wilden Stuten ihrer Väter, während man hier und da ein schalkhaftes Mädchen ansichtig ward, das sich von ihrer Arbeit weggestohlen, um ihre kühne und wilde Wagniß zu bewundern.

So weit war das Gemälde das tägliche Bild eines Lagers, das auf seine Sicherheit vertraut. Aber gleich an der Spitze der Wohnungen war eine Versammlung, die Bewegungen von mehr als gewöhnlichem Interesse zu verrathen schien. Einige verwelkte und verhärtete Weiber der Bande standen beisammen, bereit ihre heisern Stimmen zu leihen, wenn es nöthig wäre, um ihre Nachkommen zu einem Schauspiel zu reizen, nach welchem ihr wilder Geschmack verlangte, ganz so, wie Wesen von höherer Bildung oft an kaum weniger schrecklichen Schauspielen Gefallen finden. Die Männer waren wieder in Gruppen getheilt, je nach den Thaten und dem Ruf, auf die ein jeder Anspruch machte.

Die, welche von jenem zweideutigen Alter waren, das sie auf Jagden zuließ, während ihre Klugheit noch zu zweifelhaft war, um sie zu Kriegsangelegenheiten zuzuziehen, hingen am Rand des Ganzen, und nahmen von den stolzen Mustern vor ihnen jenen Ernst im Benehmen und jene Rückhaltung in ihrer Weise an, die mit der Zeit in ihrem Charakter so tief mit verwachsen sollte. Einige einer noch älteren Classe, die das Kriegsgeschrei gehört hatten und anmaßender sich näher zu den Häuptlingen drängten, obgleich sie weit entfernt, waren, sich herauszunehmen, sich in ihren Rath zu mischen, zeichneten sich schon dadurch hinlänglich aus, daß man ihnen vergönnte, die Weisheit aufzufangen, die von so verehrten Lippen fiel. Die gewöhnlichen Krieger der Bande waren noch weniger blöde und zögerten nicht, sich unter die, Häuptlinge von geringern Ansehen zu mischen, obgleich sie sich nicht das Recht anmaßten, die Meinung eines bekannten Tapfern zu bestreiten, oder die Klugheit der Maßregeln in Zweifel zu ziehen, die von begabten Rathgebern des Volks anempfohlen wurden.

Unter den Häuptlingen selbst war eine eigene äußere Haltung. Sie mußten in zwei Classen getheilt werden, die, welche ihren Einfluß physischen Ursachen und Wohlthaten verdankten und die, welche sich mehr durch ihre Weisheit als durch Dienste im Feld ausgezeichnet hatten. Die erstere waren bei weitem die zahlreichere und bedeutendere Classe. Sie waren Leute von Gestalt und hatten ein Ansehen, dessen ernste Züge oft doppelt imponirend durch jene Zeichen ihrer Kraft gemacht wurden, die ihre rauhen Lineamenten von der Hand ihrer Feinde eingegraben worden, in der Form tiefer, unvertilgbarer Narben. Die Classe, die ihr Uebergewicht durch moralische Vorzüge erlangt, war außerordentlich beschränkt. Sie konnten alle an dem schnellen, lebhaften Ausdruck ihrer Augen, an der vorsichtigen Art ihrer Bewegungen und manchmal an der Kraft ihrer Sprache in jenen plötzlichen Ausbrüchen erkannt werden, wodurch sich ihre jetzige Berathung manchmal auszeichnete.

Gerade in der Mitte des Kreises, den diese ausgewählten Rathgeber bildeten, sah man die Gestalt des unruhigen, aber scheinbar ruhigen Mahtoree. In seiner Person und seinem Charakter waren all die verschiedenen Eigenschaften der Andern vereinigt. Gemüth sowohl als Körper hatten zusammen sein Ansehen gebildet. Seine Narben waren so zahlreich und tief als die des weisesten Hauptes seiner Nation; seine Glieder waren in ihrer größten Kraft, sein Muth auf seiner höchsten Höhe. Mit dieser seltenen Vereinigung von moralischem und physischem Einfluß begabt pflegte das kühnste Auge in der Versammlung vor seinem drohenden Blick sich niederzuschlagen. Muth und List hatte seine Herrschaft begründet, und durch die Zeit war sie geheiligt worden. Er wußte so gut Vernunft und Zwang, zu vereinigen, daß in einem Gesellschaftszustand, der eine größere Aeußerung seiner Fähigkeiten zugelassen, der Teton sehr wahrscheinlich beides Eroberer und Despot gewesen.

Etwas bei Seite von der Versammlung der Bande waren Wesen von ganz verschiedenem Ursprung zu sehen. Größer und weit muskelvoller von Gestalt waren noch zögernde Spuren ihrer sächsischen und normannischen Abkunft unter der dunkeln Farbe zu finden, die ihnen eine amerikanische Sonne aufgedrückt hatte. Es würde für einen in solchen Forschungen Geübten eine interessante Untersuchung sein, jene Puncte der Verschiedenheit darzulegen, wodurch die Nachkommenschaft des westlichen Europaers noch jetzt von den Abkömmlingen des entferntesten Asiaten zu unterscheiden wäre, jetzt, da beide bei den Umkehrungen in der Welt sich einander nähern in ihren Gewohnheiten, ihrem Wohnort, und besonders in ihrem Charakter. Die Gruppe, wovon wir sprechen, bestand aus der Familie des Auswanderers. Sie standen lässig, träge und unthätig, wie gewöhnlich, wenn keine unmittelbare Anforderung an ihre schlafenden Kräfte erging, vor etwa vier oder fünf von Häuten erbauten Wohnungen, die sie der Gastfreundschaft ihrer Teton-Verbündeten verdankten. Die Bedingungen ihrer unerwarteten Verbindung waren deutlich aus der Gegenwart der Pferde und Hausthiere zu erschließen, die ruhig den Boden in der Nähe unter dem wachsamen Auge der beherzten Hetty abweideten. Ihre Wagen standen um ihre Wohnungen in einer Art ungeregelter Verschanzung, welches zugleich zeigte, daß ihr Zutrauen noch nicht gänzlich wieder hergestellt worden, während auf der andern Seite ihre Klugheit und Trägheit sie nicht deutlich ihren Verdacht an den Tag legen ließ. Es lag eine sonderbare Mischung von unthätigem Genuß und finsterer Neugier in jedem ihrer finstern Züge, während Jeder, auf seine Büchse gelehnt, die Bewegungen in die Sioux-Versammlung beobachtete. Noch verriethen selbst die Jüngsten von ihnen kein Zeichen der Erwartung oder Theilnahme, und alle schienen die gelassensten ihrer wilden Verbündeten in Darlegung der rühmlichen Tugend Geduld nachahmen zu wollen. Sie sprachen selten, und wenn es geschah, war es eine kurze Bemerkung, die die physischen Vorzüge eines Weißen vor einem Indianer in hinlänglich schlagendes Licht setzen sollte. Kurz, Ismael’s Familie schien jetzt eines vollen Genusses sich zu erfreuen, der auf Unthätigkeit beruhte, aber nicht ganz frei von einem gewissen wirren Geflimmer in der Ferne war, das ihnen zu sagen schien, ihre Sicherheit sei etwas in Gefahr, durch Teton-Verrätherei plötzlich unterbrochen zu werden. Abiram allein machte eine einsame Ausnahme von diesem Zustand zweideutiger Ruhe.

Nach einem Leben, das er in tausend niedrigen und unbedeutenderen Schurkereien hingebracht, war der Seelenverkäufer kühn genug geworden, die verzweifelte Unternehmung zu wagen, welche wir im Verlauf unserer Erzählung dem Leser dargelegt haben. Sein Einfluß auf den kühneren, aber weniger thätigen Geist Ismael’s war gerade nicht groß, und wäre der letztere nicht plötzlich aus einem fruchtbaren Landstrich vertrieben worden, den er mit der Absicht, ihn zu behalten, ohne viele Rücksicht auf die Formen des Gesetzes in Besitz genommen, es wäre jenem nie gelungen, den Gemahl seiner Schwester zu einer Unternehmung zu vermögen, die so viel Entschlossenheit und Vorsicht erheischte. Ihr früheres Glück und folgendes Mißlingen hat der Leser mit angesehn, und Abiram saß jetzt bei Seite, die Mittel bedenkend, wodurch er sich die Vortheile seiner Unternehmung sichern konnte, die er mit jedem Augenblick bei der offenen Bewunderung Mahtoree’s für den unschuldigen Gegenstand seiner Büberei ungewisser werden sah. Wir wollen ihn seinen oft veränderten, wirren Plänen überlassen, um zur Beschreibung gewisser andern Personen unseres Dramas überzugehn.

Noch ein anderer Winkel des Gemäldes war besetzt. Auf einer kleinen Bank, zur äußersten Rechte der Lagerung, lagen Middletons und Paul’s Gestaltet. Ihre Glieder waren schmerzlich mit Riemen gefesselt, die aus einer Bisonhaut geschnitten worden, und sie waren mit einer Art seiner Grausamkeit so gestellt, daß Jeder einen Abglanz seines eigenen Elends in dem des Andern sehen konnte. Ein Dutzend Schritte von ihnen war ein Pfahl in den Boden fest eingetrieben worden, und daran gebunden war die leichte, apollogleiche Gestalt des Hartherz. Zwischen beiden stand der Streifschütz, seiner Büchse, Tasche und seines Horns beraubt, aber sonst in einer Art mit Verachtung verknüpfter Freiheit gelassen. Fünf oder sechs junge Krieger jedoch, mit ihren Köchern auf dem Rücken, und lange Bogen auf die Schultern gehängt, standen in ernster Wachsamkeit nicht weit von der Stelle und zeigten hinlänglich, wie fruchtlos jeder Versuch zur Flucht von Seiten eines so bejahrten und schwachen Mannes ausfallen würde. Darin verschieden von andern Betrachtern der wichtigen Versammlung waren diese Individuen in einem Gespräch begriffen, das für sie von besonderem Interesse war.

»Capitain,« sagte der Bienenjäger mit einem Ausdruck komischer Betrübniß, denn kein Unfall konnte seine Laune trüben, »fühlt Ihr wirklich auch jenes verfl–te Schneiden von dem ungegerbten Leder in Eurer Schulter, oder ist es nur das Prickeln in meinem eigenen Arm, was ich fühle?«

»Wenn der Geist so schwer leidet, ist der Körper für den Schmerz unempfindlich,« entgegnete der gebildetere, obwohl kaum so geistreiche Middleton. »Wollte der Himmel, einige von meinen treuen Artilleristen stießen auf dies verd – te Lager!«

»Ihr könntet eben so gut wünschen, diese Teton-Wohnungen wären Hornißkörbe, und jene Insecten kämen heraus, und kämpften mit jenem Schwarm halbnackter Wilden.« Dann über seinen eigenen Einfall lachend, wandte sich der Bienenjäger von seinem Gefährten weg, und suchte für den Augenblick eine Linderung seines Elends, indem er sich einbildete, solch ein wilder Einfall könnte sich verwirklichen, und über die Art dachte, wie es selbst die große Geduld eines Indianers besiegte.

Middleton war gerne still, aber der Alte, der auf ihre Worte gehört, trat näher und setzte das Gespräch fort:

»Es wird allem Anschein nach eine erbarmenlose und höllische Geschichte werden!« sagte er und schüttelte den Kopf auf eine Weise, welche verrieth, daß selbst seine Erfahrung in einem so schweren Fall um ein Mittel verlegen wäre. »Unser Pawnee-Freund ist schon zur Folter an den Pfahl gebunden, und ich sehe deutlich an dem Auge und der Miene des großen Sioux, daß er sich von dem Charakter seines Volks zu fernern Greueln wird hinreißen lassen.«

»Hört, alter Streifschütz,« sagte Paul, und wandte sich in seinen Fesseln, um einen Blick aus des Andern traurigem Auge aufzufangen, »Ihr seid geschickt in indianischen Sprachen und versteht etwas von indianischen T–leien. Geht in die Berathung, sagt ihren Häuptern in meinem Namen, das heißt im Namen Paul Hover’s, aus dem Staat Kentucky, daß, vorausgesetzt, sie versprechen mir die sichere Rückkehr einer gewissen Ellen Wade in die Staaten, sie mir willkommen sind, und meinen Kopf nehmen können, wie es ihrer Unterhaltung am besten zusagt, oder wenn sie auf diese Bedingungen nicht unterhandeln wollen, möcht Ihr ihnen noch eine Stunde oder zwei Folter zugeben, um ihnen den Handel annehmlicher zu machen.«

»Ei, Bursche, die würden wenig auf solchen Vorschlag hören, da sie wissen, daß Ihr, schon wie ein Bär in der Falle, eben so wenig fliehen als fechten könnt. Aber seid nicht muthlos, die Farbe eines Weißen ist manchmal sein Todesstoß unter diesen fernen Wildenstämmen und manchmal sein Schild. Obwohl sie uns nicht lieben, bindet ihnen oft Furcht die Hände. Könnten die Rothen ihren Willen ausführen, Bäume würden bald wieder auf Amerikas bepflügten Feldern wachsen und die Wälder weiß sein von Christen-Gebein. Niemand kann es bezweifeln, der weiß, welche Liebe eine Rothhaut gegen ein Blaßgesicht hegt; aber sie haben uns gezählt, und ihr Gedächtniß hat sie verlassen, und sie sind nicht ohne Klugheit. Deswegen ist unser Schicksal noch ungewiß, aber ich fürchte, der Pawnee hat nichts mehr zu hoffen.«

Als der Alte schloß, näherte er sich langsam dem Gegenstand seiner letzten Bemerkung, und blieb nicht weit von seiner Seite stehen. Hier beobachtete er eine Stille und nahm einen Blick an, wie sie in der Nähe eines so berühmten Häuptlings, der in einer Lage, wie sein gefangener Gefährte war, sich schickte. Aber Hartherz Auge war auf die Ferne gerichtet, und seine ganze Miene verrieth Einen, dessen Gedanken gänzlich der Gegenwart entrückt sind.

»Die Sioux berathen wegen meines Bruders,« bemerkte endlich der Streifschütz, als er fand, daß er nur durch Sprechen des Andern Aufmerksamkeit auf sich ziehen könne.

Der junge Parteigänger wandte sein Haupt mit einem ruhigen Lächeln, als er antwortete: »Sie zählen die Köpfe über der Wohnung Hartherz.«

»Ohne Zweifel, ihr Zorn steigt, wenn sie an die Menge der Teton denken, die Ihr erschlagen habt, und besser würde es jetzt für Euch sein, hättet Ihr mehr Tage auf der Jagd als im Kriege zugebracht. Dann könnte eine kinderlose Mutter dieses Stammes Euch an die Stelle ihres verlornen Sohnes annehmen, und Eure Tage wären voll Friede.«

»Meint mein Vater, ein Krieger könne je sterben. Der Herr des Lebens öffnet seine Hand nicht, um seine Gaben wieder zu nehmen. Braucht er seine Leute, ruft er ihnen, und sie gehen. Aber die Rothhaut hat einmal für immer gelebt.«

»Ei, was ist ein tröstlicherer und demüthigerer Glaube, als dort jene herzlosen Teton hegen. Es ist Etwas in jenen Wölfen, was ihnen mein ganzes Herz öffnet; sie scheinen den Muth, ei, und auch den Edelsinn der Delawaren von den Hügeln zu haben. Und dieser Junge, es ist wunderbar, sehr wunderbar; aber Auge, Alter und Glieder sind, als wären sie Brüder. Sagt mir, Pawnee, habt Ihr je in Euern Sagen von einem mächtigen Volk gehört, das einst an den Küsten des Salzsees, hart bei Sonnenaufgang, wohnte?«

»Die Erd‘ ist weiß von Leuten von der Farbe meines Vaters.«

»Nein, nein, ich spreche jetzt nicht von Eingedrungenen, die sich in das Land geschlichen, um die rechtmäßigen Eigenthümer ihres Geburtsrechts zu berauben, sondern von einem Volk, das von Natur und durch Schminke roth ist oder vielmehr war, wie die Birne am Busch.«

»Ich habe die Greise sagen hören, daß es Banden gäbe, die sich in den Wäldern nach Sonnenaufgang bärgen, weil sie nicht mit Männern in den offenen Steppen zusammen zu kommen wagten.«

»Erzählen Euch Eure Sagen nicht von dem größesten, tapfersten und weisesten Volke von den Rothhäuten, auf das je Wahcondah herabsah?«

Hartherz erhob sein Haupt mit einer Leichtigkeit und Würde, die selbst seine Bande nicht unterdrücken konnten, als er antwortete:

»Hat das Alter meinen Vater geblendet? Oder sieht er so viele Sioux, daß er meint, es seien keine Pawnee mehr da?«

»Ach, das ist die menschliche Eitelkeit und Hoffart,« rief der getäuschte Alte auf Englisch. »Natur ist so stark in einer Rothhaut, als in dem Busen eines Weißen. Nun würde ein Delaware sich für weit Mächtiger halten, als einen Pawnee, gerade wie ein Pawnee sich rühmt von den Ersten der Erde zu sein. Und so war es zwischen den Franzosen der Canada und den rothröckigen Engländern, die der König in die Staaten zu schicken pflegte, als Staaten sie noch nicht waren, sondern schreiende, bittende Provinzen; sie fochten und fochten, und zu welchen wunderbaren Prahlereien über ihre Tapferkeit und Siege veranlaßten sie die Welt, während beide Parteien den niedrigen Soldaten des Landes zu nennen vergaßen, der eigentlich die Dienste that; aber da er nicht berechtigt war, damals an dem großen Berathungsfeuer seiner Nation zu rauchen, selten von seinen Thaten hörte, nachdem er sie tapfer vollbracht.«

Als der Alte so seinem fast entschlafenen, aber gar nicht erstorbenen Kriegerstolz Luft gemacht, der ihn so sehr sich unbewußt in eben den Fehler verleitete, den er tadelte, ward sein Ange, das von einer Art Jugendfeuer sich zu beleben und zu glänzen begonnen, sanfter und wandte seinen ängstlichen Blick auf den zum Opfer ausersehenen Gefangenen, dessen Züge auch ihre frühere Kälte und Gedankenversunkenheit wieder annahmen.

»Junger Krieger,« fuhr er mit einer Stimme fort, die zitternd wurde, »ich bin nie Vater oder Bruder gewesen. Der Wahcondah wollte, daß ich allein lebte. Er band nie an Haus und Feld mein Herz durch die Bande, wodurch die Leute meiner Art an ihre Wohnungen gebunden sind; hätte er es gethan, ich wäre nicht so weit gewandert, hätte nicht so viel gesehen. Aber ich hab‘ mich lange unter einem Volke aufgehalten, das in den Wäldern lebte, die Ihr erwähntet, und fand viel Ursach‘, ihren Muth nachzuahmen und ihren Edelsinn zu lieben. Der Herr des Lebens hat uns allen, Pawnee, Gefühl für unsere Art gegeben. Ich war nie Vater, aber wohl weiß ich, was Liebe zu Jemanden ist. Ich glich einem Jüngling, den ich schätzte, und ich hatte selbst zu glauben angefangen, etwas von seinem Blut könnte in Euern Adern sein. Aber was hilft das! Ihr seid ein wahrer Mann, wie ich durch die Art erkannte, wie Ihr Treue hieltet; und Edelsinn ist zu seltne Tugend, um vergessen zu werden. Mein Herz neigt sich zu Euch, Junge, und gern würd‘ ich Euch Gutes thun.«

Der jugendliche Krieger hörte auf die Worte, die von den Lippen des Andern mit einer Wärme und Einfalt kamen, die ihre Wahrheit darthat, und neigte sein Haupt auf den nackten Busen, zum Zeichen der Ehrfurcht, womit er das Anerbieten annahm. Dann sein schwarzes Auge gerade aufrichtend, schien er wieder über Dinge nachzudenken, die fern von jeder persönlichen Betrachtung waren. Der Streifschütz, welcher wohl wußte, in wie weit der Stolz eines Kriegers ihn in jenen Augenblicken aufrichten würde, die er für seine letzten hielt, wartete auf den Willen seines jungen Freundes mit einer Sanftmuth und Geduld, die er durch seinen Umgang mit diesem merkwürdigen Stamm sich zu eigen gemacht.

Endlich begann das Hinstarren des Pawnee’s zu schweifen, und dann wandten sich schnelle, blitzende Blicke von dem Angesicht des Alten in die offene Luft, und von da wieder auf seine tief gezeichneten Züge, als verwirre sich der Geist, der diese Bewegungen beherrschte.

»Vater,« antwortete endlich der junge Tapfere in einer Stimme voll Vertrauen und Güte, »ich hab‘ Eure Worte gehört. Sie sind in meine Ohren gedrungen und sind jetzt in mir. Das weißköpfige Langmesser hat keinen Sohn; Hartherz, der Pawnee, ist jung, aber ist schon der Aelteste seiner Familie. Er fand die Gebeine seines Vaters auf dem Jagdgrunde der Osagen und hat sie geschickt zu den Fluren des guten Geistes. Kein Zweifel, das große Haupt, sein, Vater, hat sie gesehn und weiß, was ein Theil von ihm ist: Aber Wahcondah wird bald uns Beide rufen, Euch, weil Ihr Alles gesehen, was in diesem Land zu sehen, und Hartherz, weil er einen Krieger braucht, der jung ist. Nicht Zeit hat der Pawnee, dem Blaßgesicht die Pflichten zu zeigen, die ein Sohn seinem Vater schuldig ist.«

»Alt, wie ich bin, arm und hülflos, wie ich dastehe, gegen daß, was ich einst war, ich kann noch die Sonne hinter der Steppe niedersinken sehen. Erwartet mein Sohn, je nochmals die Nacht zu sehen?«

»Die Teton zählen die Schädel über meiner Wohnung!« entgegnete der junge Häuptling mit einem Lächeln, dessen Traurigkeit sonderbar durch einen Strahl von Triumph erleuchtet war.

»Und sie finden ihrer viele: Zu‘ viele für die Sicherheit ihres Eigenthümers, da er in ihren rachsüchtigen Händen ist. Mein Sohn ist kein Weib und sieht auf den Pfad, den er bald wandeln soll, mit festem Auge. Hat er nichts seinem Volke in die Ohren zu sagen, ehe er aufbricht? Diese Beine sind alt; aber sie können mich noch zu den Windungen des Wolfsflusses tragen.«

»Sagt ihnen, daß Hartherz einen Knoten in seinen Wampum gebunden für jeden Teton!« drang über die Lippen des Gefangenen mit jener Heftigkeit, womit plötzliche Leidenschaft durch die Schranken künstlichen Rückhalts bricht; »trifft er einen von ihnen allen in den Gefilden des Herrn des Lebens, dann wird sein Herz Sioux werden!«

»Ach, solch ein Gefühl würde ein gefährlicher Begleiter für einen Weißen sein, um sich damit auf die feierliche Reise zu machen,« murmelte der Alte auf Englisch. »Das war’s nicht, was die guten Mähren zu den versammelten Delawaren sagten, oder was so oft den Weißen in den Ansiedelungen gepredigt wird, obwohl, zur Schande dieser Farbe sei es gesagt, es so wenig beachtet wird. Pawnee, ich lieb‘ Euch; aber als ein Christ kann ich solche Botschaft nicht überbringen.«

»Wenn mein Vater fürchtet, die Pawnee möchten ihn hören, mag er es unsern Greisen leise in’s Ohr flüstern.«

»Was Furcht betrifft, junger Krieger, so trifft sie nicht mehr die Blaßgesichter, als die Rothhaut. Wahcondah lehrt uns, das Leben zu lieben, welches er gibt; aber nur, wie man Jagd, Hunde und Carabiner liebt, nicht mit dem Bangen, womit eine Mutter auf ihr Kind sieht. Der Herr des Lebens wird nicht zweimal zu reden brauchen, wenn er mich ruft. Ich bin so bereit, jetzt darauf zu antworten, wie morgen, oder zu irgend einer Zeit, die seinem mächtigen Willen gefällt. Aber was ist ein Krieger ohne seine Ueberlieferungen, meine verbieten mir, Eure Worte zu überbringen.«

Der Häuptling machte eine würdevolle Verbeugung bei seiner Beistimmung; und hier war große Gefahr, jene Gefühle des Vertrauens, die so sonderbar erweckt worden, möchten eben so plötzlich verstummen. Aber das Herz des Alten war durch lange schlafende, aber noch lebendige Rückerinnerungen zu empfindlich gerührt worden, um so plötzlich die Mittheilung abzubrechen. Er sann einen Augenblick; dann neigte er sich vertraulich zu seinem Gefährten und fuhr fort:

»Jeder Krieger muß nach seinen Gaben beurtheilt werden. Ich hab meinem Sohn gesagt, was ich nicht kann; erhöre jetzt auf das, was ich kann. Ein Elenn kann die Steppe nicht schneller durchlaufen, als diese alten Beine, wenn der Pawnee mir eine Botschaft geben will, die ein Weißer überbringen kann.«

»Es höre das Blaßgesicht,« entgegnete der Andere, nachdem er unter dem noch zurückgebliebenen Gefühl seines vorigen schlimmen Erfolgs einen Augenblick länger gezögert hatte. »Er wird hierbleiben, bis die Sioux die Schädel ihrer todten Krieger gezählt haben. Er wird warten, bis sie versucht haben, mit der Haut eines Pawnee’s achtzehn Tetonköpfe zu bedecken; er wird seine Augen weit aufmachen, daß er die Stelle sehen möge, wo sie die Gebeine eines Kriegers begraben.«

»All dies will und kann ich thun, edler Bursche.«

»Er wird die Stelle merken, daß er sie weiß.«

»Fürchtet nichts, ich werd‘ den Ort nicht vergessen,« fiel der Andere ein, dessen Stärke unter so ergreifender Darlegung von Ruhe und Ergebung zu wanken begann.

»Dann weiß ich, wird mein Vater zu meinem Volk gehen. Sein Haupt ist grau, und seine Worte werden nicht in den Wind geblasen werden mit dem Rauch. Er gehe in meine Wohnung und rufe den Namen »Hartherz« laut. Kein Pawnee wird taub sein. Dann rufe mein Vater nach dem Füllen, das nie geritten worden, das zierlicher ist, als der Bock und schneller als das Elenn.«

»Ich versteh‘ Euch, Junge,« fiel der aufmerkende Alte ein, »und was Ihr sagt, will ich thun, ei, und auch recht thun, oder ich müßte nur schlecht mit den Wünschen eines sterbenden Indianers vertraut sein.«

»Und wenn meine Leute meinem Vater den Zaum jenes Füllen gegeben, wird er es auf Umwegen zu Hartherz Grab führen.«

»Freilich, ei, das will ich, tapferer Junge, mag auch der Schnee die Steppen decken, und die Sonn‘ sich bergen, wie bei Nacht, Zu der heiligen Stelle will ich das Thier führen, und seine Augen richten nach der untergehenden Sonne.«

»Und mein Vater wird zu ihm sprechen und sagen, daß sein Herr, der es genährt, seit es geboren, jetzt sein Noth hat.«

»Das auch will ich thun, obwohl der Herr weiß, daß ich mit einem Pferde rede, nicht in der thörichten Meinung, meine Worte würden verstanden, sondern nur, den Bitten indianischen Aberglaubens zu genügen. – Hektor, mein Junge, was hältst du davon, Hund, mit einem Pferde zu reden?«

»Es spreche der Graubart zu ihm in der Sprache eines Pawnee’s,« fiel das junge Opfer ein, als er bemerkte, daß sein Gefährte bei der obigen Frage eine unbekannte Sprache gebraucht hatte.

»Meines Sohns Wille soll geschehen. Und mit diesen alten Händen, die, wie ich hoffte, nicht mehr Blut ergießen sollten, weder eines Menschen, noch eines Thiers, will ich es schlachten auf Eurem Grabe.«

»Gut,« entgegnete der Andere, und ein Strahl von Zufriedenheit flog über seine ernsten, festen Züge. »Hartherz wird sein Roß nach den gesegneten Auen lenken, und vor dem Herrn des Lebens wie ein Häuptling erscheinen.«

Die plötzliche und auffallende Veränderung, die sogleich mit dem Gesicht des Indianers vorging, machte, daß der Streifschütz zur Seite blickte, wo er denn bemerkte, daß die Versammlung der Sioux zu Ende sei, und daß Mahtoree mit zwei seiner Hauptkrieger bedächtig ihrem ausersehenen Opfer sich näherten.

Sechsundzwanzigstes Kapitel.

Sechsundzwanzigstes Kapitel.

Nicht wein‘ ich leicht, wie mein Geschlecht es thut;
Doch berg‘ ich hohen Schmerz im Busen hier.
Der wilder brennt, als Thränen fallen.

Shakespeare.

 

Zwanzig Schritte von den Gefangenen hielten die Teton, und ihr Häuptling winkte dem Greise, näher zu treten. Der Streifschütz gehorchte, verließ den jungen Pawnee mit einem bedeutungsvollen Blick, der aufgenommen ward, wie er gemeint war, als ein neues Pfand, daß er nie vergessen würde, was er versprochen. Sobald Mahtoree fand, daß der Andere in seinen Bereich gekommen, streckte? er den Arm aus, legte eine Hand auf die Schulter des aufmerksamen Alten, und stand einen Augenblick ihn mit einem Auge betrachtend, das die geheimsten Winkel seiner verborgensten Gedanken durchdringen zu wollen schien.

»Ist ein Blaßgesicht mit zwei Zungen gemacht?« fragte er, als er fand, daß wie gewöhnlich, der Gegenstand seines Forschens auch nicht im geringsten durch seinen jetzigen Ernst eingeschüchtert, oder sonst durch Furcht vor der Zukunft bewegt sei.

»Rechtlichkeit liegt tiefer als die Haut.«

»So ist’s. Nun möge mein Vater hören. Mahtoree hat nur eine Zunge, der Graubart viele. Sie können alle gerade sein, und keine gespalten. Ein Sioux ist nur ein Sioux, aber ein Blaßgesicht Alles! Er kann zum Pawnee sprechen und zum Konza und zum Omawhaw, und er kann sprechen zu seinem eigenen Volk.«

»Ei, es gibt Sprachgelehrte in den Colonieen, die noch weit mehr können. Aber was hilft’s all‘. Der Herr des Lebens hat ein Ohr für jede Sprache.«

»Das Grauhaupt hat Unrecht gethan. Es hat das Eine gesagt, während es das Andere meinte. Es hat vor sich gesehen mit seinen Augen, hinter sich mit seinem Geist. Es hat zu arg eines Sioux Pferd geritten, und ist Freund gewesen dem Pawnee und Feind meinem Volk.«

»Teton, ich bin Euer Gefangener. Sind auch meine Worte weiß, sie werden sich nicht beklagen. Thut nach Gefallen.«

»Nein, Mahtoree wird ein weißes Haar nicht roth machen; mein Vater ist frei, die Steppe ihm offen nach jeder Seite, aber ehe das Grauhaupt den Sioux den Rücken wendet, möge er aufmerksam auf sie schauen, um seinem Häuptling zu sagen, wie groß ein Dahcotah ist.«

»Ich bin nicht eilig, mich aufzumachen. Ihr seht, Teton, einen Mann mit einem weißen Haupt und kein Weib, deßwegen werde ich mir nicht den Athem auslaufen, den Völkern den Ruhm der Sioux zu verkünden.«

»Gut. Mein Vater hat mit den Häuptlingen vieler Berathungen geraucht,« entgegnete Mahtoree, der sich jetzt des andern Gunst hinlänglich gesichert zu haben dachte, um schneller zu seinem Zweck sich zu wenden. »Mahtoree wird in der Sprache seines lieben Freundes und Vaters reden. Ein junges Blaßgesicht wird hören, wenn ein Greis dieses Volks seinen Mund öffnet. Wohlan, mein Vater wird thun, was ein armer Indianer Passendes sagt für ein weißes Ohr.«

»Sprecht laut!« sagte der Streifschütz, der leicht die bildliche Art verstand, in der der Teton sein Verlangen ausdrückte, er möge der Dollmetscher seiner Worte in der englischen Sprache werden; »sprecht, meine Leute hören. Nun, Capitain, und auch Ihr, Freund Bienenjäger, macht euch bereit, die T–leien dieses Wilden mit der Standhaftigkeit weißer Krieger zu vernehmen. Sobald ihr merkt, daß ihr seinen Drohungen weicht, wendet eure Blicke auf diesen edeln Pawnee, dessen Zeit mit eben der kargen Hand gemessen ist, mit der ein Krämer der Stadt die Früchte des Herrn abmißt, Zoll bei Zoll, seine Habsucht zu befriedigen. Ein einziger Blick auf den Jungen wird euch wieder Entschlossenheit geben.«

»Mein Bruder hat seine Augen auf den unrechten Pfad gewendet,« unterbrach ihn Mahtoree, mit einer Freundlichkeit, welche zeigte, wie ungern er seinen erwählten Dollmetscher beleidigen wollte.

»Der Dahcotah will zu meinen Leuten sprechen?«

»Nachdem er in die Ohren der Blüthe der Blaßgesichter gesungen.«

»Der Herr verzeihe dem verzweifelten Schelm!« rief der Alte englisch. »Nichts ist so zart, so jung, so unschuldig, um seinen gierigen Wünschen zu entgehen. Aber harte Worte und kalte Blicke werden nichts helfen; deßwegen mag es gut sein, ihm freundlich zu antworten. Mahtoree öffne seinen Mund.«

»Würde mein Vater reden, daß Weiber und Kinder die Weisheit der Häuptlinge hörten? Ins Haus wollen wir gehen und lispeln.«

Als der Teton endete, deutete er bedeutungsvoll auf ein Zelt, das schimmernd mit der Geschichte seiner eigenen kühnsten und ruhmvollsten Thaten bemalt war und etwas von den andern weg stand, gleichsam um zu zeigen, es sei der Aufenthalt eines bevorrechteten Gliedes der Bande. Der Schild und Köcher an seinem Eingang war reicher als gewöhnlich, und die hohe Auszeichnung einer Feuerwaffe kündigte bestimmt die Wichtigkeit ihres Besitzers an. In jeder andern Hinsicht zeichnete es sich eher durch seine Aermlichkeit als durch seinen Reichthum aus. Das Hausgeräth war geringer an Zahl und einfacher in seiner Arbeit, als das, welches man an den Oeffnungen der geringsten Wohnungen erblicken konnte; auch fand sich kein einziger von jenen hochgeschätzten Artikeln des feineren Lebens, wie sie gelegentlich von den Handelsleuten in Einkaufen erstanden wurden, die so außerordentlich nachtheilig für die unwissenden Eingebornen auszufallen pflegten. Alles dies war, wie es erworben worden, von dem edeln Häuptling seinen Untergebenen zugefallen, um dadurch einen Einfluß zu erkaufen, der ihn zum Herrn ihres Lebens und ihrer Person machte, ein Reichthum, welcher sicher rühmlicher an und für sich war, und den sein Ehrgeiz höher schätzte.

Der Alte wußte wohl, daß dies Mahtoree’s Wohnung sei, und dem Winke des Häuptlings folgend, ging er darauf los mit langsamen, zögernden Schritten. Aber es gab noch andere, die eben so betheiligt bei der folgenden Unterredung waren, und deren Besorgnisse nicht so leicht gehoben wurden. Die wachsamen Augen und eifersüchtigen Ohren Middletons hatten ihm genug gesagt, um seine Seele mit den furchtbarsten Ahnungen zu erfüllen. Durch unglaubliche Anstrengung machte er sich auf, und rief laut dem weggehenden Streifschützen zu:

»Ich beschwöre Euch, Alter, wenn die Liebe, die Ihr gegen Eure Eltern hegtet, mehr als Rede war, oder wenn die Liebe zu Gott die eines Christen ist, sprecht keine Silbe die das Ohr jenes unschuldigen – –«

Erschöpft, ohne Athem, gefesselt, fiel er dann nieder, wie ein lebloses Holz, wo er wie todt da lag.

Aber Paul hatte seinen Sinn gefaßt, und vollendete die Ermahnung auf die ihm eigenthümliche Art.

»Hört, Alter,« schrie er, und bemühte sich vergebens zugleich auch eine Drohung mit der Hand hinzuzufügen; »wenn Ihr den Dollmetscher machen wollt, so sprecht solche Worte zu den Ohren des verdammten Wilden, wie sie einem Weißen zu reden und einem Heiden zu hören zukommen. Sagt ihm von mir, daß, wenn er etwas thut oder sagt, was unhöflich gegen das Mädchen ist, das sich Ellen Wade nennt, ich ihm mit meinem letzten Athemzug fluchen werde, daß ich alle gute Christen in Kentucky bitten will, ihm zu fluchen, sitzend und stehend, essend und trinkend, fechtend, betend, oder zu Pferde, in und außer dem Hause, Sommer und Winter und im Monat März, kurz ich werde, – ei, es ist gewiß, wirklich wahr, – ich werde ihn verfolgen, wenn nur der Geist eines Blaßgesichts sich dem Grab entwinden kann, das ihm die Hände der Rothhäute gemacht haben.«

Als er so die schrecklichste Beschwörung, die er finden konnte, und welche in des ehrlichen Bienenjägers Augen am wahrscheinlichsten ausgeführt werden mochte, vorgebracht hatte, war er genöthigt, die Früchte seiner Drohung mit all der ruhigen Ergebung abzuwarten, die ein westlicher Grenzwohner nur auftreiben konnte, der außer den eben genannten Aussichten noch das Glück hatte, sich ihnen in Fesseln und Banden zu überlassen. Wir wollen, die Erzählung nicht aufhalten, um die schwachen Moralgründe anzuführen, durch die er zunächst den sinkenden Muth seines reizbareren Gefährten aufzurichten strebte, oder die gelegentlichen Bitten und eigenen Segnungen zu bemerken, die er gegen alle Dahcotah-Banden aussprach, mit denen beginnend, die er an den Ufern des fernen Mississippi des Diebstahls und Mords beschuldigte, und dann in gleich kräftigen Ausdrücken mit dem Tetonstamm schließend. Der letztere lockte mehr als einmal von seinen Lippen eben so sententiöse und verwickelte Flüche, als jenes berühmte Anathema der Kirche enthält, dessen Kenntniß viele unbewanderte Protestanten den frommen Forschungen des genialen Tristram Shandys verdanken. Aber als Middleton von seiner Erschöpfung sich erholte, mühte er sich, das wilde Gemüth seines Gefährten zu besänftigen, indem er ihm die Nutzlosigkeit solcher Ausrufungen und die Möglichkeit vorstellte, gerade das Uebel zu beschleunigen, das er beklagte, indem er den Haß einer Race wecke, die schon in ihrer ruhigsten Stimmung wild und gewaltthätig genug sei.

Indeß waren der Streifschütz und Sioux-Häuptling immer nach der Wohnung zugegangen. Der erste hatte mit peinlicher Theilnahme den Ausdruck von Mahtoree’s Auge beobachtet, während Middletons und Paul’s Reden ihnen nachschallten; aber des Indianers Miene war zu beherrscht und bewacht, um die geringste seiner Bewegungen durch die Wege zu verrathen, wodurch sich der Stand des menschlichen Vulcans gewöhnlich zu erkennen gibt. Sein Blick war auf den niedrigen Aufenthalt gerichtet, dem sie sich näherten, und für den Augenblick schienen seine Gedanken nur über den Zwecken dieser außerordentlichen Zusammenkunft zu brüten.

Das Innere der Wohnung entsprach dem Aeußern. Sie war geräumiger als die meisten andern, die größere Zierlichkeit in ihrer Form, und schönere Geräthschaften zeigten. Aber hier hörte auch ihr Vorzug auf. Nichts konnte einfacher und republikanischer sein als die Lebensart, die der stolze und mächtige Teton vor seinem Volke führen wollte. Eine ausgesuchte Sammlung von Jagdwaffen, drei oder vier Medaillen, die ihm die Handelsleute und politischen Agenten der Canada als einen Tribut, oder vielmehr als ein Anerkenntniß seines Ranges gebracht, mit einigen der unentbehrlichsten Geräthschaften der Bequemlichkeit machten seinen Hausrath aus. Er hatte weder Vorrath an Wildpret, noch an Büffel von den Steppen, da der listige Bewohner wohl eingesehen hatte, daß die Freigebigkeit eines Einzelnen reichlich durch die täglichen Beiträge einer Bande vergolten werden würde. Obgleich eben so hervorragend auf der Jagd als im Krieg, sah man ihn nie ein Reh oder einen Büffel ganz in sein Zelt bringen. Dagegen brachte man selten ein Thier in die Lagerung, das seinen Theil nicht zum Unterhalt von Mahtoree’s Familie beitrug. Aber die Klugheit des Häuptlings ließ selten mehr zurückbleiben, als für die Bedürfnisse des Tages hinreichte, fest versichert, daß Alles eher leiden Müsse, ehe Hunger, diese Geißel des Lebens der Wilden, seine schrecklichen Krallen an ein so hohes Opfer legen könne.

Gleich unter dem Lieblingsbogen des Häuptlings und mit einer Art Zauberkreis von Speeren, Schilden, Lanzen und Pfeilen umgeben, die alle zu ihrer Zeit gute Dienste geleistet, war der geheimnißvolle, geweihte Heilring aufgehängt. Er war mit Wampum bedeckt, und nach den sinnigsten Devisen indianischen Witzes verschwenderisch mit Knöpfen und Stachelschweinsspitzen geschmückt. Wir haben die besondere Freisinnigkeit Mahtoree’s in Hinsicht der Religion mehr als einmal angedeutet, und durch eine ganz eigene Art Widerspruch schien er seine Aufmerksamkeit auf dieses Geräth von übernatürlicher Kraft in einem Grade verschwendet zu haben, der mit seinem Glauben in umgekehrtem Verhältniß stand. Es ahmte aber darin der Sioux nur dem wohlbekannten Kunstgriff der Pharisäer nach, »damit sie von den Leuten gesehen werden.«

Das Zelt war jedoch von seinem Eigenthümer seit der Rückkehr von dem letzten Zug nicht betreten worden. Wie der Leser schon vorausgeschlossen hat, war es zum Gefängniß der Inez und Ellen gemacht worden. Middletons Braut saß auf einem einfachen Lager von wohlriechenden Kräutern, das mit Häuten bedeckt war. Sie hatte schon so viel gelitten, und während des kurzen Zeitraums ihrer Gefangenschaft so viele wilde und unerwartete Vorfälle erlebt, daß jedes weitere Unglück mit verringerter Stärke auf ihr, wir es schien, dem Leid geweihtes Haupt fiel. Ihre Wangen waren ohne Röthe, ihre dunkeln sonst so belebten Augen zusammengedrückt in stummen Gram, und ihre Gestalt schien schwankend und gereizt fast bis zur Auflösung. Aber in diesen Zeichen natürlicher Schwäche gewahrte man zu Zeiten solch einen Blick frommer Ergebung, solche Strahlen milder, heiliger Hoffnung erleuchteten ihre Züge, daß es noch sehr zweifelhaft wurde, ob die unglückliche Gefangene mehr Gegenstand des Mitleids als der Bewunderung sein müsse. Alle Lehren des Paters Ignatius lebten in ihrem treuen Gedächtniß wieder auf, und nicht wenige seiner frommen Visionen schwammen vor ihrer erhitzten Phantasie. Von solchen heiligen Entschlüssen aufgerichtet, beugte das milde, duldende, vertrauende Mädchen sein Haupt unter diesen neuen Schlag der Vorsehung mit derselben Sanftmuth, mit der sie jeder andern Buße für ihre Sünden sich unterzogen haben würde, obwohl die Natur auf Augenblicke solche erzwungenen Demuth mächtig widerstrebte.

Auf der andern Seite zeigte Ellen weit mehr das Weib und also die Leidenschaften der Welt. Sie hatte geweint, bis ihre Augen geschwollen und roth waren. Ihre Wangen waren erhitzt und zornig, und ihre ganze Miene zeichnete sich durch Muth und Haß aus, die jedoch durch Besorgnisse vor der Zukunft nicht wenig modificirt wurden. Kurz es war etwas im Auge und Schritt der Verlobten Paul’s, was hoffen ließ, daß wenn glücklichere Zeiten kommen sollten, und des Bienenjägers Standhaftigkeit am Ende die Belohnung erhielte, er eine Lebensgefährtin besitzen würde, die in jeder Hinsicht ein würdiges Gegenstück zu seinem eigenen schnellen und hitzigen Temperament abgeben könnte.

Es war noch eine andere und dritte Figur in diesem kleinen Frauenkreis, nämlich die jüngste, begabteste und bis jetzt begünstigste von des Tetons Gemahlinnen. Ihre Reize hatten den größten Eindruck auf ihres Mannes Augen gemacht, bis sie sich so unerwartet der höheren Lieblichkeit eines Weibes der Blaßgesichter geöffnet. Von diesem unseligen Augenblick an hatten die Anmuth, die Liebe, die Treue der jungen Indianerin ihre Macht zu gefallen verloren, und doch war Tachechana’s Gestalt, wenn auch weniger reizend als die ihrer Nebenbuhlerin, für ihren Stamm, rein und blühend. Ihr braunes Auge hatte die Sanftmuth und Lebendigkeit das einer Antilope, ihre Stimme war zart und lieblich wie der Gesang des Hains, und ihr fröhliches Lachen glich der Melodie der Vögel. Von all den Sioux-Mädchen war Tachechana (Reh) die leichtmüthigste und beneidetste. Ihr Vater war ein ausgezeichneter Held gewesen, und ihre Brüder hatten schon ihre Gebeine auf fernem, wildem Schlachtfeld zurückgelassen. Zahllos waren die Krieger, die Geschenke geschickt, in das Zelt ihrer Eltern, aber keiner war erhört worden, bis ein Bote kam von dem großen Mahtoree. Sie war freilich sein drittes Weib, aber man wußte es, das begünstigtste von ihnen allen. Ihr Band hatte nur zwei kurze Jahre gedauert, und die Frucht davon lag jetzt schlafend zu ihren Füßen, eingemummt in die gewöhnlichen Binden von Haut und Rinde, woraus die Wiege eines indianischen Kindes besteht.

Als Mahtoree und der Streifschütz an die Oeffnung des Zeltes kamen, saß das junge Sioux-Weib auf einem einfachen Sessel, die sanften Augen mit Blicken, die wie ihre Gefühle, zwischen Liebe und Staunen wechselten, von dem bewußtlosen Kind zu jenen seltenen Wesen gerichtet, die ihr junges, unbewachtes Gemüth mit so viel Bewunderung und Neugierde erfüllt hatten. Obwohl Inez und Ellen einen ganzen Tag bei ihr zugebracht, schien es, als wenn das Verlangen ihrer Wißbegierde mit jedem neuen Blick größer würde. Sie betrachtete sie als Wesen von einer von den Weibern der Steppe ganz verschiedenen Art und Abkunft. Selbst das Geheimniß ihres zusammengesetzten Anzugs hatte seinen geheimen Einfluß auf ihr einfaches Gemüth, obgleich die Grazie und die Reize des Geschlechts, für welche die Natur Alle empfänglich gemacht, am meisten ihre Aufmerksamkeit auf sich zogen. Aber während ihre aufrichtige Sinnesart gern die Vorzüge der Fremden vor den weniger glänzenden Reizen der Dahcotah-Mädchen anerkannte, brauchte sie diese Reize nicht gerade zu verkennen. Der Besuch, den sie jetzt bekommen sollte, war der erste, den ihr Gemahl seit der Rückkehr von seinem letzten Streifzug dem Zelte gemacht, und immer war dieser ihren Gedanken gegenwärtig als ein glücklicher Krieger, der in Augenblicken der Ruhe sich nicht scheute, den sanftern Gefühlen des Vaters und Gemahls sich zu überlassen.

Wir haben überall zu zeigen uns bestrebt, daß, während Mahtoree im Wesentlichen ein Steppenkrieger war, er in jenen Eigenschaften, welche die Dämmerung der Cultur verkünden, weit vor seinem Volk voraus war. Er hatte häufigen Verkehr mit den Handelsleuten und Truppen der Canada gehabt, und diese Verbindungen hatten viele von jenen wilden Meinungen ausgerottet, die ihm durch die Geburt geworden, ohne daß vielleicht andere an ihre Stelle gekommen, die klar genug gewesen, um vortheilhaft zu sein. Seine Schlüsse waren mehr fein als wahr, und seine Philosophie eher kühn als tief. Gleich Tausenden gebildeter Wesen, welche sich für fähig halten, durch die Erprobungen des Menschenlebens ohne andere Stütze als ihre Entschlüsse durchzukommen, war seine Moral den Umständen angemessen und selbstisch. Diese verschiedenen Charakterzüge wird man immer mit Beziehung auf die Lage des Indianers beurtheilen, wiewohl es nicht erst großer Entschuldigung bedarf, daß man Aehnlichkeiten zwischen Menschen findet, welche, wenn auch durch die Umstände modificirt, im Wesentlichen denselben Charakter besitzen.

Trotz der Gegenwart von Inez und Ellen geschah der Eintritt des Teton-Kriegers in die Wohnung seines begünstigten Weibes mit der Haltung und Miene eines Herrn. Der Tritt seines Moccasins war geräuschlos, aber das Klingen seiner Armbänder und des Silberschmucks an seinen Beinen verrieth hinlänglich seine Annäherung, als er die Haut, die den Eingang des Zeltes verhüllte, auf die Seite schob, und vor den Bewohnerinnen stand. Ein leiser Freudeschrei entfuhr den Lippen Tachechana’s bei dieser plötzlichen Ueberraschung, aber diese Erregung ward alsbald in jene unterthänige Haltung unterdrückt, welcher eine Matrone ihres Stammes eigen sein sollte. Statt den verstohlenen Blick seines jugendlichen, im Stillen sich freuenden Weibes zu erwiedern, trat Mahtoree zu dem Lager, das seine Gefangenen einnahmen, und stellte sich in der stolzen, aufrechten Stellung eines indianischen Häuptlings vor sie. Der Alte war hinter ihm hereingeschlüpft, und hatte schon eine Stelle eingenommen, wir sie zu dem Amte paßte, das er ausfüllen sollte.

Staunen machte die Frauen einen Augenblick still und fast athemlos. Wenn auch an den Anblick wilder Krieger in all den schrecklichen Waffen ihres furchtbaren Standes gewöhnt, war doch so was Erschreckendes in ihrem Eintritt, so was Kühnes in dem unerklärlichen Blick ihres Besiegers, daß Beider Augen, unter einem Gefühl des Schauders und der Verlegenheit vielleicht, zu Boden sanken. Dann erholte sich Inez, wandte sich zum Streifschützen, und fragte mit der Würde einer beleidigten Dame, jedoch mit ihrer gewohnten Grazie, welchem Umstand sie diesen außerordentlichen und unerwarteten Besuch verdankten. Der Alte zögerte, räusperte sich, wie wenn man eine besondere Anstrengung machen will, und sagte dann »Lady, ein Wilder ist ein Wilder, und Ihr müßt nicht die Gewohnheiten und das Förmliche der Ansiedelungen in einer leeren, windigen Steppe erwarten. Wie diese Indianer sagen, Sitte und Höflichkeiten sind so leichte Dinge, daß sie weggeblasen werden würde. Was mich betrifft, obgleich ein Mann der Wälder, ich hab‘ zu keiner Zeit das Leben der Großen gesehen, und brauch‘ nicht zu lernen, daß sie von dem der Geringen abweichen. In meiner Jugend war Ich lang ein dienender Mann, nicht einer von Euren Gelbschnäbeln, die im Hauswesen herumlaufen, sondern ein Mann, der im Dienste des Feldes unter einem Offizier stand, und wohl weiß ich, wie der Frau eines Capitains zu begegnen ist. Hätte ich bei diesem Besuch zu befehlen gehabt, ich würde erst laut an die Thüre geklopft haben, damit Ihr hörtet, Fremde kämen, und dann – –«

»Die Art ist gleichgültig,« unterbrach ihn Inez, zu eifrig, die lange Erklärung des Alten anzuhören; »wozu der Besuch?«

»Das mag der Wilde selbst sagen. – Die Töchter der Blaßgesichter wünschen zu wissen, warum der große Teton hereingekommen.«

Mahtoree sah den Frager mit einem Staunen an, welches zeigte, für wie unzeitig er die Frage hielt. Dann nahm er eine herablassende Stellung an, und antwortete nach einem Augenblick des Zögerns:

»Sing‘ in die Ohren des Schwarzaugs. Sag ihr, die Wohnung Mahtoree’s ist sehr groß, und noch nicht voll. Sie soll Raum darin finden, und keine größer sein als sie. Sag dem Blondhaar, auch sie kann bleiben in der Wohnung eines Tapfern und von seinem Wildpret essen. Makhtoree ist ein großer Häuptling, seine Hand stets offen.«

»Teton,« entgegnete der Streifschütz, und schüttelte den Kopf, zum Zeichen der großen Mißbilligung, mit der er diese Rede gehört. »Die Zunge einer Rothhaut muß weiß werden, ehe sie singen kann in die Ohren eines Blaßgesichts. Würden Eure Worte ausgesprochen, meine Töchter würden die Ohren verschließen und Mahtoree ein Handelsmann sein in ihren Augen. Nun hört, was von einem grauen Haupte kommt und sprecht dem gemäß. Mein Volk ist ein mächtig Volk. Die Sonn‘ geht auf an seiner östlichen, unter an seiner westlichen Küste. Das Land ist voll von helläugigen, lachenden Mädchen, wie die, welche Ihr seht; ei, Teton, ich lüge nicht,« fuhr er fort, als er bemerkte, daß sein Zuhörer ungläubig aussah, »helläugig und lieblich anzusehen, wie die vor Euch.«

»Hat mein Vater hundert Weiber?« fiel der Wilde ein, und legte seinen Finger auf die Schulter des Streifschützen mit einem auf die Antwort begierigen Blick.

»Nein, Dahcotah. Der Herr des, Lebens hat zu mir gesagt, leb‘ allein; dein Haus, soll der Wald sein, das Dach deines Wigwams die Wolken. Aber wenn auch nicht gebunden von dem hohen Schwur, der in meinem Volke Einen Mann an Ein Weib bindet, hab‘ ich doch oft das Wirken jenes Gutseins beobachtet, das die beiden zusammen bringt. Geht in das Land meines Volks, Ihr werdet die Töchter des Landes sehen, flatternd durch die Städte, wie bunte, fröhliche Vögel zur Zeit der Blüthe. Ihr findet sie singend und vergnügt auf den großen Wegen, und höret die Wälder schallen von ihrem Lachen. Sie sind sehr herrlich zu betrachten, und die Jugend freut sich an ihrem Anblick.«

»Hugh!« machte der gespannte Mahtoree.

»Ei, wohl könnt Ihr glauben, was Ihr hört; es ist nicht gelogen. Aber wenn ein Jüngling ein Mädchen gefunden, ihm nach Gefallen, spricht er zu ihr mit so leiser Stimme, daß Niemand sonst es vermag zu hören. Er sagt nicht: mein Haus ist leer, Platz noch für eine Andere; sondern: soll ich bauen, will die Jungfrau mir zeigen, an welcher Quelle es ihr gefällt zu wohnen? Seine Stimme ist sanfter als Honig und geht schmeichelnd in’s Ohr, wie der Sang eines Vogels. Deßhalb muß, sollen seine Worte gehört werden, mein Bruder sprechen mit weißer Zunge.«

Mahtoree sann ernst und mit einem Staunen nach, das er nicht zu verhehlen suchte. Das hieß alle Ordnung der Gesellschaft umkehren und nach seiner angenommenen Meinung die Würde eines Häuptlings gefährden, wenn er sich so vor einem Weibe demüthigen sollte. Aber da Inez vor ihm saß, in sich zurückgezogen, und mit ernster Miene ganz unbekannt mit seinem Plane und am wenigsten von allem den wahren Zweck eines so außerordentlichen Besuchs argwöhnend, fühlte der Wilde den Eindruck eines Betragens, an das er nicht gewöhnt war. Er verbeugte sich, gleichsam zum Anerkenntniß seines Irrthums, und trat ein wenig zurück; dann eine Stellung ruhiger Würde annehmend, begann er mit dem Selbstvertrauen eines Mannes zu reden, der sich nicht weniger durch seine Beredsamkeit als seine Waffenthaten ausgezeichnet hatte. Seine Augen auf die Nichts ahnende Braut Middleton’s immer geheftet, ließ er sich in folgenden Worten vernehmen:

»Ich bin ein Mann von rother Haut, aber meine Augen sind dunkel. Sie sind offen gewesen seit vielen Wintern. Sie haben Vieles gesehen, sie unterscheiden einen Tapfern von einem Feigling.

Wenn noch ein Knabe, sah ich nichts als Bison und Wild, Ich ging auf die Jagd und sah den Cougar und Bären. Das machte Mahtoree zum Mann. Er sprach mit seiner Mutter nicht mehr. Seine Ohren waren offen der Weisheit der Greise. Sie sagten ihm Alles, – sie sagten ihm von den Groß-Messern. Er ging in den Krieg; war damals der Letzte, jetzt ist er der Erste. Welcher Dahcotah darf sagen, er wolle vor Mahtoree gehen auf den Jagdgrund der Pawnee! Die Häuptlinge gingen ihm entgegen vor ihre Thüre und sagten, mein Sohn ist ohne ein Haus. Sie gaben ihm ihre Zelte, sie gaben ihm ihre Reichthümer, sie gaben ihm ihre Töchter. Da ward Mahtoree ein Häuptling, wie seine Väter gewesen. Er erstaunte die Krieger aller Nationen, und er hätte Weiber wählen mögen von den Pawnee, von den Omawhaw und von den Konza; aber er sah auf den Jagdgrund, nicht auf sein Dorf. Er hielt ein Pferd lieblicher als ein Dahcotah-Mädchen. Aber er fand eine Blume auf den Steppen, und er pflückte sie und bracht‘ sie in sein Zelt. Er vergißt, daß er nur Herr ist von einem Pferd, er gibt sie alle den Fremden, denn Mahtoree ist kein Dieb; er will nur die Blume behalten, die er auf der Steppe gefunden. Ihre Füße sind zart. Sie kann nicht gehen zur Thür ihres Vaters, sie wird bleiben in der Wohnung des Kriegers für immer.«

Als er diese sonderbare Ansprache geendet, wartete der Teton mit der Miene eines Freiers, der nicht große Zweifel wegen des Erfolgs hegt, daß sie übersetzt würde. Der Streifschütz hatte keine Silbe der Rede verloren, und er schickte sich jetzt an, sie so auf Englisch wiederzugeben, daß der Hauptgedanke noch dunkler als im Original bliebe. Aber als seine widerstrebenden Lippen sich aufthun wollten, erhob Ellen den Finger und unterbrach ihn mit einem scharfen Blick aus ihrem lebhaften Auge, der sich auf die immer noch aufmerksame Inez richtete:

»Spart Eure Worte,« sagte sie, »nicht Alles, was ein Wilder sagt, darf vor einer christlichen Dame wiederholt werden.«

Inez sprang auf, erröthete, verbeugte sich mit einer Art von Rückhalt, während sie kalt dem Alten für seinen guten Willen dankte, und erklärte, daß sie jetzt wünsche, allein zu sein.

»Meine Töchter brauchen ihre Ohren nicht, um zu verstehen, was ein großer Dahcotah sagt,« entgegnete der Streifschütz und wandte sich zu dem wartenden Mahtoree. »Der Blick den er gezeigt, die Bewegungen, die er gemacht, sind genug. Sie verstehen ihn, sie wünschen seine Worte zu überlegen; denn die Kinder der Tapfern, die wie ihre Väter sind, thun nichts ohne vieles Besinnen.«

Mit dieser Erklärung, die so schmeichelhaft für die Kraft seiner Beredsamkeit, so vielversprechend für seine künftigen Hoffnungen war, zeigte sich der Teton in jeder Hinsicht zufrieden. Er gab durch den gewöhnlichen Ausruf seine Beistimmung und wollte sich zurückziehen. Er grüßte die Frauen auf die kalte, aber würdige Art seines Volks, zog sein Gewand um sich und bewegte sich von der Stätte weg, wo er mit dem Blicke schlecht verhehlten Triumphs gestanden.

Aber es war noch eine, eine niedergeschlagene, obwohl regungslose und unbemerkte Zuhörerin bei dem vorigen Auftritt zugegen gewesen. Nicht eine Silbe war den Lippen des lang und ängstlich erwarteten Gemahls entfallen, die nicht unmittelbar das Herz seines unschuldigen Weibes getroffen. So hatte er sie aus dem Hause ihres Vaters entführt, und weil sie ähnlichen Gemälden von dem Ruhm und den Thaten des größten Helden ihres Stammes gelauscht, hatte sie ihr Ohr den zärtlicheren Reden so vieler Sioux-Jünglinge verschlossen.

Als der Teton auf die eben erwähnte Art sich wandte, sein Zelt zu verlassen, fand er dies unerwartete und halb vergessene Wesen vor sich. Sie stand in der demüthigen Haltung und dem furchtsamen Wesen eines indianischen Mädchens, das Pfand ihrer früheren Liebe in ihren Armen haltend, gerade ihm in dem Weg. Erstaunt für einen Augenblick, gewann der Häuptling bald wieder die ruhige Gleichgültigkeit seines Antlitzes, die so auffallend den beherrschten oder vielmehr künstlichen Ausdruck seiner Züge auszeichnete, und winkte ihr auf eine gebieterische Weise Platz zu machen.

»Ist nicht Tachechana die Tochter eines Häuptlings?« fragte die demüthige Stimme, in der Stolz furchtsam mit Angst kämpfte; »waren ihre Brüder nicht Helden?«

»Geh; die Männer rufen nach ihrem Führer; er hat kein Ohr für ein Weib.«

»Nicht?« erwiederte die Bittende, »es ist nicht die Stimme Tachechana’s die Ihr hört, sondern‘ dieser Knabe spricht durch die Zunge seiner Mutter. Er ist der Sohn eines Häuptlings, und seine Worte werden dringen zu seines Vaters Ohr. Hört was er sagt. Wann war Mahtoree hungrig und Tachechana hatte nicht Speise für ihn? Wann ging er auf den Pfad der Pawnee und fand ihn leer, und meine Mutter weinte nicht? Wann kam er zurück mit den Spuren ihrer Schläge, und sie sang nicht? Welches Sioux-Mädchen hat einen so tüchtigen Sohn geboren, wie ich bin? Sieh mich recht an, daß du mich kennst! Meine Augen sind die des Adlers, Ich seh‘ in die Sonne und lache. In kurzer Zeit wird der Dahcotah mir folgen auf der Jagd und in den Krieg. Warum wendet mein Vater sein Auge weg von dem Weibe, das mich säugt, warum hat er so bald vergessen die Tochter eines mächtigen Sioux?«

Einen einzigen Augenblick, wo der stolze Vater sein kaltes Auge auf das Antlitz des lachenden Knabens fallen ließ, schien das finstere Gemüth des Tetons gerührt. Aber das zarte Gefühl abschüttelnd, als wenn er eine peinliche Bewegung, die ihm Vorwürfe machte, los sein wollte, legte er seine Hand ruhig auf seines Weibes Arm und führte sie gerade vor Inez. Auf das sanfte Antlitz deutend, daß auf ihres mit einem Blick voll Zärtlichkeit und Mitleid strahlte, blieb er stehen, um sein Weib eine Lieblichkeit betrachten zu lassen, die ganz eben so ausgezeichnet ihrem aufrichtigen Gemüth erschien, als sie dem Charakter ihres untreuen Gemahls gefährlich geworden. Als er glaubte, es habe lange genug gedauert, um den Gegenstand recht schlagend zu machen, erhob er plötzlich einen kleinen Spiegel, der an ihrer Brust hing, einen Schmuck, den er ihr selbst in einer freundlichen Stunde als Huldigung ihrer Schönheit gegeben, und ließ ihr eigenes schwärzliches Bild hineinfallen. Er warf nun wieder seinen Rock um sich, winkte dem Streifschützen ihm zu folgen und schritt stolz aus seinem Zelt, auf dem Wege die Worte murmelnd: »Mahtoree ist sehr weise! Welche Nation hat einen so großen Häuptling als die Dahcotah?«

Tachechana stand einen Augenblick wie zur Bildsäule der Demuth geworden. Ihr mildes, gewöhnlich frohes Antlitz arbeitete, als wolle der Kampf in ihr die Verbindung zwischen ihrer Seele und dem materiellen Theil, dessen Ungestalt ihr jetzt so betrübend geworden, zersprengen. Inez und Ellen waren gänzlich unbekannt mit der eigentlichen Beschaffenheit ihrer Unterredung mit ihrem Gemahl, obwohl der schnelle, scharfe Sinn der letzteren, sie die Wahrheit vermuthen ließ, zu der die gänzliche Unschuld der ersteren keinen Schlüssel gab. Doch schickten sich beide an, ihr die Teilnahme zu beweisen, welche dem weiblichen Geschlecht so natürlich und so anmuthsvoll ist, als es plötzlich nicht mehr nöthig schien. Die Krämpfe in den Zügen der jungen Sioux verschwanden, und ihr Gesicht ward kalt und starr wie gemeißelter Stein. Ein einziger Ausbruch unterdrückter Angst, der sich auf die Stirne festgesetzt, die selten vorher der Kummer umwölkt, blieb allein noch zurück. Er verging nie, in all den Veränderungen der Jahrszeiten, des Geschicks und der Jahre, denen als Weib sie bei einem wilden, harten Leben ausgesetzt sein sollte. Wie bei’m Sonnenstich, mag die Pflanze sich erholen und wieder aufleben, die Wirkungen dieser zerstörenden Berührung, dauern.

Tachechana legte erst jede Spur jener rohen aber hochgeschätzten Zierrathen ab, welche die Freigebigkeit ihres Gemahls sonst ihr gespendet hatte, und reichte sie sanft und ohne ein Murren als ein Opfer für ihre Vorzüge der Inez. Die Spangen wurden abgestreift von den Armen, die verwickelten Massen und Knöpfe von den Beinen und die breite Silberplatte von der Stirn. Dann sann sie lang und peinvoll. Aber es wollte scheinen, als wenn der Entschluß, den sie einmal gefaßt, nicht besiegt werden könnte von den noch glimmenden Gefühlen irgend einer Zuneigung, so natürlich sie waren. Der Knabe, selbst ward zunächst zu den Füßen ihrer vermeintlichen Nebenbuhlerin gelegt, und wohl mochte das erniedrigte Weib des Tetons glauben, daß die Last ihres Opfers jetzt voll sei.

Während Inez und Ellen dastanden und diese verschiedenen, sonderbaren Bewegungen mit Augen voll Verwunderung mit ansahen, hörte man eine leise, sanfte Stimme, die voll Wohllaut in einer ihnen unverständlichen Sprache sagte:

»Eine fremde Zunge wird meinen Sohn zum Manne ziehen. Er wird Töne hören, die neu sind, aber er wird sie lernen und die Stimme seiner Mutter vergessen. So ist’s Wahcondah’s Wille, und eine Sioux-Tochter sollte sich nicht beklagen. Sprecht zu ihm sanft, seine Ohren sind so klein, ist er groß, dann mögen Eure Worte lauter sein. Laßt ihn nicht zum Mädchen werden, denn gar traurig ist das Leben eines Weibes. Lehrt ihn auf die Männer sehen, zeigt ihm, wie er die schlage, die ihm übel thun, und laßt ihn nie vergessen, Schlag mit Schlag zu vergelten. Wenn er jagen geht, wird die Blume der Blaßgesichter,« so schloß sie und gebrauchte bitter das Bild, das ihr durch die Phantasie ihres rohen Gemahls an Hand gegeben worden, »sanft in seine Ohren lispeln, daß seine Mutter roth war, daß sie einst das Reh hieß der Dahcotah.«

Tachechana drückte einen Kuß auf die Lippen ihres Sohnes und eilte dann zurück an die entfernteste Stelle des Zelts. Hier zog sie den leichten Calikorock über das Haupt und nahm, zum Zeichen ihrer Niedrigkeit ihren Sitz auf der bloßen Erde. Alle Bemühungen ihrer Gefährtinnen, ihre Aufmerksamkeit zu erregen, waren fruchtlos. Sie hörte nicht ihre Vorstellungen, fühlte nicht ihre leise Berührung. Ein- oder zweimal erhob sich ihre Stimme zu einer Art Trauergesang unter dem deckenden Mantel hervor, aber stieg nie zur vollen Wildheit der Musik der Barbaren. So blieb sie ungesehen stundenlang, während Begebenheiten außerhalb des Zelts vorfielen, welche nicht allein ihr eigenes Geschick gänzlich änderten, sondern auch einen dauernden, tiefen Eindruck auf die künftigen Bewegungen des wandernden Sioux-Stamms zurückließen.

Siebenundzwanzigstes Kapitel.

Siebenundzwanzigstes Kapitel.

Ich will die Prahler nicht; ich stehe bei den Besten
selbst in gutem Rufe; – schließ‘ die Thür, es kommen
keine Prahler hier herein. Ich hab‘ so lange nicht gelebt,
um jetzt noch Prahlerei zu haben; schließ‘ die Thür, ich
bitte dich.

Shakespeare.

 

Mahtoree fand an der Thüre seines Zeltes Ismael, Abiram und Esther. Der erste Blick seines Auges auf das ernste, drohende Antlitz des stark gebauten Auswanderers war hinreichend, um dem listigen Teton zu verrathen, daß der gefährliche Waffenstillstand, den er mit diesen durch seine größere Klugheit betrogenen Narren gemacht hatte, in Gefahr sei, plötzlich gebrochen zu werden.

»Hör, du alter Graubart,« sagte Ismael, ergriff den Streifschützen und drehte ihn herum, als wenn er ein Spielzeug gewesen, »hör‘, ich bin müde eine Unterredung vermittelst Finger und Daumen, statt mit der Zunge, über ein so deutliches Geschäft zu Pflegen; nun, wenn du den Sprachmeister spielen willst, leg‘ meine Worts offen dar im Indianischen, ohne erst zu betrachten, ob sie einer Rothhaut nach dem Sinne sind oder nicht!«

»Sprich, Freund,« entgegnete ruhig der Streifschütz, »sie sollen so klar wiedergegeben werden, wie Ihr sie aussprecht.«

»Freund,« wiederholte der Wanderer und betrachtete den Andern einen Augenblick mit einem nicht zu beschreibenden Ausdruck; »es ist nur ein Wort, und Töne zerschlagen nicht die Glieder und zerstören keine Häuser. Sag‘ diesem diebischen Sioux denn, daß ich komme, die Erfüllung der Bedingungen zu verlangen, die wir bei unserm feierlichen Handel am Fuß des Felsens aufgestellt haben.«

Als der Streifschütz seine Rede in die Sioux-Sprache übertragen, fragte Mahtoree mit einem Blick des Erstaunens!

»Friert’s meinen Bruder? Büffelhäute sind in Menge da. Hat er Hunger? Meine Leute sollen Wild in seine Zelte tragen.«

Der Auswanderer erhob drohend seine geballte Faust, und schlug sie mit Gewalt auf seine flache Hand, seinen Entschluß zu bekräftigen, als er antwortete:

»Sagt dem betrügerischen Lügner, ich sei nicht hierher gekommen, wie ein Bettler, seine Knochen aufzulesen, sondern wie ein freier Mann, der sein Eigenthum verlangt; und haben will ich’s! Und weiter sagt ihm, ich verlange, daß auch Ihr, elender Sünder, wie Ihr seid der Gerechtigkeit übergeben werdet. Es kann da gar kein Irrthum sein. Meine Gefangene, meine Nichte und Euch, Ich verlange die drei von seiner Hand, nach einem beschwornen Vergleich.«

Der unbewegliche Alte lächelte mit einem eigenen Ausdruck, als er antwortete:

»Freund, Ihr verlangt, was Wenige gewähren würden. Ihr möchtet erst dem Teton die Zunge aus dem Mund, und dann das Herz aus der Brust reißen.«

»Wenig kümmert sich Ismael Busch, wer oder was gefährdet wird, wenn er sein Eigenthum verlangt. Aber stellt die Fragen in klarem Indianisch, und wenn Ihr von Euch sprecht, macht ein solches Zeichen, wie es ein Weißer versteht, daß ich sehen kann, es sei kein falsches Spiel.«

Der Streifschütz lachte nach seiner stillen Art und murmelte einige Worte für sich, ehe er an den Häuptling sich wandte.

»Möge der Dahcotah weit seine Ohren öffnen,« sagte er dann, damit hohe Worte Raum finden, einzugehen. Sein Freund, das Groß-Messer, kommt mit leerer Hand und sagt, der Teton müsse sie füllen.«

»Wagh! Mahtoree ist ein reicher Häuptling. Er ist Herr der Steppen.«

»Er muß das Schwarzhaar geben.«

Die Stirn des Häuptlings zog sich in unheilschwere Falten zusammen, die dem kühnen Wanderer augenblickliche Vernichtung drohten, aber eben so schnell seiner Klugheit gedenkend, entgegnete er listig mit einem verrätherischen Lächeln:

»Ein Mädchen ist zu leicht für die Hand solch eines Tapfern, ich will mit Büffeln sie füllen.«

»Er sagt, er brauche auch das Blondhaar, das sein Blut in seinen Adern habe.«

»Sie soll Mahtoree’s Weib werden, dann wird das Lang-Messer der Vater eines Häuptlings sein.«

»Und mich,« fuhr der Streifschütz fort, und machte eins jener ausdrucksvollen Zeichen, durch die die Eingebornen fast mit derselben Leichtigkeit, wie mit ihren Zungen einander mittheilen; wandte sich auch zugleich zu dem Wanderer, damit er sehen möge, er verfahre aufrichtig mit ihm: »er verlangt einen armen, ausgezehrten Streifschützen.«

Der Dahcotah schlang seinen Arm über die Schulter des Alten, mit dem Ausdruck großer Anhänglichkeit, und antwortete dann auf dieses dritte und letzte Begehren:

»Mein Freund ist alt,« sagte er, »und kann nicht weit wandern. Er wird bei den Teton bleiben, daß sie Weisheit lernen mögen aus seinen Reden. Welcher Sioux hat eine Zunge wie mein Vater! Nein, er lasse seine Worte mild sein, aber sehr klar. Mahtoree will Häute und Büffel geben. Er will den Leuten der Blaßgesichter Weiber geben, aber kann nicht ausliefern, nicht Einen von denen, welche in seinem eigenen Zelte wohnen.«

Vollkommen selbst zufrieden mit dieser lakonischen Antwort, wollte der Häuptling sich zu seinen wartenden Rathgebern wenden, als er, plötzlich umkehrend, die Übersetzung des Streifschützen unterbrach, indem er hinzufügte:

»Sagt dem großen Büffel (so hatten die Teton schon Ismael getauft), daß Mahtoree’s Hand immer offen ist. Seht,« fügte er hinzu, und deutete auf das harte, runzelige Gesicht der aufmerkenden Esther, »sein Weib ist zu alt für solch einen großen Häuptling. Er bringe sie aus seinem Zelt; Mahtoree liebt ihn wie einen Bruder, er ist sein Bruder. Er soll das jüngste Weib des Tetons haben. Tachechana, der Stolz der Sioux-Mädchen, soll sein Wild kochen, und viele Tapfere werden ihn ansehn mit verlangendem Gemüth. Geht, ein Dahcotah ist edelmüthig.«

Die sonderbare Kälte, womit der Teton diesen gewagten Vorschlag schloß, erstaunte selbst den geübten Streifschützen. Er starrte hinter der abgehenden Gestalt des Indianers mit einem Erstaunen her, das er nicht zu verbergen strebte; auch versuchte er nicht eher seine Dollmetschung fortzusetzen, als bis Mahtoree sich unter dem Haufen Krieger verloren hatte, der so lange und mit so charakteristischer Geduld seine Rückkehr erwartete.

»Der Teton-Häuptling hat sehr klar gesprochen,« fuhr der Alte alsdann fort. »Er will auch die Lady nicht geben, auf die, der Herr im Himmel weiß es, Ihr kein Recht habt, es sei denn das des Wolfs auf das Lamm. Er will Euch das Kind nicht geben, das Ihr Eure Nichte nennt; und darin gestehe ich, bin ich gar nicht gewiß, ob er das nämliche Recht auf seiner Seite hat. Noch mehr, Nachbar Wanderer, er verweigert gerade zu Euer Verlangen, mich auszuliefern, elend und werthlos, wie ich bin; auch glaube ich nicht, daß er daran unweise gethan, da ich gar manche besondere Gründe gegen eine weite Reise in Eurer Gesellschaft habe. Aber er thut Euch ein Anerbieten, welches Euch zu sagen recht und passend iß. Der Teton sagt durch mich, der nur sein Werkzeug ist, und nicht verantwortlich für die Sünde in seinen Worten; aber er sagt, da dies gute Weib über das schöne Alter hinaus ist, es für Euch vernünftig sei, eines solchen Weibes müde zu werden. Er sagt Euch daher, sie aus Eurer Wohnung hinauszuthun, und wenn sie leer ist, will er seine eigene Begünstigte schicken, oder vielmehr die, die seine Begünstigte war, das flinke Reh, wie die Sioux sie nennen, um die Stelle einzunehmen, Ihr seht, Nachbar, obwohl die Rothhaut willens ist, Euer Eigenthum zu behalten, er Euch bei dem Allem etwas zum Ersatz dagegen geben will.«

Ismael hörte diese Erwiederungen auf seine verschiedenen Forderungen mit jener Art gesammeltem Unwillen an, mit dem die schläfrigsten Gemüther bis zum heftigsten Paroxismus der Wuth steigen. Er that selbst, als lache er über den Plan, seine lang geprüfte Esther für die beugsamere Stütze der jugendlichen Tachechana umzutauschen; aber seine Stimme war hohl und unnatürlich bei dieser Anstrengung. Doch Esther war weit entfernt, den Vorschlag so artig aufzunehmen. Ihre Stimme bis zu dem ihr eigenen hörbaren Schlüssel erhebend, brach sie, nachdem sie nach Athem geschnappt, wie wenn man in der größten Gefahr zu ersticken ist, folgendermaßen heraus:

»Hoho! Wer machte den Indianer zum Schließer und Löser der Ehe? Meint er, ein Weib sei ein Thier der Steppe, daß sie aus einem Dorf mit Hund und Pulver gejagt werden könne? Laßt die Tüchtigste von ihnen Allen hervorkommen und sich ihrer Thaten rühmen; kann sie solche Sprößlinge wie ich zeigen? Ein verdammter Tyrann ist diese diebische Rothhaut, und ein kühner Schurke in der That. Er möchte Befehlshaber sein in- und außerhalb der Thüre. Ein ehrliches Weib ist nicht besser in seinen Augen, als eins jener herumstreichenden Thiere. Und du, Ismael Busch, der Vater von sieben Söhnen und eben so vielen niedlichen Töchtern, du magst den Mund öffnen, außer um ihn zu verfluchen? Wolltest du deine Farbe beschimpfen, deine Familie und dein Volk, und weißes Blut mit rothem vermischen und Vater einer Race von Maulthieren sein? Der T – l hat dich oft versucht, Mann, aber nie hat er dir eine listigere Falle gelegt, als diese. Geh zurück unter deine Kinder, Freund, geh und erinnere dich, daß du kein wilder Bär bist, sondern ein christlicher Mann, und dank Gott, daß du ein rechtmäßiger Gemahl bist.«

Das Geschrei der Esther war von dem scharfsinnigen Streifschützen geahnt worden. Er hatte leicht vorausgesehn, ihr zartes Gemüth werde bei einem so scandalösen Vorschlag, wie Verstoßung, überfließen, und benutzte jetzt den Sturm, sich an einen Ort zurückzuziehen, wo er wenigstens vor jeder unmittelbaren Gewalthätigkeit von Seiten des weniger gereizten, aber gewiß gefährlicheren Gemahls sicher wäre. Ismael, der seine Forderungen mit fester Entschlossenheit gethan hatte, um sie zu erzwingen, ward durch diesen wilden Sturm, wie mancher halsstarrigere Gemahl, von seinem Vorsatz abgelenkt, und, um eine Eifersucht zu besänftigen, die der Wuth glich, womit die Bärin ihre Jungen vertheidigt, wollte er sich gerne etwas von dem Zelt zurückziehn, das, wie er wußte, den unschuldigen Gegenstand des plötzlichen Aufruhrs enthielt.

»Laßt Eure Kupferfarbige hervorkommen und ihre Castanien-Schönheit vor einem Weibe zeigen, das mehr als einmal die Kirchenglocke gehört hat und ihre wahre Kraft empfand,« schrie Esther und schwang triumphirend die Hände, als sie Ismael und Abiram vor sich, wie zwei herumstreichende Knaben, nach ihrem Lager hintrieb. »Ich wette, hier ist Eine, die sie bald nieder reden würde! Glaubt nicht, Ihr wolltet hier zaudern; Leute, glaubt nicht, Ihr solltet ein Auge in einem Lager schließen, durch das der Teufel so offen hinschreitet, als wäre er ein großer Herr und seines Willkomms sicher. Hierher, Abner, Enoch, Jesse, wo seid ihr? An’s Werk, an’s Werk! Wenn jener schwachsinnige, sanftfühlende Mann, euer Vater, hier wieder isst oder trinkt, werden wir ihn durch den Zauber der Rothhäute vergiftet sehen. Nicht, daß ich mich kümmere, wer an meine Stelle kommt, wenn sie einmal gesetzlich leer ist; aber, Ismael, ich hätte nie gedacht, daß Ihr, der ein Weib hatte mit weißer Haut, Vergnügen finden könntet im Anschauen einer kupfernen; ei, daß sie Kupfer ist, ist gewiß; Ihr könnt’s nicht leugnen, und ich wette, sie ist auch ehern genug.«

Gegen dieses Aufbrausen verwundeten weiblichen Stolzes leistete der erfahrne Gemahl keinen andern Widerstand, als durch eine gelegentliche Ausrufung, die der Vorläufer einer einfachen Versicherung einer Unschuld sein sollte. Die Wuth des Weibes wollte sich nicht besänftigen lassen. Sie hörte nur auf sich, und so hörte man nur ihre Befehle zum Aufbruch.

Der Auswanderer hatte sein Vieh gesammelt, seine Wagen beladen, um sich vorzusehen, ehe er zu dem Extrem käme, das er beabsichtigte. Folglich fand Esther ihren Wünschen Alles günstig. Die jungen Leute starrten einander an, als sie diese außerordentliche Erregung ihrer Mutter sahen, nahmen aber wenig Antheil an einem Vorfall, der in ihrer Erfahrung so manches Gegenstück hatte. Auf Befehl ihres Vaters wurden auch die Zelte schnell auf die Wagen geworfen, gleichsam als Repressalie für die Treulosigkeit ihrer Verbündeten, und dann verließ der Zug in seiner gewöhnlichen, gleichgültigen, lässigen Manier die Stelle.

Da eine schreckende Abtheilung wohl bewaffneter Grenzwohner den Nachzug des abgehenden Haufens deckte, sahen die Sioux ihn abziehen, ohne die geringste Verwunderung oder Rachsucht zu verrathen. Der Wilde, wie der Tieger, macht selten einen Angriff auf den Feind, der ihn erwartet; und wenn die Teton-Krieger eine Feindseligkeit beabsichtigten, geschah’s mit der stillen, geduldigen Weise, mit der das Katzengeschlecht den unbewachten Augenblick in seinen Opfern erspäht, um den Schlag sicher beizubringen. Mahtoree’s Rath aber, von welchem so viel von der Klugheit seines Volks abhing, lag tief in dem Fachwerk seiner eignen Gedanken. Vielleicht freute er sich, auf so leichte Art so unangenehmen Ansprüchen zu entgehen; vielleicht wartete er auf eine günstige Zeit, seine Gewalt zu zeigen; ja es mochte sein, daß Sachen von weit größerer Wichtigkeit seinen Geist in Anspruch nahmen, daß er nicht Zeit hatte, seine Kräfte einem so gleichgültigen Vorfalle zu weihen.

Aber es wollte scheinen, als wenn Ismael, während er so sehr dem gereizten Gefühl der Esther nachgab, gar nicht so leicht seine eigentlichen Pläne aufgeben wolle. Sein Zug folgte auf eine Meile dem Lauf des Baches und machte dann auf der Spitze einer Erhöhung Halt, an einer Stelle, die die nöthigen Vortheile darbot. Hier schlug er seine Zelte wieder auf, spannte seine Thiere aus und ließ das Vieh auf den Grund, kurz, machte all‘ die gewöhnlichen Vorbereitungen, die Nacht mit derselben Gleichgültigkeit und Ungestörtheit zuzubringen, als wenn er nicht eben eine aufreizende Herausforderung seinen gefährlichen Nachbarn gerade in das Gesicht ausgesprochen hätte.

Mittlerweile machten sich die Teton an die geregelteren Geschäfte der Tagszeit. Eine stolze, wilde Freude hatte sich im Lager verbreitet, sobald angesagt worden, ihr Häuptling kehre mit dem langgefürchteten und gehaßten Führer ihrer Feinde zurück. Seit vielen Stunden waren die Megären des Stammes von Zelt zu Zelt gegangen, um das Gemüth der Krieger zu solch einer Höhe zu reizen, daß den Betrachtungen der Gnade nur wenig Raum übrig blieb. Zum einen sprachen sie von einem Sohn, dessen Haupt im Rauch einer Pawneehütte dörre. Einem andern zählten sie seine eignen Narben, sein Unglück, seine Niederlagen auf; mit einem dritten verbreiteten sie sich über seinen Verlust an Häuten und Pferden, und ein vierter ward durch eine bedeutungsvolle Frage über einen bekannten Vorfall, worin er, wie man wußte, gelitten hatte, an die Rache erinnert.

Durch diese Mittel waren die Männer in so weit aufgeregt worden, daß sie sich aus die schon erwähnte Weise zusammengerottet hatten, obwohl es noch immer zweifelhaft blieb, wie weit sie ihre Rache treiben wollten. Verschiedene Meinungen gab’s über die Klugheit, ihre Gefangenen hinzurichten, und Mahtoree hatte die Debatten aufgehoben, um sich zu versichern, wie weit die Maßregel seine eignen Absichten begünstigen oder hintertreiben könnte. Bis jetzt waren die Berathungen nur einleitend gewesen, damit jeder Häuptling sehen möge, auf wie viele Verfechter seine Ansicht von der bestrittenen Frage wahrscheinlich rechnen dürfte, wenn der wichtige Gegenstand vor eine feierlichere Versammlung des Stammes kommen sollte. Der Augenblick der letzteren war jetzt erschienen, und die Vorbereitungen zu ihrer Zusammenberufung wurden mit einer Würde und Feierlichkeit getroffen, die den hohen Interessen bei dieser Gelegenheit angemessen waren.

Mit einer Feinheit in der Grausamkeit, die nur ein Indianer hatte erdenken können, war der zu dieser ernsten Berathung erwählte Platz gerade um den Pfahl herum, an den der wichtigste Gegenstand der Versammlung angebunden worden. Middleton und Paul wurden in ihren Banden herbeigeschleppt und vor des Pawnee’s Füße gelegt, und dann nahmen die Männer nach ihren verschiedenen Ansprüchen auf Auszeichnung ihre Sitze ein. Wie ein Krieger nach dem andern erschien, setzte er sich in den weiten Zirkel mit so ernster, bedächtiger Miene, als wenn sein Gemüth wirklich in der Lage wäre, Recht zu sprechen und gesänftigt würde durch die himmlische Gabe der Milde. Sitze wurden für drei oder vier Hauptanführer aufbewahrt, und einige der ältesten Weiber, so welk, wie Alter, Ausgesetztheit, Mühseligkeiten und ein Leben voll roher Leidenschaften sie machen konnte, drängten sich mit einer Verwegenheit in die vordersten Reihen, zu der sie von ihrer unersättlichen Gier nach Grausamkeit getrieben wurden, und die nur ihre Jahre und ihre lang geprüfte Treue gegen ihr Volk entschuldigen konnte.

Alle, nur die schon erwähnten Häupter nicht, waren jetzt zur Stelle. Diese hatten in der eiteln Hoffnung mit ihrem Erscheinen gezögert, es werde ihre eigne Eintracht den Weg zu der ihrer respectiven Parteien bahnen; denn trotz des höhern Einflusses Mahtoree’s konnte seine Gewalt nur durch beständiges Anfragen bei seinen Untergebenen erhalten werden. Als diese wichtigen Personen endlich zugleich in den Kreis getreten waren, verriethen ihre finstern Blicke und umwölkten Stirnen, trotz der auf die Unterredung gewendeten Zeit, hinlänglich die Uneinigkeit, welche unter ihnen herrschte. Mahtoree’s Auge änderte sich in seinem Ausdruck von den plötzlichen Strahlen, in denen die wilden Antriebe seiner Seele zu brennen schienen, in jene kalte, bewachte Festigkeit, die man für einen Häuptling in der Rathsversammlung für passender hielt. Er nahm seinen Sitz mit der erkünstelten Einfachheit eines Volksführers ein, obgleich der scharfe, blitzende Strahl, den er sogleich über die schweigende Versammlung warf, den vorherrschenderen Charakter eines Tyrannen verrieth.

Als Alle zugegen waren, zündete ein bejahrter Krieger die große Pfeife seines Volks an und blies den Rauch nach den vier Gegenden des Himmels. Sobald dies Sühnopfer dargebracht worden, reichte er sie Mahtoree, der aus verstellter Demuth sie einem Greise zu seiner Seite überreichte. Nachdem Alle dem besänftigenden Kraute zugesprochen, folgte ein ernstes Schweigen, als wenn ein Jeder nicht nur geeigneter wäre, über die Dinge vor ihm nachzudenken, sondern auch wirklich tiefer darüber dachte. Dann erhob sich ein alter Indianer und sprach!

»Der Adler am Fall des endlosen Stroms war noch in seinem Ei, viele Winter sind es, seit meine Hand einen Pawnee erschlug. Was meine Zunge sagt, haben meine Augen gesehen. Bohrecheena ist sehr alt. Die Hügel haben länger an ihren Stellen gestanden, als er in seinem Stamme gewesen ist, und die Ströme wurden voll und leer, eh‘ er geboren war; aber wo ist der Sioux, der es weiß, wie er? Was er sagt, werden sie hören. Fällt ein Wort von ihm auf den Boden, werden sie es aufnehmen und in ihren Ohren bewahren. Verweht eins in dem Wind, werden meine jungen Leute, die sehr flink sind, es auffassen. Nun hört. Seit das Wasser floß, und die Bäume wuchsen, hat der Sioux den Pawnee auf seinem Kriegsweg getroffen. Wie der Cougar liebt die Antilope, liebt der Dahcotah seinen Feind. Wenn der Wolf das Rehkalb findet, legt er sich nieder und schläft? Wenn der Panther die Hindin sieht an der Quelle, schließt er seine Augen? Ihr wißt, er thut es nicht. Er trinkt auch, aber Blut! Ein Sioux ist ein springender Panther, ein Pawnee ein zitterndes Reh. Mögen meine Kinder mich hören. Sie werden meine Worte gut finden. Ich habe geredet.«

Tiefes, aus der Kehle kommendes Zujauchzen brach durch die Lippen der Genossen Mahtoree’s, als sie diesen blutgierigen Rath von einem Manne hörten, der gewiß unter die Aeltesten der Nation gerechnet werden mußte. Diese tief liegende Rachbegierde, die einen so hervorstehenden Zug in ihrem Charakter bildete, wurde durch jene metaphorischen Anspielungen geschmeichelt und der Häuptling selbst versprach sich bei der Menge der Beistimmenden, die sich zu Gunsten des Raths seines Freundes erklärten, einen glücklichen Erfolg seiner Pläne. Aber noch war Uebereinstimmung gar nicht vorherrschend. Eine lange, geziemende Pause ließ man auf die Worte des ersten Redners eintreten, auf daß Alles gehörig von ihrer Weisheit erwogen werden möchte, ehe ein anderer Häuptling die Widerlegung übernahm. Der zweite Sprecher, obwohl über die Jugend seiner Tage hinaus, war weit weniger bejahrt als sein Vorgänger. Er fühlte den Nachtheil dieses Umstands, und bemühte sich, ihm, so weit als möglich, durch seine außerordentliche Demuth, entgegenzuwirken.

»Ich bin nur ein Kind,« begann er, und sah verstohlen um sich, um zu bemerken, in wie weit sein wohlgegründeter Ruf der Klugheit und Tapferkeit diese Aussage widerlegte. »Ich lebte noch bei den Weibern, als mein Vater schon ein Mann war. Wenn mein Haupt grau wird, geschieht’s nicht, weil ich alt bin. Etwas von dem Schnee, der darauf fiel, als ich auf dem Kriegspfad schlief, ist darauf gefroren, und die heiße Sonne bei den Osagen-Dörfern ist nicht kräftig genug gewesen, den Schnee zu schmelzen.« Ein dumpfes Murmeln hörte man, das die Bewunderung jener Dienste ausdrückte, worauf er so listig anspielte. Der Redner wartete bescheiden ein wenig, bis die Erregung sich gelegt hatte, und fuhr dann mit größerer Kraft fort, als werde er heimlich durch ihr Lob ermuthigt. »Aber die Augen eines jungen Tapferen sind gut. Er kann weit sehen. Er ist ein Luchs. Seht auf mich recht. Ich will mich umwenden, daß ihr von beiden Seiten mich sehen könnt. Nun wißt ihr, ich bin euer Freund, denn ihr seht auf eine Seite, die nie ein Pawnee sah. Nun seht in mein Antlitz; nicht in diese Narbe, denn da können eure Augen nie meinen Geist sehen. Es ist ein Loch, das ein Konza geschnitten. Aber hier ist eine Oeffnung, die Wahcondah gemacht, durch die ihr in meine Seele blicken könnt. Was bin ich? Ein Dahcotah von innen und außen. Ihr wißt es, deswegen hört mich. Das Blut jedes Geschöpfs auf der Steppe ist roth. Wer kann die Stelle unterscheiden, wo ein Pawnee geschlagen ward, von der, wo meine jungen Leute einen Bison fingen? Er ist von derselben Farbe. Der Herr des Lebens machte sie für einander. Er machte sie gleich. Aber wird das Gras grün werden, wo ein Blaßgesicht getödtet wird? Meine jungen Leute müssen nicht denken, diese Nation sei so zahlreich, daß sie einen Krieger nicht vermissen werde. Sie überzählen sie oft, und sagen, wo sind meine Söhne? Wenn sie einen vermissen, werden sie in die Steppen schicken, nach ihm zu sehen; wenn sie ihn nicht finden können, werden sie ihren Boten sagen, nach ihm unter den Sioux zu fragen; meine Brüder, die Großmesser sind keine Thoren; es ist ein mächtiger Arzt von ihrer Nation jetzt unter ihnen, wer kann sagen, wie laut seine Stimme, wie lang sein Arm ist.«

Die Rede des Sprechers, der in seinen Gegenstand mit der gehörigen Wärme einging, wurde durch den ungeduldigen Mahtoree unterbrochen, der plötzlich sich erhob, und in einem Tone, worin sich Ansehn mit Verachtung mischte, und zu dem zuletzt selbst Ironie kam, ausrief:

»Meine jungen Leute sollen den bösen Geist der Blaßgesichter in die Versammlung führen. Mein Bruder soll seinen Arzt von Angesicht zu Angesicht sehn!«

Eine todtengleiche, feierliche Stille folgte auf diese unerwartete Unterbrechung. Sie war nicht nur ein schweres Vergehn gegen die heilige Ordnung der Debatten, sondern der Befehl sollte auch der unbekannten Macht eines jener unbegreiflichen Wesen trotzen, das, wenige Indianer damals aufgeklärt genug waren, ohne Ehrfurcht anzustaunen, oder kühn genug, ihm zu widerstehen. Die Untergebenen jedoch gehorchten, und Obed ward zu Esel aus einem Zelt herbeigeführt, mit einer Ceremonie und einem Pompe, die sicher auf Spott berechnet waren, aber dennoch von der Furcht sehr gesteigert wurden. Als sie in den Kreis traten, warf Mahtoree, der den Einfluß des Doctors vorausgesehen und sich bemüht hatte, ihm zuvorzukommen, indem er ihn der Verachtung Preis gäbe, seine Blicke auf die Versammlung, um seinen Erfolg in den verschiedenen schwarzen Gesichtern zu lesen, von denen er umgeben war.

In der That, Natur und Kunst hatten sich vereint, durch Miene und Haltung des Naturforschers eine Wirkung hervorzubringen, die ihn überall zum Gegenstand der Verwunderung gemacht haben würde. Sein Kopf war sorgfältig nach der unter den Sioux beliebtesten und geschmackvollsten Art geschoren worden. Eine prächtige Kopflocke, die wahrscheinlich weggelassen worden wäre, hätte man den Doctor selbst darüber befragt, war Alles, was von einem üppigen, und gerade zu der Jahrszeit gar nicht unangenehmen Haarwuchs übriggeblieben. Dicke Auflagen von Schminke waren dem nackten Schädel zu Theil geworden, und gewisse abenteuerliche Figuren in demselben Stoffe erstreckten sich bis in die Nähe von Augen und Mund, und liehen dem von Natur scharfen Ausdruck der ersteren einen Zug heimlicher List, und dem absprechenden des letzteren nicht wenig von der todtenbeschwörenden Grimmigkeit eines Zauberers. Er war seines Obergewands erleichtert und dafür sein Leib vor der Kälte hinlänglich durch ein phantastisch bemaltes Kleid aus Thierhäuten geschützt worden. Gleichsam zum Spott über sein Treiben hingen tausend Kröten, Frösche, Eidechsen, Schmetterlinge u. s. w., die er alle sorgsam zubereitet hatte, um in Zukunft ihre Stelle in seinem Privatcabinet einzunehmen, an dieser einsamen Locke seines Hauptes, an seinen Ohren, und an den verschiedenen andern vorragenden Theilen seiner Person. Wenn wir zu der durch diese kleineren Zierrathen seines Costüms hervorgebrachten Wirkung noch die furchtbaren angstvollen Blicke des Zweifels uns hinzudenken, die sein Gesicht doppelt wild machten, und die Gefühle des würdigen Obed verriethen, als er seine persönliche Würde so erniedrigt, und was noch weit wichtiger für ihn war, sich selbst, wie er fest glaubte, als Opfer einer heidnischen Festlichkeit fortgeschleppt sah, wird der Leser leicht das Staunen sich denken, das durch des Doctors Erscheinung in einer Bande erregt ward, die schon mehr als halb vorbereitet war, in ihm einen mächtigen Diener des bösen Geistes zu verehren.

Weucha führte den Esel gerade in den Mittelpunct des Kreises, ließ sie dort beisammen (denn die Beine des Naturforschers waren so an das Thier gebunden, daß man beide für in einander verkörpert hätte halten und sagen können, sie bildeten eine neue Ordnung) und zog sich auf seine Stelle zurück, den Beschwörer, als er wegging, mit einem Staunen und einer Bewunderung anstarrend, wie sie dem dumpfen Trübsinn seines Gemüths natürlich war.

Die Verwunderung schien gegenseitig, bei den Zuschauern und dem Gegenstand dieser sonderbaren Darstellung. Wenn die Teton die geheimnißvollen Eigenschaften des Arztes mit Verehrung und Furcht anstaunten, blickte der Doctor mit einer Mischung von ganz eben so außerordentlichen Bewegungen um sich, in der jedoch die letztere Empfindung kein unbeträchtliches Ingredienz bildete. Ueberall fielen seine Augen, welche gerade in dem Augenblick eine geheime, hohe Kraft besaßen, auf dunkle, wilde, rohe Gesichter, deren keinem er auch nur einen einzigen Strahl von Mitgefühl und Erbarmen entlocken konnte. Endlich trafen seine herumschweifenden Blicke auf die ernsten, sittigen Züge des Streifschützen, der mit Hektor zu seinen Füßen am Eingang des Zirkels stand und sich auf die Büchse lehnte, die er als ein anerkannter Freund wieder hatte tragen dürfen. Er schien über die Folgen nachzudenken, die wahrscheinlich aus einer Rathsversammlung hervorgehen mußten, welche durch so viele und auffallende Ceremonieen ausgezeichnet gewesen.

»Verehrungswürdiger Jäger, oder Schütze, oder Wildfänger,« sagte der ganz trostlose Obed, »ich freue mich sehr, Euch wieder zu treffen. Ich fürchte, die kostbare Zeit, die mir zugemessen worden, um eine hohe Aufgabe zu vollenden, geht jetzt zu einem unreifen Ende, und ich möchte gern mein Herz vor einem Manne aufschließen, der, wenn auch kein Schüler der Wissenschaft, wenigstens einige Kenntniß hat von dem, was die Cultur ihrem niedrigsten Unterworfenen mittheilt. Zweifelsohne werden viele und ernste Nachforschungen nach meinem Geschick von den gelehrten Gesellschaften der Welt gemacht werden; ja Missionen werden vielleicht in diese Gegenden geschickt, um jeden Zweifel zu entfernen, der über einen so wichtigen Gegenstand entstehen könnte. Ich preise mich glücklich, daß ein Mann, der unsere Sprache versteht, zugegen ist, um die Geschichte meines Endes zu bewahren. Ihr werdet sagen, daß nach einem wohlgenützten und glorreichen Leben, ich als Märtyrer starb für die Wissenschaft, als ein Opfer der Geistesfinsterniß. Ich gedenkt ganz besonders ruhig und gesammelt in meinen letzten Augenblicken zu sein; so wenn ihr einige Einzelheiten über die Standhaftigkeit uns gelehrte Würde, womit ich dem Tod entgegentrat, hinzufügt, wird dies zum Sporn für Künftige, die nach gleicher Ehre streben, dienen, und sicherlich Niemanden Anstoß geben. Und nun, Freund Streifschütz, will ich, als eine Pflicht, die ich menschlicher Natur schuldig bin, mit der Frage schließen, ob alle Hoffnung mich verlassen, oder ob noch ein Mittel übrig, wodurch so viele kostbare Belehrung aus den Klauen der Finsternis gerettet und den Blättern der Naturgeschichte gesichert werden möge.«

Der Alte lieh ein aufmerksames Ohr dieser traurigen Anrede, und bedachte augenscheinlieh die wichtige Frage von jeder Seite, ehe er sich herausnehmen wollte zu antworten.

»Ich denke, Freund Physikus,« entgegnete er endlich ernst, »daß Leben oder Tod in Eurem besondern Fall ganz von dem Willen der Vorsehung abhängt, wie sie es nun durch die verfl – ten Windungen indianischer List darzulegen für gut findet. Was mich betrifft, ich sehe im Ganzen keinen großen Unterschied im Ausgang, da es Niemanden außer Euch groß anfechten kann, ob Ihr lebt oder sterbt.«

»Wolltet Ihr den Fall eines Ecksteins aus dem Grund des Gebäudes der Gelehrsamkeit als eine gleichgültige Sache für Mit- und Nachwelt ansehen?« fiel schnell der beleidigte Obed ein. »Außerdem, mein alter Gefährte,« fügte er mit einem Vorwurf hinzu, »die Theilnahme, die Jemand an seinem eigenen Dasein hat, ist ganz und gar nichts Geringes, mag sie auch noch so sehr durch seine allgemeineren und menschenfreundlichen Gefühle in Schatten gestellt werden.«

»Was, ich sagen wollte ist folgendes,« begann der Streifschütz wieder, der weit entfernt war, all‘ die spitzfindigen Unterscheidungen zu verstehen, womit sein gelehrterer Gefährte so oft seine Rede schmücken wollte; »es gibt nur eine Geburt und nur einen Tod für alle Dinge, mag es Hund sein oder Reh, roth oder weiß. Beide sind in der Hand des Herrn, und es ist eben so gottlos, die eine beschleunigen zu wollen, als unmöglich, dem andern zu entgehen. Aber ich will damit nicht sagen, daß nicht Etwas geschehen könne, um den letzten Augenblick für eine Weile zum wenigsten aufzuschieben, und deßwegen ist es eine Frage, die jeder seiner eigenen Weisheit vorzulegen ein Recht hat, wie weit er gehen will, wie viel Mühen er ertragen will, um eine Zeit zu verlängern, die schon zu lange gewesen sein könnte. Mancher traurige Winter und sengende Sommer ist vorübergegangen, seit ich mich zur Rechten und Linken gewandt, um eine Stunde einem Leben hinzuzufügen, das sich schon über achtzig Jahr hinausgestreckt. Ich halt‘ mich so bereit, auf meinen Namen zu antworten, wie ein Soldat bei der Abendappell. Nach meiner Meinung, wenn Euer Geschick dem Willen der Indianer überlassen bleibt, wird die Klugheit des großen Sioux sein Volk antreiben, Euch Alle zu opfern, auch verlaß ich mich nicht sehr auf seine anscheinende Liebe zu mir; daher entsteht jetzt die Frage, ob Ihr zur Reise fertig seid, und seid Ihr’s, ob dies nicht eine eben so gute Zeit zum Aufbrechen sei, als eine andere. Sollte meine Meinung befragt werden, will ich in so weit sie zu Euren Gunsten geben, daß nach meiner Meinung Euer Leben unschuldig genug gewesen, das heißt, was große Vergehungen betrifft, deren Ihr Euch schuldig gemacht haben könntet; obwohl die Aufrichtigkeit mich hinzuzufügen nöthigt, daß ich glaube, Alles, was Ihr ansprechen könnt, in Hinsicht von Thaten, nicht hoch genug steigen möchte, um bei der großen Rechnung in Anschlag zu kommen.«

Obed warf ein ängstliches Auge auf das ruhige, philosophische Gesicht des Andern, als er eine so entmuthigende Darstellung seines Zustandes ihm machte. Er räusperte sich, um die verzweifelnde Betrübniß zu verbergen, die seinen Geist überfiel, zugleich aber auch aus einem Ueberbleibsel von jenem Stolz, welcher die arme, menschliche Natur selbst in den feierlichsten Augenblicken nicht verläßt.

»Ich glaube, ehrwürdiger Jäger,« erwiederte er, »wenn ich die Frage nach all ihren verschiedenen Seiten betrachte, und annehme, daß Eure Theorie die rechte ist, es das Sicherste sein würde, zu schließen, ich sei nicht vorbereitet zu so hastiger Abreise, und Vorsichtsmaßregeln sollten alsbald ergriffen werden.«

»Wenn das Eure Meinung ist,« entgegnete der bedächtige Streifschütz, »will ich für Euch handeln, wie ich für mich handeln würde; obwohl, da die Zeit mit Euch bergabwärts geht, ich Euch nur rathen will, daß Ihr Euern Fall schnell überlegt, denn es möchte geschehen, daß Euer Name gerufen würde, wenn Ihr eben so wenig zu antworten bereit seid, als jetzt.«

Mit dieser freundschaftlichen Ermahnung wandte der Alte sich wieder in den Kreis, wo er über die Mittel, die er jetzt gebrauchen sollte, mit der eigenen Mischung von Entschlossenheit und Entsagung nachdachte, die aus seinen Gewohnheiten und seiner Demuth hervorgingen, und welche sich zu dem Charakter vereinten, in welchem außerordentliche Kraft mit der sanftesten Unterwürfigkeit gegen die Vorsehung sonderbar genug verknüpft war.

Achtundzwanzigstes Kapitel.

Achtundzwanzigstes Kapitel.

Die Hex‘ in Smithfield soll zu Asche brennen,
Und ihr drei andre sollt am Galgen sterben.

Shakespeare.

 

Die Sioux hatten den Ausgang der vorigen Unterredung mit löblicher Geduld abgewartet. Die meisten aus der Bande wurden durch die geheime Ehrfurcht, mit der sie den mysteriösen Charakter Obed’s betrachteten, zurückgehalten, während einige der verständigeren Häupter gerne die Gelegenheit benutzten, um ihre Gedanken zu dem Kampf, der jetzt deutlich vorausgesehen ward, zu ordnen. Mahtoree, der durch Nichts von diesem bestimmt wurde, wollte dem Streifschützen zeigen, wie sehr er ihm nachgäbe, und als der Alte endlich geschlossen, empfing er von dem Häuptling einen Blick, der ihn an die Geduld erinnern sollte, womit er ihn hatte reden lassen.

Eine tiefe regungslose Stille folgte auf die kurze Unterbrechung. Dann erhob sich Mahtoree offenbar um zu sprechen. Er setzte sich erst in eine würdevolle Stellung und warf einen festen, strengen Blick auf die ganze Versammlung. Doch änderte sich der Ausdruck seines Auges, als es über die verschiedenen Mienen seiner Anhänger und Gegner hinging. Auf die ersteren fiel sein Blick, obwohl ernst, doch nicht drohend, während er den letztern alle Gefahren anzudeuten schien, denen sie sich aussetzten, wenn sie der Rache eines so Mächtigen zu trotzen wagten.

Noch mitten unter so viel Stolz und Vertrauen verließ der Scharfsinn und die List eines Tetons ihn nicht. Als er so gleichsam den Handschuh dem ganzen Stamm hingeworfen und seinen Anspruch auf Oberherrschaft hinlänglich gesichert hatte, ward seine Miene leutseliger, sein Auge weniger zornig. Da war es, wo er seine Stimme mitten in einem todtengleichen Schweigen erhob, und die Töne nach dem veränderten Charakter seiner Bilder und seiner Beredsamkeit abwechseln ließ.

»Was ist ein Sioux?« begann der Häuptling listig, »er ist Beherrscher der Steppen und Herr ihres Wildes. Die Fische in dem Strom der trüben Wasser kennen ihn und kommen auf seinen Ruf. Er ist ein Fuchs an Rath, ein Adler an Gesicht, ein gräulicher Bär in der Schlacht. Ein Dahcotah ist ein Mann!« Nachdem er das dumpfe Beifallsmurmeln, das auf diese schmeichelhafte Schilderung seines Volks gefolgt war, sich hatte setzen lassen, fuhr der Teton fort! »Was ist ein Pawnee? Ein Dieb, der nur Weiber bestiehlt, eine Rothhaut ohne Tapferkeit, ein Jäger, der Wildpret erbettelt. Im Rath ist er ein Eichhörnchen, das von Stelle zu Stelle hüpft; er ist eine Eule, die zur Nachtzeit auf die Steppen geht; im Kampf ist er ein Elenn, dessen Beine lang sind. Ein Pawnee ist ein Weib!« Eine zweite Pause folgte, während welcher ein Freudengeschrei aus mehrerer Mund brach, und der Antrag geschah, diese niederschlagenden Worte sollten dem von nichts wissenden Gegenstand ihrer beißenden Verachtung übersetzt werden. Der Alte nahm den Befehl aus Mahtoree’s Augen ab und gehorchte. Hartherz hörte ihn ernst an, und dann, als bemerke er, seine Zeit zu sprechen sei noch nicht gekommen, richtete er wieder seinen Blick in die leere Luft. Der Redner bewachte sein Antlitz mit einem Ausdruck, welcher zeigte, wie unauslöschlich der Haß sei, den er gegen den einzigen Häuptling nah‘ und fern fühlte, dessen Ruf mit einigem Vortheil mit seinem verglichen werden konnte. Obgleich befremdet, daß er den Stolz eines Nebenbuhlers nicht hatte rühren können, den er wie einen Knaben betrachtete, fuhr er, was er für weit wichtiger hielt, fort, die Gemüther seiner Stammverwandten zu reizen, um sie zur Ausführung seiner wilden Pläne vorzubereiten.

»Wäre die Erde mit Ratten bedeckt, die zu nichts nütz sind,« sagte er, »so wäre kein Raum für Büffel mehr, die dem Indianer Nahrung gäben und Kleidung. Wären die Steppen mit Pawnee bedeckt, würde kein Raum mehr sein für den Fuß eines Dahcotah’s. Ein Wolf-Indianer ist eine Ratte, ein Sioux ein schwerer Büffel; laßt die Büffel auf die Ratten treten, und sich Raum machen.«

»Meine Brüder, ein klein Kind hat zu euch gesprochen. Es sagt euch, sein Haar sei nicht grau aber gefroren, – das Gras werde nicht wachsen, wo ein Blaßgesicht gestorben ist! Kennt er die Farbe des Bluts von einem Großmesser? Nein; ich weiß, er kennt sie nicht, er hat es nie gesehen. Welcher Dahcotah, außer Mahtoree, hat je ein Blaßgesicht erschlagen? Nicht einer. Aber Mahtoree muß schweigen. Jeder Teton wird sein Ohr schließen, wenn er spricht. Die Häupter über seiner Wohnung wurden von Weibern genommen. Sie wurden von Mahtoree genommen und er ist ein Weib. Sein Mund ist geschlossen; er wartet auf das Fest, um mit den Mädchen zu singen.«

Trotz der Ausrufungen des Bedauerns und der Rache, die auf eine so beschämende Erklärung folgten, nahm der Häuptling seinen Sitz ein, als sei er entschlossen, nicht mehr zu sprechen. Aber als das Murren lauter und allgemeiner ward, und sich drohende Anzeichen zeigten, die Rathsversammlung werde sich in Verwirrung auflösen, erhob er sich, und nahm seine Rede wieder auf, indem er seine Manier in den stolzen, schnellen Vortrag eines auf Rache sinnenden Kriegers umänderte.

»Mögen meine jungen Leute nach Tetao sehen!« schrie er, »sie werden sein Haupt in Pawnee-Rauch trocknen finden! Wo ist der Sohn von Bohrecheena? Seine Gebeine sind weißer als die Gesichter seiner Mörder! Schläft Mahah in seinem Zelt? Ihr wißt, es sind viele Monden, seit er sich aufmachte nach den gesegneten Gefilden; ich wollte, er wäre hier, daß er sagen könnte, von welcher Farbe die Hand war, die seinen Schädel nahm!«

Auf diese Weise fuhr der listige Häuptling mehrere Minuten fort, und nannte die Krieger bei Namen, von denen bekannt war, daß sie ihren Tod im Kampf mit den Pawnee oder sonst in einer jener gesetzlosen Streitigkeiten gefunden, welche so oft zwischen den Sioux-Banden und einer Classe weißer Leute vorfielen, die nur wenig von ihnen in der Cultur verschieden waren. Er ließ ihnen nicht Zeit, über die Verdienste oder vielmehr Verdienstlosigkeit der meisten von den Individuen nachzudenken, auf die er anspielte, mit so großer Schnelle ging er über ihre Namen hin, aber so klug berechnete er die Vorfälle, so ergreifend machte er seine Anreden, die noch dazu von seiner tiefen, aufregenden Stimme erhöht wurden, daß jede von ihnen eine entsprechende Saite in der Brust eines seiner Zuhörer berührte.

Mitten in einem seiner höchsten Redeflüge trat ein Mann, so bejahrt, daß er nur mit der größten Beschwerde gehen konnte, gerade in den Mittelpunkt des Kreises, und nahm seine Stellung gerade vor dem Sprecher. Ein scharfes Ohr hätte vielleicht entdecken können, daß der Ton des Redners ein wenig wankte, als sein flammender Blick zuerst auf diesen unerwarteten Gegenstand fiel, obgleich die unerwartete Veränderung so gering war, daß Niemand, als wer beide Theile genau kannte, es geargwöhnt haben würde. Der Unbekannte war einst eben so ausgezeichnet durch seine Schönheit und seine Körperverhältnisse gewesen, als es sein Adlerauge durch seinen unwiderstehlichen, furchtbaren Glanz gewesen war. Aber seine Haut war jetzt runzlig, und seine Züge von so vielen Narben durchfurcht, daß ein halbes Jahrhundert früher er von den Franzosen der Canada einen Beinamen erhalten haben würde, wie ihn viele der Helden Frankreichs trugen, und welcher jetzt in die Sprache der wilden Horde, von der wir schreiben, als der ausdrucksvollste für die Thaten ihrer eigenen Helden aufgenommen worden ist. Das Murmeln »Le Balafré«, das durch die Versammlung rann, als er erschien, bezeichnete nicht nur seinen Namen und die hohe Würdigung seines Charakters, sondern auch, für wie außerordentlich sein Besuch angesehen ward. Da er jedoch weder sprach noch sich bewegte, legte sich bald die Aufmerksamkeit, die durch sein Erscheinen erregt worden, und dann war jedes Auge wieder auf den Sprecher gewendet, und jedes Ohr trank wieder den Zauber seiner bethörenden Anreden.

Man hätte leicht Mahtoree’s Triumph in den abspiegelnden Mienen seiner Zuhörer nachweisen können. Es dauerte nicht lange, und ein Blick voll Wildheit und Rache lag auf den grimmigen Gesichtern der meisten Krieger, und jede neue, listige Anspielung auf die Klugheit, die Feinde zu vernichten, ward mit frischen und weniger zurückgehaltenen Ausbrüchen der Billigung begleitet. In der Höhe dieses Erfolgs schloß der Teton mit einer plötzlichen Anrede an den Stolz und die Härte seiner Bande seine Rede und setzte sich nieder.

Mitten unter dem Beifallsmurmeln, das auf ein so merkwürdiges Stück von Beredsamkeit folgte, hörte man eine tiefe, schwache, hohle Stimme sich erheben, als käme sie aus den innersten Höhlen der menschlichen Brust, und erlangte Kraft und Stärke, wie sie in die Luft hinaus kam. Eine feierliche Stille folgte auf die Töne, und dann sah man erst die Lippen des Greises sich bewegen.

»Der Tag Le Balafré’s ist seinem Ende nahe,« waren die ersten Worte, die deutlich gehört wurden. »Er ist gleich dem Büffel, dessen Haar nicht länger wachsen will. Er wird bald bereit sein, seine Wohnung zu verlassen, um eine andere aufzusuchen, die weit ist von den Dörfern der Sioux; deßwegen betrifft nicht ihn, was er zu sagen hat, sondern die, welche er zurück läßt. Seine Worte sind gleich der Frucht am Baum, reif und zeitig, den Häuptlingen gegeben zu werden.«

»Viel Schnee ist gefallen, seit Le Balafré auf dem Kriegspfad gefunden ward; sein Blut ist sehr heiß gewesen, aber es hat Zeit gehabt, kalt zu werden. Wahcondah gibt ihm Träume des Kriegs nicht mehr, er sieht, daß es besser ist, im Frieden zu leben.«

»Meine Brüder, Ein Fuß ist dem glücklichen Jagdgrund zugewendet, der andere wird bald folgen, und dann wird man einen alten Häuptling nach den Tapfen seines Vaters Moccasins spähen sehen, aus daß er sich nicht irre, sondern sicher sei, vor den Herrn des Lebens auf demselben Pfad zu kommen, den schon so viele gute Indianer eingeschlagen haben. Aber wer wird folgen? Le Balafré hat keinen Sohn; sein ältester hat zu viele Pawnee-Pferde geritten; die Gebeine des jüngsten sind von Konza-Hunden benagt worden. Le Balafré ist gekommen, nach einem jungen Arm sich umzusehen, auf den er sich lehnen könnte, und einen Sohn zu suchen, daß, wenn er heimgegangen ist, sein Zelt nicht leer sei. Tachechana, das flüchtige Reh der Teton, ist zu zart, einen Krieger zu ertragen, der alt ist. Sie sieht vor sich und nicht hinter sich. Ihr Gemüth ist in der Wohnung ihres Gemahls.«

Die Rede des alten Kriegers war ruhig, aber bestimmt und entschlossen gewesen. Seine Erklärung ward mit Schweigen empfangen, und obwohl mehrere der Häuptlinge, die mit Mahtoree einverstanden waren, ihre Augen auf ihren Führer richteten, nahm sich doch keiner heraus, einem so alten und verehrten Tapfern in einem Entschluß sich zu widersetzen, der ganz mit den Gewohnheiten der Nation im Einklang stand. Der Teton selbst begnügte sich, den Erfolg mit scheinbarer Fassung abzuwarten, obwohl wilde Blicke, die um sein Auge spielten, zu Zeiten die Natur der Blicke verriethen, womit er einen Auftritt mit ansah, der ihm wahrscheinlich gerade das von allen seinen ausersehenen Opfern rauben würde, das er am meisten haßte.

Indeß ging Le Balafré langsamen, mühseligen Schritts auf die Gefangenen zu. Er blieb vor Hartherz stehen, dessen untadelige Gestalt, dessen unverändertes Auge und hohe Miene er lange mit großer, augenscheinlicher Zufriedenheit betrachtete. Dann gab er einen gebieterischen Wink und wartete, bis sein Befehl vollzogen, und der Jüngling mit demselben Messerschnitt vom Pfahl und zugleich auch von seinen Fesseln befreit worden war. Als der junge Krieger seinem dunkeln, schwachen Blick näher gebracht worden, wurde die Untersuchung mit aller Genauigkeit und der Bewunderung wiederholt, die physische Vorzüge so leicht in der Brust eines Wilden erregen.

»Gut,« murmelte endlich der vorsichtige alte Krieger, als er entdeckte, daß all seine Erfahrung in den Erfordernissen zu einem Tapfern nichts zu tadeln finden könne, »das ist ein springender Panther! Spricht mein Sohn mit der Zunge eines Tetons?«

Das Verständniß, das aus den Augen des Gefangenen leuchtete, verrieth, wie gut er die Frage verstand; aber noch war er viel zu stolz, seine Gedanken in einer Sprache mitzutheilen, die einem feindlichen Volke angehörte. Einige der umstehenden Krieger erklärten dem alten Häuptling, der Gefangene sei ein Wolf-Pawnee.

»Mein Sohn öffnete die Augen an den Wassern der Wölfe,« sagte Le Balafré in der Sprache dieser Nation; »aber er wird sie schließen in der Krümmung des Stroms der trüben Wasser. Er ward ein Pawnee geboren, aber wird sterben ein Dahcotah. Sieh‘ mich an. Ich bin ein Feigenbaum, der einst viele mit seinem Schatten deckte. Die Blätter sind gefallen und die Zweige beginnen sich zu neigen. Aber eine einzige Stütze sprießt aus meinen Wurzeln hervor, es ist eine kleine Rebe und sie windet sich um einen Baum, der grün ist. Ich habe lange mich umgesehen, wo eine würdige wäre, an meiner Seite zu wachsen. Nun hab‘ ich sie gefunden. Le Balafré ist nicht länger ohne einen Sohn; sein Name wird nicht vergessen werden, wenn er fort ist, Männer der Teton, ich nehm diesen in mein Zelt!«

Keiner war kühn genug, ein Recht zu bestreiten, das oft von weit geringeren Häuptern als der jetzige Redner geübt worden, und die Ankindung war mit ernstem, ehrerbietigen Schweigen angehört. Le Balafré nahm seinen zukünftigen Sohn bei’m Arm, führte ihn gerade in den Mittelpunkt des Kreises, und stand neben ihm mit einem triumphirenden Blick, um von den Anwesenden seine Wahl billigen zu lassen. Mahtoree verrieth durch nichts seine Gesinnung, sondern schien vielmehr einen für die listige Klugheit seines Charakters passenderen Augenblicken abzuwarten. Die erfahreneren und scharfsichtigeren Häuptlinge sahen deutlich die gänzliche Unmöglichkeit ein, daß zwei so berühmte, so feindlichen Parteihäupter, die so lange Nebenbuhler im Ruhm gewesen, wie ihr Gefangener und ihr Anführer als Freunde in demselben Stamme bestehen könnten. Doch war der Charakter Le Balafré’s so imponirend, und die Sitte, die er in Anspruch genommen, so geheiligt, daß keiner seine Stimme gegen die Maßregel zu erheben wagte. Sie beobachteten den Erfolg mit wachsender Theilnahme, aber mit einer Kälte in ihrem Benehmen, die die Art ihrer Unruhe verbarg. Aus diesem Zustand der Verlegenheit, und wie es leicht hätte ausfallen können, der Verwirrung, wurde der Stamm unerwartet durch den Entschluß dessen errettet, der bei dem Erfolg von des alten Häuptlings Plänen am meisten betheiligt war.

Während des ganzen vorigen Auftritts würde es schwer gewesen sein, ein einziges bestimmtes Gefühl in den Zügen des Gefangenen aufzufinden. Er hatte seine Befreiung mit derselben Gleichgültigkeit als den Befehl, ihn an den Pfahl zu binden angehört, aber jetzt, da der Augenblick gekommen, wo er wählen sollte, sprach er auf eine Weise, welche zeigte, daß die Standhaftigkeit, die ihm einen so ausgezeichneten Namen verschafft hatte, ihn noch gar nicht verlassen hatte.»

»Mein Vater ist sehr alt, aber noch hat er nicht auf Alles gesehen,« sagte Hartherz mit so lauter Stimme, daß sie von allen Gegenwärtigen gehört wurde. »Er hat nie einen Büffel zur Fledermaus werden sehen. Er wird nie einen Pawnee einen Sioux werden sehen!«

Es lag etwas so Plötzliches und doch Ruhiges in der Art, wie er diese Entscheidung aussprach, daß die meisten der Zuhörer von der Unabänderlichkeit derselben überzeugt wurden. Aber Balafré’s Herz verlangte nach dem Jüngling, und die Liebe des Greisenalters ward nicht so leicht unterdrückt. Mißbilligend den Ausbruch der Bewunderung und des Triumphs, den die Kühnheit der Erklärung und die neue Hoffnung auf Rache erregt hatte, warf er sein glimmendes Auge auf die Bande und nochmals redete der Bejahrte zu seinem Adoptivkind, als wenn sein Plan nicht verweigert werden könne.

»Es ist Recht,« sagte er, »so muß der Tapfere sprechen, daß die Krieger seinen Muth sehen. Es gab eine Zeit, wo Balafré’s Stimme die lauteste in den Zelten der Konza war. Aber die Wurzel eines weißen Haars ist Weisheit. Mein Kind wird den Teton zeigen, daß er brav ist, indem er ihre Feinde schlägt. Männer der Dahcotah dies ist mein Sohn!«

Der Pawnee zögerte einen Augenblick, trat dann vor den Häuptling, nahm seine harte, schwielige Hand, und legte sie mit Ehrfurcht auf sein Haupt, gleichsam um die Größe seines Danks anzuerkennen. Dann that er einen Schritt zurück, erhob sich zu seiner größten Höhe und sah auf die feindliche Bande, von der er umgeben war, mit einem Blick voll Uebermuth und Verachtung, während er laut in der Sioux-Sprache sagte:

»Hartherz hat sich von außen und innen betrachtet. Er hat überdacht alles, was er gethan auf der Jagd und im Krieg. Ueberall ist er derselbe. Nirgends Veränderung. Er ist in allem ein Pawnee. Er hat so viele Teton erschlagen, daß er nie in ihren Zelten essen könnte. Seine Pfeile würden zurückfliegen; die Spitze seiner Lanze würde am unrechten Ende sein; ihre Freunde würden weinen bei jedem Kriegsgeschrei, das er erhübe; ihre Feinde würden lachen. Kennen die Teton einen Wolf? Mögen sie ihn nochmals ansehn. Sein Haupt ist bemalt, sein Arm ist Fleisch, aber sein Herz ist Fels. Wenn die Teton die Sonne von den Felsgebirgen kommen, und nach dem Land der Blaßgesichter gehen sehen, dann wird Hartherzens Gemüth sanft und sein Geist Sioux werden. Bis dahin wird er leben und sterben, ein Pawnee.«

Ein Freudengeschrei, worin Bewunderung und Wildheit furchtbar sich mischten, unterbrach den Sprecher und verkündete nur zu deutlich, von welcher Art sein Schicksal sein werde. Der Gefangene wartete einen Augenblick, daß die Bewegung sich legte, wandte sich dann wieder zu Le Balafré, und fuhr in weit verbindlicherem und sanfterem Ton fort, als fühlte er die Nothwendigkeit, seine abschlägige Antwort auf eine Art zu mäßigen, daß sie den Stolz eines Mannes nicht verletze, der so gern sein Wohlthäter sein wollte.

»Möge mein Vater schwerer auf das Reh der Dahcotah sich lehnen,« sagte er. »Sie ist schwach jetzt, aber wenn ihr Zelt mit Kindern sich füllt, wird sie stärker werden. Seht,« fuhr er fort, und lenkte die Augen des Andern auf das ernste Antlitz des aufmerksamen Streifschützen; »Hartherz ist nicht ohne ein Grauhaupt, ihm den Weg zu zeigen zu den gesegneten Gefilden. Wenn er je einen andern Vater hat, soll es gerade dieser Krieger sein.«

Le Balafré wandte sich in seiner Hoffnung getäuscht, von dem Jüngling weg und näherte sich dem Fremden, der ihm so in seinem Plan zuvorgekommen. Die gegenseitige Untersuchung dieser beiden Bejahrten war lang und eigen. Es war nicht leicht den eigentlichen Charakter des Streifschützen durch die Maske zu entdecken, die Mühseligkeiten von so vielen Jahren auf seine Züge gelegt hatte, besonders da sie durch seinen wilden, sonderbaren Anzug unterstützt wurde. Mehrere Augenblicke vergingen, ehe der Teton sprach, und dann geschah es voll Zweifel, ob er einen gleich ihm anrede, oder einen Wanderer von der Race, die, wie er gehört, sich wie hungrige Heuschrecken über das ganze Land verbreitete.

»Das Haupt meines Bruders ist sehr weiß,« sagte er, »aber Balafré’s Auge gleicht nicht mehr dem des Adlers. Von welcher Farbe ist seine Haut?«

»Wahcondah machte mich wie die, die ihr hier auf ein Dahcotah-Urtheil warten seht; aber Gutes und Schlimmes hat mich dunkler gefärbt, als die Haut eines Fuchses ist. Was macht das! Obwohl die Rinde rauh und geborsten ist, das Herz des Baumes ist gesund.«

»Mein Bruder ist ein Großmesser! Laßt ihn nach Sonnenuntergang sehen und seine Augen öffnen, Sicht er den Salzsee jenseits der Berge?«

»Die Zeit ist gewesen, Teton, wo wenige das Weiße auf des Adlers Haupt weiter sehen konnten als ich; aber der Glanz von siebenundachtzig Wintern hat meine Augen verdunkelt, und nur wenig noch kann ich mich in meinen letzten Tagen des Gesichts rühmen. Meint der Sioux, ein Blaßgesicht sei ein Gott, daß er durch Hügel sehen kann?«

»So möge mein Bruder auf mich sehen. Ich bin ihm nahe und er kann sehen, daß ich nur eine thörichte Rothhaut bin. Warum kann sein Volk nicht Alles sehen, da es nach Allem verlangt?«

»Ich verstehe Euch, Häuptling, auch will ich nicht die Wahrheit Eurer Worte bestreiten, da ich sehe, daß sie nur zu gegründet sind. Aber obgleich von der Race geboren, die Ihr so wenig liebt, würde mein schlimmster Feind, selbst nicht ein lügender Mingo, nicht zu sagen wagen, daß ich je die Güter eines Andern angetastet, die ausgenommen, welche in männlichem Krieg erobert wurden, oder daß ich mehr Land begehrt, als der Herr wollte, daß jeder füllen sollte.«

»Und doch ist mein Bruder unter die Rothhäute gekommen, einen Sohn aufzusuchen?«

Der Streifschütz legte einen Finger auf Le Balafré’s nackte Schulter, sah in sein benarbtes Gesicht mit einem stillen, vertrauenden Blick und antwortete:

»Ei, es geschah nur dem Jungen zum Besten. Wenn Ihr denkt, Dahcotah, daß ich den Jüngling annahm, um mein Alter zu stützen, thut Ihr eben so großes Unrecht meinem guten Willen, als Ihr wenig die unbarmherzigen Neigungen Eures eigenen Volks zu kennen scheint. Ich habe ihn zu meinem Sohn gemacht, damit er wisse, Jemanden lasse er zurück. – Ruhe, Hektor, Ruhe ist das schicklich, Kleiner, wenn Grauhäupter berathen, ihre Rede durch ein Hundewinseln zu unterbrechen? Der Hund ist alt, Teton, und obwohl gut erzogen, vergißt er doch, wie wir, denk‘ ich, manchmal die Lehren seiner Jugend.«

Weitere Unterredung zwischen diesen beiden Alten ward durch ein wirres Geschrei verhindert, das in diesem Augenblick von den Lippen einer Menge welker Megären durchbrach, die, wie wir schon erinnert, sich an einen hohen Punct im Kreise durchgedrängt hatten. Das Geschrei ward durch eine plötzliche Veränderung in Hartherzens Benehmen veranlaßt.

Als die Alten sich zu dem Jüngling wendeten, sahen sie ihn in dem Mittelpunkt des Kreises stehen, das Haupt erhoben, das Aug‘ ins Leere gerichtet, ein Bein vorgeschritten, und den einen Arm etwas in der Höhe, als wenn alle Verstandeskräfte im Zuhören versunken wären.

Ein Lächeln erhellte für einen einzigen Augenblick sein Antlitz, und dann sank der ganze Mann wieder in seinen früheren Blick von Würde und Kälte, als sei er plötzlich wieder seiner selbst sich bewußt worden. Diese Bewegung hatte man für Verachtung ausgelegt, und selbst die Gemüther der Häuptlinge begannen sich zu erhitzen. Unfähig, ihre Wuth zu zähmen, brachen die Weiber zusammen in den Kreis, und fingen ihren Angriff damit an, daß sie den Gefangenen mit den bittersten Schimpfwörtern belegten. Sie rühmten sich der verschiedenen Thaten, welche ihre Söhne auf Unkosten, der Pawnee-Stamme ausgeführt hatten. Sie würdigten seinen eigenen Ruf herab und sagten ihm, er solle auf Mahtoree sehen, wenn er noch nie einen Krieger erschaut. Sie beschuldigten ihn, von einem Reh aufgesäugt worden zu sein und Feigheit mit der Muttermilch eingesogen zu haben. Kurz, sie verschwendeten auf ihren unbewegten Gefangenen einen Strom jener rachsüchtigen Beleidigungen, worin die Weiber der Wilden so sehr ausgezeichnet bekannt sind, die aber zu oft beschrieben worden sind, um hier einer Wiederholung zu bedürfen.

Die Folgen dieses Ausbruchs waren unvermeidlich. Le Balafré wandte sich getäuscht weg und verbarg sich unter dem Haufen, während der Streifschütz, dessen edle Züge mit seinen inneren Erregungen kämpften, sich näher an seinen jungen Freund drängte, als die, welche mit dem Verbrecher durch so feste Bande verbunden sind, daß sie selbst Menschenmeinungen trotzen, oft zu thun pflegen, wenn auf der Stelle der Hinrichtung sie seine sterbenden Augenblicke trösten sollen. Die Erregung verbreitete sich bald unter die jüngeren Krieger, obgleich die Häuptlinge noch zögerten, das Zeichen zu geben, welches das Opfer ihrer Gnade überließ. Mahtoree, der solch eine Erregung unter seinen Genossen aus der listigen Absicht abgewartet hatte, seinen eigenen eifersüchtigen Haß zu verbergen, ward bald des Aufschubs müde, und ermuthigte mit einem Wink seines Auges die Peiniger, anzufangen.

Weucha, der, auf diese Bevollmächtigung begierig, lange dagestanden, und das Antlitz des Häuptlings bewacht hatte, sprang auf dies Zeichen vor, wie ein Jagdhund, der von der Leine losgemacht wird. Sich mitten unter die Weiber drängend, die schon von Beleidigung zur Gewaltthätigkeit vorgeschritten waren, schalt er ihre Ungeduld und hieß sie warten, bis ein Krieger mit dem Peinigen angefangen, und dann sollten sie ihr Opfer Thränen vergießen sehn wie ein Weib.

Der unbarmherzige Wilde fing seine Bemühungen damit an, daß er sein Tomahawk über das Haupt des Gefangenen auf eine Art schwang, daß man hätte glauben sollen, jeder Zug müßte die Waffe tief in das Fleisch treiben, während sie so gelenkt ward, daß sie die Haut nicht berührte. Gegen dies gewöhnliche Mittel war Hartherz ganz unempfindlich. Sein Auge gewährte denselben festen, stetigen Blick in die leere Luft, obgleich die glitzernde Art in ihren Schwingungen einen glänzenden Lichtzirkel vor sein Auge zog. In diesem Versuch getäuscht, legte der listige Sioux die kalte Schneide auf das nackte Haupt seines Opfers und fing an, die Arten zu beschreiben, wie man einen Gefangenen scalpiren könne. Die Weiber hielten zu diesen Grausamkeiten mit ihrem Geschrei den Tact, und versuchten eine Spur von den Gefühlen der Natur aus den unempfindlichen Zügen des Pawnee’s hervorzulocken. Aber er bewahrte sich offenbar für die Häuptlinge auf, und für jene Augenblicke der höchsten Todesangst, wo die Größe seines Geistes sich auf eine seinem hohen und unbefleckten Ruf weit geziemendere Weise darlegen könnte.

Die Augen des Streifschützen folgten jeder Bewegung des Tomahawks mit der Theilnahme eines wirklichen Vaters, bis endlich, unfähig seinem Unwillen zu gebieten, er ausrieft »Mein Sohn hat seine List vergessen. Das ist ein niederträchtiger Indianer, den man leicht zur Thorheit hinreißen kann. Ich mag es nicht selbst thun, denn meine Lehre verbietet einem sterbenden Mann, seine Verfolger zu beschimpfen, aber die Gaben einer Rothhaut sind verschieden. Möge der Pawnee die bittern Worte sagen und dadurch sich leichten Tod kaufen. Ich will für den Erfolg verantwortlich sein, vorausgesetzt, daß er spricht, ehe die Weisen die Thorheit dieses Narren ablösen.«

Der wilde Sioux, der seine Worte hörte, ohne ihren Sinn zu verstehen, wandte sich zu dem Sprechenden und drohte ihm für seine Kühnheit mit augenblicklichem Tod.

»Ei thut nach Gefallen,« sagte der ungebeugte Alte; »ich bin jetzt eben so bereit, wie morgen, obwohl es ein Tod wäre, den ein ehrlicher Mann sich nicht wünschen würde. Sieh auf den edlen Pawnee, Teton, und merke, was eine Rothhaut werden kann, die den Herrn des Lebens fürchtet und seinen Gesetzen folgt. Wie viele Eures Volks hat er in die fernen Gefilde geschickt,« fuhr er mit einer Art frommen Betrugs fort, indem er meinte, so lange die Gefahr ihn selbst bedrohe, könne sicherlich keine Sünde dabei sein, wenn er die Verdienste eines Andern erhübe; »wie viele heulende Sioux hat er geschlagen wie ein Krieger, in offener Schlacht, während Pfeile in der Luft segelten, reichlicher als Flocken fallenden Schnee’s. Geht, wird Weucha je den Namen eines Kriegers sagen, den er erschlug?«

»Hartherz!« rief der Sioux, wandte sich in seiner Wuth um, und richtete einen tödtlichen Schlag auf das Haupt seines Opfers. Sein Arm fiel in des Gefangenen hohle Hand. Für einen Augenblick standen die beiden wie gebannt in dieser Stellung. Der Eine wie leblos durch einen so unerwarteten Widerstand, der Andere sein Haupt neigend, um den Tod nur mit der innigsten Ergebung zu empfangen. Die Weiber erhoben ein Triumphgeschrei, denn sie meinten, die Nerven des Gefangenen wären endlich gewichen. Der Streifschütz zitterte für die Ehre seines Freundes, und Hektor, gleichsam mit den Vorgängen bekannt, erhob seine Nase in die Luft, und brach in ein erbärmliches Geheul aus.

Aber der Pawnee schwankte, nur für den Augenblick. Er erhob die andere Hand mit Blitzesschnelle, der Tomahawk funkelte in der Luft, und Weucha sank zu seinen Füßen, das Haupt gespalten bis zum Auge. Dann sich einen Weg bahnend mit der blutigen Waffe, schoß er durch die gemachte Oeffnung, ließ die erschreckten Weiber hinter sich und schien dem Abhang hinabzueilen mit einem einzigen Sprung.

Wäre ein Donnerstrahl vom Himmel mitten unter die Teton-Bande gefallen, er hätte nicht größere Bestürzung als dieser Act verzweifelter Kühnheit erregt. Ein schriller, klagender Schrei kam über die Lippen aller Weiber, und es gab einen Augenblick, wo selbst die ältesten Krieger ihre Besinnung verloren zu haben schienen. Dieser Zustand der Erstarrung dauerte nur einen Moment. Ihm folgte ein Rachegeschrei, das aus hundert Kehlen hervordrang, während eben so viele Krieger alsbald, auf die blutigste Vergeltung denkend, sich aufmachten. Aber ein gewaltiger, gebieterischer Ruf von Mahtoree fesselte jeden Fuß. Der Häuptling, in dessen Antlitz Befremden und Wuth mit angenommener Haltung kämpften, streckte seinen Arm nach dem Fluß aus, und das ganze Geheimniß war erklärt.

Hartherz hatte schon fast die Hälfte des Grundes, der zwischen der Anhöhe und dem Wasser lag, zurückgelegt. Gerade in diesem Augenblick kam eine Bande bewaffneter und berittener Pawnee einer Anhöhe herauf und galoppirte an den Rand des Flusses, in, welchem der Sprung des Flüchtlings jetzt deutlich gehört ward. Einige Augenblicke reichten für seinen kräftigen Arm hin, den Durchgang zu gewinnen, und dann verkündete das Jauchzen vom andern Ufer den gedemüthigten Teton den ganzen Triumph ihrer Feinde.

Neunundzwanzigstes Kapitel.

Neunundzwanzigstes Kapitel.

»Wenn der Schäfer nicht handfest ist, so mag er
flieh’n; die Flüche, die er bekommen wird, die Martern,
die er dulden muß, werden den Rücken jedes Menschen,
das Herz eines Ungeheuers brechen.«

Shakespeare.

 

Man wird sich leicht denken, daß der eben erzählte Vorfall von einer außerordentlichen Erregung unter den Sioux begleitet war. Als er die Jäger seiner Bande zurück in das Lager führte, hatte der Häuptling keine von den gewöhnlichen Vorsichtsmaßregeln indianischer Klugheit verabsäumt, um seine Spur den Augen der Feinde zu verbergen. Es wollte jedoch scheinen, als wenn die Pawnee nicht nur die gefährliche Entdeckung gemacht, sondern es auch mit großer Kunst so eingerichtet hatten, daß sie sich dem Ort von der einzigen Seite näherten, wo man es für unnöthig gehalten, die Zugänge durch die gewöhnliche Posten-Linie zu bewachen. Diese Letzteren, die auf den verschiedenen kleinen Anhöhen zerstreut waren, welche hinter den Zelten lagen, waren unter den Letzten, die von der Gefahr in Kenntniß gesetzt wurden.

In einer solchen Crisis blieb wenig Zeit zur Berathung. Dadurch, daß er die Stärke seines Geistes bei Auftritten von ähnlicher Schwierigkeit gezeigt, hatte Mahtoree seine Herrschaft über sein Volk erhalten und befestigt; auch schien es nicht wahrscheinlich, daß er sie durch eine bei dieser Gelegenheit gezeigte Unentschlossenheit verlieren würde. Mitten unter dem Lärm der Jüngeren, dem Geschrei der Weiber und dem wilden Heulen der Matronen, was hinlänglich war, schon an und für sich eine Verwirrung in den Gedanken eines Mannes zu erregen, der weniger gewohnt gewesen, in bedrängten Zeiten zu handeln, behauptete, er fest sein Ansehen, und ließ seine Befehle mit der Kälte eines Veteranen ergehen.

Während die Krieger sich waffneten, wurden die Jungen auf den Grund nach den Pferden geschickt. Die Zelte wurden eiligst von den Weibern abgebrochen und auf solche Thiere gebracht, die nicht zuverlässig in dem Kampf schienen. Die Säuglinge kamen auf den Rücken ihrer Mütter, und die Kinder, die zum Gehen groß genug waren, wurden in die Nachhut gleich einer Heerde weniger vernünftiger Geschöpfe getrieben. Obgleich diese verschiedenen Vorkehrungen unter Geschrei vor sich gingen, und ein Lärm sich erhob, der die Stelle einem zweiten Babel ähnlich machte, wurden sie doch mit unglaublicher Schnelligkeit und großem Geschick ausgeführt.

Indeß versäumte Mahtoree keine Pflicht, die zu seinem verantwortlichen Stande gehörte. Von der Anhöhe, worauf er stand, konnte er vollkommen die Stärke und Schwenkungen des feindlichen Haufens übersehen. Ein grimmiges Lächeln erheiterte sein Antlitz, als er fand, daß an Zahl seine eigene Bande bei weitem überlegen war. Trotz dieses Vortheils jedoch gab es in anderer Hinsicht eine Ungleichheit, die wahrscheinlich seinen Erfolg in dem nahen Kampfe außerordentlich zweifelhaft machen mochte. Sein Volk bewohnte die mehr nördlicheren und weniger wirthlichen Gegenden, und war gar nicht reich an jener Art von Besitz, als: Pferde und Waffen, welche den am höchsten geschätzten Reichthum der westlicheren Indianer ausmacht. Die ansichtig gewordene Bande war ganz beritten, und da sie zur Befreiung oder zur Rachenahme für ihren großen Führer gekommen, hatte er keine Ursache zu zweifeln, sie werde gänzlich aus Tapferen bestehen. Dagegen waren viele aus seinem Gefolge weit besser zur Jagd als zum Kampf; geeignet zwar, die Aufmerksamkeit seiner Feinde zu theilen, aber von geringem Nutzen in verzweifelten Unternehmungen. Noch strahlte sein blitzendes Auge über den Kriegern, auf die er sich oft verlassen und die ihn nie getäuscht; dennoch fühlte er in der besonderen Lage, worin er sich befand, kein Verlangen, die Schlacht zu beschleunigen, welche er sicherlich nicht hätte vermeiden wollen, wenn die Gegenwart der Weiber und Kinder die Wahl der Stellung nicht gänzlich den Feinden überlassen hätte.

Auf der andern Seite zeigten die Pawnee, die so unerwartet glücklich in der Erreichung ihres ersten und größten Zwecks gewesen, kein Verlangen, die Sache zur Entscheidung zu treiben. Der Fluß war eine zu gefährliche Schranke, um sie im Angesicht eines entschlossenen Feindes zu überschreiten, und es würde jetzt mit ihrer ängstlichen Vorsicht in völligem Einklang gestanden haben, wenn sie sich für einige Zeit zurückgezogen, um ihren Anfall in den Stunden der Finsternis; und vermeintlichen Sicherheit zu versuchen. Aber es war für den Augenblick ein Geist in dem Häuptling, der ihn weit über die gewöhnlichen Hülfsmittel der Wilden im Krieg erhob. Seine Brust brannte vor Verlangen, die Schande auszumerzen, die ihm widerfahren, und es ist möglich, daß er glaubte, das fliehende Lager der Sioux enthalte einen Preis, der in seinen Augen einen Werth zu bekommen begann, der den weit übertraf, welchen fünfzig Tetonschädel sonst für ihn hatten. Doch dem sei, wie ihm wolle; Hartherz hatte nicht sobald die kurzen Glückwünsche seiner Bande empfangen und den Häuptlingen solche Mitteilungen gemacht, wie sie ihnen zu wissen wichtig waren, als er sich bereitete, einen Antheil an dem nahen Kampf zu nehmen, der zu gleicher Zeit seinen wohlerworbenen Ruf aufrecht erhalten und seine geheimen Wünsche erfüllen sollte. Ein Leitpferd, eins, das lange zur Jagd abgerichtet worden, brachte man herbei, seinen Herrn nochmals aufzunehmen, da man sich nicht leicht hätte einfallen lassen, daß es in diesem Leben je mehr werde gebraucht werden. Mit einer Zartheit und Bedächtigkeit, welche zeigte, wie sehr die edeln Eigenschaften des Jünglings die Gefühle seines Volks gerührt hatten, war Bogen, Lanze und Köcher über das Thier gehängt, das man zum Opfer auf dem Grab des jungen Tapferen bestimmt; eine Sorgfalt, die die fromme Pflicht überflüssig gemacht hatte, die der Streifschütz übernommen.

Obgleich Hartherz gegen die Güte seiner Krieger nicht unempfindlich war, und in dem Glauben stand, ein Krieger mit solchen Zierden ausgerüstet, könne mit Ehre nach den fernen Jagdgründen des Herrn des Lebens abgehen, schien er doch eben so zu glauben geneigt, seine Vorzüge könnten nicht weniger nützlich in dem Zustand der Dinge hier auf Erden sich erweisen. Sein Antlitz erhellte sich in einem Strahl wilder Freude, als er die Federkraft des Bogens versuchte, und den wohl in’s Gleichgewicht gesetzten Speer wog. Der Blick, den er auf den Schild warf, war flüchtiger und mehr gleichgültig, aber die Lust, mit der er auf sein geliebtestes Streitroß sprang, war so groß, daß sie alle Förmlichkeit indianischer Selbstbezwingung durchbrach. Er ritt unter seinen kaum weniger erfreuten Kriegern auf und ab, und lenkte das Thier mit einer Anmuth und Geschicklichkeit, die keine künstliche Regeln je geben können; zu Zeiten schwang er die Lanze, als wolle er sich seines Sitzes versichern, und dann untersuchte er wieder genau die Beschaffenheit der Feuerwaffe, mit der er auch so freudig sich beschenkt gesehen hatte, als sei er auf wunderbare Weise in den Besitz von Schätzen gekommen, die immer sein Stolz und Glück gewesen waren.

Gerade in diesem Augenblick machte sich Mahtoree, der mit den nöthigen Vorkehrungen fertig geworden, bereit, eine entscheidendere Bewegung zu versuchen. Der Teton hatte sich wegen Unterbringung seiner Gefangnen in nicht geringer Verlegenheit befunden. Die Zelte des Auswanderers waren noch zu sehen, und seine vorsichtige List ermangelte nicht, ihn zu bedeuten, daß es ganz eben so nöthig wäre, sich vor einem Angriff von dieser Seite zu schützen, als er die Bewegungen seines erklärteren und thätigeren Feindes bewachen müsse. Sein erster Entschluß war gewesen, den Tomahawk gegen die Männer zu gebrauchen, und die Weiber unter denselben Schutz, wie die Weiber seiner Bande zu setzen. Aber die Weise, mit der noch so viele von seinen Helden den vermeintlichen Zauberer der Langmesser ansahen, widerrieth ihm, einen so gefährlichen Versuch am Vorabend einer Schlacht zu wagen. Er hatte als eine Vorbedeutung der Niederlage angesehen werden mögen. In diesem Zweifel winkte er einem gealterten Krieger, dem er die Nichtstreitenden übergeben, führte ihn auf die Seite, legte bedeutungsvoll einen Finger auf seine Schulter, und sagte in einem Ton, worin Herrschaft durch Vertrauen gemildert war.

»Wenn meine jungen Leute die Pawnee schlagen, gebt den Weibern Messer. Genug! mein Vater ist sehr alt, er braucht nicht Weisheit zu lernen von einem Knaben.«

Der grimmige, alte Wilde entgegnete mit einem Blick roher Zustimmung, und dann schien des Häuptlings Geist wegen dieses wichtigen Puncts beruhigt. Von diesem Augenblick an richtete er seine ganze Sorgfalt auf die Ausübung seiner Rache und die Aufrechthaltung seines kriegerischen Charakters. Er warf sich auf sein Roß, gab mit dem Blick eines Fürsten seinem Gefolge ein Zeichen, seinem Beispiel nachzuahmen, und unterbrach ohne Weiteres die Kriegsgesänge und feierlichen Ceremonieen, womit viele unter ihnen ihren Geist zu kühnen Thaten anfeuerten. Als alles in Ordnung bewegte sich das Ganze mit großer Festigkeit und Stille nach dem Rande des Flusses.

Die feindlichen Banden waren jetzt durch das Wasser getrennt. Die Breite des Stroms war zu bedeutend, um die Anwendung der gewöhnlichen indianischen Geschosse zuzulassen, aber einige nutzlose Schüsse wechselten die Flinten der Häuptlinge, mehr aus Prahlerei, als daß sie hätten erwarten können, es würde eine Wirkung thun. Da man einige Zeit mit Demonstrationen und nutzlosen Anstrengungen vorübergehen lieh, wollen wir sie jetzt verlassen, um zu den Andern zurückzukehren, die noch als Gefangene in ihren Händen geblieben.

Wir hätten viele Tinte vergebens verschrieben und manche Kiele verbraucht, die vielleicht besser hatten angewendet werden mögen, wenn wir erst dem Leser sagen müßten, daß wenige von den obigen Bewegungen der Aufmerksamkeit des erfahrenen Streifschützen entgingen. Er war, wie die Uebrigen, über die plötzliche That Hartherzens erstaunt gewesen, und für einen Augenblick bekam ein Gefühl des Bedauerns und der Betrübniß die Oberhand über sein Verlangen, das Leben des Jünglings zu retten. Der einfache, gutgesinnte Alte würde, wenn er einen Mangel an Festigkeit von Seiten des Kriegers bemerkt hätte, der so sehr seine Theilnahme auf sich gezogen, denselben Kummer gefühlt haben, den ein christlicher Vater empfindet, wenn er die sterbenden Augenblicke eines gottlosen Kindes mit ansieht. Aber als, statt eines schwachen, unmännlichen Mühens um sein Leben, er bemerkte, daß sein Freund mit der gewöhnlichen, würdigen Ergebung eines Indianers sich benommen hatte, bis eine Gelegenheit zur Flucht sich dargeboten, und daß er den Muth und die Entschlossenheit des größten Tapfern gezeigt, ward seine Freude zu mächtig, um unterdrückt zu werden. Mitten unter dem Geschrei und der Bewegung, welche auf den Tod Weucha’s und das Entrinnen des Gefangenen gefolgt, näherte er sich seinen weißen Gefährten mit dem Entschluß, sich in’s Mittel zu legen, wenn die Wuth der Wilden sich gegen sie wenden sollte. Das Erscheinen der feindlichen Bande ersparte ihm jedoch einen so verzweifelten, und wahrscheinlich fruchtlosen Versuch, und ließ ihn seine Beobachtungen fortsetzen, und seine Pläne mit mehr Muße zur Reife bringen.

Er bemerkte besonders, daß während bei weitem der größere Theil der Weiber und all die Kinder, nebst den Effecten des Haufens in den Nachzug gebracht worden, wahrscheinlich mit dem Befehl, sie in den anliegenden Wäldern zu verbergen, Mahtoree’s Zelt selbst stehen, und sein Inhalt ungestört blieb. Zwei ausgesuchte Pferde jedoch standen nahe bei, und wurden von zwei Jünglingen gehalten, die zu jung waren, um in den Kampf zu gehen, und doch alt genug, sich auf die Lenkung der Pferde zu verstehen. Der Streifschütz sah in dieser Vorkehrung den Widerwillen Mahtoree’s, seine neu gefundenen »Blumen« aus dem Auge zu lassen, und zugleich auch die Vorsicht, sich vor jedem Anfall zu sichern. Auch war die Art, wie der Teton seinen Auftrag dem alten Wilden gegeben, und die stolze Freude, womit der Andere den blutigen Befehl angenommen, seiner Aufmerksamkeit nicht entgangen. Aus all diesen geheimen Bewegungen merkte der Alte, daß die Crisis nahe, und so bot er all seine Wissenschaft auf, die er in einem so langen Leben erlangt hatte, um sie in den verzweifelten Verwickelungen zu benutzen. Während er über die zu ergreifenden Mittel nachdachte, zog der Doctor wieder seine Aufmerksamkeit auf sich, indem er auf erbärmliche Weise seinen Beistand nachsuche.

»Verehrungswürdiger Streifschütz, oder, wie ich jetzt sagen darf, Befreier,« begann der trübselige Obed, »es möchte scheinen, daß eine passende Zeit endlich herangekommen ist, um die unnatürliche und ganz unregelmäßige Verbindung zu brechen, die zwischen meinen unteren Gliedmaßen und dem Leibe des Asinus besteht. Vielleicht wenn solch ein Theil meiner Glieder erlöst würde, der mich zum Herrn über die übrigen machte, und ich benutzte diese günstige Gelegenheit gehörig, indem ich einen forcirten Marsch nach den Ansiedelungen anträte, möchte nicht alle Hoffnung, die Schätze der Wissenschaft zu retten, deren unwürdiger Träger ich bin, verloren sein. Die Wichtigkeit des Erfolgs ist sicherlich die Gefahr eines Versuchs werth.«

»Ich weiß nicht, weiß nicht,« entgegnete der vorsichtige Alte, »die Würmer und Reptile, die Ihr bei Euch habt, waren von dem Herrn für die Steppen bestimmt, und ich sehe keinen Nutzen, wenn sie in Gegenden geschickt werden, die ihrer Natur nicht zusagen. Und außerdem könnt Ihr von großem, ganz besondern Dienste sein, so, wie Ihr jetzt auf dem Esel sitzt, obwohl es mich nicht wundert, daß Ihr es nicht einseht, da Nützlichkeit ganz etwas Neues für so einen Bücher-Mann ist.«

»Von welchem Nutzen kann ich in diesen peinlichen Banden sein, worin die animalischen Functionen gleichsam unterbrochen, und die geistigen oder verständigen durch die geheime Sympathie, die Seele und Leib vereinigt, erblindet sind. Wahrscheinlich wird zwischen jenen beiden feindlichen Heidenhorden Blut vergossen, und so wenig sie auch den Dienst verlangen, würde es besser sein, daß ich mit chirurgischen Versuchen mich beschäftige, als so die kostbaren Augenblicke verliere, indem ich Beides, Leib und Seele nur abhärme.«

»Wenig würde eine Rothhaut sich um einen Physikus bei ihren Verwundungen kümmern, während das Kriegsgeschrei in ihren Ohren tönt. Geduld ist eine Tugend an einem Indianer und kann einem christlichen Weißen nicht zur Schande gereichen. Seht auf diese Haufen von Megären, Freund Doctor; ich verstehe mich nicht auf wilde Gemüther, wenn diese nicht blutgierig sind, und bereit, ihre verdammte Gier an uns Allen auszuüben. Nun, so lange Ihr auf dem Esel bleibt und den stolzen Blick, der Euch sonst gar nicht natürlich ist, bewahrt, kann die Furcht vor einem so großen Zauberer ihren Muth niederhalten. Ich stehe hier wie ein General bei der Eröffnung der Schlacht, und es kommt mir zu, solch einen Gebrauch von meiner Stärke zu machen, als nach meinem Urtheil Jeder am geschicktesten ist, auszuführen. Wenn ich mich darauf Verstehe, werdet Ihr gerade jetzt durch Euer Antlitz nützlicher sein, als durch irgend einen andern bemerklicheren Dienst.«

»Hört, alter, Streifschütz!« rief Paul, dessen Geduld bei den berechnenden und langen Erklärungen des Andern sich nicht länger halten konnte, »wie, wenn Ihr zwei Dinge, die ich Euch nennen kann, gerade abschnittet, nämlich Eure Rede, die angenehm genug bei einem wohlgebratenen Büffelschenkel ist, und diese verd– ten Hautriemen, die nach meiner Erfahrung nirgends angenehm sein können. Ein einziger Schnitt Eures Messers würde gerade jetzt von größerem Nutzen sein, als die längste Rede, die je in einem Kentucky-Gerichtssaal gehalten worden ist.«

»Ei, Gerichtssale sind die glücklichen Jagdgründe, wie eine Rothhaut sagen würde, für die, welche keine bessere Gabe haben, als eine Lüge auf der Zunge. Ich ward selbst einst in eine dieser gesetzlosen Höhlen gebracht, und das um nichts Größeres, als die Haut eines Rehs. Der Herr vergeb‘ ihnen, sie wußten’s nicht besser und thaten nach ihrem schwachen Verstande, und um so mehr müssen sie bemitleidet werden; und doch war es ein hoher Anblick, einen alten Mann zu sehen, der immer in freier Luft gelebt hatte, und der jetzt vom Gesetz ergriffen und als ein Schauspiel für die Weiber und Jungen einer zusammenströmenden Colonie hingestellt ward, um mit Finger auf sich deuten zu lassen.«

»Wenn das Eure löbliche Ansicht von der Einkerkerung ist, ehrlicher Freund, würdet Ihr sie besser an den Tag legen, wenn Ihr uns mit so wenig Verzug als möglich in Freiheit setztet,« sagte Middleton, der wie sein Gefährte das Zögern seines oft erprobten Genossen eben so ungewöhnlich als unangenehm zu finden begann.

»Ich würde ganz dasselbe wünschen, besonders an Eurer Stelle, Capitain, da Ihr als Soldat nicht allein Vergnügen, sondern auch Vortheil dabei finden möchtet, wenn Ihr mehr nach Eurer Bequemlichkeit die Nachstellungen und List eines indianischen Gefechts untersuchen könntet. Was Euern Freund da betrifft, so liegt nur wenig daran, wie weit er die Sache untersucht, und sich überzeugt, daß ein Indianer nicht auf dieselbe Weise besiegt werden mag, als eine Biene.«

»Alter, dies Scherzen mit unserm Unglück ist unbedacht, um ihm nicht einen schlimmern Namen zu geben.«

»Ei, Euer Großvater war von einem hitzigen, schnellen Gemüth, und man muß nicht erwarten, daß das Junge eines Panthers auf der Erde kriechen soll, wie das Junge eines Igels. Nun, haltet euch Beide ruhig, und was ich sage, soll das Ansehen haben, als sprach‘ ich von den Bewegungen dort auf dem Grunde. Das Alles muß die Eifersucht einschläfern und die Augen derer hintergehn, die selten sie schließen als über Niederträchtigkeit und Grausamkeit. Erstlich also müßt Ihr wissen, daß ich zu glauben Ursache habe, jener verrätherische Teton habe einen Befehl hinterlassen, uns Alle zu tödten, sobald er meint, es könne heimlich und ohne Aufsehen geschehen.«

»Gütiger Himmel! wollt Ihr uns wie geduldige Schaafe abschlachten lassen!«

»Hst, Capitain, hst, ein heißes Temperament ist keins von den besten, wenn List nöthiger ist, als Zuschlagen. Ah, der Pawnee ist ein edler Junge; es würde Euerm Herzen wohl thun, wenn Ihr ihn vom Flusse wegziehen sähet, um seine Feinde zum Uebergange einzuladen; und doch zählen sie, nach meinem trüben Auge zu rechnen, zwei Krieger auf einen! Aber, wie gesagt, Schnelligkeit und Ungestüm ist zu wenig nütz. Die Sachen sind so klar, daß jedes Kind ihre Weisheit einsehen kann. Die Wilden sind wegen unserer Behandlung verschiedener Meinung. Einige fürchten uns, unsrer Farbe wegen, und würden uns gerne gehen lassen; und andere möchten uns die Gnade erweisen, die das Reh vom hungrigen Wolf empfängt. Wenn Uneinigkeit in dem Rath eines Stammes entsteht, ist die Menschlichkeit selten der gewinnende Theil. Nun seht Ihr diese runzligen, grausamen Herren? – Nein, Ihr könnt sie nicht sehen, da Ihr liegt; aber dennoch, sie sind da, bereit und willig, wie eben so viele Bärinnen, um ihre Gier, sobald es Zeit ist, an uns zu stillen.«

»Hört, alter Streifschütz,« fiel Paul etwas bitter ein, »sagt Ihr uns das zu unserer Erheiterung oder zu Eurer. Wenn zu unserer, könnt Ihr Euern Athem für Eure nächste Flucht sparen, da ich schon mit meinem Theil fast bis zur Erstickung genug habe.«

»Hst,« sagte der Streifschütz und schnitt mit großer Geschicklichkeit und Schnelle die Riemen durch, welche Paul’s einen Arm an seinen Leib banden, und legte zugleich sein Messer in den Bereich der befreiten Hand. »Hst, Junge, hst, das war ein glücklicher Augenblick!«

Das Geschrei von dem Grunde zieht die Augen dieser Blutsauger nach einer andern Seite, und so weit sind wir sicher. Nun macht den gehörigen Gebrauch von Euerm Vortheil; aber gebt Acht, daß was Ihr thut, unbemerkt geschieht.«

»Dank Euch für diese geringe Gunst, alte Vorsicht,« murmelte der Bienenjäger, »obwohl sie, wie Schnee im Mai, etwas außer der Zeit kommt.«

»Thörichter Junge,« rief mit einem Vorwurf der Andere, der sich etwas von seinen Freunden entfernt hatte und eifrig die Bewegungen der feindlichen Theile zu beobachten schien, »werdet Ihr nie die Weisheit der Geduld einsehen lernen? Und auch Ihr, Capitain, obwohl ich mich nicht sehr um bloße Gefühle kümmere, ich sehe, Ihr seid still, weil Ihr nicht ferner um eine Gunstbezeugung einen Mann bitten wollt, den Ihr so langsam in ihrer Erweisung glaubt. Ohne Zweifel, ihr seid Beide jung und von dem Stolz eurer Stärke und Männlichkeit erfüllt, und haltet es für genug, die Bande zu durchschneiden, um euch zu Herren des Platzes zu machen. Aber, wer viel gesehen hat, denkt viel. Hatte ich wie ein geschäftiges Weib geeilt, euch die Freiheit zu geben, diese Hexen von Sioux hätten es gesehen, und dann, wo wär’t ihr Beide gewesen? Unter dem Tomahawk und Messer, wie hülflose, schreiende Kinder, wenn auch versehen mit der Größe und dem Barte von Männern. Fragt unsern Freund, den Bienenjäger, in welcher Lage er sich befindet, um nach so vielen Stunden der Fesseln nur mit einem Teton Jungen zu ringen, geschweige mit einem Dutzend erbarmungsloser, blutdürstiger Megären!«

»Wahr, alter Streifschütz,« entgegnete Paul und reckte die Glieder, die jetzt ganz befreit waren, und bemühte sich, die gestörte Zirkulation wieder herzustellen; »Ihr habt gewisse richtige Begriffe in diesen Dingen. Nun, hier bin ich, Paul Hover, ein Mann, der Wenigen im Ringen oder Laufen sonst nachstand, und der jetzt fast so hülflos ist, als am Tage, da ich meinen ersten Besuch im Hause des alten Paul machte, der gestorben und fort ist; der Herr vergebe ihm einige geringe Fehler, die er gemacht haben mag, während er sich in Kentucky aufhielt! Nun steht mein Fuß auf dem Boden, soweit ich meinem Auge trauen darf, und doch würde es nicht viel Redens brauchen, mich schwören zu lassen, daß er die Erde nicht berühre, daß er sechs Zoll darüber sei. Ich sag‘, ehrlicher Freund, da Ihr schon so viel gethan, habt die Güte, diese verd– te Vetteln, von denen Ihr so viel interessante Dinge sagt, etwas entfernt zu halten, bis ich das Blut in diesem Arm in Bewegung gebracht und im Stande bin, sie höflich zu empfangen.«

Der Streifschütz gab ein Zeichen, daß er vollkommen die Gefahr ihrer Lage verstünde, und ging auf den bejahrten Wilden zu, der anzudeuten begann, er wolle seine Aufgabe anfangen. Indeß suchte Paul soviel wie möglich den Gebrauch seiner Glieder wieder zu erlangen, und Middleton, sich in eine ähnliche Lage der Vertheidigung zu setzen. Mahtoree hatte sich in seinem Mann nicht geirrt, als er ihn zur Ausführung seines blutigen Plans ausersah. Er hatte einen von jenen erbarmungslosen Wilden gewählt, die mehr oder weniger in jedem Stamme gefunden werden, und die durch Darlegung einer Kühnheit, die ihre Quellen in einer angebornen Liebe zur Grausamkeit fand, sich einen gewissen militärischen Ruf erworben hatten. Gegen den hohen, ritterlichen Geist, der unter den Indianern der Steppen es zu einer rühmlicheren That macht, die Trophäen des Siegs von einem gefallenen Feind davon zu tragen, als ihn zu erschlagen, hatte er sich dadurch ausgezeichnet, daß er das Vergnügen, Leben zu vernichten, dem Ruhme vorzog, Beute zu machen. Während die sich mehr der Gefahr aussetzenden, ehrgeizigeren Tapfern auf ihre persönliche Ehre bedacht waren, hatte man ihn immer sich hinter ein günstiges Versteck stellen sehen, wo er die Verwundeten der Hoffnung beraubte, indem er das, was ein tapferer Krieger begonnen, vollendete. Bei allen Grausamkeiten des Stammes war er immer der Vorderste gewesen, und kein Sioux ward so gleichförmig immer auf der Seite erbarmungsloser Rathschläge gefunden.

Er hatte mit einer Ungeduld, die seine langgeübte Selbstbeherrschung nur schwer überwältigen konnte, den Augenblick erwartet, wo er die Wünsche des großen Häuptlings, ohne dessen Billigung und Schutz er nicht gewagt haben würde, einen von seiner Nation so sehr bestrittenen Schritt zu thun, ausführen möchte. Aber die Vorfälle hatten die Entscheidung zwischen den feindlichen Haufen beschleunigt, und die Zeit war jetzt gekommen, wo er, sehr zu seiner heimlichen, bösartigen Freude, frei war, was er wünschte, zu thun.

Der Streifschütz traf ihn, wie er Messer unter die wilden Weiber austheilte, die die Geschenke mit einem dumpfen, eintönigen Gesang empfingen, der den Verlust ihres Volkes in den verschiedenen Kämpfen mit den Weißen aufzählte, und die Lust und den Ruhm der Rache feierte. Der Anblick einer solchen Gruppe war schon an und für sich hinreichend, einen an solche Auftritte weniger Gewöhnten, als dies bei dem Streifschützen der Fall war, abzuschrecken, sich in den Zirkel ihrer wilden, zurückstoßenden Gebräuche zu wagen.

Jedes der Weiber, wie sie die Waffe empfing, begann einen langsamen, gemessenen, aber unergötzlichen Tanz um den Wilden, bis alle in einer Art magischer Schritte um ihn herum waren. Zu den Bewegungen bildeten gewissermaßen die Worte ihrer Gesänge den Tact, so wie dies bei ihren Geberden durch die Ideen geschah. Wenn sie von ihrem eigenen Verlust sprachen, warfen sie ihre langen, straffen grauen Haare in die Luft, oder ließen sie verwirrt auf ihren gealterten Nacken fallen; aber als die Lust, Schlag mit Schlag zu erwiedern, berührt ward, antworteten sie darauf durch ein Geheul, und durch Geberden, welche hinlänglich die Art ausdrückten, wie sie sich auf die nöthige Höhe der Wuth hinaufreizten.

Gerade in den Mittelpunkt dieses Ringes von scheinbaren Höllengeistern trat der Streifschütz jetzt mit derselben Ruhe und Ueberlegung ein, mit der er in eine Dorfkirche gegangen sein würde. Keine andere Veränderung ward durch seine Erscheinung hervorgebracht, als daß die drohenden Geberden mit einem, wo möglich noch weniger zweideutigen Ausdruck ihrer unerbittlichen Vorsätze erneuert wurden. Der alte Mann gab ihnen ein Zeichen, aufzuhören, und fragte:

»Warum singen die Mütter der Teton mit bitteren Zungen? Die Pawnee-Gefangenen sind noch nicht in ihrem Dorf, ihre jungen Leute sind noch nicht mit Schädeln beladen zurückgekommen!«

Ihm ward durch ein zweites allgemeines Geheul geantwortet, und einige der kühnsten Furien wagten ihm selbst Vorwürfe zu machen, indem sie ihre Messer in einer gefährlichen Nähe an seinen unwandelbaren Augen vorbeischwangen.

»Es ist ein Krieger, den ihr vor euch seht, und kein Flüchtling von den Langmessern, dessen Gesicht bei’m Anblick des Tomahawk’s blasser wird,« entgegnete der Streifschütz, ohne eine Muskel zu verziehen, »Mögen die Sioux-Weiber bedenken; wenn eine Weißhaut stirbt, springen Hunderte auf, wo sie gefallen ist.«

Noch gaben die Weiber keine andere Antwort, als daß sie ihre Eile im Kreis herum vermehrten, und gelegentlich die drohenden Ausbrüche ihres Sangs in lauteren, verständlicheren Noten erhoben. Plötzlich brach eine der ältesten und wildesten von ihnen allen aus dem Kreis, und eilte fort nach ihren Opfern wie ein Raubvogel, der auf schweren Flügeln lange genug sich geschwenkt, um sich seines Gegenstandes zu versichern und endlich auf seinen Raub losschießt. Die andern folgten, eine ungeordnete, schreiende Heerde, fürchtend, sie möchten zu spät kommen, um ihren Theil an der blutigen Lust für sich zu nehmen.

»Mächtiger Zauberer meines Volkes!« rief der Alte in der Teton-Sprache, »erhebe deine Stimme und sprich, daß das Sioux-Volk möge hören.«

Entweder hatte Asinus durch seine früheren Erfahrungen so viel Kenntniß erlangt, daß er den Werth seiner sonoren Eigenthümlichkeiten kannte, oder das sonderbare Schauspiel von einem Dutzend Megären, die an ihm vorübereilten, und die Luft mit Tönen erfüllten, die selbst den Ohren eines Esels empfindlich waren, rührten sein Gemüth am meisten: soviel ist gewiß, das Thier that, was Obed hätte thun sollen, und wahrscheinlich mit weit größerem Effect, als wenn der Naturforscher die mächtigsten Anstrengungen gemacht, um gehört zu werden. Es war das erste Mal, daß das sonderbare Thier seit seiner Ankunft im Lager gesprochen. Durch so furchtbaren Ruf gewarnt, zerstreuten sich die Furien, wie erschreckte Geier, von ihrem Raub, immer noch schreiend, und nur halb von ihrem Vorsatz abgelenkt.

Mittlerweile hatte die plötzliche Erscheinung und Nähe der Gefahr das Blut in Paul’s und Middletons Adern mehr als alle ihre mühsamen Reibungen und physischen Versuche in Bewegung gesetzt. Der Erstere war wirklich aufgesprungen, und nahm eine Stellung an, die vielleicht mehr drohte, als der Bienenjäger auszuführen im Stande war, und selbst der Letztere hatte sich auf seine Kniee erhoben, und seine Absicht verrathen, sein Leben zu vertheidigen. Die unerklärliche Befreiung der Gefangenen von ihren Banden ward von den Weibern den Beschwörungen des Zauberers zugeschrieben, und dieser Irrthum war vielleicht von eben so vielem Nutzen, als die wunderbare und zeitige Einsprache des Esels zu ihren Gunsten.

»Nun ist’s Zeit, aus unserm Versteck hervorzukommen,« rief der Alte, und eilte zu seinen Freunden; »jetzt müssen wir offenen, mannhaften Krieg führen. Es würde klug gewesen sein, den Kampf aufzuschieben, bis der Capitain sich in besserer Lage befunden, um uns beizustehen, aber da wir unsere Batterie demaskirt haben, ei, so müssen wir den Platz behaupten.«

Er ward von der Berührung einer gigantischen Hand auf seiner Schulter unterbrochen. Er wendete sich mit einem wirren Gefühl, daß Todtenbeschwörung nun wirklich an dieser Stelle los wäre, um, und fand sich in den Händen eines nicht weniger gefährlichen und mächtigen Zauberers, als Ismael Busch. Die Reihe von des Auswanderers wohlbewaffneten Söhnen, die man hinter dem nahstehenden Zelt Mahtoree’s hervorkommen sah, zeigte mit einem Mal nicht nur die Art, wie ihre Nachhut umgangen worden, während ihre Aufmerksamkeit so ernstlich auf die Dinge vor ihnen gerichtet gewesen, sondern auch die gänzliche Unmöglichkeit, Widerstand zu leisten.

Weder Ismael noch seine Söhne hielten es für nöthig, in weitläufige Erklärungen einzugehen. Middleton und Paul wurden wieder gebunden, mit ausserordentlicher Stille und Schnelligkeit, und dies Mal ward selbst nicht der alte Streifschütz mit einem ähnlichen Schicksal verschont. Das Zelt wurde abgebrochen, die Frauen kamen auf die Pferde, und das Ganze machte sich auf den Weg nach des Auswanderers Lagerung, Alles mit einer Eile, die wohl auf den Gedanken eines Zaubers hätte bringen mögen.

Während dieser summarischen, kurzen Anordnung der Dinge sah man den getäuschten Helfershelfer Mahtoree’s und seine wilden Gefährtinnen über die Ebene in der Richtung der fliehenden Familien hineilen, und als Ismael die Stelle mit seinen Gefangenen und seiner Beute verließ, ward sie, die eben noch von dem Geräusch und dem Leben einer großen indianischen Lagerung so erfüllt gewesen, so still und leer, wie jeder andere Ort in diesen weiten Wüsten.

Drittes Kapitel.

Drittes Kapitel.

Komm, komm, du bist ein hitz’ger Narr, wie einer in
Italien je; so bald gereizt, erzürnt, als, wenn du
zürnst, gereizt.

Romeo und Julia.

 

Obgleich der Streifschütz etwas erstaunt war, als er eine zweite menschliche Gestalt sich nahe kommen sah, und dies auch aus einer dem Lager der Auswanderer entgegengesetzten Richtung, so fehlte doch nicht die Standhaftigkeit der lange an Scenen der Gefahr Gewöhnten.

»Es ist ein Mann,« sagte er, »und einer, der weißes Blut in den Adern hat, sonst wär‘ sein Schritt leichter. Es mag gut sein, auf das Schlimmste sich bereit zu halten, denn die Halb- und Halben, auf die man in diesen verlassenen Gegenden trifft, sind allzusammen wilder als die wahren Wilden.«

Er nahm sein Gewehr, während er sprach, auf, und untersuchte den Zustand des Steines und des Zündpulvers durch ein Betasten mit der Hand. Aber sein Arm ward festgehalten, als er anschlagen wollte, – es waren die schnellen, zitternden Hände seines Schützlings.

»Um Gottes willen, seid nicht zu hastig!« sagte sie, »es kann ein Freund sein, ein Bekannter, ein Nachbar.«

»Ein Freund!« wiederholte der alte Mann, und befreite sich zugleich von ihrem Arm, »Freunde sind selten in jedem Land, und seltener vielleicht in diesem als in einem; und die Nachbarschaft zu spärlich, um es wahrscheinlich zu machen, daß der, der zu uns kommt auch nur ein Bekannter ist.«

»Aber wenn auch ein Fremder, würdet Ihr doch nicht nach seinem Blut verlangen!«

Der Streifschütz betrachtete ernst einen Augenblick ihre angsterfüllten, fürchtenden Mienen, und ließ dann das Gewehr auf den Boden herab, als habe er seinen Entschluß plötzlich geändert.

»Nein,« sagte er, und sprach mehr mit sich als mit seiner furchtsamen Gefährtin, »sie hat Recht, Blut darf nicht vergossen werden, um ein so nutzloses, seinem Ziel so nahes Leben zu retten. Laßt ihn kommen, meine Häute, meine Fallen, mein Gewehr selbst soll sein sein, wenn’s ihm gefällt, sie zu verlangen.«

»Er wird nichts von allem fordern, er braucht nichts,« erwiederte das Mädchen; »wenn er ein ehrlicher Mann ist, wird er gewiß mit dem Seinigen zufrieden sein, und nichts fordern, was Eigenthum eines andern ist.

Der Streifschütz hatte nicht Zeit, das Erstaunen auszudrücken, welches ihn bei der unzusammenhängenden, sich widersprechenden Rede ergriff, denn der Mann, der sich näherte, war schon nur noch fünfzig Schritte von ihm entfernt. Indeß war Hektor kein gleichgültiger Zeuge bei dem, was vorging geblieben. Bei’m Geräusch der entfernten Tritte war er von dem warmen Bett zu den Füßen seines Herrn aufgestanden, und schlich jetzt, als der Fremde dem Blick sich zeigte, leise ihm entgegen, zur Erde geduckt wie ein Panther, wenn er auf seine Beute sich stürzt.

»Ruft den Hund zurück,« sagte eine feste, tiefe, männliche Stimme, mehr im Ton der Freundschaft als der Drohung; »ich liebe die Hunde, und es würde mir leid sein, wenn dem Thier etwas widerführe.«

»Du hörst, was man von dir sagt, Bursch?« antwortete der Streifschütz, »komm her, du Thor; sein Knurren und Bellen ist alles, was ihm noch übrig ist; Ihr könnt kommen, Freund; er hat keine Zähne mehr.«

Der Fremde benutzte alsbald diese Nachricht; er eilte schnell vorwärts, und stand im nächsten Augenblick Ellen Wade zur Seite. Nachdem er sich durch einen hastigen aber kühnen Blick überzeugt, daß sie es war, wandte er mit einer Eile und Ungeduld, die hinlänglich zeigte, wie sehr er auf den Ausgang gespannt war, ein forschendes Auge auf ihren Begleiter.

»Von welcher Wolke seid Ihr gefallen, mein guter, alter Mann?« sagte er sorglos, nachlässig hin, mit zu viel Natur, um geziert zu scheinen; »oder lebt Ihr wirklich in diesen Steppen?«

»Ich war lange auf der Welt, und nie, denke ich, näher dem Himmel, als jetzt in diesem Augenblick,« erwiederte der Streifschütz; »meine Wohnung, wenn ich anders eine habe, ist nicht weit entfernt. Nun kann ich mir die Freiheit gegen Euch nehmen, die Ihr Euch so gerne gegen Andere nehmt? Woher kommt Ihr, wo Ist Eure Heimath?«

»Langsam, langsam; wenn ich mit meinem Examen fertig bin, dann mögt Ihr mit Euerm anfangen. Auf welche Jagd geht Ihr denn hier so bei Mondschein aus? Gewiß wollt Ihr doch keine Büffel zu dieser Stunde fangen?«

»Ich gehe, wie Ihr seht, aus dem Lager von einigen Wanderern, welches dort über jener Anhöhe liegt, nach meiner eignen Hütte; und so tret‘ ich Niemanden zu nahe.«

»Ganz wohl. Und Ihr nahmt dieses Mädchen mit, Euch den Weg zu zeigen, da sie ihn so gut, und Ihr ihn so wenig kennt.«

»Ich traf sie, wie ich Euch traf, zufällig. Zehn lange Jahre hab‘ ich diese offnen Felder bewohnt, und nie, bis auf diesen Tag, menschliche Wesen mit weißer Haut zu dieser Stunde getroffen. Wenn meine Gegenwart hier belästigt, thut’s mir leid, und ich will meiner Wege gehen. Es ist mehr als wahrscheinlich, wenn Eure junge Freundin ihre Geschichte erzählt hat, werdet Ihr geneigter sein, die meinige zu glauben.«

»Freundin!« sagte der Jüngling, nahm eine Mütze von Fellen vom Haupt, und wühlte in der dichten Masse seiner schwarzen, geringelten Locken, »wenn ich je früher ein Auge warf auf das Mädchen als heute, so möge – –«

»Genug, Paul,« unterbrach ihn die Jungfrau, und legte ihm die Hand auf den Mund, mit einer Vertraulichkeit, die so ziemlich seine beabsichtigte Betheuerung Lügen strafte. »Unser Geheimniß wird bei diesem ehrlichen alten Mann sicher sein. Ich sehe es an seinen Blicken und freundlichen Worten.«

»Unser Geheimniß! Hast du vergessen, Ellen? – –«

»Nein. Ich habe nichts vergessen, was ich behalten sollte. Aber doch sag‘ ich, wir sind sicher bei diesem ehrlichen Streifschütz.«

»Streifschütz? Ist er denn ein Streifschütz? Gebt mir die Hand, Vater; unser Geschäft sollte uns mit einander bekannt machen.«

»In dieser Gegend braucht’s nicht solcher Stärke,« erwiederte der Andere, und betrachtete die athletische, kräftige Gestalt des Jünglings, der sich nachlässig aber nicht ohne Anstand auf seine Flinte lehnte; »die Kunst die Geschöpfe des Herrn in Fallen und Netzen zu fangen, erfordert mehr List als Kraft, und doch bin ich genöthigt, sie in meinem Alter zu treiben. Aber es würde weit besser einem jungen Manne, wie Euch, anstehn, einem Geschäft zu folgen, das sich mehr für Eure Jahre und Euern Muth schickt.«

»Ich! Ich fing nie, selbst nicht eine Bisamratze in einer Falle; obgleich ich gestehen muß, daß ich einige von den schwarzhäutigen Teufeln gehörig versehen habe, wo ich besser gethan, wenn ich das Pulver im Horn, und das Blei in der Tasche gelassen. Nein, Alter, nichts, was auf der Erde kriecht, gehört zu meiner Jagd.«

»Wie bringt Ihr aber Euer Leben durch, Freund, denn wenig mag in diesen Gegenden gewinnen, wer selbst sein natürliches Recht über die Thiere des Feldes aufgibt.«

»Ich gebe nichts auf. Kommt ein Bär mir in den Weg, so ist er bald kein Bär mehr. Die Rehe fangen schon an, mich zu riechen, und was die Büffel anlangt, so habe ich mehr Ochsen getödtet, alter Fremder, als der thätigste Metzger in ganz Kentucky.«

»Ihr könnt also schießen,« fragte der Streifschütz, und seine kleinen tiefliegenden Augen glänzten von einem Blitz verborgenen Feuers; »ist Eure Hand fest und Euer Blick scharf?«

»Die erste ist wie eine Stahlfalle, und der andere schneller als die Kugel für einen Bock. Ich wünscht‘ es wär‘ heißer Mittag jetzt, Vater, und zwei oder drei Juchert von hier gingen von Euern weißen Schwänen oder schwarzgefiederten Enten südlich über unsere Häupter, Ihr oder Ellen könntet Euer Leben auf das schönste von der Heerde, setzen, und meinen Ruf gegen ein Pulverhorn, der Vogel sollte in fünf Minuten den Kopf hängen, und das durch seine einzige Kugel. Ich verachte Schrot. Niemand kann sagen, daß er mich je, auch nur ein Korn führen sah.«

»Der Bursch hat Kraft in sich, ich seh’s ihm deutlich an,« sagte der Streifschütz, und wandte sich mit einem offenen, ermuthigenden Blick zu Ellen. »Ich nehm’s auf mich, und behaupte, Ihr thätet nicht unklug, als Ihr ihn so erwartetet. – Sagt mir, Junge, traft Ihr je einen Bock im Lauf zwischen die Enden? Hektor, still, Alter, still. Schon der Name Wild erhitzt dem Burschen das Blut. – Traft Ihr je ein Thier auf diese Art und im gestreckten Lauf?«

»Ihr könntet mich eben so gut fragen, aßt Ihr je? Es gibt keine Art, alter Fremder, auf die ich das Wild nicht erreicht, nur wenn es schlief, nicht.«

»Ach, ach, Ihr habt ein langes, glückliches, ja und ein ruhmvolles Leben noch vor Euch. Ich bin alt, kann wohl sagen abgelebt und nutzlos; aber wär‘ es mir vergönnt, Zeit und Ort zu wählen, nochmals – doch so etwas wird nicht, darf nie dem Willen des Menschen überlassen werden, – aber, würde eine solche Gunst mir verliehen, ich sagte: zwanzig und die Wildniß. Aber sagt mir, wie macht Ihrs mit den Häuten?«

»Mit den Häuten! Ich nehme nie ein Fell von einem Bock, oder einen Kiel von einer Gans, in meinem Leben, Ich mach‘ sie nieder dann und wann zu einer Mahlzeit, oder um meine Hand nicht der Flinte zu entwöhnen, aber ist der Hunger gestillt, dann bekommen das Uebrige die Steppen-Wölfe. Nein, nein, ich halte mich an meinen Beruf, der mich besser lohnt, als alles Pelzwerk, das ich auf der andern Seite des großen Flusses verkaufen könnte.«

Der alte Mann schien ein wenig nachzusinnen, aber kopfschüttelnd fuhr er bald nachdenkend fort:

»Ich kenne nur ein Geschäft, das mit Vortheil hier betrieben werden kann – – –«

Er ward von dem Jüngling unterbrochen, der ihm ein kleines zinnernes Gefäß, das ihm um den Nacken hing, vorhielt; der herrliche Geruch des lieblich riechenden Honigs durchdrang den Streifschützen, als der Jüngling den Deckel öffnete.

»Ein Bienenjäger!« bemerkte jener mit einer Schnelle, die zeigte, daß er die Beschäftigung kannte, obgleich nicht ohne einiges Erstaunen, daß ein Mann von so viel Kraft sich mit so etwas Niedern abgebe. »Es belohnt sich gut an den Grenzen der Ansiedelungen, aber in diesen offnen Gegenden möcht‘ ich’s einen unsichern Handel nennen.«

»Ihr meint, es ist kein Baum da, in den sich ein Schwarm niederlassen könnte. Aber ich denke anders, und so bin ich mehrere hundert Meilen weiter westlich gestreift, als gewöhnlich, um Euern Honig zu versuchen. Nun hab‘ ich Eure Neugier befriedigt, Fremder; Ihr geht jetzt wohl bei Seite, während ich der Jungfrau das übrige von meiner Geschichte erzähle.«

»Es ist nicht nöthig, ich weiß gewiß, es ist nicht nöthig, daß er uns verläßt,« sagte Ellen mit einer Hast, worin etwas lag, das zeigte, daß sie das Sonderbare, wenn nicht Unschickliche der Forderung fühlte, »Ihr könnt mir nichts zu sagen haben, was nicht die ganze Welt hören darf.«

»Nein! So mögen mich doch die Drohnen zu Tode stechen, wenn ich etwas von den Launen eines Weibes begreife. Was mich betrifft, Ellen, ich kümmre mich um nichts, um Niemand, und bin jetzt eben so bereit, dort hinunter zu gehen, wo Euer Oheim, wenn man ihn so nennen darf – denn ich schwöre, es ist kein Verwandter von Euch – wo Euer Oheim seine Gespanne los gebunden hat, als ich ein Jahr später dazu bereit bin. Du brauchst nur ein Wort zu sagen und es ist geschehen, es mag ihm gefallen oder nicht.«

»Du bist immer so hastig und rasch, Paul Hover, daß ich selten weiß, wenn ich sicher bei dir bin. Wie kannst du, – du kennst die Gefahr, wenn wir nur zusammen gesehen werden, – wie kannst du nur davon sprechen, vor meinem Onkel und seinen Söhnen zu erscheinen?«

»Hat er Etwas gethan, dessen er sich schämen muß?« fragte der Streifschütz, der keinen Zoll breit von der Stelle gewichen war.

»Behüte der Himmel! Aber es hat seine Ursachen, warum er sich nicht soll sehen lassen, gerade jetzt; Ursachen, die ihn nicht gefährden würden, wenn man sie wüßte, die aber doch noch nicht bekannt werden dürfen. Wenn Ihr also, Vater, dort an jenem Weidenbusch warten wollt, bis ich gehört, was Paul mir etwa zu sagen haben kann, so komm‘ ich gewiß erst noch und sag‘ Euch gute Nacht, eh‘ ich in das Lager zurückkehre.«

Der Streifschütz zog sich langsam zurück, scheinbar zufrieden mit dem etwas unzusammenhängenden Grund, den Ellen gegeben hatte, warum er sich zurückziehen sollte. Als er weit genug entfernt war und die ernste, lebhafte Unterredung nicht mehr hören konnte, die alsbald zwischen den Beiden begann, die er verlassen, stand der alte Mann wieder und wartete geduldig den Augenblick ab, wo er seine Unterhaltung mit zwei Wesen wieder anknüpfen könnte, an denen er ein steigendes Interesse nahm, – nicht minder wegen des geheimnißvollen Anstrichs ihres Umgangs, als aus natürlicher Theilnahme an der Wohlfahrt eines Paares, das noch so jung und, wie er in der Einfachheit seines Herzens zu glauben geneigt war, diese Theilnahme wohl verdiente. Ihn begleitete sein lässiger aber treuer Hund, der sich nochmals sein Bett zu den Füßen seines Herrn machte und bald schlummernd, wie gewöhnlich, dalag, den Kopf fast gänzlich in das dichte Gestrüpp des Steppengrases begraben.

Eine Menschengestalt in der Einsamkeit, worin er lebte, war dem Streifschütz ein so ungewöhnlicher Anblick, daß er seine Augen unverwandt auf die dunkeln Gestalten seiner neuen Bekannten heftete, mit Empfindungen, deren er lange entbehrt. Ihre Gegenwart weckte Rückerinnerungen und Gefühle, denen seine störrige aber edle Natur früher nur wenig gehuldigt, und vor seinen Gedanken begannen die, wandelvollen Scenen eines Lebens voll Mühseligkeit vorüberzuschreiten, die fremdartig von Scenen wilder, eigenthümlicher Freuden unterbrochen wurden. Die Richtung, die seine Gedanken nahmen, hatte ihn schon in seiner Betrachtung weit in eine ideale Welt geführt, als er plötzlich wieder in die Wirklichkeit seines Zustands durch die Bewegungen seines treuen Hundes zurückgerufen ward.

Das Thier, das in Folge seiner Jahre und Gebrechen so entschiedene Hinneigung zum Schlaf gezeigt hatte, stand jetzt auf, schritt aus dem Schatten hervor, den die schlanke Gestalt seines Herrn warf, und sah hinaus in die Steppe, als benachrichtige sein Instinct ihn, daß noch ein anderer Besuch in der Nähe sei. Dann, scheinbar zufrieden mit der Untersuchung, kehrte er zu seinem behaglichen Posten zurück und ordnete seine müden Glieder mit einer Ueberlegung und Sorgfalt, die hinlänglich bewies, daß er kein Neuling in der Knust der Selbsterhaltung sei.

»Was gibt’s wieder, Hektor?« sagte der Streifschütz mit besänftigender Stimme, welche er jedoch die Vorsicht hatte, nur halb laut Werden zu lassen, »was gibt’s, Hund? Er sag’s seinem Herrn, der Alte; was gibt’s?«

Hektor antwortete mit einem nochmaligen Knurren, aber begnügte sich, auf seinem Lager zu bleiben. Dies waren Beweise von Verstand und Mißtrauen, denen ein so erfahrner Mann, wie der Streifschütz, wohl alle Aufmerksamkeit schenken mußte. Er wandte sich wieder zum Hund und mahnte ihn zur Wachsamkeit mit einem leisen, vorsichtigen Zuspruch. Das Thier jedoch, als habe es schon seine Schuldigkeit gethan, weigerte sich hartnäckig, den Kopf vom Gras zu erheben.

»Ein Wink von einem solchen Freund ist weit besser, als eines Menschen Rath,« murmelte der Streifschütz, als er sich leise dem Paar näherte, das noch zu ernstlich und vertieft in seiner Unterredung begriffen war, um sein Nahen zu bemerken, »und nur ein betrogener Siedler würde ihn hören und nicht so darauf merken, wie er sollte. – Kinder,« fügte er hinzu, als er nah genug war, um von seinen Gefährten gehört zu werden, »wir sind nicht allein in diesen traurigen Feldern; Andere stören noch hier herum, und deswegen, zur Schande unsers Geschlechts sei’s gesagt, ist Gefahr nah.«

»Treibt sich einer von des Wanderers Ismael faulen Söhnen noch außerhalb des Lagers diese Nacht herum,« sagte der junge Bienenjäger mit großer Lebhaftigkeit und in einem Tone, der leicht zur Drohung hätte werden mögen, »so könnte leicht seiner Reise ein Ende gemacht werden, ehe er oder sein Vater es denkt.«

»Ich setze mein Leben daran, sie sind alle bei ihren Thieren,« antwortete schnell das Mädchen; »ich sah sie all‘ in tiefem Schlaf, ich selbst, die zwei auf der Wache ausgenommen; und die müßten sich sehr geändert haben, wenn nicht auch sie von einer Truthahnjagd oder einer Straßenbalgerei in diesem Augenblick träumten.«

»Ein Thier von starkem Geruch ist zwischen dem Wind und dem Hund durchpassirt, Vater, und das macht ihn unruhig; oder vielleicht träumt er selbst. Ich hatte auch einen solchen Burschen in Kentucky, der ging nach einem tiefen Schlaf oft auf die Jagd, und das Alles wegen eines Traums. Geht zu ihm und kneipt ihm in’s Ohr, damit das Thier sein Leben in sich fühlt.«

»Nicht doch, nicht doch,« erwiederte der Streifschütz und schüttelte den Kopf, als verstünde er die Eigenschaften seines Hundes besser; »die Jugend schläft, ja, und träumt auch; aber das Alter bleibt wach und ist wachsam. Der Bursche irrt sich nie mit seiner Nase, und lange Erfahrung lehrt mich, auf seine Warnung zu achten.«

»Brachtet Ihr ihn je auf die Fährte von Aas?«

»Ja, ich muß gestehen, daß die Raubthiere mich zuweilen veranlaßt haben, ihn loszulassen; denn diese sind manchmal eben so eifrig nach Wild als die Menschen; aber dann erkannte ich bald, wie sein Verstand ihm den Gegenstand verrieth. Nein, nein, Hektor ist ein Thier, das sich auf die Wege des Menschen versteht, und wird nie eine falsche Spur verfolgen, wenn eine wahre da ist.«

»Ei, ei, da ist ja das Räthsel gelöst; Ihr habt den Hund auf die Fährte eines Wolfs gebracht, und seine Nase hat ein besseres Gedächtniß, als sein Herr,« sagte der Bienenjäger lachend.

»Ich hab‘ das Thier stundenlang schlafen sehen, während ganze Heerden nahe an ihm vorüberzogen; ein Wolf könnte aus seiner Schüssel essen, ohne daß er sich rührte, es müßte denn eine Hungersnoth sein; dann freilich wurde Hektor geneigt sein, sein Eigenthum zu schützen.«

»Panther sind von den Bergen heruntergekommen; ich sah einen ein krankes Reh anfallen, als die Sonne unterging. Geht, geht zu Euerm Hund zurück, Vater, und sagt ihm die Wahrheit; in einer Minute bin ich – – –«

Er ward von einem langen, lauten, kläglichen Geheul des Hundes unterbrochen, das durch die Abendluft drang, wie das Klagen eines Geistes der Steppe, und über sie hin erscholl, in Cadenzen, die stiegen und fielen, wie ihre eigene wellenförmige Oberfläche. Der Streifschütz stand stumm und hörte aufmerksam; selbst der sorglose Bienenjäger ward von der klagenden Wildheit der Töne ergriffen. Nach einer kurzen Pause rief der Erstere den Hund zu sich und sprach dann, zu seinem Gefährten gewandt, mit dem Ernst, den nach seiner Meinung die Gelegenheit erheischte:

»Die, welche meinen, der Mensch habe allein alle Kenntniß der andern Geschöpfe Gottes in sich, werden davon zurückkommen, wenn sie, wie ich, die achtzig erreichen. Ich will nicht sagen, welche Gefahr uns droht, noch selbst behaupten, daß es der Hund, weiß; aber daß ein Uebel nahe ist, und daß Klugheit uns räth, es zu vermeiden, habe ich aus dem Mund Eines gehört, der nie lügt. Ich hatte gemeint, der Bursche sei nicht mehr an die Fußtritte des Menschen gewöhnt und Eure Gegenwart habe ihn unruhig gemacht; aber seine Nase hat stets den ganzen Abend geschnuppert, und was ich für ein Anzeichen Eures Kommens hielt, bedeutete etwas weit Ernsthafteres. Wenn also der Rath eines alten Mannes beachtungswerth ist, Kinder, so werdet ihr eilig die entgegengesetzten Wege nach den Orten eurer Ruhe und Sicherheit einschlagen.«

»Wenn ich Ellen verlasse, in einem solchen Augenblick,« rief der Jüngling, »so will ich nie – –«

»Genug, genug,« unterbrach ihn das Mädchen und gebrauchte wieder die Hand, die bei ihrer Zartheit und Weiße einen viel höheren Stand im Leben geziert haben würde; »meine Zeit ist vorüber, und wir müssen uns jedenfalls trennen; – gute Nacht, Paul; Vater, gute Nacht.«

»Hst,« erwiederte der Jüngling und ergriff ihren Arm, als sie eben von ihm wegeilen wollte; »hst, hört Ihr nichts? Büffel führen nicht weit entfernt ihre Sprünge auf; die Horde schlägt die Erde, wie ein toller Schwarm von tanzenden Teufeln.«

Seine beiden Gefährten lauschten, wie Leute in ihrer Lage geneigt sind, ihre Kräfte anzustrengen, um die Bedeutung eines zweifelhaften Geräusches zu entdecken, besonders wenn so viele und furchterregende Anzeichen vorausgegangen sind. Die ungewöhnlichen Töne wurden jetzt unstreitig, obgleich noch etwas schwach, hörbar. Der Jüngling und seine Begleiterin hatten verschiedene übereilte und schwankende Vermuthungen darüber aufgestellt, als ein Zug der Nachtluft das Geräusch von Fußtritten zu deutlich zu ihren Ohren brachte, um einen Irrthum ferner möglich zu machen.

»Ich hab‘ Recht,« antwortete der Bienenjäger, »ein Panther treibt eine Heerde vor sich hin, oder die Thiere mögen sich ein Treffen liefern.«

»Eure Ohren sind Betrüger,« erwiederte der alte Mann, welcher, sobald seine eigenen Organe die entfernten Töne aufzuhaschen im Stande waren, wie eine Statue dagestanden hatte, welche die Aufmerksamkeit darstellen soll. – »Die Sprünge sind zu lang für den Büffel und zu regelmäßig für Flucht. Hst; jetzt sind sie auf einem Boden, wo das Gras hoch ist, und der Schall gedämpft; nun kommen sie auf kahles Land – da, sie kommen die Anhöhe herauf, Verderben über uns – sie werden hier sein, ehe ihr ein Obdach finden könnt!«

»Komm, Ellen,« rief der Jüngling, und ergriff seine Gefährtin bei der Hand, »laß uns einen Versuch nach dem Lager machen.«

»Zu spät, zu spät,« rief der Streifschütz, »denn die Kerl sind schon vor uns, und nach ihrem diebischen Blick und der wilden Art zu reiten, ist’s eine blutige Bande verdammter Sioux.«

»Sioux oder Teufel, sie sollen uns als Männer finden,« sagte der Bienenjäger mit einer so stolzen Miene, als ob er an der Spitze einer Mannschaft von übermäßiger Stärke und von gleichem Muth, wie er, stünde. »Ihr habt ein Gewehr, Alter, und werdet wohl einen Schuß für ein hülfloses Christenkind thun.«

»Nieder, nieder in’s Gras – nieder mit euch beiden,« lispelte der Streifschütz, und bedeutete sie, nach der Seite zu dem hohen, Gestrüpp, das nahe der Stelle, wo sie standen, dichter als gewöhnlich wuchs. »Ihr habt nicht Zeit zu fliehen, noch Leute zu fechten, thörichter Junge. Nieder in’s Gras, wenn das Mädchen, wenn Euer eigenes Leben einen Werth für Euch hat.«

Sein Rath, begleitet, wie er war, durch schnelles, kräftiges Handeln, verfehlte nicht, sich Gehorsam für das zu verschaffen, was ihr Zustand jetzt so gebietend zu erheischen schien. Der Mond war hinter eine Schichte dünner, wolliger Wolken getreten, die den Horizont umdüsterten, und ließ gerade so viel von seinem blassen flimmernden Lichte übrig, um die Gegenstände sichtbar zu machen, dunkel ihre Formen und Verhältnisse enthüllend. Der Streifschütz hatte es wirklich – er übte den Einfluß über seine Genossen aus, den gewöhnlich Erfahrung und Entschlossenheit in Nothfällen geben – dahin gebracht, daß sie sich tief in dem Gras verbargen, und er selbst ward durch den schwachen Mondschein in Stand gesetzt, den ungeordneten Trupp zu überschauen, der wie eben so viele Rasende gerade auf sie zuritt.

Ein Haufen von Wesen, die eher Dämonen, als einer Streifhorde, in ihren nächtlichen Zügen über die schwarze Ebene glichen, näherte sich ihnen in der That auf eine furchtbare Weise und in einer Richtung, die wenig Hoffnung übrig ließ, daß nicht wenigstens einige von ihnen über die Stelle kommen würden, wo der Streifschütz und seine Genossen verborgen lagen. Manchmal wurde das Klappern der Hufe vom Nachtwind ganz hörbar ihnen zugetragen, und dann war ihr Zug wieder durch das Gestrüpp des Herbstgrases nicht zu vernehmen und still, was noch viel zur Vermehrung des Geisterhaften und Ueberirdischen ihrer Erscheinung beitrug. Der Streifschütz, der seinen Hund zu sich gerufen, und ihn zur Erde niedergedrückt hatte, kniete jetzt ebenfalls in das Gras nieder und richtete ein wachsames, festes Auge auf den Zug der Bande, beschwichtigte die Furcht des Mädchens und dämpfte in demselben Augenblick die Ungeduld des Jünglings.

»Wo einer ist, da sind gleich dreißig von den Wichten,« sagte er als Episode zu seinen lispelnden Ermahnungen; »ah, sie wenden sich gegen den Fluß; – still, – Bursch, – still – nein, da kommen sie gerade hierher – die Kerl scheinen ihren eigenen Weg nicht zu wissen. – Wären wir nur etwa unserer sechs, Junge, was für eine prächtige Canonade wollten wir auf sie machen, von hier aus – es geht nicht, es geht nicht; duckt Euch besser, Junge, sonst sieht man Euren Kopf, – Auch bin ich nicht ganz gewiß, ob es recht wäre, da sie uns kein Leid gethan. Da wenden sie sich wieder zum Fluß – nein, hier kommen sie dem Hügel herauf – nun ist der Augenblick, so still zu sein, als ob der Athem seine Schuldigkeit gethan und den Körper verlassen habe.«

Die Gestalt des alten Mannes fiel in’s Gras, während er noch sprach, gleich als wenn die endliche Trennung, worauf er eben angespielt, bei ihm wirklich vorgegangen wäre, und im nächsten Augenblick fuhr eine Bande wilder Reiter an ihnen vorbei, mit der geräuschlosen Schnelligkeit, womit etwa ein Trupp Gespenster vorüber gehen würde. Die dunkeln, schnellen Gestalten waren schon verschwunden, als der Streifschütz sein Haupt, mit den Spitzen des geneigten Gestrüpps gleich, zu erheben wagte und zugleich seine Genossen bedeutete, ihre Lage und Stille ferner zu beobachten.

»Sie sind den Hügel hinunter nach dem Lager,« fuhr er fort mit seiner früheren behutsamen Stimme; »nein, sie halten unten im Grund und stecken die Köpfe zusammen, wie Rehe, wenn sie Rath halten. Bei Gott! sie kehren um, und wir sind das Ungeziefer noch nicht los!«

Nochmals suchte er sein freundliches Lager, und alsbald sah man den dunkeln Trupp unordentlich oben auf dem Gipfel der kleinen Erhöhung reiten. Es ward jetzt offenbar, sie waren zurückgekommen, sich der Anhöhe zu bemächtigen, um den dunkeln Horizont von da zu untersuchen.

Einige stiegen ab, während andere hin- und herritten, wie wenn man eine Gegend mit großer Sorgfalt erforscht. Zum Glück für die Versteckten diente das Gras, worin sie verborgen waren, nicht allein dazu, sie den Augen der Wilden zu verdecken, sondern hinderte auch ihre Pferde, welche nicht weniger roh und unbändig als ihre Reiter waren, sie in ihrem ungeregelten und wilden Lauf zu treten.

Endlich rief ein, athletischer und finsterblickender Indianer, der nach seinem gebietenden Aeußern der Führer schien, seine Häuptlinge zu einer Berathung zusammen, die zu Pferde gehalten ward, Diese Versammlung kam dicht an der Grenze des Gebüsches zusammen, worin der Streifschütz und seine Genossen lagen. Als der junge Mann aufblickte, und die drohende, stolze Gruppe sah, welche mit jedem Augenblick durch eine Gestalt anwuchs, die scheinbar noch herausfordernder als eine von den vorigen war, nahm er aus einem sehr natürlichen Antrieb sein Gewehr neben sich und setzte es allmählich in Stand zu schnellem Gebrauch. Das Mädchen an seiner Seite hüllte ihr Antlitz in’s Gras, aus einem, wo möglich ganz eben so natürlichen und ihrem Geschlecht und Thun angemessenen Gefühl; und ließ ihn den Eingebungen seines heißen Blutes folgen, aber sein bejahrter und vorsichtigerer Rathgeber sagte ihm ernst in’s Ohr: »Das Knacken des Schlosses ist den Burschen so gut bekannt, als der Ton der Trompete dem Soldaten. Legt nieder die Flinte, nieder; sollte der Mond den Lauf treffen, so würden die T – l sie gewiß sehen, ihre Augen sind so scharf, wie die der schwärzesten Schlange! Die geringste Bewegung würde uns sicher einen Pfeil bringen.«

Der Bienenjäger gehorchte in so weit, als er unbeweglich und still blieb. Aber sein Gefährte sah noch so viel, um sich an den zusammengezogenen Braunen und dem drohenden Blick des jungen Mannes zu überzeugen, daß eine Entdeckung den Wilden keinen unblutigen Sieg verschaffen würde. Als er seinen Rath nicht geachtet sah, nahm der Streifschütz seine Maßregeln darnach und erwartete den Ausgang mit einer Ergebung und Ruhe, die so sehr in seinem Charakter lagen.

Mittlerweile hatten die Sioux (denn der Scharfblick des alten Mannes betrog ihn in Hinsicht seines gefährlichen Besuchs nicht) ihren Rath geendet, und zerstreuten sich wieder nach allen Seiten der Anhöhe, als ob sie etwas Verborgenes suchten.

»Die Schelme haben den Hund gehört,« lispelte der Streifschütz, »und ihre Ohren sind zu treu, um sich wegen der Entfernung zu betrügen. Lieg‘ fest, Junge, lieg‘ fest, nieder mit dem Kopf bis zur Erde, wie ein Hund der schläft.«

»Laßt uns lieber aufstehen, und auf unsere Kraft vertrauen,« erwiederte sein ungeduldiger Gefährte – –

Er wollte fortfahren, da fühlt er eine Hand fest auf seiner Schulter liegen; er richtet die Augen auf und sieht das dunkle, wilde Gesicht eines Indianers, das ihn fest anblickt. Bei allem Erstaunen und trotz seiner unvortheilhaften Lage, war der Jüngling gar nicht geneigt, so leicht ein Gefangener zu werden. Schneller als der Blitz seiner eigenen Flinte steht er auf seinen Füßen und faßt seinen Gegner mit einer Kraft an der Kehle, die bald den Streit geendet haben würde, – da fühlt er die Arme des Streifschützen um seinen Leib geschlungen, welche mit nicht viel geringerer Kraft als seine eigene alle seine Bewegungen hemmen. Ehe er noch Zeit hatte, seinem Gefährten wegen so offenbarer Verrätherei Vorwürfe zu machen, stand ein Dutzend Sioux um ihn herum, und die ganze Gesellschaft ward genöthigt, sich gefangen zu geben.

Einundzwanzigstes Kapitel.

Einundzwanzigstes Kapitel.

»Spott‘ mit den Göttern nicht, geh‘ fort.
Signor Baptista, soll den Weg ich zeigen?«

Shakespeare.

 

Mahtoree hatte kaum seinen wahren Plan verrathen, als eine allgemeine Salve von Seiten der Grenzwohner bewies, wie sehr sie ihn begriffen. Doch machte die Entfernung und die Schnelligkeit des Ritts ihr Feuer gänzlich nutzlos. Zum Zeichen, wie wenig er diese Feindseligkeit beachte, antwortete der Dahcotah-Häuptling auf die Ladung mit einem schallenden Gelächter, und seinen Carabiner über das Haupt schwingend, machte er, von seinen auserlesenen Kriegern begleitet, einen Umkreis in der Steppe, als verachte er all diese ohnmächtigen Anstrengungen seiner Feinde. Da die Hauptmacht den geraden Weg fortsetzte, kam dieser auserlesene Haufen, von der wilden Darlegung seiner rohen Verachtung zurückkehrend, in den Nachzug, und nahm dort mit einer Geschicklichkeit und Uebereinstimmung seinen Platz ein, die zeigte, daß das Manöuver mit Vorbedacht gemacht worden.

Ladung folgte schnell auf Ladung, bis der erzürnte Auswanderer trotz seines Widerstrebens genöthiget war, den Gedanken, seinem Feind mit so schwachen Mitteln zu schaden, aufzugeben. Er unterließ seine fruchtlose Anstrengung, und begann eine schnelle Verfolgung; gelegentlich eine Flinte abschießend, um die Garnison in Allarm zu bringen, die er klüglich unter dem Commando der furchtbaren Esther selbst zurückgelassen hatte. Auf diese Art wurde die Jagd mehrere Minuten fortgesetzt, während der die Reiter ihren Verfolgern allmählig zuvorkamen, obgleich diese den Lauf mit unglaublicher Ausdauer fortsetzten.

Als der kleine blaue Punct sich an dem Himmel wie ein Eiland zeigte, das aus der Tiefe steigt, erhoben die Wilden gelegentlich ein Triumphgeschrei. Aber die Nebel des Abends sammelten sich schon über den ganzen östlichen Rand der Steppe, und ehe die Bande die Hälfte des Weges zurückgelegt, war der dunkle Rand des Felsen mit dem Gewölk des Hintergrundes zusammengeflossen. Gleichgültig gegen diesen Umstand, der ihre Pläne eher begünstigte als störte, setzte Mahtoree, der wieder an die Spitze geritten, seinen Weg mit der Genauigkeit eines Jagdhundes von der besten Zucht fort, und mäßigte nur ein wenig seine Eile, da die Pferde jetzt ganz außer Athem waren. Um diese Zeit ritt der Alte an Middletons Seite, und sprach zu ihm auf Englisch:

»Das gibt wohl einen Raubzug, woran ich, ich muß es gestehen, nicht gern Theil haben möchte.«

»Was wollt Ihr machen. Es würde gefährlich sein, uns den Schelmen hinter uns zu überlassen.«

»Ja, Schelme sind es, mögen sie roth sein oder weiß. Thut, Junge, als sprächt Ihr von unserer Arznei, oder als lobtet Ihr die Teton-Pferde. Denn die Schelme hören gern den Ruhm ihrer Thiere, wie etwa eine thörichte Mutter in den Ansiedelungen das Lob ihres eigensinnigen Kindes erfreut. So, streichelt das Vieh, und legt Eure Hand auf die Zierrathen, womit die Rothhäute seine Mähne geschmückt haben; richtet Euer Auge auf das Eine und Euer Herz auf das Andere. Hört, wenn wir’s klug anfangen, können wir mit Einbruch der Nacht diese Teton verlassen.«

»Ein herrlicher Gedanke!« rief Middleton, dem der bewundernde Blick, womit Mahtoree die Lieblichkeit seiner Inez betrachtet hatte, so wie auch dessen spätere Anmaßung, ihr Schützer sein zu wollen, noch in peinlichem Andenken war.

»Himmel! Welch ein schwaches Wesen ist der Mensch, wenn die Gaben der Natur in Büchergelehrsamkeit und weibischen Sitten zu Grunde gehen. Noch ein solcher Blick würde den Wichten neben uns gerade eben so deutlich sagen, daß wir gegen sie Complotte machen, als wenn wir es ihnen in ihrer Sprache in die Ohren raunten. Ei, ich kenne die T –l, sie sehen so unschuldig aus wie die spielenden Rehkälber, aber es ist kein einziger unter ihnen, der nicht ein Auge auf unsere geringsten Bewegungen hat. Daher muß Alles, was geschehen soll, mit Weisheit geschehen, um ihre List zu überlisten. So ist’s recht; streichelt seinen Nacken und lächelt, als ob Ihr das Pferd prieset, und haltet Euer Ohr neben mir offen für meine Worte. Gebt Acht, daß Ihr Euer Thier nicht ermüdet, denn so wenig ich auch von Pferden verstehe, sagt mir doch die Vernunft, daß zu einem tüchtigen Ritt Athem gehört, und daß ein müdes Bein einen schlechten Lauf macht. Seid bereit auf das Signal, wenn Ihr den alten Hektor heulen hört Das erste Mal soll es Euch bereit halten, das zweite Mal müßt Ihr Euch von dem Haufen trennen, und das dritte Mal, hu – – Ihr versteht mich?«

»Vollkommen, vollkommen,« sagte Middleton und zitterte vor Eifer, den Plan sogleich in’s Werk zu setzen, und drückte die kleine Hand, die ihn umfaßte, an sein Herz. »Vollkommen; eilt, eilt!«

»Ei, das Thier ist nicht faul,« fuhr der Streifschütz in der Tetonsprache fort und drückte sich zu gleicher Zeit vorsichtig durch den Haufen, bis er sich an Paul’s Seite reiten sah. Er theilte ihm seinen Plan auf dieselbe bedächtige Weise mit, wie dem Andern. Der muthige, furchtlose Bienenjäger empfing die Nachricht mit Entzücken und erklärte seine Bereitwilligkeit, es mit der ganzen wilden Bande aufzunehmen, wenn es zu ihrem Plan nöthig sein sollte. Als der Alte von diesem Paar weggekommen, sah er sich um, die Lage zu entdecken, in der sich der Naturforscher befände.

Der Doctor hatte mit unendlicher Mühe für sich und den Esel eine Stellung in der Mitte der Sioux behauptet, so lange als noch die geringste Ursache zu fürchten da war, es könnten Ismael’s Geschosse in Contact mit seiner Person kommen. Als diese Gefahr sich gemindert, oder vielmehr ganz verschwunden war, lebte sein Muth wieder auf, während der seines Thiers zu sinken begann. Dieser gegenseitigen, aber sehr wichtigen Veränderung war es zuzuschreiben, daß der Reiter und der Esel jetzt unter der Abtheilung der Bande gesucht werden mußten, die gleichsam die Nachhut bildeten. Dahin also gelang es dem Streifschütz seine Stute zu lenken, ohne den Verdacht eines seiner listigen Gefährten zu erregen.

»Freund,« begann der Alte, als er sich in einer zur Unterredung passenden Stellung befand; »würdet Ihr gerne ein Dutzend Jahre unter den Wilden mit geschorenem Kopf, einem bemalten Gesicht und vielleicht einem Schock Weiber und fünf oder sechs Kindern, halberzogen, die Euch Vater nennen würden, zubringen wollen?«

»Unmöglich!« rief der erstaunte Naturforscher: »ich bin überhaupt nicht geneigt zu heirathen, und ganz besonders gegen alle Vermischung zwischen Varietäten einer Species, die nur dazu dienen, die Schönheit zu mindern und die Harmonie der Natur zu unterbrechen. Außerdem ist es eine beschwerdevolle Neuerung in der Ordnung der Nomenklatur.«

»Ei, Ihr habt hinlänglich Grund für Euren Widerwillen gegen solch ein Leben; aber sollten die Sioux hübsch in ihre Dörfer zurückkommen, würde das Euer Loos sein, so gewiß nach dem Willen des Herrn die Sonne aufgeht und niedersinkt.«

»Mich verheirathen mit einem Weib, das nicht geschmückt ist mit der Schönheit ihrer Species!« antwortete der Doctor; »welches Verbrechens hab‘ ich mich schuldig gemacht, daß so schreckliche Strafe meiner warten sollte? Jemanden gegen seinen Willen verheirathen, heißt der Menschennatur Gewalt anthun!«

»Nun, da Ihr von Natur sprecht, hoffe ich, hat die Gabe der Vernunft nicht gänzlich Euren Hirnschädel verlassen,« entgegnete der Alte, und ein versteckter Ausdruck von Scherz spielte um die Winkel seiner Augen, und verrieth, daß ihm nicht ganz die Laune abging. »Ja, sie können Euch als einen ganz besondern Gegenstand ihrer Güte ausersehen, und Euch deßwegen an fünf oder sechs verheirathen. Ich hab‘ in meinem Leben begünstigte Häuptlinge gekannt, die zahllose Weiber hatten.«

»Aber warum sollten sie diese Rache erdenken?« fragte der Doctor, dessen Haar sich aufrichtete, als besäße jede Fiber Empfindung; »welches Böse hab‘ ich gethan?«

»Von der Art ist ihre Güte. Wenn sie erfahren, daß Ihr ein großer Arzt seid, werden sie Euch in den Stamm aufnehmen, ein mächtiger Häuptling wird Euch seinen Namen geben, und vielleicht auch seine Tochter, oder ein Weib oder zwei von seinen eigenen, die lange bei ihm gewohnt, und von deren Werth er aus Erfahrung urtheilen kann.«

»Der Erhalter und Gründer der natürlichen Harmonie schütze mich!« rief der Doctor. »Ich fühle keine Zuneigung zu einer einzigen Gemahlin, viel weniger zu Dupletten und Tripletten aus derselben Classe. Ich werde gewiß eher zu fliehen suchen, als ich in eine so gewaltsame Vereinigung einwillige.«

»So ist Vernunft in Euren Worten, aber warum nicht die Flucht, von der Ihr sprecht, sogleich versuchen?«

Der Naturforscher sah sich furchtsam um, als wenn er geneigt wäre, sogleich eine Probe von seiner verzweifelten Anstrengung zu geben, aber die dunkeln Gestalten, welche auf jeder Seite bei ihm ritten, verdreifachten sich plötzlich an Anzahl, und das Dunkel, das sich schon dicht auf die Steppe herabgelassen, schien in seinen Augen den Glanz des Vollmonds zu bergen.

»Es würde zu frühzeitig sein und die Vernunft verbietet es,« antwortete er. »Laßt mich, verehrungswürdiger Jäger, mit meinen Gedanken zu Rathe gehen, und wenn meine Pläne gehörig geordnet sind, will ich Euch meinen Entschluß mittheilen.«

»Entschluß!« wiederholte der Alte und schüttelte den Kopf etwas verächtlich, als er seinem Pferd die Zügel schießen ließ und ihn unter die Stuten der Wilden trieb. »Entschluß ist kein Wort, das man in den Ansiedelungen gebraucht und an den Grenzen versteht. Kennt mein Bruder das Thier, worauf das Blaßgesicht reitet?« fuhr er fort und wandte sich an einen finsterblickenden Krieger in dessen Sprache, während er zugleich eine Bewegung machte, die ihn auf den Naturforscher und das sanfte Thier hinwies.

Der Teton wandte einen Augenblick sich nach dem Esel, wollte aber nicht im mindesten die Verwunderung verrathen, die er mit all seinen Gefährten empfunden hatte, als er zuerst ein so seltenes Quadruped erblickte. Dem Streifschützen war nicht unbekannt, daß während Esel und Maulthiere bei jenen Stämmen in Gang kamen, die am nächsten bei Mexiko wohnten, sie dagegen so weit nördlich, wie die Wasser des la Plata nicht gewöhnlich waren. Er begnügte sich daher, das stumme Erstaunen, das so tief verborgen lag, in dem rohen Gesicht des Wilden zu lesen, und nahm dem gemäß seine Maßregeln.

»Glaubt mein Bruder, daß der Reiter ein Krieger der Blaßgesichter ist?« fragte er, als er glaubte, es sei hinlängliche Zeit verflossen, um die friedliche Miene des Naturforschers zu untersuchen.

Ein verächtlicher Blick, der über die Züge des Teton schoß, war selbst bei dem düstern Sternenlicht zu bemerken.

»Ist ein Dahcotah ein Narr!« war die Antwort.

»Sie sind eine weise Nation, deren Augen sich nie schließt; so wundere ich mich, daß sie nie den großen Arzt der Langmesser gesehen.«

»Wagh!« rief der Andere und ließ seine volle Verwunderung aus seinen finstern, strengen Zügen bei der Ueberraschung hervorbrechen, wie wenn ein Blitzstrahl das Dunkel der Mitternacht erhellt.

»Der Dahcotah weiß, daß ich nicht zweizüngig bin; er lasse seine Augen sich weiter öffnen; sieht er nicht einen großen Arzt?«

Licht war nicht nöthig, um dem Wilden jenen Zug in dem in der That merkwürdigen Aeußern und Verhalten des Doctor Battius zurückzurufen. Wie die übrige Bande und nach der allgemeinen Gewohnheit der Indianer hatte dieser Krieger, während er nicht zuließ, daß ein Blick eitler Neugierde seine Mannheit entwürdige, nicht einen einzigen auszeichnenden Zug, der einen der Fremden charakterisiren könnte, sich entschlüpfen lassen. Er kannte die Art, Gestalt, die Kleidung die Züge, selbst die Farbe der Augen und des Haars eines jeden Großmesser, mit denen er so seltsam zusammengetroffen, und hatte ernst über den Ursachen gebrütet, die einen so sonderbar beschaffenen Haufen in die Höhlen der rohen Einwohner seiner vaterländischen Wüsten gebracht haben könnte. Er hatte schon die verschiedene Körperstärke des ganzen Haufens betrachtet und ihre Geschicklichkeit mit dem, was er für ihre Absicht hielt, verglichen. Krieger waren’s nicht, denn die Großmesser, wie die Sioux, ließen ihre Weiber in den Dörfern, wenn sie den blutigen Pfad des Kriegs betraten. Dieselben Schwierigkeiten trafen ein, wenn man sie für Jäger oder Kaufleute nahm, jene beiden, Eigenschaften, unter denen gewöhnlich weiße Leute bei ihnen erschienen. Er hatte von einer großen Versammlung gehört, bei der die Menahashah oder Langmesser und die Washsheomantiqua oder Spanier zusammen geraucht hatten, als die letztern den erstern ihre vermeintlichen Rechte über jene weiten Gegenden verkauft hatten, durch die seine Nation seit so vielen Jahrhunderten in voller Freiheit hingewandert. Sein einfacher Verstand war nicht fähig gewesen, die Ursachen zu fassen, aus welchen ein Volk auf diese Art eine Oberherrschaft über die Besitzungen eines andern sich anmaßen könnte, und man wird sich leicht denken, daß bei dem eben vom Streifschützen bekommenen Wink er nicht ungeneigt war, sich einzubilden, es solle etwas von der geheimnißvollen Feinheit jenes magischen Einflusses, woran er so fest glaubte, von dem arglosen Gegenstand ihrer Unterredung zur Förderung jener wunderbaren Ansprüche angewandt werden. Er warf deßwegen bei der sich bewußten Hülflosigkeit alle Zurückhaltung und Würde in seinem Benehmen ab, wandte sich zu dem Alten und sagte, seine Arme ausstreckend, als wolle er dadurch zeigen, wie sehr er seiner Gnade überlassen sei; »möge mein Vater auf mich blicken. Ich bin ein Wilder der Steppen, mein Leib ist nackt, meine Hand wehrlos, meine Haut roth. Ich hab‘ die Pawnee, die Konza, die Omahaw, die Osagen und selbst die Langmesser geschlagen. Ich bin ein Mann unter Kriegern, aber ein Weib unter Beschwörern. Möge mein Vater sprechen; die Ohren des Tetons sind offen; er hört wie ein Reh auf den Schritt des Cougars.

»Dies sind die Wege, die weisen und unerforschlichen Dessen, der allein das Gute zu unterscheiden weiß vom Bösen,« rief der Streifschütz auf Englisch aus. »Dem Einen gibt er List, dem Andern die Gabe der Männlichkeit. Es ist demüthigend und rührend, so ein edles Geschöpf, wie diesen, zu sehen, der in mancher blutigen Schlacht gefochten, und vor seinem Aberglauben sich beugt, wie ein Bettler, der sich die Knochen erbittet, die ihr vor die Hunde werfen würdet. Der Herr möge mir vergeben, daß ich mit der Unwissenheit des Wilden spiele, denn er weiß, ich thu‘ es nicht, aus Scherz über seinen Zustand oder aus eitler Prahlerei über den meinigen, sondern um ein Menschenleben zu retten, und Gerechtigkeit dem Bedrängten zu verschaffen, während ich die T – leien des Bösen zu nichte mache. »Teton,« fuhr er in dessen Sprache fort, »ich frage Euch, ist das nicht ein wunderbarer Arzt? Wenn die Dahcotah weise sind, werden sie die Luft nicht athmen, die er athmet, noch sein Kleid berühren. Sie wissen, daß der Wahconshecheh (böse Geist) seine Kinder liebt, und dem nicht den Rücken kehren wird, der ihnen Leid zufügt.«

Der Alte gab diese Meinung auf eine bedeutungsvolle kurze Weise und ritt dann zur Seite, als habe er genug gesagt. Der Erfolg entsprach seinen Erwartungen. Der Krieger, an den er sich gewendet, theilte bald seine wichtige Nachricht den Uebrigen in der Nachhut mit, und in wenig Augenblicken war der Naturforscher Gegenstand allgemeiner Hochachtung und Ehrerbietung. Der Streifschütz, welcher wußte, daß die Eingebornen oft in der Absicht, sich ihn günstig zu machen, den bösen Geist verehrten, erwartete die Wirkung seiner List mit der Kaltblütigkeit eines Mannes, der nicht den geringsten Antheil an dem Erfolg nähme. Es dauerte nicht lange, und er sah eine dunkele Gestalt nach der andern das Pferd antreiben und schnell in den Mittelpunkt der Bande galoppiren, bis Weucha allein bei ihm und Obed blieb. Nur die Unempfindlichkeit dieses stumpfsinnigen Wilden, der immerfort den vermeintlichen Beschwörer mit einer Art dummer Bewunderung anstaunte, legte jetzt noch das einzige Hinderniß dem vollständigen Gelingen seiner List in den Weg.

Vollkommen mit dem Charakter dieses Wilden bekannt, verlor der Alte keine Zeit, sich auch seiner zu entledigen. Er ritt zu ihm und sagte mit verstelltem Lispeln:

»Hat Weucha von der Milch der Großmesser heute getrunken?«

»Hugh!« rief der erstaunte Wilde, da sogleich jeder dumpfe Gedanke durch die Frage vom Himmel zur Erde herabgerufen ward.

»Weil der große Capitain meines Volkes, der an der Spitze reitet, eine Kuh hat, die nie leer ist. Ich weiß, es wird nicht lange währen und er wird sagen: haben einige meiner rothen Brüder Durst?«

Die Worte waren kaum ausgesprochen, als Weucha ebenfalls sein Thier antrieb und bald mit den Uebrigen in der schwarzen Gruppe sich mischte, die wenig vor ihm in langsamerem Schritt ritten. Der Streifschütz, welcher wußte, wie häufig und plötzlich die Veränderungen in einem wilden Gemüth seien, verlor keinen Augenblick, seinen Vortheil zu benutzen. Er ließ seiner ungeduldigen Stute den Zügel schießen, und war in einem Augenblick wieder bei Obed.

»Seht Ihr den glitzernden Stern, der etwa auf vier Büchsenschuß Länge über der Steppe hierherum sein mag, gegen Norden, mein‘ ich.«

»Ei, er ist von der Constellation – –«

»Den T –l mit Euren Constellationen, Mann; seht Ihr den Stern, den ich meine? Sagt mir auf gut Englisch ja oder nein!« »Ja.«

»Sobald ich mich umwende, laßt Eurem Esel den Zügel schießen, bis Ihr den Wilden aus dem Gesichte kommt. Dann nehmt den Herrn zu Eurem Schutz und diesen Stern zum Führer. Weicht weder zur Rechten noch zur Linken, sondern benutzt Eure Zeit, denn Euer Thier ist nicht schnell genug zu Fuß, um jeder Zoll der Steppe, den Ihr gewinnt, ist ein Tag, den Ihr Eurem Leben und und Eurer Freiheit hinzufügt.«

Ohne die Fragen zu erwarten, zu denen der Andere sich anschickte, ließ der Alte wieder seinem Pferde die Zügel schießen, und alsbald verlor auch er sich in der Gruppe vornen.

Obed war jetzt allein. Der Esel gehorchte willig dem Wink, den sein Herr bald mehr aus Verzweiflung, als weil er sich der Anweisung deutlich bewußt gewesen, die er empfangen, ihm gab; er ritt langsamer. Da die Teton aber stets galoppirten, war nur ein Augenblick nöthig, sie gänzlich aus seinem Gesicht zu bringen. Ohne Plan, Erwartung und Hoffnung irgend einer Art, nur mit dem Wunsch, seinen gefährlichen Nachbarn zu entgehen, suchte sich der Doctor zuerst durch Fühlen zu versichern, ob das Gepäck, das die traurigen Ueberreste seiner Specima und Noten enthielt, sicher hinter ihm verwahrt sei, wandte dann sein Thier nach der bezeichneten Richtung, kniff ihn mit einer Art Wuth, und war bald so glücklich, die Eile des geduldigen Thiers zu einem kurzen Trab zu erhöhen. Er war kaum in eine Höhlung hinabgejagt, und hatte die daranliegende Höhe erstiegen, als er in gutem Englisch aus den Kehlen von zwanzig Teton seinen Namen hörte, oder vielmehr ihn zu hören glaubte. Diese Täuschung gab seinem Eifer neuen Schwung, und kein Tanzmeister übte je größere Geschicklichkeit, als der Naturforscher jetzt mit seinen Fersen auf des Esels Rippen an den Tag legte. Diese Reibung dauerte ohne Unterbrechung mehrere Minuten, und allem Anschein nach würde sie bis jetzt gewährt haben, hätte nicht das stille Gemüth des Thiers selbst eine ungewohnte Erregung gezeigt. Der Weise, worin sein Herr seine Tätigkeit äußerte, nachahmend, änderte Asinus in so weit die Bewegung seiner eigenen Hufe, daß er sie zugleich in unwilligem Schwung in die Luft warf; eine Maßregel, die alsbald den Streit zu seinen Gunsten entschied. Obed verließ seinen Sitz, als eine Position, die nicht länger haltbar sei, setzte jedoch seine Flucht in derselben Richtung fort, während der Esel, als Sieger, Besitz von dem Schlachtfeld nahm, und die trockenen Kräuter, Früchte seiner Tapferkeit, abzuweiden begann.

Als Doctor Battius wieder auf seine Füße gekommen war und sich gesammelt hatte, da seine Geisteskräfte durch die übereilte Weise, wie er seine frühere Lage verlassen, sehr in Unordnung gerathen waren, wandte er um, seine Pflanzen und seinen Esel zu suchen. Asinus war hochherzig genug, die Zusammenkunft eine friedliche sein zu lassen, und so setzte der Naturforscher die nöthige Reise mit sehr löblichem Eifer, aber gemäßigter fort.

Indeß hatte der alte Streifschütz die wichtigen Bewegungen, deren Leitung er selbst über sich genommen, nicht aus dem Auge verloren. Obed hatte sich nicht geirrt, als er vermuthete, daß er schon vermißt und gesucht werde, wiewohl seine Einbildungkraft gewisses wildes Geschrei zu den wohlbekannten Tönen, die seinen lateinischen Namen bildeten, verfälscht hatte. Das Wahre war kurz dieses. Die Krieger des Nachtrupps hatten nicht versäumt, die vor ihnen mit dem mysteriösen Charakter bekannt zu machen, in welchem der Streifschütz den arglosen Naturforscher hatte darstellen wollen. Dieselbe unbegrenzte Bewunderung, welche bei dieser Nachricht die hinten nach vornen getrieben hatte, trieb jetzt viele von der Spitze zu dem Nachtrupp. Der Doctor war aber fort, und das Geschrei war nur der wilde Ruf, den sie im ersten Anfall ihres wilden Befremdens erhoben hatten.

Aber Mahtoree’s Ansehn unterstützte kräftig den Scharfsinn des Streifschützen im Unterdrücken dieses gefährlichen Lärmens. Als die Ordnung hergestellt war, und jener die Ursache erfuhr, warum seine Leute solche Unvorsichtigkeit gezeigt, sah der Alte, der an seine Seite gekommen, mit Bestürzung den Strahl hohen Mißtrauens, der in seinem schwarzen Gesicht blitzte.

»Wo ist Euer Beschwörer?« fragte der Häuptling, und wandte sich plötzlich zum Streifschützen, als wolle er ihn für die Wiedererscheinung Obed’s verantwortlich machen.

»Kann ich meinem Bruder die Zahl der Sterne sagen? Die Wege eines großen Arztes sind nicht gleich den Wegen anderer Leute.«

»Hör‘, Graukopf, und erwäge meine Worte,« fuhr der Andere fort und neigte sich auf seinen rohen Sattelknopf, wie ein gebildeter Reiter, und sprach in den stolzen Worten oberster Gewalt: »die Dahcotah haben kein Weib zu ihrem Anführer gemacht; wenn Mahtoree die Macht eines großen Zauberers empfindet, wird er zittern, – bis dahin, will er selbst sehen, ohne sich die Augen von einem Blaßgesichte zu borgen. Wenn Euer Beschwörer nicht bis morgen bei seinen Freunden ist, sollen meine Leute nach ihm sehen. Eure Ohren sind offen. Genug.«

Dem Streifschützen gefiel’s nicht übel, daß so lange Frist gewährt worden. Er hatte schon vorher sich zu glauben veranlaßt gesehen, der Teton-Häuptling sei einer jener kühnen Geister, die die Schranken überschreiten, welche Gewohnheit und Erziehung den Meinungen des Menschen in jedem Stande der Gesellschaft setzen, und sah nun deutlich, er müsse, um diesen zu täuschen, eine andere List ersinnen, als die gewesen, welche ihm so wohl bei seinen Begleitern geglückt war. Die plötzliche Erscheinung des Felsens jedoch, der eine dunkle, zackige Masse aus der Dunkelheit hervorstreckte, machte für jetzt dem Gespräch ein Ende, da Mahtoree alle seine Gedanken auf die Ausführung seiner Pläne gegen den Rest von des Auswanderers Habe richtete. Ein Murmeln lief durch die Bande, als jeder finstere Krieger den ersehnten Haven zu Gesicht bekam, und dann hatte das zarteste Ohr vergebens sich anstrengen mögen, ein lauteres Geräusch zu vernehmen, als das Rascheln der Tritte in dem hohen Gestrüpp der Steppe war.

Aber Esther’s Wachsamkeit konnte nicht leicht hintergangen werden; sie hatte lange ängstlich auf die verdächtigen Töne gelauscht, die über die nackte Wüste sich dem Felsen näherten, und den plötzlichen Ruf der Wachen des Felsens nicht überhört. Die Wilden, welche in geringer Entfernung abgestiegen waren, hatten nicht Zeit, sich in ihrer gewohnten stillen, nachstellenden Weise um den Fuß des Hügels herumzuziehen, als schon die Stimme der Amazone in der Stille des Orts sich erhob und furchtlos fragte: »Wer ist unten? Antwortet, es gilt Euer Leben! Sioux oder T – l, ich fürcht‘ Euch nicht!«

Der Ausforderung ward nichts erwiedert, und jeder Krieger, sicher, seine dunkle Gestalt schwimme mit den Schatten der Ebene zusammen, hielt, wo er stand. In diesem Augenblick entschloß sich der Streifschütz zu entwischen. Er war mit den übrigen seiner Freunde unter der Bewachung derer, denen auch die Aufsicht über die Pferde gegeben worden war, zurückgelassen worden, und da sie alle zu Pferde blieben, schien der Augenblick dem Plane günstig. Die Aufmerksamkeit der Wachen war auf den Felsen gerichtet, und eine dunkle Wolke, die in diesem Augenblick über ihnen hintrieb, verfinsterte selbst das schwache Licht, das von den Sternen kam. Der Alte lehnte sich auf den Nacken seines Pferdes und flüsterte: »Wo ist mein Kleiner? Wo ist er? Hektor! Wo ist der Hund!«

Das Thier hörte die wohlbekannten Töne und antwortete mit einem freundlichen Winseln, das in ein durchdringendes Heulen auszubrechen drohte. Der Streifschütz wollte sich von seiner gelungenen That erheben, als er Weuchas Hand an seiner Kehle fühlte, wie wenn sie entschlossen sei, seine Stimme durch den kurzen Prozeß der Erdrosselung zu unterdrücken. Diesen Umstand benutzend, erhob er einen zweiten leisen Ruf, als sei er nur die natürliche Anstrengung, zu Athem zu kommen, und erhielt einen zweiten antwortenden Ton von dem Hunde. Weucha ließ sogleich den Herrn los, um seine Rache an dem treuen Diener auszuüben. Aber man hörte wieder Esther’s Stimme, und jeder andere Plan ward im Lauschen aufgegeben.

»Ei, winselt und verstellt eure Kehlen, soviel ihr wollt, ihr Ungeziefer des Dunkels,« sagte sie mit einem verächtlichen Lachen; »ich kenn‘ euch; wartet, ihr sollt Licht zu euern Unthaten haben. Wirf die Kohlen hinein, Phöbe, die Kohlen; dein Vater und die Burschen sollen sehen, daß man sie zu Haus braucht, um ihre Gäste zu bewillkommnen!«

Selbst als sie noch sprach, sah man ein helles Licht, wie das eines glanzenden Sterns, auf der Spitze des Felsen, und dann folgte eine züngelnde Flamme, die für einen Augenblick in den Windungen eines Ungeheuern Strohhaufens sich hinschlängelte, dann in einem Strahl aufschoß, in der bewegten Luft hin und her brauste und mit glänzender Helle alle Gegenstände in ihrem Bereich bestrahlte. Ein erschütterndes Gelächter hörte man von der Höhe, in das sich Stimmen von jedem Alter mischten, als triumphirten sie, daß sie der Teton verrätherische Plane so glücklich an’s Licht gebracht.

Der Streifschütz blickte umher, sich über die Lage seiner Freunde zu unterrichten. Den Zeichen treu, hatten Middleton und Paul sich ein wenig bei Seite gezogen und standen jetzt allem Anschein nach bereit, bei dem dritten Schrei ihre Flucht zu beginnen. Hektor war seinem wilden Verfolger entwischt und krümmte sich wieder an die Hufe von seines Herrn Pferd. Aber der weite Lichtkreis vermehrte sich allmählich in Ausdehnung und Stärke, und der Alte, dessen Auge und Urtheil ihn selten trog, erwartete geduldig einen günstigeren Augenblick für seine Unternehmung.

»Nun, Ismael, Mann, wenn Gesicht und Arm treu sind, wie je, ist eine Gelegenheit da, auf diese Rothhäute loszuschlagen, die all‘ dein Eigenthum, selbst dein Weib und deine Kinder sich zueignen wollen. Nun, mein guter Mann, zeig‘ deiner Abstammung, deines Namens dich würdig!«

Ein fernes Geschrei hörte man in der Richtung des herankommenden Haufens des Wanderers, das der weiblichen Garnison andeutete, daß Hülfe nicht mehr fern sei. Esther antwortete den angenehmen Tönen durch einen Schrei von ihren eignen und erhob ihre Gestalt im ersten Freudenausbruch auf eine Weise über den Felsen hervor, daß sie denen unten ganz sichtbar wurde. Nicht zufrieden mit dieser gefährlichen Preisgebung ihrer selbst, wollte sie ihre Hände frohlockend zusammenschlagen, als Mahtoree’s dunkle Gestalt in das Licht sprang und sie ihr auf den Rücken band. Drei andere Krieger sprangen auf den Gipfel des Felsens gleich nackten Dämonen, die durch die Wolken sausen. Die Luft ward mit Bränden von dem Lärmzeichen angefüllt, und dann folgte tiefes Dunkel, nicht unähnlich jenem, wenn die letzten Sonnenstrahlen durch den herankommenden Mond ausgeschlossen werden. Nun stießen die Wilden ihrerseits ein Triumphgeschrei aus, das von einem langen, lauten Winseln des Hundes mehr begleitet, als abgelöst ward.

In einem Augenblick war der Alte zwischen Middletons und Paul’s Pferden und streckte eine Hand nach dem Zaum eines jeden aus, um die Ungeduld der Thiere zu mäßigen.

»Langsam, langsam,« lispelte er; »ihre Augen sind seltsam für einen Augenblick geschlossen, als hätte der Herr sie mit Blindheit geschlagen; aber ihre Ohren sind offen. Langsam, langsam; fünfzig Schritte, wenigstens, dürfen wir nicht schneller eilen, als man geht.«

Die fünf Minuten, welche folgten, schienen Allen, den Streifschützen ausgenommen, wie ein Jahrhundert. Als sie wieder sehen konnten, schien es Jedem, als ob das augenblickliche Dunkel, das auf das Auslöschen der Feuersäule folgte, durch so helles Licht wie das des Vollmonds ersetzt werden würde. Doch allmählich ließ der Alte die Thiere ihre Schritte beschleunigen, bis sie den Mittelpunkt eines Steppengrundes erreicht hatten. Dann auf seine stille Weise lachend, ließ er die Zügel los und sagte:

»Nun lasst sie ihre Beine anstrengen; aber haltet euch auf dem alten Gestrüpp, um das Geräusch zu dämpfen.«

Wir brauchen nicht erst zu sagen, wie gern man ihm folgte. In wenigen Minuten stiegen sie einer Anhöhe hinauf und durchritten sie, worauf die Flucht mit der größten Eile fortgesetzt ward; wie die arbeitende Barke nach dem Lichte steuert, das den Weg zum Haven und Schutz andeutet, so behielten sie stets den angezeigten Stern im Auge.