Vierundzwanzigstes Kapitel.

»Doch sag‘ mir, Hal, bist du entsetzlich nicht Erstaunt?« –

Shakespeare.

 

Ein zweiter Blick war hinreichend, um die ganze erstaunte Gesellschaft zu überzeugen, daß der junge Pawnee, auf den sie schon einmal gestoßen, wieder vor ihnen stünde. Verwunderung hielt beide Theile stumm, und mehr als eine Minute ward damit hingebracht, daß sie sich gegenseitig mit großen, wenn nicht mißtrauischen Augen anstarrten. Doch war die Ueberraschung des jungen Kriegers bei weitem gemäßigter und würdevoller als die seiner christlichen Bekanntschaft. Während Middleton und Paul den Schrecken, der ihre zarten Begleiterinnen befiel, durch ihr eignes erregtes Blut durchpricklen fühlten, ging das strahlende Auge des Indianers von einem zum andern, als könne der stärkste Angriff es nimmer zu Boden schlagen. Sein Blick ruhte endlich, nachdem er die Runde an jedem verwunderten Antlitz vorüber gemacht hatte, in einem stolzen, festen Schauen auf den gleich unbeweglichen Zügen des Streifschützen. Das Schweigen wurde zuerst von Doctor Battius mit dem Ausruf unterbrochen:

»Ordnung: primates; Genus: homo; Species: Steppe!«

»Ei, ei, da haben wir das Geheimniß,« sagte der alte Streifschütz, und nickte mit dem Kopf, wie wenn man sich Glück wünscht, daß man endlich hinter die Verstecktheit einer knotenreichen Schwierigkeit gekommen. »Der Bursche hat sich in das Gras versteckt, das Feuer ist im Schlaf über ihn gekommen, und, da er sein Pferd verloren, ist er genöthigt gewesen, unter diese frische Büffelhaut sich zu retten. Keine üble Erfindung, wo Pulver und Feuerstein fehlte, um einen Cirkel abzubrennen. Ich schwöre darauf, es ist ein tüchtiger Junge, einer, mit dem es sicher reisen ist. Ich will gütig mit ihm sprechen, denn Leidenschaft kann auf keinen Fall uns in etwas nützen. Mein Bruder ist nochmals willkommen,« sagte er in der dem andern verständlichen Sprache, »die Teton haben ihn geräuchert, wie sie’s etwa einem Tapir machen würden.«

Der junge Pawnee ließ die Augen über die Steppe rollen, als wolle er die furchtbare Gefahr untersuchen, der er eben entgangen, aber er hielt es für unwürdig, die geringste Rührung wegen ihrer Nähe zu verrathen. Seine Stirn zog sich zusammen, als er auf die Bemerkung des Streifschützen antwortete:

»Ein Teton ist ein Hund. Tönt der Pawnee Kriegsgeschrei in ihre Ohren, dann heult die ganze Nation.«

»So ist’s. Die Schurken sind uns auf der Spur, und ich bin froh, einen Krieger zu treffen, der, die Schlachtaxt in der Hand, sie nicht liebt. Will mein Bruder meine Kinder in sein Dorf führen? Wenn die Sioux uns folgen, werden meine jungen Leute sie ihm schlagen helfen.«

Der junge Pawnee wandte seine Blicke von einem der Fremden zum andern, scharf forschend, ehe er auf so wichtige Frage eine Antwort geben wollte. Seine Untersuchung bei den Männern war kurz, und, wie es schien, befriedigend. Aber seine Beschauung, wie dies auch bei ihrer ersten Zusammenkunft geschehen, hielt sich länger auf, und verrieth Bewunderung, als er die hervorstechende und ungewöhnliche Schönheit eines so reizenden und so seltenen Wesens wie Inez in Augenschein nahm. Obwohl auf Augenblicke sein Anstaunen von ihrem Antlitz zu den faßlicheren und doch ausgezeichneten Reizen Ellens hinüberwanderte, kehrte es bald zu dem Studium eines Geschöpfs zurück, das für sein ungeübtes Auge, und seine unbeschränkte Einbildungskraft mit allen Vorzügen ausgeschmückt war, womit der jugendliche Dichter gern die glühenden Gebilde seines aufgeregten Geistes zu begaben pflegt. Nichts so Schönes, so Idealisches, so in jeder Hinsicht Würdiges, dem Muth, der Hingebung eines Kriegers zu lohnen, war ihm noch in den Steppen begegnet, und der junge Tapfere schien tief und sichtlich von ihrem so seltenen Muster der Lieblichkeit ihres Geschlechts gerührt. Als er jedoch bemerkte, daß sein Staunen den Gegenstand seiner Bewunderung beunruhige, wandt‘ er die Augen weg, legte mit Ausdruck die Hand auf die Brust, und antwortete bescheiden:

»Mein Vater soll willkommen sein; die jungen Leute meines Volks sollen mit seinen Söhnen jagen, die Häupter mit dem Greise rauchen. Die Pawnee-Mädchen werden singen vor den Ohren seiner Töchter.«

»Und wenn wir auf die Teton treffen?« fragte der Streifschütz, der vollkommen die wichtigeren Bedingungen seiner neuen Verbündeten zu vernehmen wünschte.

»Der Feind der Großmesser soll den Arm der Pawnee fühlen!«

»Gut. Nun lasse meinen Bruder und mich uns berathen, damit wir nicht gehen mögen auf krummem Pfad, sondern daß unser Weg nach seinem Dorf gleich sei dem Flug der Tauben.«

Der junge Pawnee machte eine ausdrucksvolle Geberde der Zustimmung, und folgte dem Andern etwas bei Seite, damit sie nicht von dem unruhigen Paul oder dem vertieften Naturforscher unterbrochen werden möchten, Ihre Unterredung dauerte nicht lange, aber da sie auf die sententiöse Weise der Eingebornen vor sich ging, war sie hinreichend, beiden Theilen alle nöthige Belehrung zu geben. Als sie zu den Andern zurückkamen, wollte der Alte, wie folgt, einiges von dem, was zwischen ihnen vorgegangen, mittheilen.

»Ei, ich trog mich nicht,« sagte er, »dieser gutaussehende junge Krieger, – denn gut, edel sieht er aus, obwohl er ein wenig durch Bemalung sich schrecklich gemacht hat, – dieser gutaussehende junge Mann also sagt mir, daß er gerade dieser Teton wegen aus ist. Sein Haufen war nicht stark genug, um die T – l zu schlagen, die herunter sind aus ihren Städten in großer Zahl, Büffel zu jagen, und Flüchtlinge sind in die Pawnee Dörfer gekommen um Hülfe. Es scheint, der Junge kennt keine Furcht, denn er hat ihre Spur allein verfolgt, bis, wie wir, er im Gras ein Lager hat suchen müssen. Aber er sagt mir noch mehr, Leute, und, was mich zu hören sehr betrübt, der listige Mahtoree, statt mit dem Auswanderer handgemein zu werden, ist sein Freund geworden, und beider Brut, roth und weiß, sind uns auf den Fersen, und legten ringsum die Steppe in Asche, unsern Untergang herbeizuführen.«

»Wie kann er all das wissen?« fragte Middleton. »Wie erfuhr er, daß es so sei?«

»Wie? Wie er’s erfuhr? Meint Ihr, Zeitungen und Stadtausrufer brauchte es, um einem Kundschafter zu sagen, was auf den Steppen geschieht, wie dies in den Staaten der Fall ist. Kein Zigeunerweib, das von Haus zu Haus eilt, um das Unglück ihres Nachbars zu verbreiten, kann so schnell mit ihrer Zunge die Neuigkeiten herumbringen, als dieses Volk seine Meinung durch Zeichen und Warnungen, die es allein versteht, kund thut. Das ist ihre Gelehrsamkeit, und was besser ist, sie wird in freier Luft erlangt, nicht innerhalb der Schulwände. Ich versichere Euch, Capitain, was er sagt, ist wahr.«

»Was das anlangt, das will ich beschwören,« sagte Paul. »Es ist vernünftig, und deßwegen muß es wahr sein.«

»Und das könnt Ihr auch, Junge. Er erklärt ferner, daß meine alten Augen mir nochmals treu gewesen, und daß der Fluß hier herum ist, etwa eine halbe Meile entfernt. Ihr seht, das Feuer ist so ziemlich in dieser Gegend fertig, und unser Weg in Wolken von Rauch gehüllt. Er hält es auch für nöthig, unsere Spur im Wasser abzuwaschen. Ja, wir müssen diesen Fluß zwischen uns und die Sioux-Augen setzen, und dann, mit des Herrn Gnade, unsern eigenen Eifer nicht zu vergessen, können wir zum Dorf der Wölfe gelangen.«

»Worte bringen uns keinen Schritt weiter,« sagte Middleton, »laßt uns aufbrechen.«

Der Alte stimmte bei, und die Gesellschaft machte sich nochmals auf den Weg. Der Pawnee warf die Büffelhaut über seine Schulter, und führte an, blickte jedoch oft hinter sich, als er vorwärts schritt, um die ungewöhnliche und für ihn unbegreifliche Lieblichkeit der Inez anzustaunen.

Eine Stunde brachte die Flüchtlinge an die Ufer des Stroms, der einer von den Hunderten war, welche durch das weite Geäder des Missouri und Mississippi die Wasser jenes großen und noch unbewohnten Landes dem Ocean zuführen. Der Fluß war nicht tief, aber sein Lauf trüb und schnell. Die Flammen hatten den Boden bis zu dessen Rande bestrichen, und da die warmen Dämpfe des Wassers sich in der kühleren Luft des Morgens mit dem Rauch des noch wüthenden Brandes mischten, war der größte Theil der Fläche in einen Mantel hinziehender Dünste gehüllt. Der Streifschütz machte auf diesen Umstand mit Vergnügen aufmerksam, und sagte, als er Inez am Rande des Wassers vom Pferd half:

»Die Schelme haben sich selbst hintergangen; ich weiß nicht, ob ich nicht die Steppe auch angezündet hätte, um den Vortheil, daß der Rauch unsere Bewegungen einhülle, zu erlangen; jetzt haben uns die herzlosen Wichte die Mühe erspart. Ich hab’s zu meiner Zeit so gemacht, und mit Erfolg. Kommt, Lady, setzt den zarten Fuß auf den Boden, denn eine furchtbare Zeit ist es gewesen für Jemand von Eurer Erziehung und Zartheit; – ach, was haben nicht zu meiner Zeit die Zarten, Guten, Aengstlichen unter den Schrecken und Nachstellungen des indianischen Kriegs erduldet! Kommt, es ist eine kurze Viertelmeile an das andere Ufer, und dann wenigstens ist unsere Spur unterbrochen.«

Paul hatte unterdeß Ellen bei’m Absteigen unterstützt, und jetzt stand er und betrachtete mit trostlosen Augen die nackten Ufer des Flusses. Kein Baum, kein Gesträuch wuchs an seinem Rand, hier und da verlorenes Gebüsch, unter dem man nicht leicht ein Dutzend Stämme von der Dicke eines gewöhnlichen Spazierstocks hätte finden mögen.

»Hört, alter Streifschütz,« rief der muthwillige Bienenjäger, »da kann man schon von der andern Seite dieses Zwergs von einem Fluß oder Bach, oder wie Ihr ihn nennen wollt, reden; es müßte in der That eine tüchtige Büchse sein, die ihr Blei hinüberbringen könnte, daß es einen Indianer oder ein Reh verletze.«

»Freilich, freilich. Obwohl ich hier eine führe, die zur Noth ihre Pflicht in eben so großer Entfernung gethan hat.«

»Und wollt Ihr Ellen und des Capitains Lady hinüberschießen, oder sollen sie unter’m Wasser nach Art der Forellen hinüber?«

»Ist der Fluß zum Durchwaden zu tief?« fragte Middleton, der wie Paul die Unmöglichkeit zu bedenken begann, sie, deren Rettung er mehr als seine eigene schätzte, auf das andere Ufer zu bringen.

»Wenn die Berge ihn mit ihren Bächen nähren, ist es, Ihr seht’s, ein schneller und mächtiger Strom, und doch bin ich über sein sandiges Bett gegangen, ohne ein Knie zu benetzen. Aber wir haben die Siouxpferde, ich wette, die pfiffigen Schelme schwimmen Euch wie Rehe.«

»Alter Streifschütz,« sagte Paul, und fuhr mit den Händen in seine Haare, wie er zu thun pflegte, wenn eine Schwierigkeit seinen Scharfsinn verwirrte. »Ich habe zu meiner Zeit wie ein Fisch geschwommen, und kann es noch, wenn es die Noth erfordert, auch kümmere ich mich nicht sehr um das Wetter, aber ich frage, ob Ihr Nelly auf ein Pferd bringen könnt, während das Wasser so stürmisch vor ihr hinrollt, außerdem ist es augenscheinlich, das Ding geht nicht trocken ab.«

»Ei, der Junge hat Recht. Also zu unserer Erfindung, oder wir kommen nicht hinüber.« Dann schnell die Unterredung abbrechend, wandte er sich zu dem Pawnee, und machte ihn mit der Schwierigkeit bekannt, die sich bei den Frauen zeigte. Der junge Krieger hörte ernst zu, warf die Büffelhaut von der Schulter, und fing sogleich, gelegentlich von dem Alten unterstützt, an, die nöthigen Vorkehrungen zu dem gewünschten Zweck zu treffen.

Die Haut war bald mit Hülfe von Rehstriemen, womit beide gut versehen waren, in die Gestalt eines Regenschirmes oder umgekehrten Schutzdaches zusammengezogen. Einige leichte Stöcke dienten dazu, die Theile am Zusammenfallen zu hindern, und als dies einfache und natürliche Mittel vorbereitet war, ward es aufs Wasser gesetzt, und der Indianer gab durch Zeichen zu verstehen, es sei bereit, seine Ladung einzunehmen. Inez und Ellen zögerten, sich einer Barke von so leichter Bauart anzuvertrauen, und auch Middleton und Paul wollten es nicht zugeben, bis sie sich durch wirklichen Versuch versichert, daß das Fahrzeug selbst eine weit schwerere Last tragen könne. Da endlich wurden ihre Anstände wiewohl mit Widerstreben besiegt, und die Haut nahm die kostbare Fracht auf.

»Nun laßt den Pawnee Lootsen sein,« sagte der Streifschütz, »meine Hand ist nicht so fest wie vormals, aber er hat Glieder wie gehärtetes Eisenholz. Ueberlaßt alles der Weisheit des Pawnee.«

Der Gemahl und der Liebende konnten nicht gut anders, und wurden sehr theilnehmende aber leidende Zuschauer bei dieser uranfänglichen Art von Färcherei. Der Pawnee wählte sich Mahtoree’s Thier aus den drei Pferden, und das mit einer Schnelligkeit, welche bewies, daß er gar nicht unbekannt mit den Eigenschaften des edeln Rosses sei, warf sich darauf und ritt an den Rand des Flusses. Das eine Ende seiner Lanze in die Haut steckend, zog er das leichte Fahrzeug den Strom hinauf, ließ dem Pferde die Zügel schießen und drang kühn in die Fluth. Middleton und Paul folgten und hielten sich so nahe an der Barke, als es Klugheit rathsam machte. Auf diese Weise brachte der junge Krieger seine kostbare Ladung in vollkommener Wohlbehaltenheit an das andere Ufer, ohne die geringste Beschwerlichkeit für die Reisenden und mit einer Sicherheit und Schnelligkeit, welche verrieth, daß beide, Pferd und Reiter, in dem Werk nicht ungeübt seien. Als das Ufer gewonnen war, machte der junge Indianer seine Arbeit auseinander, warf die Haut über die Schulter, nahm die Stöcke unter den Arm, und ging ohne etwas zu sagen, wieder hinüber, um die Uebrigen auf ähnliche Art an das Ufer zu bringen, welches sehr mit Recht als das sichere betrachtet ward.

»Nun, Freund Doctor,« sagte der Alte, als er den Indianer wieder in den Fluß gehen sah, »nun weiß ich, daß in jener Rothhaut Treue ist. Er ist ein gut aussehender, ja und ein ehrlich aussehender Junge; aber die Winde des Himmels sind nicht betrügerischer als diese Wilden, wenn der T –l sie so recht besessen hat. Wäre der Pawnee ein Teton oder einer von jenen herzlosen Mingo gewesen, die durch die Wälder von York zu streifen pflegten, es mögen etwa sechszig Jahre zurück sein, dann hätten wir sehen können, wie er uns den Rücken und nicht das Gesicht zugewendet. Mein Herz hatte schon seinen Verdacht, als ich den Jungen das bessere Pferd wählen sah, denn mit dem Thier könnte er uns eben so leicht verlassen, als eine gewandte Taube sich von einer Heerde lärmender, schwerfliegender Raben absondern möchte. Aber Ihr seht, Wahrheit ist in dem Jungen, und macht einmal eine Rothhaut Euch zum Freund, und er ist der Eurige, so lange Ihr ihn ehrlich behandelt.«

»Wie weit mag’s bis zur Quelle dieses Stroms sein?« fragte der Doctor, dessen Augen über die kräuselnden Wellen mit sehr zweifelvollem Ausdruck hinstrichen; »in wie weiter Entfernung könnte man sein verborgenes Entspringen auffinden?«

»Je nachdem es Wetter ist. Ich wette, Eure Beine würden müde werden, eh‘ Ihr seinen Lauf bis in die Felsgebirge verfolgt hättet; aber dann gibt’s Jahreszeiten, wo es, ohne einen Fuß naß zu machen, geschehen kann.«

»Und wann ist diese Zeit?«

»Wer diese Stelle einige Monate von jetzt an betritt, wird diesen brausenden Wasserspiegel als eine Wüste von Treibsand wiederfinden.«

Der Naturforscher sann tief nach. Wie viele Andere, die nicht überreichlich mit physischer Kraft versehen sind, hatte sich der Würdige die Gefahr, über den Fluß zu setzen, plötzlich um so größer vorbestellt, als jetzt der Augenblick der Ausführung herankam, daß er wirklich an den verzweifelten Versuch dachte, den Fluß zu umgehen, um die Zufälle bei der Ueberfahrt zu vermeiden. Es ist unnöthig, sich bei dem unglaublichen Scharfsinn aufzuhalten, womit der Schrecken zu jeder Zeit einen wankenden Beweis zu stützen pflegt. Der würdige Obed hatte den ganzen Plan mit löblichem Eifer überdacht, und war eben zu dem tröstlichen Schluß gekommen, daß es fast eben so großer Ruhm sei, die verborgenen Quellen eines so beträchtlichen Stromes aufzusuchen, als eine Pflanze oder ein Insect den Verzeichnissen der Gelehrten einzufügen, – da stieß der Pawnee wieder an’s Ufer. Der Alte nahm mit der größten Ueberlegung seinen Sitz in dem Hauptfahrzeug ein, sobald es nur zu seiner Aufnahme vorbereitet worden, und winkte nachdem er sorgsam den Hektor unter seine Beine untergebracht, dem Gefährten, den dritten Platz zu besetzen.

Der Naturforscher setzte den einen Fuß in das gebrechliche Fahrzeug, wie etwa der Elephant eine Brücke untersucht, oder wie man ein Pferd oft ähnliche Untersuchungen anstellen sieht, ehe es seinen ganzen körperlichen Werth den gefürchteten Dielen anvertrauen will, und zog dann in dem Augenblick wieder zurück, wo der Alte ihn sitzen glaubte.

»Verehrungswürdiger Jäger,« sagte er düster, »das ist eine unwissenschaftliche Barke; ein innerer Mahner verbietet mir auch, ihr meine Sicherheit zu vertrauen.«

»Ei!« sagte der Alte, der mit den Ohren des Hundes spielte, wie es etwa ein Vater mit einem begünstigten Kinde thut.

»Ich habe keine Neigung, auf diese unregelmäßige Art die Fluthen zu versuchen. Das Schiff hat weder Gestalt noch Verhältnisse.«

»Es ist nicht so schön gedrechselt, wie ich ein Canoe von Birkenrinde gesehen, aber Trost ist im Wigwam wie im Palast.«

»Es ist unmöglich, daß ein, auf so sehr aller Wissenschaft widerstrebende Grundsätze gebautes Fahrzeug, sicher sein kann; diese Schüssel, ehrwürdiger Jäger, wird nie sicher das andere Ufer erreichen.«

»Ihr waret ja Zeuge von dem, was sie eben ausgerichtet.«

»Ei, das war eine Anomalie im Glück. Wenn man Ausnahmen für Regeln im Verhalten der Dinge annehmen wollte, würde das Menschengeschlecht bald in die Abgründe der Unwissenheit gestürzt werden. Ehrwürdiger Jäger, dies Werkzeug, auf das Ihr Eure Sicherheit setzen wollt, ist in den Annalen regelmäßiger Erfindungen, was ein lusus naturae (Naturspiel) in den Verzeichnissen der Naturgeschichte heißt, – eine Mißgeburt.«

Wie weit noch Doctor Battius die Rede hinausgesponnen hätte, ist schwer zu sagen; denn außer den mächtigen persönlichen Rücksichten, die ihn bewogen, ein Experiment aufzuschieben, was sicherlich nicht ohne seine Gefahren war, begann der Stolz der Vernunft ihn in seiner Erörterung zu unterstützen. Aber zum Glück für des Alten Geduld erhob sich, als der Naturalist zu dem Wort gekommen, womit er seine Rede endete, ein Ton in der Luft, der eine Art übernatürlichen Widerhalls für des Doctors Ausspruch schien. Der junge Pawnee, welcher das Ende der unbegreiflichen Unterredung mit ernster und charakteristischer Geduld abgewartet, erhob das Haupt und hörte auf den unbekannten Schrei, wie ein Hirsch, dessen geheimnißvolle Fähigkeit die Fußtritte der fernen Hunde entdeckt hat. Doch war der Streifschütz und der Doctor nicht ganz so unerfahren, von welcher Art die ungewöhnlichen Töne seien. Der letztere erkannte in ihnen die wohlbekannte Stimme seines eigenen Thieres, und er wollte die kleine Erhöhung die den Fluß einschloß, mit all dem Bangen zärtlicher Zuneigung hinauseilen, als Asinus selbst in nicht großer Entfernung auf ihn zu galoppirte, zu diesem unnatürlichen Gange durch den ungeduldigen und groben Weucha getrieben, der ihn bestiegen hatte.

Des Tetons Augen und die der Flüchtlinge begegneten sich. Der erstere erhob einen langen, lauten, durchdringenden Schrei, worin die Töne des Jauchzens furchtbar mit denen der Warnung zerschmolzen. Dies Signal machte dem Streit über die Vorzüge der Barke ein Ende, indem der Doctor so schnell an des Alten Seite eilte, als wenn ein geistiger Nebel aus wunderbare Weise von seinen Augen weggenommen worden. Im nächsten Augenblick kämpfte des jungen Pawnee’s Stute kräftig mit der Fluth.

Die äußerste Anstrengung des Pferdes war nöthig, um die Flüchtlinge aus dem Bereich der Pfeile zu bringen, die alsbald durch die Luft segelten. Weucha’s Geschrei hatte fünfzig der Gefährten an’s Ufer gebracht, aber zum Glück war unter ihnen allen keiner von hinlänglichem Rang, um ihm das Privilegium zu geben, eine Flinte zu tragen. Die Hälfte des Stromes jedoch war noch nicht zurückgelegt, als man Mahtoree’s Gestalt selbst an dessen Ufer sah, und eine unwirksame Ladung von den Feuerwaffen zeugte von der Wuth und getäuschten Hoffnung des Anführers. Mehr als einmal hatte der Streifschütz seine Flinte erhoben, als wolle er ihre Kraft gegen seine Feinde versuchen, aber eben so oft ließ er sie nieder, ohne zu feuern. Die Augen des Pawnee-Kriegers glänzten wie jene des Cougars, bei’m Anblick so vieler von dem feindlichen Stamme, und er beantwortete die unmächtigen Anstrengungen ihres Anführers, indem er eine Hand verachtungsvoll in die Luft reckte und das Kriegsgeschrei seiner Nation ausstieß. Die Aufforderung war zu empörend, um geduldet zu werden. Die Teton sprangen in den Fluß alle zusammen, und die Fluth erfüllte sich mit den dunkeln Gestalten von Thieren und ihren Reitern.

Jetzt entstand ein furchtbarer Kampf um die freundliche Küste, da die Dahcotah mit Thieren vordrangen, welche nicht, wie die der Pawnee, ihre Kräfte in früheren Anstrengungen erschöpft hatten, und da sie unbelästigt von allem, nur ihre Reiter trugen, übertraf die Schnelligkeit der Verfolger gar sehr die der Flüchtlinge. Der Streifschütz, der klar die ganze Gefahr ihrer Lage begriff, wandte ruhig die Augen von den Teton auf seinen jungen indianischen Gefährten, um zu untersuchen, ob die Entschlossenheit des letztem zu wanken anfinge, je mehr die ersteren den Zwischenraum zwischen ihnen verringerten. Statt aber Furcht zu verrathen, oder etwas von der Besorgnis zu sagen, die so natürlich aus seinem sonderbaren Wagniß hervorzugehen schien, war die Stirn des jungen Kriegers zu einem Blick zusammengezogen, der hohe, tödtliche Feindschaft aussprach.

»Schätzt Ihr, Freund Doctor, das Leben sehr?« fragte der Alte, mit einer Art philosophischem Gleichmuth, der die Frage für seinen Gefährten doppelt entsetzlich machte.

»Nicht um seiner, selbst willen entgegnete der Naturforscher und schlürfte aus der hohlen Hand etwas Wasser aus dem Fluß, um seine heiße Kehle zu klären. »Nicht um seiner selbst willen, aber ganz außerordentlich, in soweit die Naturgeschichte so tiefes Interesse an meinem Leben nehmen muß, deßwegen –«

»Ei,« erwiederte der Andere, der zu sehr in Gedanken war, um des Doctor’s Ideen mit seinem gewöhnlichen Scharfsinn zu zergliedern. »Das ist freilich eine ganz natürliche Geschichte, und ein tiefes und eingewurzeltes Gefühl ist es; aber das Leben ist dem jungen Pawnee von eben so großem Werth als dem Statthalter der Staaten, und er könnte es retten, oder es wäre wenigstens möglich, daß er es rettete, wenn er uns dem Strom hinabgleiten ließe, und doch seht Ihr hält er sein Wort männlich, und wie ein indianischer Krieger. Ich, ich bin alt, und bereit, das Geschick zu nehmen, wie es der Herr mir verhängen will, auch sehe ich nicht, daß Ihr der Menschheit von großem Nutzen seid. Dagegen ist es eine schreiende Schande, ja eine Sünde, wenn solch ein schöner Junge, wie der, seinen Schädel um zwei so unnütze Wesen wie wir verlieren sollte. Ich bin daher geneigt, vorausgesetzt, daß es Euch recht ist, dem Burschen zu sagen, daß er für sich forteile, und uns der Gnade der Teton überlasse.«

»Ich bestreite den Vorschlag als der Natur widerstrebend, als Verrath an der Wissenschaft,« rief der bestürzte Naturforscher. »Unsere Eile ist bewunderungswürdig, und da die herrliche Erfindung mit so erstaunlicher Leichtigkeit sich bewegt, werden einige Minuten uns ans Land bringen.«

Der Alte betrachtete ihn einen Augenblick ernst, schüttelte den Kopf und sagte: »Himmel was ist Furcht! sie verwandelt die Geschöpfe der Welt und die Werke des Menschen, läßt, was häßlich ist, unsern Augen schön erscheinen, was schön, unansehnlich. Himmel was thut die Furcht!

Doch ward durch das wachsende Interesse der Verfolgung dem Gespräch ein Ende gemacht. Der Dahcotah Pferde hatten jetzt die Mitte des Stroms erreicht, und ihre Reiter erfüllten schon die Luft mit Triumphgeschrei. In diesem Augenblick erschienen Middleton und Paul, welche die Damen in ein kleines Dickicht geführt hatten, wieder am Rand des Stroms und drohten ihren Feinden mit der Büchse.

»Sitzt auf, sitzt auf,« rief der Streifschütz, sobald er sie sah, »sitzt auf und flieht, wenn Ihr die schätzt, die Eurer Hülfe vertrauen. Sitzt auf, und laßt uns in den Händen des Herrn.«

»Nieder mit dem Kopf, alter Streifschütz,« erwiederte Paul’s Stimme, »nieder mit euch Beiden in euer Nest. Der Teton-T–l ist in gerader Linie mit euch, macht einer Kentucky-Kugel Platz.«

Der Alte wandte das Haupt, und sah, daß der eifrige Mahtoree, der seinen Begleitern etwas voraus war, fast in gerade Linie mit der Barke und dem Bienenjager gekommen, der ganz bereit war, seine gefährliche Drohung auszuführen. Er beugte sich, die Büchse ging los, und das schnelle Blei pfiff harmlos an ihm vorüber nach seinem entfernteren Ziel. Aber des Tetonhäuptlings Auge war nicht weniger schnell und sicher als das seines Feindes. Er warf sich einen Augenblick vor dem Schuß vom Pferde und versank in’s Wasser. Das Thier schnaufte vor Schreck und Angst, und erhob sich halb in dem Fluß, dann trieb es fort in der Strömung und färbte die wilden Wasser mit seinem Blut.

Der Tetonhäuptling erschien bald wieder auf der Oberfläche, und schwamm, als er seinen Verlust gewahrte, mit kräftigen Zügen auf den nächsten seiner Leute zu, der als etwas, was sich von selbst versteht, so einem berühmten Krieger seine Stute überließ. Doch veranlaßte der Vorfall eine Verwirrung in der ganzen Dahcotah-Bande, welche den Willen ihres Führers abzuwarten schien, ehe sie ihre Anstrengungen, die Küste zu erreichen, erneuerte. Indeß hatte das, Hauptfahrzeug das Land gewonnen, und die Flüchtlinge vereinten sich nochmals am Rand des Flusses.

Die Wilden schwammen ungewiß herum, wir man etwa Heerde Tauben verwirrt fliegen sieht, wenn sie eine schwere Ladung in ihre Vordercolonne bekommen. Sie zögerten augenscheinlich, ein Ufer zu erstürmen, das so furchtbar vertheidigt ward. Die wohlbekannte Vorsicht der indianischen Kriegskunst trug endlich das Uebergewicht davon, und Mahtoree, durch den vorigen Vorfall gewitzigt, führte seine Krieger zurück an das Ufer, das sie verlassen, um die Pferde zu beruhigen, die scheu zu werden anfingen.

»Nun sitzt auf mit euren Schönen, und eilt nach jenem Hügel,« sagte der Streifschütz, »hinter ihm findet ihr einen andern Strom, über den müßt ihr setzen, euch gegen die Sonne richten, und seinem Lauf eine Meile folgen, bis ihr eine hohe, sandige Ebene erreicht, dort will ich euch treffen. Geht, sitzt auf, dieser Pawnee-Jüngling und ich, und mein tapferer Freund, der Physiker, der ein verzweifelter Held ist, sind Mann genug, das Ufer zu vertheidigen, da, wie wir sehen, Schau nicht, sondern That hier nöthig ist.«

Middleton und Paul wollten gegen diesen Vorschlag nicht vergebens ihre Lungen in Vorstellungen anstrengen. Froh, daß ihr Rücken gedeckt war, wenn auch nur unvollkommen, setzten sie schnell ihre Pferde in Bewegung, und verschwanden bald in der verlangten Richtung, Zwanzig bis dreißig Minuten vergingen, ehe die Teton auf dem andern Ufer geneigt schienen, etwas Neues zu unternehmen. Mahtoree war deutlich in der Mitte seiner Krieger zu sehen, wie er Befehle ausgab, und seine Rachbegierde verrieth, indem er gelegentlich seinen Arm nach den Flüchtlingen ausreckte, aber kein Schritt geschah, der eine unmittelbare Feindseligkeit zu drohen schien. Endlich erhob sich ein Geschrei unter den Wilden, das einen neuen Vorfall andeutete. Dann sah man Ismael und seine lässigen Söhne in der Entfernung, und bald trat die ganze vereinigte Macht an den Rand des Stroms. Der Auswanderer untersuchte die Stellung seiner Feinde mit seiner gewöhnlichen Ruhe, und gleichsam die Kraft seiner Büchse zu versuchen, sandte er eine Kugel unter sie, mit hinlänglicher Kraft, selbst in dieser Entfernung Tod zu bringen.

»Nun laßt uns fort!« rief Obed, und versuchte, das Blei zu erblicken, das, wie er sich einbildete, an seinem Ohr nahe vorbeigepfiffen. »Wir haben das Ufer tapfer vertheidigt, und lange genug, eben so große militärische Kunst zeigt sich im Rückzug als im Vordringen.«

Der Alte warf einen Blick hinter sich, und da er sah, daß die Reiter den Schutz des Hügels gewonnen, machte er gegen den Vorschlag keine weiteren Schwierigkeiten, Das noch übrige Pferd bekam der Doctor mit dem Befehl, dieselbe Richtung wie Middleton und Paul zu verfolgen. Als der Naturforscher saß, und in voller Flucht war, stahl der Streifschütz und der junge Pawnee sich auf eine Weise von der Stelle, die ihre Feinde noch einige Zeit in Zweifel über ihre Bewegungen ließ. Statt jedoch gerade über die Ebene nach dem Hügel zu gehen, was sie zu sehr ausgesetzt hätte, nahmen sie einen kürzeren Weg, der durch die Bildung des Bodens gedeckt war, und setzten über das kleine Wasser an dem Punct, wo Middleton geheißen worden, es zu verlassen, und gerade zu rechter Zeit, sich mit ihm zu vereinigen. Der Doctor hatte so großen Eifer auf der Flucht bewiesen, daß er schon seinen Freunden voraus war, und folglich waren alle Flüchtlinge wieder beisammen.

Der Streifschütz sah sich jetzt nach einer passenden Stelle um, wo der ganze Haufen fünf oder sechs Stunden, wie er sich ausdrückte, Halt machen könnte.

»Halt!« rief der Doctor, als der beunruhigende Vorschlag sein Ohr erreichte; »ehrwürdiger Jäger, es möchte scheinen, daß im Gegentheil wir mehrere Tage lang fliehen sollten!«

Middleton und Paul waren beide dieser Meinung, und jeder sagte es auch auf seine Art.

Der Alte hörte sie mit Geduld, schüttelte aber, nicht überzeugt, den Kopf, und beantwortete dann alle ihre Gründe zugleich und mit einem Worte.

»Warum sollten wir fliehen?« fragte er. »Können die Beine sterblicher Menschen Pferde überflügeln? Meint Ihr, die Teton werden niederliegen und schlafen, ohne über das Wasser zu setzen und nach unserer Spur zu forschen? Dank sei Gott, wir haben unsere Fährte gut im Wasser gewaschen, und wenn wir die Stelle mit Vorsicht und Weisheit verlassen, können wir sie noch von unserer Spur abbringen. Aber Steppe ist nicht Wald. Da kann man lange Reisen machen und braucht sich nur um die Fußtapfen des Moccasins zu bekümmern, während in jenen offenen Ebenen ein Späher, auf jenen Hügel gestellt, so weit nach jeder Seite hinsehen kann, wie ein streichender Habicht, der auf Raub aus ist. Nein, nein, die Nacht muß kommen, Dunkelheit über uns sein, ehe wir diese Stelle verlassen. Aber hört auf das Wort des Pawnee’s, er ist ein Bursche von Geist, und ich schwöre, er hat manchen harten Strauß mit den Sioux-Banden gehabt. Meint mein Bruder, seine Spur sei lang genug?« fragte er ihn dann auf Indianisch.

»Ist ein Teton ein Fisch, daß er sie im Fluß sehen kann?«

»Aber meine Leute meinen, wir sollten sie verlängern, bis sie über die Steppe reicht.«

»Mahtoree hat Augen, er wird es sehen.«

»Was räth mein Bruder?«

»Der junge Krieger studirte einen Augenblick den Himmel, und schien ungewiß. Er überlegte einige Zeit und antwortete dann, wie wenn man fest entschlossen ist:

»Die Dahcotah schlafen nicht, wir müssen in’s Gras uns verstecken.«

»Ah, der Junge ist meiner Meinung,« sagte der Alte und erklärte kurz die Meinung seines Gefährten seinen weißen Freunden. Middleton war genöthigt beizustimmen, und da es offenbar gefährlich war, stehen zu bleiben, machte Jeder Vorkehrungen zu seiner Sicherheit. Inez und Ellen wurden schnell unter die warmen und nicht unbequemen Büffelhäute gebracht, die eine dichte Decke bildeten, und hohes Gras ward über die Stelle gestreut, so daß das Ganze jeder Untersuchung eines gewöhnlichen Auges entging. Paul und der Pawnee banden die Thiere und warfen sie zu Boden, wo man sie, nachdem sie mit Futter versehen worden, auch in dem Nebel der Steppe versteckt ließ. Man verlor keine Zeit; als dies fertig war, suchte Jeder eine Stelle der Ruhe und Verstecktheit für sich selbst, und dann schien die Ebene wieder ihrer Einsamkeit überlassen.

Der Alte hatte seinen Gefährten die Nothwendigkeit bedeutet, Stunden lang in ihrem Versteck zu bleiben. Alle ihre Hoffnung zu entrinnen, hing von dem Gelingen dieser List ab. Wenn sie die Klugheit ihrer Verfolger durch dies einfache und deßwegen weniger vermuthete Mittel hintergehen konnten, mochten sie ihre Flucht, sobald der Abend kam, fortsetzen, und indem sie ihre Richtung änderten, würde die Vermuthung des Erfolgs noch erhöht. Durch diese wichtigen Betrachtungen bewogen, lag der ganze Haufen, über seinen Zustand brütend, bis die Gedanken wirrer wurden, und der Schlaf endlich über alle nach und nach kam.

Das tiefste Schweigen hatte stundenlang geherrscht, als die seinen Ohren des Streifschützen und des Pawnee’s durch einen hellen Schrei des Erstaunens von Inez aufgeregt wurden. Aufspringend wie Leute, welche für ihr Leben kämpfen, fanden sie die weite Ebene, die wellenförmigen Erhöhungen, den kleinen Hügel, und das zerstreute Gebüsch alles in ein weißes, blendendes Schneegewand gehüllt.

»Der Herr hab‘ Mitleid mit euch allen!« rief der Alte und betrachtete den Auftritt mit ängstlichem Auge; »nun Pawnee weiß ich die Ursache, warum Ihr so scharf die Wolken untersuchtet; aber es ist zu spät, zu spät! Ein Eichhörnchen ließe auf dieser leichten Decke eine Spur hinter sich. Ha, nun bekommen die Schurken Gewißheit!

Nieder mit euch, nieder! Unsere Aussichten sind gering, und doch darf man sie nicht übermüthig wegwerfen.«

Der ganze Haufen war sogleich wieder verborgen, obwohl mancher ängstliche und verstohlene Blick durch das Gras nach den Bewegungen der Feinde drang. Eine halbe Meile entfernt sah man die Teton-Bande in einem Kreis herumreiten, der sich allmählig zusammenzog und augenscheinlich auf derselben Stelle endete, wo die Flüchtlinge lagen. Es war nicht schwer, das Geheimnis, dieser Bewegung zu lösen. Der Schnee war früh genug gefallen, um sie zu versichern, daß die Gesuchten hinter ihnen wären und sie beschäftigten sich nun mit der unermüdlichen Ausdauer und Geduld indianischer Krieger damit, die sichern Grenzen ihres Verstecks zu umzingeln.

Jeder Augenblick vergrößerte die Gefahr der Flüchtlinge. Paul und Middleton setzten bedachtsam ihre Büchsen in Stand, und als der ernstlich beschäftigte Mahtoree endlich ihnen auf fünfzig Fuß nahe kam und seine Augen immer auf das Gras geheftet hielt, durch das er ritt, schlugen sie zugleich an und drückten los. Ihre Bemühung ward nur durch das Knappen des Hahns erwiedert.

»Genug,« sagte der Alte und erhob sich mit Würde. »Ich habe die Steine weggeworfen, denn plötzlicher Tod würde auf eure Raschheit folgen. Nun laßt uns unserm Geschick wie Männer begegnen. Weinen und Klagen finden nicht Gnade in indianischen Augen.«

Sein Erscheinen ward durch ein Geschrei begrüßt, das weit und breit über die Ebene drang und in einem Augenblick sah man Hunderte von Wilden wie toll auf die Stätte reiten. Mahtoree empfing, seine Gefangenen mit großer Selbstbezwingung, obwohl ein Strahl stolzer Freude durch sein düsteres Auge brach, und Middleton durchdrang Eiseskälte, als er diesen Ausdruck seines Auges gewahrte, wie er ihn aus die fast unempfindliche, aber noch liebliche Inez richtete.

Die Freude, daß er die weißen Gefangenen wieder habe, war so groß, daß sie für einige Zeit die dunkle unbewegliche Gestalt des Indianers, der sie begleitete, fast ganz bei ihm in Vergessenheit brachte. Dieser stand allein, nicht würdigend sein Auge auf seine Feinde zu werfen, so regungslos, als sei er in dieser würdigen, festen Stellung erfroren. Aber als einige Zeit vorübergegangen, zog selbst dieser Nebengegenstand die Aufmerksamkeit der Teton auf sich. Da erst erfuhr der Streifschütz, durch das Triumphgeschrei und das lange fortgesetzte Rufen, das mit einem Mal aus hundert Kehlen hervorkam, so wie auch durch den furchtbaren Namen selbst, der die Luft erfüllte, daß sein jugendlicher Freund Niemand anders als jener gefürchtete und bisher unbesiegte Krieger, der mächtige Hartherz sei.