Sechsundzwanzigstes Kapitel.

Nicht wein‘ ich leicht, wie mein Geschlecht es thut;
Doch berg‘ ich hohen Schmerz im Busen hier.
Der wilder brennt, als Thränen fallen.

Shakespeare.

 

Zwanzig Schritte von den Gefangenen hielten die Teton, und ihr Häuptling winkte dem Greise, näher zu treten. Der Streifschütz gehorchte, verließ den jungen Pawnee mit einem bedeutungsvollen Blick, der aufgenommen ward, wie er gemeint war, als ein neues Pfand, daß er nie vergessen würde, was er versprochen. Sobald Mahtoree fand, daß der Andere in seinen Bereich gekommen, streckte? er den Arm aus, legte eine Hand auf die Schulter des aufmerksamen Alten, und stand einen Augenblick ihn mit einem Auge betrachtend, das die geheimsten Winkel seiner verborgensten Gedanken durchdringen zu wollen schien.

»Ist ein Blaßgesicht mit zwei Zungen gemacht?« fragte er, als er fand, daß wie gewöhnlich, der Gegenstand seines Forschens auch nicht im geringsten durch seinen jetzigen Ernst eingeschüchtert, oder sonst durch Furcht vor der Zukunft bewegt sei.

»Rechtlichkeit liegt tiefer als die Haut.«

»So ist’s. Nun möge mein Vater hören. Mahtoree hat nur eine Zunge, der Graubart viele. Sie können alle gerade sein, und keine gespalten. Ein Sioux ist nur ein Sioux, aber ein Blaßgesicht Alles! Er kann zum Pawnee sprechen und zum Konza und zum Omawhaw, und er kann sprechen zu seinem eigenen Volk.«

»Ei, es gibt Sprachgelehrte in den Colonieen, die noch weit mehr können. Aber was hilft’s all‘. Der Herr des Lebens hat ein Ohr für jede Sprache.«

»Das Grauhaupt hat Unrecht gethan. Es hat das Eine gesagt, während es das Andere meinte. Es hat vor sich gesehen mit seinen Augen, hinter sich mit seinem Geist. Es hat zu arg eines Sioux Pferd geritten, und ist Freund gewesen dem Pawnee und Feind meinem Volk.«

»Teton, ich bin Euer Gefangener. Sind auch meine Worte weiß, sie werden sich nicht beklagen. Thut nach Gefallen.«

»Nein, Mahtoree wird ein weißes Haar nicht roth machen; mein Vater ist frei, die Steppe ihm offen nach jeder Seite, aber ehe das Grauhaupt den Sioux den Rücken wendet, möge er aufmerksam auf sie schauen, um seinem Häuptling zu sagen, wie groß ein Dahcotah ist.«

»Ich bin nicht eilig, mich aufzumachen. Ihr seht, Teton, einen Mann mit einem weißen Haupt und kein Weib, deßwegen werde ich mir nicht den Athem auslaufen, den Völkern den Ruhm der Sioux zu verkünden.«

»Gut. Mein Vater hat mit den Häuptlingen vieler Berathungen geraucht,« entgegnete Mahtoree, der sich jetzt des andern Gunst hinlänglich gesichert zu haben dachte, um schneller zu seinem Zweck sich zu wenden. »Mahtoree wird in der Sprache seines lieben Freundes und Vaters reden. Ein junges Blaßgesicht wird hören, wenn ein Greis dieses Volks seinen Mund öffnet. Wohlan, mein Vater wird thun, was ein armer Indianer Passendes sagt für ein weißes Ohr.«

»Sprecht laut!« sagte der Streifschütz, der leicht die bildliche Art verstand, in der der Teton sein Verlangen ausdrückte, er möge der Dollmetscher seiner Worte in der englischen Sprache werden; »sprecht, meine Leute hören. Nun, Capitain, und auch Ihr, Freund Bienenjäger, macht euch bereit, die T–leien dieses Wilden mit der Standhaftigkeit weißer Krieger zu vernehmen. Sobald ihr merkt, daß ihr seinen Drohungen weicht, wendet eure Blicke auf diesen edeln Pawnee, dessen Zeit mit eben der kargen Hand gemessen ist, mit der ein Krämer der Stadt die Früchte des Herrn abmißt, Zoll bei Zoll, seine Habsucht zu befriedigen. Ein einziger Blick auf den Jungen wird euch wieder Entschlossenheit geben.«

»Mein Bruder hat seine Augen auf den unrechten Pfad gewendet,« unterbrach ihn Mahtoree, mit einer Freundlichkeit, welche zeigte, wie ungern er seinen erwählten Dollmetscher beleidigen wollte.

»Der Dahcotah will zu meinen Leuten sprechen?«

»Nachdem er in die Ohren der Blüthe der Blaßgesichter gesungen.«

»Der Herr verzeihe dem verzweifelten Schelm!« rief der Alte englisch. »Nichts ist so zart, so jung, so unschuldig, um seinen gierigen Wünschen zu entgehen. Aber harte Worte und kalte Blicke werden nichts helfen; deßwegen mag es gut sein, ihm freundlich zu antworten. Mahtoree öffne seinen Mund.«

»Würde mein Vater reden, daß Weiber und Kinder die Weisheit der Häuptlinge hörten? Ins Haus wollen wir gehen und lispeln.«

Als der Teton endete, deutete er bedeutungsvoll auf ein Zelt, das schimmernd mit der Geschichte seiner eigenen kühnsten und ruhmvollsten Thaten bemalt war und etwas von den andern weg stand, gleichsam um zu zeigen, es sei der Aufenthalt eines bevorrechteten Gliedes der Bande. Der Schild und Köcher an seinem Eingang war reicher als gewöhnlich, und die hohe Auszeichnung einer Feuerwaffe kündigte bestimmt die Wichtigkeit ihres Besitzers an. In jeder andern Hinsicht zeichnete es sich eher durch seine Aermlichkeit als durch seinen Reichthum aus. Das Hausgeräth war geringer an Zahl und einfacher in seiner Arbeit, als das, welches man an den Oeffnungen der geringsten Wohnungen erblicken konnte; auch fand sich kein einziger von jenen hochgeschätzten Artikeln des feineren Lebens, wie sie gelegentlich von den Handelsleuten in Einkaufen erstanden wurden, die so außerordentlich nachtheilig für die unwissenden Eingebornen auszufallen pflegten. Alles dies war, wie es erworben worden, von dem edeln Häuptling seinen Untergebenen zugefallen, um dadurch einen Einfluß zu erkaufen, der ihn zum Herrn ihres Lebens und ihrer Person machte, ein Reichthum, welcher sicher rühmlicher an und für sich war, und den sein Ehrgeiz höher schätzte.

Der Alte wußte wohl, daß dies Mahtoree’s Wohnung sei, und dem Winke des Häuptlings folgend, ging er darauf los mit langsamen, zögernden Schritten. Aber es gab noch andere, die eben so betheiligt bei der folgenden Unterredung waren, und deren Besorgnisse nicht so leicht gehoben wurden. Die wachsamen Augen und eifersüchtigen Ohren Middletons hatten ihm genug gesagt, um seine Seele mit den furchtbarsten Ahnungen zu erfüllen. Durch unglaubliche Anstrengung machte er sich auf, und rief laut dem weggehenden Streifschützen zu:

»Ich beschwöre Euch, Alter, wenn die Liebe, die Ihr gegen Eure Eltern hegtet, mehr als Rede war, oder wenn die Liebe zu Gott die eines Christen ist, sprecht keine Silbe die das Ohr jenes unschuldigen – –«

Erschöpft, ohne Athem, gefesselt, fiel er dann nieder, wie ein lebloses Holz, wo er wie todt da lag.

Aber Paul hatte seinen Sinn gefaßt, und vollendete die Ermahnung auf die ihm eigenthümliche Art.

»Hört, Alter,« schrie er, und bemühte sich vergebens zugleich auch eine Drohung mit der Hand hinzuzufügen; »wenn Ihr den Dollmetscher machen wollt, so sprecht solche Worte zu den Ohren des verdammten Wilden, wie sie einem Weißen zu reden und einem Heiden zu hören zukommen. Sagt ihm von mir, daß, wenn er etwas thut oder sagt, was unhöflich gegen das Mädchen ist, das sich Ellen Wade nennt, ich ihm mit meinem letzten Athemzug fluchen werde, daß ich alle gute Christen in Kentucky bitten will, ihm zu fluchen, sitzend und stehend, essend und trinkend, fechtend, betend, oder zu Pferde, in und außer dem Hause, Sommer und Winter und im Monat März, kurz ich werde, – ei, es ist gewiß, wirklich wahr, – ich werde ihn verfolgen, wenn nur der Geist eines Blaßgesichts sich dem Grab entwinden kann, das ihm die Hände der Rothhäute gemacht haben.«

Als er so die schrecklichste Beschwörung, die er finden konnte, und welche in des ehrlichen Bienenjägers Augen am wahrscheinlichsten ausgeführt werden mochte, vorgebracht hatte, war er genöthigt, die Früchte seiner Drohung mit all der ruhigen Ergebung abzuwarten, die ein westlicher Grenzwohner nur auftreiben konnte, der außer den eben genannten Aussichten noch das Glück hatte, sich ihnen in Fesseln und Banden zu überlassen. Wir wollen, die Erzählung nicht aufhalten, um die schwachen Moralgründe anzuführen, durch die er zunächst den sinkenden Muth seines reizbareren Gefährten aufzurichten strebte, oder die gelegentlichen Bitten und eigenen Segnungen zu bemerken, die er gegen alle Dahcotah-Banden aussprach, mit denen beginnend, die er an den Ufern des fernen Mississippi des Diebstahls und Mords beschuldigte, und dann in gleich kräftigen Ausdrücken mit dem Tetonstamm schließend. Der letztere lockte mehr als einmal von seinen Lippen eben so sententiöse und verwickelte Flüche, als jenes berühmte Anathema der Kirche enthält, dessen Kenntniß viele unbewanderte Protestanten den frommen Forschungen des genialen Tristram Shandys verdanken. Aber als Middleton von seiner Erschöpfung sich erholte, mühte er sich, das wilde Gemüth seines Gefährten zu besänftigen, indem er ihm die Nutzlosigkeit solcher Ausrufungen und die Möglichkeit vorstellte, gerade das Uebel zu beschleunigen, das er beklagte, indem er den Haß einer Race wecke, die schon in ihrer ruhigsten Stimmung wild und gewaltthätig genug sei.

Indeß waren der Streifschütz und Sioux-Häuptling immer nach der Wohnung zugegangen. Der erste hatte mit peinlicher Theilnahme den Ausdruck von Mahtoree’s Auge beobachtet, während Middletons und Paul’s Reden ihnen nachschallten; aber des Indianers Miene war zu beherrscht und bewacht, um die geringste seiner Bewegungen durch die Wege zu verrathen, wodurch sich der Stand des menschlichen Vulcans gewöhnlich zu erkennen gibt. Sein Blick war auf den niedrigen Aufenthalt gerichtet, dem sie sich näherten, und für den Augenblick schienen seine Gedanken nur über den Zwecken dieser außerordentlichen Zusammenkunft zu brüten.

Das Innere der Wohnung entsprach dem Aeußern. Sie war geräumiger als die meisten andern, die größere Zierlichkeit in ihrer Form, und schönere Geräthschaften zeigten. Aber hier hörte auch ihr Vorzug auf. Nichts konnte einfacher und republikanischer sein als die Lebensart, die der stolze und mächtige Teton vor seinem Volke führen wollte. Eine ausgesuchte Sammlung von Jagdwaffen, drei oder vier Medaillen, die ihm die Handelsleute und politischen Agenten der Canada als einen Tribut, oder vielmehr als ein Anerkenntniß seines Ranges gebracht, mit einigen der unentbehrlichsten Geräthschaften der Bequemlichkeit machten seinen Hausrath aus. Er hatte weder Vorrath an Wildpret, noch an Büffel von den Steppen, da der listige Bewohner wohl eingesehen hatte, daß die Freigebigkeit eines Einzelnen reichlich durch die täglichen Beiträge einer Bande vergolten werden würde. Obgleich eben so hervorragend auf der Jagd als im Krieg, sah man ihn nie ein Reh oder einen Büffel ganz in sein Zelt bringen. Dagegen brachte man selten ein Thier in die Lagerung, das seinen Theil nicht zum Unterhalt von Mahtoree’s Familie beitrug. Aber die Klugheit des Häuptlings ließ selten mehr zurückbleiben, als für die Bedürfnisse des Tages hinreichte, fest versichert, daß Alles eher leiden Müsse, ehe Hunger, diese Geißel des Lebens der Wilden, seine schrecklichen Krallen an ein so hohes Opfer legen könne.

Gleich unter dem Lieblingsbogen des Häuptlings und mit einer Art Zauberkreis von Speeren, Schilden, Lanzen und Pfeilen umgeben, die alle zu ihrer Zeit gute Dienste geleistet, war der geheimnißvolle, geweihte Heilring aufgehängt. Er war mit Wampum bedeckt, und nach den sinnigsten Devisen indianischen Witzes verschwenderisch mit Knöpfen und Stachelschweinsspitzen geschmückt. Wir haben die besondere Freisinnigkeit Mahtoree’s in Hinsicht der Religion mehr als einmal angedeutet, und durch eine ganz eigene Art Widerspruch schien er seine Aufmerksamkeit auf dieses Geräth von übernatürlicher Kraft in einem Grade verschwendet zu haben, der mit seinem Glauben in umgekehrtem Verhältniß stand. Es ahmte aber darin der Sioux nur dem wohlbekannten Kunstgriff der Pharisäer nach, »damit sie von den Leuten gesehen werden.«

Das Zelt war jedoch von seinem Eigenthümer seit der Rückkehr von dem letzten Zug nicht betreten worden. Wie der Leser schon vorausgeschlossen hat, war es zum Gefängniß der Inez und Ellen gemacht worden. Middletons Braut saß auf einem einfachen Lager von wohlriechenden Kräutern, das mit Häuten bedeckt war. Sie hatte schon so viel gelitten, und während des kurzen Zeitraums ihrer Gefangenschaft so viele wilde und unerwartete Vorfälle erlebt, daß jedes weitere Unglück mit verringerter Stärke auf ihr, wir es schien, dem Leid geweihtes Haupt fiel. Ihre Wangen waren ohne Röthe, ihre dunkeln sonst so belebten Augen zusammengedrückt in stummen Gram, und ihre Gestalt schien schwankend und gereizt fast bis zur Auflösung. Aber in diesen Zeichen natürlicher Schwäche gewahrte man zu Zeiten solch einen Blick frommer Ergebung, solche Strahlen milder, heiliger Hoffnung erleuchteten ihre Züge, daß es noch sehr zweifelhaft wurde, ob die unglückliche Gefangene mehr Gegenstand des Mitleids als der Bewunderung sein müsse. Alle Lehren des Paters Ignatius lebten in ihrem treuen Gedächtniß wieder auf, und nicht wenige seiner frommen Visionen schwammen vor ihrer erhitzten Phantasie. Von solchen heiligen Entschlüssen aufgerichtet, beugte das milde, duldende, vertrauende Mädchen sein Haupt unter diesen neuen Schlag der Vorsehung mit derselben Sanftmuth, mit der sie jeder andern Buße für ihre Sünden sich unterzogen haben würde, obwohl die Natur auf Augenblicke solche erzwungenen Demuth mächtig widerstrebte.

Auf der andern Seite zeigte Ellen weit mehr das Weib und also die Leidenschaften der Welt. Sie hatte geweint, bis ihre Augen geschwollen und roth waren. Ihre Wangen waren erhitzt und zornig, und ihre ganze Miene zeichnete sich durch Muth und Haß aus, die jedoch durch Besorgnisse vor der Zukunft nicht wenig modificirt wurden. Kurz es war etwas im Auge und Schritt der Verlobten Paul’s, was hoffen ließ, daß wenn glücklichere Zeiten kommen sollten, und des Bienenjägers Standhaftigkeit am Ende die Belohnung erhielte, er eine Lebensgefährtin besitzen würde, die in jeder Hinsicht ein würdiges Gegenstück zu seinem eigenen schnellen und hitzigen Temperament abgeben könnte.

Es war noch eine andere und dritte Figur in diesem kleinen Frauenkreis, nämlich die jüngste, begabteste und bis jetzt begünstigste von des Tetons Gemahlinnen. Ihre Reize hatten den größten Eindruck auf ihres Mannes Augen gemacht, bis sie sich so unerwartet der höheren Lieblichkeit eines Weibes der Blaßgesichter geöffnet. Von diesem unseligen Augenblick an hatten die Anmuth, die Liebe, die Treue der jungen Indianerin ihre Macht zu gefallen verloren, und doch war Tachechana’s Gestalt, wenn auch weniger reizend als die ihrer Nebenbuhlerin, für ihren Stamm, rein und blühend. Ihr braunes Auge hatte die Sanftmuth und Lebendigkeit das einer Antilope, ihre Stimme war zart und lieblich wie der Gesang des Hains, und ihr fröhliches Lachen glich der Melodie der Vögel. Von all den Sioux-Mädchen war Tachechana (Reh) die leichtmüthigste und beneidetste. Ihr Vater war ein ausgezeichneter Held gewesen, und ihre Brüder hatten schon ihre Gebeine auf fernem, wildem Schlachtfeld zurückgelassen. Zahllos waren die Krieger, die Geschenke geschickt, in das Zelt ihrer Eltern, aber keiner war erhört worden, bis ein Bote kam von dem großen Mahtoree. Sie war freilich sein drittes Weib, aber man wußte es, das begünstigtste von ihnen allen. Ihr Band hatte nur zwei kurze Jahre gedauert, und die Frucht davon lag jetzt schlafend zu ihren Füßen, eingemummt in die gewöhnlichen Binden von Haut und Rinde, woraus die Wiege eines indianischen Kindes besteht.

Als Mahtoree und der Streifschütz an die Oeffnung des Zeltes kamen, saß das junge Sioux-Weib auf einem einfachen Sessel, die sanften Augen mit Blicken, die wie ihre Gefühle, zwischen Liebe und Staunen wechselten, von dem bewußtlosen Kind zu jenen seltenen Wesen gerichtet, die ihr junges, unbewachtes Gemüth mit so viel Bewunderung und Neugierde erfüllt hatten. Obwohl Inez und Ellen einen ganzen Tag bei ihr zugebracht, schien es, als wenn das Verlangen ihrer Wißbegierde mit jedem neuen Blick größer würde. Sie betrachtete sie als Wesen von einer von den Weibern der Steppe ganz verschiedenen Art und Abkunft. Selbst das Geheimniß ihres zusammengesetzten Anzugs hatte seinen geheimen Einfluß auf ihr einfaches Gemüth, obgleich die Grazie und die Reize des Geschlechts, für welche die Natur Alle empfänglich gemacht, am meisten ihre Aufmerksamkeit auf sich zogen. Aber während ihre aufrichtige Sinnesart gern die Vorzüge der Fremden vor den weniger glänzenden Reizen der Dahcotah-Mädchen anerkannte, brauchte sie diese Reize nicht gerade zu verkennen. Der Besuch, den sie jetzt bekommen sollte, war der erste, den ihr Gemahl seit der Rückkehr von seinem letzten Streifzug dem Zelte gemacht, und immer war dieser ihren Gedanken gegenwärtig als ein glücklicher Krieger, der in Augenblicken der Ruhe sich nicht scheute, den sanftern Gefühlen des Vaters und Gemahls sich zu überlassen.

Wir haben überall zu zeigen uns bestrebt, daß, während Mahtoree im Wesentlichen ein Steppenkrieger war, er in jenen Eigenschaften, welche die Dämmerung der Cultur verkünden, weit vor seinem Volk voraus war. Er hatte häufigen Verkehr mit den Handelsleuten und Truppen der Canada gehabt, und diese Verbindungen hatten viele von jenen wilden Meinungen ausgerottet, die ihm durch die Geburt geworden, ohne daß vielleicht andere an ihre Stelle gekommen, die klar genug gewesen, um vortheilhaft zu sein. Seine Schlüsse waren mehr fein als wahr, und seine Philosophie eher kühn als tief. Gleich Tausenden gebildeter Wesen, welche sich für fähig halten, durch die Erprobungen des Menschenlebens ohne andere Stütze als ihre Entschlüsse durchzukommen, war seine Moral den Umständen angemessen und selbstisch. Diese verschiedenen Charakterzüge wird man immer mit Beziehung auf die Lage des Indianers beurtheilen, wiewohl es nicht erst großer Entschuldigung bedarf, daß man Aehnlichkeiten zwischen Menschen findet, welche, wenn auch durch die Umstände modificirt, im Wesentlichen denselben Charakter besitzen.

Trotz der Gegenwart von Inez und Ellen geschah der Eintritt des Teton-Kriegers in die Wohnung seines begünstigten Weibes mit der Haltung und Miene eines Herrn. Der Tritt seines Moccasins war geräuschlos, aber das Klingen seiner Armbänder und des Silberschmucks an seinen Beinen verrieth hinlänglich seine Annäherung, als er die Haut, die den Eingang des Zeltes verhüllte, auf die Seite schob, und vor den Bewohnerinnen stand. Ein leiser Freudeschrei entfuhr den Lippen Tachechana’s bei dieser plötzlichen Ueberraschung, aber diese Erregung ward alsbald in jene unterthänige Haltung unterdrückt, welcher eine Matrone ihres Stammes eigen sein sollte. Statt den verstohlenen Blick seines jugendlichen, im Stillen sich freuenden Weibes zu erwiedern, trat Mahtoree zu dem Lager, das seine Gefangenen einnahmen, und stellte sich in der stolzen, aufrechten Stellung eines indianischen Häuptlings vor sie. Der Alte war hinter ihm hereingeschlüpft, und hatte schon eine Stelle eingenommen, wir sie zu dem Amte paßte, das er ausfüllen sollte.

Staunen machte die Frauen einen Augenblick still und fast athemlos. Wenn auch an den Anblick wilder Krieger in all den schrecklichen Waffen ihres furchtbaren Standes gewöhnt, war doch so was Erschreckendes in ihrem Eintritt, so was Kühnes in dem unerklärlichen Blick ihres Besiegers, daß Beider Augen, unter einem Gefühl des Schauders und der Verlegenheit vielleicht, zu Boden sanken. Dann erholte sich Inez, wandte sich zum Streifschützen, und fragte mit der Würde einer beleidigten Dame, jedoch mit ihrer gewohnten Grazie, welchem Umstand sie diesen außerordentlichen und unerwarteten Besuch verdankten. Der Alte zögerte, räusperte sich, wie wenn man eine besondere Anstrengung machen will, und sagte dann »Lady, ein Wilder ist ein Wilder, und Ihr müßt nicht die Gewohnheiten und das Förmliche der Ansiedelungen in einer leeren, windigen Steppe erwarten. Wie diese Indianer sagen, Sitte und Höflichkeiten sind so leichte Dinge, daß sie weggeblasen werden würde. Was mich betrifft, obgleich ein Mann der Wälder, ich hab‘ zu keiner Zeit das Leben der Großen gesehen, und brauch‘ nicht zu lernen, daß sie von dem der Geringen abweichen. In meiner Jugend war Ich lang ein dienender Mann, nicht einer von Euren Gelbschnäbeln, die im Hauswesen herumlaufen, sondern ein Mann, der im Dienste des Feldes unter einem Offizier stand, und wohl weiß ich, wie der Frau eines Capitains zu begegnen ist. Hätte ich bei diesem Besuch zu befehlen gehabt, ich würde erst laut an die Thüre geklopft haben, damit Ihr hörtet, Fremde kämen, und dann – –«

»Die Art ist gleichgültig,« unterbrach ihn Inez, zu eifrig, die lange Erklärung des Alten anzuhören; »wozu der Besuch?«

»Das mag der Wilde selbst sagen. – Die Töchter der Blaßgesichter wünschen zu wissen, warum der große Teton hereingekommen.«

Mahtoree sah den Frager mit einem Staunen an, welches zeigte, für wie unzeitig er die Frage hielt. Dann nahm er eine herablassende Stellung an, und antwortete nach einem Augenblick des Zögerns:

»Sing‘ in die Ohren des Schwarzaugs. Sag ihr, die Wohnung Mahtoree’s ist sehr groß, und noch nicht voll. Sie soll Raum darin finden, und keine größer sein als sie. Sag dem Blondhaar, auch sie kann bleiben in der Wohnung eines Tapfern und von seinem Wildpret essen. Makhtoree ist ein großer Häuptling, seine Hand stets offen.«

»Teton,« entgegnete der Streifschütz, und schüttelte den Kopf, zum Zeichen der großen Mißbilligung, mit der er diese Rede gehört. »Die Zunge einer Rothhaut muß weiß werden, ehe sie singen kann in die Ohren eines Blaßgesichts. Würden Eure Worte ausgesprochen, meine Töchter würden die Ohren verschließen und Mahtoree ein Handelsmann sein in ihren Augen. Nun hört, was von einem grauen Haupte kommt und sprecht dem gemäß. Mein Volk ist ein mächtig Volk. Die Sonn‘ geht auf an seiner östlichen, unter an seiner westlichen Küste. Das Land ist voll von helläugigen, lachenden Mädchen, wie die, welche Ihr seht; ei, Teton, ich lüge nicht,« fuhr er fort, als er bemerkte, daß sein Zuhörer ungläubig aussah, »helläugig und lieblich anzusehen, wie die vor Euch.«

»Hat mein Vater hundert Weiber?« fiel der Wilde ein, und legte seinen Finger auf die Schulter des Streifschützen mit einem auf die Antwort begierigen Blick.

»Nein, Dahcotah. Der Herr des, Lebens hat zu mir gesagt, leb‘ allein; dein Haus, soll der Wald sein, das Dach deines Wigwams die Wolken. Aber wenn auch nicht gebunden von dem hohen Schwur, der in meinem Volke Einen Mann an Ein Weib bindet, hab‘ ich doch oft das Wirken jenes Gutseins beobachtet, das die beiden zusammen bringt. Geht in das Land meines Volks, Ihr werdet die Töchter des Landes sehen, flatternd durch die Städte, wie bunte, fröhliche Vögel zur Zeit der Blüthe. Ihr findet sie singend und vergnügt auf den großen Wegen, und höret die Wälder schallen von ihrem Lachen. Sie sind sehr herrlich zu betrachten, und die Jugend freut sich an ihrem Anblick.«

»Hugh!« machte der gespannte Mahtoree.

»Ei, wohl könnt Ihr glauben, was Ihr hört; es ist nicht gelogen. Aber wenn ein Jüngling ein Mädchen gefunden, ihm nach Gefallen, spricht er zu ihr mit so leiser Stimme, daß Niemand sonst es vermag zu hören. Er sagt nicht: mein Haus ist leer, Platz noch für eine Andere; sondern: soll ich bauen, will die Jungfrau mir zeigen, an welcher Quelle es ihr gefällt zu wohnen? Seine Stimme ist sanfter als Honig und geht schmeichelnd in’s Ohr, wie der Sang eines Vogels. Deßhalb muß, sollen seine Worte gehört werden, mein Bruder sprechen mit weißer Zunge.«

Mahtoree sann ernst und mit einem Staunen nach, das er nicht zu verhehlen suchte. Das hieß alle Ordnung der Gesellschaft umkehren und nach seiner angenommenen Meinung die Würde eines Häuptlings gefährden, wenn er sich so vor einem Weibe demüthigen sollte. Aber da Inez vor ihm saß, in sich zurückgezogen, und mit ernster Miene ganz unbekannt mit seinem Plane und am wenigsten von allem den wahren Zweck eines so außerordentlichen Besuchs argwöhnend, fühlte der Wilde den Eindruck eines Betragens, an das er nicht gewöhnt war. Er verbeugte sich, gleichsam zum Anerkenntniß seines Irrthums, und trat ein wenig zurück; dann eine Stellung ruhiger Würde annehmend, begann er mit dem Selbstvertrauen eines Mannes zu reden, der sich nicht weniger durch seine Beredsamkeit als seine Waffenthaten ausgezeichnet hatte. Seine Augen auf die Nichts ahnende Braut Middleton’s immer geheftet, ließ er sich in folgenden Worten vernehmen:

»Ich bin ein Mann von rother Haut, aber meine Augen sind dunkel. Sie sind offen gewesen seit vielen Wintern. Sie haben Vieles gesehen, sie unterscheiden einen Tapfern von einem Feigling.

Wenn noch ein Knabe, sah ich nichts als Bison und Wild, Ich ging auf die Jagd und sah den Cougar und Bären. Das machte Mahtoree zum Mann. Er sprach mit seiner Mutter nicht mehr. Seine Ohren waren offen der Weisheit der Greise. Sie sagten ihm Alles, – sie sagten ihm von den Groß-Messern. Er ging in den Krieg; war damals der Letzte, jetzt ist er der Erste. Welcher Dahcotah darf sagen, er wolle vor Mahtoree gehen auf den Jagdgrund der Pawnee! Die Häuptlinge gingen ihm entgegen vor ihre Thüre und sagten, mein Sohn ist ohne ein Haus. Sie gaben ihm ihre Zelte, sie gaben ihm ihre Reichthümer, sie gaben ihm ihre Töchter. Da ward Mahtoree ein Häuptling, wie seine Väter gewesen. Er erstaunte die Krieger aller Nationen, und er hätte Weiber wählen mögen von den Pawnee, von den Omawhaw und von den Konza; aber er sah auf den Jagdgrund, nicht auf sein Dorf. Er hielt ein Pferd lieblicher als ein Dahcotah-Mädchen. Aber er fand eine Blume auf den Steppen, und er pflückte sie und bracht‘ sie in sein Zelt. Er vergißt, daß er nur Herr ist von einem Pferd, er gibt sie alle den Fremden, denn Mahtoree ist kein Dieb; er will nur die Blume behalten, die er auf der Steppe gefunden. Ihre Füße sind zart. Sie kann nicht gehen zur Thür ihres Vaters, sie wird bleiben in der Wohnung des Kriegers für immer.«

Als er diese sonderbare Ansprache geendet, wartete der Teton mit der Miene eines Freiers, der nicht große Zweifel wegen des Erfolgs hegt, daß sie übersetzt würde. Der Streifschütz hatte keine Silbe der Rede verloren, und er schickte sich jetzt an, sie so auf Englisch wiederzugeben, daß der Hauptgedanke noch dunkler als im Original bliebe. Aber als seine widerstrebenden Lippen sich aufthun wollten, erhob Ellen den Finger und unterbrach ihn mit einem scharfen Blick aus ihrem lebhaften Auge, der sich auf die immer noch aufmerksame Inez richtete:

»Spart Eure Worte,« sagte sie, »nicht Alles, was ein Wilder sagt, darf vor einer christlichen Dame wiederholt werden.«

Inez sprang auf, erröthete, verbeugte sich mit einer Art von Rückhalt, während sie kalt dem Alten für seinen guten Willen dankte, und erklärte, daß sie jetzt wünsche, allein zu sein.

»Meine Töchter brauchen ihre Ohren nicht, um zu verstehen, was ein großer Dahcotah sagt,« entgegnete der Streifschütz und wandte sich zu dem wartenden Mahtoree. »Der Blick den er gezeigt, die Bewegungen, die er gemacht, sind genug. Sie verstehen ihn, sie wünschen seine Worte zu überlegen; denn die Kinder der Tapfern, die wie ihre Väter sind, thun nichts ohne vieles Besinnen.«

Mit dieser Erklärung, die so schmeichelhaft für die Kraft seiner Beredsamkeit, so vielversprechend für seine künftigen Hoffnungen war, zeigte sich der Teton in jeder Hinsicht zufrieden. Er gab durch den gewöhnlichen Ausruf seine Beistimmung und wollte sich zurückziehen. Er grüßte die Frauen auf die kalte, aber würdige Art seines Volks, zog sein Gewand um sich und bewegte sich von der Stätte weg, wo er mit dem Blicke schlecht verhehlten Triumphs gestanden.

Aber es war noch eine, eine niedergeschlagene, obwohl regungslose und unbemerkte Zuhörerin bei dem vorigen Auftritt zugegen gewesen. Nicht eine Silbe war den Lippen des lang und ängstlich erwarteten Gemahls entfallen, die nicht unmittelbar das Herz seines unschuldigen Weibes getroffen. So hatte er sie aus dem Hause ihres Vaters entführt, und weil sie ähnlichen Gemälden von dem Ruhm und den Thaten des größten Helden ihres Stammes gelauscht, hatte sie ihr Ohr den zärtlicheren Reden so vieler Sioux-Jünglinge verschlossen.

Als der Teton auf die eben erwähnte Art sich wandte, sein Zelt zu verlassen, fand er dies unerwartete und halb vergessene Wesen vor sich. Sie stand in der demüthigen Haltung und dem furchtsamen Wesen eines indianischen Mädchens, das Pfand ihrer früheren Liebe in ihren Armen haltend, gerade ihm in dem Weg. Erstaunt für einen Augenblick, gewann der Häuptling bald wieder die ruhige Gleichgültigkeit seines Antlitzes, die so auffallend den beherrschten oder vielmehr künstlichen Ausdruck seiner Züge auszeichnete, und winkte ihr auf eine gebieterische Weise Platz zu machen.

»Ist nicht Tachechana die Tochter eines Häuptlings?« fragte die demüthige Stimme, in der Stolz furchtsam mit Angst kämpfte; »waren ihre Brüder nicht Helden?«

»Geh; die Männer rufen nach ihrem Führer; er hat kein Ohr für ein Weib.«

»Nicht?« erwiederte die Bittende, »es ist nicht die Stimme Tachechana’s die Ihr hört, sondern‘ dieser Knabe spricht durch die Zunge seiner Mutter. Er ist der Sohn eines Häuptlings, und seine Worte werden dringen zu seines Vaters Ohr. Hört was er sagt. Wann war Mahtoree hungrig und Tachechana hatte nicht Speise für ihn? Wann ging er auf den Pfad der Pawnee und fand ihn leer, und meine Mutter weinte nicht? Wann kam er zurück mit den Spuren ihrer Schläge, und sie sang nicht? Welches Sioux-Mädchen hat einen so tüchtigen Sohn geboren, wie ich bin? Sieh mich recht an, daß du mich kennst! Meine Augen sind die des Adlers, Ich seh‘ in die Sonne und lache. In kurzer Zeit wird der Dahcotah mir folgen auf der Jagd und in den Krieg. Warum wendet mein Vater sein Auge weg von dem Weibe, das mich säugt, warum hat er so bald vergessen die Tochter eines mächtigen Sioux?«

Einen einzigen Augenblick, wo der stolze Vater sein kaltes Auge auf das Antlitz des lachenden Knabens fallen ließ, schien das finstere Gemüth des Tetons gerührt. Aber das zarte Gefühl abschüttelnd, als wenn er eine peinliche Bewegung, die ihm Vorwürfe machte, los sein wollte, legte er seine Hand ruhig auf seines Weibes Arm und führte sie gerade vor Inez. Auf das sanfte Antlitz deutend, daß auf ihres mit einem Blick voll Zärtlichkeit und Mitleid strahlte, blieb er stehen, um sein Weib eine Lieblichkeit betrachten zu lassen, die ganz eben so ausgezeichnet ihrem aufrichtigen Gemüth erschien, als sie dem Charakter ihres untreuen Gemahls gefährlich geworden. Als er glaubte, es habe lange genug gedauert, um den Gegenstand recht schlagend zu machen, erhob er plötzlich einen kleinen Spiegel, der an ihrer Brust hing, einen Schmuck, den er ihr selbst in einer freundlichen Stunde als Huldigung ihrer Schönheit gegeben, und ließ ihr eigenes schwärzliches Bild hineinfallen. Er warf nun wieder seinen Rock um sich, winkte dem Streifschützen ihm zu folgen und schritt stolz aus seinem Zelt, auf dem Wege die Worte murmelnd: »Mahtoree ist sehr weise! Welche Nation hat einen so großen Häuptling als die Dahcotah?«

Tachechana stand einen Augenblick wie zur Bildsäule der Demuth geworden. Ihr mildes, gewöhnlich frohes Antlitz arbeitete, als wolle der Kampf in ihr die Verbindung zwischen ihrer Seele und dem materiellen Theil, dessen Ungestalt ihr jetzt so betrübend geworden, zersprengen. Inez und Ellen waren gänzlich unbekannt mit der eigentlichen Beschaffenheit ihrer Unterredung mit ihrem Gemahl, obwohl der schnelle, scharfe Sinn der letzteren, sie die Wahrheit vermuthen ließ, zu der die gänzliche Unschuld der ersteren keinen Schlüssel gab. Doch schickten sich beide an, ihr die Teilnahme zu beweisen, welche dem weiblichen Geschlecht so natürlich und so anmuthsvoll ist, als es plötzlich nicht mehr nöthig schien. Die Krämpfe in den Zügen der jungen Sioux verschwanden, und ihr Gesicht ward kalt und starr wie gemeißelter Stein. Ein einziger Ausbruch unterdrückter Angst, der sich auf die Stirne festgesetzt, die selten vorher der Kummer umwölkt, blieb allein noch zurück. Er verging nie, in all den Veränderungen der Jahrszeiten, des Geschicks und der Jahre, denen als Weib sie bei einem wilden, harten Leben ausgesetzt sein sollte. Wie bei’m Sonnenstich, mag die Pflanze sich erholen und wieder aufleben, die Wirkungen dieser zerstörenden Berührung, dauern.

Tachechana legte erst jede Spur jener rohen aber hochgeschätzten Zierrathen ab, welche die Freigebigkeit ihres Gemahls sonst ihr gespendet hatte, und reichte sie sanft und ohne ein Murren als ein Opfer für ihre Vorzüge der Inez. Die Spangen wurden abgestreift von den Armen, die verwickelten Massen und Knöpfe von den Beinen und die breite Silberplatte von der Stirn. Dann sann sie lang und peinvoll. Aber es wollte scheinen, als wenn der Entschluß, den sie einmal gefaßt, nicht besiegt werden könnte von den noch glimmenden Gefühlen irgend einer Zuneigung, so natürlich sie waren. Der Knabe, selbst ward zunächst zu den Füßen ihrer vermeintlichen Nebenbuhlerin gelegt, und wohl mochte das erniedrigte Weib des Tetons glauben, daß die Last ihres Opfers jetzt voll sei.

Während Inez und Ellen dastanden und diese verschiedenen, sonderbaren Bewegungen mit Augen voll Verwunderung mit ansahen, hörte man eine leise, sanfte Stimme, die voll Wohllaut in einer ihnen unverständlichen Sprache sagte:

»Eine fremde Zunge wird meinen Sohn zum Manne ziehen. Er wird Töne hören, die neu sind, aber er wird sie lernen und die Stimme seiner Mutter vergessen. So ist’s Wahcondah’s Wille, und eine Sioux-Tochter sollte sich nicht beklagen. Sprecht zu ihm sanft, seine Ohren sind so klein, ist er groß, dann mögen Eure Worte lauter sein. Laßt ihn nicht zum Mädchen werden, denn gar traurig ist das Leben eines Weibes. Lehrt ihn auf die Männer sehen, zeigt ihm, wie er die schlage, die ihm übel thun, und laßt ihn nie vergessen, Schlag mit Schlag zu vergelten. Wenn er jagen geht, wird die Blume der Blaßgesichter,« so schloß sie und gebrauchte bitter das Bild, das ihr durch die Phantasie ihres rohen Gemahls an Hand gegeben worden, »sanft in seine Ohren lispeln, daß seine Mutter roth war, daß sie einst das Reh hieß der Dahcotah.«

Tachechana drückte einen Kuß auf die Lippen ihres Sohnes und eilte dann zurück an die entfernteste Stelle des Zelts. Hier zog sie den leichten Calikorock über das Haupt und nahm, zum Zeichen ihrer Niedrigkeit ihren Sitz auf der bloßen Erde. Alle Bemühungen ihrer Gefährtinnen, ihre Aufmerksamkeit zu erregen, waren fruchtlos. Sie hörte nicht ihre Vorstellungen, fühlte nicht ihre leise Berührung. Ein- oder zweimal erhob sich ihre Stimme zu einer Art Trauergesang unter dem deckenden Mantel hervor, aber stieg nie zur vollen Wildheit der Musik der Barbaren. So blieb sie ungesehen stundenlang, während Begebenheiten außerhalb des Zelts vorfielen, welche nicht allein ihr eigenes Geschick gänzlich änderten, sondern auch einen dauernden, tiefen Eindruck auf die künftigen Bewegungen des wandernden Sioux-Stamms zurückließen.