Kapitel 31

 

31

 

Torringtons Wohnung im Ritz-Carlton wies bei näherer Betrachtung allerlei Eigentümlichkeiten auf, die Audrey erst bemerkte, als ihr neuer Chef nachmittags ausging und sie in seinen Zimmern allein ließ. Alle Türen waren zum Beispiel mit Riegeln versehen, und als sie ein Fenster öffnete, um einen Gardinenbrand in einem gegenüberliegenden Haus zu beobachten, erschrak sie heftig, denn plötzlich stürzten drei Männer im Laufschritt herein. Der eine war ein Agent von Stormer, den sie kannte, die beiden anderen waren ihr fremd.

 

»Tut mir leid, Sie erschreckt zu haben«, sagte der Agent. »Wir hätten Ihnen mitteilen sollen, daß Sie keine Fenster öffnen dürfen.« Er schickte seine Begleiter hinaus und schloß das Fenster sorgfältig. »Sie haben den Alarmapparat berührt. Sehen konnten Sie ihn nicht, weil er durch das Drehen des Griffs in Gang gesetzt wird. Es ist nicht nötig, hier die Fenster aufzumachen, denn die Zimmer werden durch eine besondere Vorrichtung ventiliert. Wenn Sie mitkommen wollen, werde ich Ihnen noch etwas zeigen.«

 

Er führte sie in Torringtons merkwürdig einfach eingerichtetes Schlafzimmer, in dem sonderbarerweise ein zweischläfriges Bett stand.

 

»Auf dieser Seite schläft er, und wenn er den Kopf einmal zufällig auf dieses Kissen legt –« er hob es behutsam auf, und sie sah den fadendünnen Draht, der unter dem Bett verschwand. »Der geringste Druck bringt sofort die Nachtwachleute herbei.«

 

»Aber ist Mr. Torrington denn wirklich in so großer Gefahr?«

 

»Man kann nie wissen«, wich der Mann aus. –

 

Im Lauf des Nachmittags fand Audrey Zeit, einige Zeilen an ihre Schwester zu schreiben:

 

 

Liebe Dora,

wir waren wohl beide etwas kindisch. Nenne mich meinetwegen ruhig Dorothy, oder wie Du sonst willst, und auch älter als Du will ich gern sein – als Oberhaupt der Familie fühle ich bereits ganz mütterliche Regungen Dir gegenüber! Auf Wiedersehen.

 

Dorothy.«

 

 

Dora gab den Brief an Martin weiter, nachdem sie ihn gelesen hatte.

 

»Die Sache läßt sich nicht durchführen. Ein Kabeltelegramm würde ja hinreichen, um Audreys Behauptung zu bestätigen.«

 

»Aber wir müssen es doch versuchen«, entgegnete er. »Die Bank drängt schon, weil ich mein Konto weit überzogen habe. Ich sitze fürchterlich in der Patsche. Audrey muß verschwinden – irgendwohin nach dem Kontinent.«

 

»Und Shannon?«

 

»Ach, Shannon! Wie ich mit Slick fertig werde, macht mir mehr Sorgen. Er weiß zuviel! Nicht nur in bezug auf Audrey. Erinnerst du dich noch an den Abend, an dem ich Marshalt erschießen wollte? Ich war gerade auf sein Dach geklettert, als unten der Spektakel losging. Am anderen Ende des Daches stand ein Detektiv. Er sah weder mich noch den Mann, der an dem Strick nach oben kam, das Oberlichtfenster bei Malpas öffnete und hineinstieg. Aber ich sah ihn, und ich machte, daß ich fortkam!«

 

»Dann hast du also den Mörder gesehen?« flüsterte sie atemlos.

 

»Ich sah noch mehr. Als er in die kleine Vorratskammer geklettert war, steckte er eine Kerze an und holte eine Perücke mit falscher Nase und falschem Kinn aus der Tasche und legte sie an. Seine eigene Mutter hätte ihn nicht von Malpas unterscheiden können, nachdem er das Ding befestigt hatte!«

 

»Malpas!« stieß sie entsetzt hervor. »Wer war es denn?«

 

»Slick Smith«, erwiderte Martin.

 

 

Shannon hatte beschlossen, das Götzenbild aus Portman Square Nr. 551 entfernen und nach Scotland Yard überführen zu lassen.

 

»Nehmen Sie einen Mann in Zivil mit und lassen Sie die Leute von der Transportgesellschaft ein«, sagte er zu Steel. »Wenn wir das Ding hier haben, kann ich es von erfahrenen Mechanikern eingehend untersuchen lassen. Übrigens habe ich heute mit einem der Dienstmädchen bei Marshalt gesprochen. Sie erzählte mir, daß sich Marshalt wirklich sehr vor seinem Nachbar gefürchtet hat. Einmal war sie gerade im Zimmer, als es dreimal an die Wand klopfte. Marshalt soll halbtot vor Angst gewesen sein.«

 

»Die Aussage kann uns wohl auch nicht viel helfen«, meinte sein Assistent.

 

»O doch! Ich kann mir jetzt denken, wer der Schurke mit den zwei Gesichtern gewesen ist. Also, machen Sie sich an die Arbeit.«

 

Steel beeilte sich, den Auftrag auszuführen, aber er und sein Begleiter warteten vergeblich auf die zum Abtransport bestellten Leute, und als er die Firma anrufen wollte, stellte sich heraus, daß der Fernsprecher nicht in Ordnung war. Er schickte den Mann, der bei ihm war, zur nächsten Telephonzelle und ging inzwischen vor der offenen Haustür auf dem Gehsteig auf und ab. Seine Hand lag auf dem Revolver, den er in der Tasche trug, und er entfernte sich nur wenige Schritte von der mit einem Holzklotz aufgekeilten Tür.

 

Als er wieder einmal umkehrte, sah er eine wachsgelbe Hand hinter der Tür hervorkommen, die nach dem Holzklotz griff. Sofort riß er den Revolver heraus und rannte die Stufen hinauf. Der Klotz wurde zurückgezogen, und die Tür begann sich zu schließen. Als sie nur noch einen Zollbreit offenstand, warf er sich dagegen, aber von innen verstärkte jemand den Druck der Angeln durch sein Gewicht, und sie schnappte ein.

 

Einen Moment später kam Steels Begleiter zurück und meldete, daß Shannon am Nachmittag seinen Auftrag selbst widerrufen hätte.

 

»Das dachte ich mir doch«, brummte Steel grimmig. »Wir wollen mal sehen, was der Captain dazu sagt.«

 

Glücklicherweise meldete sich Shannon selbst auf den Anruf und nahm den Bericht entgegen.

 

»Ich habe natürlich keinen Gegenbefehl erteilt«, sagte er dann. »Wir wollen die Sache bis morgen aufschieben. Gehen Sie jetzt einmal nach hinten und sehen Sie zu, was dort vorgeht.«

 

Die beiden kamen der Aufforderung nach und näherten sich bereits dem Hoftor, als ein elegant gekleideter Herr herauskam.

 

»Slick Smith!« stieß Steel fast tonlos hervor. »Und er trägt gelbe Handschuhe!«

 

Slick Smith wirbelte ahnungslos seinen Spazierstock in der Luft herum und schlenderte gelassen davon. Als er Maida Vale erreicht hatte, blieb er vor einem der imposanten, prunkvollen Grevilleschen Mietshäuser stehen und trat durch einen der beiden vornehmen Eingänge in die behagliche Portierloge.

 

»Ich möchte Mr. Hill sprechen«, erklärte er mit strahlender Miene.

 

»Mr. Hill ist verreist. Kommen Sie wegen einer Wohnung?«

 

»Ja. Lady Kilferns Wohnung interessiert mich. Sie soll ja möbliert vermietet werden. Hier, bitte!« Er zog einen blauen Bogen aus der Tasche, den der Portier aufmerksam prüfte.

 

»Schön, da Lady Kilfern die Besichtigung gestattet, werde ich Sie hinauffahren.«

 

Beim Anblick der verhängten Fenster und zugedeckten Möbel schüttelte Smith den Kopf.

 

»Ach, die Wohnung liegt nach vorne? Schade, bei dem Straßenlärm kann ich nicht schlafen.«

 

»Nach hinten ist leider nichts frei.«

 

»Wer wohnt denn da?«

 

Sie waren an die Treppe zurückgegangen, und Smith deutete auf eine Tür hinter dem Aufzug. Während der Portier erklärte, daß ein Rechtsanwalt hier sein Zimmer hatte, schlenderte Slick den Gang entlang und blickte durch ein großes, nach hinten gelegenes Fenster hinaus.

 

»Dies würde mir passen«, meinte er. »Aha, auch eine Rettungsleiter. Ich bin sehr ängstlich wegen Feuersgefahr.«

 

Er lehnte sich hinaus und schaute auf den Hof hinunter. Dabei bemerkte er auch, daß die Eingangstür Nr.9 mit Patentschlössern versehen war, und daß ein furchtloser Mann von der Rettungsleiter aus das Flurfenster von Nr.9 erreichen konnte.

 

»Ich möchte mir so gern eine von diesen nach hinten gelegenen Wohnungen ansehen, aber das geht wohl nicht?« fragte er bekümmert.

 

»Nein. Ich habe zwar einen Hauptschlüssel, aber den darf ich nur bei Feuer oder Unfällen benützen.«

 

»Einen Hauptschlüssel?« wiederholte Mr. Smith verwundert. »Was ist denn das?«

 

Mit sichtlicher Genugtuung griff der Mann in die Tasche.

 

»Hier sehen Sie einen«, sagte er stolz.

 

Slick nahm ihn in die Hand und betrachtete ihn interessiert.

 

»Wie merkwürdig!« rief er. »Sieht doch genau aus wie jeder andere Schlüssel? Wie funktioniert er denn?«

 

»Das kann ich Ihnen nicht erklären«, erwiderte der Portier ernst und steckte den Schlüssel wieder ein. Im selben Augenblick klingelte es am Aufzug.

 

»Entschuldigen Sie –« begann er, aber Slick hielt ihn am Arm fest.

 

»Können Sie nochmal zurückkommen?« fragte er drängend. »Ich möchte Ihre Ansicht über diese Wohnungen hören.«

 

»Ich bin gleich wieder hier.«

 

Als er zurückkehrte, stand Slick mit nachdenklicher Miene an derselben Stelle, wo er ihn verlassen hatte.

 

»Ja, wie ich Ihnen schon sagte, dieser Hauptschlüssel–« Er hielt plötzlich erschrocken inne. »Ich habe ihn verloren!« rief er. »Haben Sie nicht gesehen, daß ich ihn einsteckte?«

 

»Doch Sie haben ihn genommen… aber da liegt er ja!«

 

Slick deutete auf den Teppich.

 

»Gott sei Dank!« Der Portier atmete erleichtert auf. »Sie sollten mal oben aufs Dach gehen, da hat man eine wunderschöne Aussicht. Soll ich Sie hinauffahren?«

 

»Nein, ich gehe jetzt lieber«, meinte Slick Smith, als der Mann wieder durch die Fahrstuhlglocke nach unten gerufen wurde.

 

Sobald der Lift verschwunden war, eilte Slick auf die jetzt nur angelehnte Tür zu. Ein leiser Stoß genügte, um sie zu öffnen, denn während der kurzen Abwesenheit des Portiers hatte er sie aufgeschlossen, den Griff zurückgebunden und sie wieder zugezogen. Nun schob er den Sicherheitsriegel vor und eilte von einem Raum in den anderen. Im Schlafzimmer raffte er allerlei Gegenstände zusammen und ließ sie in seinen geräumigen Taschen verschwinden. Dann schlüpfte er in die Küche, untersuchte die Vorräte in der Speisekammer, roch an der Butter, prüfte den Inhalt einer Dose Kondensmilch und fühlte an das Brot, um festzustellen, wie alt es wäre. Nachdem er sich orientiert hatte, schlich er auf den Vorplatz zurück und lauschte. Eben ertönte wieder das Summen des Fahrstuhls. Slick bückte sich, hob den Deckel des Briefkastens und sah den Lift nach oben gleiten. Im nächsten Moment war er draußen und stand unten in der Halle, als der Portier wieder mit dem Fahrstuhl herunterkam.

 

»Vielleicht miete ich die Wohnung doch«, sagte er. »Aber zu diesem Zweck muß ich mich ja wohl an jemand anders wenden als an Sie?«

 

»Ja. Vielen Dank.« Der Mann steckte das fürstliche Trinkgeld ein, während Slick das Gebäude verließ und ein Mietauto heranwinkte.

 

Kapitel 32

 

32

 

Am Nachmittag desselben Tages hielt sich Martin Elton fast eine Stunde lang in seiner Bank auf, prüfte den Inhalt seines diebessicheren Safes, zerriß allerlei Papiere und steckte vier einzelne, dicht beschriebene Briefbogen in seine Brusttasche. Sobald er wieder nach Hause kam, rief er Stanford an und bat ihn, sofort zu ihm zu kommen.

 

Stanford erklärte sich erst nach längeren Ausflüchten und Einwendungen dazu bereit und war in übler Laune, als er kurz vor fünf in der Curzon Street erschien.

 

»Zum Teufel, was fällt dir denn ein, daß du mich herbeorderst, als ob ich ein Kuli wäre!« fuhr er Martin wütend an.

 

Elton lag auf einer Couch und blickte von seinem Buch auf.

 

»Mach die Tür zu und schrei nicht so!« erwiderte er gelassen. »Die Sache ist ernst, sonst hätte ich dich nicht herbestellt.« Er stand auf, nahm sich eine Zigarre und bot auch Stanford eine an, die dieser mißmutig nahm. »Audrey ist jetzt bei Stormer angestellt, und das Kind ist schlau.«

 

»Was geht mich das an! Wenn du mich nur deshalb-«

 

»Ich sage dir, daß sie schlau ist. Und daß sie uns nach jener Diamantengeschichte nicht gerade freundlich gesinnt ist, kannst du dir wohl denken. Nun weiß ich zufällig, daß Stormer für fast alle Botschaften in London arbeitet –«

 

Stanford lachte höhnisch.

 

»Meinetwegen kann sie Beweise sammeln, soviel sie will!« sagte er. »Mir soll’s recht sein. Ist das alles?«

 

»Nicht ganz. Besinnst du dich noch auf den kleinen Feldzugsplan für die Sache mit der Königin von Griechenland, den du wie gewöhnlich bei solchen Gelegenheiten schriftlich ausgearbeitet hast?«

 

»Gewiß, aber der ist doch vernichtet.«

 

»Leider nicht«, fuhr Martin kaltblütig fort. »Es war eine so geniale Arbeit, daß ich sie dummerweise aufbewahrte. Audrey war vorgestern hier. Sie kam, während Dora und ich ausgegangen waren, und ging zu Doras Zimmer hinauf, um ihr Haar überzukämmen. Dora bewahrt die Schlüssel zu meinem Depositenfach in ihrem Schreibtisch auf.«

 

Stanford starrte ihn an.

 

»Nun – und?«

 

»Als ich heute nach der Bank ging, um Geld herauszunehmen, waren all meine Papiere verschwunden.«

 

Stanford wurde bleich.

 

»Du meinst, daß mein Plan auch verschwunden ist?«

 

»Ja, das meine ich.« Er hob abwehrend die Hand. »Geh bitte nicht gleich in die Luft. Ich gebe zu, daß es verrückt von mir war, ihn aufzuheben. Natürlich hätte ich ihn sofort vernichten müssen – besonders weil du darin sogar Namen genannt hattest, wenn ich mich recht erinnere. Für mich ist die Geschichte ebenso fatal wie für dich – vielleicht noch unangenehmer, da Dora und ich etwas bei ihr auf dem Kerbholz hatten, du dagegen nicht.«

 

»Du hast mich reingelegt, du Schweinehund! Wie kann man nur so wahnsinnig sein, so etwas aufzuheben?«

 

»Warum hast du Namen hineingeschrieben? Natürlich mache ich mir Vorwürfe, aber wenn die Sache vor Gericht kommt, so ist deine eigene Schlauheit daran schuld.«

 

Stanford zuckte die Schultern. Trotz seiner scheinbaren Stärke und Großmäuligkeit war er im Grund ein Schwächling, wie Martin sehr wohl wußte.

 

»Was soll ich denn jetzt tun?« fragte er verbissen.

 

Elton begann nun, Mittel und Wege mit ihm zu besprechen …

 

 

Torrington hatte Audrey für den Abend entlassen.

 

»Ich habe noch eine wichtige Besprechung«, sagte er. »Sie können also ins Theater gehen oder sich sonst nach Belieben die Zeit vertreiben.«

 

Audrey freute sich darüber, denn Dora hatte sie eingeladen, bei ihr zu essen.

 

»Ich gehe nachher noch aus und muß deshalb früh essen«, hatte Dora am Telephon geäußert. »Du brauchst dich also nicht schön zu machen.«

 

Sie öffnete ihrer Schwester selbst die Tür.

 

»Meine Köchin ist eben auf und davon gegangen«, erklärte sie und küßte Audrey. »Und mein Mädchen wollte so gern ihre kranke Mutter besuchen. Ich hatte nicht das Herz, ihr die Bitte abzuschlagen. Du mußt also Nachsicht haben. Martin ist zum Glück in den Klub gegangen. Er kommt erst nachher, um mich abzuholen.«

 

Der Tisch war sehr hübsch für zwei Personen gedeckt, und auch das Essen ließ nichts zu wünschen übrig, denn trotz all ihrer Fehler war Dora eine vorzügliche Hausfrau.

 

»Wir wollen eine kleine Flasche Sekt trinken, um unsere Versöhnung zu feiern«, sagte sie beim zweiten Gang, stand auf, nahm eine Flasche aus dem silbernen Kühler und entfernte geschickt den Draht über dem Korken.

 

Audrey lachte.

 

»Ich habe lange keinen getrunken«, sagte sie.

 

»Solchen Sekt hast du wohl noch nie bekommen«, plauderte Dora heiter. »Martin ist ein Kenner.«

 

Der Propfen knallte, und sie füllte ein Glas, so daß der rosige Schaum überlief.

 

»Auf unser nächstes vergnügtes Beisammensein!« sagte sie und hob ihr Glas.

 

Audrey lachte leise und nippte.

 

»Du mußt aber austrinken!« rief Dora.

 

Ihre Schwester leerte das Glas mit feierlicher Miene.

 

»Ach«, sagte sie dann etwas bestürzt, »das schmeckt ja ganz bitter – fast wie Chinin. Aber ich verstehe wohl nicht viel von Wein.«

 

Eine halbe Stunde später kam das Hausmädchen unerwartet zurück.

 

»Ich dachte, Sie wollten ins Theater gehen?« fragte Dora scharf.

 

»Ich habe solche Kopfschmerzen bekommen«, erwiderte die Angestellte. »Leider konnte ich die Eintrittskarte, die Sie mir schenkten, nicht benützen. Aber wenn ich vielleicht bei Tisch aufwarten soll…«

 

»Wir sind schon fertig mit dem Essen«, entgegnete Dora. »Miß Bedford ist eben gegangen.«

 

 

Torrington warf seinem Besucher einen scharfen, prüfenden Blick zu und deutete dann stumm auf einen Stuhl.

 

»Wenn ich nicht irre, haben wir uns schon gesehen, Mr. Torrington«, begann Martin.

 

»Ich weiß genau, daß wir uns nie gesehen haben, obwohl ich Sie vom Hörensagen kenne. Legen Sie Ihren Mantel ab, Mr. Elton. Sie baten um eine Unterredung unter vier Augen, und ich habe sie aus verschiedenen Gründen bewilligt. Ich glaube, Sie sind ein Schwager meiner Sekretärin.«

 

Martin neigte den Kopf.

 

»Ja, unglücklicherweise.«

 

»Unglücklicherweise?« Der alte Herr zog die Augenbrauen hoch. »Ach, Sie meinen wegen ihrer Vergangenheit? Das arme Mädchen war ja wohl in einen Juwelenraub verwickelt.«

 

»Sie hatte die Diamanten bei sich, als sie verhaftet wurde.«

 

»So? Das ist ja schlimm! Natürlich wußte ich das, als ich die junge Dame anstellte. Sie wollen mich wohl vor ihren Ränken warnen?«

 

»Nein, ich komme aus einem ganz anderen Grund her, erwiderte Martin, der trotz Torringtons ernster Miene das Gefühl hatte, der alte Mann triebe seinen Spott mit ihm. »Verzeihen Sie mir, wenn ich ein sehr peinliches Thema berühren muß. Sie wurden vor Jahren in Südafrika wegen unerlaubten Diamantenhandels verurteilt –«

 

»Ja, ich war das Opfer eines der größten Schurken im Diamantengebiet, eines gewissen Lacy Marshalts, der jetzt tot ist.«

 

»Sie hatten eine junge Frau«, fuhr Martin zögernd fort, »und ein Kind – ein kleines Mädchen, das Dorothy hieß.«

 

Torrington nickte stumm.

 

»Ihre Frau war außer sich über die Schande, verschwand aus Südafrika und ließ nie wieder von sich hören, nicht wahr?«

 

»Doch, einmal schrieb sie.« Die Worte klangen wie ein Peitschenhieb.

 

»Sie kam mit dem Baby und einer älteren Tochter nach England, nahm den Namen Bedford an und lebte hier von ihrem kleinen Einkommen.«

 

»Von einer Rente«, verbesserte Torrington. »Ich hatte sie vor meiner Verhaftung in eine Rentenbank eingekauft. Bitte, sprechen Sie weiter!«

 

Martin holte tief Atem.

 

»Aus irgendeinem Grund erzog die Frau Dorothy in dem Glauben, daß sie die Tochter ihres ersten Gatten sei, während sie das andere kleine Mädchen für älter ausgab. Aus welchem Grund –«

 

»Lassen wir das!« fiel ihm Torrington ins Wort. »All dies kann wahr oder unwahr sein.«

 

Martin wagte nun den entscheidenden Schritt.

 

»Sie sind der Meinung, daß Ihre Tochter Dorothy tot ist. Das stimmt aber nicht. Sie lebt, und zwar hier in England. Sie ist meine Frau.«

 

Daniel Torringtons Augen schienen den Mann zu durchbohren.

 

»Ist das die Geschichte, die Sie mir erzählen wollten?« fragte er. »Daß meine kleine Dorothy noch lebt und Ihre Frau ist?«

 

Eine lange, drückende Pause entstand.

 

Endlich brach Torrington das lastende Schweigen.

 

»Sind Ihnen eigentlich die näheren Umstände meiner Verhaftung bekannt? – Nein? Dann werde ich sie Ihnen einmal erzählen.

 

Ich saß auf der Vortreppe meines Hauses in Wynberg und hatte mein Baby auf dem Schoß, als ich Marshalt um das Gebüsch herumkommen sah. Ich war überrascht, daß er zu mir kam – bis ich zwei Detektive hinter ihm bemerkte. Er hatte Angst vor mir, Todesangst! Als ich aufstand und das Kind in die Wiege legte, zog er einen Revolver und schoß. Nachher sagte er, ich hätte zuerst gefeuert, aber das war eine Lüge. Ich hätte überhaupt nicht geschossen, aber seine Kugel traf die Wiege, und ich hörte das Kind schreien. Da erst legte ich auf ihn an, und er wäre ein toter Mann gewesen, wenn ich nicht des Kindes wegen in so große Aufregung geraten wäre. Ich fehlte, und sein zweiter Schuß zerschmetterte mir das Bein. Wußten Sie das?«

 

Martin schüttelte den Kopf.

 

»Ich dachte mir, daß es Ihnen neu sein würde. Das Kind war verwundet – die Kugel fuhr durch den kleinen Zeh des einen Fußes und zerbrach den Knochen – mich wundert nur, daß Ihre Frau Ihnen davon noch nichts gesagt hat –«

 

Martin schwieg.

 

»Meine kleine Dorothy ist nicht tot. Das weiß ich schon seit einiger Zeit, und nun habe ich sie auch mit Hilfe meines Freundes Stormer gefunden.«

 

»Und sie weiß – ?« fragte Martin totenbleich.

 

»Nein, sie weiß es nicht. Sie soll es erst erfahren, wenn meine Aufgabe erledigt ist.«

 

Seine kalten Augen durchdrangen unbarmherzig Martins Gesicht.

 

»Ihre Frau ist meine Tochter, wie? Sagen Sie ihr, sie möchte herkommen und mir ihren linken Fuß zeigen. Sie können Geburtsscheine fälschen, Elton – aha, das saß – aber kleine Fußzehen, die zerschossen wurden, können Sie nicht nachbilden!«

 

Er klingelte.

 

»Bringen Sie den Herrn hinaus«, sagte er, »und wenn Miß Bedford nach Hause kommt, möchte ich sie sofort sprechen…«

 

Eine Viertelstunde später standen sich Dora und Martin im Wohnzimmer gegenüber, und er berichtete ihr das Ergebnis seiner Unterredung mit Torrington.

 

»Vielleicht läßt sich alles noch zu unseren Gunsten verschieben. Er wird zahlen, um sie zurückzubekommen, wenn –«

 

»Wenn -?«

 

»Wenn sie noch lebt«, erwiderte Dora leise, »und wenn inzwischen nichts anderes passiert ist.«

 

Kapitel 33

33

Abends um elf erhielt Slick Smith den Besuch einer Dame. Der Hauswirt, der sehr auf guten Ruf hielt, erklärte unmutig, daß er das zu so später Stunde nicht dulden könnte. »Es handelt sich um eine äußerst wichtige Botschaft meines Freundes, Captain Shannon. Vielleicht würden Sie so freundlich sein, mir Ihr Wohnzimmer auf kurze Zeit zur Verfügung zu stellen?« erwiderte Slick. Dazu erklärte sich der Mann bereit. Nach einer Viertelstunde entfernte sich die Dame wieder, und Slick bedankte sich bei dem Wirt. Dann ging er in seine Wohnung hinauf, vertauschte den Frack mit einem Straßenanzug, schlüpfte in einen Flauschmantel und steckte allerhand rätselhafte Gegenstände ein. Die Dame, die ihn besucht hatte, wartete noch vor dem Haus auf ihn, und sie gingen zusammen bis zum Marble Arch. Slick bemerkte sehr wohl, daß der unvermeidliche Mann von Stormer ihm folgte, kümmerte sich aber nicht darum. Er verabschiedete sich von der Dame und fuhr in einer Droschke nach dem Greville-Gebäude, wo der Nachtportier ihn dienstbeflissen empfing und im Lift nach oben fuhr. Slick besaß zur Zeit eine elegante Wohnung im zweiten Stock des Hauses … Am selben Abend machte Sergeant Steel seine übliche Runde durch die zahllosen, außerordentlich verschiedenartigen Nachtklubs, die in London seit dem Krieg aus dem Boden geschossen waren. Gegen zwölf kehrte er heim und fühlte schon in der Tasche nach seinem Schlüssel, als ihm ein Mann mit einer Handtasche entgegenkam. Steel war todmüde, aber als er diese Tasche sah, nahm er die Verfolgung sofort auf. Sie war so schwer, daß der Mann sie bald in die eine, bald in die andere Hand nahm. Es war eine lange Jagd, denn der Mann merkte die Gefahr, beschleunigte seine Schritte, huschte bald um diese, bald um jene Ecke und begann schließlich zu laufen. Aber auch Steel hatte flinke Beine und ließ nicht von ihm ab, denn sein Instinkt sagte ihm, daß er diesen Mann stellen müßte. Der Flüchtling wurde immer nervöser, als die Verfolgung andauerte, und als er an einer Straßenecke einen Polizisten stehen sah und Steel dicht hinter sich wußte, zauderte er eine Sekunde, ließ dann die Tasche fallen und eilte blitzschnell davon. In diesem Augenblick erkannte ihn Steel: es war Slick Smith. »Folgen Sie dem Mann«, befahl er dem Polizisten und wandte seine Aufmerksamkeit der Handtasche zu … Dick Shannon war beim Auskleiden, als sein Assistent mit leuchtenden Augen ins Zimmer stürzte. »Sehen Sie her!« rief er und öffnete die Tasche mit einem Ruck. Wie versteinert schaute Dick hinein. »Die Diamanten!« flüsterte er. »Slick Smith hatte sie!« fuhr Steel atemlos fort. »Ich sah ihn von weitem und folgte ihm, ohne zu wissen, daß er es war. Er kniff aus, und als ich ihn erreichte, ließ er die Tasche fallen.« »Holen Sie ein Auto!« erwiderte Dick und zog sich schnell wieder an. Fünf Minuten später erschien Steel wieder, und diesmal hatte er die nötigen Vorsichtsmaßnahmen getroffen. Das Auto war von Polizisten umringt. Sie verteilten sich auf den Sitzen und brachten die Diamanten wohlbehalten nach Scotland Yard. Dick kehrte mit Steel dann zum Haymarket zurück. Vor seiner Haustür fand er einen kleinen, schmutzigen Jungen. William stand neben ihm. »Er sagt, er hätte einen Brief für Sie«, meldete der Diener. »Mir wollte er ihn nicht geben.« »Ich bin Captain Shannon«, sagte Dick, aber der kleine Mann schien immer noch abgeneigt, sich von seiner Botschaft zu trennen. »Bringen Sie ihn herein«, befahl Shannon. Im Wohnzimmer zog der Junge endlich einen unsauberen Fetzen Zeitungspapier aus der Tasche. Dick nahm ihn und sah, daß es ein Stück von einem Londoner Morgenblatt war. Die Botschaft war mit Bleistift auf den unbedruckten Rand gekritzelt:

»Um Himmels willen, retten Sie mich! Ich bin am Foulds Kai. Der Teufel will mich noch vor morgen früh umbringen. Lacy Marshalt.«

»Lacy Marshalt!« schrie Steel. »Großer Gott, das ist doch nicht möglich!« »Woher hast du das?« fragte Dick rasch. »Ein Junge gab es mir in der Spa Road. Er sagte, ein Herr hätte es dicht bei Dockhead durch ein Gitter gesteckt, und ich würde ein Pfund kriegen, wenn ich es Captain Shannon brächte.« »Warum kam er denn nicht selbst damit her?« Der Bursche grinste. »Weil er Sie kennt!« »Weißt du, wo Foulds Kai ist?« »Ja, ich hab‘ oft dort geangelt.« »Gut, dann kannst du uns den Weg zeigen. William, holen Sie den Wagen heraus. Setzen Sie den Bengel neben sich, und desinfizieren Sie ihn! Hier hast du dein Geld.« Sie fuhren bei Scotland Yard vor, um ein paar Beamte mitzunehmen, und hielten an der London Bridge an, wo sie einen Distriktssergeanten vorfanden, der am Fluß Bescheid wußte. Dann wurde der Junge entlassen. Kurz darauf sahen sie das glitzernde Wasser der Themse. »Nach rechts«, sagte der Sergeant. Sie betraten einen Pfahlrost, auf dem Dicks Schritte hohl und dumpf tönten, als er darauf entlangging und ins Wasser hinunterschaute. »Niemand zu sehen. Wir müssen ins Lagergebäude hinein.« »Hilfe!« Die Stimme klang schwach, aber Dick hörte sie und hob die Hand. Einen Augenblick standen alle reglos und lauschten, dann hörten sie das leise Wimmern wieder: »Hilfe! Um Himmels willen, Hilfe!« Dick beugte sich über das Wasser hinab. Die Flut stieg, und etwas weiter nach rechts lag ein Boot. Vorsichtig tastete er sich hin und sprang hinein. »Hilfe!« Jetzt klang die Stimme näher. »Wo sind Sie?« schrie Dick. »Hier!« Es war Marshalts Stimme! Da keine Ruder vorhanden waren, zog sich Dick, nachdem er das Boot losgemacht hatte, mit den Händen an den Planken entlang, bis er die Stelle erreichte, von der der Ruf gekommen war. Mit seiner Taschenlampe leuchtete er umher, und wenige Sekunden später fiel ihr Schein auf Marshalts Gesicht. Der Mann stand bis über die Schultern im Wasser, und seine über den Kopf emporgereckten Hände waren an einem Pfahl festgebunden. »Machen Sie das Licht aus – sonst faßt er Sie!« schrie er. Dick folgte der Aufforderung, und im selben Augenblick knallten zwei Schüsse. Sein Hut flog davon, und er fühlte einen brennenden Schmerz am linken Ohr. Rasch paddelte er das Boot mit den Händen zurück und holte Steel. »Holen Sie Ihren Revolver heraus und machen Sie Licht«, sagte er, während er das Boot wieder durch das Labyrinth der faulenden Pfähle steuerte. »Und schießen Sie, sobald Sie einen Kopf sehen!« Drei Minuten später war Marshalt aus seiner furchtbaren Lage befreit und sank keuchend auf dem Boden des Bootes nieder. So schnell als möglich brachten sie ihn zur nächsten Polizeiwache, wo er nach einem heißen Bad und in geborgten Kleidern etwas mehr zu sich kam. Er zitterte allerdings noch wie Espenlaub. Dick hatte inzwischen mit einigen Leuten das Lagerhaus durchsucht, ohne etwas anderes zu finden als eine der grünen Patronenschachteln, die er in Marshalts Vorratszimmer gesehen hatte. Marshalt selbst wußte nicht viel zu erzählen, als Dick erschien. »Es war dumm von mir, in die Falle zu gehen, als Tonger mir den Brief brachte«, begann er. »Den Brief einer Dame, die mir schrieb, daß ich sie dort treffen würde. Sie können Tonger fragen.« »Ich fürchte, er kann uns nichts mehr sagen«, warf Dick ein. »Wie? Er ist doch nicht –« »Eine Stunde, nachdem man Sie überfallen hatte, fand man ihn – erschossen auf.« »Großer Gott!« erwiderte Marshalt tonlos und schwieg eine Weile. »Ich weiß selbst nicht, wie ich dazu kam«, fuhr er dann mit einem Seufzer fort, »aber ehe ich hinüberging, zog ich eine kugelfeste Weste an – ein unbequemes Kleidungsstück, das ich während des Kriegs im Balkan getragen hatte, als ich dort in Geschäften herumreiste. Sie rettete mir tatsächlich das Leben. Ich ging ohne Mantel nach Nr. 551 hinüber und wurde auch gleich eingelassen, nachdem ich geklopft hatte. Als eine Stimme von oben mich aufforderte, hinzukommen, folgte ich der Einladung natürlich und stand plötzlich einem offenbar verkleideten Mann gegenüber. ›Nun hab ich dich!‹ rief er lachend und richtete den Revolver auf mich. Der Schuß war das Letzte, was ich hörte, bevor ich wieder zu mir kam. Auch was nachher mit mir geschah, weiß ich nicht recht. Ich muß wohl viel geschlafen haben, und ein paarmal kam der alte Mann und bohrte mir eine Nadel in den Arm …« Er lehnte sich matt zurück. »Und das Weitere wissen Sie ja bereits.« Dick nickte. »Nur eins, Marshalt! Gibt es einen Durchgang oder eine Tür, die das Malpas’sche Haus mit dem Ihrigen verbindet?« »Meines Wissens nicht.« »Und Sie behaupten, Malpas nicht wiedererkannt zu haben? Sie müssen doch irgendeinen Gedanken – oder wenigstens eine Ahnung über seine Persönlichkeit haben?« Marshalt zögerte einen Augenblick. »Sie werden es vielleicht phantastisch finden«, meinte er dann, »aber es kommt mir so vor, als ob – als ob Malpas eine Frau wäre.«

Kapitel 4

 

4

 

Lacy Marshalt hatte einst als Senator dem Gesetzgebenden Rat von Südafrika angehört und führte seitdem zur größten Belustigung seines Kammerdieners Tonger den Titel Honourable, »der Ehrenwerte«.

 

An einem trüben Morgen stand er am Fenster und starrte verdrießlich in den Regen hinaus, als Tonger die Post hereinbrachte. Er griff nach einem blauen Umschlag, riß ihn auf und las:

 

»Alles in Ordnung. Es geht zu Ende mit ihm.«

 

»Schick ihm zwanzig Pfund!« sagte er und warf Tonger den Brief zu.

 

»Ob der wirklich aus Matjesfontein kommt?« meinte der Diener nachdenklich, nachdem er die Mitteilung auch gelesen hatte.

 

»Hast du den Poststempel nicht gesehen?«

 

»Hm, ja! Hören Sie mal, Lacy, wer ist eigentlich der Kerl, der nebenan wohnt? Malpas heißt er. Gestern sprach ich mit einem Polizisten, und der sagte, der Kerl müßte nicht richtig im Kopf sein. Wohnt ganz allein und macht alle Hausarbeit selbst. Wer kann das nur sein?«

 

»Du scheinst ja schon alles zu wissen – was fragst du mich noch?«

 

»Wenn er es nun wäre?«

 

»Mach, daß du hinauskommst, du Esel!« fuhr ihn Marshalt an.

 

»Der Privatdetektiv, den Sie bestellt haben, wartet draußen«, erwiderte Tonger gleichgültig.

 

Lacy stieß einen Fluch aus.

 

»Warum hast du das denn nicht gleich gesagt? Jeden Tag wirst du dümmer. Laß das blöde Grinsen und bring den Mann herein!«

 

Der schäbig aussehende Detektiv, der hereintrat, überreichte Lacy ein Photo.

 

»Ich habe sie gefunden und rasch diese Aufnahme von ihr gemacht. Das ist sie – sie heißt Audrey Bedford. Ihre Mutter ist tot – seit fünf Jahren. Aber auch von der habe ich ein Bild – auf einer Gruppenaufnahme.« Er wickelte ein größeres Blatt aus, das ihm Lacy schnell aus der Hand nahm.

 

»Mein Gott! Ja, gleich als ich das Mädchen sah, hatte ich ein Gefühl –«

 

»Sie kennen sie also, Mr. Marshalt?«

 

»Nein! Was treibt sie? Lebt sie allein?«

 

»Ja, bis jetzt. Aber vor kurzem hat sie ihr Haus verkaufen müssen. Sie soll mittellos sein und ist gestern nach London abgereist.«

 

»Bildhübsch, nicht wahr?«

 

»Ja, ungewöhnlich schön. Leider hatte ich das Pech, daß Captain Shannon im Gasthof von Fontwell abstieg, um einen Reifen auszuwechseln.«

 

»Wer ist Shannon?«

 

»Ein hohes Tier von Scotland Yard. Aber was ich in Fontwell vorhatte, hab ich ihm nicht verraten. Er hat mich aber fürchterlich ausgeschimpft, weil ich mich für einen Kriminalbeamten ausgegeben hatte.«

 

Lacy schien kaum zuzuhören.

 

»Verschaffen Sie mir vor allem Miß Bedfords Adresse, und versuchen Sie, mit ihr bekannt zu werden. Geben Sie sich für einen Geschäftsmann aus – borgen Sie ihr Geld – aber hüten Sie sich, sie ängstlich zu machen!« Er nahm ein paar Banknoten aus seiner Brieftasche und drückte sie dem Mann in die ausgestreckte Hand. »Bringen Sie das Mädel einmal zum Abendessen her«, fügte er leise hinzu.

 

Der Detektiv machte große Augen und schüttelte den Kopf.

 

»So was liegt mir nicht«, murmelte er.

 

»Ich will nur mit ihr sprechen. Sie bekommen fünfhundert.«

 

»Fünfhundert? Na, ich will sehen …«

 

Als der Mann gegangen war, trat Lacy ans Fenster.

 

Er rühmte sich, keine Furcht zu kennen. Rücksichts- und reuelos hatte er Menschenherzen zertreten, um an sein Ziel zu kommen. In drei Erdteilen fluchten Frauen seinem Andenken, brüteten Männer Rache. Er aber fürchtete nichts. Er haßte Dan Torrington und wußte nicht, daß Haß nur aus Furcht entsteht.

 

Kapitel 29

 

29

 

Alle Nachforschungen blieben ergebnislos. Eine Falltür war nicht vorhanden, und die Stahltrossen des Aufzugs hatte Dick durchschneiden lassen.

 

»Holen Sie die Lampen!« befahl er. »Und von jetzt ab trägt jeder eine bei sich.«

 

Als ob diese Worte als Signal gewirkt hätten, erlosch das Licht von neuem, und die Tür schloß sich, bevor jemand sie erreichen konnte. Aber diesmal dauerte die Dunkelheit nur einen Augenblick.

 

»Die Geschichte fängt an, unheimlich…« begann Dick und verstummte plötzlich.

 

Vor dem Götzen lag ein Lederbeutel. Er war neu und groß.

 

Dick sprang hin, hob ihn auf und legte ihn auf den Tisch.

 

»Seien Sie vorsichtig!« warnte Steel.

 

Rasch betastete Dick den Beutel.

 

Fast wäre er in Ohnmacht gefallen, als er den Beutel bis zum Rand mit den gelben Steinen gefüllt sah, die er in der Brust des Götzen entdeckt hatte. Er holte tief Atem und winkte Steel zu sich.

 

»Das sind wohl ungefähr alle, die darin lagen?« fragte er.

 

Steel war sprachlos vor Erstaunen und konnte nur nicken.

 

»Inspektor, sagen Sie Ihren Leuten, sie sollen ihre Sachen zusammensuchen«, befahl Dick. »Ich hebe die Bewachung dieses Hauses auf.«

 

Kurz darauf verließen sie alle das rätselhafte Gebäude. Dick streckte gerade die Hand aus, um die Tür zu schließen, als sie von selbst ins Schloß fiel. Zugleich wurde es drinnen hell. Am Fenster schob jemand die Gardine beiseite und schaute hinaus.

 

»Ich versuche es!« rief Dick und hob den Revolver.

 

Drei Schüsse knallten, Scheiben klirrten, der Lichtstreifen erlosch.

 

»Jetzt kann ich in ernste Schwierigkeiten kommen«, sagte Dick, »aber ich hoffe, daß ich ihn getötet habe!«

 

»Wen?« fragte Audrey ängstlich.

 

Aber er gab keine Antwort, denn schon ertönten Polizeipfeifen, und von allen Seiten strömten Polizisten und Neugierige herbei. Trotz seiner hohen Stellung in Scotland Yard mußte Dick seinen Namen, seine Adresse und die Nummer seines Revolvers angeben, bevor er in ein Auto steigen konnte. Den Lederbeutel stemmte er fest auf die Knie.

 

»Wir fahren erst zu meiner Wohnung und legen die übrigen Steine dazu«, sagte er zu Audrey. »Dann bringe ich sie nach Scotland Yard. Ich habe keine Ruhe, bis ich sie hinter bombensicheren Stahltüren weiß.«

 

»Ich glaube, ich bin ein schlechter Detektiv«, murmelte sie. »Beinahe hätte ich geschrien!«

 

»Ich auch, Miß Bedford«, meinte Steel. »Können Sie wohl einen Umweg machen und mich beim Middlesex- Hospital absetzen? Ich möchte meine Hand verbinden lassen.«

 

Sie kamen seinem Wunsch nach.

 

»Eigentlich hätten Sie einen Polizisten mitnehmen sollen, Captain Shannon«, sagte Audrey, als Steel ausgestiegen war.

 

Er lachte.

 

»Ach, zwischen der Wardour Street und Scotland Yard kann uns doch nichts passieren.«

 

Aber schon wenige Minuten später ereilte sie das Schicksal. Ein großes Auto kam hinter ihnen her, machte plötzlich eine Wendung und fuhr in die kleinere Droschke hinein, so daß sie krachend auf den Gehsteig geschleudert wurde.

 

Dicks erster Gedanke galt Audrey. Im Nu hatte er sie mit einem Arm umfaßt und zog sie an sich, um ihr Gesicht zu schützen, als die Scheiben in tausend Stücke zersprangen. Gleichzeitig wurde die Tür aufgerissen, und eine Hand tastete hinein. Dick sah, wie die Finger nach dem Lederbeutel griffen, und seine Faust stieß zu. Der Schlag traf den Mann gegen die Schulter, so daß er eine Sekunde lang den Beutel losließ. Dann führte dieser einen Stoß durch die Tür. Dick sah Stahl aufblitzen. Er wand und drehte sich, um auszuweichen und seinen Revolver herauszuziehen, und wehrte sich durch einen gewaltsamen Fußtritt, der glücklicherweise traf. Ein Schrei ertönte, und ein Messer fiel klirrend auf die Scherben.

 

»Haltet den Mann!« schrie Dick. Er hatte den herbeieilenden Polizisten gesehen, aber das Knattern der Maschine übertönte seine Stimme. Im Bogen glitt der große Wagen um den Beamten herum und verschwand in der Shaftesbury Avenue.

 

Mühsam kletterte Dick aus dem Taxi und half Audrey auf die Füße.

 

»Haben Sie sich die Nummer gemerkt?« fragte er.

 

»Ja«, erwiderte der Chauffeur. »X.G. 97435.«

 

Dick lachte.

 

»Meine eigene! Unser Freund hat jedenfalls Humor.«

 

Jetzt fand sich auch ein Polizeiinspektor ein, der nach einer kurzen Unterhaltung mit Dick ein Auto besorgte und mit ihm zum Haymarket fuhr.

 

»Hallo!« rief der Captain, als sie vor der Wohnung vorfuhren, und er zu den Fenstern hinaufschaute. Er hatte seinem Diener befohlen, das Wohnzimmer nicht zu verlassen, bis er selbst zurückkehrte, und nun war oben alles dunkel.

 

»Kommen Sie herein in den Flur und halten Sie den Beutel«, sagte er zu dem Beamten. »Audrey, Sie bleiben hinter dem Inspektor stehen.«

 

Er schaltete die Treppenbeleuchtung ein und öffnete die Vorsaaltür. Aber in dem Raum war die Birne entfernt worden, so daß er vergebens auf den Lichtknopf drückte. Mit vorgehaltenem Revolver trat er die verschlossene Wohnzimmertür ein, drehte das Licht an und sah seinen Diener William blutend vor dem Sofa liegen. Der Safe stand offen, wie er erwartet hatte. Die gesprengte Tür hing in den Angeln, und die Zuckerschale mit ihrem kostbaren Inhalt war verschwunden.

 

Glücklicherweise erwies sich Williams Wunde als ungefährlich, und als der Mann wieder zum Bewußtsein kam, ging Dick in das nebenan liegende Schlafzimmer, wo ein Fenster offenstand. Er schloß es und ließ das Rouleau herab. Die Schubladen seines Toilettentisches waren geöffnet und das Bett durchwühlt worden.

 

Er verließ die Wohnung wieder und bemerkte, daß es im Treppenhaus dunkel war.

 

»Wer hat das Licht ausgedreht?« rief er hinab.

 

»Ich dachte, Sie hätten es getan!« erwiderte der Inspektor.

 

»Kommen Sie herauf und bringen Sie den Beutel mit.«

 

»Den Beutel? Aber den haben Sie doch genommen!«

 

»Was?« schrie Dick.

 

»Als Sie eben herunterkamen, sagten Sie doch: ›Geben Sie den Beutel her und bleiben Sie hier stehen‹«, entgegnete der Beamte erschrocken.

 

»Ach, Sie Quadratesel!« tobte Dick. »Haben Sie denn nicht Ihre Augen aufmachen können?«

 

»Es war doch dunkel –«

 

»Audrey, haben Sie den Mann gesehen?«

 

Keine Antwort.

 

»Wo ist die junge Dame?« rief Dick wild.

 

»Hier unten, neben der Tür.«

 

Dick fuhr herum und drehte das Licht an.

 

Audrey war verschwunden.

 

Der Chauffeur wartete noch. Er hatte einen Herrn mit einem Beutel in der Hand herauskommen sehen, nachher war die Dame gefolgt. Aber in welcher Richtung sie sich entfernt hatten, oder ob sie zusammen weggegangen waren, konnte er nicht angeben.

 

In kürzester Zeit hatten alle Polizeiwachen Londons von dem Raub erfahren. Motorfahrer waren unterwegs, um die Schutzleute zu veranlassen, auf einen Mann mit einem Lederbeutel zu achten, ebenso auf eine genau beschriebene junge Dame im Regenmantel.

 

Der Diener William wußte nur anzugeben, daß er die Zeitung gelesen und dann plötzlich das Bewußtsein verloren hatte.

 

Als Dick hastig herauskam, um nach Scotland Yard zu fahren, begegnete er einem Polizisten in Zivil, den er kannte, und fragte ihn, ob er vielleicht Audrey gesehen hätte. Aber der Mann verneinte.

 

»Ich stand oben am Eingang zur Untergrundbahn«, sagte er. »Wie immer war ein großes Gedränge dort. Aber es ist mir niemand aufgefallen. Nur Slick Smith kam in einem ganz durchweichten, dunkelblauen Mantel vorbei.«

 

»Wann?«

 

»Vor ungefähr fünf Minuten.«

 

In Scotland Yard waren noch keine Nachrichten eingelaufen, als Dick dort eintraf, und er machte sich daher sofort auf den Weg, um Slick Smith aufzusuchen.

 

Dieser war nicht in seiner Wohnung, aber der Hauswirt hatte nichts dagegen, daß Dick nach oben ging, um ihn dort zu erwarten. Die Tür war zu, ließ sich jedoch leicht öffnen. Dick trat in das Zimmer ein, hatte aber keine Gelegenheit, sich genauer umzusehen, weil der Inhaber der Wohnung ihm fast auf dem Fuß folgte.

 

Slick lächelte und hatte eine große Zigarre im Mundwinkel.

 

»Guten Abend, Captain!« sagte er vergnügt. »Wie nett von Ihnen, daß Sie mich besuchen!«

 

»Erzählen Sie mir bitte genau, was Sie von fünf Uhr an getrieben haben«, erwiderte Dick schroff.

 

»Das ist nicht so einfach. Ich weiß nur, daß ich mich um Viertel nach neun auf dem Haymarket befand. Einer Ihrer Spürhunde sah mich. Es wäre albern, es abzuleugnen. Während der übrigen Zeit bin ich herumgebummelt. Das Bequemste für Sie ist, wenn Sie sich bei der Stormerschen Agentur erkundigen. Die Firma läßt mich nämlich beobachten. Sie brauchen nur dort anzufragen. Aber ich will Ihnen etwas sagen, Captain: lassen Sie uns die Karten aufdecken. In Ihrer Wohnung ist heute eingebrochen worden – wollen Sie mich deshalb holen?«

 

»Ich will Sie gar nicht holen. Aber Sie sind als verdächtig bekannt und wurden in der Nähe des Haymarket gesehen, als der Einbruch stattfand. Was ist denn eigentlich mit Ihrem Gesicht los?« Er drehte ihn nach der Lampe hin. Von der Backe bis über das linke Ohr hinauf zog sich eine lange Schramme, die sogar einige Haare entfernt hatte. »Das ist ja die Spur einer Kugel! Und hier am Kinn – rührt die Wunde etwa von Glasscherben her? Hören Sie zu, Smith: Sie standen hinter einem Fenster, die Kugel fuhr durchs Glas, streifte Ihre Stirn, prallte dann an Ihrem Kopf ab, und ein Glassplitter – ach, was ist denn das?« Er zupfte einen winzigen Glassplitter von dem nassen Mantelärmel des Mannes und hielt ihn Slick vor die Augen.

 

Eine Weile schwiegen beide und sahen einander an.

 

»Alle Achtung, Shannon!« sagte Slick Smith dann. »Sie haben das Zeug zu einem tüchtigen Detektiv. Ja, man hat auf mich geschossen – durch das Fenster einer Autodroschke. Einer von diesen schäbigen Halunken in Soho hat einen heimlichen Groll gegen mich. Hier ist die Nummer des Wagens – falls Sie Nachforschungen anstellen wollen.« Er holte eine Karte mit einer darauf gekritzelten Nummer aus der Tasche und legte sie auf den Tisch. Sein Alibi war gut vorbereitet.

 

Diese Kaltblütigkeit reizte Dick aufs äußerste. Seine Nerven waren bis zum Zerreißen gespannt, und er wußte im Grund seines Herzens, daß er sich weniger um den Verlust der Diamanten als um Audreys Sicherheit sorgte.

 

»Smith«, sagte er eindringlich, »wollen Sie mir den Gefallen tun, wenigstens bis zu einem gewissen Grad offen gegen mich zu sein? Als ich nach Hause fuhr, befand sich Miß Bedford in meiner Begleitung – kennen Sie die Dame?«

 

»Ich habe sie einmal getroffen.«

 

»Schön. Es ist mir jetzt vollkommen gleichgültig, ob Sie mit dem Einbruch zu tun hatten oder nicht, aber sagen Sie mir, ob Sie Miß Bedford heute abend gesehen haben.«

 

Smith lächelte strahlend.

 

»Natürlich hab‘ ich sie gesehen! Vor zwei Minuten stand sie noch vor diesem Haus.«

 

Er hatte kaum gesprochen, als Dick auch schon die Treppe hinabstürmte. Auf dem Gehsteig ging jemand im Regenmantel auf und ab.

 

»Audrey!« rief er, und bevor er selbst wußte, was er tat, hielt er sie schon in den Armen. »Ach, Kind, Sie wissen nicht, was diese Minute für mich bedeutet«, sagte er mit zitternder Stimme.

 

Sie machte sich sanft von ihm frei.

 

»Hat Mr. Smith Ihnen nicht gesagt, daß ich hier warte?«

 

»Nahm er denn an, daß ich hier sein würde?« entgegnete er erstaunt.

 

Er führte sie nach oben, und sie erzählte.

 

»Ich dachte auch, daß Sie es wären, als jemand herunterkam und dem Inspektor etwas zuflüsterte. Aber als er die Tür aufriß, sah ich, daß Sie es nicht waren. Dick – es war Malpas! Ich hätte beinahe laut aufgeschrien, aber meine Hand berührte zufällig das silberne Abzeichen in meiner Tasche, und ich wurde mir wieder meiner Verantwortung als Detektivin bewußt. Ich eilte hinter ihm her und verfolgte ihn durch die Panton Street zum Leicester Square und zur Coventry Street. Dort bog er in eine Nebengasse ab, ging am Pavilion-Theater vorüber und die Great Windmill Street hinauf. Dort wartete ein Wagen auf ihn, aber als er einstieg, beging ich eine Dummheit. Ich schrie ›Halt!‹ und rannte darauf zu. Zu meiner größten Überraschung fuhr er nicht davon, sondern schaute aus der geschlossenen Limousine heraus und sagte: ›Sind Sie es, Miß Bedford? Steigen Sie doch bitte ein. Ich möchte mit Ihnen sprechen.‹ Und als er dann blitzschnell aus dem Auto sprang, ergriff ich die Flucht. Wie ich ihm entkommen bin, weiß ich selbst nicht. Es war kein Mensch in der Nähe, und ich war in einer entsetzlichen Todesangst! Ich rannte um mehrere Straßenecken und konnte kaum noch laufen, als plötzlich Mr. Smith in Sicht kam. Ich erschrak zuerst furchtbar, denn ich dachte, es wäre Malpas. Das ist alles. Mr. Smith brachte mich dann zu Ihrer Wohnung, und dort hörten wir von einem Polizisten, daß Sie sich nach ihm erkundigt hätten.«

 

Dick holte tief Atem.

 

»Wie kam es denn, daß Sie in der Nähe waren, Smith?«

 

»Ich war der jungen Dame gefolgt – was ich vielleicht unterlassen hätte, wenn ich gewußt hätte, daß sie zur Firma Stormer gehört«, entgegnete Slick, ohne mit der Wimper zu zucken. »Aber jetzt werden Sie gehen wollen. Gute Nacht!«

 

Kapitel 30

 

30

 

Als Audrey am nächsten Morgen in ihrem luxuriös ausgestatteten Zimmer frühstückte, wurde ihr zu ihrer größten Verwunderung ein Brief von Dora gebracht. Ihr Erstaunen wuchs noch, als sie die Zeilen las, die ihre Schwester geschrieben hatte:

 

 

»Mein liebes Kind,

kannst Du mir wohl jemals verzeihen, daß ich Dich so entsetzlich behandelt habe? Der Gedanke, daß Du unseretwegen unschuldig ins Gefängnis gingst, läßt mir und Martin keine Ruhe, und wenn ich an meinen fürchterlichen Angriff auf Dich denke, kann ich mich vor mir selbst nur dadurch rechtfertigen, daß ich mir sage, ich war nicht mehr bei Sinnen. Willst Du vergeben und vergessen? Ich habe Dir viel zu sagen. Bitte rufe mich an.

 

Deine Dich liebende Schwester

Dorothy.«

 

 

»Dorothy?« murmelte Audrey überrascht. Aber sie fühlte doch etwas wie Freude und eilte ans Telephon.

 

Doras Stimme klang matt, als sie antwortete.

 

»Wie lieb, daß du kommen willst. Du bist jetzt ja wohl für Stormer tätig?«

 

»Woher weißt du das?«

 

»Es wurde uns von jemand erzählt. Aber das ist ja gleichgültig, wenn du nur kommst.«

 

Audrey ließ sich das Bad richten und erkundigte sich bei der Gelegenheit bei dem Zimmermädchen nach dem geheimnisvollen Mr. Torrington.

 

»Sie sagen ja, daß er Millionär ist«, erwiderte das Mädchen achselzuckend, »aber ich kann nicht finden, daß er viel von seinem Geld hat. Den ganzen Tag sitzt er in seinen Zimmern herum und raucht oder liest, und abends geht er aus – aber nicht ins Theater oder ins Kino! Nein, er bummelt nur in den Straßen herum. Na, das Geld sollte ich mal haben! Ich wüßte, was ich damit täte!«

 

»Ist er jetzt auch in seinen Zimmern?«

 

»Ja, eben habe ich ihm das Frühstück gebracht. Höflich ist er immer, das muß ich sagen. Und er lebt auch sehr regelmäßig. Um fünf Uhr steht er schon auf, da muß ihm der Nachtportier Kaffee und heiße Brötchen bringen.«

 

»Hat er eigentlich einen Sekretär?«

 

»Nein – gar nichts! Nicht mal einen Papagei!«

 

Audrey telephonierte mittags mit der Stormerschen Agentur. Man schien dort über ihren mageren Bericht sehr befriedigt zu sein. Sie wunderte sich noch darüber, als sie zur Curzon Street fuhr.

 

Dora empfing sie sehr freundlich und umarmte sie.

 

»Du hast uns also wirklich vergeben? Und wie frisch und blühend du aussiehst! Kein Mensch würde glauben, daß du ein Jahr älter bist als ich!«

 

»Älter als du?« fragte Audrey erstaunt.

 

»Ja, Kind! Für die Konfusion ist Mutter verantwortlich. Sie war ja nun einmal wunderlich – besonders in ihrer Abneigung gegen dich.«

 

»Aber ich bin doch am 1.Februar 1904 geboren?«

 

»Am 3. Februar 1903«, verbesserte Dora lächelnd.

 

»Siehst du, hier ist dein Geburtsschein: Audrey Dorothy Bedford. Das war Mutters erster Mann.« Verwirrt starrte Audrey das Papier an.

 

»Aber sie sagte doch immer, du wärst älter, und in der Schule warst du doch auch immer eine Klasse höher als ich! Wenn das wahr ist, dann ist mein Vater -«

 

»Ganz recht, Liebling, dein Vater sitzt nicht im Gefängnis«, erwiderte Dora leise und schlug die Augen nieder. »Ich wollte es nicht wahrhaben, aber es ist mein Vater! Er war ein Amerikaner, der nach Südafrika kam und Mutter heiratete, als du kaum vier Wochen alt warst.«

 

»Wie sonderbar!« murmelte Audrey. »Ich soll plötzlich nicht mehr Audrey sein? Und wir heißen beide Dorothy –?« Sie zuckte plötzlich zusammen und sprang auf. »Aber ich kann beweisen, daß ich die jüngere bin!« rief sie triumphierend. »Mutter hat mir ja selbst gesagt, wo ich getauft worden bin – in einer Kapelle in Rosebank, in Südafrika!«

 

Als Dora ihre Schwester wieder zur Haustür gebracht hatte und ins Wohnzimmer zurückkehrte, kam ihr Mann mit bleichem Gesicht aus dem Nebenraum herein.

 

Sie sah seine entstellten Züge und fuhr entsetzt zurück.

 

»Martin – du willst doch nicht etwa – ?«

 

Er nickte. Ein Leben stand zwischen ihm und traumhaftem Reichtum. Sein Entschluß war gefaßt.

 

 

Mr. Willitt fühlte sich in Dan Torringtons Gegenwart immer befangen. Auch jetzt verursachte ihm der forschende Blick des alten Mannes wieder Unbehagen. Torrington lehnte mit einer Zigarette im Mund am Kamin.

 

»Ich habe volles Vertrauen zu Stornier«, sagte er lebhaft, »aber ein junges Mädchen als Sekretärin ist nichts für mich. Sie würde mir auf die Nerven fallen! Wer ist sie denn überhaupt?«

 

»Es handelt sich um die junge Dame, die bei Malpas angestellt war.«

 

»Doch nicht die Freundin von Captain Shannon?«

 

»Jawohl.«

 

Torrington rieb sein Kinn.

 

»Und Shannon wünscht es?«

 

»Er weiß gar nichts davon. Der Gedanke stammt von Mr. Stormer. Um die Wahrheit zu sagen –«

 

»Aha!« bemerkte der alte Herr trocken. »Also endlich die Wahrheit! Na, lassen Sie hören.«

 

»Sie ist bei uns angestellt, und wir möchten jemand in Ihrer Nähe haben – für alle Fälle.«

 

»Ist sie eine so tüchtige Dame?« lachte Torrington. »Nun gut, schicken Sie mir sie heute nachmittag einmal her. Ansehen kann ich sie mir ja. Wie heißt sie denn?«

 

»Audrey Bedford.«

 

Der Name sagte Torrington nichts.

 

»Also um drei«, erwiderte er.

 

»Sie ist hier im Hotel. Würden Sie –«

 

»Was, Sie haben sie gleich mitgebracht?«

 

»Sie wohnt hier. Wir – wir hatten sie nämlich beauftragt, Ihnen ihre Aufmerksamkeit zu widmen – «

 

Torrington lächelte belustigt.

 

»Wenn mich mein Gedächtnis nicht täuscht, möchte ich fast glauben, daß ich alle Hände voll zu tun haben werde, um sie zu beschützen«, sagte er. »Aber mag sie kommen!«

 

Willitt ging hinaus und kehrte gleich darauf mit Audrey zurück.

 

Torrington umfaßte sie mit einem raschen Blick.

 

»Etwas weniger Detektivhaftes habe ich noch nie gesehen«, meinte er trocken.

 

»Ich komme mir auch nicht im geringsten wie ein Detektiv vor«, entgegnete sie lachend, als er ihre Hand nahm. »Mr. Willitt sagte mir, daß Sie mich als Sekretärin anzustellen wünschten?«

 

»Mr. Willitt übertreibt«, erwiderte er gutmütig. »Ich wünsche durchaus nicht, Sie als Sekretärin zu haben, aber ich fürchte, daß ich Sie wider Willen bitten muß, diese Stellung anzunehmen. Sind Sie eine gewandte Sekretärin?«

 

»Nein, leider nicht«, gestand sie bedrückt.

 

»Um so besser!« Sein Lächeln wirkte ansteckend. »Das Zusammensein mit einer gewandten Sekretärin könnte ich wohl kaum ertragen – befähigte Menschen wirken entsetzlich bedrückend. Jedenfalls werden Sie nicht heimlich an meine Briefe gehen und sie lesen und photographieren. Und ich kann mein Geld sicher auch herumliegen lassen, ohne etwas davon zu verlieren. Es ist gut, Mr. Willitt, ich werde alles Nähere mit dieser Dame besprechen.«

 

Er fühlte sich seltsam zu ihr hingezogen.

 

»Pflichten werden Sie kaum haben«, erklärte er scherzend, »und Ihr Dienst beginnt erst, wenn ich wirklich Ihrer Hilfe bedarf. Ich glaube aber, dieser Augenblick wird wohl nie kommen. Ich erinnere mich Ihrer jetzt. Sie sind im vergangenen Jahr in Schwierigkeiten gekommen.«

 

Dieser grauenvolle Diamantenraub! Würde er niemals in Vergessenheit geraten?

 

»Ihre Schwester ist eine wenig erfreuliche Erscheinung – ach, verzeihen Sie, wenn ich Sie verletzt habe!«

 

»Sie ist nicht so schlimm, wie man allgemein annimmt.«

 

»Die Heirat mit Martin Elton war ihr Verderben. Den Herrn kenne ich besser, als Sie ahnen. Sie haben doch für Malpas gearbeitet? Ein sonderbarer Kauz!«

 

»Ja, sehr sonderbar!« bestätigte sie mit Nachdruck.

 

»Wissen Sie, daß er steckbrieflich verfolgt wird?«

 

»Ich dachte es mir. Er ist ein Ungeheuer in Menschengestalt!«

 

Ein leises Lächeln glitt über Torringtons Gesicht.

 

»Das mag wohl sein. Gestern abend haben Sie wohl einen tüchtigen Schrecken gehabt? Sie waren doch dabei, als Shannon die Diamanten gestohlen wurden?«

 

Sie schaute ihn verblüfft an.

 

»Steht das denn in den Zeitungen?«

 

»Nein, nur in meiner Privatzeitung. Haben Sie die Steine gesehen? Wunderhübsche, kleine, gelbe Dinger. Sie gehören mir.«

 

Audrey war sprachlos, als er in gleichgültigem Ton diese Feststellung machte.

 

»Ja, sie gehören – oder vielmehr, sie gehörten mir. Jeder Stein trägt das Siegel der Hallam & Coold Mine. Sie können es Shannon mitteilen, wenn Sie ihn sehen. Aber vermutlich weiß er es schon.«

 

Sein Blick fiel plötzlich auf ihre Füße, die er solange betrachtete, daß sie sich unbehaglich zu fühlen begann.

 

»Bei nassem Wetter tut es etwas weh?« fragte er schließlich.

 

»Ja, ein wenig«, entfuhr es ihr, aber dann hielt sie ein. »Was meinen Sie damit – wie konnten Sie wissen?« erwiderte sie aufs höchste überrascht.

 

Er lachte, bis ihm die Tränen in die Augen traten.

 

»Verzeihen Sie mir«, bat er. »Ich bin nur ein neugieriger, alter Mann.« Er schob ihr ein Paket Briefe hin und deutete auf den Schreibtisch. »Bitte, beantworten Sie die Sachen.«

 

»Würden Sie mir bitte sagen, in welcher Art –«

 

»Das ist überflüssig. An Leute, die Geld haben wollen, schreiben Sie ›Nein‹. Leuten, die mich sprechen wollen, erklären Sie bedauernd, daß ich mich in Paris aufhielte. Und für Journalisten bin ich ein für allemal soeben gestorben.«

 

Er nahm ein zerknülltes Schreiben aus der Tasche.

 

»Hier ist allerdings einer, der besonders beantwortet werden muß«, fuhr er fort, ohne ihr den Bogen zu geben. »Bitte, schreiben Sie: ›Am nächsten Mittwoch geht ein Schiff nach Südamerika ab. Ich biete Ihnen fünfhundert Pfund und freie Überfahrt. Wenn Ihnen Ihr Leben lieb ist, gehen Sie auf mein Angebot ein.‹

 

Audrey stenographierte hastig.

 

»Und die Adresse?« fragte sie.

 

»Mr. William Stanford, Portman Square 552«, erwiderte Torrington und warf einen zerstreuten Blick zur Decke.

 

Kapitel 28

 

28

 

Dick Shannon saß in seiner Wohnung am Haymarket und blätterte in einem Briefordner. Er las einen der mit Maschine beschriebenen Bogen durch, um sein Gedächtnis aufzufrischen.

 

 

»Tonger trug einen grauen Anzug, schwarze Schuhe, blaugestreiftes Hemd und weißen Kragen. Taschen enthielten 27 £ und 200 Franken. (Notiz: Tonger fuhr am Morgen seines Todestages nach Paris, gab einen Brief an unbekannte Adresse auf und kehrte am selben Tag zurück); alte, goldene Uhr Nr. 984371, goldene Kette, zwei Schlüssel, eine Brieftasche mit einem Rezept für Bromkalium (Notiz: verschrieben von Dr. Walters, Park Lane, bei dem sich Tonger über Schlaflosigkeit beklagte) drei Fünfpfundnoten und ein dreikantiger Pfriemen …«

 

 

Dick schloß einen kleinen Safe auf, nahm eine Schachtel heraus und versenkte sich mit Hilfe einer Lupe in die Betrachtung dieses Pfriemens, der bereits von erfahrenen Technikern geprüft und gemessen worden war und viel Kopfzerbrechen verursacht hatte.

 

Das Instrument war etwa vier Zoll lang, hatte eine stumpfe Spitze und endete in einem Korkziehergriff. Kurz vor dem Holzteil wurde es stärker, und an dieser Stelle verriet sich selbst dem ungeübten Auge Dilettantenarbeit. Dick erinnerte sich der Schrauben und der Feilen im Vorratsraum und war davon überzeugt, daß dieses sonderbare Werkzeug dort verfertigt worden war. Aber zu welchem Zweck?

 

Mißmutig lehnte er sich zurück und grübelte, bis ihm wirr im Kopf wurde. Plötzlich schrak er zusammen. Wer warf denn Steinchen gegen sein Fenster? Er schaute hinaus, sah aber nur ein paar Leute mit aufgespannten Schirmen vorübereilen. Als er sich umwandte, klirrte es wieder gegen die Scheibe. Er rief seinen Diener, befahl ihm, sich zwischen das Fenster und die Lampe zu setzen, und ging leise zur Haustür hinunter. Behutsam öffnete er sie einen Zentimeter weit und lauschte angestrengt. Gleich darauf rasselte es wieder. Er stürzte hinaus und packte ein junges Mädchen im Regenmantel am Arm.

 

»Was soll denn das bedeuten?« fragte er streng, hielt aber ein, als er in Audreys lachende Augen schaute. »Was in aller Welt –?«

 

»Ich wollte Sie sprechen, und da Detektive niemals klingeln –«

 

»Was soll das heißen? Kommen Sie herein! Womit warfen Sie denn – mit Hühnerfutter?«

 

»Nein, die Hühnersache habe ich jetzt vollständig aufgegeben. Zum Glück kann ich ja ohne Ehrendame zu Ihnen kommen, da wir nun Kollegen sind.«

 

Sie traten in sein Zimmer ein, und als der Diener entlassen worden war, zog Audrey feierlich einen silbernen Stern aus der Tasche und legte ihn mit einer theatralischen Geste auf den Tisch.

 

»Stormer?« murmelte er, als ob er seinen Augen nicht trauen dürfte. »Aber Sie sagten doch, daß –«

 

»Mit Hühnern habe ich ein für allemal Schluß gemacht«, erklärte sie, während sie ihren triefenden Mantel auszog. »Die bringen mich nur in Schwierigkeiten. Aber wie ich sehe, sind Sie nicht an Damenbesuch gewöhnt, Captain. Das spricht entschieden zu Ihren Gunsten.« Sie klingelte. »Sehr heißen Tee und sehr heißen Toast, bitte!« befahl sie dem höchst erstaunten Chauffeurdiener. Als der Mann gegangen war, wandte sie sich wieder an Dick. »Wenn eine Dame zu Ihnen kommt, müssen Sie zuerst fragen, ob sie Tee haben möchte, zweitens, ob sie hungrig ist. Dann schiebt man den behaglichsten Lehnstuhl ans Feuer und erkundigt sich teilnehmend, ob vielleicht ihre Füße naß geworden sind. Ich möchte aber gleich bemerken, daß das bei mir nicht zutrifft. Sie mögen ja ein guter Detektiv sein, aber Sie sind ein schlechter Gastgeber.«

 

»Nun erzählen Sie mir aber, welche Abenteuer Sie inzwischen wieder erlebt haben«, bat er, nachdem er ihre Belehrung hingenommen und ihr so gut als möglich entsprochen hatte.

 

Sie berichtete ihm auch bereitwillig von ihren Erlebnissen.

 

»Ich habe also weiter nichts zu tun«, sagte sie zum Schluß, »als in einem netten Hotel zu wohnen und ein väterliches Auge auf einen sechzigjährigen Herrn zu werfen, der mich nicht einmal kennt. Er würde sonst wohl auch diese Bevormundung furchtbar übelnehmen. Aber es ist eine anständige Beschäftigung, und Mr. Stormer ist mir jedenfalls sympathischer als Mr. Malpas. Er ist auch bedeutend menschlicher.«

 

Sie unterbrach sich, als der Diener den Tee brachte und sich anschickte, den Tisch zu decken, was Dick jedoch für überflüssig erklärte.

 

»Ein Beruf ist es ja«, meinte Dick, »wenn auch kein angenehmer für ein junges Mädchen. Jedenfalls bin ich froh, daß Sie bei Stormer sind. Ich weiß nicht recht, was ich Ihnen nun raten soll. Einen Plan für Ihre Zukunft habe ich allerdings, und ich wollte, Sie fänden eine mehr erheiternde und ungefährliche Tätigkeit, bis ich mit diesem Portman Square-Rätsel fertig bin und Malpas hinter Schloß und Riegel habe. Dann –«

 

»Nun – dann?« fragte sie, als er verstummte.

 

»Dann werden Sie mir hoffentlich gestatten, mich um – Ihre Angelegenheiten zu kümmern«, entgegnete er ruhig.

 

Der Blick, mit dem er sie betrachtete, veranlaßte sie, rasch aufzustehen.

 

»Ich muß nach Hause – der Tee war köstlich.«

 

Er klingelte nach ihrem Mantel, der in der Küche trocknete.

 

»Was werden Sie sagen, wenn ich Ihre Zukunft in die Hand nehme?«

 

Sie schüttelte den Kopf.

 

»Ich – ich weiß nicht … ich bin Ihnen ja sehr dankbar – für alles, was Sie getan haben –«

 

In diesem Augenblick brachte der Diener den Mantel, und Dick half ihr gerade hinein, als es schellte, und Steel eintrat.

 

Er verbeugte sich leicht vor Audrey und wandte sich dann an Dick.

 

»Was sind das für Dinge?« fragte er und nahm eine Handvoll gelber Kiesel von verschiedener Größe aus der Tasche. Einzeln legte er sie auf den Tisch.

 

»Das sind Diamanten – im Wert von etwa zweihundertfünfzigtausend Pfund«, erwiderte Dick langsam.

 

»Noch dreimal soviel liegen in Malpas‘ Zimmer«, fuhr Steel fort. »Der ganze Götze ist damit gefüllt! Ich entdeckte das Versteck zufällig, als ich mich ein bißchen langweilte und an den beiden Bronzekatzen herumtastete. Ich überlegte, ob sie wohl nur zum Schmuck dienten oder irgendwelchen Nutzen hätten. Und plötzlich drehte sich das eine Tier halb um sich selbst, und als ich mein Heil mit dem anderen versuchte, wiederholte sich die Geschichte. Ich muß wohl unbewußt eine Feder berührt haben. Mit einemmal öffnete sich die Brust des Götzen in der Mitte – ganz wie eine Flügeltür. Ich kletterte auf den Sockel und leuchtete mit meiner Taschenlampe hinein, und – ich schwöre Ihnen, der Körper ist bis zur Hälfte voll von solchen und teilweise noch größeren Steinen!«

 

Dick betrachtete die Diamanten. Jeder war mit einem kleinen roten Siegel versehen, der seinen Fundort bezeugte.

 

»Er wird sie nicht verkauft haben, weil die Diamantenpreise in den letzten Jahren wegen Überproduktion gesunken sind«, sagte er. »Sie haben die Tür in dem Götzen natürlich wieder geschlossen?«

 

»Selbstverständlich! Und glücklicherweise war ich auch allein im Zimmer, als ich die Entdeckung machte.«

 

Shannon schüttete die Steine in eine Zuckerschale und verwahrte sie in seinem Geldschrank.

 

»Die anderen müssen noch heute nach Scotland Yard geschafft werden«, ordnete er an. Dann forderte er Audrey auf, mitzukommen, nahm eine Ledertasche mit und machte sich auf den Weg.

 

Steel hatte zwei Leute in Malpas‘ Zimmer als Wachen zurückgelassen. Ein dritter befand sich in der Halle, und der Inspektor kam von oben herunter. Auf Dicks Wunsch wurde im Hinblick auf etwaige neue Zwischenfälle noch der Mann aus der Halle heraufgerufen. Dann ging Dick auf die Nische zu und zog den Vorhang beiseite. Sobald er das eine Katzentier drehte, setzte sich die Maschinerie in Bewegung. Dick stieg hinauf und nahm eine Handvoll Steine aus dem Versteck.

 

»Die Sache stimmt«, meinte er, als er wieder hinuntersprang und die Diamanten in die Ledertasche schüttete.

 

Im selben Augenblick hörte er ein Knacken und fuhr herum. Beide Katzen begannen sich langsam zurückzudrehen, und gleichzeitig gingen alle Lichter aus.

 

»Stellen Sie sich vor die Tür!« befahl Shannon rasch. »Einer von den Leuten soll sich zum Büfett hintasten und den Gummiknüppel dabei gegen die Täfelung drücken. Sobald sie sich bewegt, muß er zuschlagen. Wo sind die Taschenlampen?«

 

»Draußen auf dem Flur«, sagte der Inspektor.

 

»Holen Sie sie! Der Mann an der Tür läßt den Inspektor durch und gibt scharf acht, daß es auch wirklich der Inspektor ist, der zurückkommt.«

 

Audreys Herz schlug heftig, und ihre Hand tastete instinktiv nach Dicks Arm.

 

»Was wird geschehen?« flüsterte sie ängstlich.

 

»Ich weiß es nicht«, gab er leise zurück. »Bleiben Sie dicht hinter mir, und halten Sie meinen linken Arm fest!«

 

»Die Tür ist zu!« rief der Inspektor plötzlich.

 

Steel kroch am Boden entlang auf den Götzen zu.

 

»Hat nicht jemand ein Streichholz? Captain, haben Sie etwas gehört?«

 

»Es kam mir vor, als ob ich ein leises Wimmern hörte. Können Sie den Götzen fühlen?«

 

»Ich bin – o, mein Gott!«

 

Audreys Blut erstarrte bei dem Schmerzensschrei.

 

»Was ist los?« rief Dick.

 

»Ich berühre etwas Glühendes!« Steel stöhnte.

 

»Hier brennt etwas«, flüsterte Audrey. »Riechen Sie es nicht?«

 

Dick machte sich sanft von ihr frei.

 

»Ich muß einmal sehen, was geschehen ist.«

 

Im gleichen Augenblick flammte das Licht wieder auf. Allem Anschein nach hatte sich nichts bewegt. Steel befühlte seine Hand, deren innere Fläche einen roten Striemen aufwies.

 

»Eine scheußliche Brandwunde«, sagte er und biß die Zähne zusammen.

 

Dick rannte zu dem Sockel des Götzen und betastete ihn. Er war eiskalt.

 

»Ich glaube, es kam etwas aus dem Fußboden heraus«, meinte Steel, »eine glühende Schranke oder so etwas Ähnliches…«

 

»Erst wollen wir uns jetzt einmal die Steine holen!« erklärte Dick und drehte die Katzen. Die kleine Tür öffnete sich, und er stieg hinauf.

 

Aber als er die Hand hineinstreckte, fand er die Höhlung leer.

 

Kapitel 27

 

27

 

Elton war nicht lange bei Stanford geblieben und hatte gerade begonnen, einen Brief zu schreiben, als seine Frau erschien. Er legte die Feder aus der Hand. »Dora, was hast du eigentlich getrieben, ehe wir uns kennenlernten?« fragte er unvermittelt.

 

»Ach, anfangs ging ich als Statistin mit Marsh und Bignall auf Reisen. Marsh machte Bankerott, und ich war dann in einer Schießbude und so weiter. Ich bin alles gewesen von der ersten Liebhaberin bis zur Garderobiere. – Von elektrischen Leitungen verstehe ich mehr als mancher Mechaniker. Aber warum fragst du danach?«

 

»Wo lerntest du Marshalt kennen?«

 

»Hier in London«, entgegnete sie nach kurzem Zögern. Ihre Hand, in der sie eine Zeitung hielt, zitterte leicht. »Ach, ich wollte, ich wäre vorher gestorben!«

 

»Dora – hast du ihn lieb?«

 

»Ich hasse ihn!« rief sie leidenschaftlich. »Ich habe ihn einmal geliebt – ja. Ich habe sogar an Scheidung gedacht. Aber ich war nicht schlecht genug. Ich fing an, ihn zu langweilen. In gewisser Weise bin ich vielleicht auch altmodisch.«

 

Er hatte sich in den Sessel zurückgelehnt und beobachtete sie unter gesenkten Lidern.

 

»Glaubst du, daß er tot ist?«

 

Sie machte eine ungeduldige Bewegung.

 

»Ich empfinde ihn nicht als tot – aber es ist mir gleichgültig.«

 

Sie sprach aufrichtig, davon war er überzeugt.

 

»Hat er jemals Malpas erwähnt?«

 

»Ja, oft! Und dabei wurde er immer nervös. Malpas haßte ihn. Der Polizei gegenüber behauptete Lacy, nichts von ihm zu wissen, aber er wußte sehr viel. Er sagte, Malpas und er wären früher Partner gewesen, und er wäre mit Malpas‘ Frau durchgegangen.«

 

Er stand auf und legte die Hände auf ihre Schultern.

 

»Ich danke dir – für alles, was du gesagt hast. Ich glaube, wir beide werden jetzt fest zusammenhalten. Wie stehst du denn jetzt zu Audrey?«

 

»Ich weiß es selbst nicht. Meine Abneigung gegen sie ist sehr groß. Ich wurde ja dazu erzogen, sie zu hassen.«

 

»Das tut mir leid.« Martin klopfte sie sanft auf die Schulter und ging.

 

Als er nachmittags nach Hause kam, traf er Dora in der Halle. Sie war zum Ausgehen angekleidet, aber er bat sie, ins Wohnzimmer hinaufzukommen.

 

»Als Audrey das letztemal hier war, sagtest du ihr, sie hieße gar nicht Bedford, und ihr Vater säße wegen Diamantendiebstahls in einer Strafanstalt in Südafrika«, sagte er hastig. »War das wahr?«

 

»Ja«, erwiderte sie verwundert. »Weshalb – ?«

 

»Abends sagtest du mir, er wäre lahm – hätte bei der Verhaftung einen Schuß ins Bein bekommen. Wie hieß Audreys Vater?«

 

»Daniel Torrington.«

 

Martin pfiff leise durch die Zähne.

 

»Ich habe – jemand getroffen, der behauptet, Torrington wäre hier in London. Man hat ihn begnadigt, und es scheint, daß er sich schon längere Zeit hier aufhält. Wußte Marshalt wohl davon?« »Nein, wenn er das gewußt hätte, wäre er wohl nicht so vergnügt gewesen. Ach!« Sie preßte die Hand einen Augenblick auf den Mund. »Malpas!« flüsterte sie.

 

Er starrte sie an, denn ihm war derselbe Gedanke gekommen.

 

»Marshalt muß es gewußt oder geahnt haben«, fuhr sie leise fort. »Er hat die ganze Zeit nebenan gewohnt! Bunny, Malpas ist Torrington!«

 

»Das glaube ich nicht.« Martin schüttelte den Kopf. »Es klingt zu romanhaft! So rachsüchtig ist kein Mensch. Und nun gar Torrington, der nach seiner Tochter sucht!«

 

»Er hält Audrey sicher für tot. Er hing sehr an dem Kind, und auf Marshalts Rat hin hat ihm Mutter geschrieben, daß Audrey an Scharlach gestorben wäre. Torrington hat ihr sogar unten bei Kapstadt einen Gedenkstein errichten lassen. Das weiß ich von Marshalt. Ist Torrington sehr reich?«

 

»Er soll zwei Millionen Pfund wert sein. Was er wohl – für die Wahrheit zahlen würde?«

 

»Nie im Leben soll er sie von uns erfahren! Mag er sie selbst herausbringen!«

 

»Wie ist sie getauft?« fragte er langsam und nachdenklich.

 

»Dorothy Audrey Torrington. Aber er weiß nicht, daß wir sie Audrey nannten. In seinem Brief schrieb er von Dorothy.«

 

»Schreibe an Audrey und lade sie zum Tee ein«, sagte Martin langsam. Sie schaute ihn empört an.

 

»Ja, schreibe ihr, es täte dir leid, daß du so unfreundlich zu ihr gewesen wärst und ihr allerlei vorgelogen hättest – über ihren Vater. Und wenn sie kommt, sagst du ihr, Torrington wäre dein Vater. Wo kann ich mir Audreys Geburtsschein verschaffen?«

 

»Ich habe oben noch allerlei Papiere von Mutter. Es kann sein, daß er darunter ist. Hole sie doch herunter, Bunny! Sie liegen in meinem Schrank – in einem Blechkasten.«

 

Er brachte ihn und öffnete ihn geschickt, als kein Schlüssel zu finden war. Auf dem Boden des Kastens lag ein blauer Briefumschlag mit zwei Geburtsscheinen. Martin breitete sie auf dem Tisch aus, und seine Augen glänzten.

 

»Dorothy Audrey Torrington«, las er, »und du heißt Nina Dorothy Bedford. Aus dem Namen Audrey läßt sich etwas anderes machen. Dora, du mußt Audrey schreiben und ihr – mit oder ohne Tränen – sagen, sie wäre deine ältere Schwester –«

 

Es klopfte.

 

»Mr. Smith aus Chicago«, meldete das Mädchen.

 

Martin zögerte einen Augenblick.

 

»Du kennst den Menschen ja wohl, Dora«, sagte er schließlich. »Ich lasse bitten.«

 

Slick Smith war wie immer tadellos gekleidet und legte seinen glänzenden Zylinder fast zärtlich auf einen Stuhl.

 

»Ich störe doch nicht?« begann er mit strahlender Miene. »Ich dachte, es würde Sie interessieren, daß 147 Ihre verehrte Schwägerin in den Polizeidienst eingetreten ist. Streng genommen kann man es vielleicht nicht als Polizeidienst bezeichnen, aber jedenfalls ist sie bei Stormers Agentur angestellt.«

 

»Soll das Scherz oder Ernst sein?« fragte Martin schroff.

 

»Voller Ernst. Ich sah zufällig, daß sie mit Willitt in einen Juwelierladen ging, wo er ihr das Stormersche Abzeichen kaufte: einen kleinen silbernen Stern mit Stormers Namen auf der Rückseite. Ich kenne es, und die junge Dame schien sich sehr darüber zu freuen. Und wissen Sie, was Willitt tat, nachdem er sich von ihr getrennt hatte?«

 

Martin zuckte ungeduldig die Schultern.

 

»Er ging zu dem nächsten Telephon und rief das Ritz-Carlton-Hotel an, um dort eine Zimmerflucht für die junge Dame zu bestellen.« Smith zog sein Taschentuch heraus, betupfte die Lippen und fuhr dann lächelnd fort: »Mr. Brown – oder Torrington – wohnt im Ritz-Carlton.«

 

Martin und Dora waren fassungslos.

 

»Ich dachte, ich müßte es Ihnen mitteilen«, meinte Smith. »Für Leute, die heute ein gewisser Wilfred auf die Spur von Torringtons Millionen gebracht hat, kann die Nachricht ja von Wert sein. – Ein reizendes Mädchen, Ihre jüngere Schwester, Mrs. Elton!«

 

Martin zuckte zusammen, aber Dora hatte ihre Fassung wiedergewonnen.

 

»Sie meinen Audrey?« erwiderte sie lachend. »Ich bin ein volles Jahr jünger als sie!«

 

Slick sah sie prüfend an.

 

»Man scheint sich allseitig sehr für Ihre Schwester zu interessieren«, bemerkte er nachdenklich. »Jetzt hat schon der dritte Mann versucht, sie im Palace-Hotel zu fangen, und auch diesem dritten ist es mißlungen. Ich habe eine Ahnung, als ob ich noch zur Beerdigung des vierten gehen würde!«

 

Kapitel 26

 

26

 

Willitt war höchst verwundert, als er morgens ins Büro kam und es heftig klingeln hörte. Er fand seinen Chef in jämmerlichem Zustand auf einem Sofa.

 

»Ich sterbe –« murmelte Stormer – »bringen Sie mir starken Kaffee und eine Kiste voll Phenacetin. O, mein Kopf! Ich habe eine Beule, so groß wie ein Hühnerei! Und bei Hühnern fällt mir ein: schaffen Sie mir die kleine Bedford her …«

 

»Ist Ihnen über Nacht etwas zugestoßen?«

 

»Sehen Sie mir das nicht an? Aber niemand außer Ihnen darf es wissen. Wenn jemand nach mir fragt, bin ich in Amerika …«

 

Willitt beeilte sich, alles Gewünschte herbeizuschaffen.

 

»Und nun telephonieren Sie nach einem Barbier, und holen Sie mir aus dem nächsten Laden einen Kragen!« Sein Gesicht verzog sich schmerzlich, als er sich aufrichtete und nach der Kaffeetasse griff.

 

»Sie brennen natürlich darauf, mich auszufragen«, fuhr er dann fort. »Nun, ich hatte einen Kampf mit einem Gespenst und zog den kürzeren.«

 

»Wer war es denn?«

 

»Das weiß ich nicht. Ich wachte von einem Schrei auf, ging hinaus, um zu sehen, was los wäre, und entdeckte zwei, drei oder auch sechs Leute, die den Flur entlangliefen. Von ebenso vielen wurde ich über den Kopf gehauen und kam erst wieder zu mir, als mir der Hoteldetektiv den Kragen aufmachte. Vergessen Sie ja nicht die kleine Bedford. Sie hat eine Anstellung bei dem Hühnerblatt, und ich glaube nicht, daß es ihr dort gefallen wird. Gehen Sie zu ihr und bieten Sie ihr einen guten Posten mit beliebig hohem Gehalt an. Verstehen Sie?«

 

»Jawohl.«

 

»Fassen Sie das Mädel ab, wenn sie zum Essen geht. Sie soll dann Torrington alias Brown beobachten. Und kommen Sie mir nicht unverrichteter Sache zurück, Willitt! Ich bin derartig kaputt, daß ich sehr grob werden würde.« –

 

Audrey begann ihre Arbeit in der Redaktion mit einer gewissen Befriedigung, die aber nicht lange vorhielt. Sie entzweite sich bald mit Mr. Hepps, als er darauf bestand, daß sie schriftlich ein Futtermittel für Hühner empfehlen sollte, das sie für absolut schädlich hielt. Und etwas später am Tag geriet er in Wut über einen von ihr verfaßten Artikel.

 

»Viel zu lang!« schrie er. »Und Ihre Handschrift mißfällt mir auch! Können Sie denn nicht mit Maschine schreiben? Sie werden sich ordentlich zusammennehmen müssen, wenn Sie hier – wo wollen Sie hin?« fragte er verblüfft, als sie aufstand und Hut und Mantel vom Haken nahm.

 

»Nach Hause, Mr. Hepps«, erwiderte sie gelassen. Die Grundsätze, die hier herrschen, gefallen mir nicht.«

 

»Dann scheren Sie sich zum Teufel!« brüllte er.

 

Gegen vier Uhr ging sie fort und trat ausgehungert in ein benachbartes, kleines Restaurant.

 

Gleich nach ihr kam ein Herr herein und nahm mit einer Verbeugung an demselben Marmortisch Platz. Als sie ihn flüchtig ansah, kam er ihr irgendwie bekannt vor; aber sie dachte nicht weiter darüber nach, sondern vertiefte sich in einen Zeitungsbericht über »Sonderbare Vorfälle im Palace-Hotel«.

 

»Verzeihen Sie, Miß Bedford!«

 

Bestürzt blickte sie auf.

 

»Mein Name ist Willitt. Vielleicht entsinnen Sie sich – ich kam einmal nach Fontwell, um Erkundigungen einzuziehen –«

 

»Ach ja – gerade als ich nach London abreiste.«

 

»Ganz recht. Ich bin ein Vertreter der Stormerschen Detektiv-Agentur –«

 

Audrey nickte. Von dieser bekannten Firma hatte sie schon öfter gelesen.

 

»Mr. Stormer hat mich beauftragt, mit – mit einem Vorschlag an Sie heranzutreten, Miß Bedford. Wir sind nämlich in Verlegenheit. Eine Dame, die für uns arbeitete, hat sich verheiratet, und wir haben bis jetzt noch keinen Ersatz für sie gefunden. Nun meinte Mr. Stormer, ich sollte einmal anfragen, ob Sie vielleicht Lust hätten, in unsere Agentur einzutreten?«

 

»Ich?! Sie meinen – als Detektivin?«

 

»Wir würden Ihnen keine unangenehme Arbeit übergeben. Sie kämen nur für Fälle aus der guten Gesellschaft in Frage.«

 

»Aber kennt Mr. Stormer denn – meine Vorgeschichte?«

 

»Sie meinen den Juwelenraub? Ach, darüber weiß er selbstverständlich Bescheid. Das macht ihm nichts aus. Er möchte Sie damit beauftragen, einen Herrn zu beobachten, einen gewissen Mr. Torrington.«

 

»Torrington? Wer ist das?«

 

»Ein steinreicher Südafrikaner. Interessieren Sie sich für Südafrika?«

 

Sie zuckte zusammen.

 

»Jawohl – wenn alle Geschichten, die ich gehört habe – wahr sind –« erwiderte sie langsam.

 

»Wir verlangen nicht, daß Sie hinter Torrington herlaufen«, fuhr Willitt fort. »Es wäre uns aber lieb, wenn Sie mit ihm bekannt würden.«

 

»Ist er – ein Verbrecher?«

 

»Gott behüte! Ein durchaus redlicher Mann. Wir möchten nur gern wissen, mit wem er verkehrt –«

 

»Kann ich Mr. Stormer vielleicht selbst sprechen?«

 

»Er ist schon wieder in Amerika«, flunkerte Willitt, »und vor seiner Abreise hat er mir ausdrücklich aufgetragen, Sie um jeden Preis als Mitarbeiterin zu gewinnen.«

 

Audrey lachte.

 

»Nun, versuchen kann ich es ja«, meinte sie vergnügt.

 

Willitt atmete erleichtert auf.

 

Als er ins Büro zurückkam, fand er John Stormer in milderer Stimmung und berichtete mit Genugtuung über den Erfolg seiner Sendung. Er hatte kaum das Zimmer verlassen, als Stormer sich ans Telephon begab.

 

»Hier Stormer. Sind Sie es selbst, Hepps? Besten Dank für Ihre Hilfe.«

 

»Es ging mir sehr gegen den Strich«, erwiderte der Redakteur in bedauerndem Ton. »Sie scheint ein nettes und begabtes Mädchen zu sein. Was wird sie nur von mir denken! Ich werde nicht so leicht wieder einem netten Mädel ins Gesicht sehen können – ich schäme mich wirklich!«

 

»Ach was, das ist vielleicht nur zu Ihrem Besten!« lachte Stormer und hängte an.

 

 

Torrington bewohnte eines der teuersten Appartements im Ritz-Carlton-Hotel. Er empfing nur sehr selten Besuch, und als ein schäbiger, kleiner Mann sich bei ihm melden lassen wollte und eine Verabredung vorschützte, dauerte es eine ganze Weile, bis er vorgelassen wurde.

 

»Mr. Brown« saß an seinem Schreibtisch und schob das Blatt, an dem er geschrieben hatte, zur Seite, um sich den Besucher genau anzusehen.

 

»Sie kommen aus Kimberley?« fragte er. »Ich erinnere mich nicht, Sie jemals gesehen zu haben. Sie wissen natürlich, welchen Namen ich damals führte?«

 

»Ich weiß«, erwiderte der kleine Mann, »aber ich werde ihn nicht aussprechen. Wenn ein Mann sich Brown nennt – so ist er für mich eben Mr. Brown. Offen gesagt – ich verbüßte zur selben Zeit wie Sie eine Strafe.«

 

Torrington fuhr mit der Hand in die Tasche.

 

»Ich besinne mich nicht auf Sie, aber ich habe mir auch große Mühe gegeben, alle Leute zu vergessen, mit denen ich am Wellenbrecher arbeitete.«

 

Auf dem Schreibtisch lag der Brief, den der alte Herr gerade beendigt hatte. Der Fremde sah die schwungvolle Unterschrift, aber der Bogen war zu weit entfernt, als daß er ihn hätte lesen können. Er suchte nach einem Vorwand, um hinter den Tisch zu kommen.

 

Torrington schob ihm eine Banknote zu.

 

»Ich hoffe, daß es Ihnen in Zukunft besser gehen wird.«

 

Der kleine Mann nahm den Geldschein, ballte ihn zusammen und schleuderte ihn zum Erstaunen seines Wohltäters an ihm vorüber in den leeren Kamin. Verwundert sah sich »Mr. Brown« um, und in dieser Sekunde wurde die Unterschrift gelesen.

 

»Behalten Sie Ihr Geld!« sagte der Fremde. »Denken Sie, daß ich deshalb hergekommen bin – Torrington?«

 

Daniel Torrington stand auf.

 

»Nehmen Sie das Geld, und machen Sie sich nicht lächerlich!«

 

Der Mann holte sich den zerknitterten Schein und ging. Torrington machte die Tür leise hinter ihm zu. Woher wußte dieser Mensch –?

 

Da fiel sein Blick auf den Brief, und er begriff.

 

Kapitel 22

 

22

 

Die Zeitungen berichteten eingehend und wahrheitsgetreu über das Ereignis der vergangenen Nacht, und der ›Globe Herald‹ fügte hinzu:

 

 

»Die Polizei steht vor einem fast unlösbaren Rätsel oder vielmehr vor einer Reihe von Rätseln, die wir hier aufzählen wollen:

 

1. Wie gelangte Marshalt in das sorgsam behütete Haus dieses Sonderlings? Da er seinen Nachbar so sehr fürchtete, daß er Privatdetektive mit seinem Schutz betraut hatte, muß er starke Beweggründe gehabt haben, um sich zum Betreten des geheimnisvollen Hauses zu entschließen.

 

2. Auf welche Weise wurde Marshalts Leiche aus Nr. 551 entfernt?

 

3. Wer tötete den Bedienten Tonger, und warum wurde er überhaupt getötet?

 

4. Wo ist Malpas? Ist er etwa auch in die Hände der gespenstischen Verbrecher gefallen?«

 

 

Dick nickte anerkennend, als er diesen Artikel las. Daß bei aller Genauigkeit mehrere wichtige Punkte übersehen worden waren, konnte ihm nur lieb sein. Gleich morgens um zehn Uhr hatte er die Köchin Marshalts verhört. Die Frau wußte jedoch nur auszusagen, daß ihr Herr um halb acht abends das Haus verlassen hätte, und daß Tonger gut mit ihm gestanden hätte und ein nüchterner Mann gewesen wäre. Nur in der letzten Zeit hätte er angefangen zu trinken und zu seinen Mahlzeiten statt der Zitronenlimonade alkoholhaltige Getränke verlangt.

 

All dies sagte Dick nicht viel, und er beschloß, Audrey aufzusuchen, um zu sehen, ob sie vielleicht eine der Lücken ausfüllen könnte. Er fand sie in dem leeren Speisesaal, wo sie ein spätes Frühstück einnahm.

 

»Ich habe die Zeitungen schon gelesen«, sagte sie. »Sie sind recht gut unterrichtet.«

 

»Ja«, bestätigte er und holte den auf dem Schreibtisch gefundenen Bogen hervor. »Ist das vielleicht einer von den Briefen, die Sie für Mr. Malpas geschrieben haben?«

 

»Es ist meine Handschrift. Besinnen kann ich mich nicht darauf. Ich schrieb die Sachen immer ganz mechanisch ab, weil sie mir teils sinnlos, teils wunderlich vorkamen. Übrigens – was soll ich mit dem Geld machen, das er mir gegeben hat?«

 

»Heben Sie es für seine Erben auf«, erwiderte er finster.

 

»Er ist doch nicht etwa tot?«

 

»Genau sieben Wochen nach dem Tag, an dem ich ihn fasse, wird der alte Teufel tot sein!«

 

Er fragte sie noch einmal, wie Malpas aussähe, und notierte sich ihre Beschreibung. Es war der Mann, dessen Gesicht er durch das Oberlichtfenster gesehen hatte!

 

Als Dick gegangen war, legte sich Audrey wieder zu Bett, denn die Ereignisse des vergangenen Tages hatten sie sehr angegriffen und erschüttert. Sie mußte wohl eingeschlummert sein, denn plötzlich fuhr sie erschrocken in die Höhe.

 

Ihre Tür war nur angelehnt, und sie wußte genau, daß sie sie vorher geschlossen hatte. Wer hatte sie geöffnet? Sie trat auf den Korridor hinaus, aber es war niemand zu sehen. Sollte sie sich doch getäuscht haben?

 

Im nächsten Augenblick sah sie einen Brief am Boden liegen, bei dessen Anblick ihr fast der Atem verging. Er kam von Malpas. Mit zitternden Fingern riß sie den Umschlag auf und schaute auf das unordentliche Gekritzel:

 

 

»Lacy und sein Untergebener sind tot. Sie werden denselben Weg gehen, wenn Sie mich verraten. Erwarten Sie mich heute abend um neun am Eingang von St. Dunstan, Outer Circle. Wenn Sie zu Shannon darüber sprechen, soll es Ihnen schlecht bekommen.«

 

 

Sie durchflog die Zeilen noch einmal. St. Dunstan, das Heim für blinde Soldaten, lag weit draußen in einer einsamen Gegend. Sollte sie Dick zu Rate ziehen? Ihr erster Gedanke war, ihm von dieser Nachricht Mitteilung zu machen, aber ihr zweiter galt seiner Sicherheit. Sie durfte ihn nicht einweihen, denn er suchte nach Malpas, und dies konnte seinen sicheren Tod bedeuten.

 

Den ganzen Tag über beschäftigte sie sich mit dem Problem, und dabei hatte sie ständig das dunkle, quälende Gefühl, daß sie bewacht und beobachtet wurde. Wer war nur dieser rätselhafte Mann – dieser graue Schatten, der ungesehen kam und ging?

 

Sie hoffte immer noch, daß Dick nachmittags oder zu Tisch erscheinen würde, aber der Captain hatte keine Zeit. So zog sie sich denn nach dem Essen auf ihr Zimmer zurück, um einen Plan zu entwerfen.

 

Erstens wollte sie all ihr Geld im Safe des Hotels zurücklassen, zweitens einen recht kräftig aussehenden Chauffeur wählen und sich keinen Schritt von der Autodroschke entfernen. Sie hätte gern einen Revolver mitgenommen, aber sie besaß keinen und verstand auch kaum, damit umzugehen.

 

Sie mußte lange warten, bis endlich ein passender Chauffeur von der nötigen Größe und Stärke des Weges kam.

 

»Ich habe eine Verabredung mit einem Herrn im Outer Circle«, sagte sie hastig. »Und ich – ich möchte nicht mit ihm allein gelassen werden – verstehen Sie?«

 

Er verstand durchaus nicht. Sonst pflegten solche junge Damen ganz entgegengesetzte Wünsche zu haben.

 

Es schneite und stürmte, und die Straßen wurden leerer und dunkler. Es war eine lange Fahrt, aber endlich hielt das Auto am Bordstein.

 

»Hier sind wir bei St. Dunstan«, sagte der Chauffeur und blieb neben der Tür stehen. »Es ist aber niemand hier.«

 

Aber im nächsten Augenblick glitt ein langes Auto heran und hielt dicht hinter ihnen. Audrey sah, daß eine gebeugte Gestalt mühsam ausstieg, und wartete gespannt, was folgen sollte.

 

»Audrey!«

 

Die Stimme war unverkennbar.

 

»Bitte, kommen Sie hierher«, sagte sie.

 

Er kam langsam auf sie zu – sie erkannte das lange Kinn über dem weißen Schal und die große Nase.

 

»Kommen Sie her, und schicken Sie Ihre Droschke fort!« rief er ungeduldig.

 

»Nein, der Chauffeur bleibt hier«, erklärte sie fest. »Ich habe nicht viel Zeit. Wissen Sie, daß die Polizei nach Ihnen sucht?«

 

»Schicken Sie das Auto fort!« wiederholte er heftig. »Sie haben jemand drin – der Teufel soll Sie holen! Ich schrieb Ihnen doch –«

 

Sie sah glitzernden Stahl in seiner Hand und wich zurück.

 

»Ich schwöre Ihnen, daß niemand anders als der Chauffeur bei mir ist.«

 

»Kommen Sie her!« befahl er. »Steigen Sie in mein Auto.«

 

Sie wollte sich umdrehen, glitt aber in dem nassen Schnee aus. Rasch packte er sie an beiden Armen und stand nun hinter ihr.

 

»Nanu – was soll denn das?« brüllte der Chauffeur ihn an und näherte sich in drohender Haltung.

 

»Halt!« Eine Revolvermündung brachte ihn zum Stehen.

 

»Fahren Sie fort! Hier!«

 

Eine Handvoll Geld flog ihm vor die Füße, und als er sich bückte, es aufzuheben, sauste der Revolverkolben auf seinen Hinterkopf nieder. Er fiel um wie ein schwerer Klotz.

 

Das geschah, bevor sich Audrey der großen Gefahr bewußt wurde, in der sie schwebte. Sie fühlte, daß der Mann sie aufhob.

 

»Wenn Sie schreien, schneide ich Ihnen die Kehle durch!« zischte er ihr ins Ohr. »Sie sollen denselben Weg gehen wie Marshalt und Tonger – den Weg, den auch Shannon gehen wird, wenn Sie nicht tun, was ich will –«

 

Er preßte eine Hand auf ihren Mund und zerrte sie auf sein Auto zu. Aber dann ließ er sie plötzlich los, und sie stürzte halb ohnmächtig zu Boden. Bevor sie wieder ganz zu sich kam, schossen die Lampen von Malpas Auto an ihr vorüber. Sie sah drei Leute laufen, hörte Schüsse knallen und wurde auf die Füße gestellt. Der Arm, der sie umfaßt hielt, gab ihr ein sonderbar beruhigendes Gefühl, und sie schaute in Dick Shannons Gesicht.

 

»Sie unartiges Kind!« sagte er streng. »War das ein Schreck!«

 

»Haben Sie – haben Sie ihn gesehen?«

 

»Malpas? Nein, nur seine Scheinwerfer, aber es ist ja immerhin entfernt möglich, daß sie ihn an irgendeinem Tor anhalten. Mein Mann hatte Sie aus den Augen verloren, und es war ein reiner Glücksfall, daß er Sie bei Clarence Gate wiedersah. Er rief mich in Marylebone an – nun, wir wollen froh sein, daß alles so gut abgelaufen ist.« Er schauderte. »Hat der Kerl etwas von Belang gesagt?«

 

»Nein, er stieß nur eine Menge ungemütlicher Drohungen aus, die hoffentlich nicht in Erfüllung gehen. Dick, ich kehre zu meinen Hühnern zurück.«

 

Shannon lachte leise.

 

»Selbst das grimmigste Ihrer Hühner würde nicht imstande sein, Sie jetzt zu beschützen. Malpas hält es aus irgendeinem Grund für notwendig, Sie zu beseitigen. Übrigens habe ich Sie Tag und Nacht von zwei eifrigen Leuten bewachen lassen. Haben Sie das nicht bemerkt?«

 

Nachdem er sie ins Hotel zurückgebracht hatte, fuhr er nach Hause und stieß vor seiner Tür auf Mr. Brown.

 

»Warten Sie hier auf mich?« fragte er.

 

»Ja, seit einigen Minuten. Haben Sie ihn gefaßt?«

 

Dick fuhr herum.

 

»Wen?«

 

»Nun, natürlich Malpas! Sie vergessen, daß Ihre Kanonade die friedlichen Bewohner von Regent’s Park in fürchterliche Angst versetzt und lebhafte Reklame für Ihren Kampf mit dem Teufelskerl gemacht hat.«

 

»Teufelskerl? Kennen Sie Malpas?«

 

»Sehr genau, und Lacy Marshalt auch – noch besser als den verstorbenen Laker.«

 

»Kommen Sie mit mir hinauf«, erwiderte Dick, und Mr. Brown folgte ihm so lautlos, daß er sich umdrehte, um sich zu vergewissern, ob er auch hinter ihm wäre.

 

»Sie sprachen eben von Laker: wer ist das?«

 

»Ein Dieb und Trunkenbold. Obwohl er Malpas kannte, war er unvorsichtig genug, ihn in berauschtem Zustand zu besuchen – infolgedessen wurde seine Leiche kürzlich aus der Themse gefischt.«

 

»Meinen Sie den Mann, der am Embankment ins Wasser geworfen wurde?«

 

»Ja, das war Laker. Wundern Sie sich, daß es sogenannte Teufel in Menschengestalt gibt, die sich durch Mord einen Ausweg aus ihren Verlegenheiten suchen? Warum auch nicht? Begeht man einen Mord, ohne ihn zu bereuen, so sind alle weiteren nur eine natürliche Folge davon. Ich habe viele Mörder gekannt –«

 

»Gekannt!« wiederholte Dick bestürzt.

 

»Ja, ich habe lange Sträflingsjahre hinter mir. Mein eigentlicher Name ist Torrington, und ich war zu lebenslänglicher Zwangsarbeit verurteilt, wurde aber begnadigt, als ich zwei Kindern das Leben rettete, und zwar den Kindern des höchsten Verwaltungsbeamten von Kapstadt. Aus diesem Grund hat man mir auch die Führung eines Passes unter falschem Namen gestattet.« Er lächelte flüchtig. »Ich gehöre sozusagen den privilegierten Klassen an. Und ich interessiere mich für Malpas, noch mehr allerdings für den verstorbenen Marshalt. Aber darüber brauche ich wohl keine weiteren Worte zu verlieren. Malpas ist gefährlich, Captain Shannon. Auf einen Mord mehr oder weniger kommt es ihm nicht an. An Ihrer Stelle würde ich ihn in Ruhe lassen.«

 

»Ein netter Ratschlag für einen Polizeibeamten!« meinte Dick lachend.

 

»Es ist ein guter Rat«, erwiderte Brown. »Wo mögen sie nur Marshalts Leiche hingebracht haben?« fragte er dann.

 

Dick zuckte die Schultern.

 

»Sie muß noch irgendwie im Haus versteckt sein«, entgegnete er ausweichend.

 

»Das glaube ich nicht. Ich habe einen Gedanken – aber ich habe schon zuviel gesagt. Kommen Sie mit und trinken Sie bei mir im Hotel noch einen Nachttrunk, Captain Shannon!«

 

Dick lehnte lächelnd ab.

 

»Aber dann bringen Sie mich doch wenigstens nach Hause?« fragte Brown. »Ich bin ein schwacher, alter Mann und bedarf des polizeilichen Schutzes.«

 

Dazu war Dick bereit. Unterwegs sah er, daß Mr. Torrington manchmal weniger hinkte. Es war, als ob er zuweilen vergäße, den Fuß nachzuschleppen. Schließlich machte Dick eine Bemerkung darüber.

 

»Ich glaube, das beruht auf Gewohnheit«, entgegnete Torrington unbefangen. »Ich hatte mir das Nachschleppen des Fußes so angewöhnt, daß es mir zur zweiten Natur geworden ist.«

 

Er spähte scharf um sich.

 

»Erwarten Sie, jemand zu sehen?« fragte Dick.

 

»Ja, ich sehe mich nach dem Schatten um. Er hat sich heute noch gar nicht blicken lassen.«

 

Shannon lächelte.

 

»Sie lieben es wohl nicht, beobachtet zu werden? Alle Achtung, daß Sie es bemerkt haben!«

 

Torrington schaute ihn groß an.

 

»Ach, Sie meinen den Polizisten, der mir folgt? Dort an der Ecke steht er. Nein, ich sprach von dem Mann, der auf Ihrer Spur ist.«

 

»Auf meiner Spur?«

 

»Wußten Sie das denn nicht? Du lieber Himmel, und ich dachte, Sie wüßten alles.«