940. Schlangen als Kindergäste

940. Schlangen als Kindergäste

Von Schlangen gibt es unzählige Sagen. Nach einer Richtung hin schlingen sich dieselben in die Lindwurmsagen ein, nach der andern haben sie elbische Färbung und gehen in das Reich der Hausgeister über, und wie die Schlangen dort furchtbar erscheinen, so erscheinen sie in letzterer Beziehung traulich. Auf Waldgebirgen zumal ist es eine bekannte Sage, daß man den Unk (die Ringelnatter) nicht töten dürfe, weil er Glück bringe, wo er in einem Hause wohne. Zu Schwamdorf bei Nagold erzählte ein Kind seiner Mutter, es komme immer ein Vögelein und esse mit von seiner Milch. Das verwunderte die Mutter, und sie lauschte. Siehe, da kam eine große Schlange – ein schöner Vogel das! – und aß Milch mit dem Kinde und war gut mit ihm, und wenn das Kind einen Löffel voll aus dem Häfele genommen, so steckte die Schlange ihren Kopf hinein und tat einen Schluck. Da wurde die Mich schneller alle als die Brot- oder Semmelbrocken, und das Kind gab der Schlange mit seinem Löffelchen einen leichten Klaps auf den Kopf und sagte zu ihr: Iß et no Ilch, iß au Ickle (iß nicht nur Milch, iß auch Brickle), und die Schlange ließ sich’s gefallen und spielte hernach mit dem Kinde. – Dasselbe geschah mit eines Weingärtners Kind zu Rothenburg und nicht minder im Dorfe Thieringen, wo das Kind sprach: Iß et no Schlappe, iß au Mocke. – Und in Thüringen, auf dem Walde hauptsächlich, begegnet häufig dieselbe Sage; da spricht das Kind: Eß net no Nü, eß a Nocke (iß nicht nur Brüh, iß auch Brocken).

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941. Der Schlangenkönig

941. Der Schlangenkönig

Man hat Beispiele, daß selbst der Schlangenkönig, der ein prächtiges Goldkrönlein auf seinem Haupte trägt, sich bei Kindern eingefunden und mit von ihrer Milch gespeist hat, so bei einem Seiler in Stuttgart, welcher aber sehr ungastfreundlich den Schlangenkönig erschlug und durch die Krone unermeßlich reich wurde und das Haus an der neuen Brücke erbaute, welches jetzt das Gutbrodsche heißt. Solcher Häuser, deren Erbauer auf gleiche Art reich geworden, soll es dort zu Stuttgart noch mehrere geben. Wenn der Schlangenkönig in einen Bach geht, um zu baden, legt er jedesmal erst am Ufer sein Krönlein ab. Wer dieses findet und nimmt, der muß die Beine auf die Achsel nehmen und laufen, was er kann, denn sobald der Schlangenkönig den Verlust seiner Krone bemerkt, so will er sie wiederhaben, was ihm niemand verdenken kann, und schießt wie ein Pfeil hinter dem Räuber her. Holt er diesen ein, so ist der Räuber verloren, holt er ihn nicht ein, so macht die Krone den Kronenräuber unermeßlich reich. Einem Bauer aus Derendingen ist’s also geglückt. Kann der Schlangenkönig seine Krone nicht wiedererlangen, so kommt er zu der Stelle zurück, wo sie ihm geraubt ward, und grämt sich und stirbt, denn er kann den Verlust der Krone nicht ertragen, er ist kein Philosoph, obgleich die Schrift den Schlangen Klugheit zuschreibt – aber wenn einem die Krone genommen wird, da hört alles auf.

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942. Die Schlangenamme

942. Die Schlangenamme

Eine Frau aus einem Dorfe in Schwaben hatte ein säugendes Kind und ging hinaus zur Heuet, legte das Kind in den Schatten und wartete ihres Tagewerkes. Da nun die Mittagszeit da war, ging sie zu ihrem Kinde, nahm es an ihre Brust, ließ es trinken und entschlummerte. Als das Kind getrunken hatte, ließ es von seiner Labequelle und entschlief auch, und die Mutterbrust blieb offen. Da kam ein kleines Schlänglein geschlichen, das ringelte leise heran und begann sanft zu saugen und saugte sich ganz fest, und als die Frau erwachte, erfaßte sie ein tödlicher Schreck, zu sehen, daß sie nicht nur nach dem Sprüchwort eine Schlange im Busen, sondern sogar am Busen nährte. Abreißen ließ sich die Schlange nicht, jeder gewaltsame Versuch, sie wegzubringen, konnte die Schlange zum Biß reizen und den Tod herbeiführen. Gast und Last mußte daher von der Frau getragen werden. Der Schlange gedieh die Menschenmuttermilch wunderbarlich; sie schwoll mehr und mehr an, und war sie erst fingersdick gewesen, so wurde sie bald armsdick und noch dicker, und es waren schon zehn Monate vergangen, seit das arme Weib die Schlange säugte, und begann nun zu verfallen und von Kräften zu kommen. Da kam ein Fremder von ohngefähr in das Dorf, der hörte von dem schweren Mißgeschick der Frau und ging zu ihr und sagte ihr, er wolle ihr von ihrer Bürde helfen, sie solle ihm nur in den Wald folgen. Dort zog der Mann magische Kreise, und nun zog er ein Pfeifchen hervor und begann darauf zu pfeifen. Darauf hat es im Walde geraschelt und gerauscht, und sind alle Schlangen gekrochen gekommen, und in die Kreise, und haben drin getanzt, und da ist die große und schwere Schlange, die so lang an der Frauenbrust gehangen, auch von ihr abgefallen und hat in den Kreis gemußt und hat mittanzen müssen. Wer war froher wie die Frau! Hernachmals hat es sich begeben, daß dieselbe Frau, die sich wieder gut erholt hatte und wieder zu Kräften gekommen war, vor ihrer Türe saß und ihr Kind in den nahen Wald in die Beeren gegangen war. Da hört sie plötzlich die Leute schreien: Ein Bär, ein Bär im Walde! Eine Schlange! hu! eine Schlange! – Und denkt entsetzt ihres Kindes und stürzt hin, da erblickt sie den Bären, und nahezu liegt ihr Kind, und sie weiß nicht, ob es tot oder lebendig, und der Bär stürzt brüllend zusammen, und der schlummernde Knabe erwacht: eine großmächtige Schlange hat den Bären erdrosselt, als er das Kind packen wollte, und das ist dieselbe Schlange gewesen, welche die Frau mit ihrer Milch so stark und groß geschwellt, sonst hätte sie den Bären nimmer erdrücken können.

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943. Vom Hutzenbacher und andern Seen

943. Vom Hutzenbacher und andern Seen

Wie der kleine und große Mummelsee ist auch der Hutzenbacher See weit berufen wegen der sich in ihm aufhaltenden Seemännlein und Seeweiblein, deren Töchter auch zum Kirchweihtanz nach Hutzenbach gekommen und vom allgemeinen Wasserjungfernlos erreicht worden sind. Das Seemännle in diesem See hatte die hülfreiche Natur der Erdmännle und diente insonderheit einem Bauer, welcher der Frieders-Bauer hieß. Der wollt‘ es auch gut meinen und ließ ihm ein neues Häs, das ist eine ganze Kleidung, aus Kittel, Weste und Hose bestehend, fertigen, weil des Seemännleins Kleidung gar zu zerfetzt und grasig war und den Moorgeruch an sich hatte. Und da nahm das Männle das Häs, tauchte in den See und soll noch heute wiederkommen. Ebenso ist es auch einem Müller aus Schwarzenberg mit einem Seemännle ergangen.

Drei Stunden von Wildbad liegt der wilde See, nach Baden hinwärts, aus dem kamen die Fräulein ins Wildbad und spannen und sangen. Das ist vorbei mitsamt der guten Zeit, und die Zeit ist hin, wo Bertha spann. Da einmal der Karl Herzog versuchen ließ, den wilden See messen zu lassen, wie tief er sei, wie beim großen Mummelsee auch geschehen, so fand das Senkblei keinen Grund, wie tief es immer fiel, und da geschah dem Herzog Ahnliches wie jenen Vermessenen, die des Arendsees Tiefe ergründen wollten, denn es zuckte von unten an der Schnur, und wie sie das Senkblei aufzogen, hing ein Zettel daran, auf welchem geschrieben stand: Wer misset die Wasser mit der Faust und fasset den Himmel mit der Spanne? – So du mich wirst ergründen, wirst meinen Grund du selber finden. – Da erschrak der Karl Herzog und ließ ab vom Messen und ließ den Kahn zum Strande fahren.

Ohnfern von Schönmünzach liegt noch ein sogenannter wilder See, welcher der Nonnensee genannt wird, man scheut sich ihn zu befahren; in der Mitte soll ein stiller Wirbel sein, der alle Fahrzeuge zur Tiefe zieht. Auch er kann, gleich andern, nicht vertragen, daß man Steine in ihn hineinwirft. Es stand dort ein Nonnenkloster, und erging damit wie mit dem bei Neuenkirchen im Odenwalde und dem Mönchskloster, an dessen Stelle das Heilige Meer zwischen Freren und Ibbenbüren trat. Noch immer hört man in der Tiefe die Klosterglocken läuten, ja man hört Gesang und Töne. Ein Bauer zu Schönmünzach soll noch den großen Schlüssel zur versunkenen Klosterkirche haben. Das gleiche erzählt man sich vom bodenlosen See zwischen Empfingen und Nordstetten. Da zeigt sich vor Gewittern ein schwimmend Seefräulein mit halbem Leibe. Aber andere sagen, dort habe nicht ein Kloster, sondern ein Wirtshaus gestanden, da sei es hergegangen wie dort beim Tanzteich zu Sachswerfen, es wird auch noch der Tanzplatz gezeigt, wo unter einer alten Linde die Sonntagstänzer unter der Kirche tanzten.

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934. Die Heiden

934. Die Heiden

Zu Kettershausen, das nicht gar weit von Babenhausen in Schwaben liegt, heißen die Wichtelmännchen Heiden. Sie hausten allda in einem Berge und ahmten Sankt Sebald nach, sie nahmen Einkehr bei einem Wagner. Wenn sie diesem auch nicht mit Eiszapfen Feuer anmachten und einheizten, wie jener Heilige tat, so leisteten sie doch alle die Dienste, welche hülfreiche Hausgeisterlein stetig leisteten, und die dankbare Frau des Wagners legte jeden Abend ein Brötlein unter die Türe und stellte ein Krüglein voll Wasser hinzu oder auch voll Bier oder Milch, wie es kam, besonders wenn es viel zu schaffen gab, da mehrte sich auch die Zahl der Brote und Krüglein. Einmal aber, da eine Frau Nachbarin kam und lobte, wie schön es bei den Wagnersleuten sei, wie blank alles und aufgeräumt, und wie alles Spuren des Fleißes verrate, da verpäppelte und verschwätzte sich die Hausfrau und ließ etwas fallen von unsichtbarer Hülfe – und da blieben die Heiden von Stund an weg und kamen nimmer wieder, und mußten nun der Wagner und seine Frau das selber tun, was sie getan haben wollten. Der Name Heiden – auch Haiden von andern geschrieben – weist deutlich auf einen verdrängten Volksstamm hin als Grundzug der so häufigst und besonders auch in Schwaben verbreiteten Wichtleinsagen. In Schwaben heißen die Wichtlein zumeist Erdmännele, Rotmänndele, Erdwichtele; es gab weiße und schwarze, und es gibt der Geschichten von ihnen sehr viele auf den Dörfern.

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935. Breithut und andere Geister

935. Breithut und andere Geister

In der Blaubeurer Gegend und Herrschaft spukt ein Geist, welcher Breithut genannt wird; eö ist einer von den vielen gespenstigen Freischärlern, trägt einen Schlapphut und hat von dem den Namen; er hat seinen Kopf aufgesetzt und den Hut obendrauf und geht nicht zu Fuße. Er fährt vielmehr mit vier kohlpechschwarzen Rappen und lärmt und rasaunt wie der ewige Fuhrmann, der in der Gegend von Tettnang geistweis schweben muß. Die Rappen aber haben keine Köpfe. Nächst ihm gibt es noch der Geister und Geistlein in Schwaben wie Sand am Meer, noch außer denen, die zu der Schar der Erdwichtele gehören. Gut, daß sie nicht sichtbar sind, man könnte sich sonst schier entsetzen, wenn einem alle paar Schritt ein Schlapphut begegnen täte, etwa mit einem Waldschrattlebart und gefährlichen Augen.

Da heißt ein Geist Huonzel oder Kuonzel – soviel als Konradle –, der spukt bei Bühlertann; bei Wankheim und Jetenburg geht ein Wiesengeist um und führt die Leute irre; im Kusterdinger Walde bei Tübingen spukt der Eintöffeler, der geht barfuß und hat nur einen Pantoffel an; zu dessen Privatvergnügen gehört es, blitzschnell zu erscheinen und ebenso schnell wieder zu verschwinden, auch seinen Kopf vom Rumpfe schnell auf- und abhüpfen zu lassen. In Schwäbisch-Hall spukt im Salzwerk der Halgeist, dort Haalgeist genannt, er, und nicht der Teufel, sagen einige, soll es gewesen sein, der dem Salzsieder die große Nase zeigte und ihn über den Kocher hinüber auf den Gänsberg schmiß und höhnisch fragte: Ist dees nit a Wuuref? – Ein sich gern in Tiere verwandelnder Geist spukt bei Gniebel und wird der Kappelgeist genannt. Bei Riederich spukt einer als Nachtvogel, so groß wie die Tut-Osel, fliegt vor den Wanderern her, äfft sie und lacht mit Menschenstimme, gleich dem Geist Osschaert im Wanslande. Andre fahren mit Gekreisch in Gestalt eines Lichts blitzschnell den Leuten an die Fenster, so daß alles erschrickt. Soviel von den männlichen Geistern, der weiblichen gibt es nicht minder viel, so daß einer in Wahrheit sagen kann, was einmal ein vierzig Jahre alter Schwab sagte: I schwör’s bei mein’m Eid, das Schwabeland ischt des geischtreichschte Land unter der Sonne!

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936. Reißenstein und Riese Heimen-Stein

936. Reißenstein und Riese Heimen-Stein

Eine Meile weit von der Teck in der Schwäbischen Alb, die nicht mit den Alpen der Schweiz und Tirols zu verwechseln, sondern ihren Namen von dem weißen Gestein, womit die Acker der rauhen Gegend bedeckt sind, führen soll, hebt sich die Burgtrümmer des Reißenstein hoch auf einem steilen Felsen; dieser Berg samt der Burg hat früher der Riesenstein geheißen, und ein Riese des Namens Heim hat auch die Burg erbaut. Dieser Riese Heim hauste und haust noch als Geist in einer langen Felskluft, dem Heimenstein, dem Reißenstein gerade gegenüber. In dieser Höhle hütet der Riese noch immer seinen Schatz. Als er den Riesenstein mit Hülfe der Zwerge gebaut hatte, fehlte am obersten Fenster außen noch ein Nagel, da faßte er den ersten besten seiner Hülfsknechte beim Kragen, hielt ihn zum Fenster hinaus und ließ ihn, so zwischen Himmel und Erde schwebend, den Nagel einschlagen, dann stellte er ihn sachte wieder auf die Beine und sprach mit Lachen: Bravo, Männchen, bravo!

Es hat auch sonst noch einen Riesen Heim gegeben, der hauste im Inntale, tötete einen schädlichen Drachen, gewann des Landes Herrschaft, erbaute über den Inn eine große Brücke und gründete an ihr einen Ort, der wurde hernachmals von der Brücke Innsbruck genannt, ließ sich dann taufen und gründete das Kloster Wilten. Allda liegt dieser Riese Heim auch begraben, das Grab ist vierzehn Schuh und drei Zwergfinger lang.

Zu Hirsau ist eine Riesenkapelle, da liegt der Riese Erkinger auch in einem vierzehn Schuh langen Grabe, und gehen von dem Erkinger viele Sagen.

An der Murg gab es auch Riesen, die wurden Rotmäntel genannt und das Gundesvolk.

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9Z7. Herrgottstritte

9Z7. Herrgottstritte

In der Schwäbischen Alb, im Aalbuch über Heubach, liegt die Burgruine Rosenstein auf einem steilen und schroffen Felskegel, der dennoch von wildem Rosengesträuch dicht überwachsen ist. In ihrer Nähe ist eine tiefe Höhle, die Scheuer geheißen, die sich eine halbe Stunde durch den Berg hindurch erstrecken und mit der Burg in Verbindung gestanden haben soll. So soll auch auf dem nahen Hohberge eine Stadt, Hochstadt oder Hochstädt, vordessen gestanden haben, die mit der Burg durch eine lederne Brücke verbunden war, gerade wie auch die Burgen Kalenberg und Burgstall bei Friedingen an der Donau. Auf Burg Rosenstein, gegenüber dem Scheulberg, hat Christus der Herr gestanden, und der Teufel zeigte ihm von da alle Herrlichkeit der Welt und wollte, daß Christus niederfalle und ihn anbete – also geht die Sage. Aber Christus warf den Versucher in die nahe Teufelsklinge und trat von dem Burgberge hinüber auf den Scheulberg (Schauelberg), hoch über das Tal von Heubach hinweg, und prägte seiner Fußtritte Spur beiden Felsen tief ein. Zu diesen Tritten ist hernachmals häufig gewallfahrt worden, ward auch ein Marienbild nahebei aufgestellt, aber die württembergische Regierung verbot in einem strengen Edikt vom 8. Juni 1740 das Wallen und ließ den Herrgottstritt auf Rosenstein mit Pulver wegsprengen, das gipserne Marienbild aber einziehen – Aberglauben zu verhüten. In der Teufelsklinge mußte der Teufel tausend Jahre gefesselt liegen und grimmige Tränen weinen, die als trübes Wasser aus ihr zutage flossen, nunmehr aber ist er schon längst wieder los und spaziert hin, wohin es ihm beliebt.

Auf dem Scheulberg wachsen nahe dem Herrgottstritt Wetterkräutlein, vor denen scheuen sich die Gewitter und zerteilen sich an seinem Scheitel.

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938. Teufelsmühle und -wehre

938. Teufelsmühle und -wehre

Auch im Schwabenlande gehen Sagen von Teufelsmühlen, wie im deutschen Norden, in Osterreich und sonst. Eine stand im Murgtale, nicht weit von Gernsbach, das war eine Sägemühle, und dem Müller zerriß die Flut des Talflusses sehr oft das Wehr; wünschte sich deshalb ein dauerhaftes, und daß es der Schwarze bauen möchte, wie er im Schwarzatale bei Blankenburg im Thüringerwalde auch getan. Da kam der Teufel, bereitwillig wie immer, gegen Seelenverpfändung zu tun, was ihm möglich. Wurde daher eins mit dem Müller, das Wehr über die Murg zu bauen, aber der Müller müsse ihm vergönnen, jede Nacht auf seiner Sägemühle eine Seele zersägen zu dürfen. Der Müller dachte: Säge du doch meinetwegen Seelen oder Kieselsteine, was kümmert das mich? Wenn ich nur ein Wehr habe, das meiner Mühle zu ihren zwei Gängen genug Wasser zuführt. Sonach wäre die Seelensägemühle bald fertig geworden, allein da sie recht bald, nämlich mit dem ersten Hahnschrei, fertig werden sollte, und da des Müllers Frau den Pakt belauscht, so kroch sie zeitig über das Mühlhaus auf einen Steinfels und krähte wie ein Hahn. Gleich antworteten alle Gückel im Dorfe, und der Teufel riß voller Wut das fast schon fertig gebaute Wehr wieder zur Hälfte ein.

Ebenso steht über Loffenau eine Teufelsmühle, und nahe dabei ist das Teufelsbette und das Teufelshaus; letzteres ist ein also genannter Felsen, da hat sich einmal der Teufel drangelehnt, als er einen recht glühenden Zorn hatte, und hat seine holdselige Gestalt daran abgedrückt, gerade wie am Lurleifelsen am Rhein. Ist ein stattlicher Schattenriß, der Kerl mißt acht Fuß, seine Waden sind wie zwei Fässer und seine Lenden wie Badwannen, der Kopf ist so groß wie ein württembergisch Simri, das ist ein gütliches Kornmaß. In der Nähe ist auch des Teufels Handscherben (Waschbecken), darin er seine Hände in Unschuld wäscht, wenn die Menschen ihm ihre eignen Sünden und Laster über Gebühr aufgebürdet und in die Schuhe geschoben haben.

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93. Die Weingötter am Rhein

93. Die Weingötter am Rhein

Zu Bacharach am Rhein, wo nach altem deutschen Reimspruch der besten Weine einer wächst, soll vorzeiten ein Altar des Bacchus, des Weingottes, gestanden haben, und des Ortes Name soll von diesem Altar, Bacci ara, herrühren, diesen Altarstein nannten die Winzer umher auch den Elterstein. Dort ist auch ein Fels im Rhein, der wird nur bei ganz kleinem Rhein, bei großem Wassermangel und heißem dürren Sommerwetter, sichtbar und stets für eine dem Weinjahr günstige Prophezeiung genommen, denn es geht ein Sprüchwort, das lautet: Kleiner Rhein gibt guten Wein. – Viele meinen, daß dieser Fels selbst der Altar des Bacchus sei, und mit Figuren verziert, und vielleicht hat noch im schwachen Nachhall sich altheidnischer Kult darin erhalten, daß die Schiffleute, wenn der Elterstein sich zeigt, eine Strohpuppe als Bacchus aufputzen und auf dem Stein befestigen, so ist der Sagenglaube im Volke lebendig, wenn auch die Gelehrten ungläubig den Kopf dazu schütteln.

Zu Caub, nahe der alten Burg Pfalzgrafenstein mitten im Rheinstrom, darin vorzeiten aller Pfalzgrafen Wiege stand, weil aller Pfalzgräfinnen Wochenbette darinnen aufgeschlagen werden mußte, lebt noch eine Sage von einem wunderlichen Heiligen, Theonest, des Name wie eine Verstümmelung des griechischen Wortes Dionysos (Bacchus) klingt. Dieser Theonest soll aber doch nicht ein heidnischer Weingott gewesen sein, sondern ein christlicher Märtyrer, der in Mainz bis auf den Tod gequält wurde, und dem es gelang, in einer Weinkufe statt Nachens auf dem Rheinstrom zu entkommen und sich abwärts tragen zu lassen. Je weiter Theonest fuhr, um so wohler wurde ihm zumute, und bei Caub landete er in seiner Kufe an, predigte das Christentum und pflanzte Weinreben, und zwar süße Trauben tragende, die kelterte er zuerst in seiner Kufe, und davon nahm der Ort, den er hier am Strome gründete, den Namen Caub an, und in das Stadtsiegel nahmen hernach dankbar die Cauber das Bild des heiligen Theonest, in seiner Kufe sitzend, als ihr Stadtwappen und führen es in ihrem Siegel. Und ist auch hernachmals Caub ein wichtiger Ort geworden durch Rheinzoll und Stromreederei.

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