9Z7. Herrgottstritte

9Z7. Herrgottstritte

In der Schwäbischen Alb, im Aalbuch über Heubach, liegt die Burgruine Rosenstein auf einem steilen und schroffen Felskegel, der dennoch von wildem Rosengesträuch dicht überwachsen ist. In ihrer Nähe ist eine tiefe Höhle, die Scheuer geheißen, die sich eine halbe Stunde durch den Berg hindurch erstrecken und mit der Burg in Verbindung gestanden haben soll. So soll auch auf dem nahen Hohberge eine Stadt, Hochstadt oder Hochstädt, vordessen gestanden haben, die mit der Burg durch eine lederne Brücke verbunden war, gerade wie auch die Burgen Kalenberg und Burgstall bei Friedingen an der Donau. Auf Burg Rosenstein, gegenüber dem Scheulberg, hat Christus der Herr gestanden, und der Teufel zeigte ihm von da alle Herrlichkeit der Welt und wollte, daß Christus niederfalle und ihn anbete – also geht die Sage. Aber Christus warf den Versucher in die nahe Teufelsklinge und trat von dem Burgberge hinüber auf den Scheulberg (Schauelberg), hoch über das Tal von Heubach hinweg, und prägte seiner Fußtritte Spur beiden Felsen tief ein. Zu diesen Tritten ist hernachmals häufig gewallfahrt worden, ward auch ein Marienbild nahebei aufgestellt, aber die württembergische Regierung verbot in einem strengen Edikt vom 8. Juni 1740 das Wallen und ließ den Herrgottstritt auf Rosenstein mit Pulver wegsprengen, das gipserne Marienbild aber einziehen – Aberglauben zu verhüten. In der Teufelsklinge mußte der Teufel tausend Jahre gefesselt liegen und grimmige Tränen weinen, die als trübes Wasser aus ihr zutage flossen, nunmehr aber ist er schon längst wieder los und spaziert hin, wohin es ihm beliebt.

Auf dem Scheulberg wachsen nahe dem Herrgottstritt Wetterkräutlein, vor denen scheuen sich die Gewitter und zerteilen sich an seinem Scheitel.

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927. Der Pelzmärte

927. Der Pelzmärte

Unter den Butzemännern in Schwaben steht der Pelzmärte voran, manche nennen ihn auch Pelzmichel, die Kinder werden mit ihm zu fürchten gemacht und fürchten sich vor ihm, wie jene Badenden im Werratale vor dem Hackelmärz, dessen Name auch auf Hackelmärte zurückzuführen sein dürfte, nicht auf den eines Monats, denn man könnte wohl, wie Götz für Gottfried, Lurz für Lorenz, Murz für Moritz gesprochen wird, auch März für Märten abkürzen. Dagegen begegnet in Schwaben jener nordfränkische Hackelmärz als Hakenmann ebenfalls als Wasserbutz, und auch die sprachliche Verwandtschaft dieser Mythenwesen der untersten Stufe ist unverkennbar in den verschiedenen Ländern. In Tübingen und andern schwäbischen Orten heißt der Pelzmärte Sante Klaas, auch Schante Klaas (Sankt Niklas), und ist Weihnachtsvorspuk, Mummelumgang, am 6. Dezember, dem Sankt Niklastage, oder am Christabend; im obern Werratale, das zwischen Thüringen und Franken die Grenzscheide bildet, ist für ihn die Benennung Herrsche Klaas üblich, es ist dies der norddeutsche Knecht Ruprecht, der in Verkleidung umgeht, die Kinder schreckt, straft, sie beten läßt und dann Apfel und Nüsse unter sie in die Krappel wirft, wobei er, während sie auflesen, mit seiner Rute was weniges auf das Völklein aufhaut.

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928. Das Graale

928. Das Graale

Noch ein Mittelding zwischen Gespenst und Kinderscheuche ist in Schwaben das Graale, auch Butze-Graale auf dem Schwarzwald genannt, also ein Butz oder Pötz; manche nennen auch den Pelzmärte Graale, in andern Orten heißt es nicht das, sondern der Graale. Das wäre ein Fund für den Remusdiftler, der diftelte den heiligen Gral nach Schwaben herein, daß es eine Art hätte, und machte zuletzt die Schwabenschüssel in Speier zum Gral. So ist’s hier nicht gemeint, das Graale wird wohl nur ein solches Ding sein, wie es im Liedchen heißt:

Zu Steffen trat im Träume
Ein graues Männelein.

Und doch steckt vielleicht noch etwas mehr als ein einfaches Grauchen, Graalchen hinter diesem Butz.

In der Gegend um Meiningen, namentlich im Dorfe Dreißigacker, machen sich die Kinder im Felde fürchten, wenn eins das Korn vertritt, indem sie rufen: Nimm dich in acht! Das Grile kommt! – Wie sie sich’s gestaltet denken, ist nicht zu sagen. Diese so ganz vereinzelte Benennung eines Schreckgespenstes, das ähnlich der Kornmutter als Feldhüter austritt, findet in dem Graale neben der mythischen Verwandtschaft auch die sprachliche, denn an das Insekt Grille ist wohl nicht dabei zu denken. Dies ist des Herausgebers eigene Erinnerung aus Jugendtagen.

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92. Die heilige Genofeva

92. Die heilige Genofeva

Zu Pfalzel, sonst Pfälzel (kleine Pfalz), an der Mosel, steht ein getürmtes Haus, das Genofevenhaus geheißen, da lebte zu Erzbischof Hildulfs in Trier Zeiten ein Pfalzgraf Siegfried, der hatte eine treue und fromme Gemahlin, eines Herzogs Tochter aus Brabant. Aber es geschah, daß Siegfried in das Heilige Land ziehen mußte, ließ daher sein Weib in seiner Pfalz am Moselstrome zurück und übergab sie in die Obhut eines vertrauten Dienstmannes, des Namens Golo. Bevor der Pfalzgraf aber von hinnen schied, letzte er sich mit seiner Genofeva noch einmal herzlich, und sie empfing einen Sohn von ihm. Golo aber war ein schlimmer Hüter, er entbrannte in Liebe zu der schönen Herrin und begann Ränke zu schmieden, schrieb falsche Briefe, als sei Siegfried mit all den Seinen im Meere ertrunken, und las sie der Pfalzgräfin vor, und gestand ihr seine Liebe, und wollte sie umarmen, sie wehrte ihn aber mit einem Faustschlag ins Gesicht ab; nun verwandelte sich seine Liebe in bittern Haß; er entzog der Pfalzgräfin alle Bedienung, und als ihre Stunde nahte, wo sie des Söhnleins entbunden werden sollte, hatte sie niemand zum Beistand als eine alte Waschfrau. Da kam Botschaft in ihr Haus, daß ihr Herr lebe und heimkehre, des erschrak Golo, der Verräter, bis zum Tode und suchte Rat bei einem alten Hexenweibe, das riet ihm teuflischen Rat: Golo solle dem Pfalzgrasen einreden, der schöne Sohn Genofevas sei mitnichten der seine, wie er selbst berechnen könne, sondern Drakos, des Kochs. Solches tat Golo, indem er seinem Herrn entgegenreiste; da ward Siegfried sehr betrübt und wußte nicht, wie er sich des Weibes, das ihn nach des Lügners treulosem Bericht geschändet hatte, abtun solle. Da riet Golo, daß er Genofeva samt ihrem Kinde an ein Wasser führen und sie beide ersäufen wolle, und Siegfried willigte ein. Darauf bestellte Golo zwei Knechte, die mußten Genofeva und ihren Sohn hinwegführen und sollten sie umbringen, so oder so. Unterwegs aber jammerte den Knechten die schöne Frau und das schöne Kind, und sprachen untereinander: Was kann diese Frau verbrochen haben? Und was hat sie uns getan? Sollte ihr zu sterben bestimmt sein, brauchen wir ihr doch nicht das Leben zu nehmen. Wir wollen dem Hund, der da mit uns läuft, die Zunge ausschneiden und Golo zeigen, zum Wahrzeichen, daß wir die Frau getötet, und sie gehen lassen.

Und so taten die Knechte und ließen die arme Genofeva mit ihrem Kinde trostlos und weinend und betend in öder Wildnis zurück. Das Kind nannte Genofeva Schmerzenreich, es zählte noch keine dreißig Tage, und der Schmerz vertrocknete alle Milch in seiner Mutter Brust. Da flehte die arme junge Mutter zur Mutter aller Schmerzen und aller Seligkeiten, und die ewige Jungfrau neigte der Verlassenen liebend ihre Gnade zu. Aus dem Waldesdickicht trat eine Hindin, die lagerte sich vor Genofeva hin, und Genofeva legte ihr Söhnlein an die Zitzen des Tieres, sich selbst aber nährte sie mit dem, was der Wald bot, und baute auch für sich und ihren Sohn eine Hütte aus Holzstämmen, Reisig, Dornen und Moos, da blieb sie sechs Jahre und drei Monate und sah kein anderes Wesen als die treue Hindin.

Da geschah es, daß der Pfalzgraf Siegfried einmal in dieser Gegend des Waldes jagte, und da trieben die Hunde die Hirschkuh auf, welche mit ihrer Milch Genofeva und ihren Knaben ernähren half. Jäger und Hunde folgten dem Wild, und die Hinde floh zur Hütte Genofevas und kniete zu dem Knaben hin, und Genofeva wehrte mit einem Stock die nachhetzenden Hunde ab. Jetzt kam der Pfalzgraf, mit Staunen sah er das Weib im Walde, fast aller Kleidung entblößt durch diese lange Zeit, und der Pfalzgraf vermeinte, es sei etwa ein verlaufenes heidnisches Weib oder eine Zigeunerin, und rief sie an: Bist du eine Christin? – Sie antwortete: Ich bin eine Christin, aber gib mir deinen Mantel, daß ich mich bedecke. Das tat Siegfried und fragte sie, warum sie keine Kleider habe und so einsam im wilden Walde hause. – Meine Kleider sind vor Alter zerschlissen, sagte sie. – Wie lange wohnest du in diesem Walde? Und wes ist dieser Knabe? Wer ist sein Vater? Und wie heißest du? – Auf diese Fragen antwortete Genofeva: Sechs Jahre und drei Monate wohne ich einsam in diesem Walde! Der Knabe ist mein Sohn, und seinen Vater kennt Gott so gewiß, als ich ihn kenne. Und Genofeva ist mein Name! – Bei diesem letzten Wort erschrak der Pfalzgraf, und ein Kämmerling trat zu ihm und sprach: Herr, trügt mich nicht die Erinnerung, so ist das wahrhaftig unsere Frau, die schon so lange gestorben sein soll – schaut doch nach dem Muttermal an ihrem Halse. – Und siehe – sie hatte das Mal. Der Pfalzgraf war abseit getreten und wußte nicht, was er beginnen solle, und sprach: Sehet doch, ob sie auch den Trauring noch trägt! – Und sie trug ihn noch. Und es kam über den Pfalzgrafen ein unsaglicher Schmerz und eine tiefe Reue, und er eilte zu Genofeva hin, und schlang die Arme um sie, und küßte sie, und herzte den Knaben, und rief: Ja, das ist mein Weib! Das ist mein Sohn! – Und Genofeva erzählte, wie es ihr ergangen durch Golos Teufelstücke und Verrat, und da kam dieser, sich nichts von diesem Ereignisse versehend, da zürnten ihm die Mannen des Pfalzgrafen und wollten ihn niederstoßen. Aber der Pfalzgraf gebot ihnen Einhalt und sagte, daß dieser Verräter des Todes von Ritterhand nicht wert sei. Vier Ochsen, die noch an keinem Pfluge gezogen, wurden genommen, und an jeden Fuß und an jede Hand des Missetäters wurden Seile gelegt und an die Ochsen gespannt, und diese dann nach vier Seiten getrieben. So ward Golo lebendigen Leibes in vier Teile zerrissen.

Nun wollte Siegfried seine Gemahlin auf sein Schloß führen und aller Ehren teilhaft werden lassen, allein sie willigte nicht ein, sondern sprach: Hier an diesem Ort hat die heilige Jungfrau mich beschirmt und behütet, die wilden Tiere unsichtbar abgewehrt, durch die Hinde mein Kind erhalten, dieser Ort soll meine Stätte bleiben und der Königin aller Engel geweiht werden. Dem willfahrete der Pfalzgraf Siegfried, sandte zu Hildulf, dem Bischof, und ließ durch ihn die Stätte weihen und ordnete auf Genofevas Bitten den Bau einer Kirche an. Die Pfalzgräfin wohnte nun unter besserm Dach, allein sie konnte keine künstliche Speise mehr vertragen, sondern nur die gewohnte Waldkost, und lebte nach dem Wiederfinden nur noch wenige Tage; sie starb froh und selig, und ruhte in der neu erbauten Waldkapelle zu Unser Frauen Kirche, ohnweit Mayen, und es sind allda manche Wunder geschehen, und ist die Geschichte von der frommen Genofeva durch alle Lande gegangen. Aber nicht allein in Pfalzel, sondern auch in Mayen, das im Maifelde liegt, wird ein Genofeventurm gezeigt, und die Frauenkirche alldort soll die rechte sein. Bisweilen soll man noch Genofeva hinter dem Hochaltar sitzen und spinnen sehen.

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929. Burggeist Poppele

929. Burggeist Poppele

Auf der Burg Hohenkrähen im Hegäu Schwabens, im Volksmund Kreihen genannt, haust ein wunderlicher Spukgeist, der muß schon seit mehr als ein paar hundert Jahre wandern oder, wie man dort zu Lande spricht, laufen. Selbiger Geist gehörte, als er noch in einem menschlichen Leibe umging, dem Vogt einer Witwe an, die auf Hohenkrähen saß, der hieß Hans Christian Poppel und war ein übergeschäftiges lustigliches Männlein, das die Leute gern vexierte, das Gesinde fleißig zur Arbeit trieb, und nebenbei trieb er Ränke und Schwänke, wünschte auch auf der Welt nichts anderes und Besseres, als dies immerfort zu tun. Da Poppel nun doch nach der Welt Lauf einmal nicht ewig leben konnte, so setzte er das Geschäft nach dem Tode fort, wurde ein Hülfsgeist und Neckebold mit Rübezahls Natur und Launen und heißt im Volke allgemein der Poppele. Seine Hülfe ist meist so unerbeten wie unwillkommen. Er trägt zwar die Garben in die Scheuer, aber er wirft sie durcheinander, statt sie auszubrechen. Er spannt zwar das Vieh an und ein, aber verkehrt; die Wagen und Kutschen hemmt er, wo es nicht nötig ist. Manchen äffte Poppele, der zerbrechliche Ware hatte, stand als Baumstrunk oder als einladende Bank am Wege: setzten sich nun die Müden mit ihrem Glas- oder Eierkorbe darauf, plauz, saßen sie auf dem eigenen Poppel, Strunk oder Bank waren weg, und die Tracht zertöpferte. Manchmal schon blies in stiller Nacht das Posthorn und kam dem Stadttor von Radolfzell immer näher, immer näher; der Wächter dachte, du willst dem Postillon das Tor auftun, und wenn der Wächter nun dicht vor dem Tore das Horn hörte und tat das Tor sperrangelweit auf, so war kein Teufel da und auch kein Postillon – und nur in weiter Ferne hörte der Wächter, wie der Spukgeist eine grelle Lache aufschlug. Will man den Poppele gut haben, so muß man ihn einladen zum Mitessen oder Mitfahren und, wenn er etwas recht und nicht verkehrt tun soll, dazu sprechen: It ze lützel und it ze viel. – Auf dem Heuberge – einer also genannten Gegend – gibt es auch hinzelmannähnliche Kobolde des Namens Poppele in mehreren Dörfern; ach und wie viele, viele Poppele gibt es auch außerdem noch in Schwaben und im übrigen lieben Deutschland, die alles verkehrt machen! Sie heißen nur anders.

Die Benennung Poppele hat im Worte Popel, Popanz seine Wurzel und geht durch ganz Unter-, Mittel- und Oberfranken bis Bamberg. Ich hole den Popel, wenn du nicht artig bist! werden dort die Kinder bedroht.

Bei Pfronten im Achtal spukten wilde Männer, absonderlich auf dem Bärenmoos. Einer davon hieß der Scheidbahmann, der trieb es besonders arg. Papst Pius VI. soll diese Spukgeister aus der Gegend verbetet haben. Andere sagen, Kaiser Joseph II. habe sie hinweggebannt.

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930. Geist Käsperle

930. Geist Käsperle

Ein ähnlicher Geist wie der Poppele auf Hohenkrähen war der Kasperle oder Käschperle, auch eines Vogts, und zwar zu Gomaringen, der in einem einzelnen Hause spukte, welches das Volk Aunaut (Unnot) nennt. Gleich dem bösen Zöllner Starhart oder Starkhart zu Stockstadt machte er allerlei Spuk und Rumor in Haus und Hof, Stall und Scheuer, Boden und Keller, absonderlich gegen Weihnachten und in den Zwölften. Auch er machte alles verkehrt, wie so viele andere Käschperle, war auch ein Raucher und plätzte zum Fenster heraus, ähnlich dem Schimmelreiter Jäckele. Endlich war er auch ein Schnupfer und hielt den Leuten eine Dose hin, die war grün wie ein Kuhfladen und roch keineswegs nach Tonkobohnen. Wollte aber jemand dennoch eine Prise nehmen, so zog er schnell die Dose weg. Zuletzt wurde das Haus gar abgebrochen, darin er spukte, und man führte das Holz herein ins Dorf Gomaringen und gedachte, den Käsperle los zu werden. Dieser aber wartete, bis der letzte Wagen vollgeladen war, da saß er obendrauf und machte sich und die Last so schwer, daß die Pferde den Wagen kaum fortziehen konnten, denn der Umzug war nicht nach seinem Sinne. Und kaum waren des Hauses alte Schwellen wieder gelegt und die ersten Balken aufgerichtet, da war auch das Käsperle da und begann von neuem seine beschwerlichen Possen. Endlich kam man auf den Gedanken, nachdem der Geist sechs volle Jahre gespukt hatte, den Körper des Vogts auszugraben, und siehe, der Leichnam ward noch unverwest und blutig befunden. Da wurde er noch einmal begraben, und von da an ward der Kasperle nimmer zu Gomaringen gesehen.

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931. Der Klopfer und der Staufer Geist

931. Der Klopfer und der Staufer Geist

Nahe dem berühmten Staufenberge, darauf der Hohenstaufen mächtige Wiege stand, von der auch die letzte Trümmer vom Zahn der Zeit hinweggenagt ward und nichts blieb als im Markt Hohenstaufen dicht am Burgberge in der Kirche des alten Barbarossa erneutes Bild und die wehmütige Inschrift: Hic transibat Caesar – ragt aus stattlicher Höhe das noch erhaltene Bergschloß Hohenrechberg. In dieser Burg haust bis auf diesen Tag ein Geist, der Klopfer, insgemein Klopferle genannt, unterschieden von dem Klopfer im Schlosse zu Flügelau, der ein gar dienstwilliger Hülfsgeist war und doch recht koboldhaft tückisch, denn als er einst erzürnt ward, fuhr er feurig durch den Schornstein und steckte das ganze Schloß in Brand. Der Rechberger Klopfer erscheint als ein vorhersagender, ahnungsvoller Geist. Ein Ritter von Rechberg, Ulrich II., war in die Ferne gezogen, in Kampf und Krieg, und vergebens hoffte seine Hausfrau, Anna von Wenningen, auf seine Wiederkehr. Der Ritter hatte einen treuen Hund, der wußte Briefe zu tragen – wie der kluge Stutzel zu Winterstein – und kam bisweilen und brachte Kunde, endlich aber blieb der Hund ganz aus. Eines Tages betete die Frau brünstig für ihren fernen Gatten, da störte ein lautes Klopfen sie im Gebet, und endlich rief sie unwillig aus: Ei so klopfe ewig und drei Tage! Und da sie öffnete, war es der treue Hund, der blickte sie gar traurig an und hatte keinen Brief. Und nach drei Tagen führten Knappen den Rechberger als Leiche in sein Schloß. Und als nachher die Frau sich tot grämte, hörte sie vor ihrem Tode das Klopfen wieder, schalt nicht mehr, sondern sagte bloß: Ich komme – und starb nach dreien Tagen. Und nun hat es stets drei Tage vor dem Tode eines jeden Rechbergers geklopft, ohne daß jemals eine Erscheinung sichtbar geworden. Der Rechberger Geschlecht aber stieg zu hohen Ehren, ward in den Grafenstand erhoben und schreibt sich Grafen vom Rechberg und roten Löwen. Seit 1317 wurde das alte Steinhaus Hohenrechberg genannt und geschrieben. Im alten Schloß zu Sachsenheim wohnt auch ein unruhigtätiges Klopferle.

Ein anderer Geist wandelt in Gestalt eines Lichtes, ist also unzweifelhaft ein Lichtgeist, von Hohenrechberg nach Hohenstaufen und wieder zurück, und zwar hauptsächlich zur Herbstzeit, unbeirrt durch Sturm- und Regennächte. Bald geht das Licht langsam, bald erhebt es sich, zuzeiten wächst es wie ein Backofenfeuer, wandelt an der Burg vorbei bis zu einer Stelle unter der Kirche höchst auf dem Burgberge und legt sich dann gegenüber an den Hohenstaufen bis zur Morgenglocke. Die Umwohner nennen dieses Licht den Staufer Geist und mögen wohl im stillen dafür halten, daß es ein Licht für sich sei wie jenes bei der Lerch, und die Sage verlautet nicht, daß schon einer so vorlaut gewesen, es anzureden.

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932. Die ledernen Männdle

932. Die ledernen Männdle

Bei Owen hat es viele Erdzwerge gegeben, man nannte sie Erdwichtele, und im Tiefenbacher Walde, der sich von Owen nach Frickenhausen erstreckt, gab und gibt es noch die meisten. Von dem schwäbischen Frickenhausen wird auch mancherlei erzählt. Diese kleinen Tiefenbacher wurden auch lederne Männdle benannt, wahrscheinlich wegen ihrer ledernen Hautfarbe und verschrumpfelter Gesichtlein; doch meinen einige, es müßten Schneider und Handschuhmacher gewesen sein, da sie ja von Schiller in Wallensteins Lager als solche ausdrücklich erwähnt würden, und der habe als ein Schwab das doch wissen müssen. Sie, die ledernen Männdle, sollen auch das Echo hervorbringen; wenn man solches im Tiefenbacher Walde, in Ständekammern oder sonstwo hört, so sagen die Leute: Das lederne Männdle schreit. – Auch anderwärts ist dieses allgemeiner Volksglaube, und man sollte nimmer meinen, was es trotz aller Aufklärung seit Doktor Luthers Zeiten her noch allenden für eine furchtbare Menge lederner Männdle gibt.

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933. Verzettelte Kohlen

933. Verzettelte Kohlen

Bei Geislingen hart am Fuß der Rauhen Alb gab es in den Bergen auch viele Erdwichtele, von denen haben die Geislinger gelernt, die gar seinen und künstlichen Elfenbeinarbeiten zu fertigen, die dort so billig wie in Berchtesgaden feilgeboten werden. Einst kam so ein Erdmännele zu einer Geislinger Hebamme und rief sie zum Mitgehen zu seiner Frau, die wollte aber nicht gehen ohne Begleitung ihres eigenen Mannes, denn sie traute dem ledernen Männdle nicht so ganz. Dieses selbiges war die Bedingung auch zufrieden und leuchtete voran; es ging in einen Berg mit schönen unterirdischen Gemächern, und ging auch drinnen alles gut und glücklich vonstatten und war baldigst wieder ein ledernes Männdle mehr auf der Welt, wenigstens in der Unterwelt. Statt aller andern Gaben gab das alte Erdemännle der Hebamme einen ganzen Haufen Kohlen, die mußte sie in ihre Schürze fassen, dachte aber dabei voll Argers: Ei daß du verschwarze mischtest, du wüeschtes Männdle du, wenn i weitersch nix habe soll. – Unterwegs, da das Erdemännle wieder vorleuchtete, warf die Hebamme eine Kohle nach der andern heimlich aus der Schürze; das Erdmännchen merkte das wohl, kehrte sich um und sprach ernst:

Je mehr du verzettelescht.
Je mehr du hernach bettelescht. –

Als das Männchen mit Dank von dem Ehepaar geschieden war, wollte die Hebamme gar ihre Kohlen alle hinschütten, ihr Mann litt es aber nicht, sondern sagte:

Behalt, was de hascht,
Es is ja kei Lascht. –

Da behielt die Frau die Kohlen, und wie sie heimkamen, waren es eitel Goldstücke. Jetzt reuete der Frau nun ihr dummes Wegwerfen, sie nahm selbst eine Laterne und rannte zurück und suchte, was sie suchen konnte, und hätte gar zu gern die Kohlen wiedergefunden, aber damit war es vorbei, und die stille Bitte, die sie an die Erdwichtele richtete, ihr doch nochmals die verzettelten Kohlen zu bescheren, blieb gänzlich unerfüllt.

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923. Die Nachtfräulein

923. Die Nachtfräulein

Im Urschelberge haben kleine Fräulein gewohnt, die sind hinein verwunschen gewesen und sind als einmal herausgekommen zu guten Menschen. Es waren ihrer drei, und man nannte sie auch Nonnen, wobei wohl wegen der Dreizahl kaum an Nornen zu denken sein dürfte; sie kamen häufig nach Pfullingen zu einem armen Mann, brachten ihre Spindeln mit und spannen gar fleißig, doch nicht länger als elf Uhr. Sprechen taten sie gar nicht, denn das war ihnen verboten; für das Licht, das ihrethalb verbrannt wurde, zahlten sie eine kleine Gabe. Wenn man sie ja sprechen hörte, so war ihre Sprechweise kindisch. Gleich der Urschel liehen auch sie Getreide dar und jammerten, als das zurückerhaltene am Sonntage ausgedroschen war. Sie sprachen dabei von ihrem Vater, den sie kindisch Vi-Vater nannten, und als eines Abends einem dieser Fräulein von selbst der Faden riß oder, nach dortigem Ausdruck, brach, so klagte dieses: Pfitzede pfitz, der Faden is broche. – Darauf sprach die zweite: Pfitz’n wieder z’sämen, so is er wieder pfaatz (ganz). – Nun begann die dritte strafend: Hat nit der Vi-Vater g’sait, sollest nit bätze?! (schwätzen). – Darauf hat am andern Morgen vor des armen Mannes Haus ein Sack mit Frucht gestanden und oben darauf ein Geldstück, die Fräulein aber sind niemals wiedergekommen.

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