414. Schloß Mansfeld

414. Schloß Mansfeld

Die Sage geht, daß auf der Stätte, darauf Schloß Mansfeld sich erhob, jener Lindwurm hauste, und zwar in einem ungeheuerlichen Lindenwalde, den der Ritter St. Georg erlegte. Der Berg heißt noch bis heute der Lindberg, und St. Georg wurde als der Grafschaft Mansfeld Schutzpatron gar eifrig verehrt und sein Bild, den Lindwurm erlegend, zu Roß und zu Fuß auf die mansfeldischen Münzen geprägt, nicht minder war ihm die Kirche des Städtleins Mansfeld geweiht. Ja die Einwohnerschaft ehrte diesen Heiligen so hoch, daß sie ihn für einen Grafen und Herrn von Mansfeld hielt und überall sein Bildnis, selbst in Fensterscheiben und an Öfen, wie an Gebäuden, Säulen und Brücken, anbringen ließ. Das Schloß war groß, stattlich und fest, jedes neue Jahrhundert erweiterte es und schmückte es aus und brachte auch mancherlei Bildwerk an. So zeigt man noch als Wahrzeichen einen Mönchs- und einen Nonnenkopf und erzählt als Sage, daß ein klösterliches Liebespaar auf dem Schloß gefangengehalten worden; da erhenkte sich das arme Nönnlein in ihrer dunkeln Kammer, und der Mönch stürzte sich vom Schlosse, worauf die Geister beider in liebender Unzertrennlichkeit dem Geschäft des Spukens oblagen. Auch heitere Trinkbilder zierten manchen Eingang, denn die edlen Grafen waren mannliche Zecher und taten’s dem Grafen Klettenberg zum mindesten gleich. Einst besuchte Doktor Luther die hohen Herren, von ihnen eingeladen, da schwemmte ihm schon der Wein die Treppe herab entgegen, und droben die Trinker wankten und schwankten. Da rief Luther ihnen prophetisch zu: Ei, ihr Herren, dünget ja gut und schön! Da wird brav Gras danach wachsen! Und dem geschahe also. Gras wächst seit lange auf Treppen und Gängen und in den Höfen des Schlosses Mansfeld, hohes Gras, und die Grafen sind längst ausgestorben, der goldene Saal ihres Schlosses ist eine Trümmer.

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402. Die Teufelsmauern

402. Die Teufelsmauern

Vom alten Felsenschlosse Regenstein bei Blankenburg an erblickt man in der Richtung nach Gernrode und Ballenstedt zwischen diesen Städten und Quedlinburg hochgegipfelte Felsenreihen, die, von ferne gesehen, Mauertrümmern ganz ähnlich erscheinen und öfters unterbrochen sich erstrecken; sie ähneln alten Festungsmauern, in die mit Kanonenkugeln Breschen geschossen sind, und bieten manches phantastische Gebilde dar. Die Sage geht, daß, als Gott der Herr die Erde geschaffen, so habe der Teufel, als Urkommunist, begehrt, mit ihm zu teilen, und alsbald in dieser schönen Harzgegend begonnen, sein Reich abzugrenzen. Vor allem habe er sich den Harzwald mit seinem Thronberge, dem Brocken, seinen Pfuhl bei Thale und so manches andere vorbehalten, Orte, die er auch bis dato noch nicht gänzlich aufgegeben, und dem lieben Gott das platte Land vergönnt. Und damit ihm sein Lieblingsgebirge, und darin sein Bad, sein Bette, seine Kanzel und seine Mühlen, um so sicherer bleibe, habe er begonnen, dasselbe mit einer riesigen Felsenmauer zu umwallen. Der liebe Gott sah dem Werke des Teufels eine Zeitlang zu, bis er ihm ein Ende machte und mit einem Zucken seiner Augenwimper die Mauer brach. Wer von Gernrode nach Quedlinburg den Fußweg geht, geht mitten durch die Mauer wie durch ein Nadelöhr.

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403. Roßtrappe und Cretpfuhl

403. Roßtrappe und Cretpfuhl

Von keiner Felsengruppe des Harzgebirges gehen der Sagen so viele als von dem schaurigen Talkessel, den nahe beim Dorfe Thale die Bode, das wilde Waldwasser, brausend durchwallt. In frühen, frühen Zeiten bewohnten Riesen den Harzwald; ein solcher Heune hatte eine schöne Tochter, die liebte einen jungen Riesensohn des Namens Wittig, welcher dem Felsen, der heute die Roßtrappe heißt, gegenüber seinen Wohnsitz hatte, ihr Vater wollte aber nichts von dieser Liebe wissen und verbot ihr dieselbe mit Strenge. Da beschloß das Riesenfräulein heimliche Flucht, und da der Vater unter solchen Umständen nicht an ihre Mitgift denken konnte, so beschloß sie, diese selbst mitgehen zu heißen. Sie nahm daher nebst andern Schätzen auch ihres Vaters schwere goldene Krone und setzte sie auf ihr Haupt, stieg zu Roß und eilte dem Felsgebirge zu, in der Nähe des Geliebten sich zu bergen. Bald aber ward ihre Flucht entdeckt, und die Verfolgung brauste hinter ihr her. Auf hohem Felsenvorsprung, der in jähe Tiefe hinab sich senkte, rings Fels an Fels aufgegipfelt, und im Tale der schwarze strudelnde, schäumende Waldbach, sah sie sich umringt, aber da zwang sie ihr Roß zum entsetzlichen Sprung über den Talkessel, und glücklich kam sie hinüber, wohin kein Verfolger ihr nachkonnte; nur die Krone entfiel ihr tief in den Bodestrudel hinab; die Stelle, wo des alten Harzkönigs Krone noch immer in der Tiefe ruht, heißt noch heute das Kronenloch, und da, wo des Rosses Huf dem Fels durch die Gewalt des Sprunges sich eingedrückt, blieb die Spur stets sichtbar und hat der ganzen wildschönen Felsengruppe den Namen die Roßtrappe gegeben. Eine Stelle nahe dabei wird der Tanzplatz genannt; auf ihr tanzte die Hünentochter vor Freude, der Verfolgung entronnen und mit ihrem Geliebten vereinigt zu sein. Andere nennen denselben Platz des Teufels Tanzplatz, ein kleines Filial von seinem großen hoch oben auf dem Brockengipfel.

Zu einer Zeit wollten die Umwohner gar die goldene Krone des Harzkönigs wiedergewinnen, ein Taucher ward geworben, der mußte hinab in den Bodewirbel; er tat es nicht gerne, doch glücklich fand er die Krone und hob die Hand, und ihre goldenen Zacken glitzerten über dem Wasser. Aber gleich darauf entfiel seiner Hand die Krone. Nochmals tauchte er nieder, nochmals fand er die Krone und ließ ihre blitzenden Zacken dem zahlreich versammelten Volke sehen, da entfiel sie ihm abermals, denn sie war schwer. Und wieder tauchte er hinab in den Cretpfuhl, aber nimmer kam er wieder herauf. Ein Blutstrom sprang aus dem Wasserwirbel, zum Zeichen, daß die unterirdischen Mächte, welche die Krone bewachen, ihn getötet hatten. Jetzt soll immer noch ein schwarzer Hund die Krone hüten. Tiefe Stille waltet über dem schauerlichen Grunde, nur das Wasser der Bode rauscht und rollt fort und fort über das dunkle Gestein.

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404. Das quellende Silber

404. Das quellende Silber

Im Tale, wo die Bode aus den Schluchten der Roßtrappe hervorkommt und friedlicher fließt, hat vordessen ein armer Bauer gelebt, der schickte seine Tochter in die nahe Waldung, etwas Holz zu sammeln. Das Kind füllte sich mit abgefallenen Ästen und Zweigen den Tragkorb und auch noch einen Handkorb, so viel es fortbringen konnte, und ging heimwärts. Da ist ihm ein altes schneeweißes Männlein begegnet, das hat ihm geboten, sein zusammengelesenes Holz wieder auszuschütten und ihm zu folgen, es wolle ihm etwas Besseres zeigen. Nahm das Kind an die Hand, führte es wieder zurück an einen Hügel und zeigte ihm einen Platz, der war zweier Tische breit, und darauf quoll eitel Silbergeld, kleine und große Münzen, mit uralter Schrift darauf und einem Marienbild, wie die Stadt Goslar am Harz in ihrem Wappen führt und solcher Münzen viele hat prägen lassen. Das Mädchen erschrak vor dem quellenden Silber und fürchtete sich, das Männlein aber füllte ihm selbst den Handkorb mit den uralten und doch noch blanken Harzgulden. Den Tragkorb aber wollte das Mädchen nicht ausschütten, es sagte, zu Hause brauchten sie Holz, Milch und Suppe zu kochen für die kleinen Kinder und ihnen eine warme Stube zu machen. Da ließ es das Männlein dabei bewenden und ließ das Mädchen nach Hause gehen. Da dieses nun sein Glück erzählte und es im Dorfe herumkam, da entstand ein Laufen und Rennen, jeder Nachbar wollte der Erste sein, jeder nahm einen Feuereimer oder zwei und einen Schöpfstutz mit, als wenn es brenne, aber es hat ihrer keiner weder das Männlein noch den Ort des quellenden Silbers gefunden. Der Herzog von Braunschweig kaufte von den alten Münzen ein ganzes Pfund und ließ die Stücke im Münzkabinett aufbewahren.

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405. Der Mägdesprung

405. Der Mägdesprung

Im Selketale gipfelt sich eine schroffe Felswand empor, ähnlich dem Ilsenstein im Ilsetale, auch auf dem Gipfel mit einem eisernen Kreuze geziert, dem, wie jenem, ein anderer, nur minder hoher Felsen so gegenübersteht, als hätten beide zusammengehört. Auf beiden wird eine in den Fels tief eingedrückte Fußtapfe gezeigt und auch eine ähnliche Sage wie vom Ilsensteine erzählt.

Eine Liebende, deren Geliebter auf dem gegenüberstehenden Felsen ihrer harrte, ward von so heftiger Sehnsucht zu ihm getrieben, daß sie den gewaltigen Sprung hinüber wagte, und hüben und drüben drückten ihre Fußspuren sich dem Felsen ein. Daß nur eine Hünentochter solches vermochte, liegt in der Örtlichkeit bedingt. Andere erzählen, daß bloß, um bei einer lieben Gespielin zu sein, die junge Hünin, vom Petersberge herkommend, welche erstere drüben auf dem Rammberge unter der Teufelsmühle erblickte, den Sprung gewagt. Da sie eine Weile unschlüssig stand und die Sprungweite maß, während die Freundin ihr drüben winkte, sah sie drunten ein Knechtlein, das in der Harzgeroder Gegend pflügte und ihr lachend zurief: Springe doch, springe doch, Riesenmaid! Da bog die Hünenmagedein den ungeheuern Leib zu Tale, und streckte den Arm so lang aus wie die Jungfrau Helvetia im Bilde auf den neuen Schweizer Münzen, und raffte das Knechtlein samt Pferden und Pflug empor, und tat ihren Hupf hinüber samt allem, was sie in ihr Schürztuch geladen hatte, und da haben die beiden Hünentöchter tausend Spaß mit dem niedlichen Spielzeug, dem Menschlein, den Pferdlein und dem seltsamen Geräte, dem Ackerpflug, gehabt.

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406. Falkenstein und Tidian

406. Falkenstein und Tidian

Weit berufen ist das stattliche Schloß Falkenstein im Harz über dem Selketale, vorzugsweise weit und breit das Schloß genannt, darauf haben schon in uralten Zeiten mannliche Harzgrafen gesessen und hat ein Graf Hoyer von Falkenstein das berühmte alte Rechtsbuch, der Sachsenspiegel genannt, durch einen Edelmann, Ecko von Nebkau, sammeln und aus der lateinischen in die deutsche Sprache übertragen lassen.

Auf Schloß Falkenstein hauste ein Burggeist, der manchen Spuk übte. Da einstmals viele Grafen und Herren der Umgegend, darunter auch ein Graf von Anhalt war, auf Falkenstein beim Spiele saßen und dieser Graf alles verloren hatte, was er bei sich trug, setzte er noch ein oder einige Haare seines Bartes zum Spielpfande ein und verlor auch die. Niemand unterfing sich, dieselben ihm ausraufen zu wollen, und er selbst tat es auch nicht. Aber in der Nacht stattete ihm der Burggeist einen Besuch ab und forderte das Spielpfand und nahm’s. Einen andern edlen Herrn, der in verschlossener Kammer schlief, soll derselbige Geist aus dem Bette geworfen haben, doch könnte dies auch der Weingeist gewesen sein. Schloß Falkenstein ist noch im Stande trefflicher Erhaltung, und werden daselbst viele merkwürdige Gegenstände gezeigt.

Nahe beim Falkenstein liegt der Wald Tidian und in demselben eine tiefe Höhle, die Tidianshöhle geheißen, von der geht manche Sage. Es ruht in ihr neben andern reichen Schätzen ein ganz goldner Mann; wem es glückte, von diesem Mann etwas abzubringen, der hatte, wie die Goldschmiede erprobten, ein Gold, das an Reinheit und Feinheit jedes andere übertraf. Ein Schäfer, der so glücklich war, die Wunderblume zu finden, fand auch die Tidianshöhle; die eiserne Türe öffnete sich ihm, und er gewann Goldes die Fülle, das ein Goldschmied in Quedlinburg ihm abkaufte, gegen den der Schäfer kein Hehl machte, wo er es gewonnen. Der Goldschmied sprach zu ihm: Bringe mehr, und der glückliche Schäfer, immer noch im Besitz der Wunderblume, ging und fand und brachte mehr. Da kam ein Graf von Falkenstein zum Goldschmied, ein Geschmeide zu kaufen, verlangte es vom feinsten Golde, und da sprach der Goldschmied: Das feinste Gold kommt vom Tidian. Vom Tidian, aus meinem Walde? fragte erstaunt der Graf und erfuhr nun des Schäfers Glück. Solches wollte der Graf nicht nur teilen, denn vom Teilen mit dem gemeinen Mann sind die Grafen und Herren allüberall niemals und im geringsten nicht Freunde gewesen, sondern er wollt‘ es alleinig besitzen, ließ den Schäfer entbieten und befragte ihn scharf, warum er ihm, dem Grafen, das Gold aus dem Berge trage, gleich solle er den Ort zeigen, wo er es gefunden. Dem armen Schäfer, der an ein Unrecht nicht gedacht und genommen hatte, was gütige Berggeister ihm gönnten, erzitterte das Herz, er ließ seinen Hut aus der Hand fallen, da sprang des Grafen Affe herbei und nahm den Hut, spielte damit und zerbiß und zerpflückte die Wunderblume in eitel kleine Stücken. Wohl führte gehorsam der Schäfer seinen strengen Herrn in den Tidian, wohl fand er die Höhle, aber wo die eiserne Türe zum Innern sich geöffnet, da hemmte jetzt starrer Fels jeden Weiterschritt.

Die Sage geht, daß die Tidianshöhle ihre Schätze so lange festhalten müsse und werde, bis auf Schloß Falkenstein drei Herren geboren werden und gewohnt haben, von denen einer blind, einer lahm und einer stumm ist, und dieses ist noch nicht dagewesen.

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407. Der Gott im Kasten

407. Der Gott im Kasten

In der Gegend von Harzgerode und Günthersberge liegt ein uraltes Dorf, heißt Waterleben (Wasserleben), darinnen wohnten zu des löblichen Bischof Friedrich von Halberstadt Zeiten zwei fromme Schwestern, von denen hatte die eine ihr notdürftiges, ja gutes Auskommen, der andern aber ging alles krebsgängig, obschon sie es am Fleiß nicht mangeln ließ; betrübte sich deshalb nicht wenig und beneidete ihre Schwester, ließ ihr auch das mit Worten fühlen. Da sprach die glücklichere Schwester: Was neidest du mich? Ich habe unsern Herrgott im Kasten, der segnet all das Meine und gibt mir das Glück im Schlafe. Diese Worte nahm sich die arme Schwester zu Herzen, und als sie Ostern zum Nachtmahl ging, behielt sie die heilige Hostie im Mund und tät sie dann heimlich daheim in ein Tüchlein gewickelt in ihren Kasten. Als sie nun nach ein paar Tagen nachsehen wollte, ob der Herrgott im Kasten ihr etwas Rechtschaffenes zuwege gebracht, so sah sie, daß die Hostie Blut schwitzte, wie jene, die das Weib zu Zehdenick in der Mark vorm Bierfaß vergraben, und war das ganze Tuch, darin sie die Hostie gewickelt, von Blut durchnäßt. Erschrocken rief die Frau ihren Mann herbei, dieser zeigte es dem Pfarrer an und der Pfarrer dem Bischof zu Halberstadt, und da kam die ganze Klerisei der Umgegend, den Bischof an der Spitze, in Prozession, erhoben die Hostie und trugen sie unter Gesängen und mit brennenden Kerzen bis nach Hauslar (andere nennen Heudeber) und wollten sie gen Halberstadt führen. Aber von dem Altar, auf den die Hostie dort gesetzt ward, konnte sie nicht wieder abgenommen werden, und mußte allda bleiben, blutete aber fort und fort. Da kamen so viele andächtige Waller, daß von ihren Gaben gar bald ein Kloster gestiftet werden konnte. Ob der armen Frau, die gern auch den Gott im Kasten haben wollte, das heilige Blut in etwas zugute gekommen, davon meldet die Sage nichts, doch ist, daß es geschehen, wohl zu hoffen.

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408. Der Totenweg

408. Der Totenweg

Nicht weit von Waterleben liegt das Dorf Rottleberode, nahe dabei ist ein Teich und ein Hohlweg, den nennen die Leute den Totenweg. Als eine Anzahl Harzgrafen, darunter Graf Botho VII. von Stolberg, dessen Schwiegervater Graf Heinrich von Schwarzburg und Graf Heinrich der Kühne von Hohnstein, als Erbverbrüderte gegen den Bischof Burchard III. von Halberstadt kriegten und dieser Bischof in der güldnen Aue viel Schaden tat und allen Mutwillen alldorten ausübte, ließen sie die Wege aus dem Harzwald verhauen, griffen des Bischofs Heer in diesem Hohlweg an, erlegten eine große Anzahl, nahmen über siebenhundert Mann gefangen und jagten die übrigen in den Teich. Von da an hieß jener Hohlweg der Totenweg, und man hat bisweilen in ihm des Nachts wildes Schlachtgetümmel vernommen und Geister miteinander heftig kämpfen gesehen.

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40. Trifels

40. Trifels

Über dem Anweiler Tale bei Landau erhob sich eine stattliche Kaiserpfalz, Burg Trifels. Es geht die allgemeine Sage, daß König Richard Löwenherz von England darinnen gefangengehalten worden vom Kaiser Heinrich. Niemand wußte, wo er hingekommen, und war große Sehnsucht nach Richards Wiederkehr in seinem Reiche. Nun hatte Richard einen treuen Dienstmann, der war ein Minnesänger und verstand sich meisterlich auf die Kunst des Gesanges und der Töne. Der machte sich mit einer Schar redlicher Mannen auf, seinen König allüberall zu suchen. Reichen Schatz an Gold und Kleinodien, den das Volk geopfert, nahmen sie mit sich zum Lösegeld. Auch König Richard war ein Minnesänger, und Blondel, so hieß jener treue Dienstmann, kannte und konnte des Königs Lieder. Vor mancher Burg, darinnen er den König gefangen glaubte, hatte Blondel schon Weisen angestimmt, auf welche, wie er sicher voraussetzte, der König, wenn er ihn hörte, singend antworten mußte, aber es war still geblieben hinter den festen Mauern. Schon war er am Donaustrom auf- und abgezogen und hatte auch all um den Rhein gesucht und gesungen, da vernahm er, daß in der Nähe der Stadt Landau, allwo man dazumal des Heiligen Reiches Kleinodien aufbewahrte, die Kaiser Friedrich auf den Trifels selbst eine Zeitlang bringen und bewahren ließ, auf dreien Felsenzacken gar ein großes und stattliches Kaiserschloß stehe, und da Blondel der Meinung war, nur in einem solchen Schloß werde der römische Kaiser seinen König und Herrn gefangen halten, so wandte er sich dorthin mit den Seinen, umschlich spähend die Mauern und stimmte am Fuße der starken und hohen Türme, in deren Tiefen und Verliesen man gewöhnlich die Gefangenen schmachten ließ, jene Weisen an, die nur König Richard konnte. Und – o Freude – endlich, endlich drang aus dem Gemäuer des Turms auf Trifels antwortender Gesang in gleicher Weise – hoch schlug vor Freude Blondels Herz, sein Richard, sein König war gefunden und bald darauf auch aus seiner Haft befreit.

Vom Schlosse Dürrenstein am Donaustrome geht die gleiche Sage, alldort zeigt man noch ein Loch im Trümmerfelsen, darin Erzherzog Leopold von Österreich den heldenmütigen König soll gefangengehalten haben.

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409. Der Tanzteich

409. Der Tanzteich

Beim Dorfe Sachswerfen an der Straße von Nordhausen nach Ilfeld, dicht unter einem abschüssigen Gipsfelsen, liegt ein Teich, der über sechs Morgen im Umfang hat. Einst stand an dessen Stelle ein Wirtshaus, darinnen ward alle Sonntag getanzt; das wäre nicht sündlich gewesen, aber die Tanzlust der Menschen wuchs so sehr, daß sie auch unter der Kirche schon zu hüpfen und zu springen begannen. Als es das erstemal geschah, kam ein Gewitter und schlug in einen Baum ein; beim zweiten Male erbebte die Erde, daß alle Balken krachten; beim dritten Male, da sich die Tanzenden nicht durch diese Anzeichen irren und warnen ließen, schickte der Herr ein Wetter und ein Erdbeben zugleich; das Wetter schlug in das Haus ein, und das Erdbeben machte es mit allen Musikanten und Tänzern in die Tiefe versinken. An des Hauses Stelle trat ein tiefer Teich, der bis heute der Tanzteich heißt. Im Teiche sollen viele und darunter uralte Fische sein. Vor Jahren hat sich in diesem Teiche ein rätselhaftes Tier blicken lassen, das niemand kannte. Da man aber Anstalten machte, es zu fangen, tauchte es unter und kam niemals wieder zum Vorschein. Das Wasser des Tanzteiches sieht schwarz und grausenhaft aus. Man erzählt, daß Kähne, auf denen der Teich befahren wird, zu tanzen beginnen. Nahe dabei ist eine Höhle, das Ziegenloch, dahinein soll das Wasser strudeln.

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