386. Der Drescher und der Zwerg

386. Der Drescher und der Zwerg

In der Burgscheuer zu Schweckhausen draschen einmal zwei Drescher Erbsenfrucht auf der Tenne aus; die Schoten waren groß und ausgiebig, und nach dem Ausdreschen würfelten sie die Erbsen, aber als sie bald fertig waren, sahen sie, daß es kein Haufen wurde. Die Erbsen flogen wohl durch die Luft, und die Spreu fiel nieder, aber auf die Tennen kamen keine Erbsen. – Höre, das geht nicht mit rechten Dingen zu, sagte der eine Arbeiter zum andern, und der erwiderte: Da hat der Kuckuck sein Spiel, und warf seine Wurfschaufel in die Höhe, nach der Stelle hin, wohin sie die Erbsen geworfen. Mit einem Male steht ein Zwerg sichtbarlich vor ihnen, der hält einen großen Sack aufgesperrt, und dahinein waren alle Erbsen geflogen. Durch den Schaufelwurf war aber dem Zwerg die Nebelkappe vom Kopf gestreift, daher war er nun sichtbar geworden, rasch fuhr der Knecht zu und nahm die Kappe weg, und der andere griff nach seinem zur Seite liegenden Dreschflegel, um auf den Zwerg loszuschlagen. Der aber flüchtete eilend von dannen, ließ den Sack mit Erbsen zurück und auch seine Nebelkappe. Die ist hernach noch lange im Schloß aufbewahrt worden, und die Herren haben damit viel Kurzweil getrieben.

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387. Graf Isang

387. Graf Isang

Der letzte Besitzer der Burg Schweckhausen hatte eine sehr schöne Tochter, Bertha genannt, um diese warb Graf Isang, welcher ein wilder und wüster Ritter war, dessen Schloß zwischen Bernshausen und Seeburg stand. Auch er war der letzte seines Geschlechts und hatte schon viele Untaten getan, die sich gar nicht niederschreiben lassen. Die schöne Bertha wollte gar nichts von der Werbung des Grafen Isang wissen, aber da dessen Mutter eine gewaltige Zaubrerin war, so verwünschte sie das Mägdlein, daß es im Burghain nachts so lange umgehen und seufzen sollte: Hilf mir! hilf mir!, bis jemand zu ihr sagen würde: Helfe dir der liebe Gott! Aber auch damit solle sie noch nicht erlöst sein, sondern der Sohn zweiter Ehe einer Frau, der als Pfarrer studiert habe und noch ein reiner Jüngling geblieben sei, wenn er seine erste Predigt tue, der könne Bertha erlösen. Da hat nun die arme Bertha fort und fort spuken müssen die längste Zeit.

Der Graf Isang wurde aber von nun an nur immer ärger und schlimmer und häufte Schuld auf Schuld, Sünden auf Sünden. Da brachte ihm eines Tages sein Koch einen silberweißen Aal, es war aber eine weiße Schlange, und der Graf war begierig, davon zu essen, und verbot, daß irgend jemand von der Dienerschaft es wage, auch von dem weißen Aal genießen zu wollen. Da nun der Graf von der Schlange gegessen hatte und hinab in den Hof kam, da hörte er viele Stimmen, und hörte die Tiere sprechen, und verstand ihre Sprache. Aber erfreuend war es nicht, was Graf Isang hörte. Die Hennen gackerten: Packe, packe, packe dich! – Der Hahn schlug mit den Flügeln und krähte den Grafen an: Flieh, flieh, flieh, flieh! – Die Tauben gurrten: Die Burg, die Burg, die Burg geht unter! – Gänse und Enten schnatterten durcheinander: Graf Isang, Graf Isang! Es ist alle, alle, alle. Wo dein Haus heute stand, ist morgen Wasser, Wasser, Wasser, Wasser! – Dem Grafen rieselte es kalt durchs Gebein, da er die Tiere also reden hörte. Da stürzte sein Diener atemlos herbei und rief: Hört Ihr’s, Herr? Hört Ihr’s, was die Hunde heulen und winseln? Auf, auf, auf! Das Haus soll im Hui, im Hui versinken, verschwinden! – Und da entbrannte der Graf im jähen Zorn und zog sein Schwert aus der Scheide und schrie: Selbst Hund! Hatte ich nicht allen verboten, vom weißen Aal zu essen, nun hast du’s doch getan und hörst den Unsinn und schwatzest ihn gleich nach! Fahre zur Hölle, du Teufelsrabe! Du Unsinnskrächzer! – und damit spaltete der Graf dem Diener den Kopf und ritt aus der Burg hinaus nach dem Städtchen Gieboldehausen zwischen Göttingen und Nordheim zu. Hinter ihm sank unter Erdbeben und Donnerkrachen seine Burg in den Boden, und an ihre Stätte trat ein tiefer See. Graf Isang aber trat in ein Kloster zu Gieboldehausen und büßte reuig seine Sünden ab und machte reiche Schenkungen von seinem Erbe. Auch die arme Bertha von Schweckhausen hat hernachmals, doch nach langer Zeit, durch einen außerordentlich tugendhaften jungen Pfarrer ihre Erlösung gefunden.

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388. Der Glockensee

388. Der Glockensee

Zwischen Northeim und Uslar liegt der Flecken Moringen; dort ist in einem Garten ein kleiner See, den nennen sie den Opferteich. Vor alten Zeiten haben Tempelherrn zu Moringen einen Sitz und Klosterhof gehabt. In noch frühern Zeiten wurde unter alten Eichen, die in des Teiches Nähe standen, Gericht gehalten, und die Schuldigbefundenen wurden als Sühnopfer der Gerechtigkeit tot oder lebendig in den Teich gestürzt, daher sein Name Opferteich. Derselbige Teich ist nicht groß, aber sehr tief und wird durch unterirdische Quellen unterhalten, sichtbaren Zufluß hat er nicht.

Als das Tempelhaus noch stand, ließen die Klosterbrüder eine neue Glocke gießen und in dem Kirchturm aufhängen. Aber sie ließen selbige Glocke nicht erst taufen, wie doch allgemeiner Brauch war, denn die Templer taten manches, und manches taten sie nicht, das beiderseits ihnen bösen Ruch machte. Als daher zur Christmette die Glocke zum ersten Male geläutet wurde, tat sie einen schrillen Klang und fuhr zum Schalloch heraus gerade in den kleinen tiefen See hinab, und da liegt sie noch bis heute, und der See hat von ihr den zweiten Namen Glockensee erhalten. In jeder Christnacht läutet die Glocke eine ganze Stunde lang, und bei hellem Wetter sieht man sie bisweilen im Grunde liegen und grüngoldig heraufschimmern. Kein Fisch kann im See leben, und lebt keiner darin, wegen der Glocke. – Bei Ricklingen, ohnweit Hannover, ist ein unergründlicher mit Wasser gefüllter Erdspalt, eine wahre Teufelskutte, in die hat der Teufel eine ganze Kirche gestürzt, deren Glocken man noch Ostern und Pfingsten läuten hört.

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38. Straßburger Schießen und Zürcher Brei

38. Straßburger Schießen und Zürcher Brei

Im Zeughaus zu Straßburg wird ein eherner Topf gezeigt, den sandte einstmals die Stadt Zürch voll Brei dahin, den sie in Zürch gekocht und der noch warm in Straßburg ankam, das begab sich also. Die Straßburger hielten großes Freischießen und luden dazu ein alle Nachbarstädte am Rhein, in der Rheinpfalz, im Elsaß und in der Schweiz, die kamen auch durch Gesandte zahlreich und nahmen teil am Feste; am weitesten hatten freilich die Schützen von Zürch, drei Tagereisen. Da war zu Zürch ein wackerer Kumpan, der hieß Hans im Weerd, und sann ein lustig Stücklein aus. Wir wollen gen Straßburg zu Wasser fahren, da brechen wir kein Rad und fällt uns kein Roß, und wollen das tun, so Gott will, in einem Tag, und einen heißen Brei, den wir allhier gekocht, den Straßburgern mitbringen. Dieser Rat fand großen Beifall, alles ward vorgerichtet und gerüstet, der Brei wurde in einer Nacht gekocht, kam in einen warmen Topf von Erz, und der Topf wurde in heißen Sand gestellt, und nun ging es schnell zu Schiff, als die Sterne noch glänzten. Vom Schiffe wehten lustig die Wimpel mit Zürchs Farben, weiß und blau, und munter flog es über der Limmat rasche Wellen rasch dahin. Von der Limmat lenkten die fröhlichen Schweizerschützen in die Aar, vorüber an mancher fährlichen Stelle, und aus der Aar in den Rhein, am Höllenhaken kühn vorbei durch Strudel und Klippen. Da das glückhafte Schifflein gen Rheinfelden kam, wohin schon Kunde von seiner Fahrt gelangt, ward zur Mauer herab ein Korb voll edlen Weines zum Morgentrunk herabgelassen und unverweilt eingenommen. Als die Basler Glocke elf schlug, war es erst um zehn Uhr, und das glückhafte Schiff mit seinen Zürchern nahte schon der Brücke. Da schallte von aufgestellter Mannschaft und drängendem Volk herzlichfroher Bundesgruß entgegen, und die Geschütze krachten, aber wie ein Pfeil schoß das Schiff, getrieben von den Ruderschlägen stets sich ablösender kräftiger Ruderer, immer rheinabwärts, und vorn im Schiff am Steuer stand lugenden und sorgenden Blickes der Hans im Weerd, und mitten im Schiff saß Kasper Thomann, der Zürcher erwählter Obmann und Sprecher beim Schützenfeste. So ging es weiter und immer weiter, an Neuenburg vorbei, an Breisach vorbei, durch die hundert Inseln und Werder und Riede im Rhein. Wohl sank der Abend nieder, wohl tauchte hinter der Vogesen blauer Bergkette das glühende Rad der Sonne unter, aber was leuchtete dort weit, weit her über die unermeßliche Stromtalfläche, eine rote Feuersäule? Im Sonnenscheidekuß flammte Unser Frauen-Münsters Turmriese, und der Jubel der Schiffer grüßte das leuchtende ferne Ziel. Aber immer noch liegen Stunden zwischen dem Ziele und dem Schiffe – der Tag schwindet, die Nacht bricht an, hell und rund steht der Mond am Abendhimmel, das Münster taucht empor, wie ein Geisterschiff, von der Schützenmatte her dringt dumpfer Lärm des Volksgewimmels; jetzt beginnen auch die im Schiff zu blasen mit hellen Zinken und Posaunen, Pfeifen und Drommeten – jetzt endlich ist Straßburg erreicht, und am Guldenturm legt das Schifflein an. Jubel begrüßt die nimmermüden Stromfahrer, die das nie Dagewesene vollbracht, in einem Tage gefahren die unendlichen Strecken, und der Brei im Topfe noch warm, gerade noch so recht mundrecht. Das war ein gar festliches Begrüßen, mit Musik und Fahnen wurden die werten Zürcher Gäste auf die Maurerstube geleitet zum herzlichen Willkommen und frohen Mahle. Von da brachte man die Zürcher, nachdem der Brei verzehrt war, in den güldnen Hirsch zur Rast, und am andern Tage beim Schießen wurden sie hoch geehrt vor allen Gästen, und der Topf blieb aufbewahrt für ewige Zeiten.

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389. Der Heinrichswinkel

389. Der Heinrichswinkel

Nicht weit hinter dem Harzstädtlein Gittelde, das manche auch Gattelde schreiben und Gittel sprechen, und das in alten Zeiten Chatila geschrieben ward, nach der Staufenburg zu, da liegt der merkwürdige Raum, auf welchem des Sachsenherzog Heinrich des Finklers Vogelherd stand, als ihn die Abgesandten des Reichs aufsuchten und die Kaiserkrone ihm darboten. Dort saß Heinrich mit seinem Gemahel im lauschigen Winkel einer grünen Laube, und als er die Gesandten nahen sah und wußte nicht, was sie wollten, da winkte er ihnen mit der Hand, zu warten, bis er sein Netz zusammengezogen habe. Der Fleck heißt noch bis auf den heutigen Tag der Heinrichswinkel. Bei Gittelde hatte der Herzog eine kleine Burg, deren ehemalige Stelle man noch zeigt und die Burg nennt, nahe dabei ist eine Wiese, die heißt der Kaisergarten, Heinrich legte dort einen Garten an. Rundum hatte Heinrich außer diesen seinen Lieblingsorten Jagdhäuser, so eines auf dem Berge, der die spätere Staufenburg trug, eins in Gittelde, eins in Seesen, eins zu Herzberg, eins zu Scharzfeld, eins zu Schildberg, eins auf dem Harzburgberge. Eine andere Anhöhe hieß die Vogelsburg und lag über einem Ort, der Hernachmals Vogelsbeck benannt wurde. Alldort erlegte Junker Heinemann von Gittelde einen Bären, der den Herzog hart bedrängte, ward hoch belobt und belohnt, und Heinrich erbaute an dem Ort eine Kapelle, und die Priester mußten darin beim Messedienst vor dem Altar auf das Fell des Bären wie auf einen Teppich treten. – Die Staufenburg ist Hernachmals durch den Kaiser Heinrich I. gar stattlich auf- und ausgebaut worden, und er hat sie als einen Lieblingssitz betrachtet. Hernachmals in spätern Zeiten hat sich auf der Staufenburg noch mancherlei Geheimnisvolles zugetragen, und ihre Mauern sahen nacheinander der Liebe Wonnen und der Liebe Pein im vollsten Maße, so daß sie für Herzog Heinrich von Braunschweig, der seine Eva von Trott droben wohnen hatte und barg, selbst gar ein traulicher Heinrichswinkel geworden. – Auf einer Felsklippe ist noch ein Frauenfuß tief eingedrückt zu sehen, dort stand oft lange ein schönes Weib mit sehnsuchtsvollem Blick und schaute dem Kommen des Liebsten entgegen. Man will sie auch noch jetzt erblicken mit goldgelbem, fliegendem Ringelhaar, wie die alten deutschen Meister ihre schönsten Marienbilder malten.

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390. Das Teufelsloch zu Goslar

390. Das Teufelsloch zu Goslar

Im Dom zu Goslar hat man lange an einem Pfeiler einige Ellen hoch von der Erde unvertilgbare Blutflecken gezeigt. Im Jahre 1063 kam Kaiser Heinrich IV. nach Goslar, da erhob sich zwischen dem Bischof Horzilo von Hildesheim und dem Abt Widerad von Fulda ein heftiger Rangstreit um den Vorsitz, um die Ehrenstelle. Dieser Streit ging so weit, daß die erbitterten Gegner gegenseitig Bewaffnete in die Kirche bestellten, die ihnen den erstrebten Sitz erkämpfen sollten, und wirklich gedieh es durch des Teufels Anstiften dahin, daß in der Kirche mit den scharfen Waffen gekämpft wurde und das Blut an die Pfeiler umherspritzte und zur Kirchtüre hinaus auf den Kirchhof floß. Daran hatte der Teufel ein herzinniges Wohlgefallen. Er stieß ein Loch in die Wand und stellte sich den Kämpfenden dar, feuerte sie an und empfing die Seelen derer, die in diesem gottlosen und verruchten Kampfe fielen. Als endlich das Morden aufhörte, welches durch die drei Weihnachtsfeiertage gedauert haben soll, andere sagen, es sei vor Pfingsten gewesen, und der Priester am Altare intonierte: Hunc diem gloriosum fecisti!, da steckte der Teufel seinen Kopf durch das von ihm gemachte Mauerloch, streckte seine feuerrote Zunge armslang heraus und plärrte mit grober und lauter Stimme: Hunc diem bellicosum ac cruentum ego feci! – Hernachmals haben sie das Loch zumauern wollen, allein es blieb offen. Vergebens ward es mit Weihwasser besprengt und ward der Mörtel mit Weihwasser angemacht; wenn es auch zu war, der letzte Stein fiel immer wieder heraus, gerade wie beim Loch auf der Frankfurter Mainbrücke. Endlich wurden Baumeister vom Herzog von Braunschweig erbeten, die mauerten in das Teufelsloch eine schwarze Katze ein und sprachen beim Einsetzen des letzten Steines: Willst du nicht festsitzen in Gottes Namen, so sitze fest in des Teufels Namen! Da hielt auch dieser Stein, aber einen Riß bekam die Mauer doch wieder, und der ist auch nicht wieder wegzubringen gewesen.

Vor dem altertümlichen Rathaus auf dem Markte zu Goslar steht ein mächtig großes metallenes Schallbecken, das soll ein Werk des Teufels sein. Wer um Mitternacht daranschlägt, soll ihn rufen. Ob er kommt, weiß man nicht so ganz sicher. Es hat einen wunderbaren Klang, und wird an dasselbe geschlagen, wenn Feuer in der Stadt ausbricht, so dient es anstatt einer Sturmglocke.

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391. Der Rammelsberg und der Rammberg

391. Der Rammelsberg und der Rammberg

Vom erzreichen Rammelsberge bei Goslar gehen viele Sagen. Es soll mehr Holz in ihm verbaut sein als in der ganzen Stadt Goslar. Kaiser Otto II. hatte einen Jäger, der hieß Ramm, und dieser Jäger hatte eine Frau, die hieß Gosa. Diesem Paare, das er sehr schätzte, schenkte der Kaiser das ganze Gebiet am Harzwald, darinnen heute Goslar und der Rammelsberg liegen, und auch weiter hinaus, über Andreasberg und Harzgerode hin, und es gründete daselbst Städte und begann den Bergbau. Nach dem Jäger wurde der eine Erzberg Rammelsberg genannt und nach der Frau Gosa der Fluß Gose, desgleichen die Stadt Goslar und deren berühmtes Bier, die Gose, wem sie schmeckt. An der St. Augustinerkapelle auf dem Frankenbergischen Kirchhofe ist des Paares Leichenstein zu erblicken. Der Jäger trägt ein erhobenes Schwert über sich in der Hand, Frau Gosa eine Krone. Der Jäger Ramm war es, der zuerst die Spur des Bergsegens entdeckte. Er verfolgte ein Wild, konnte zu Pferde nicht durch das Dickicht des Waldes dringen, band das Pferd an einen Baum und verfolgte jenes weiter zu Fuße. Als er zurückkam, hatte das Pferd mit den Hufen gescharrt und edle Erzgesteine zutage gefördert. Diese brachte Ramm dem Kaiser mit.

Als der Bergbau sich anhub, hatte der Teufel auch eine Grube, die war ausschließlich sein und sehr silberreich. Woher hätte er sonst auch das viele Geld nehmen sollen, das er denen verschaffen mußte, die sich ihm verschrieben. Er ließ daher drauf und drein arbeiten und bezahlte die Knappschaft wöchentlich gleich den andern Gewerken. Da aber alle Ausbeute, welche der Rammelsberg lieferte, gemeinsam verkauft wurde, welches man alldort die Kommunion nannte, und der Erlös dann unter die Grubenherren geteilt wurde, so ließen sich einstmals die übrigen Gewerken beigehen, den Teufel zu beschuppen, worüber er so böse wurde, daß er seine ganze Grube zusammenwarf und unzugänglich machte, und wurden bei tausend Menschen vom einbrechenden Gestein erschlagen. Dieser verfallene Ort heißt noch bis heute die Teufelsgrube.

Oben auf dem Gipfel des namenverwandten Rammberges über Harzgerode liegen viele Felsblöcke umher verstreut, das nennt man die Teufelsmühle. Einem Windmüller stand seine Mühle nicht hoch und frei genug, er wünschte sich eine dort hinauf, der es nie am Wind fehlen solle. Der Teufel versprach ihm solch ein Werk vom allervortrefflichsten Bau. Die wolle er in einer Nacht bauen und vor dem ersten Hahnenkraht vollenden, dafür solle nach dreißig Jahren angenehmen Lebens die Müllerseele des Teufels sein. Gleichwohl verrechneten sich bei diesem Kontrakt beide Kontrahenten. Der Teufel brachte zwar die Mühle fertig, allein da er sie dem Müller zeigte, entdeckte dieser, daß noch ein Mühlstein fehle; eilend fuhr der Teufel von dannen, diesen Stein zu holen, aber wie er wiederkehrte, da krähte schon der Hahn auf der untern Mühle. Darüber bekam der Teufel einen solchen Zorn – es mußte ihm schrecklich viel an der Müllerseele liegen –, daß er mit dem Stein gleich das ganze neue Werk zusammenbrach, Flügel, Räder und Wellen in Splitter knickte und die Steine bis fast aufs Fundament über den ganzen Gipfel des Rammberges verstreute. Der Müller war gescheit genug, seine Seele jetzt Gott zu befehlen, und begehrte nimmer wieder eine Mühle auf der gefährlichen Höhe.

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392. Die Gruben zu St. Andreasberg

392. Die Gruben zu St. Andreasberg

Tief im Harzgebirge liegt die Bergstadt St. Andreasberg mit vormals reichem Grubenbau. Unter den Gruben, von denen leider gar viele auflässig geworden sind, waren St. Andreas und Samson, Katharine Neufang, der große Johann und der goldne Altar die reichsten. Die geringeren hatten auch schöne Namen, wie Morgenröte, Abendröte, Teuerdank, Engelsburg, drei Ringe, Weinstock und noch viele andere. Es gab auch Berggeister in den Gruben. Ein redlicher Gräflich-Hohensteinischer Obersteiger, bereits alt und betagt, mit eisgrauem Haar und Bart, des Namens Jakob Illing, befuhr einst eine Grube und traf auf einen Berggeist, welcher den Obersteiger anhauchte. Da wurde dem alten Mann seltsam zumute, und versahe sich seines baldigen Todes. Als er wieder aufgefahren war, bereitete er sich christlich auf sein nahes Ende vor, es fiel ihm auch alles Haar aus, so daß er völlig kahl wurde, allein er blieb nicht nur am Leben, sondern es wuchs ihm neues schönes schwarzes Bart- und Haupthaar, er verjüngte sich zusehends, wurde ein prächtiges Männchen, freite aufs neue, zeugte viele Kinder und starb erst im höchsten Alter. Seine Nachkommen haben hernach gar lange Reihen von Jahren dem Grubenhagenschen Bergwerk als Bergmeister löblich vorgestanden.

Ein anderer Steiger brachte zur Zeit guter Ausbeute einige reiche Stufen aus dem großen Johann und dem goldnen Altar beiseite, sie als Ersatz aufzubewahren, wenn einmal die Beute geringer ausfallen werde. Aber seine Mitgesellen, die das bemerkt hatten, glaubten, er habe die Stufen für sich über Seite gebracht, klagten ihn der Veruntreuung an, und da auf solcher damals die Todesstrafe stand, so wurde mit dem armen Manne kein langes Federlesens gemacht. Als er nun auf der Richtstatt kniete, um enthauptet zu werden, so rief er zuvor: Gott wird ein Zeichen tun, daß meine Unschuld erkannt werde! Fluch über die Gruben, bis ein Graf mit Glasaugen und Rehfüßen geboren wird und am Leben bleibt! Da tat der Scharfrichter seinen Schwertstreich, das Haupt des unschuldigen Mannes fiel, aber dem Rumpfe entsprangen statt des Blutes zwei Milchströme; das war das Zeichen, welches Gott tat, und gleichzeitig hörte man von fern ein Donnerkrachen, davon die Erde erbebte. Die genannten Gruben waren in sich zusammengebrochen und nie mehr befahrbar. Endlich geschah es, daß wirklich ein junger Graf geboren wurde mit Glasaugen und Rehfüßen, da hoffte man auf neuen Bergsegen aus jenen verschütteten Gruben, aber die Hoffnung trog, das seltsame Kind konnte nicht am Leben erhalten werden, sondern starb, und die Gruben blieben verschüttet auf immerdar.

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393. Der Geist auf Scharzfels

393. Der Geist auf Scharzfels

Auf der Burg Scharzfels im Harz, die eine wahre Felsenburg war, saßen im eilften Jahrhundert edle Grafen von Lutterberg oder Scharzfeld. Einer derselben, der zu Kaiser Heinrich IV. Zeiten lebte, hatte ein schönes Weib, die dem Kaiser allzuwohl gefiel. Auf der Burg aber wohnte ein Hausgeist von der Natur des Hütchen und Hinzelmann, doch ist dessen Name vergessen. Er hatte schon Scharzfels aus dem Felsen aushauen und mit erbauen helfen und erschien bisweilen als ein alter Mann, klein und krüppelhaft, in der Tracht eines Bergmanns oder Schanzgräbers. Er hatte seinen Wohnsitz im Wartturme und zeigte sich bisweilen den Burgbewohnern, und zwar lebhaft und kurzweilig, wenn Erfreuliches – trauervoll aber, wenn ein Unglück bevorstand. So ließ er sich in der Küche, im Hofe und in den Ställen blicken. Da nun einstmals der Graf und seine Gemahlin von einem Hoffeste in Goslar, dazu der Kaiser sie beide geladen hatte, zurück auf ihre Burg kamen, erblickten sie den Burggeist traurig und mit Augen voll Tränen, gerade als sie durch das Tor schreiten wollten, und ahndeten ein Unglück. Nicht lange danach kam ein Mönch aus dem Kloster Pölde, der ein Hausfreund auf Scharzfels war, als Sendbote des Kaisers und entbot den Grafen in sein Kloster, wo sein Lehensherr, der Kaiser, seiner harre, um ihn fernhin mit Botschaft zu entsenden. Als der Graf hinweg war, kam der Kaiser bald hernach wie von ungefähr vor einem Unwetter auf einem Jagdritt Schutz suchend nach der Burg hinauf, der Mönch, sein Vertrauter, begleitete ihn, und mit dessen Hülfe vollbrachte der Kaiser seinen schändlichen Willen an der arglosen Gräfin, die sich von dem hohen Besuch einer solchen Schandtat nicht im entferntesten versehen. Da entstand aber alsbald auf der Burg ein furchtbares Rumoren, der Geist warf die Dachungen der Türme ab und zeterte es in alle Lüfte hinaus, was der Kaiser mit seinem Helfershelfer, dem nichtswürdigen Mönch, vollbracht, und verfolgte den Mönch so eifrig und entsetzlich, daß dieser sich über dem Felsenufer des Harzflusses die Oder erhenkte, da, wo man es noch die Schandenburg nennt. Dem Kaiser reute lebenslänglich, was er getan. Der Geist litt auf dem Turm von Scharzfels nie mehr ein Dach. Manche sagen, daß nicht einer Gräfin von Lutterberg oder von Scharzfels, sondern einer Rittersfrau des Namens von der Helden vom Kaiser Heinrich so unfürstlich sei begegnet worden.

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394. Die Nixei und das Weingartenloch

394. Die Nixei und das Weingartenloch

Die Nixei und das Weingartenloch

Eine Stunde von der ehemaligen Burg Scharzfels liegt in der Nähe des Dorfes Osterhagen eine weitberufene Höhle, aus der ein Wasser rinnt, das sie die Ruma nennen. Das Wasser quillt bisweilen rot hervor, und das ist das Blut einer Nixe, welche die Liebe zu einem Erdensohn, gleich andern Nixen da und dort, unglücklich gemacht. Dieses Wasser füllt einen kleinen See, der Nixteich genannt, und ein Gehöft in der Nähe heißt die Nixei. Dort soll die Nixe mit ihrem Jüngling, der ein Riesensohn war, ihre heimlichen Zusammenkünfte gehabt haben, bis der Vater des Jünglings, ein grimmiger und ungeschlachter Bergriese, dies entdeckte und dem Liebeshandel ein Ende mit Schrecken machte. Seitdem wurde die arme Nixe in jene große und furchtbare Kristallhöhle eingeschlossen, aus der sie noch immer sich zu befreien sucht, und bei solchen Anstrengungen mischt sich dann ihr Blut mit dem aus der Höhle, welche das Weingartenloch heißt, hervorquellenden Wasser. Aus den Steinbrüchen nahe der Nixei soll das Kloster Walkenried ganz und gar erbaut worden sein. In der Höhle selbst ruhen nach der Sage die reichsten Schätze, aber es ist kein Kinderspiel, sie zu erlangen. Viele holten sich über solchem Bemühen schon den Tod: Berggeister, Bergzwerge und Bergmönche gehen allzumal darinnen um, seltsame Stimmen schallen, die Metalle reden, und den Rückweg aus dem Höhlenlabyrinth findet kaum einer wieder, oder er hat sonst ein Unglück. Es ist noch nicht fünfzig Jahre her, da kam ein Mann von Eimbeck und gedachte, in der Höhle einen guten Fang zu tun. Er war mit allem wohlversehen, brachte auch Gefährten mit von Lauterburg, kroch hinein, und siehe, da hielt ihn der Gänge einer, durch den er sich hindurchzwängte, eisern fest, er konnte nicht vor, nicht rückwärts. Vergebens ward Bergmannschaft entboten, ihn herauszuhacken und herauszuschaufeln, es glückte nicht, wie beim Maurer im Brunnen zu Schilda; zuletzt flehte er inständig, ihm den Tod zu geben, denn seine Lage war trostlos und ganz entsetzlich – da ward ein äußerstes Mittel versucht, nämlich ihn mit Stricken zu umgeben und auf Tod und Leben herauszuziehen. Jawohl, auf Tod – denn als nun so recht kräftig gezogen wurde, da tat es endlich einen Ruck, und da hatten sie den Mann glücklich befreit. Schade nur, daß dabei sein Kopf abgerissen war.

In der Höhle liegt ein großer Balken über dem unterirdischen Wasser, dahinter sitzt der Teufel neben Gold- und Silberhaufen. Wollen Leute davon haben, müssen sie zu dritt kommen und losen, wer ihm verfallen soll. Zwei gehen dann frei aus und dürfen des Mammons nehmen, so viel sie tragen können. Den dritten, den das Unglückslos trifft, zerreißt der Teufel in Stücken. Zum öftern kamen ein paar Fremde, die waren Venetianer und konnten schwarze Kunst und verlockten Leute, mit ihnen in das Loch zu gehen, denen spielten sie mit List das Todes- und Teufelslos zu, so daß sie stets leer und doch schätzebeladen ausgingen. Und da beredeten sie wieder einen Mann namens Schlosser aus Osterhagen, dem boten sie vieles Gold; er war sehr arm und hatte acht Kinder, aber er fürchtete sich. Doch hatte dieser Mann eine kluge Frau, die redete ihm zu, er solle nur getrost mitgehen. Sie wolle schon dafür tun, daß er wiederkomme. Und da nähte sie ihm braunen Dost in die Jacke und hieß ihn in Gottes Namen zu gehen. Das Zauberkraut schützte ihn, das Los traf nicht ihn, wie schlau es auch die Venetianer anfingen, sondern einen von den beiden; mit reichem Gut kehrte er aus der Höhle zurück, zog nach Andreasberg und baute sich dort ein schönes Haus. Was er aber in der Höhle Schreckliches gesehen, wie der Teufel den einen Venetianer lebendig zerrissen, das hat er all sein Lebtage nicht vergessen können.

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